Mythen/Verwandlungskuenstler: Unterschied zwischen den Versionen

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Obwohl die Achtung vor Tieren in Japan durch traditionelle religiöse Vorstellungen gefördert wird, gibt es auch ambivalente oder negative Gefühle gegenüber verehrten Tieren. Respekt mischt sich mit Furcht. Tiere können einerseits als Boten von Gottheiten dienen, besitzen aber auch  magische Fähigkeiten, die sie nach eigenem Gutdünken und bisweilen zum Nachteil der Menschen einsetzen. Insbesondere Füchse und {{g|tanuki}}, aber auch Katzen und [[Mythen/Imaginaere Tiere | Schlangen]] werden daher für alle möglichen Hexereien verantwortlich gemacht und haben etwas ausgesprochen Unheimliches. Wölfe hingegen werden mit überraschend positiven übernatürlichen Eigenschaften imaginiert.  Der Zusammenhang zwischen Gespensterglaube und religiöser Vorstellungswelt wird auf dieser Seite anhand der bekanntesten hundeartigen Tiere illustriert.
{{fl|O}}bwohl die Achtung vor Tieren in Japan durch tradit·io·nelle religiöse Vor·stel·lun·gen ge·för·dert wird, gibt es auch ambi·va·lente oder nega·tive Ge·fühle ge·gen·über ver·ehrten Tieren. Respekt mischt sich mit Furcht. Tiere können einerseits als Boten von Gott·hei·ten dienen, besit·zen aber auch  magi·sche Fähig·kei·ten, die sie nach eige·nem Gut·dün·ken und bisweilen zum Nachteil der Menschen einsetzen. Ins·be·son·dere Füchse und {{g|tanuki}}, aber auch Katzen und [[Mythen/Imaginaere Tiere | Schlangen]] werden daher für alle mög·li·chen He·xe·reien ver·ant·wort·lich ge·macht und haben etwas aus·ge·spro·chen Un·heim·liches. Wölfe hingegen werden mit überraschend positiven übernatürlichen Eigenschaften imaginiert.  Der Zusammenhang zwischen Gespens·ter·glaube und religi·öser Vorstellungswelt wird auf dieser Seite wird anhand der bekanntesten hundeartigen Tiere illustriert.
 
  
 
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Füchse ({{g|kitsune}}) sind zusam·men mit den unten be·spro·chenen ''tanuki'' die großen Ver·wand·lungs·künst·ler in der ja·pa·ni·schen Tier- und Sagen·welt. Dem ja·pa·nischen Volks·glau·ben zu·folge ist jeder Fuchs mit magi·schen Fähig·kei·ten aus·ge·stat·tet. Diese Zau·ber·kraft akkumu·liert sich mit den Jahren. Die ältes·ten Füchse sind dem·nach die zau·ber·kräf·tigsten. Darüber hinaus erkennt man zau·ber·kräf·tige Füchse an der Anzahl ihrer Schwänze, die (ähnlich wie die {{g|Dan}}-Grade in Judo, oder Karate) auf bis zu neun an·stei·gen können. Solche mehr·schwän·zigen Füchse können sich jeder·zeit in Men·schen ver·wan·deln oder aber Besitz vom Geist eines Menschen er·grei·fen und stehen mit allen mög·lichen Formen von Be·ses·sen·heit, Exor·zis·mus, etc. in Ver·bin·dung. Vor allem Frauen sind für Fuchs·zau·ber an·fäl·lig, während sich Füchse um·ge·kehrt meist in schöne Frauen ver·wandeln.
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Füchse ({{g|kitsune}}) sind zusammen mit den unten besprochenen ''tanuki'' die großen Verwandlungskünstler in der japanischen Tier- und Sagenwelt. Dem japanischen Volksglauben zufolge ist jeder Fuchs mit magischen Fähigkeiten ausgestattet. Diese Zauberkraft akkumuliert sich mit den Jahren. Die ältesten Füchse sind demnach die zauberkräftigsten. Darüber hinaus erkennt man zauberkräftige Füchse an der Anzahl ihrer Schwänze, die (ähnlich wie die {{g|Dan}}-Grade in Judo, oder Karate) auf bis zu neun ansteigen können. Solche mehrschwänzigen Füchse können sich jederzeit in Menschen verwandeln oder aber Besitz vom Geist eines Menschen ergreifen und stehen mit allen möglichen Formen von Besessenheit, Exorzismus, etc. in Verbindung. Vor allem Frauen sind für Fuchszauber anfällig, während sich Füchse umgekehrt meist in schöne Frauen verwandeln.<ref>Für Details zum Fuchsglauben s. {{zitiert|Smyers 1999}} und {{zitiert|Bathgate 2003}}.</ref>
  
 
=== Inari Füchse ===
 
=== Inari Füchse ===
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In der Religion haben Füchse eine besondere Funktion im Zusammenhang mit der Gottheit {{g|inari}}. Wie schon erwähnt stellen [[Bauten/Bekannte_Schreine|Inari Schreine]] eine der zahlenmäßig größten Gruppen von Shintō-Schreinen dar (ca. 30.000 in ganz Japan), allerdings handelt es sich meist um kleine bis mittelgroße Schreine. Sie sind leicht daran zu erkennen, dass sie von zwei weißen Füchsen „bewacht“ werden, ähnlich wie andere Schreine {{g|komainu}} als Wächter haben.
  
