Mythen/Jenseits/Totengericht: Unterschied zwischen den Versionen

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|König Enma: Richter und Wächter der Toten
 
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{{fl|E}}{{g|enma|nma}}, der Beherrscher des bud·dhis·tischen Toten·reichs, kann in der klas·sischen bud·dhistischen Ikono·graphie Japans unter·schied·liche Er·schei·nungen anneh·men. Gele·gent·lich sieht man ihn, auf einem Büffel reitend, als eine Art Wächter·gott. Wesent·lich bekannter ist er jedoch  als strenger Richter der Unter·welt. Beide Er·schei·nungs·formen lassen sich auf die indischen Ur·sprungs·mythen dieser Gestalt zurück·führen.  
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{{fl|E}}{{g|enma|nma}} ist in seiner Erscheinungsform als strenger Richter die zentrale Figur des buddhistischen Totenreichs. Es gibt aber auch eine andere Ikonographie, die ihn als vergleichsweise mildtätiges Wesen mit {{gb|bodhisattva}}-artigen Zügen auf einem Büffel reiten lässt. Beider Erscheinungsformen lassen sich auf seine indischen Ursprünge zurückführen, die auf dieser Seite vorgestellt werden. Es kommen aber auch die chinesischen Elemente zu Wort, die Enma zu einer der komplexesten Figuren des buddhistischen Pantheons haben werden lassen.  
  
 
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|Enma mit Gefolge auf einem Büffel  
 
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|caption= Die Abbildung vereint verschiedene Aspekte Enmas und wird weiter unten genauer besprochen.
 
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Die obige Ab·bild·ung zeigt König Enma und einige Figuren aus seinem Gefolge. Die Dar·stel·lung aus der {{g|Kamakura}}-Zeit vereint seine Rolle als Wächter·gott — er·kenn·bar vor allem an der wehr·haften Rüstung —  mit seiner Richter·funktion, die vor allem in den Figuren im Vorder·grund ver·gegen·ständlicht ist. Es handelt sich um ge·richt·liche Beamte, die An·klage·schriften verlesen, Proto·kolle auf·zeichnen und Ange·klagte (Totenseelen) vor- und abführen. Aber auch der Stab, den Enma in der Hand hält, gehört zu seinen Uten·silien als Richter. Die Heraus·bildung der Figur des Enma ist ziem·lich komplex und offen·bart einen typischen Mix aus indischen und chinesi·schen Elemen·ten, die im Folgen·den einge·hen·der be·spro·chen werden sollen.
 
  
 
== Yama in Indien und Tibet ==
 
== Yama in Indien und Tibet ==
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Der Name Enma leitet sich von der indischen Gott·heit {{s|Yama}} her. Yama gilt in Indien auch außer·halb des Buddhis·mus als Gott·heit der Hölle bzw. der Toten·welt, ver·gleich·bar mit dem Unterwelt·gott Hades bzw. Pluto in der euro·päischen Antike. In den Veden, den ältesten indischen Schriften, tritt Yama jedoch zunächst als Ent·decker einer Art von Paradies in Er·schei·nung. Er ist zwar sterblich, doch sein Tod führt ihn in eine bessere Welt. Erst später wird er zu einer Art König in einem Palast, der mehr und mehr den Charakter eines Straf·lagers annimmt.
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Der Name Enma leitet sich von der indischen Gottheit {{s|Yama}} her. Yama gilt in Indien auch außerhalb des Buddhismus als Gottheit der Hölle bzw. der Totenwelt, vergleichbar mit dem Unterweltgott Hades bzw. Pluto in der europäischen Antike. In den Veden, den ältesten indischen Schriften, tritt Yama jedoch zunächst als Entdecker einer Art von Paradies in Erscheinung. Er ist zwar sterblich, doch sein Tod führt ihn in eine bessere Welt. Erst später wird er zu einer Art König in einem Palast, der mehr und mehr den Charakter eines Straflagers annimmt.
Schon in dieser indischen Urform erscheint Yama zumeist als Reiter auf einem Büffel oder als Figur mit Büffel·kopf.
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Schon in dieser indischen Urform erscheint Yama zumeist als Reiter auf einem Büffel oder als Figur mit Büffelkopf.
  
