II-41

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Wie es dazu kam, dass ein Mädchen von einer Riesenschlange geschändet wurde, aber dank der Kraft der Medizin mit dem Leben davon kam
SNKBT 30: 120-122, Bohner 1934: 158-160, Nakamura 1997: 213-215

Im Dorf Umakahi 馬甘の里 des Landkreises Sarara 更荒郡[1] der Provinz Kawachi 河内国[2] gab es eine wohlhabende Familie mit einem Mädchen. Zur Zeit des Tennō Ōhi, im Jahr Tenpyō 3, im 4. Monat (Sommer) kletterte dieses Mädchen auf einen Maulbeerbaum um Blätter zu pflücken. Eine große Schlange wand sich den selben Baum hinauf. Jemand der vorbei ging sah es und machte das Mädchen darauf aufmerksam. Das Mädchen sah [die Schlange], erschrak und stürzte vom Baum. Die Schlange ließ sich ebenfalls zu Boden fallen, wand sich um das Mädchen und schändete (婚ふ kunakau) es, während es besinnungslos am Boden lag.

Ihre Eltern sahen dies, riefen einen Mediziner zu Hilfe und brachten das Mädchen gemeinsam mit der Schlange auf einer Bahre in den Hof des Hauses. [Der Mediziner] verbrannte drei Bündel Hirsestroh (ein Bündel war 3 shaku[3] 尺 lang), vermischte [die Asche] mit heißem Wasser, um 3 to[4] 斗 Flüssigkeit zu erhalten, die auf 2 to durch kochen reduziert wurden und fügte 10 Büschel[5] 把 fein geschnittener Wildschweinhaare[6] hinzu. Daraufhin wurden Pfosten am Kopf und an den an den Beinen des Mädchens befestigt [um sie bewegungsunfähig zu machen] und die Flüssigkeit in ihre Vagina geleert. Als die Hälfte der Flüssigkeit hineingeleert war, kroch die Schlange heraus und wurde getötet und weggeworfen. Die Kinder der Schlange waren weiß, klebten zusammen und ähnelten Kaulquappen. Es klebten die Haare des Wildschweins an ihnen und es kamen nur 5 shō 升 heraus. Als man den Rest der Flüssigkeit hineinleerte, kamen alle Schlangen heraus. Das bewusstlose Mädchen kam zu sich und begann zu sprechen. Auf die Fragen ihrer Eltern antwortete sie: „Es war wie im Traum. Jetzt aber bin ich so wach wie zuvor.“ Wenn das Einnehmen von Arznei derart wirkt, warum sollten wir sie nicht sorgfältigst gebrauchen. So vergingen drei Jahre und das Mädchen wurde wiederum von einer Schlange geschändet und verstarb.

Wenn jemand mit gutem Herzen im Sterben liegt, sagt er zu seinem Ehepartner, zu seinen Eltern und Kindern: „Wenn ich sterbe, treffen wir uns gewiss in der nächsten Welt [im nächsten Leben] wieder.“ Den karmischen Gesetzen folgend, wird man als Schlange, Pferd, Rind, Hund, Vogel oder ähnliches wiedergeboren, vereint sich mit einer Schlange aufgrund von schlechten Taten im vorherigen Leben, oder wird als verachtenswertes, wildes Tier wiedergeboren. Liebe und Verlangen sind nicht dasselbe.