 
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In der Religion haben Füchse eine besondere Funk·tion im Zu·sam·men·hang mit der Gott·heit {{g|inari}}. Wie schon er·wähnt stellen [[Bauten/Bekannte_Schreine|Inari Schreine]] eine der zahlen·mäßig größ·ten Grup·pen von Shintō-Schrei·nen dar (ca. 30.000 in ganz Japan), aller·dings handelt es sich meist um kleine bis mit·tel·große Schreine. Sie sind leicht daran zu er·ken·nen, dass sie von zwei weißen Füch·sen „be·wacht“ werden, ähnlich wie andere Schreine {{g|komainu}} als Wäch·ter haben. Man nennt diese Füchse auch {{g|myoubu}}, wtl. „Hof·damen“. Auch die Gott·heit Inari, eigent·lich eine Reis·gott·heit, zeigt sich gern als Fuchs, wenn sie nicht die Gestalt einer jungen Frau an·nimmt. In den Ur·sprungs·le·gen·den des {{g|Fushimiinaritaisha|Fushimi Inari}} Schreins hin·gegen erscheint die Gott·heit als alter Mann, der dem Mönch {{g|kuukai}} seine Dienste als Schutz·herr des neu gegrün·de·ten Tem·pels {{g|Touji}} in Kyōto anbie·tet. Der Zu·sam·men·hang zwischen der Inari Gottheit, dem Fuchs und dem Reis, sowie der Wech·sel·gestalt von junger Frau und altem Mann ist nach wie vor etwas rät·sel·haft. Fuchs·glaube und Reis·gott waren wohl ur·sprüng·lich zweier·lei, haben sich im Lauf der ja·pa·ni·schen Reli·gions·geschichte aber gegen·sei·tig ver·stärkt und sind zu einer Ein·heit verschmol·zen.
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Man nennt diese Füchse auch {{g|myoubu}}, wtl. „Hofdamen“. Auch die Gottheit Inari, eigentlich eine Reisgottheit, zeigt sich gern als Fuchs, wenn sie nicht die Gestalt einer jungen Frau annimmt. In den Ursprungslegenden des {{g|Fushimiinaritaisha|Fushimi Inari}} Schreins hingegen erscheint die Gottheit als alter Mann, der dem Mönch {{g|kuukai}} seine Dienste als Schutzherr des neu gegründeten Tempels {{g|Touji}} in Kyōto anbietet. Der Zusammenhang zwischen der Inari Gottheit, dem Fuchs und dem Reis, sowie der Wechselgestalt von junger Frau und altem Mann ist nach wie vor etwas rätselhaft. Fuchsglaube und Reisgott waren wohl ursprünglich zweierlei, haben sich im Lauf der japanischen Religionsgeschichte aber gegenseitig verstärkt und sind zu einer Einheit verschmolzen.
  
 
== ''Tanuki'' ==
 
== ''Tanuki'' ==
  
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{{g|tanuki|''Tanuki''}} sind in Japan weit verbrei·tete Tiere, in Europa aber kaum zu finden. Man be·zeich·net sie auch als Mar·der·hunde. Sie sind nach ja·pa·ni·scher Auf·fas·sung ähn·lich begabt wie die Füchse. Wäh·rend die Füchse aber ele·gant und schlau oder gar heim·tück·isch agie·ren, sind die ''tanuki'' eher derbe, drauf·gän·ge·rische Gesel·len. Auch sie können den Menschen das Leben ziem·lich schwer machen, aber alles in allem schei·nen sie eher gut·mütig zu sein. Manchmal sieht man über·le·bens·große ''tanuki''-Figu·ren vor Restau·rants oder Geschäf·ten stehen. Meist haben sie eine Flasche {{g|Sake}} in der Hand und ani·mie·ren, ähn·lich wie die [[Alltag/Glücksbringer| Winkende Katze]] ({{g|manekineko}}), zum Mittrin·ken. In der ande·ren Hand haben sie einen mysteriö·sen Zettel. Es ist ein Schuld·schein, den der ''tanuki'' im Aus·tausch für Sake aus·stellt, den er aller·dings nie bezahlt. Im Gegen·satz zu den Füch·sen sind die ''tanuki'' typi·scher·weise männ·li·chen Ge·schlechts (obwohl es auch weib·liche gibt). Eines ihrer Cha·rak·teristika sind denn auch ihre über·großen Hoden (natür·lich ein Glücks·sym·bol). Wenn sie wütend werden, können sie diese Hoden auch als Schlag·waf·fen ver·wen·den. Ihr Stroh·hut kenn·zeich·net die ''tanuki'' als Reisende bzw. als Vaga·bunden.
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{{g|tanuki|''Tanuki''}} sind in Japan weit verbreitete Tiere, in Europa aber kaum zu finden. Man bezeichnet sie auch als Marderhunde. Sie sind nach japanischer Auffassung ähnlich begabt wie die Füchse. Während die Füchse aber elegant und schlau oder gar heimtückisch agieren, sind die ''tanuki'' eher derbe, draufgängerische Gesellen. Auch sie können den Menschen das Leben ziemlich schwer machen, aber alles in allem scheinen sie eher gutmütig zu sein. Manchmal sieht man überlebensgroße ''tanuki''-Figuren vor Restaurants oder Geschäften stehen. Meist haben sie eine Flasche {{g|Sake}} in der Hand und animieren, ähnlich wie die [[Alltag/Glücksbringer| Winkende Katze]] ({{g|manekineko}}), zum Mittrinken. In der anderen Hand haben sie einen mysteriösen Zettel. Es ist ein Schuldschein, den der ''tanuki'' im Austausch für Sake ausstellt, den er allerdings nie bezahlt. Im Gegensatz zu den Füchsen sind die ''tanuki'' typischerweise männlichen Geschlechts (obwohl es auch weibliche gibt). Eines ihrer Charakteristika sind denn auch ihre übergroßen Hoden (natürlich ein Glückssymbol). Wenn sie wütend werden, können sie diese Hoden auch als Schlagwaffen verwenden. Ihr Strohhut kennzeichnet die ''tanuki'' als Reisende bzw. als Vagabunden.
  
