Exzerpt:Kawai M 2004
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Behandeltes Werk |
Über den Autor
Kawai Masatomo ist emeritierter Professor an der Keiō Universität und geschäftsführender Direktor des Chiba City Museum of Art. Sein Spezialgebiet stellt die Kunst von der Muromachi-Zeit bis zur Edo-Periode dar.
Inhalt
Zen und seine Geschichte
Mu im Zen-Buddhismus bedeutet die Haltung, sich von den Verunreinigungen des Alltags loszusagen und direkt die Wahrheit anzusteuern. Damit zusammenhängend bezeichnet das von Shakyamuni (Buddha) erlange musō den Gemütszustand, dass nichts eine fixe Substanz besitzt.
Als Ursprung des Zen wird ein Ereignis aus der frühen Geschichte des Buddhismus angeführt. Shakyamuni soll einmal beim Grdhrakuta-Berg seinen Jüngern eine einzelne Lotus-Blüte gezeigt haben. Lediglich ein einziger seiner Schüler, Mahakashyapa, lächelte und so schien sich Buddhas Lehre wortlos auf ihn übertragen zu haben, was in der buddhistischen Terminologie als nenge mishō 拈華微笑 gilt. [1]
Intuitiv und direkt von Mensch zu Mensch, soll sich Buddhas Erleuchtung, dass letztlich alle Lebewesen eine Buddha-Natur besäßen, von Generation zu Generation verbreitet haben. Bodhidharma (jap. Daruma), der Buddhas Lehre im sechsten Jahrhundert in 28. Generation erhalten haben soll, reiste aus Unzufriedenheit mit der damaligen Entwicklung des indischen Buddhismus nach China, wo er der erste Patriarch des chinesischen Zen wurde. Er soll neun Jahre lang gegen eine Felswand gerichtet meditiert haben und seine Lehre schließlich an Dazu Huike (jap. Taiso Eka) weitergegeben haben.
In Japan scheint das Zen bereits im achten sowie neunten Jahrhundert Eingang gefunden zu haben, aber erst im 13. Jahrhundert während der Kamakura-Periode zeigte sich eine stärkere Akzeptanz. 1192 wurde von Myōan Eisai 隠元 隆琦 (1141-1215) die Rinzai-Schule und 1228 schließlich von Dōgen 道元 (1200-1253) die Sōtō-Schule gegründet, in der Edo-Periode schloss sich die vom Ming-Mönch Ingen Ryūki 隠元 隆琦 (1592-1673) in Japan eingeführte Ōbaku-Schule daran an.
Das Einflussgebiet des Rinzai-Zen beschränkte sich zunächst örtlich auf Kyōto und Kamakura, die damaligen politisch-kulturellen Zentren, fand jedoch alsbald Verbreitung unter den höchsten Rängen des Kriegeradels und letztlich auf Tenno und Hofadel. Das Sōtō-Zen hatte wiederum in der Präfektur Fukui mit dem Eihei-ji seine Basis, wo es durch Unterstützung lokaler Größen an Macht gewann und sich während der Edo-Periode sogar zur führenden Zen-Schule entwickelte. In der mittleren Edo-Zeit, in der auch Hakuin lebte und wirkte, lässt sich eine immer stärker voranschreitende Verbreitung des Zen-Buddhismus innerhalb der gesellschaftlichen Schichten bemerken. [2]
Der Zen-Buddhismus übte ab dem späten 13. Jahrhundert einen beachtlichen Einfluss auf die japanische Kultur aus. Laut Tamamura Takeji 玉村竹二 (1911-2003), der sich in der Erforschung der Zen-Geschichte auszeichnete, scheint es indessen fraglich zu sein, wie tiefgehend das Verständnis oder auch wie stark die religiöse Überzeugung der Bevölkerung dem Zen gegenüber nun tatsächlich gewesen ist. Einer weit verbreiteten Ansicht zufolge soll der Zen-Buddhismus im Besonderen in den Samurai der Kamakura-Periode eifrige Unterstützer gefunden haben. Allerdings scheint es so, dass lediglich eine Handvoll Personen der obersten Kriegerschicht wie beispielsweise Hōjō Tokiyori 北条時頼 (1227-1263) oder auch Hōjō Tokimune 北 条時宗 (1251-1284) ein genügendes Verständnis für Zen erreicht haben.
Das von den Zen-Befürwortern in Japan wirklich Erhoffte lag also nicht im religiösen Inhalt, sondern vielmehr in den sekundären Eigenschaften des Zen. So begehrte der Kriegerstand der Kamakura-Periode die kulturellen Errungenschaften Chinas oder auch das Wissen bzw. die Technologie, die die Zen-Mönche mitbrachten. Laut Tamamura hat dies folglich dazu geführt, dass die Mönche als Vermittler der chinesischen Kultur fungierten. Sie priesen die Imitation der sozialen Schicht der shitaifu 士大夫(Gelehrte-Beamte) und Literaten aus China an, die sich unter anderem dem Konfuzianismus, der Literatur und Dichtung sowie der Erziehung in Wissenschaft und Kunst widmeten.