Der Bud·dhis·mus hat Yama schon in frühester Zeit als Herrscher der Unterwelt  in das bud·dhis·tische Pantheon inte·griert. Dabei scheint er sich vor allem als Ver·gelter böser Taten bewährt zu haben.  
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Der Buddhismus hat Yama schon in frühester Zeit als Herrscher der Unterwelt  in das buddhistische Pantheon integriert. Dabei scheint er sich vor allem als Vergelter böser Taten bewährt zu haben.  
Nach und nach festigten sich Er·klärungs·muster, die ihn quasi zum not·wendigen Übel des bud·dhis·tischen {{s|Dharma}} werden lassen. Er wird zur Person·ifi·kation des un·er·bitt·lichen {{s|Karma}}-Gesetzes und erhält bis·weilen sogar den Namen Dharma.
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Nach und nach festigten sich Erklärungsmuster, die ihn quasi zum notwendigen Übel des buddhistischen {{s|Dharma}} werden lassen. Er wird zur Personifikation des unerbittlichen {{s|Karma}}-Gesetzes und erhält bisweilen sogar den Namen Dharma.
In einer Tradition, die sich vor allem im tibe·tischen Bud·dhis·mus durch·gesetzt hat, tritt Yama in Gestalt eines Büffel·dämonen auf, der nichts anderes als der personi·fizierte Tod ist. Dieser Büffel·dämon erhält in {{s| Manjushri}}, dem {{s|Bodhisattva}} der Weis·heit, einen Gegen·spieler, der ihn unter·wirft. Zu diesem Zweck ver·wan·delt sich Manjushri in {{s|Yamantaka}}, den „Bezwinger des Yama“, der eine noch schreck·lichere Büffel·gestalt als Yama selbst hat und in manchen tantris·tischen Traditionen als die macht·vollste aller kriege·rischen Gott·heiten gilt.<!--
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In einer Tradition, die sich vor allem im tibetischen Buddhismus durchgesetzt hat, tritt Yama in Gestalt eines Büffeldämonen auf, der nichts anderes als der personifizierte Tod ist. Dieser Büffeldämon erhält in {{s| Manjushri}}, dem {{s|Bodhisattva}} der Weisheit, einen Gegenspieler, der ihn unterwirft. Zu diesem Zweck verwandelt sich Manjushri in {{s|Yamantaka}}, den „Bezwinger des Yama“, der eine noch schrecklichere Büffelgestalt als Yama selbst hat und in manchen tantristischen Traditionen als die machtvollste aller kriegerischen Gottheiten gilt.<!--
 
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[http://www.exoticindiaart.com/wrathful.htm Nitin Kumar] 2001. In Japan existiert Yamantaka in Form des {{gb|daiitokumyouou}} als einer der Fünf Myōō, meist reitet er auf einem Büffel. Seine direkte Verbindung zu Enma scheint aber in den Hintergrund getreten zu sein.
 
[http://www.exoticindiaart.com/wrathful.htm Nitin Kumar] 2001. In Japan existiert Yamantaka in Form des {{gb|daiitokumyouou}} als einer der Fünf Myōō, meist reitet er auf einem Büffel. Seine direkte Verbindung zu Enma scheint aber in den Hintergrund getreten zu sein.
 
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Charak·teris·tischer·weise ver·mischen sich die Gestalten des Bezwingers (Yamantaka) und des zu Bezwin·genden (Yama) zu einer ein·heit·lichen Figur, die bis auf den Rinder·kopf ganz den üblichen {{s|tantra|tantristischen}} Wächter·gott·heiten entspricht, mit all ihren schreck·lichen Para·phernalien wie Ketten aus geköpf·ten Häuptern, Toten·schädeln im lodernden Haar, einer nackte Gespielin, die ihnen Blut zu trinken reicht, etc., etc. ...   
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Charakteristischerweise vermischen sich die Gestalten des Bezwingers (Yamantaka) und des zu Bezwingenden (Yama) zu einer einheitlichen Figur, die bis auf den Rinderkopf ganz den üblichen {{s|tantra|tantristischen}} Wächtergottheiten entspricht, mit all ihren schrecklichen Paraphernalien wie Ketten aus geköpften Häuptern, Totenschädeln im lodernden Haar, einer nackte Gespielin, die ihnen Blut zu trinken reicht, etc., etc. ...   
  
 
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Eines der interes·santesten ikono·graphischen Motive des tantris·tischen Yama wird als „Äußerer Yama, der Dharma·könig“ bezeichnet (Abb. oben). Es zeigt einen ochsen·köpfigen Dämon, der seinen Sieges·tanz auf einem Büffel voll·führt, welcher seiner·seits eine mensch·liche Gestalt ver·ge·waltigt. Ohne alle möglichen Inter·pre·ta·tionen dieses Motivs zu kennen, gehe ich davon aus, dass der mittlere Büffel den Tod verkörpert, der den Menschen in seiner Gewalt hat, während der Büffel·köpfige den Sieg über diesen Tod dar·stellt. Das Motiv soll übri·gens einer Traum·vision des tibetischen Mönchs Tsongkhapa, 1347–1419, ent·wachsen sein.<ref>''The Sacred Art of Tibet'', S. 290.</ref> Der Büffel·dämon diente tantris·tischen Yogis als Identi·fikations·figur, um sich auf die Begegnung mit dem Tod vorzu·bereiten.
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Eines der interessantesten ikonographischen Motive des tantristischen Yama wird als „Äußerer Yama, der Dharmakönig“ bezeichnet (Abb. oben). Es zeigt einen ochsenköpfigen Dämon, der seinen Siegestanz auf einem Büffel vollführt, welcher seinerseits eine menschliche Gestalt vergewaltigt. Ohne alle möglichen Interpretationen dieses Motivs zu kennen, gehe ich davon aus, dass der mittlere Büffel den Tod verkörpert, der den Menschen in seiner Gewalt hat, während der Büffelköpfige den Sieg über diesen Tod darstellt. Das Motiv soll übrigens einer Traumvision des tibetischen Mönchs Tsongkhapa, 1347–1419, entwachsen sein.<ref>''The Sacred Art of Tibet'', S. 290.</ref> Der Büffeldämon diente tantristischen Yogis als Identifikationsfigur, um sich auf die Begegnung mit dem Tod vorzubereiten.
  
