Engimono

Aus Kamigraphie
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Ein Leitfaden für den Umgang mit Kulturdenkmälern definiert engimono folgendermaßen: „Gegenstände, denen man glücksbringende Wirkung zuschreibt und die man in Shintō-Schreinen oder buddhistischen Tempeln erwerben kann.“[1]

Engimono 縁起もの ist ein Wort buddhistischen Ursprungs und bedeutet so viel wie „vom Schicksal vorgezeichnete Ereignisse“. Es ist eine Zusammensetzung aus den Kanji 縁, was Schicksal oder Vorzeichen bedeutet und 起, das man hier mit „etwas passiert/etwas tritt ein“ übersetzen kann. Heute wird das Wort engimono für glücksbringende Figuren verwendet, doch ursprünglich handelte es sich nicht um Gegenstände, sondern um Chroniken von Schreinen und Tempeln, in denen die Wunderkräfte von Göttern und Buddhas und der Ursprung der sich dort befindlichen Schätze erläutert wurden. In der Edo-Zeit 江戸時代 (1603–1868) wurde der Ausdruck dann auf populäre Glücksbringer übertragen.

Begriffsklärung: fuku, un und engi

Glück spielt im heutigen Japan vor allem zu Neujahr eine sehr große Rolle. An diesem Tag kaufen die meisten Japaner engimono, also Glücksbringer, wenn sie den ersten Schreinbesuch des Jahres machen. Vor allem die Glückspfeile, hamaya 破魔矢 genannt, sind beliebte engimono, die man zu dieser Zeit erwirbt. Ein anderes Beispiel wäre der Frosch, der durch ein Wortspiel ebenfalls zu einem sehr beliebten engimono geworden ist. Das japanische Wort für Frosch kaeru かえる hat auch noch eine zweite Bedeutung und zwar „zurückkehren“. Aus diesem Grund entstanden Redewendungen wie buji ni kaeru 無事にかえる, zu dt. „Komm unversehrt zurück“ oder fuku kaeru 副かえる, „Glück kehre zurück“. Auch als Geschenk eignet sich eine Froschfigur hervorragend, da man sie mit den Worten fuku wo mukaeru 副をむかえる, was soviel bedeutet wie „Gehe dem Glück entgegen“, übergeben kann. Natürlich ist es ein Tabu, echte Frösche zu verschenken, aber es gibt sehr viele Leute, die Schlüsselanhänger, Keramikfiguren oder Schmuck in Froschform besitzen.[2]

Das englische Wort „luck“ umfasst nicht alle Nuancen des japanischen Konzeptes von Glück. Dieses kann auf folgende zwei Gegebenheiten zurückgeführt werden: das buddhistische Konzept der karmischen Kausalität und der daoistische Glauben, dem eine zyklische Auffassung der Zeit zugrunde liegt. Viele Japaner benutzen daoistische astrologische Kalender mit hilfreichen Tipps für Events, die zum Leben gehören wie zum Beispiel Hochzeiten, Geburten oder Begräbnisse, aber auch für Ereignisse, die andere „Veränderung“ bedeuten wie der Bau eines Hauses oder der Antritt einer Reise. Japaner benutzen oft verschiedene Ausdrücke für „Glück“. Der wichtigste ist wohl fuku 福 wie er auch in dem Terminus Shichi Fukujin 七福神, also die Sieben Glücksgötter, vorkommt. Dieser Ausdruck ist sehr stark mit dem Segen der Götter verbunden. Ein weiterer Ausdruck für Glück ist un 運, welcher mit Bewegung in Verbindung gebracht wird. Es kann mit Schicksal übersetzt werden. Außerdem gibt es noch den Begriff engi 縁起, welcher ein verkürzter Ausdruck des buddhistischen Konzeptes inen seigi ist. Dieser Ausdruck bedeutet, dass direkte und indirekte Ursachen physische Resultate hervorrufen. Durch ihre Aktionen und Taten haben die Menschen direkten Einfluss auf ihr Schicksal in diesem und in zukünftigen Leben. Göttliche Hilfe gehört zu den indirekten Ursachen, durch die Gutes hervorgerufen wird. En bezieht sich auf die Beziehung mit den Gottheiten, mit der die Menschen versuchen, ihr Schicksal zu ändern. Engimono 縁起物 sind Dinge, die dabei helfen sollen, dies zu erreichen. Im folgenden soll näher auf die engimono eingegangen werden.[3]

