Exzerpt:Foster 2015

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Exzerpt:

Michael Dylan Foster 2015
The book of yōkai: mysterious creatures of Japanese folklore. Berkeley: University of California Press 2015. (Exzerpt.)

Über den Autor

Michael Dylan Foster ist einer der bekanntesten Akademiker, die sich wissenschaftlich mit der japanischen Folklore auseinandersetzen. Ein zentrales Objekt seiner Forschung stellen dabei die sogenannten yōkai, mythologische Figuren japanischer Volksgeschichten, dar. Neben zahlreichen Artikeln, die sich diesen Sagenfiguren widmen, hat der amerikanische Autor unter anderem auch das auf dieser Seite exzerpierte Buch The Book of Yōkai: Mysterious Creatures of Japanese Folklore verfasst, welches akribische Beschreibungen der japanischen Fabelwesen enthält. Zurzeit ist Foster Vorsitzender der Abteilung für ostasiatische Sprachen und Kulturen an der University of California, Davis und Chefredakteur für die Zeitschrift „Journal of Folklore Research“.

Einleitung

In dem 2015 erschienenen The Book of Yōkai: Mysterious Creatures of Japanese Folklore befasst sich Michael Dylan Foster mit einer Vielzahl an Geschichten über sowohl bekannte als auch obskure Figuren des japanischen Volksmythos, und beschreibt die außergewöhnlichen Eigenschaften und übernatürlichen Fähigkeiten, die den Sagenfiguren zugeschrieben werden. Das Buch stellt somit eine Art Bestiarium, also ein Lexikon fantastischer Tiere, für yōkai dar, weshalb es für jeden von Relevanz ist, der Forschung in diese Richtung betreibt.

Fosters Werk ist jedoch weitaus mehr als eine reine Aufzählung und Beschreibung dieser fiktiven Figuren, denn das eigentliche Ziel des Buches ist die Betrachtung von yōkai als Formen folkloristischer Expression und Kommunikation. Hierbei untersucht der Autor auch, wie sich die Rolle dieser Sagenfiguren im Laufe der Geschichte änderte, denn trotz der Tatsache, dass diese schon seit geraumer Zeit existieren, sind yōkai auch heutzutage noch ein bedeutsamer und allgegenwärtiger Bestandteil der japanischen Kultur.

Bei einer derart breiten Kategorie wie yōkai, ist es weder zielführend noch realistisch, jedes einzelne dieser Fabelwesen in einer Arbeit unterzubringen. Dennoch hat Foster eine beträchtliche Menge an Sagenfiguren in seinem Buch beschrieben, und neben den wohl prominentesten Vertretern japanischer Dämonen, werden auch unbekanntere fiktive Kreaturen erwähnt. So gibt es neben Kapiteln zu Oni, Kappa, Kitsune und Tengu, auch welche die von Tsuchinoko, Baku, Kodama etc. handeln.

In diesem Exzerpt möchte ich mich auf einige Passagen konzentrieren, die sich mit dem Zusammenhang zwischen yōkai und Krankheiten beschäftigen, da diese für meine eigene Arbeit über yakubyōgami am ehesten relevant sind.

Oni

Oni gehören zweifellos zu den bekanntesten japanischen Sagenfiguren. Sie kommen nicht nur häufig in Volkssagen vor, sondern sind auch in der modernen japanischen Populärkultur, also beispielsweise in Anime und Manga, nahezu omnipräsent.

Erste Erwähnungen dieses yōkai lassen sich bereits in den ältesten bekannten Schriften Japans, dem kojiki und dem nihonshoki, finden. Früher war der Begriff Oni jedoch noch weitgehend gleichbedeutend mit yōkai, insofern, dass es damals ein allgemeiner Überbegriff für furchteinflößende und unbekannte Monster war. Mit der Zeit entstand dann aber das heute allseits bekannte Bild des muskulösen roten Ogers mit Hörnern.