 
== Enmas Gerichtshof ==
 
== Enmas Gerichtshof ==
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Im ostasia·tischen Bud·dhis·mus hat sich eine etwas andere Narration durchgesetzt: Yama ist hier kein impul·siver Dämon, sondern ein strenger Bürokrat, der als not·wendiges Übel, als Personi·fikation des uner·bitt·lichen {{s|karma}}s angesehen werden kann. Obwohl als „König“ tituliert, entspricht seine Funktion der eines Richters, der darüber zu entschei·den hat, in welchen der sechs Lebens·bereiche ({{g|rokudou}}) eine Toten·seele wieder·ge·boren zu werden hat. König Yan oder {{g|Yanlou}}, wie er auf chinesisch heißt, bekommt in China ein komplexes Gefolge, das chinesi·schen Gerichts·höfen nach·emp·funden ist. Er wird von neun weiteren Königen/Richtern assistiert bzw. mit diesen zusam·men in das Ensemble der „Zehn Könige“ ({{g|juuou}}) der Unter·welt integriert. Dass die Toten·welt als solche in China mit einem Gerichts·hof assoziiert wird, passt im übrigen gut zu der Tatsache, dass die schlimmste Form der Wieder·geburt, die „Hölle“, ihrer chi·ne·sischen Wort·be·deu·tung nach ein „unter·irdischer Kerker“ (jap. {{g| jigoku}}) ist.   
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Im ostasiatischen Buddhismus hat sich eine etwas andere Narration durchgesetzt: Yama ist hier kein impulsiver Dämon, sondern ein strenger Bürokrat, der als notwendiges Übel, als Personifikation des unerbittlichen {{s|karma}}s angesehen werden kann. Obwohl als „König“ tituliert, entspricht seine Funktion der eines Richters, der darüber zu entscheiden hat, in welchen der sechs Lebensbereiche ({{g|rokudou}}) eine Totenseele wiedergeboren zu werden hat. König Yan oder {{g|Yanlou}}, wie er auf chinesisch heißt, bekommt in China ein komplexes Gefolge, das chinesischen Gerichtshöfen nachempfunden ist. Er wird von neun weiteren Königen/Richtern assistiert bzw. mit diesen zusammen in das Ensemble der „Zehn Könige“ ({{g|juuou}}) der Unterwelt integriert. Dass die Totenwelt als solche in China mit einem Gerichtshof assoziiert wird, passt im übrigen gut zu der Tatsache, dass die schlimmste Form der Wiedergeburt, die „Hölle“, ihrer chinesischen Wortbedeutung nach ein „unterirdischer Kerker“ (jap. {{g| jigoku}}) ist.   
  
 
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Obwohl sich die Dar·stel·lung von König Enma auf das ''Sutra der Zehn Könige'' ({{g|juuoukyou}}) zurück·führen lässt, sind die anderen Richter — zumindest in Japan — im Laufe der Zeit etwas in den Hinter·grund getreten. Die häufigsten Dar·stel·lungen zeigen Enma als einzigen Richter und je mehr seine Figur ins Zentrum rückt, umso bedroh·licher wird sie. In den frühesten japa·nischen Quellen, die von ihm erzählen, etwa im {{g| nihonryouiki}} (um 800), erscheint Enma noch relativ umgäng·lich.<!--
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Obwohl sich die Darstellung von König Enma auf das ''Sutra der Zehn Könige'' ({{g|juuoukyou}}) zurückführen lässt, sind die anderen Richter — zumindest in Japan — im Laufe der Zeit etwas in den Hintergrund getreten. Die häufigsten Darstellungen zeigen Enma als einzigen Richter und je mehr seine Figur ins Zentrum rückt, umso bedrohlicher wird sie. In den frühesten japanischen Quellen, die von ihm erzählen, etwa im {{g| nihonryouiki}} (um 800), erscheint Enma noch relativ umgänglich.<!--
 
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Enma kommt in einigen Traum·visionen des ''Ryōiki'' vor. Interessanter·weise bleibt er immer hinter einem Vorhang verborgen, sein genaues Aussehen bleibt unbestimmt (s. [http://www.univie.ac.at/rel_jap/ryowiki/Enra Enra] (''Nihon Ryo-Wiki'').
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Enma kommt in einigen Traumvisionen des ''Ryōiki'' vor. Interessanterweise bleibt er immer hinter einem Vorhang verborgen, sein genaues Aussehen bleibt unbestimmt (s. [http://www.univie.ac.at/rel_jap/ryowiki/Enra Enra] (''Nihon Ryo-Wiki'').
 
