Nihon ryōiki

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Das Nihon Ryōiki 日本霊異記 (mit vollem Titel Nihon-koku genpō zen'aku ryōiki, "Bericht von der wundersamen Vergeltung guter und schlechter Taten im Lande Japan") des Mönchs Kyōkai 景戒 (oder Keikai) ist eine Sammlung von 116 kurzen Anekdoten und Legenden, die zwischen 787 und 822 zusammen gestellt wurden. Sie gilt als der Beginn einer eigenen Literaturgattung von beispielhaften Lehrerzählungen (setsuwa), mit denen buddhistische Mönche versuchten, die wesentlichen Inhalte des Buddhismus (in diesem Fall die Karma-Theorie) in allgemein verständlicher Form zu vermitteln. Obwohl mit didaktischem Unterton, sind die Geschichten vor allem auch unterhaltsam und verraten viel über die gedankliche Vorstellungswelt und die sozialen Verhältnisse des japanischen Altertums.

Textaufbau und Manuskripte

Das Ryōiki besteht aus 116 Erzählungen, die auf drei Bände aufgeteilt sind. Bd. I umfasst 35 Erzählungen, Bd. II 42 Erzählungen, Bd. III 39 Erzählungen. Jeder Band wird von einem Vorwort eingeleitet. Die „Erzählungen“ sind unterschiedlicher Länge und reichen von einer halben Buchseite bis zu acht Buchseiten (III-38), wobei sich lange Erzählungen oft in mehrere Episoden unterteilen lassen. Es besteht die Möglichkeit, dass die heutige Anordnung nicht ganz den Intentionen des Autors entspricht, oder dass manche Geschichten oder Textteile von späteren Kopisten eingefügt wurden. Für eine genaue Übersicht siehe Erzählungen/Übersicht.

Die Reihenfolge der Geschichten entspricht weitgehend ihrer chronologischen Folge (s. Bohner: 7-10). Diese reicht von Yūraku Tennō (myth. dat: 457-478) — I-01 — bis ins Jahr 822 — III-39 — der Lebenszeit des Autors.

Keine einzige der bekannten frühen Handschriften des Textes enthält den gesamten Text. Heutige Ausgaben stützen sich auf vier Manuskripte:

  1. MS des Kōfuku-ji, Abschrift einer Abschrift aus dem Jahr 904. Älteste und genaueste Abschrift, umfasst allerdings nur Band I. [1]
  2. MS des Shinpuku-ji, Bd. II und III
  3. MS der Familie Maeda, Bd. III (enthält eine umstrittene zusätzliche Passage im Vorwort)
  4. MS des Sanmai-in auf Berg Kōya. Bd. I-III, datiert 1214, unvollständig. Original ging in den 1930er Jahren verloren.

Vorläufer

Kyōkai selbst nennt als Vorläufer seiner Schrift zwei chinesische Werke, Myōhōki 冥報記 (chin. Mingpao chi, wtl. „Berichte Karmischer Vergeltung“, verfasst 650-655) und Hannya kenki 般若験記 (wtl. „Berichte über die Wunder des Sutras der Höchsten Weisheit“, 718). Das Myōhōki des chin. Laienmönchs Tanglin ging in China verloren, existiert aber noch in einer japanischen Abschrift. Ähnlich erging es auch dem Hannya kenki.[2] In einer autobiographischen Episode des Ryoiki (III-38) erwähnt Kyōkai außerdem die Schrift Shokyō yōshū 諸経要集 („essentielle Lehren der verschiedenen Sutren“), die 659 vom chinesischen Mönch Taoshi verfasst wurde und nach didaktischen Gesichtspunkten arrangierte Exzerpte aus verschiedenen Sutren zum Beweis der Karma Theorie enthält. Mehrere Episoden des Ryōiki beruhen vollinhaltlich auf Geschichten aus diesen Texten, obwohl sie in einen japanischen Kontext verlegt wurden. Im inhaltlichen Aufbau folgt das Ryōiki dem Shokyō yōshū. [3]


Spätere Wirkung

Viele Geschichten werden in späteren Geschichten- bzw. setsuwa-Sammlungen zitiert oder weiter ausgeschmückt. Vor Allem für Sanbō ekotoba, Konjaku monogatari-shū oder Fusō ryakki stellte das Ryōiki eine wichtige Quelle dar.