In einem Sutra[7] wird es wie folgt erklärt: „Damals gingen Buddha und Ananda[8] 阿難 bei einem Grab vorbei, an dem ein Ehepaar gemeinsam Speisen und Getränke darbrachte und trauerte [sich nach den Verstorbenen sehnten]. Der Mann weinte um seine Mutter, die Frau um ein Kind. Buddha vernahm das Weinen der Frau und klagte laut. Ananda sprach zu ihm: „Welchen Grund 因縁 habt ihr, Tathagata[9], dass ihr klagt?“ Buddha antwortete Ananda: „Diese Frau hat in ihrem früheren Leben einen Sohn geboren. Sie liebte ihn so sehr, dass sie seinen Penis[10] in den Mund nahm. Drei Jahre vergingen, als sie plötzlich an einer Krankheit erkrankte. Als sie im Sterben lag, streichelte sie ihren Sohn, küsste seinen Penis und sagte zu ihm: „Wir werden uns in den kommenden Leben wieder sehen.“ Sie wurde als Tochter eines Nachbarn wiedergeboren und wurde die Frau ihres Sohnes. Nun ehrt Sie die Gebeine ihres [ehemaligen] Ehegatten und weint vor Sehnsucht [nach dem Kind, das jetzt ihr Mann ist]. Weil ich den Ursprung dieser Sache kenne, klage ich.“

Eine andere Schrift[11] berichtet ähnliches: „Es gab einmal ein Kind, dessen Körper ungemein leicht war und dass so schnell laufen konnte, wie ein fliegender Vogel. Der Vater liebte ihn so sehr, dass er ihn aufzog und beschützte, wie seine eigenen Augen. Als er die Leichtigkeit seines Sohnes sah, sprach er folgenden Vergleich: „Was für eine Freude! Mein Sohn läuft so schnell wie ein Fuchs.“ Als das Kind starb, wurde es im Körper eines Fuchses wiedergeboren. Man darf in seinen Bitten nur gute Metaphern [Vergleiche] verwenden. Wünsche niemals ein schlechtes Beispiel herbei, denn es geht sicherlich in Erfüllung!



  1. Befindet sich in der heutigen Präfektur Ōsaka. Wo genau sich Umakahi befindet ist leider unbekannt.
  2. Die Lesung Kawachi bezieht sich auf Nakamura, im Original werden die Zeichen Ka'uchi gelesen.
  3. japanisches Längenmaß, 0,303 m
  4. Ein to ist ein altes Hohlmaß und entspricht 18,039 l. Anfangs sind es demnach 54 l Flüssigkeit, die auf ca. 36 l reduziert wurde.
  5. Bohner übersetzt dies mit 10 Handvoll.
  6. Laut einer Anmerkung bei SNKBT heißt es, dass Wildschweine Schlangen beherrschen können.
  7. Um welche Sutra bzw. Schrift es sich genau handelt ist leider nicht bekannt.
  8. Der Lieblingsschüler Buddhas, auch 阿難陀 geschrieben
  9. Tathagata ist eine der zehn ehrwürdigen Bezeichnungen für Buddha. Kommt aus dem Sanskrit, auf japanisch nyorai 如来
  10. Das im Original verwendete Wort mara ist im Jargon der Mönche ein Wort für Penis, leitet sich aus dem Sanskritwort māra ab.
  11. Auch hier ist die Herkunft der Schrift leider nicht näher genannt.


Hintergrund

  • Zeit: Tenpyō 3, 759 unserer Zeitrechnung
  • Ort: Land Kawachi 河内国, Bezirk Sarara 更荒郡, Dorf Umakahi 馬甘里
  • Personen: Mädchen und Schlange, Mutter und Sohn, Vater und Sohn

Ursache und Wirkung

Wenn jemand gestorben ist, dann geht er weiter in sein nächstes Leben und wird den karmischen Regeln entsprechend wiedergeboren. Als Hinterbliebene(r) soll man keine Sehnsüchte diesen Personen gegenüber haben und sich von ihnen auch emotional trennen.

Anmerkungen

Das buddhistische Gleichnis gibt Rätsel auf. Offenbar liegt die besondere Tragik darin, dass die beiden Ehepartner sich jeweils nach einander, aber in einer früheren Existenz sehnen („Der Mann weinte aus Sehnsucht nach seiner Mutter [welche ja zugleich seine Frau war], die Frau aus Sehnsucht nach einem kleinen Kind [das sie ja schließlich geheiratet hatte].“)

Materialien


Artikel erstellt von Christina Ellensohn 11:57, 14. Nov. 2010 (CET).