 
=== ''Tanuki'' in der Populärkultur ===
 
=== ''Tanuki'' in der Populärkultur ===
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Der Zeichentrickfilm ''Heisei tanuki gassen ponpoko'' („Die Schlacht der ''tanuki'' in der Ära Heisei“, 1994; dt. Filmtitel „Pom Poko“) von Isao Takahata — einem Mitarbeiter des bekannten {{g|Miyazakihayao}} — stellt die ''tanuki'' in den Mittelpunkt einer Geschichte, in der es letztlich um Tier- und Artenschutz geht. Hier lernt man anhand von ''tanuki'' und ''kitsune'' auch viel über das japanische Geister- und Gespensterpantheon.
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Der Zeichen·trick·film ''Heisei tanuki gassen ponpoko'' („Die Schlacht der ''tanuki'' in der Ära Heisei“, 1994; dt. Filmtitel „Pom Poko“) von Isao Takahata — einem Mit·ar·beiter des be·kann·ten {{g|Miyazakihayao}} — stellt die ''tanuki'' in den Mittel·punkt einer Geschichte, in der es letzt·lich um Tier- und Arten·schutz geht. Hier lernt man anhand von ''tanuki'' und ''kitsune'' auch viel über das ja·pa·nische Geister- und Gespens·ter·pantheon.
 
  
Auch die popu·läre Video·spiel-Figur Mario kann sich in einen ''tanuki'' ver·wandeln. Mario benutzt dazu ein einfaches Baum·blatt. Dies ist nach traditio·neller Vor·stel·lung das Zauber·mittel von Füchsen und ''tanuki'' um sich zu ver·wan·deln. Bei ein wenig komi·schen oder un·heim·li·chen Menschen sollte man daher immer nach einem Blatt Aus·schau halten — ent·deckt man eines an ihnen, dann sind es wahr·schein·lich ver·wan·delte ''tanuki''.
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Auch die populäre Videospiel-Figur Mario kann sich in einen ''tanuki'' verwandeln. Mario benutzt dazu ein einfaches Baumblatt. Dies ist nach traditioneller Vorstellung das Zaubermittel von Füchsen und ''tanuki'' um sich zu verwandeln. Bei ein wenig komischen oder unheimlichen Menschen sollte man daher immer nach einem Blatt Ausschau halten — entdeckt man eines an ihnen, dann sind es wahrscheinlich verwandelte ''tanuki''.
  
 
=== Dachse? ===
 
=== Dachse? ===
  
''Tanuki'' werden oft fälsch·lich als Dachse oder Wasch·bären ge·deu·tet, daher wählt man auch gerne „Dachs“ als Über·set·zungs·wort. ''Tanuki'' sehen aber nicht nur ganz anders aus als hei·mische Dachse, sie zählen auch zoo·logisch zur Familie der Hunde. Im Unter·schied zum Hund können sie al·ler·dings nicht bellen.
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''Tanuki'' werden oft fälschlich als Dachse oder Waschbären gedeutet, daher wählt man auch gerne „Dachs“ als Übersetzungswort. ''Tanuki'' sehen aber nicht nur ganz anders aus als heimische Dachse, sie zählen auch zoologisch zur Familie der Hunde. Im Unterschied zum Hund können sie allerdings nicht bellen.
  
