Exzerpt:Rambelli 1996

Aus Kamigraphie
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Themengruppe Exzerpte
Behandeltes Werk
Fabio Rambelli 1996
„Religion, ideology of domination, and nationalism: Kuroda Toshio on the discourses of shinkoku.“ Japanese Journal of Religious Studies 23/3-4 (1996), S. 387-426. (Exzerpt.)

Dieser Text Rambellis befasst sich mit Kuroda Toshios Analyse des shinkoku 神国 („Land der Götter“) Konzepts.

Definition des shinkoku-Konzepts

  • Kern des shinkoku-Diskurses ist die Annahme, dass Japan das Land der Götter sei. Erstmals wurde es im Nihon shoki 日本書紀 als solches erwähnt, später, beginnend mit der Heian-Zeit (784-1185) und bis hin zum Zweiten Weltkrieg, kam es auch in zahlreichen anderen Texten vor (S. 389).
  • Das Konzept hat sich im „System esoterischer und exoterischer Lehren“ (kenmitsu taisei 顕密体制[1]), dem vorherrschenden politisch-religiösem Ethos des mittelalterlichen Japans, als eine reaktionäre Ideologie gegen neue, für die Regierung potentiell gefährliche, Strömungen entwickelt (S. 387).
  • Nach Kurodas Auffassung ist das shinkoku-Konzept sowohl als verwandt, als auch als entgegengesetzt zu den Ideen der senju nenbutsu 専修念仏 Bewegung zu sehen.
  • Das shinkoku-Konzept wurde häufig dazu verwendet die eigene Vergangenheit zu mystifizieren und zu glorifizieren: ausgewählte Ereignisse und Ideen wurden in einen anderen ideologischen Kontext eingebettet um eine verzerrte Version der Vergangenheit darzustellen, auf die eine kulturelle Identität und ein Herrschaftssystem aufgebaut werden konnten (S. 390).
  • Shinkoku ist kein rein religiöses Konzept. Es überschneidet sich mit politischen Interessen (S. 392)

Shinkoku im Wandel der Zeit

Die Interpretation von shinkoku änderte sich stark zwischen der frühen Heian-Zeit und dem Mittelalter.

Nach erstmaliger schriftlicher Erwähnung im Nihon shoki wurde der Begriff ca. 869/870 während der Herrschaft des Seiwa Tennō 清和天皇 erwähnt: Zu dieser Zeit fielen Schiffe aus Silla[2] in Kyushu ein, außerdem wurde das Land von Erdbeben und anderen Katastrophen heimgesucht. Daraufhin ordnete das Militär sämtliche Tempel und Schreine an, Schutzrituale durchzuführen. Der Kaiser schickte Gesandte nach Ise, Iwashimizu und Usa, um die Götter um Frieden zu bitten. In diesen Gebeten wurde Japan als „Shinmei no kuni“ 神明の国 und „Shinkoku“ 神国 bezeichnet. Zu dieser Zeit war damit allerdings indirekt der Kaiser gemeint, denn nur er und seine Sippe galten als heilig - „Land der Götter“ bezeichnete hier also den Schutz, den der Kaiser durch die Götter erhält. (S. 393)

Zu dieser Zeit kannte das shinkoku-Konzept noch keinen Buddhismus. Die Kami waren keine Manifestation Buddhas, und es wurden keine buddhistischen Rituale für sie durchgeführt.

In der Insei-Ära (Heian-Zeit) änderte sich dies jedoch: Der shinkoku-Diskurs beschäftigt sich nicht nur mit bestimmten Kami, sondern mit der Gesamtheit japanischer Gottheiten. Zu dieser Zeit trat auch das honji suijaku-Konzept[3] in Erscheinung, durch das einige Kami als Manifestationen Buddhas oder Bodhisattvas gesehen wurden. Außerdem waren nunmehr alle Kami für den Schutz des ganzen Landes zuständig, nicht nur für den des Kaisers.

Kuroda betont, dass Shintô keine koherente Religion darstellt, sondern lediglich eine Zusammensetzung aus diversen Kulten die verschiedene Gottheiten verehren. Viele Doktrinen um die Kami wurden erst Ende der Heian Zeit durch das kenmitsu taisei ins Leben gerufen. (S. 399)

Weiters waren die Kami-Kulte nicht durchgehend beim Volk beliebt: Rambelli sieht den Grund darin das sie den Leuten aufgezwungen wurden, quasi als Werkzeug der Herrschaft der kenmitsu-Institutionen