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In späteren bild·lichen Dar·stel·lungen wird er hin·gegen grund·sätzlich als schreiend und mit wut·ver·zerrten Zügen dargestellt. Vor allem bekommt er aber auch Gehilfen zur Seite gestellt, die sug·gerieren, dass die Qualen der Hölle im Grunde schon vor Enmas Gericht beginnen. Das mag mit vor·modernen gericht·lichen Praxis·formen zusam·men·hängen, in denen Foltern zu den üblichen Methoden der Urteils·findung gehörten, wie sich im übrigen schon anhand der ältesten chinesi·schen Darstel·lungen verifizieren lässt. Das Foltern obliegt dabei Kerker·meistern, die häufig (aller·dings nicht immer) einen Büffel·kopf besitzen. Ob sich dies aus Yamas ursprüng·licher Büffel·gestalt erklärt? Jeden·falls hat sich die Figur dieser rinder·köpfigen Kerker·meister in Form der {{g|Oni}} auch außer·halb der Toten·welt verbreitet.  
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In späteren bildlichen Darstellungen wird er hingegen grundsätzlich als schreiend und mit wutverzerrten Zügen dargestellt. Vor allem bekommt er aber auch Gehilfen zur Seite gestellt, die suggerieren, dass die Qualen der Hölle im Grunde schon vor Enmas Gericht beginnen. Das mag mit vormodernen gerichtlichen Praxisformen zusammenhängen, in denen Foltern zu den üblichen Methoden der Urteilsfindung gehörten, wie sich im übrigen schon anhand der ältesten chinesischen Darstellungen verifizieren lässt. Das Foltern obliegt dabei Kerkermeistern, die häufig (allerdings nicht immer) einen Büffelkopf besitzen. Ob sich dies aus Yamas ursprünglicher Büffelgestalt erklärt? Jedenfalls hat sich die Figur dieser rinderköpfigen Kerkermeister in Form der {{g|Oni}} auch außerhalb der Totenwelt verbreitet.  
  
 
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Schließ·lich verfügt Enma auch über zahl·reiche andere Hilfsmittel, um die Übel·taten der Verstor·benen ausfindig zu machen, etwa den Karma-Spiegel, in dem sich Szenen der Ver·gangen·heit wie auf einem Bild·schirm abrufen lassen. Außer·dem hat er zwei Informanten, die den Verstor·benen das ganze Leben lang begleitet haben und nun seine guten und schlechten Taten berichten. Diese „Knaben des Guten und des Schlechten“ sind auf japani·schen Dar·stel·lungen mannig·fach variiert worden, zumeist sind es zwei Köpfe, die auf hohen Stäben thronen, einer mit finsterem einer mit mildem Gesichts·ausdruck. Diese im Körper ein·gen·isteten Spione einer jen·seitigen moralischen Autorität begegnen uns auch in Gestalt der [[Mythen/Symboltiere/Drei_Affen|Drei Würmer]] des  so·ge·nannten {{g|koushinshinkou|''kōshin''}}-Glaubens. Sie sind eindeutig dao·istischen Ursprungs und insoferne eine chi·ne·sische Innovation des bud·dhis·tischen Jenseits·glaubens.  
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Schließlich verfügt Enma auch über zahlreiche andere Hilfsmittel, um die Übeltaten der Verstorbenen ausfindig zu machen, etwa den Karma-Spiegel, in dem sich Szenen der Vergangenheit wie auf einem Bildschirm abrufen lassen. Außerdem hat er zwei Informanten, die den Verstorbenen das ganze Leben lang begleitet haben und nun seine guten und schlechten Taten berichten. Diese „Knaben des Guten und des Schlechten“ sind auf japanischen Darstellungen mannigfach variiert worden, zumeist sind es zwei Köpfe, die auf hohen Stäben thronen, einer mit finsterem einer mit mildem Gesichtsausdruck. Diese im Körper eingenisteten Spione einer jenseitigen moralischen Autorität begegnen uns auch in Gestalt der [[Mythen/Symboltiere/Drei_Affen|Drei Würmer]] des  sogenannten {{g|koushinshinkou|''kōshin''}}-Glaubens. Sie sind eindeutig daoistischen Ursprungs und insoferne eine chinesische Innovation des buddhistischen Jenseitsglaubens.  
  
 
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Enma zählte zu den beliebtesten Sujets des Meiji-zeitlichen Künstlers {{g|Kawanabekyousai}}. Die obige Ab·bil·dung kann als eine Zu·sam·men·fassung sämtlicher mit Enma assoziierten Merk·male angesehen werden, auch wenn manches davon satirisch über·zeichnet ist. Hier ist Enma klar der un·barm·herzige Herrscher der Unter·welt, der durchaus für sadist·ische Methoden zu haben ist. Im Hinter·grund sieht man dagegen {{g|Jizou}}, der quasi im Verborgenen ein paar Sünder wieder aus der Hölle herausholt. Von einer Identität der beiden Figuren ist in Kawanabes Dar·stel·lung nichts zu erkennen.
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Enma zählte zu den beliebtesten Sujets des Meiji-zeitlichen Künstlers {{g|Kawanabekyousai}}. Die obige Abbildung kann als eine Zusammenfassung sämtlicher mit Enma assoziierten Merkmale angesehen werden, auch wenn manches davon satirisch überzeichnet ist. Hier ist Enma klar der unbarmherzige Herrscher der Unterwelt, der durchaus für sadistische Methoden zu haben ist. Im Hintergrund sieht man dagegen {{g|Jizou}}, der quasi im Verborgenen ein paar Sünder wieder aus der Hölle herausholt. Von einer Identität der beiden Figuren ist in Kawanabes Darstellung nichts zu erkennen.
  
