Exzerpt:Grapard 1982

Aus Kamigraphie
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Rezension zu:

Allan Georges Grapard 1982
„Flying mountains and walkers of emptiness: Toward a definition of sacred space in Japanese religion.“ History of Religions 21/3 (1982), S. 195-221. (Exzerpt.)

Einleitung

In seinem Aufsatz Flying Mountains and Walkers of Emptiness: Toward a Definition of Sacred Space in Japanese Religion, erschienen 1982 in der Februar-Ausgabe der Magazinreihe History of Religions, befasst sich Allan G. Grapard, ein französischer Historiker und Japanologe, der seit 1985 an der University of California in Santa Barbara forscht und lehrt, mit religiösen Stätten in Japan.

Sich selbst hat der Autor in seinem Artikel zu Anfang das ehrgeizige Zeil gesteckt, die verschiedenen Stadien der Entwicklung sakraler Räume in Japan zu definieren, sowie aufzuzeigen, welche Rolle diese Definitionen bei der Konzeptualisierung zwischen Profanem und Sakralem spielen. Einleitend definiert Grapard hierzu drei unterschiedliche Arten von sakralen Räumen ("sacred space"):

  • Die sakrale Anlage ("sacred site"): Eine abgegrenzte Stätte
  • Das sakrale Gebiet ("sacred area"): Taucht nach Einführung des Buddhismus auf, extensiver (z.B. Pilgerreisen-Territorien)
  • Die sakrale Nation ("sacred nation"): Nachverfolgbar schon in Kojiki, gewinnt an Bedeutung ab der Kamakura-Zeit als shinkoku wegen der mongolischen Bedrohung.

Sakrale Räume nach Grapard

Die sakrale Anlage

Als sakrale Anlage bezeichnet Grapard sowohl den Gottkörper (shintai) an sich (d.h. als einen Gegenstand), als auch den sakralen Bereich (shin'iki), da die sakrale Anlage für ihn sich durch die Anwesenheit einer Gottheit, die entweder den Platz für sich selbst auserkoren hat oder durch Anrufung und Beschwörung zum Bleiben eingeladen wurde, auszeichnet. Die Gottheit kann an diesem Ort zufällig erscheinen, kann aber auch herbeigerufen werden. Eine Besonderheit der sakralen Anlagen in Japan, ist ihre ständige Sichtbarkeit, wobei ihnen bei Zeremonien spezielle Aufmerksamkeit geschenkt wird.

Der Gottkörper kann ein Knoten, ein tama, ein Spiegel, Schwert oder ein beliebiger auffälliger Gegenstand. Es kann sehr wohl auch ein Berg (shintaizan) sein, dass als Aufenthaltsort der jeweiligen Gottheit verstanden wird. Den heiligen Bergen schenkt Grapard in seinem Text eine besondere Aufmerksamkeit und führt die LeserInnen in verschiedene Klassifizierungen bzw. Auffasungen dieser Berge ein [1].

Grapard betont die natürliche Besonderheit der frühen Kultstätten durch ihre Lage in der Natur, die besonders oft gerade durch Berge gekennzeichnet ist. Hierbei betont er die Gegensätzlichkeit zwischen Ebene und Bergwelt: Die fruchtbaren Ebenen ernährten die Menschen, bildeten so ihren Lebensraum während hingegen die Berge als die Welt der Toten angesehen wurden. Das sakrale Gebiet ist bei Grapard durch ein Bewusstwerden der Buddhaschaft konkretisiert, hier zeigt er nicht nur den großen Einfluss Kūkais auf, sondern arbeitet auch deutlich heraus, auch wie eng Shintō und Buddhismus in Kūkais Ideen verknüpft sind. Mit seiner Lehre, nach der man schon während der Lebenszeit zum Buddha werden kann, zeigt sich auch eine Verschmelzung der profanen und sakralen Räume auf (z.B. wurden die Berge zu beliebten Übungsplätzen der frühen Anhänger).

Das sakrale Gebiet

Zur Entstehung der sakralen Gebiete haben zwei Merkmale des japanischen Buddhismus beigetragen - Mandalas und Pilgerreisen.

