Exzerpt:Miki 1966(2)
Themengruppe | Exzerpte |
---|---|
Behandeltes Werk | Miki Tokuchika 御木 徳近, Kishimoto Hideo 岸本英夫 1966 „Reminiscences of Religion in Postwar Japan: Economic Changes after the War: (Continued).“ Contemporary Religions in Japan Vol.7, Nr.1 (1966), S. 51-79. |
Nach der Kapitulation und mit der Besetzung Japans durch die US kam es in Japan zu großen sozialen Veränderungen – insbesondere auch im Bereich der Religion. Im vorliegenden Werk bzw. den exzerpierten Ausschnitten werden diese Veränderungen und resultierende Zustände nach 1945 bis ca. 1963 nachgezeichnet. In diesem Exzerpt werden wirtschaftliche Veränderungen nach dem Krieg sowie das System der Gefängnisgeistlichen und dessen Reform behandelt.
Economic changes after the war
Neben vielen weiteren großen wirtschaftlichen Veränderungen wie der Einführung eines neuen Yen oder der Agrarland-Reform litten breite Teile der Bevölkerung unter der Inflation dazu zählen auch die meisten religiösen Institutionen und die Menschen in ihnen. Trotz ihrer relativ gesehen besseren Position durch westliche Unterstützung und dem Anstieg der kirchengehenden Gläubigen litten auch die Kirchen. 1947 erhielten Geistliche im Durchschnitt nur ca. 1/4 bzw. 1/3 des Grundgehalts eines Arbeiters, sodass mehr als 30% (1949) einem Nebenjob nachgingen [Datenerhebung bei Geistlichen der Gruppe Japanischen Christentums (Nihon Kirisuto Kyōdan 日本キリスト教団) in Tōkyō].[1]
Mehr noch litten die Schreine, Tempel und schintoistischen Sektenkirchen – insbesondere unter der Agrarland-Reform von 1946. Die tlw. sehr weitläufigen Ländereien von Schreinen und Tempel, welche für manche Tempel ihre alleinige Einnahmequelle darstellte, waren auf ein kleines Reisfeld für die Opfergaben reduziert worden.[2] V.a. im Zusammenhang mit den Wäldern kam es zu wirtschaftlichen Problemen. Es kam zu Vorfällen bei denen Schreine über Holzbäume verfügten, die nun staatlichem Gelände wuchsen. Zum Beispiel musste der Ise Jingu 伊勢神宮 den Wert der unerlaubt gefällten Bäume zurückzahlen und der Hakusan-hime Jinja 白山姫神社 musste mit einer großen Summe Vertragsbruch mit den Holzhändlern begleichen, was beide Schreine in finanzielle Krisen riss.[3]
Allerdings bestanden Problem bzgl. der Verwendung von staatlichen Tempel-/Schreingeländen schon seit der Meiji-Zeit. Vor der Meiji Restauration besaßen Tempel & Schreine weitläufige Territorien, welche jedoch im Zuge der Rückgabe der Ländereien und Untertanen von den Daimyō 大名 (Fürst) an den Kaiser [hansekihōkan 版籍奉還] 1869/70 auf die Tempel-/Schreingelände reduziert wurden. Diese wurden 1921 nach dem Staatsbesitzgesetz als Leihgaben des Staates an die Tempel und Schreine angesehen – was insbesondere die Tempel nicht begrüßten, da sie nicht Teil des Staatsshintoismus waren. Diese Leihgabe wurde 1939 dann in eine Übergabe an Tempel umgeschrieben, aber diese wurde 1943 aufgrund des laufenden Krieges unter- bzw. abgebrochen, nachdem erst weniger als 1/5 übergeben worden war.[4]