 
==Enma als Himmelswächter ==
 
==Enma als Himmelswächter ==
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Eine weitere Funktion, die Yama vom Bud·dhis·mus zuge·spro·chen wurde, ist die einer Rich·tungs·gottheit, die als Wächter einer Him·mels·rich·tung fungiert. Derartige Ensem·bles exis·tieren mit acht oder zwölf Gott·heiten, wobei Enma meist den Süden re·präsen·tiert. Sein Titel ist in diesem Fall dann nicht ''ō'', „König“, sondern ''ten'', „Himmel“ bzw. {{g|tenbu}}-Gottheit (skt. {{s|deva}}). Sein Aus·sehen gemahnt — zumin·dest in frühen Ensem·bles dieser Art —  
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Eine weitere Funktion, die Yama vom Buddhismus zugesprochen wurde, ist die einer Richtungsgottheit, die als Wächter einer Himmelsrichtung fungiert. Derartige Ensembles existieren mit acht oder zwölf Gottheiten, wobei Enma meist den Süden repräsentiert. Sein Titel ist in diesem Fall dann nicht ''ō'', „König“, sondern ''ten'', „Himmel“ bzw. {{g|tenbu}}-Gottheit (skt. {{s|deva}}). Sein Aussehen gemahnt — zumindest in frühen Ensembles dieser Art —  
eher an einen Bodhi·sattva denn an einen bedroh·lichen Höllen·richter. An den Enma der Unter·welt erin·nert ledig·lich ein Stab, auf dem einer der Köpfe sitzt, welche Enma die Sün·den der An·ge·klag·ten zuflüs·tern. In der Kama·kura-Zeit findet man dann Misch·for·men wie das Bild am An·fang dieser Seite, wo Enma die Physio·gnomie des Rich·ters behält, aber auf einem Büffel reitet und über ein Gefolge von himm·lischen Wesen ''und'' Wesen aus der Toten·welt gebietet.  
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eher an einen Bodhisattva denn an einen bedrohlichen Höllenrichter. An den Enma der Unterwelt erinnert lediglich ein Stab, auf dem einer der Köpfe sitzt, welche Enma die Sünden der Angeklagten zuflüstern.
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Die obige Abbildung aus der {{g|Kamakura}}-Zeit kann als Mischform der unterschiedlichen Ikonographien angesehen werden: Er behält die Physiognomie des Richters, reitet aber auf einem Büffel und gebietet über ein Gefolge von himmlischen Wesen ''und'' Wesen aus der Totenwelt. Die Figuren im Vordergrund weisen aber unzweideutig auf seine richterliche Funktion hin. Es handelt sich um gerichtliche Beamte, die Anklageschriften verlesen, Protokolle aufzeichnen und Angeklagte (Totenseelen) vor- und abführen. Auch den Stab, den Enma in der Hand hält, kennen wir bereits als Teil seiner richterlichen Paraphernalia.  
  
Zu guter·letzt findet man den Büffel·reiter auch auf astro·logischen Dar·stel·lun·gen des Ster·nen·him·mels und zwar an zen·traler Stelle, direkt unter Bodhi·sattva Manjushri ({{g|monju}}), der als Bodhi·sattva der Weis·heit unter anderem für Astro·logie zuständig ist. Die Bezie·hung zwischen diesen beiden Figuren ist mir der·zeit noch unklar, aber eine Paral·lele mit der tibe·tischen Iden·tifi·zierung von Yama und Manjushri drängt sich auf.  
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Zu guter Letzt findet man den Büffelreiter auch auf astrologischen Darstellungen des Sternenhimmels und zwar an zentraler Stelle, direkt unter Bodhisattva Manjushri ({{g|monju}}), der als Bodhisattva der Weisheit unter anderem für Astrologie zuständig ist. Die Beziehung zwischen diesen beiden Figuren ist mir derzeit noch unklar, aber eine Parallele mit der tibetischen Identifizierung von Yama und Manjushri drängt sich auf.  
 
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Version vom 15. April 2021, 14:17 Uhr

König Enma Richter und Wächter der Toten

Vorlage:Flnma [Enma (jap.) 閻魔 skt. Yama; König oder Richter der Unterwelt; auch Enra; meist als Enma-ten oder Enma-ō angesprochen] ist in seiner Erscheinungsform als strenger Richter die zentrale Figur des buddhistischen Totenreichs. Es gibt aber auch eine andere Ikonographie, die ihn als vergleichsweise mildtätiges Wesen mit bodhisattva-artigen Zügen auf einem Büffel reiten lässt. Beider Erscheinungsformen lassen sich auf seine indischen Ursprünge zurückführen, die auf dieser Seite vorgestellt werden. Es kommen aber auch die chinesischen Elemente zu Wort, die Enma zu einer der komplexesten Figuren des buddhistischen Pantheons haben werden lassen.

Enmaten tnm.jpg
Enma mit Gefolge auf einem Büffel
König Enma auf einem Büffel. Mandala-artige Komposition, die Enmas Funktionen als Richter der Unterwelt und als Wächter des Dharma vereint. Das Bild befindet sich auf der Rückwand eines Miniaturaltars (zushi), in dem eigentlich eine Statue des Aizen Myōō im Zentrum steht.
Kamakura-Zeit, 13.–14. Jh. Tokyo National Museum.
Die Abbildung vereint verschiedene Aspekte Enmas und wird weiter unten genauer besprochen.