 
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== Wölfe und Berghunde ==
 
== Wölfe und Berghunde ==
  
Der japanische Wolf ({{g|ookami}}) ist nur unwesentlich größer als ein Fuchs und zoologisch kaum von einem Hund zu unterscheiden. Das scheue Tier wird daher auch als „Berghund“ ({{g|yamainu}}) bezeichnet. Der Wolf gilt in Japan seit dem späten 19. Jh. als ausgestorben, existiert aber nach wie vor in den Legenden von Schreinen, die dem Wolfsglauben gewidmet sind. Am bekanntesten ist wahrscheinlich der {{g|Mitsuminejinja}} westlich von Tōkyō, der sich auf den mythologischen Helden {{g|Yamatotakeru}} zurückführt. Dieser soll sich auf seinem Eroberungsfeldzug in den damals noch wilden Osten verirrt haben und von einem Berggott in Gestalt eines weißen „Hundes“ (Wolfs) auf den richtigen Weg zurück geführt worden sein.<!--
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--><ref>''Nihon shoki'', 7 (Keikō Tennō), Aston 1975/1, S. 208. Die Legende erzählt zunächst, dass Yamato Takeru auf einem Gipfel namens Ōyama von einem weißen Hirsch krank gemacht und in die Irre geführt wurde, bevor er von einem weißen Hund offenbar geheilt und wieder auf den richtigen Weg gebracht wurde. Eine gewisse Funktion des Wolfs als Heiler kann also bereits in dieser Legende festgemacht werden.
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Der japanische Wolf ({{g|ookami}}) ist nur unwesentlich größer als seine Verwandten Fuchs und Tanuki. Der scheue Bergbewohner ist zoologisch kaum von einem Hund zu unterscheiden und wurde daher auch als „Berghund“ ({{g|yamainu}}) bezeichnet. Er gilt in Japan seit dem späten 19. Jh. als ausgestorben, existiert aber nach wie vor in einigen Schrein-Legenden und Bräuchen. Hier tritt er eher als Helfer denn als Widersacher des Menschen auf. Ein gutes Beispiel dafür bietet der {{g|Mitsuminejinja}} westlich von Tōkyō, der sich auf den mythologischen Helden {{g|Yamatotakeru}} zurückführt. Dieser soll sich auf seinem Eroberungsfeldzug in den damals noch wilden Osten verirrt haben und von einem Berggott in Gestalt eines weißen „Hundes“ (Wolfs) auf den richtigen Weg zurück geführt worden sein.<!--
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--><ref>{{gb|Nihonshoki}} 7 (Keikō Tennō), {{zitiert|Aston 1972}}, 1, S. 208. Die Legende erzählt zunächst, dass Yamato Takeru auf einem Gipfel namens Ōyama von einem weißen Hirsch krank gemacht und in die Irre geführt wurde, bevor er von einem weißen Hund offenbar geheilt und wieder auf den richtigen Weg gebracht wurde. Eine gewisse Funktion des Wolfs als Heiler kann also bereits in dieser Legende festgemacht werden. Die Erzählung findet sich auch im {{gb|Kojiki}}, dort allerdings ohne die Erwähnung des Wolfes.
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-->Der Mitsumine Schrein verband diese Legende mit dem lokalen Wolfsglauben. Heute unterstreichen spezielle {{g|komainu}}-Figuren in Wolfs-/Hunde-Gestalt sowie mit Wölfen bedruckte Glücksbringer die Verbindung zwischen Schrein und Wolf. In der späten Edo-Zeit sollen Wolfs-Talismane des Mitsumine Schreins besonders gefragt gewesen sein, da sie als wirksame Abwehr gegen die damals neu eingeschleppte Cholera (1822 und 1858/59) angesehen wurden.
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Hunde wiederum gelten als effiziente Waffe gegen die Füchse, da sie gegen deren Täuschungsmanöver immun sind. Schon in den ältesten japanischen Fuchslegenden ist es ein Hund, der einen als schöne Frau getarnten Fuchs entlarvt. In der Edo-Zeit wandte man sich an Hunde- bzw. Wolfsgötter, wenn es darum ging, einen Fuchsgeist zu bannen. „Fuchsbesessenheit“ ({{g|kitsunetsuki}}) war damals nämlich eine häufige Diagnose in Fällen, die man heute als psychische Krankheit bezeichnen würde. Ein Schrein, der es hinsichtlich seiner heilsamen Wirkung bei Fuchsbesessenheit zu einiger Popularität gebracht haben soll, ist der {{g|Yamazumijinja}} in der Präfektur Shizuoka – ursprünglich ebenfalls ein Wolfsschrein.  
  
In der späten Edo-Zeit sollen diese Glücksbringer besonders gefragt gewesen sein, da sie als wirksame Abwehr gegen die damals neu eingeschleppte Cholera (1822 und 1858/59) angesehen wurden. Auch in anderen Legenden tritt der Wolf eher als Helfer denn als Widersacher des Menschen auf.
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Hunde wiederum gelten als effiziente Waffe gegen die Füchse, da sie gegen deren Täuschungsmanöver immun sind. Schon in den ältesten japanischen Fuchslegenden ist es ein Hund, der einen als schöne Frau getarnten Fuchs entlarvt. In der Edo-Zeit wandte man sich an Hunde- bzw. Wolfsgötter, wenn es darum ging, einen Fuchsgeist zu bannen. „Fuchsbesessenheit“ ({{g|kitsunetsuki}}) war damals nämlich eine häufige Diagnose in Fällen, die man heute als psychische Krankheit bezeichnen würde. Ein Schrein, der es hinsichtlich seiner heilsamen Wirkung bei Fuchsbesessenheit zu einiger Popularität gebracht haben soll, ist der {{g|Yamazumijinja}} in der Präfektur Shizuoka – ursprünglich ebenfalls ein Wolfsschrein. Andererseits existierte zu dieser Zeit der Glaube, dass man „Hundegötter“ ({{g|inugami}}) künstlich erzeugen könnte, indem man Hunde bei lebendigem Leib begrub und sie qualvoll zu Tode kommen ließ. Solche Verfahren mögen  im Fall von Fuchsbesessenheit tatsächlich vereinzelt zum Einsatz gekommen sein, allerdings war der auf sadistische Weise erzeugte Hunde-''kami'' wohl noch gefährlicher als ein gewöhnlicher Fuchsgeist.  
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{{Verweise
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Andererseits existierte in der {{g|Edo}}-Zeit in manchen Gegenden der Glaube, dass man „Hundegötter“ ({{g|inugami}}) künstlich erzeugen könnte, indem man Hunde auf grausame Weise tötete und ihren Kopf vergrub. Ob solche Praktiken tatsächlich angewandt wurden, lässt sich kaum verifizieren, sie wurden vor allem Menschen nachgesagt, deren materielle Vorteile man sich nur durch Hexerei erklären konnte. Jedenfalls galten auf sadistische Weise erzeugten Hunde-''kami'' als noch gefährlicher als ein gewöhnlicher Fuchsgeist, da sie bei unsachgemäßer Behandlung selbst von ihren Meistern Besitz ergreifen und sie in den Wahnsinn treiben konnten.  
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{{Verweise
{{Literatur:Smyers_1999}}
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|thisway=Mythen/Symboltiere  
{{Literatur:Bathgate 2003}}
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* [http://www.coyotes.org/kitsune/ ''The Kitsune Page'']<br/>Fuchsmythen und Legenden weltweit mit besonderer Berücksichtigung Japans.
 
