Rotman 2009
Themengruppe | Exzerpte |
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Behandeltes Werk | Andy Rotman 2009 „Marketing Morality: The Economy of Faith in Early Indian Buddhism.“ In: Shripad G. Bhat, Shilpa Sumant, and Ambarish Vasant Khare (Hg.), Śrīnidhiḥ: Professor Shrikant Shankar Bahulkar's Gratitude Volume. Pune: Saṁvidyā Institute of Cultural Studies 2009, S. 253-290. |
Exzerpt: Andy Rotman: Marketing Morality: The Economy of Faith in Early Indian Buddhism
In diesem Text schildert Rotman anhand von Geschichten aus dem Divyāvadāna, wie im frühen indischen Buddhismus eine Verflechtung von Marktlogik und buddhistischer Moral- und Karmatheorie stattfindet, die v.a. das Spendenwesen sowohl ökonomisch als auch soteriologisch für die Spendenden relevant macht. Dabei spielt insbesondere die Mechanik von prasāda (gläubigem Vertrauen) eine wichtige Rolle innerhalb der buddhistischen Verdienst-Ökonomie (merit economy).
Rotman beschreibt, dass in den ersten Jahrhunderten n. Chr. enge Verbindung zwischen dem Buddhismus und Händlern/dem Merkantilismus bestanden haben muss, sodass die Logik des Marktes auch ihren Einfluss auf die buddhistische Ethik hatte: Verdienst und Tugend sind in einer marktbasierten Ethik Teil eines kommerziellen Systems. (vgl. S. 254)
Diese Marktlogik von Verdienst innerhalb einer Moral-Ökonomie (moral economy) findet sich insbesondere im buddhistischen Literaturgenre der Avadānas (z.B. in den Geschichten der Sammlung namens Divyāvadāna). Diese stützt auch die Logik des Marktes selbst, wie sich z.B. im Kanakavarṇa-avadāna sehen lässt, in welcher der König Kanakavarṇa seinen Landsleuten und Händlern die Steuern erlässt, woraufhin (durch kosmische Unausgeglichenheit) eine zwölfjährige Dürre ausbricht. Erst durch das Mitgefühl eines Buddhas, der den letzten verbliebenen Rest der Vorräte als Spende bekommt, und Kanakavarṇas Gebet, dass durch den entstandenen karmischen Verdienst die Armut in seinem Königreich beendet werden möge, wird die Hungersnot beendet und der Buddha bewirkt, dass es wieder regnet. Diese Geschichte zeigt zum einen die moralische und dharmische Relevanz von Steuern, als auch wie eine Spende an einen Buddha es dem König ermöglicht, sein Land aus der Armut herauszukaufen. (vg. S. 255 – 261)
Der durch Almosengaben an den Buddha (bzw. die buddhistische Gemeinde) entstandene karmische Verdienst (puṇya) scheint in diesen Texten sowohl die Wurzel/Ursache (mūla) als auch eine Art Kapital für zukünftige gute Taten und Leistungen zu sein und spiegelt außerdem die Wertigkeit der guten Tat des Gebens wider. (vgl. S. 261) Rotman verweist auch auf Melford Spiros (1970) Theorie über kammatischen Buddhismus, der den Fokus auf das Ansammeln von Verdienst durch gute Taten wie das Geben von Spenden (dāna) legt. Der angesammelte Verdienst führt zu einer positiven karmischen Vergeltung, die sich in den daraus entstandenen Resultaten wie Gesundheit, Wohlstand, etc. zeigt. (vgl. S. 264) Hier sehe ich eine starke Parallele zur protestantischen Ethik, wie Weber sie beschreibt.