Yama in Indien und Tibet

Vorlage:Sidebox3 Der Name Enma leitet sich von der indischen Gottheit Yama [Yama (skt.) यमराज Gottheit der Unterwelt und des Todes (jap. Enma 閻魔)] her. Yama gilt in Indien auch außerhalb des Buddhismus als Gottheit der Hölle bzw. der Totenwelt, vergleichbar mit dem Unterweltgott Hades bzw. Pluto in der europäischen Antike. In den Veden, den ältesten indischen Schriften, tritt Yama jedoch zunächst als Entdecker einer Art von Paradies in Erscheinung. Er ist zwar sterblich, doch sein Tod führt ihn in eine bessere Welt. Erst später wird er zu einer Art König in einem Palast, der mehr und mehr den Charakter eines Straflagers annimmt. Schon in dieser indischen Urform erscheint Yama zumeist als Reiter auf einem Büffel oder als Figur mit Büffelkopf.

Der Buddhismus hat Yama schon in frühester Zeit als Herrscher der Unterwelt in das buddhistische Pantheon integriert. Dabei scheint er sich vor allem als Vergelter böser Taten bewährt zu haben. Nach und nach festigten sich Erklärungsmuster, die ihn quasi zum notwendigen Übel des buddhistischen Dharma [Dharma (skt.) धर्म Gesetz (des Universums), Lehre (des Buddha) (jap. 法)] werden lassen. Er wird zur Personifikation des unerbittlichen Karma [Karma (skt.) कर्म „Tat“, auch „konsequente Folge“; moralische Bilanz der gesetzten Handlungen (jap. 業)]-Gesetzes und erhält bisweilen sogar den Namen Dharma. In einer Tradition, die sich vor allem im tibetischen Buddhismus durchgesetzt hat, tritt Yama in Gestalt eines Büffeldämonen auf, der nichts anderes als der personifizierte Tod ist. Dieser Büffeldämon erhält in Manjushri [Mañjuśrī (skt.) मञ्जुश्री Bodhisattva der Weisheit (jap. Monju 文殊)], dem Bodhisattva [Bodhisattva (skt.) बोधिसत्त्व „Erleuchtetes Wesen“, Vorstufe zur vollkommenen Buddhaschaft (jap. bosatsu 菩薩)] der Weisheit, einen Gegenspieler, der ihn unterwirft. Zu diesem Zweck verwandelt sich Manjushri in Yamantaka [Yamāntaka (skt.) यमान्तक „Bezwinger des Todes (Yama)“, einer der Fünf Großen Myōō (jap. Daiitoku Myōō 大威徳明王)], den „Bezwinger des Yama“, der eine noch schrecklichere Büffelgestalt als Yama selbst hat und in manchen tantristischen Traditionen als die machtvollste aller kriegerischen Gottheiten gilt.1 Charakteristischerweise vermischen sich die Gestalten des Bezwingers (Yamantaka) und des zu Bezwingenden (Yama) zu einer einheitlichen Figur, die bis auf den Rinderkopf ganz den üblichen tantristischen [tantra (skt.) तन्त्र „Gewebe“, Lehrschrift des esoterischen Buddhismus (ähnlich sutra, aber meist mit rituellem Inhalt)] Wächtergottheiten entspricht, mit all ihren schrecklichen Paraphernalien wie Ketten aus geköpften Häuptern, Totenschädeln im lodernden Haar, einer nackte Gespielin, die ihnen Blut zu trinken reicht, etc., etc. ...

Yama dharmaraja.jpg
1 Yama Dharmaraja, Tibet, 19. Jh.
Darstellung des Yama
Tibet, 19. Jh. Himalayan Art.

Eines der interessantesten ikonographischen Motive des tantristischen Yama wird als „Äußerer Yama, der Dharmakönig“ bezeichnet (Abb. oben). Es zeigt einen ochsenköpfigen Dämon, der seinen Siegestanz auf einem Büffel vollführt, welcher seinerseits eine menschliche Gestalt vergewaltigt. Ohne alle möglichen Interpretationen dieses Motivs zu kennen, gehe ich davon aus, dass der mittlere Büffel den Tod verkörpert, der den Menschen in seiner Gewalt hat, während der Büffelköpfige den Sieg über diesen Tod darstellt. Das Motiv soll übrigens einer Traumvision des tibetischen Mönchs Tsongkhapa, 1347–1419, entwachsen sein.2 Der Büffeldämon diente tantristischen Yogis als Identifikationsfigur, um sich auf die Begegnung mit dem Tod vorzubereiten.

Enmas Gerichtshof

Rokudoe enma1.jpg
2 Enma, Japan, Edo-Zeit
Nach einer Vorlage aus dem 13. Jahrhundert. Zu Enmas Füßen sieht man einen Angeklagten (also einen Verstorbenen), dem in einem Spiegel seine Sünden (hier der Mord an einem Mönch) vorgeführt wird. Die Höllenknechte warten schon begierig, ihn abzuführen.
Späte Edo-Zeit, 19. Jh. The British Museum.