Es wird außerdem spekuliert, dass die Sagenfigur womöglich als Reaktion auf unsichtbaren Gefahren entstanden ist. So gibt es beispielsweise die Theorie, dass das Wort Oni eine Bezeichnung für Pandemien war, und das Aussehen der Kreatur eine physische Verkörperung der Angst vor Krankheiten sei. Auch wenn das Fabelwesen mittlerweile kaum mehr mit Seuchen assoziiert wird, ist es spannend zu sehen, dass selbst eine prominente Figur wie der Oni einst nicht mehr als ein Erklärungsversuch für Krankheiten gewesen sein könnte.

Hitotsume-Kozō

Der vergleichsweise eher unbekannte hitotsume-kozō, wortwörtlich einäugiger Bengel, ist ein kleiner, einäugiger und teilweise einbeiniger Junge mit einer langen Zunge. In den meisten Erzählungen gilt dieser yōkai als weitgehend ungefährlich, aber es gibt auch Geschichten, in denen die Sagenfigur als Überbringer von Krankheiten und Unglück beschrieben wird.

Im Kontrast dazu gibt es aber sogar Texte, in denen hitotsume-kozō als kleinere Gottheit bezeichnet werden. Foster schreibt, dass derartige Ambiguitäten jedoch nicht ungewöhnlich für yōkai seien, denn bei den Fabelwesen handle es sich oftmals um Wesen, die an der schwelle zur Göttlichkeit stünden. Sie werden also gleichzeitig verehrt und gefürchtet, und sind somit dazu verdammt, am Rande der menschlichen Gesellschaft zu wandern.

Tofu-Kozō

Dieser yōkai entsprang allem Anschein nach der Populärliteratur und den Massenmedien der Edo-Zeit. Hinsichtlich seines Aussehens gibt es verschiedene Variationen, aber meist handelt es sich um einen kleinen Jungen mit einem überdimensional großen Kopf, der Tofu mit einem Abdruck eines japanischen Ahornblatts umherträgt.

Auch wenn er selbst nicht als Überträger von Krankheiten gilt, wird er mit der Pocken Gottheit hōsō-gami in Verbindung gebracht. Es wird vermutet, dass er eine Art Parodie von letzterem darstellen könnte, oder während der Pockenepidemie als Schutzgottheit fungierte.

Kudan

Bei kudan handelt es sich um Kühe oder Stiere, die einen menschlichen Kopf besitzen und sprechen können. Wenn sie geboren werden, prophezeien die yōkai ein schlechtes Ereignis, und nach kurzer Zeit sterben sie. Bei diesen Vorhersagen handelt es sich meistens entweder um Naturkatastrophen oder Pandemien und man sagt, dass sich diese Prophezeiungen ausnahmslos bewahrheiten.

Auch diese Sagenfigur ist scheinbar während der Edo-Zeit entstanden, und wurde oftmals auf den damals verwendeten Flugblättern namens kawaraban erwähnt. Angeblich konnte man sich vor den Vorhersagen eines kudan schützen, indem man das Nachrichtenblatt mit dessen Prophezeiung im eigenen Haus aufhing.

Conclusio

Auch wenn ich in diesem Exzerpt nur einen kleinen Teil der im Buch behandelten Fabelwesen präsentiert habe, so lässt sich auch dieser kürzere Einblick in die Welt der yōkai wunderbar mit den Gedanken in Fosters Epilog abschließen.

In diesem schreibt der amerikanische Autor nämlich über die Sinnhaftigkeit, die die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit den japanischen Sagenfiguren hat. Er gesteht, dass die Erforschung von yōkai an sich zwar keine Probleme lösen kann, aber betont gleichzeitig, dass diese fiktiven Kreaturen, die als Erklärungsversuche für unerklärliche Probleme und Herausforderungen entstanden sind, als Metaphern dienen, die die komplexe Welt um uns herum verständlicher erscheinen lassen.

Und wenn es uns gelingt, über Metaphern wie diese, eine formlose Hoffnung in eine solide Zukunft zu verwandeln, wie Foster schreibt, dann haben sowohl Abstrakte Ideen wie yōkai, als auch deren Erforschung, in meinen Augen zweifellos eine Daseinsberechtigung.