Da die Pilgerreise als eine religiöse Erfahrung aufgefasst wird und diese wiederum nicht als Ziel, sondern als Prozess verstanden wird, musste das Territorium einer Pilgerreise in seiner Gänze als "heilig" betrachtet werden. "Mandalization", wie es Grapard nennt, geht von dem Konzept des esoterischen Buddhismus aus, dass Buddha innerhalb des Herzens angesiedelt ist, und somit ist die Transmutation als ein Rückkehr zu der ursprünglichen Essenz zu verstehen. Dieser Gedanke wandelte sich dann in Mandalisierung von Gebieten um. Mandalas wurden auf Berge projiziert, diese gepilgert und auf ihnen Rituale durchgeführt. Die Mandalisierung wurde, so Grapard, schon in der Muromachi-Zeit in Japan gut verankert. Den Höhepunkt erreichte es in der Schrift Jinteki mondō (geschrieben etwa in der Mitte der Edo-Zeit), welche Japan in zwei große Mandalas aufteilt, nämlich Ost und West.

Die sakrale Nation

Anhand der geschichtlichen Entwicklung von Pilgerschaft und Mandala wird aufgezeigt, wie sich in der Heian-Periode neben den sakralen Bereichen die sakralen Gebiete entwickelt haben. Durch die graduelle und systematische Versakralisierung der verschiedensten Gebiete Japans, wurde letztendlich Japan in seiner Gesamtheit als sakraler Raum angesehen. Es kam also zur Idee des shinkoku, dem heiligen Land.

Dieses Konzept thematisiert Kūkai explizit, war aber schon vor dessen Zeit vorhanden. Dies spiegelte sich etwa in den staatlich unterstützten Klostern (kokubunji) in der Nara-Zeit oder den 22 großen Shintō-Schreinen, welche in der Heian-Zeit vom Kaiserpalast unterstützt wurden, wieder. Es spielte aber besonders zu Zeiten äußerer Bedrohung eine große Rolle, etwa der Mongoleninvasion in der Kamakura-Zeit (entwickelt sich nebenbei des Hachiman-Kults). Zuvor auch schon bei der Niederschrift des Kojiki (als Japan im intensiven Kontakt mit der Außenwelt gewesen ist). Anschließend wieder, als Japan in der Meiji-Zeit modernisiert wurde.

Hierbei haben sich, nach Meinung des Autors, shintōistische und buddhistische Elemente zum Konzept einer göttlichen Schutzherrschaft über Japan vermischt. Grapard bezeichnet dieses Phänomen als "manipulation of space" [2]. Er zeigt dies auf, um der, für ihn oftmals irrtümlich hergestellte, Verbindungen mit dem Ultranationalismus entgegenzuwirken. Konkreter geht es z.B. um die Auffassung, dass Buddhas und Boddhisattvas, sich nach "Ankunft" in Japan als shintōistische Gottheiten manifestierten oder von Bergen (wo diese ansässig seien) Teile von anderen Ländern sind.

Zum Text

Grapard gelingt es in seiner Arbeit, seinen Gedankengang gut nachvollziehbar darzustellen. Ein straffer und gut strukturierter Einstieg mit exakten Definitionen führt an das Thema heran und erleichtert so die Lesbarkeit des Artikels, im Hauptteil unterstreichen viele Zitate und Auszüge aus verschiedensten historischen Werken die Plausibilität der vorgestellten Theorien.

Der Artikel könnte besonders für jene Kollegen, die sich mit einem Schrein, der auf besondere Art und Weise seine natürliche Umgebung miteinbezieht, oder mit Schrein-Mandalas im Allgemeinen befassen, hilfreich sein. Allerdings wäre angesichts des Erscheinungsdatums durchaus zu empfehlen, Grapards Text mit aktuellem Forschungsstand zu vergleichen.

Zitate

  1. Grapard 1982, S. 199-201.
  2. "... is the phenomen of crediting to some sacred spaces in Japan a foreign origin in order to explain the places as residences of the original nature of the divinities and to increase their prestige" Grapard 1982, S. 218.