Engimono in der Edo-Zeit

Shinto-Priester und Mönche namens kanjin hijiri 勧進聖, die in der Edo-Zeit viele Provinzen bereisten und Spenden sammelten, trugen, als sie herum gingen und über die Wunderkräfte der Götter redeten, die engimono als Texte auf der Schulter. Die Redewendung engi o katsugu 縁起をかつぐ („das Schicksal schultern“) rührt aus dieser Zeit. Früher oder später waren es jedoch nicht mehr Texte, sondern Schätze, die darin erwähnt werden. Schließlich kam es dazu, dass wundersame Waren aus religiösen Orten, die man um göttliche Hilfe bat, feilgeboten wurden, vor allem Spielzeug.

Der Handel mit solchen Glücksbringern hat nicht etwa in der heutigen Zeit begonnen. Bereits in der Edo-Zeit kam es vor, dass Mönche anstelle der Bürger für etwas beteten. Der Handel mit den Wünschen der Menschen erfuhr in dieser Zeit großen Aufschwung. Die Leute, die Handel mit Glücksbringern betrieben, erstellten Listen, chūhō-oboe 重宝覚 genannt, von Schreinen oder Tempeln und deren Wunderkräften, opferten Gegenstände, die zu den Wünschen der Leute passten, und verkauften diese auch. Schließlich fingen die Schreine und Tempel an, selbst Gegenstände, die man opfern konnte, zu verkaufen und als Resultat von zahlreichen Bemühungen in Bezug auf diese Waren wurden die vielfältigen o-miyage お土産 der heutigen Zeit geboren.[4]

Übertragung der spirituellen Kraft auf die engimono

Doch wie wird spirituelle Macht auf engimono reduziert und übertragen und wie kam es dazu, dass sie auch noch entfernt von spirituellen Orten etwas nutzten? Im Christentum basiert Heiligkeit tragbarer Objekte auf der Spiritualität des Originals, von dem sie abstammen. Die Macht des Originals kann durch Worte, Berührung oder mimetische Gestaltung übertragen werden. Engimono werden auf ähnliche Weise mit ihrer Kraft versehen. Reislöffel, sogenannte Shamoji 杓文字[5], aus Miyajima 宮島 beispielsweise sind engimono, die von dieser Insel ausgehend über ganz Japan verteilt werden. Miyajima ist einer der Hauptorte, der der Verehrung von Benzai-ten 弁財天, einer der Sieben Glücksgötter, gewidmet ist. Die Reislöffel sind durch Kontakt mit der Spiritualität dieser Gottheit verbunden. Laut lokaler Mythen wurden die Reislöffel aus heiligen Bäumen hergestellt, die auf Miyajima wachsen, da die Insel als ganzes die Verkörperung von Benzai-ten darstellt. Heutzutage werden die Reislöffel jedoch von importierten Holz hergestellt. Durch das Stempeln der Schriftzeichen für „Miyajima“ auf den Griff, erhalten sie jedoch ihre Authentizität. Die meisten anderen engimono sind ebenfalls durch Worte oder Symbole mit einer bestimmten Region Japans verbunden. Ein anderes Beispiel sind die Kotohira-Fächer, welche mit dem Kotohira-Schrein 金刀比羅宮 auf dem Berg Konpira 金毘羅山 in Shikoku 四国 in Zusammenhang stehen und durch lokale kommerzielle Netzwerke in ganz Japan verkauft werden. Der Verkauf von engimono beschränkt sich aber oft nicht nur auf den Schrein oder die Region, aus der sie stammen. Die hölzernen Vogelstatuen, uso genannt, die ursprünglich als engimono des Dazaifu Tenmangū Schreins 太宰府天満宮 in Kyūshū verkauft wurden, werden heute von sehr vielen Schreinen, die mit dieser Gottheit assoziiert werden, verkauft. Sie werden zwar als lokale Objekte der Kyūshū-Region angesehen, man kann sie jedoch in ganz Japan erwerben. Dieser Fakt bedeutet auch, dass engimono nicht unbedingt mit einem bestimmten heiligen Ort verbunden sein müssen, um effektiv zu sein.[6]