Auf genau diesen Umstand lassen sich die Vorliebe für schöne Literatur, die Bilder sowie die in Kanbun geschriebenen Gedichte der Zen-Mönche während des japanischen Mittelalters zurückführen. Auch die Gozan-Literatur soll darin ihren Ursprung haben. [3]
Der im Zen bedeutende Ausdruck furyū monji, kyōge betsuden 不立文字、教外別伝 (Unabhängigkeit von Schrift, besondere Weitergabe außerhalb der Schriften) betont die Wertschätzung unmittelbarer, intuitiver Erkenntnis und die Ablehnung des logischen Nachdenkens über den basalen buddhistischen Kanon. Ein weiterer signifikanter Ausdruck jikishi ninshin kenshō jōbutsu 直指人心見性成仏 (Direkt ins menschliche Herz zeigen, Erkennen des eigenen Ichs und Buddha werden) drückt aus, dass ein direkter Kontakt von Mensch zu Mensch zur Weitergabe der intuitiven Erleuchtung und damit des Verständnisses der eigenen Buddha-Natur stattfindet.
Dennoch ist es vonnöten auf irgendeine Weise Sprache zu nutzen. Diese wird im Zen-Buddhismus symbolisch gebraucht, d.h. die Mönche versuchen ihre unmittelbare Erkenntnis sinnbildlich oder poetisch auszudrücken. Den Ursprung dieses symbolischen Gebrauchs kann man in der Tang-Dynastie in China bemerken, wo ein Beginn der Literatur von Zen-Mönchen zu verzeichnen ist.
Der aristokratisch geprägte Zen-Buddhismus der südlichen Song-Dynastie, der in Japan eingeführt wurde, löste das größte Interesse bei den Samurai der Kamakura-Periode aus. Unter dem Schutz der späteren Ashikaga-Shogune und deren Vorliebe für Kanbun-Gedichte der Zen-Priester entstand in Japan schließlich die Gozan-Literatur. Die Zen-Priester konnten ihren religiösen Gefühlszustand jedoch nicht nur durch Gedichte ausdrücken, sondern auch durch Bilder.
Zen betont die persönliche Erfahrung, nicht das Erlernen, d.h. buddhistische Übungen überragen Wissen. Im Zen wird der direkte Kontakt von Mensch zu Mensch und die intuitive Übertragung der Lehre besonderes hochgeachtet, wodurch ein ernsthafter Austausch von Gedichten oder Bildern als religiöser Ausdruck zwischen Schülern und Lehrern oder gleichrangigen Mönchen stattfand. Dieser Austausch wurde jedoch mit der Zeit gehäuft durchgeführt, obwohl er eigentlich eine sekundäre Rolle hätte spielen sollen.
Als die frühesten Beispiele für die Schaffung von Gedichten oder Bildern von Zen-Mönchen gelten das Daruma-Bild mit der Bildinschrift Rankei Dōryūs sowie das Bild der sechs Vorfahren/Patriarchen mit der Bildinschrift Mugaku Sogens, welche beide unter der Anleitung dieser beiden (ursprünglich aus China kommenden) Mönche wohl von Berufsmalern angefertigt wurden. [4]
Allmählich traten jedoch innerhalb der japanischen Zen-Tempel auch Literatatenmönche in Erscheinung, welche durch ihren Auslandsaufenthalt in China persönlich die Vorliebe chinesischer Mönche für die schöne Literatur miterleben konnten und nebenbei ebenfalls als Ausdruck ihres Gemüts Bilder anfertigten. Neben diesen Literatenmönchen tauchten auch Malermönche auf, die sich intensiv die chinesische Malkunst aneigneten. Vor diesem Hintergrund wirkten in der Muromachi-Zeit Malermönche, die im Auftrag der Ashikaga-Shogune malten, und es wurden auch shigajiku 詩画軸 genannte Hängerollbilder produziert, bei denen schriftstellerisch begabte Mönche Gedichte verfassten und malerisch begabte Mönche ein dazu passendes Bild schufen.
Vereinzelt zeigte sich zwar Kritik an der Degeneration des Zen als Religion, aber dies änderte nichts an der Tatsache, dass der Zen-Buddhismus ab dem 15. Jahrhundert während der Muromachi-Periode von der Nachahmung der gesellschaftlichen Formalitäten der shitaifu 士大夫, die sich unter anderem mit Poesie und Literatur befassten, geprägt war. Daher war die Art der Bilder, die während dieses Zeitabschnitts innerhalb des Zen-Buddhismus angefertigt wurde, nicht unbedingt von religiösem Inhalt, sondern die Werke wurden eher besonders wertgeschätzt in ihrer Funktion als Bilder schlechthin oder wegen ihrer Literaturartigkeit. [5]
Hakuin und zenga
Hakuin erklärte seinen Abstand von der Literatur der fünf großen Tempel sowie vom Zen-Buddhismus der Muromachi-Zeit. Er betonte immerwährend die Bedeutung von kenshō 見性(Erkennen der eigenen Natur) und machte sie zu seiner Doktrin. Dies war im Kontrast zum damaligen Zen, der das Erreichen der Erleuchtung nicht als bedeutend erachtete. Hakuin reorganisierte das im Niedergang befindliche Rinzai-Zen. Ferner bemühte er sich auch darum, unter anderem durch eigene Bilder, die er bei Predigten präsentierte, den Zen-Buddhismus der Allgemeinheit verständlicher zu machen. Ein überaus beliebtes Motiv seiner Bilder stellt Boddhidharma, der erste Zen-Patriarch, dar. [6]
Generell wird behauptet, dass die Kalligraphie eines Menschen Aufschluss über dessen Charakter ermöglicht. Laut Kawai trifft das auf Hakuins Kalligraphie, die sich durch eine besondere Balance hinsichtlich der Anordnung der Schriftzeichen sowie durch eine überwältigende Energie auszeichnet, vollkommen zu.
