Exzerpt:Oyler 2008
Themengruppe | Exzerpte |
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Behandeltes Werk |
Autorin
Elizabeth Oyler ist eine US-amerikanische Japanologin, deren Forschungsschwerpunkt auf vormoderner japanischer Literatur liegt, wobei ihr Hauptfokus auf Literatur und darstellenden Künsten des japanischen Mittelalters liegt. Derzeit ist sie als „Associate Professor of Premodern Japanese Literature, Performance“ an der University of Pittsburgh tätig.
Inhalt
In dem Artikel bearbeitet Oyler die Vertreibung von zwei nue 鵺 (Mischwesen mit einem Affen-Kopf, Tanuki-Körper, Schlangen-Schwanz, Tiger-Pranken und der Stimme einer Drossel) durch Minamoto no Yorimasa 源頼政, welches in der Kakuichi-bon-Fassung (覚一本) des Heike monogatari durch ein elegisches Kapitel nach dem Tod von Yorimasa erläutert wird. Herausstechend ist diese Erzählung für sie insofern, dass diese Episode die längste, einem Tod im Kampf folgende, elegische Episode in der Kakuichi-bon-Fassung ist und dass eine Auseinandersetzung mit einem Monster („encounter with the weird“) im Vordergrund steht [1]. Hierbei geht sie vor allem den Fragen nach, was an Yorimasa so relevant für die Autoren gewesen sein könnte, ihm eine so ausführliche Elegie zu widmen, und warum die Vertreibung der nue im Vordergrund dieser Epiosde platziert wurde.
Da die Kakuichi-bon-Fassung erst im späten 14. Jahrhundert vollständig abgefasst worden sein soll, geht Oyler zunächst auf die Darstellung dieser Episode in anderen, früheren Fassungen des Heike-Textstoffes ein. Hierbei nennt sie zuerst eine Darstellung dieser Episode aus einer Sammlung mehrerer Setsuwa (説話), Jikkinshō (十訓抄) aus 1252, in dem Yorimasa eine Drossel (ebenfalls Nue 鵺), die durch ihr lautes Geschrei, den ehemaligen Regenten Takakura stören würde, trotz schlechter Sicht auf den Vogel mit seinem Bogen zu Fall bringt und danach ein Gedicht verfasst. Hier wird laut Oyler vor allem seine Kunst im Umgang sowohl mit dem Bogen als auch der Dichtkunst hervorgehoben, nicht aber seine Expertise in der Vertreibung von Monstern. In zwei vermutlich frühen Fassungen, dem Shibukassenjō-bon (四部合戦状本) der mündlichen Texttradition und dem Yashiro-bon (屋代本) der mündlichen Texttradition des Heike monogatari. finden sich ebenfalls Darstellungen dieser Episode. In ersterem wird die ‘‘Nue’‘-Episode auf zwei Kapitel aufgeteilt, wobei in dem ersten Kapitel noch in der Narration fortschreitend davon beschrieben wird, wie Yorimasa einen Nue-Vogel tötet, und in dem zweiten wird nach dem Tod Yorimasas retrospektiv davon erzählt, wie er ein Mischwesen auf Affe, Tanuki, Tiger und Schlange tötet. In der Yashiro-bon-Fassung findet sich nur die Erwähnung der ersten Begegnung mit dem Vogel, weder aber der Tod Yorimasas, noch die Auseinandersetzung mit dem Monster [2].
In der Kakuichi-bon-Fassung werden beide Auseinandersetzungen mit den Nue erst im Anschluss an Yorimasas Tod ausgeführt. Yorimasa kämpft zwar im Zuge der Hōgen- und Heiji-Unruhen auf Seiten der Taira gegen die Minamoto, entscheidet sich aber aufgrund stetigen Verfalls der Taira und der gefühlten Nicht-Würdigung seiner Taten im Dienst der Taira eine Revolution des eigentlich rechtmäßigen Thronfolgers Mochihito anzufachen, die aber früh von Taira no Kiyomori entdeckt und unterdrückt wird. Bei der entscheidenden Schlacht begeht Yorimasa nach blutigen Kämpfen dann Selbstmord.