Engimono und kamidana

Ein wichtiges Charakteristikum von engimono ist, dass man sie nicht bei sich am Körper trägt, sondern zu Hause aufstellt. Es gibt zwei Orte im Haus, die traditionell mit religiösen und spirituellen Kult in Verbindung stehen. Zum einen gibt es den butsudan 仏壇, also den buddhistischen Hausaltar, der vor allem zur Verehrung der Ahnen und vor kurzem Verstorbener benutzt wird. Der kamidana 神棚 auf der anderen Seite ist der shintoistischer Hausaltar, bei dem die Götter verehrt werden, die das Haus beschützen und der auch in engem Zusammenhang mit dem Glück der Familie steht. Im Folgenden soll kurz ein Beispiel für die Verbindung zwischen kamidana und Glück erläutert werden.

Familie Miyada lebt auf der Insel Miyajima. Herr Miyada ist Vorsitzender einer Firma, die Küchenutensilien verkauft, Frau Miyada ist Hausfrau. Über ihrer Küchentür hängt ein kamidana in dem sich 3 Objekte befinden. Das erste Objekt ist ein Pfeil den das Paar bei einem lokalen Schrein gekauft hat, das zweite ist ein hölzernes kegelförmiges Objekt, das otama, „Die Saat des Lebens“ genannt wird. Dies war ein Geschenk, das Herr Miyada bei einem lokalen Shinto-Fest erhalten hat. Dann gibt es auch noch einen hölzernen Reislöffel mit dem Bild eines Hasens und dem Text kaiun („öffnen für besseres Glück“). Jedes Jahr produziert die Firma von Herr Miyada solche Löffel mit dem passenden Tier-Sternzeichen. Sie werden wie die anderen Küchenutensilien verkauft und an lokale Souvenir-Shops verteilt. Die engimono werden jedoch hauptsächlich zu Neujahr verkauft. Alle drei Objekte in dem kamidana der Miyadas sind engimono. Sie stehen für die drei Hauptcharakteristika der materiellen Kultur von Glück. Das erste Charakteristikum ist, dass die Objekte einen temporären Charakter besitzen. Zwei der Objekte im kamidana der Miyadas stehen im engen Zusammenhang mit Neujahr, eines davon mit einem jährlichen Fest, das bei einem Schrein abgehalten wird. Ein weiteres Charakteristikum ist, dass viele engimono wie das otama als Geschenk erhalten werden. Das letzte Charakteristikum ist, dass die engimono durch ihre physische Qualität einen Sinn oder eine Aufgabe erfüllen: entweder laden sie Glück ein oder sie verscheuchen Böses. Der Pfeil schießt auf Böses, durch die Saat des Lebens wird Glück gepflanzt und der Reislöffel schöpft Glück. Ein sehr großer Teil der engimono sind Werkzeuge oder Utensilien. Es gibt auch die kumade 熊手, die Bambusrechen, mit denen Glück zusammengekehrt wird. Die Aufgabe der engimono ist somit eng verbunden mit alltäglichen Praktiken.[7]