Die Periode zwischen der ersten Mongoleninvasion und dem Ende der Kamakura-Zeit war für die Entwicklung von shinkoku von großer Bedeutung. Nachdem die Mongolen die Kapitulation Japans forderten, verfielen die Regierung sowie alle anderen wichtigen Institutionen in eine Art religiösen Wahnsinn. Da man keine Chance sah, der Invasion zu entgehen, versuchte man durch Gebete und Anrufungen ein göttliches Wunder herauf zu beschwören. Die Themen dieser Gebete waren die heilige Herkunft des Kaisers, der Schutz Japans durch die Kami, sowie die Heiligkeit des gesamten Landes. Besonders repräsentativ dafür war das Dokument Kaibyakuman, das von Tougon Ean dem Iwashimizu Hachiman-Schrein vorgelegt wurde: Hierin stand unter anderem, dass die Mongolen sich zu den Japanern verhalten wie Katzen zu Löwen. Außerdem sei Japan allen anderen Ländern überlegen. In diesem Dokument werden auch die Tugenden der Kaiserin Jingū, sowie des Hachiman gepriesen. Es wurden auch verschiedene Götter angerufen, dass sie den Japanern Glück und Stärke in der Schlacht verleihen mögen. Nachdem die mongolischen Flotte zweimal von Taifunen zerstört wurde (kamikaze 神風, „göttlicher Wind“), wurde dies als Beweis für den aktiven Schutz der Kami aufgefasst. Diese, scheinbar göttliche, Fügung des Schicksals trug dazu bei, dass das shinkoku-Konzept noch mehr gestärkt wurde.

Kommentar

Rambellis Text an sich ist zwar interessant, jedoch ist das shinkoku Konzept meiner Meinung nach etwas abstrakt. Eventuell liegt es daran, das er sich sehr oft auf Kurodas Ausführungen bezieht, und ich dessen Texte nicht kenne.

Anmerkungen

  1. Das kenmitsu taisei stellt nach Kuroda ein komple­mentäres Inei­nander­greifen von geheimen esote­rischen Riten und exote­rischen Dogmen dar und war für die großen religiösen Zentren im Mittel­alter (unabhängig ob Tendai-, Shingon oder sonst wie orientiert) charakteristisch. Der kenmitsu Buddhismus (der natürlich nur eine histo­rische Kon­struktion ist) bediente sich der ver­schiedensten Strö­mungen und Rich­tungen und wandte sie pragmatisch und in enger Ver­flechtung mit den jeweiligen Macht­ver­hältnissen an. Aus theo­logischer Sicht lassen sich die Ver­treter des kenmitsu taisei vielleicht am besten dadurch charak­terisieren, dass sie unter­einander zwar einen relativ hohen Grad an Toleranz aufweisen, sich aber umso ve­he­menter gegen alle aus­schließenden, radikalen, „funda­menta­listischen“ Glaubens­formen wenden, wie sie für viele Vertreter des „Neuen Buddhismus“ typisch sind. Aus Religion in Japan - Ein Web-Handbuch (Bernhard Scheid, seit 2001).
    Behandelt sowohl Buddhismus als auch Shinto.
  2. Silla
  3. Honji 本地 („Urform“) bezeichnet den Buddha oder Bodhisattva, der sich in Form (suijaku 垂迹 („Abbild“)) eines Kami zu erkennen gibt

Weiterführende Literatur

  • Toshio Kuroda 1965
    Mōko shūrai. (Nihon no rekishi, Bd. 8.) Tokyo: Chūō Kōronsha 1965.
  • Toshio Kuroda 1975
    Nihon chūsei no kokka to shūkyō. Tokyo: Iwanami Shoten 1975.
  • Kuroda Toshio 1981
    „Shinto in the history of Japanese religion.“ Journal of Japanese Studies 7/1 (1981), S. 1-22. (Ü. von J. Dobbins und S. Gay.)
  • Toshio Kuroda 1994
    Kenmitsu taisei ron. (Kuroda Toshio chosakushū, Bd. 2.) Kyoto: Hōzōkan 1994.
  • Toshio Kuroda 1995
    Shinkoku shisō to senju nenbutsu. (Kuroda Toshio chosakushū, Bd. 4.) Kyoto: Hōzōkan 1995.
  • Hiroo Satō 1987
    Nihon chūsei no kokka to Bukkyō. Tokyo: Yoshikawa Kōbunkan 1987.
  • Hiroo Satō 1995
    „Shinkoku shisō kō.“ Nihonshi kenkyū 390 (1995), S. 1-30.
  • Hiroo Satō 1995
    „Ikaru kami to sukuu kami.“ Nihon no bukkyō 3 (1995), S. 2-22.

Dieser Artikel wurde ursprünglich für das Schwesterprojekt Hachiman-no-pedia verfasst.