Die Nue-Episode im Kakuichi-bon besteht laut Oyler aus drei gepaarten Darstellungen Yorimasas, die seine Fähigkeiten in den Kriegskünsten, wie auch den Dichtkünsten herausheben, deren Vereinigung das propagierte Ideal des Kriegeradels zur Zeit der Abfassung dieser Textfassung gewesen sein soll (jap. Bunburyōdō 文武両道) [3]. Hierbei geht es um die zweimalige militärische Unterstützung des Kaiserhofes gegen seinen eigenen Klan, das zweimalige Abfassen von Gedichten, welche ihm seine seiner Meinung nach zustehenden Hofränge gewährleisteten, und das zweimalige Niederstrecken der Nue.
Obwohl Yorimasa in beiden Auseinandersetzungen mit den Minamoto auf Seite der Taira gekämpft hatte, und damit seine Fähigkeiten des bu 武 bewiesen hatte, wurden ihm erst nach dem Beklagen in Form von Gedichten, dass ihm seine durch Kampfkunst zustehenden Hofränge nicht verliehen wurden, und damit auch seine Fähigkeiten des bun 文 bewiesen hatte, selbige Hofränge verliehen. In der Ausführung der Vertreibung der Nue werden ihm dann beide Attribute zugleich zugeschrieben. Zu Zeit des Kaisers Konoe, soll dieser von dunkeln Wolken jede Nacht heimgesucht worden sein, die ihm die Sicht versperrten, weshalb Konoe immer in Panik verfallen sein soll. Da diese als Werk von Dämonen gedeutet wurden, was als schlechtes Omen gesehen wurde, wurde Yorimasa befohlen, diese Dämonen zu vertreiben, so wie dies sein Vorfahre Minamoto no Yoshiie (源義家) schon vor ihm einmal mit anderen Dämonen gemacht haben soll. Yorimasa wehrt sich zwar zunächst in einer in gewissem Maße absurden Ausdrucksweise gegen diesen Befehl [4], aber schlussendlich schießt er das noch ungesehene Monster mit seinem ersten Pfeil vom Himmel und erst als seine Gefolgsleute die Leiche fanden, sahen sie die furchteinflößende Gestalt des Monster. Im Anschluss daran verfasst Yasamori ein Gedicht, welches auf seine zwiespältige Lage am Hof anspielt [5]. Ein weiteres Mal soll Yorimasa dann unter Nijōs Regentschaft aufgefordert sein worden, als ein Nue Nijō heimgesucht haben soll, diesen niederzustrecken. Auch hier gelingt es Yorimasa, den Nue zu fällen, wobei er diesmal zunächst einen Brummpfeil feuert, um das Monster aufzuscheuchen, und ihn dann mit einem zweiten Pfeil vom Himmel zu schießen. Hiermit soll seine Fähigkeit als Krieger noch einmal verstärkt dargestellt worden sein. Danach verfasst Yorimasa erneut ein Gedicht, wobei er mit Wortspielen seine Unzufriedenheit ausdrückt, am Hof nicht genug geachtet zu werden, was noch einmal seine literarische Fähigkeit unter Beweis stellt [6].
Oyler deutet daraus, dass Yorimasa, trotz seiner Verkörperung des Ideals des bunburyōdō, am Hof nicht ihm entsprechend geachtet wird, dass dieses Ideal vermutlich zu dieser Zeit noch nicht vollständig ausverhandelt war und erst konsolidiert werden musste. Weiters meint sie, dass Yorimasa und der ‘‘Nue’‘ beide ähnliche Strukturen haben, insofern, dass sie beide nicht wirklich beachtet werden und erst nachdem sie sterben, für die anderen sichtbar werden, und ihre Körper beziehungsweise Geschichte geachtet wird.