Jahreszeitliche Veränderung der engimono

Doch nicht nur in kamidana sind verschiedene engimono vorzufinden, sondern auch in Fluren und in der tokonoma, der Nische eines Zimmers, die einen dekorativen Zweck erfüllt. Die Objekte, die hier meistens vorzufinden sind, stehen in engem Zusammenhang mit zeitlichen Veränderungen. Beispielsweise findet man hier Vertreter der Tierkreiszeichen, Objekte in Dämonenform, die das Haus beschützen sollen oder Dinge, die mit den Jahreszeiten in Verbindung stehen. Im Jahr des Hasen wird man also vermutlich Hasenstatuen vorfinden, die im Februar beispielsweise mit Pflaumen- und Mandarinenästen geschmückt werden. Auch Postkarten oder Fotos mit jahreszeitlichen Abbildungen, wie Feuerwerke im Sommer kann man vorfinden. Viele Hausfrauen basteln und nähen auch selbst Dinge, die zu den Jahreszeiten passen. Beispielsweise werden passende Blumen gemalt oder es werden Früchte aus Stoffresten hergestellt. An diesen Beispielen kann man sehr gut sehen, dass der Alltag der Japaner oft durch die Veränderung der Zeit beeinflusst und bestimmt wird.[8]

Die Kombination von engimono

Prinzipiell wird davon ausgegangen, dass eine größere Anzahl an engimono auch mehr Glück mit sich bringt. Dies liegt daran, dass geglaubt wird, dass ein engimono jeweils in einem gewissen Bereich wirksam ist und eine größere Anzahl somit mehr Bereiche abdeckt. Weiters gibt es auch keine Regeln, die besagen, dass man gewisse engimono nicht miteinander kombinieren soll. Im Volksmund heißt es jedoch, dass es besser sei, sich für eine ungerade Zahl an engimono zu entscheiden, sobald man beispielsweise mehrere o-mamori お守り („Talisman“) bei sich trägt. Wenn man sich für eine gerade Zahl entscheiden sollte, käme es sonst zu einem Streit zwischen den Göttern, wenn Uneinigkeit zwischen ihnen herrscht.

Wichtige engimono

Verweise

Literatur

  • Inge Maria Daniels 2003
    „Scooping, raking, beckoning luck: Luck, agency and the interdependence of people and things.“ In: Royal Anthropological Institute of Great Britain and Ireland (Hg.), The Journal of the Royal Anthropological Institute 9/4. 2003, S. 619-638.
  • Noboru Miyata, e.a. 1998
    „,Shichifukujin‘ nanatsu no kīwādo.“ In: Miyata Noboru (Hg.), Shichifukujin shinkō jiten. Tokyo: Ebisu Kōshō Shuppan 1998, S. 24–59. (S.a. Exzerpt.)

Internetquellen

Letzte Überprüfung der Linkadressen: 2021/09/05

Fußnoten

  1. Miyata 1998, S. 47
  2. Siehe auch: Engimono no aru kurashi 縁起物のある暮らし (Zugriff über Internet Archive, Stand: 2021/08/15)
  3. Daniels 2003, S. 621–623
  4. Miyata 1998, S.46–47
  5. Shamoji“, Wikipedia[de] (Stand: 2021/08/15)
  6. Daniels 2003, S. 623–624
  7. Daniels 2003, S. 625–626
  8. Daniels 2003, S. 627–628

Bilder

Quellen und Erläuterungen zu den Bildern auf dieser Seite:

  1. Hamaya.jpg
    Hamaya (破魔矢) Kultgegenstand (Holz, Stoff, Plastik); Ikuta Schrein, Kobe
    Bild © Tomomarusan. (Letzter Zugriff: 2021/8/25)
  2. Shamoji.jpg
    Shamoji (杓文字) Kultgegenstand (Holz); Miyajima, Präfektur Hiroshima
    Bild © Japanese Art and Culture, Daruma San in Japan. (Letzter Zugriff: 2021/8/25)
  3. Uso-Figuren.JPG
    Uso-Figuren (うそ) Kultgegenstand (Holz)
    Bild © Rurousha 流浪者. (Letzter Zugriff: 2021/8/25)
  4. Uso auf Ema.JPG
    Uso auf Ema Tafel (Holz, bemalt)
    Bild © Rurousha 流浪者. (Letzter Zugriff: 2021/8/25)
  5. Shamoji mit Glücksgöttern.jpg
    Shamoji mit Glücksgöttern (杓文字) Kultgegenstand (Holz); Miyajima, Präfektur Hiroshima
    Bild © Japanese Art and Culture, Daruma San in Japan. (Letzter Zugriff: 2021/8/025)