Aufgrund der Trennung von Staat und Religion nach dem Krieg dürfen religiöse Institutionen weder Geld noch anderen Besitz des Staates nutzen und standen somit theoretisch ohne das Land da, auf dem sie standen. 1947 wurde auf Bestreben der religiösen Verbände hin das fürs Bestehen der Tempel und Schreine notwendige Gelände übergeben bzw. für die Hälfte des damaligen Wertes verkauft. Die als nötig erachteten Gelände mussten bestimmte Kategorien erfüllen, die sich v.a. nach religiöser und ästhetischer Wichtigkeit richteten. Allerdings konnte aus Gründen der Staatssicherheit, des Allgemeinwohls oder der Forstwirtschaft der Staat Ländereien trotz der Erfüllung der Kategorien das Land nicht freigeben. Die Übergaben und der Verkauf zogen sich hauptsächlich von Sommer 1947 bis Ende 1952, wobei der Großteil der Gelände an die Tempel und Schreine zurück gelangte. Insbesondere die Ländereien, welche die Schreine zurückerhielten, waren groß. Allen voran der Ise Schrein. Letztendlich wurden in dieser Zeit die unklaren Besitzansprüche seit der Meiji-Zeit nun geklärt.[5]
Insgesamt verlief der Prozess ohne große Probleme, lediglich die Frage, wem der Berg Fuji bzw. dessen Spitze gehöre gestaltete sich schwierig. Auf den Antrag des Sengen Jinja 浅間神社, welcher in der Präfektur Shizuoka liegt, reagierten Organisationen des Tourismus, des Naturschutzes sowie die konkurrierende Präfektur Yamanashi mit starker Gegenwehr. Zur Zeit der Verfassung des Textes lief um die als zu gering empfundene Übergabe an den Schrein ein gerichtliches Verfahren gegen den Staat.[6] [Da das Gelände des okumiya 奥宮 über der 8. Station sich gegenwärtig über ca. 1.200.000 tsubo 坪 statt 125.000 tsubo erstreckt, nehme ich an, dass der Schrein letztendlich Recht bekommen hat.[1] ]
Im Text wird ein positives Beispiel für den Ablauf genannt, bei dem – ähnlich wie beim Sengen Jinja – Ländereien beantragt wurden, die für ihren äußerst ästhetischen Anblick bekannt sind. Es geht um den Meeresgrund des Aki-no-Miyajima 安芸の宮島, welche dem Itsukushima Jinja 厳島神社 ohne Probleme übertragen wurde. Es wurde lediglich die Bedingung genannt, dass Boote für den Tourismus oder Schutz suchende Fischerboote passieren dürfen. Auch schlecht verlaufene Beispiele werden gebracht. Sowohl dem Tōshōgū Schrein 東照宮 als auch dem Ōyama Jinja 大山神社 haben Ländereien nicht übertragen bzw. wieder entzogen bekommen, da sie nicht-religiöse Gebäude auf diesen erbaut haben.[7] Schließlich wird erwähnt, dass auch Yasukuni Jinja 靖国神社 und Schreine für die Kriegstoten, die sogenannten Gokoku Jinja 護国神社, ihre Ländereien 1951 bekommen haben, obwohl dies zunächst durch die Grundsätze des GHQ, des General Headquarter, verboten worden war.[8]
The prison chaplain system and its reform
Ein Ideal von Religion ist eine Welt ohne Kriminalität, wofür religiöse Institutionen in dieser Welt u.a. durch Reformanstrengungen hinwirken. Dafür ist der Einsatz von Gefängnisgeistlichen ein wichtiger Bereich für religiöse Institutionen.[9]
In Japan sind Gefängnisgeistliche seit der Meiji Restauration organisiert. Zunächst gingen buddhistische Priester in Gefängnisse, um dort regelmäßig Ethik zu lehren. Diese Art der freiwilligen Arbeit nahmen dann auch Shinto Priester und Konfuzianische Gelehrte auf, was von den Strafvollzugsautoritäten gern gesehen war, da diese im Modernisierungsbestreben neben der Strafe auch auf Umerziehung Wert legten. 1876 wurde dann die Bezeichnung des Gefängnisgeistlichen formalisiert (Kyōkaishi 教誨師) und als System etabliert. Seit 1889 sollten die Gefängnisgeistlichen dann jeden Tag wie andere Beamte ihre Arbeit verrichten. Allerdings hatten aus finanziellen Gründen nur wenige Gefängnisse eigens eingestellte Gefängnisgeistliche. Die meisten Gefängnisgeistlichen wurden von den Haupttempeln bezahlt, sodass bald nur noch die buddhistischen Schulen, der Honganji 本願寺, bereitwillig Priester aussendeten.[10]