* [http://www.coyotes.org/kitsune/ ''The Kitsune Page'']<br/>Fuchsmythen und Legenden weltweit mit besonderer Berücksichtigung Japans.
* [http://web.archive.org/web/20070507104029/http://inari.garunya.com/ A History of Fox Beliefs], Chris Azure (en.)<br/>Online Fassung einer Dissertation über Fuchsglauben in China und Japan. [Über [http://www.archive.org/ Internet Archive], 2010/8]
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* [http://web.archive.org/web/20070507104029/http://inari.garunya.com/ A History of Fox Beliefs], Chris Azure (en.)<br/>Online Fassung einer Dissertation über Fuchsglauben in China und Japan. [Über ''Internet Archive'', 2010/8]<!--
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Version vom 9. Januar 2023, 15:15 Uhr

Tiergötter und Götterboten, Teil 2Verwandlungskünstler

Obwohl die Achtung vor Tieren in Japan durch traditionelle religiöse Vorstellungen gefördert wird, gibt es auch ambivalente oder negative Gefühle gegenüber verehrten Tieren. Respekt mischt sich mit Furcht. Tiere können einerseits als Boten von Gottheiten dienen, besitzen aber auch magische Fähigkeiten, die sie nach eigenem Gutdünken und bisweilen zum Nachteil der Menschen einsetzen. Insbesondere Füchse und tanuki [tanuki (jap.) Tanuki; Marderhund], aber auch Katzen und Schlangen werden daher für alle möglichen Hexereien verantwortlich gemacht und haben etwas ausgesprochen Unheimliches. Wölfe hingegen werden mit überraschend positiven übernatürlichen Eigenschaften imaginiert. Der Zusammenhang zwischen Gespensterglaube und religiöser Vorstellungswelt wird auf dieser Seite anhand der bekanntesten hundeartigen Tiere illustriert.

Füchse

Füchse (kitsune [kitsune (jap.) Fuchs; Botentier der Gottheit Inari]) sind zusammen mit den unten besprochenen tanuki die großen Verwandlungskünstler in der japanischen Tier- und Sagenwelt. Dem japanischen Volksglauben zufolge ist jeder Fuchs mit magischen Fähigkeiten ausgestattet. Diese Zauberkraft akkumuliert sich mit den Jahren. Die ältesten Füchse sind demnach die zauberkräftigsten. Darüber hinaus erkennt man zauberkräftige Füchse an der Anzahl ihrer Schwänze, die (ähnlich wie die dan [dan (jap.) „Stufe“, „Rang“; Bezeichnung der Fortgeschrittenen- bzw. Meistergrade in den Kampfsportarten, Budō]-Grade in Judo, oder Karate) auf bis zu neun ansteigen können. Solche mehrschwänzigen Füchse können sich jederzeit in Menschen verwandeln oder aber Besitz vom Geist eines Menschen ergreifen und stehen mit allen möglichen Formen von Besessenheit, Exorzismus, etc. in Verbindung. Vor allem Frauen sind für Fuchszauber anfällig, während sich Füchse umgekehrt meist in schöne Frauen verwandeln.1

Inari Füchse

In der Religion haben Füchse eine besondere Funktion im Zusammenhang mit der Gottheit Inari [Inari (jap.) 稲荷 Reisgottheit, häufig von Fuchswächtern (myōbu) bewacht]. Wie schon erwähnt stellen Inari Schreine eine der zahlenmäßig größten Gruppen von Shintō-Schreinen dar (ca. 30.000 in ganz Japan), allerdings handelt es sich meist um kleine bis mittelgroße Schreine. Sie sind leicht daran zu erkennen, dass sie von zwei weißen Füchsen „bewacht“ werden, ähnlich wie andere Schreine komainu [komainu (jap.) 狛犬 wtl. „Korea-Hund“, auch „Löwenhund“; Wächterfigur vor religiösen Gebäuden] als Wächter haben.

Toyokawa kitsune.jpg
2 Füchse des Toyokawa Inari Tempels
Die Fuchsstatuen (kitsune) sind individuelle Opfergaben (sonaemono) von Gläubigen (ähnlich wie z.B. die zahllosen torii des Fushimi Inari Schreins).
takmagar, flickr 2006.

Man nennt diese Füchse auch myōbu [myōbu (jap.) 命婦 Hofdame; auch: Fuchswächter], wtl. „Hofdamen“. Auch die Gottheit Inari, eigentlich eine Reisgottheit, zeigt sich gern als Fuchs, wenn sie nicht die Gestalt einer jungen Frau annimmt. In den Ursprungslegenden des Fushimi Inari [Fushimi Inari Taisha (jap.) 伏見稲荷大社 Großschrein der Gottheit Inari in Fushimi, im Süden Kyōtos] Schreins hingegen erscheint die Gottheit als alter Mann, der dem Mönch Kūkai [Kūkai (jap.) 空海 774–835, Gründer des Shingon Buddhismus; Eigennamen Saeki Mao, Ehrennamen Kōbō Daishi] seine Dienste als Schutzherr des neu gegründeten Tempels Tōji [Tōji (jap.) 東寺 Ost-Tempel in Kyōto, eig. Kyōō Gokoku-ji (Tempel des Königs der Lehre zum Schutz des Landes)] in Kyōto anbietet. Der Zusammenhang zwischen der Inari Gottheit, dem Fuchs und dem Reis, sowie der Wechselgestalt von junger Frau und altem Mann ist nach wie vor etwas rätselhaft. Fuchsglaube und Reisgott waren wohl ursprünglich zweierlei, haben sich im Lauf der japanischen Religionsgeschichte aber gegenseitig verstärkt und sind zu einer Einheit verschmolzen.