Erzählerische Struktur

Wenn man die erzählerische Struktur der einzelnen Episoden des Nihon Ryōiki genauer betrachtet, so fallen einem schnell Regelmäßigkeiten in Stil und Struktur auf, welche an dieser Stelle behandelt werden sollen. Sehr grob lässt sich eine Episode in eine Überschrift, eine Nummerierung, einen narrativen Teil und einen kommentierenden Teil (der oft die Moral enthält) einteilen.

die Nummerierung

Die einzelnen Episoden des Nihon Ryōiki sind zwar nummeriert (Band I bis III, jeweils 1 bis ??), doch es scheint keine Notwendigkeit zu bestehen die Geschichten genau in dieser Reihenfolge zu lesen, da sie zwar in wenigen Fällen "Referenzen" (oder lose Hinweise) zu früheren Episoden enthalten, welche jedoch die Geschichten nicht beeinflussen. Insofern scheint die Nummerierung aus rein praktischen Motiven erfolgt zu sein. Die einzige erkennbare Ordnung innerhalb der Geschichten ist die chronologische Reihenfolge, die (von geringfügigen Ausnahmen abgesehen) von Band I-III durchgehend eingehalten wird.

die Überschrift

Die Überschriften bestehen aus einer Art kurze Inhaltsangabe und enden mit dem kanji 縁, welches bei Izumoji mit den furigana koto no moto (Ursache/Grund einer Sache) betitelt ist. Obwohl das kanji sino-japanisch EN (Anlass | Beziehung, Verhältnis, Verbindung | Karma, Schicksal | Rand | Veranda ) oder rein-japanisch enishi (mit der selben Bedeutung) oder aber auch fuchi oder heri ((Ein)Fassung | Krempe | Rand, Kante | Saum) gelesen werden kann; darüber hinaus sind auch noch die Lesungen yosuga (Mittel, Weg | Stütze, Hilfe) oder yukari(Verbindung, Beziehung, Verwandtschaft, Bekanntschaft) möglich. Da das Schriftzeichen 縁 jedoch in seiner buddhistischen Interpretertion für das Karma steht und somit auf eine Kausalität hinweist erscheint Izomojis Auslegungen schon viel nachvollziehbarer. Wie man diese Wendung am besten ins Deutsche übertragen kann ist der nächste schwierige Punkt. Mögliche Varianten wären "Wie es dazu kam, dass...", "Der Grund für ... ist..." und ähnliche. Problem dabei ist vorallem, dass die Überschriften ansich schon recht viel Interpretertionsspielraum zulassen, aber diese wiederkehrende Passage allein ist sträubt sich schon sehr gegen eine atequate Übersetzung.

Ein weiteres Charakteristikum der Überschriften besteht darin, dass sie den Inhalt der folgenden Erzählung (wie in Stichworten) verkürzt wiedergeben. Die Pointe, wenn man in dem Zusammenhang davon sprechen kann, wird daher schon zu beginn vorweg genommen. Möglicherweise ist die Überschrift aber eher für den "Vorleser" gedacht, damit er schneller eine Geschichte findet, die zu seiner Vorstellung passt.