Christliche Gefängnisgeistliche waren aufgrund von anti-christlichen Stimmungen selten, obwohl die Kirchen Interesse hatten. Lediglich auf Hokkaido dominierten christliche Gefängnisgeistliche zeitweilig bevor sie sich 1895 zurückzogen. Trotz der staatlichen Finanzierung ab 1890 und Erhebung in die Position eines sōnin 奏任 (Beamter, der mit der Zustimmung des Tennō berufen) bzw. hannin 判任 (Beamter der niedrigsten Stufe) 1903 verblieb die Dominanz der Gefängnisgeistlichen des Honganji.[11]
Allerdings griff auch hier nach dem Krieg die Trennung von Staat und Religion, sodass alle buddhistischen und shintoistischen Altäre aus den Gefängnissen entfernt werden mussten. Die Gefängnisgeistlichen blieben jedoch – sie erhielten lediglich die Bezeichnung Shihōkyōkan 司法教官 (Lehrer der Justiz) und waren nun Beamte. Zudem wurden einige katholische und protestantische Geistliche ernannt. Jedoch bemerke man schon 1947, dass dies gegen den Grundgedanken hinter der Trennung von Staat und Religion verstößt und Aktivitäten eines Gefängnisgeistlichen nur von Nicht-Beamten ausgeführt werden darf.[12]
Da zu der Zeit die Kriminalitätsrate jedoch anstieg, wollte man nicht auf sie verzichten. Sodass das Zentralkomitee der Gefängnisgeistlichen unter der Japanischen Religionsliga (Nihon Shūkyō Renmei 日本宗教連盟) sowie die regionalen Komitees, zeitnah zusammengesetzt wurden, die Arbeit aufnahmen und Vertreter der verschiedenen Religionen zu den Gefängnissen aussandten. Die Vormacht der Honganji blieb jedoch. In den 50ern war knapp über die Hälfte der Inhaftierten buddhistischen Glaubens und auch von den Gefängnisgeistlichen sind mehr als die Hälfte Buddhisten, wovon wiederum die meisten dem Jōdo-shin-shū 浄土真宗 folgen.[13]
Interessanterweise haben die in der Nachkriegszeit aufkommenden neuen Religionen mit Ausnahme des schintosektischen Ōmoto 大本 kaum bzw. kein Interesse an der Aktivität als Gefängnisgeistliche.[14]
Insgesamt lässt sich bzgl. der Aktivität von Gefängnisgeistlichen sagen, dass sie während der Besatzungszeit schleppend lief. Auf der einen Seite fürchteten die Strafvollzugsinstitute Konflikte mit der Verfassung oder der Shintō-Direktive (Shintō Shirei 神道指令) und auf der anderen Seite waren die religiösen Institutionen mit ihrem eigenen Überleben beschäftigt. Seit dem Ende der Besatzungszeit entspannte sich die Lage beiderseits jedoch und es kam zu mehr Interesse. In 1956 wurde so die Union der Gefängnisgeistlichen (Kyōkaishi Renmei 教誨師連盟) gegründet, die sich v.a. für finanzielle Unterstützung einsetzt(e).[15]
Die Aktivität als Gefängnisgeistliche für Kriegsverbrecher, war ein Thema in der japanischen Presse, welche insbesondere Dr. Shinshō Hanayama besprach. Dr. Shinshō Hanayama war Buddhist des Honganji und betreute u.a. 7 Kriegsverbrecher der Klasse A, welche 1948 gehängt wurden. Obwohl er sie bis zur Nacht vor der Durchführung ihres Todesurteil begleitete, hätten sie kaum Veränderungen in ihrem Denken, sondern lediglich Selbstzufriedenheit gezeigt.[16]