Tanuki

Tanuki [tanuki (jap.) Tanuki; Marderhund] sind in Japan weit verbreitete Tiere, in Europa aber kaum zu finden. Man bezeichnet sie auch als Marderhunde. Sie sind nach japanischer Auffassung ähnlich begabt wie die Füchse. Während die Füchse aber elegant und schlau oder gar heimtückisch agieren, sind die tanuki eher derbe, draufgängerische Gesellen. Auch sie können den Menschen das Leben ziemlich schwer machen, aber alles in allem scheinen sie eher gutmütig zu sein. Manchmal sieht man überlebensgroße tanuki-Figuren vor Restaurants oder Geschäften stehen. Meist haben sie eine Flasche Sake [Sake (jap.) Reiswein] in der Hand und animieren, ähnlich wie die Winkende Katze (maneki neko [maneki neko (jap.) 招き猫 winkende Katze, Winkekatze; Glücksbringer, besonders für geschäftlichen Erfolg]), zum Mittrinken. In der anderen Hand haben sie einen mysteriösen Zettel. Es ist ein Schuldschein, den der tanuki im Austausch für Sake ausstellt, den er allerdings nie bezahlt. Im Gegensatz zu den Füchsen sind die tanuki typischerweise männlichen Geschlechts (obwohl es auch weibliche gibt). Eines ihrer Charakteristika sind denn auch ihre übergroßen Hoden (natürlich ein Glückssymbol). Wenn sie wütend werden, können sie diese Hoden auch als Schlagwaffen verwenden. Ihr Strohhut kennzeichnet die tanuki als Reisende bzw. als Vagabunden.

Tanuki in der Populärkultur

Der Zeichentrickfilm Heisei tanuki gassen ponpoko („Die Schlacht der tanuki in der Ära Heisei“, 1994; dt. Filmtitel „Pom Poko“) von Isao Takahata — einem Mitarbeiter des bekannten Miyazaki Hayao [Miyazaki Hayao (jap.) 宮崎駿 1941–; Regisseur, Autor und Zeichner von Manga und Anime wie Nausicaä, Totoro oder Chihiros Reise ins Zauberland] — stellt die tanuki in den Mittelpunkt einer Geschichte, in der es letztlich um Tier- und Artenschutz geht. Hier lernt man anhand von tanuki und kitsune auch viel über das japanische Geister- und Gespensterpantheon.

Miyazaki-hayao-hesei-movie-poster.jpg
3 Tanuki-Anime
Film aus dem Hause Ghibli mit tanuki in den Hauptrollen.
Werk von Takahata Isao. 1994. Bildquelle: unbekannt.
Tanukimario.jpg
4 Tanuki-Mario
Super Mario im tanuki-Outfit
Bildquelle: unbekannt.

Auch die populäre Videospiel-Figur Mario kann sich in einen tanuki verwandeln. Mario benutzt dazu ein einfaches Baumblatt. Dies ist nach traditioneller Vorstellung das Zaubermittel von Füchsen und tanuki um sich zu verwandeln. Bei ein wenig komischen oder unheimlichen Menschen sollte man daher immer nach einem Blatt Ausschau halten — entdeckt man eines an ihnen, dann sind es wahrscheinlich verwandelte tanuki.

Dachse?

Tanuki werden oft fälschlich als Dachse oder Waschbären gedeutet, daher wählt man auch gerne „Dachs“ als Übersetzungswort. Tanuki sehen aber nicht nur ganz anders aus als heimische Dachse, sie zählen auch zoologisch zur Familie der Hunde. Im Unterschied zum Hund können sie allerdings nicht bellen.

Tanuki winter.jpg
5 Tanuki im Winter
Schlafloser tanuki während der Winterruhe.
Mother Nature Network, Stanislav Duben, 2014.

Wölfe und Berghunde

Okami shahobukuro.jpg
6 Wölfe (1770)
„Japanische Wölfe im Winterschilf“ (fuyu ogi ni ōkami). Die Illustration stammt aus einer Serie, in der der Edo-zeitliche Künstler und Gelehrte Tachibana Morikuni Kurioses und Wissenswertes in loser thematischer Reihenfolge bildlich darstellte.
Werk von Tachibana Morikuni (1679-1748). Edo-Zeit, 1770 (erschienen). Waseda University Library.

Der japanische Wolf (ōkami [ōkami (jap.) 狼犭 Wolf; dem Wortlaut nach „große Gottheit“, dem Zeichen nach „gutes“ (良) „Tier“ (犭)]) ist nur unwesentlich größer als seine Verwandten Fuchs und Tanuki. Der scheue Bergbewohner ist zoologisch kaum von einem Hund zu unterscheiden und wurde daher auch als „Berghund“ (yamainu [yamainu (jap.) 山犬 Wolf, wtl. „Berg-Hund“; s.a. ōkami]) bezeichnet. Er gilt in Japan seit dem späten 19. Jh. als ausgestorben, existiert aber nach wie vor in einigen Schrein-Legenden und Bräuchen. Hier tritt er eher als Helfer denn als Widersacher des Menschen auf. Ein gutes Beispiel dafür bietet der Mitsumine Jinja [Mitsumine Jinja (jap.) 三峰神社 Schrein in den Bergen von Chichibu, westlich von Tōkyō] westlich von Tōkyō, der sich auf den mythologischen Helden Yamato Takeru [Yamato Takeru (jap.) 倭建/日本武 Mythologischer Prinz, Sohn des Keikō Tennō; wtl. der Held/der Tapfere von Yamato] zurückführt. Dieser soll sich auf seinem Eroberungsfeldzug in den damals noch wilden Osten verirrt haben und von einem Berggott in Gestalt eines weißen „Hundes“ (Wolfs) auf den richtigen Weg zurück geführt worden sein.2 Der Mitsumine Schrein verband diese Legende mit dem lokalen Wolfsglauben. Heute unterstreichen spezielle komainu [komainu (jap.) 狛犬 wtl. „Korea-Hund“, auch „Löwenhund“; Wächterfigur vor religiösen Gebäuden]-Figuren in Wolfs-/Hunde-Gestalt sowie mit Wölfen bedruckte Glücksbringer die Verbindung zwischen Schrein und Wolf. In der späten Edo-Zeit sollen Wolfs-Talismane des Mitsumine Schreins besonders gefragt gewesen sein, da sie als wirksame Abwehr gegen die damals neu eingeschleppte Cholera (1822 und 1858/59) angesehen wurden.