Hakuin wurde in Hara in der Provinz Suruga (heutiges Numazu in Shizuoka) geboren. Ein gemeinsam mit der Mutter besuchter Vortrag über die Hölle und das Paradies (Sukhavati) soll ihn in derart furchtbare Angst versetzt haben, dass sie ihn selbst später, als er mit 15 Jahren in den Shōin-ji Tempel eintrat, nicht losgelassen hat. Als 15-Jähriger soll er schließlich eines Morgens ein weit entferntes Ertönen einer Glocke vernommen und voller Freude eine Erleuchtung erlebt haben. Diese Arroganz Hakuins, bereits eine vollkommene Erleuchtung erlangt zu haben, wurde von Dōkyō Etan 道鏡慧端 (1642-1721) vom Shōjuan-Tempel zerschlagen und so machte sich Hakuin auf ausgedehnte Pilgerfahrten und unternahm strenge zazen-Übungen, um erneut nach der Wahrheit zu suchen. Mit 32 Jahren (1716) kehrte er schließlich auf Wunsch des Vaters zum Shōin-ji zurück und bemühte sich um die Verbreitung des Zen-Buddhismus auf das gemeine Volk, indem er Bilder anfertigte und seine religiösen Ansichten sinnbildlich erläuterte.
Der Begriff zenga ist ein von Kurt Brasch erfundener Neologismus, mit dem er in der zweiten Hälfte der 1950er Jahre die Kunst von Hakuin etc. bezeichnete. Zenga differiert deutlich vom Kunstschaffen der Zen-Priester der Muromachi-Periode, das einen stärker literarischen Charakter aufwies und besonders wertgeschätzt wurde. Konträr dazu stellen Hakuins Werke seine religiösen Gefühle bzw. Gedanken, also sein Zen selbst, dar. [7]
Von etwa 60 bis ins hohe Alter malte Hakuin Bilder diverser Motive wie beispielsweise religiöse Figuren wie Shakyamuni, Daruma, aber auch Götter des Volksglaubens oder auch Karikaturen von Affen. Beispiele für seine Werke sind „Eins, Fuji, zwei Falke, drei Aubergine“, das die drei im Namen enthaltenden, glücksverheißenden Boten des ersten Traumes im neuen Jahr aufzeigt, oder auch „Das Neujahr der sieben Glücksgötter und der Ratte“, ein abermals angefragtes Motiv, das er dementsprechend oft malte.
Auch viele von Hakuins Schülern malten Bilder, besonders hervorzuheben dabei sind Tōrei Enji 東嶺 円慈 (1720-1792) sowie Suiō Genro 遂翁元盧 (1716-1789), der nach Hakuins Tod den Shōinji leitete. Ihre Bilder weisen einen anderen Charakter als die Kunstwerke der Zen-Priester der Muromachi-Periode auf. Sengai Gibon 仙厓義梵 (1750-1837) wiederum ist laut Kawai als ein Hakuin ebenbürtiger Meister des zenga bekannt.
Der Sōtō-Priester Fūgai Ekun 風外慧薫 (1568-1654) gilt als Wegbereiter des zenga. Er wies einen einsiedlerischen Charakter auf und lebte in Höhlen, womit sich auch sein Beiname „Höhlen-Fūgai“ erklären lässt. Darüber hinaus drücken laut Kawai auch die Werke von Personen wie Gōchō Gōshō 豪潮寛海 (1749-1835), einem Tendai-Mönch, oder auch Zuikō Chingyū 瑞岡珍牛(1743-1822), einem Sōtō-Mönch, trotz der fehlenden Zugehörigkeit zu Hakuin und seiner Schule den Geist von zenga aus. [8]
Was die Verbreitung des modernen Zen betrifft, so haben Suzuki Daisetsu 鈴木大拙 (1870-1966) sowie Shin’ichi Hisamatsu 久松真一 (1889-1980) hierbei eine beachtliche Rolle gespielt. Kurt Brasch und Awakawa Kōichi 淡川康一 (1902-1976) wiederum verorteten mit ihren Werken „Zenga“ bzw. „Zen painting“ zenga innerhalb der Kunstgeschichte Japans. Das Gedankengut sowie die Kunst des Zen übte insbesondere im Westen ab den 1960er Jahren einen bedeutenden Einfluss auf die dortige zeitgenössische Kunst aus. [9]