Das Christentum war sowohl unter den Gefängnisgeistlichen als auch Inhaftierten, die zweitmeist vertretene Religion (68f), was u.a. auch mit der bevorzugten Behandlung von konvertierten Inhaftierten zu tun hatte. Es kann aber auch nicht außer Acht gelassen werden, dass viele der Kriegsverbrecher Todesangst hatten und unter dem Bewusstsein der Schuld litten. Abhilfe schufen barmherzige Gefängnisgeistliche wie der buddhistische Ryūjin Tajima, der neben Trost auch für Reduktion vieler Urteile sorgte.[17]
Auch außerhalb Japans gab es in den Gefängnissen für Kriegsverbrecher Gefängnisgeistliche wie der Buddhist Shunin Kagao in den Philippinen. Kagao habe sich für die Kriegsverbrecher eingesetzt als diese bei den Verhandlungen zwischen der philippinischen und japanischen Regierung instrumentalisiert wurden. Auch hier wurden die Urteile der Kriegsverbrecher (nach anfänglichen Überraschungsdurchführungen von Todesurteilen) reduziert durch den politischen Einfluss eines Gefängnisgeistlichen.[18]
Kommentar
Das Alter des Textes bemerkt man u.a. an den verwendeten Begriffen und den tlw. mulmig-machenden Untertönen (hier meine ich insbesondere die Schreibweise bei Stellen zu japanischen Kriegsverbrechern). Trotzdem sind die Texte, welche Übersetzungen aus dem Japanischen ins Englische sind, eine informationsreiche Quelle was strukturelle und ökonomische Veränderungen und Zustände nach Ende des 2. Weltkrieges in Japan anbelangt. Schade nur, dass im Text keine Kanji verwendet werden, was das Verständnis der japanischen Bezeichnungen erschwert.
Ich möchte auch auf weitere Problematisierungen hinweisen: Die als Autoren zu identifizierenden Miki Tokuchika 御木 徳近 (1900-1983) [2][3] und Kishimoto Hideo 岸本英夫 (1903-1964)[4] waren im Pazifikkrieg erwachsene Männer. Miki wurde gegen Ende der Kriegsjahre wegen Majestätsverletzung inhaftiert und dessen Religionsgemeinschaft aufgelöst. Beide haben nach dem Kriegsende profitiert – sei es durch die Wiederetablierung der Religionsgemeinschaft oder als Berater der USA in Sachen Religionsfragen. Beide haben sich westlich positioniert und es bleibt zu vermuten in wie fern politische Motivationen mit in den Text eingeflossen sind. So ist u.a. das Kapitel zu neuen Religionen recht lang und der Name Miki Tokuchika selbst ist in einer Unterüberschrift enthalten (siehe Exzerpt:Miki 1966). Jedoch unterliegt der Text keiner äußeren Zensur, da das Originalwerk, welches der vorliegenden Übersetzung zu Grunde liegt, 1963 veröffentlicht wurde. Das sind über 10 Jahre nach Ende der Besatzungszeit (allerdings noch vor dem Ende der Besatzung Okinawas). Die Nähe zum Geschehen kann allerdings auch ein Grund für die detaillierten Einblicke in die Zustände bilden.
Schließlich muss festgehalten werden, dass es undurchsichtig ist wie das Originalwerk heißt. Auch wer die Übersetzung angefertigt hat, ist nicht ersichtlich.
Verwandte Themen
Fußnoten
- ↑ Miki 1966(2), S. 51f.
- ↑ Miki 1966(2), S. 52.
- ↑ Miki 1966(2), S. 53f.
- ↑ Miki 1966(2), S. 55.
- ↑ Miki 1966(2), S. 56-59.
- ↑ Miki 1966(2), S. 60f.
- ↑ Miki 1966(2), S. 62.
- ↑ Miki 1966(2), S. 62f.
- ↑ Miki 1966(2), S. 63.
- ↑ Miki 1966(2), S. 63-65.
- ↑ Miki 1966(2), S. 65f.
- ↑ Miki 1966(2), S. 66f.
- ↑ Miki 1966(2), S. 67-69.
- ↑ Miki 1966(2), S. 70.
- ↑ Miki 1966(2), S. 70.
- ↑ Miki 1966(2), S. 72-74.
- ↑ Miki 1966(2), S. 68f, 74-77.
- ↑ Miki 1966(2), S. 77-79.
Ergänzende Quellen
Fujisanhongu Sengentaisha 富士山本宮浅間大社: keidai/shaden 境内・社殿. [5]
Kotobank: Kishimoto Hideo 岸本英夫. [6]
Kotobank: Miki Tokuchika 御木徳近.[7]
Kotobank: Miki Tokuchika 御木 徳近. [8]