Exzerpt:Burgess 2012

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Exzerpt zu

Adam Burgess, Mitsutoshi Horii 2012
„Risk, ritual and health responsibilisation: Japan’s ‘safety blanket’ of surgical face mask-wearing.“ Sociology of Health & Illness 34/8 (2012), S. 1184–1198. (Exzerpt.)


Autoren

Adam Burgess: ist Professor an der Universität Kent. Er beschäftigt sich mit Sozialpolitik und Soziologie [1]. Seite Forschung fokussiert sich vor allem auf die Soziologie von Risiken und Ungewissheit. Er versucht zu verstehen, wie Menschen mit Risiken umgehen und sie kommunizieren [2]. Mitsutoshi Horii (堀井光俊): lehrt an der Shumei Universität (秀明大学) in Chiba (千葉県) an der Fakultät für Tourismus und Business Management [3]. Er beschäftigt vor allem mit buddhistischen Tempeln und Priestern im zeitgenössischen Japan und damit, wie es für diese oft schwer ist, sich selbst als religiös zu identifizieren. Weiters beschäftigt er sich auch mit der Soziologie von Risiken und Ungewissheit[4].

Inhalt

Der Artikel versucht zu verstehen, warum sich das Tragen von chirurgischen Masken in Japan als Routine etabliert hat.

Einleitung

Grundsätzlich wird die Maske in Japan mit der Verringerung der Ansteckungsgefahr von Erkältung in Verbindung gebracht, aber sie wurde und wird auch in vielen anderen Situation verwendet. Zum Beispiel nach dem Reaktorunglück in Fukushima in 2011 wurden Kinder in Ostasien dazu angehalten, Masken zu tragen, um sich vor nuklearem Fallout zu schützen. Es wird auch berichtet von Frauen, die die Maske aufsetzen, da sie keine Zeit hatten sich in der Früh zu schminken. Japan verwendet 72 Prozent der dort hergestellten Gesichtsmasken selbst, von diesen 72 Prozent entfallen nur 28 Prozent auf medizinische und industrielle Institutionen - und das, obwohl es in der medizinischen Forschung durchaus umstritten ist, wie sinnvoll Gesichtsmasken wirklich sind, um sich und andere vor der Ansteckung von Krankheiten zu schützen. Das Tragen der Maske wurde bisher in Japan damit erklärt, dass die Träger so Höflichkeit gegenüber den Mitmenschen zeigen, indem sie versuchen, diese nicht anzustecken. Jedoch bemerken die Autoren, dass, um zu verstehen, warum die Maske so vielfältig eingesetzt wird, ein genauerer Blick auf historische und gegenwärtige Gegebenheiten geworfen werden soll [5].

Der historische Hintergrund von chirurgischen Masken

Richtig populär wurde das Maskentragen - abseits der medizinischen Berufe - in Japan erst in der 1990ern nach dem Platzen der Bubble (Wirtschaftskrise). Grundsätzlich begann man Ende des 19. Jahrhunderts damit, in Krankenhäusern Masken zu tragen. 1919 wurde in Folge der Spanischen Grippe vom japanischen zentralen Sanitärbüro empfohlen, Masken zu verwenden. Masken wurden in Zeitungen wie der Asahi und Yomiuri beispielsweise im Zusammenhang mit der Italienischen Grippe 1949/50 und anderen bekannten Krankheiten in den Folgejahren erwähnt. In 2005 vom Gesundheitsministerium veröffentlichten Richtlinien werden infektiösen Menschen und ArbeiterInnen im öffentlichen Sektor Masken empfohlen. Einen besonderen Aufschwung erlebten sie während der Zeit der Schweinegrippe 2009, beispielsweise bestand hier auch am Arbeitsplatz sozialer Druck, Masken zu tragen. In Kampagnen wie in jener des Herstellers Unicharm oder des Gesundheitsministeriums geht es oft eher um eine eigenverantwortliche Individualmaßnahme, die jedoch einen kollektiven Kampf gegen die Infektion darstellt [6].

Studie über das Tragen von Masken

In einer 2011 von den Autoren anhand von Befragungen von 120 PassantInnen durchgeführten Studie, gaben 39 Menschen an, regelmäßig eine Maske zu tragen, 36 kaum, 22 immer und sechs nie. Obwohl das Tragen eine kollektive Tätigkeit ist, hat es - zumindest der Studie zufolge - eher den Zweck, sich selbst zu schützen. Weiters gibt es Anzeichen dafür, dass oft ein gewisser sozialer Druck, z.B. von ArbeitgeberInnen und SeniorInnen wahrgenommen wird. Jedoch überwiegt die Meinung, jeder solle selbst über das Tragen entscheiden, aber bei Anzeichen von Erkältung nicht darauf verzichten. Weiters meinten die Hälfte der Befragten, vom Maskentragen auf die Charakter eines Menschen schließen zu können [7].


Ein soziales Ritual in einer individualisierten gesundheitsorientierten Risiko-Gesellschaft

Das Tragen scheint ein kollektives Verhalten zu sein, das aber auf individuelle Verantwortung gegründet ist. Unsicherheit in der Gesellschaft kreiert eine gewisse Freiheit, wodurch die Individuen aus Eigenverantwortung empfänglicher sind für gegen sie selbst gerichtete Bedrohungen. Diese Art von Eigenschutz lässt sich auch gut mit dem japanischen Verständnis von Verschmutzung und Reinlichkeit verbinden. In Japan wird der äußere Raum generell oft mit Schmutz assoziiert, vor dem man sich schützen muss. Man kann von dem Tragen der Maske als Ritual bzw. Risikoroutine sagen, dass der symbolische Wert oft wichtiger ist als die tatsächlichen Effekte. Verglichen mit anderen Risikoritualen ist die Praxis jedoch eher unbequem und kann nicht als grundsätzlich egoistisch angesehen werden [8].

Quellen