In dieser Marktlogik kann karmischer Verdienst erlangt, angesammelt, transferiert, ausgezahlt und aufgebraucht werden, und stellt daher eine Art Handelsware für die buddhistische Gemeinschaft dar, und ist zugleich ein Maßstab für Moralität. In dieser Hinsicht zeigt sich auch eine große Ähnlichkeit zu Geld als Währung. Und da sich guter karmischer Verdienst in zukünftigem Wohlstand ausdrückt, zeigt Reichtum dementsprechend auch an, dass der Besitzer (in früheren Existenzen) verdienstvoll gehandelt haben muss und daher der buddhistischen Erlösungslehre entsprechend fortgeschritten ist. Auch in den Geschichten des Divyāvadāna gehen Reichtum und spiritueller Fortschritt oft Hand in Hand: Die Protagonisten sind zumeist reiche Laien oder Adlige oder gewinnen zusammen mit ihren Errungenschaften auf dem buddhistischen Heilsweg auch Reichtum, denn die Grundlage von beidem ist ihr gutes karmisches Verdienst. (vgl. S. 266) Wohlstand ist demnach ein Beweis für ethische Tugendhaftigkeit innerhalb der buddhistischen Doktrin. Buddhistische Institutionen übernehmen außerdem innerhalb der Marktökonomie die Funktion, einen Austausch bzw. Wechsel von Währungen/Gütern, nämlich Geld und moralischer Handlungen zu karmischem Verdienst und diesen wiederum zu Geld und moralischen Errungenschaften, zu ermöglichen: Durch das Spenden von Geld an Praktizierende und Tempel erhält der*die Spendende karmischen Verdienst, welcher wiederum umgewandelt werden kann in die karmisch gute Grundlage für zukünftig erwünschten Reichtum an spirituellen Gütern (wie Erlösung/Arhatschaft) sowie materiellen Gütern. Die Verbindung zwischen ökonomischer und moralischer Sphäre im indischen Buddhismus findet sich desweiteren auch in den strukturellen Ähnlichkeiten von Königtum und Buddhaschaft, königlichem Gesetz und buddhistischen Regeln, Steuern und Spenden, sowie kommerziellen Regeln und moralischen Regeln. Dies gilt aber zum Teil auch für den weiteren Kontext indischer Religiosität. (vgl. S. 267)
Allerdings gibt es keine direkte Übersetzbarkeit zwischen der ökonomischen und der religiösen Sphäre, bzw. zwischen dem Wert von Geld und dem Wert von karmischem Verdienst (wovon vor allem die Reichen profitieren würden, die sich dann einfacher karmischen Verdienst erkaufen könnten): Mehr Geld lässt sich nicht direkt in mehr Verdienst umwandeln. Das Dānādhikaraṇa-mahāyānasūtra zeigt auf, welche Arten von Spenden zu welchen Resultaten führen: Dabei fällt auf, dass das Resultat vieler Spenden v.a. ebenfalls materiell ist (z.B. wer einen Schlafplatz anbietet, wird in der Zukunft mit Wiedergeburten in reichen Familien belohnt), und dass nur bestimmte Gaben auch zu spirituellen Resultaten führen, sodass mehr gespendeter Reichtum überwiegend nur zu noch mehr weltlichem Reichtum führt. (vgl. S. 269 f.) In vielen Avadāna Geschichten werden verdienstvolle Taten tatsächlich deshalb getätigt, weil von den Handelnden als Resultat (zukünftiger) Reichtum durch den erworbenen Verdienst erwartet wird (z.B. der Händler Koṭikarṇa, der nach einer Spende von Reichtümern zur Restauration eines Schreins den Wunsch äußert, durch den dadurch entstandenen Verdienst in eine reiche Familie wiedergeboren zu werden). (vgl. S. 270)