Vorlage:Sidebox3 Im ostasiatischen Buddhismus hat sich eine etwas andere Narration durchgesetzt: Yama ist hier kein impulsiver Dämon, sondern ein strenger Bürokrat, der als notwendiges Übel, als Personifikation des unerbittlichen Karma [Karma (skt.) कर्म „Tat“, auch „konsequente Folge“; moralische Bilanz der gesetzten Handlungen (jap. 業)]s angesehen werden kann. Obwohl als „König“ tituliert, entspricht seine Funktion der eines Richters, der darüber zu entscheiden hat, in welchen der sechs Lebensbereiche (rokudō [rokudō (jap.) 六道 wtl. die Sechs Wege = Bereiche der Wiedergeburt]) eine Totenseele wiedergeboren zu werden hat. König Yan oder Yanlou [Yanlou (chin.) 閻羅 abgeleitet von skt. Yama Raja, König Yama; jap. Enra oder Enma; König oder Richter der Unterwelt], wie er auf chinesisch heißt, bekommt in China ein komplexes Gefolge, das chinesischen Gerichtshöfen nachempfunden ist. Er wird von neun weiteren Königen/Richtern assistiert bzw. mit diesen zusammen in das Ensemble der „Zehn Könige“ (Jūō [Jūō (jap.) 十王 Die Zehn Könige oder Richter der Totenwelt]) der Unterwelt integriert. Dass die Totenwelt als solche in China mit einem Gerichtshof assoziiert wird, passt im übrigen gut zu der Tatsache, dass die schlimmste Form der Wiedergeburt, die „Hölle“, ihrer chinesischen Wortbedeutung nach ein „unterirdischer Kerker“ (jap. jigoku [jigoku (jap.) 地獄 wtl. „[unter]irdischer Kerker“, buddhistische Hölle]) ist.

Vorlage:Sidebox3 Obwohl sich die Darstellung von König Enma auf das Sutra der Zehn Könige (Jūō-kyō [Jūō-kyō (jap.) 十王経Sutra der Zehn Könige“; apokryphe chinesische Schrift aus China, 8. oder 9.Jh.]) zurückführen lässt, sind die anderen Richter — zumindest in Japan — im Laufe der Zeit etwas in den Hintergrund getreten. Die häufigsten Darstellungen zeigen Enma als einzigen Richter und je mehr seine Figur ins Zentrum rückt, umso bedrohlicher wird sie. In den frühesten japanischen Quellen, die von ihm erzählen, etwa im Nihon ryōiki [Nihon ryōiki (jap.) 日本霊異記 „Wundersame Begebenheiten aus Japan“; buddhistische Legendensammlung von Kyōkai (Anfang 9. Jh.)] (um 800), erscheint Enma noch relativ umgänglich.3 In späteren bildlichen Darstellungen wird er hingegen grundsätzlich als schreiend und mit wutverzerrten Zügen dargestellt. Vor allem bekommt er aber auch Gehilfen zur Seite gestellt, die suggerieren, dass die Qualen der Hölle im Grunde schon vor Enmas Gericht beginnen. Das mag mit vormodernen gerichtlichen Praxisformen zusammenhängen, in denen Foltern zu den üblichen Methoden der Urteilsfindung gehörten, wie sich im übrigen schon anhand der ältesten chinesischen Darstellungen verifizieren lässt. Das Foltern obliegt dabei Kerkermeistern, die häufig (allerdings nicht immer) einen Büffelkopf besitzen. Ob sich dies aus Yamas ursprünglicher Büffelgestalt erklärt? Jedenfalls hat sich die Figur dieser rinderköpfigen Kerkermeister in Form der oni [oni (jap.) Dämon, „Teufel“; in sino-japanischer Aussprache (ki) ein allgemeiner Ausdruck für Geister] auch außerhalb der Totenwelt verbreitet.

Enmas spiegel.jpg
3 Enmas magischer Spiegel
Enmas Spiegel // Skizze (Papier, Farbe), Detail. Edo-Zeit; aus der Serie Jūōzu (Bilder der Zehn Könige) // Bild © MAK, Museum für Angewandte Kunst, Wien (letzter Zugriff: derzeit nicht online verfügbar) // Ein gehörnter Gerichtsdiener zwingt einen Angeklagten, sein eigenes Kapitalverbrechen (Raubmord) im magischen Spiegel des Richterkönigs Enma zu verifizieren, während eine Hilfsrichter mit Gerichtsakten unter dem Arm eine entsprechende Anklage vorbringt.

Schließlich verfügt Enma auch über zahlreiche andere Hilfsmittel, um die Übeltaten der Verstorbenen ausfindig zu machen, etwa den Karma-Spiegel, in dem sich Szenen der Vergangenheit wie auf einem Bildschirm abrufen lassen. Außerdem hat er zwei Informanten, die den Verstorbenen das ganze Leben lang begleitet haben und nun seine guten und schlechten Taten berichten. Diese „Knaben des Guten und des Schlechten“ sind auf japanischen Darstellungen mannigfach variiert worden, zumeist sind es zwei Köpfe, die auf hohen Stäben thronen, einer mit finsterem einer mit mildem Gesichtsausdruck. Diese im Körper eingenisteten Spione einer jenseitigen moralischen Autorität begegnen uns auch in Gestalt der Drei Würmer des sogenannten kōshin [kōshin shinkō (jap.) 庚申信仰 Kōshin-Glauben, ein ursprünglich aus dem Daoismus stammender Kult zur Verlängerung des Lebens]-Glaubens. Sie sind eindeutig daoistischen Ursprungs und insoferne eine chinesische Innovation des buddhistischen Jenseitsglaubens.