Komainu mitsumine.jpg
7 Wolf-artige komainu, Mitsumine
Wölfe oder „Berghunde“ // Statue (Stein); Mitsumine Jinja, Präfektur Saitama // Bild © Bernhard Scheid, flickr, 2007 (letzter Zugriff: 2023/5/12) // Wölfe (ōkami) bzw. „Berghunde“ (yamainu) als tierische Beschützer (komainu) des Mitsumine Jinja, ein Schrein der u.a. dem Wolfsglauben gewidmet ist.
Ema mitsumine.jpg
8 Ema-Täfelchen, Mitsumine
Votivbildchen (ema) mit glücksbringenden Wölfen.
I. Hatada, 1998.

Hunde wiederum gelten als effiziente Waffe gegen die Füchse, da sie gegen deren Täuschungsmanöver immun sind. Schon in den ältesten japanischen Fuchslegenden ist es ein Hund, der einen als schöne Frau getarnten Fuchs entlarvt. In der Edo-Zeit wandte man sich an Hunde- bzw. Wolfsgötter, wenn es darum ging, einen Fuchsgeist zu bannen. „Fuchsbesessenheit“ (kitsunetsuki [kitsunetsuki (jap.) 狐憑き Fuchsbessenheit; Glaube, dass der Geist eines Fuchses (kitsune) Besitz von einem Menschen ergreifen und ihn verwirren kann]) war damals nämlich eine häufige Diagnose in Fällen, die man heute als psychische Krankheit bezeichnen würde. Ein Schrein, der es hinsichtlich seiner heilsamen Wirkung bei Fuchsbesessenheit zu einiger Popularität gebracht haben soll, ist der Yamazumi Jinja [Yamazumi Jinja (jap.) 山住神社 mit dem Berg- und Wolfsglauben assozierter Schrein in Shizuoka] in der Präfektur Shizuoka – ursprünglich ebenfalls ein Wolfsschrein.

Inugami sekien.jpg
9 Inugami (1776)
Ein Hundegott (inugami) im Gewand eines Shintō-Priesters, mit einer Figur, die hier als „weißer Knabe“ (shirachigo) bezeichnet wird. Aus einem berühmten Gespensterhandbuch des Illustrators Toriyama Sekien.
Werk von Toriyama Sekien. Edo-Zeit, 1776. Ryugoku University Library (jap.).

Andererseits existierte in der Edo [Edo (jap.) 江戸 Hauptstadt der Tokugawa-Shōgune, heute: Tōkyō; auch: Zeit der Tokugawa-Dynastie, 1600–1867 (= Edo-Zeit);]-Zeit in manchen Gegenden der Glaube, dass man „Hundegötter“ (inugami [inugami (jap.) 犬神 Götter bzw. Geister in Hundegestalt]) künstlich erzeugen könnte, indem man Hunde auf grausame Weise tötete und ihren Kopf vergrub. Ob solche Praktiken tatsächlich angewandt wurden, lässt sich kaum verifizieren, sie wurden vor allem Menschen nachgesagt, deren materielle Vorteile man sich nur durch Hexerei erklären konnte. Jedenfalls galten auf sadistische Weise erzeugten Hunde-kami als noch gefährlicher als ein gewöhnlicher Fuchsgeist, da sie bei unsachgemäßer Behandlung selbst von ihren Meistern Besitz ergreifen und sie in den Wahnsinn treiben konnten.

Verweise

Fußnoten

  1. Für Details zum Fuchsglauben s. Smyers 1999 und Bathgate 2003.
  2. Nihon shoki 7 (Keikō Tennō), Aston 1972, 1, S. 208. Die Legende erzählt zunächst, dass Yamato Takeru auf einem Gipfel namens Ōyama von einem weißen Hirsch krank gemacht und in die Irre geführt wurde, bevor er von einem weißen Hund offenbar geheilt und wieder auf den richtigen Weg gebracht wurde. Eine gewisse Funktion des Wolfs als Heiler kann also bereits in dieser Legende festgemacht werden. Die Erzählung findet sich auch im Kojiki, dort allerdings ohne die Erwähnung des Wolfes.

Internetquellen

Siehe auch Internetquellen

  • The Kitsune Page
    Fuchsmythen und Legenden weltweit mit besonderer Berücksichtigung Japans.
  • A History of Fox Beliefs, Chris Azure (en.)
    Online Fassung einer Dissertation über Fuchsglauben in China und Japan. [Über Internet Archive, 2010/8]


Letzte Überprüfung der Linkadressen: 2022/11/12

Literatur

Siehe auch Literaturliste

William George Aston (Ü.), Nihongi: Chronicles of Japan from the Earliest Times to A.D. 697. Rutland, Vt: Tuttle, 1972. (Online.) [Erste Ausgabe: London 1896.]
Michael Bathgate, The Fox's Craft in Japanese Religion and Culture: Shapeshifters, Transformations, and Duplicities. London: Routledge, 2003.
Karen Smyers, The Fox and the Jewel: Shared and Private Meanings in Contemporary Inari Worship. Honolulu: University of Hawaii Press, 1999.