Die Überschrift endet mit der Band- und Episodennummer.

der narrative Teil

Dieser beginnt meist mit einer (merh oder weniger genauen) angabe des Orts und der Zeit dder Begebenheit. Es wird somit hervorgehoben, dass die Geschichte nicht einfach fiktive Erzählungen, sondern wirklich Erlebte Tatsachenberichte sind. In der Tat scheinen macnhe Erzählungen auf wahren Begebenheiten zu beruhen, welche dann im buddhistischen Sinne interpretiert und bei bedarf mit transzendenten oder mystischen Zutaten ergänzt und "verfeinert" wurden. Andere Episoden sind jedoch derartig spektakulär (in vielerlei Hinsicht), dass eine zugrundeliegende Begebenheit fast ausgeschlossen werden kann.

Der Stil im originalen Kanbuntext ist in diesem Teil der Episode sehr vieldeutig und ähnelt einer Sagen- oder Märchenerzählung. Es kommen sehrwohl wertende Kommentare vor, doch sind die Kriterien nocht auf Buddhistische Maßstäbe beschrenkt, sondern schätzen auch "richtiges Verhalten", wie es andere Lehren gebieten.

der kommentierende Teil (die Moral)

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Themen

Das Nihon Ryōiki gilt als der erste japanische Text, der sich die Aufklärung des einfachen Volkes über die buddhistischen Prinzipien und die karmische Vergeltung zur Aufgabe macht. Es beinhaltet sowohl volkstümliche Geschichten als auch Legenden und Anekdoten aus dem Leben historischer Persönlichkeiten. Die Geschichten sind zum Teil historisch, zum Teil erfunden. Sieben Geschichten beziehen sich auf bekannte Tempel (I-05, I-07, I-17, II-05, II-21, II-31, II-39), drei auf Bildwerke oder Skulpturen (I-33, III-17, III-30), eine auf einen Berg (I-01) und eine auf einen Familiennamen (I-02). Die zahlreichen historischen Persönlichkeiten unterstreichen Kyōkais Bemühen, die buddhistsische Dharma-Lehre anhand von realen Menschen und Vorkommnissen in der japanischen Geschichte zu erklären. [4]

Nicht-buddhistische Erzählungen

Es gibt auch einzelne Geschichten, in denen das Ungewöhnliche, Übernatürliche nicht notwendigerweise mit einer buddhistischen Wahrheit in Verbindung steht. Hier scheint es sich um bekannte Erzählungen zu handeln, die Kyōkai nur notdürftig oder gar nicht mit einer buddhistischen Moral versieht. In diese Kategorie fallen vor allem Geschichten von außergewöhnlich kräftigen Menschen: In I-02 wird Kraft und Schnelligkeit einer bestimmten Familie durch die Tatsache erklärt, dass sie von eine Füchsin abstammen. In I-03 ist es die Abstammung vom Donnergott, die einen Menschen besonders kräftig werden lässt. (Dank dieser Kraft macht er im Kloster Gangō-ji Karriere). Die weiblichen (!) Nachfahren dieser Menschen messen in II-04 ihre unglaublichen Kräfte und in II-27 wird eine weitere Nachfahrin als "Kraftfrau" beschrieben. Es fällt auf, dass alle diese "nicht-buddhistischen" Geschichten aus dem gleichen familiären bzw. regionalen Kontext stammen. Vom Donner erfährt man bereits in I-01, dass es außerordentlichen Mut erfordert sich mit ihm einzulassen. Auch diese Geschichte hat keinen unmittelbaren Bezug zum Buddhismus.

Schließlich enthält III-31 die Erzählung einer Frau, die jungfräulich zwei Steine zur Welt bringt, welche von einem Wahrsager (kannagi) zu Göttern erklärt werden. Der einzige Kommentar Kyōkais: „Auch dies ist eine wundersame Begebenheit.“

Fußnoten

  1. Vgl. die fotographische Textdarstellung im Internet
  2. Nakamura: 35-38
  3. Nakamura: 35-38 und Bohner: 30 ff., insbes. 33-46, wo Bohner ausführlich auf einzelne Geschichten chinesischer Vorbilder eingeht.
  4. Nakamura: 42