Der marktwirtschaftliche Determinismus wird allerdings in der buddhistischen Marktmoralität dadurch unterminiert, dass den Armen ein besonderer Zugang zum Erlangen von Verdienst ermöglicht wird, der nicht alleine auf gleichwertigem Austausch von Wertgegenständen und Verdienst beruht, während die Reichen durch ihren finanziellen Vorteil eher gehemmt werden auf dem Weg zur spirituellen Erlösung. Dies geschieht durch den Stellenwert von prasāda (faith/Vertrauen) für die buddhistische Moralökonomie: Durch initiales Vertrauen in die buddhistische Lehre lässt sich in eine buddhistische Zukunft investieren, denn ohne dieses Vertrauen (und Bekenntnis zum Buddhismus), haben gute Taten nicht dieselbe Art von Resultat. (vgl. S. 271) Denn im Zustand von prasāda kann man Spenden von geringem Wert tätigen und dafür dennoch eine große Menge Verdienst erlangen (Bsp.: Nagarāvalambikā-avadāna: Eine lepröse Bettlerin trifft Mahākāśyapa, dessen Anblick löst prasāda in ihr aus und sie gibt ihm etwas von ihrem Reiswasser und wird dafür im Tuṣita-Himmel wiedergeboren). (vgl. S. 272 f.) Der karmische Wert einer Spende ist nicht gleich ihrem materiellen Marktwert, sondern er wird durch den religiösen Glauben/die Intention, mit der gegeben wird, besonders karmisch wertvoll/verdienstvoll. Prasāda lädt die Gabe dabei ganz besonders mit spirituellem Wert auf, sodass das karmische Resultat dementsprechend groß ist, was den Armen, die wenig Wertvolles geben können, zugutekommt. Dagegen können Könige und Götter nicht in gleicher Weise profitieren, da eine Voraussetzung für prasāda/gläubiges Vertrauen ist, dass die Lebewesen leiden, und diejenigen, die bereits aufgrund früheren karmischen Verdienstes gute Resultate in einer Existenz genießen (und daher nicht leiden), nach den natürlichen Gesetzen (dharmatā) nicht noch weiter von diesen Resultaten profitieren können, indem sie sie gegen zusätzlichen Verdienst eintauschen. (vgl. S. 275 f.)
Bestimmte Objekte, z.B. Buddhas, Buddha-Darstellungen, Arhats und Stūpas sind prāsādikas, also Auslöser von prasāda-Zuständen in anderen, wenn beispielsweise eine arme Person sie sieht. Im Divyāvadāna führt ein prasāda-Zustand stets automatisch dazu, dass die Person eine Spende tätigt, welche dann zu guten Resultaten in der Zukunft bis hin zu einer direkten guten Wiedergeburt führt. (vgl. S. 276 f.) Das mechanische Aufkommen von prasāda ausgelöst durch den Kontakt mit einem bestimmten Objekt und die damit verknüpfte Pflicht/das Verlangen, zu spenden, ist insofern interessant, dass eine externe Kraft nötig ist, um das karmische Schicksal leidender Lebewesen zu durchbrechen und sie initial auf dem buddhistischen Heilsweg voranzubringen. (vgl. S. 278 ff.) Die Mechanik von prasāda kommt den Armen und Machtlosen zugute gerade, weil sie dafür selbst nicht verantwortlich sind. Während sie zwar für ihren schlechten Lebenszustand karmisch verantwortlich sind, kommt der Glaube, der sie befreit und zu Buddhisten macht, ohne ihr eigenes Zutun zu ihnen und bietet einen Ausweg in Form von zukünftigen guten Existenzen. (Vgl. S. 284 f.) Dagegen ist für Personen, die auf dem buddhistischen Pfad bereits fortgeschritten sind, wie z.B. Mönche und Nonnen, nicht ideal, an dieser Verdienst-Ökonomie auf gleiche Weise teilzunehmen, da das Anhäufen von viel gutem karmischem Verdienst sie ihm Wiedergeburtenkreislauf halten würde, anstatt ihrem eigentlichen Ziel, dem Ausstieg aus dem samsarischen Kreislauf, zu helfen. Nirvāṇa besteht nämlich in der Auslöschung aller karmischen Verbindungen und prasāda wirkt dem entgegen. (vgl. S. 285 f.) Auch hier sieht man wieder eine Trennung in die Sphären des kammatischen Buddhismus, der für die Laien relevant ist, und des nibbanischen Buddhismus der praktizierenden Mönche und Nonnen (siehe Melford Spiro).
Verweise
Literatur
- Andy Rotman 2009„Marketing Morality: The Economy of Faith in Early Indian Buddhism.“ In: Shripad G. Bhat, Shilpa Sumant, and Ambarish Vasant Khare (Hg.), Śrīnidhiḥ: Professor Shrikant Shankar Bahulkar's Gratitude Volume. Pune: Saṁvidyā Institute of Cultural Studies 2009, S. 253-290.