Bilder

Quellen und Erläuterungen zu den Bildern auf dieser Seite

  1. ^ 
    Kitsune koson.jpg
    „Naturalistische“ Darstellung eines magisch begabten Fuchses (kitsune): Die tanzende Bewegung auf zwei Beinen und das Blatt auf seinem Kopf zeigen an, dass der Fuchs im Begriff ist, menschliche Gestalt anzunehmen.
    Werk von Ohara Koson (1877–1945). Meiji-Zeit, ca. 1910. Bildquelle: Artelino.
  2. ^ 
    Toyokawa kitsune.jpg
    Die Fuchsstatuen (kitsune) sind individuelle Opfergaben (sonaemono) von Gläubigen (ähnlich wie z.B. die zahllosen torii des Fushimi Inari Schreins).
    takmagar, flickr 2006.
  3. ^ 
    Miyazaki-hayao-hesei-movie-poster.jpg
    Film aus dem Hause Ghibli mit tanuki in den Hauptrollen.
    Werk von Takahata Isao. 1994. Bildquelle: unbekannt.
  4. ^ 
    Tanukimario.jpg
    Super Mario im tanuki-Outfit
    Bildquelle: unbekannt.
  5. ^ 
    Tanuki winter.jpg
    Schlafloser tanuki während der Winterruhe.
    Mother Nature Network, Stanislav Duben, 2014.
  1. ^ 
    Okami shahobukuro.jpg
    „Japanische Wölfe im Winterschilf“ (fuyu ogi ni ōkami). Die Illustration stammt aus einer Serie, in der der Edo-zeitliche Künstler und Gelehrte Tachibana Morikuni Kurioses und Wissenswertes in loser thematischer Reihenfolge bildlich darstellte.
    Werk von Tachibana Morikuni (1679-1748). Edo-Zeit, 1770 (erschienen). Waseda University Library.
  2. ^ Komainu mitsumine.jpg 
  3. ^ 
    Ema mitsumine.jpg
    Votivbildchen (ema) mit glücksbringenden Wölfen.
    I. Hatada, 1998.
  4. ^ 
    Inugami sekien.jpg
    Ein Hundegott (inugami) im Gewand eines Shintō-Priesters, mit einer Figur, die hier als „weißer Knabe“ (shirachigo) bezeichnet wird. Aus einem berühmten Gespensterhandbuch des Illustrators Toriyama Sekien.
    Werk von Toriyama Sekien. Edo-Zeit, 1776. Ryugoku University Library (jap.).

Glossar

Namen und Fachbegriffe auf dieser Seite

  • dan^ „Stufe“, „Rang“; Bezeichnung der Fortgeschrittenen- bzw. Meistergrade in den Kampfsportarten, Budō
  • Edo 江戸 ^ Hauptstadt der Tokugawa-Shōgune, heute: Tōkyō; auch: Zeit der Tokugawa-Dynastie, 1600–1867 (= Edo-Zeit);
  • Fushimi Inari Taisha 伏見稲荷大社 ^ Großschrein der Gottheit Inari in Fushimi, im Süden Kyōtos
  • Inari 稲荷 ^ Reisgottheit, häufig von Fuchswächtern (myōbu) bewacht
  • inugami 犬神 ^ Götter bzw. Geister in Hundegestalt
  • kitsune^ Fuchs; Botentier der Gottheit Inari
  • kitsunetsuki 狐憑き ^ Fuchsbessenheit; Glaube, dass der Geist eines Fuchses (kitsune) Besitz von einem Menschen ergreifen und ihn verwirren kann
  • komainu 狛犬 ^ wtl. „Korea-Hund“, auch „Löwenhund“; Wächterfigur vor religiösen Gebäuden
  • Kūkai 空海 ^ 774–835, Gründer des Shingon Buddhismus; Eigennamen Saeki Mao, Ehrennamen Kōbō Daishi
  • maneki neko 招き猫 ^ winkende Katze, Winkekatze; Glücksbringer, besonders für geschäftlichen Erfolg
  • Mitsumine Jinja 三峰神社 ^ Schrein in den Bergen von Chichibu, westlich von Tōkyō
  • Miyazaki Hayao 宮崎駿 ^ 1941–; Regisseur, Autor und Zeichner von Manga und Anime wie Nausicaä, Totoro oder Chihiros Reise ins Zauberland
  • myōbu 命婦 ^ Hofdame; auch: Fuchswächter
  • ōkami 狼犭 ^ Wolf; dem Wortlaut nach „große Gottheit“, dem Zeichen nach „gutes“ (良) „Tier“ (犭)
  • Sake^ Reiswein
  • tanuki^ Tanuki; Marderhund
  • Tōji 東寺 ^ Ost-Tempel in Kyōto, eig. Kyōō Gokoku-ji (Tempel des Königs der Lehre zum Schutz des Landes)
  • yamainu 山犬 ^ Wolf, wtl. „Berg-Hund“; s.a. ōkami
  • Yamato Takeru 倭建/日本武 ^ Mythologischer Prinz, Sohn des Keikō Tennō; wtl. der Held/der Tapfere von Yamato
  • Yamazumi Jinja 山住神社 ^ mit dem Berg- und Wolfsglauben assozierter Schrein in Shizuoka