Enma kyosai.jpg
4 Enmas Gerichtshof in einer satirischen Darstellung von Kawanabe Kyōsai
Satirische Darstellung von Enmas Gerichtshof.
Werk von Kawanabe Kyōsai. Meiji-Zeit, 19. Jh. Netto Bijutsukan Ātomatomen, (jap.).

Enma zählte zu den beliebtesten Sujets des Meiji-zeitlichen Künstlers Kawanabe Kyōsai [Kawanabe Kyōsai (jap.) 河鍋暁斎 1831–1889; Künstler und Karikaturist Ende Edo-, Anfang Meiji-Zeit]. Die obige Abbildung kann als eine Zusammenfassung sämtlicher mit Enma assoziierten Merkmale angesehen werden, auch wenn manches davon satirisch überzeichnet ist. Hier ist Enma klar der unbarmherzige Herrscher der Unterwelt, der durchaus für sadistische Methoden zu haben ist. Im Hintergrund sieht man dagegen Jizō [Jizō (jap.) 地蔵 wtl. Schatzhaus/Mutterleib der Erde; skr. Kṣitigarbha; populäre Bodhisattva Figur], der quasi im Verborgenen ein paar Sünder wieder aus der Hölle herausholt. Von einer Identität der beiden Figuren ist in Kawanabes Darstellung nichts zu erkennen.

Enma als Himmelswächter

Enma-ten.jpg
5
Enma als deva-Gottheit auf einem Büffel, flankiert von einem roten Dämon und einem friedvollen Jüngling. Trotz der Bodhisattva-ähnlichen Gestalt gemahnt der Stab mit dem Kopf (der Enma über die Taten der Verstorbenen berichtet) an Enmas Rolle als Richter der Totenwelt.
Tokyo National Museum.
Enmaten enmao.jpg
6
Enma als deva-Gottheit. Am unteren Bildrand ist seine Rolle als Richter der Unterwelt dargestellt.
Kamakura-Zeit. National Museum of Asian Art, Freer Gallery of Art (#F1904.340a-h).
Enma als Deva auf einem Büffel

Eine weitere Funktion, die Yama vom Buddhismus zugesprochen wurde, ist die einer Richtungsgottheit, die als Wächter einer Himmelsrichtung fungiert. Derartige Ensembles existieren mit acht oder zwölf Gottheiten, wobei Enma meist den Süden repräsentiert. Sein Titel ist in diesem Fall dann nicht ō, „König“, sondern ten, „Himmel“ bzw. tenbu [tenbu (jap.) 天部 Gruppe der indischen bzw. aus Indien übernommene Gottheiten im japanischen Buddhismus (skt. deva)]-Gottheit (skt. deva [deva (skt.) देव „Gottheit“, oberste Klasse indischer Götter (jap. -ten 天 oder tenbu 天部)]). Sein Aussehen gemahnt — zumindest in frühen Ensembles dieser Art — eher an einen Bodhisattva denn an einen bedrohlichen Höllenrichter. An den Enma der Unterwelt erinnert lediglich ein Stab, auf dem einer der Köpfe sitzt, welche Enma die Sünden der Angeklagten zuflüstern.

Enmaten tnm.jpg
7 Enma mit Gefolge auf einem Büffel
König Enma auf einem Büffel. Mandala-artige Komposition, die Enmas Funktionen als Richter der Unterwelt und als Wächter des Dharma vereint. Das Bild befindet sich auf der Rückwand eines Miniaturaltars (zushi), in dem eigentlich eine Statue des Aizen Myōō im Zentrum steht.
Kamakura-Zeit, 13.–14. Jh. Tokyo National Museum.

Die obige Abbildung aus der Kamakura [Kamakura (jap.) 鎌倉 Stadt im Süden der Kantō Ebene, Sitz des Minamoto Shōgunats 1185–1333 (= Kamakura-Zeit)]-Zeit kann als Mischform der unterschiedlichen Ikonographien angesehen werden: Er behält die Physiognomie des Richters, reitet aber auf einem Büffel und gebietet über ein Gefolge von himmlischen Wesen und Wesen aus der Totenwelt. Die Figuren im Vordergrund weisen aber unzweideutig auf seine richterliche Funktion hin. Es handelt sich um gerichtliche Beamte, die Anklageschriften verlesen, Protokolle aufzeichnen und Angeklagte (Totenseelen) vor- und abführen. Auch den Stab, den Enma in der Hand hält, kennen wir bereits als Teil seiner richterlichen Paraphernalia.

Zu guter Letzt findet man den Büffelreiter auch auf astrologischen Darstellungen des Sternenhimmels und zwar an zentraler Stelle, direkt unter Bodhisattva Manjushri (Monju [Monju (jap.) 文殊 Manjushri, Bodhisattva der Weisheit]), der als Bodhisattva der Weisheit unter anderem für Astrologie zuständig ist. Die Beziehung zwischen diesen beiden Figuren ist mir derzeit noch unklar, aber eine Parallele mit der tibetischen Identifizierung von Yama und Manjushri drängt sich auf.

Verweise

Verwandte Themen

Fußnoten

  1. Nitin Kumar 2001. In Japan existiert Yamantaka in Form des Daiitoku Myōō als einer der Fünf Myōō, meist reitet er auf einem Büffel. Seine direkte Verbindung zu Enma scheint aber in den Hintergrund getreten zu sein.
  2. The Sacred Art of Tibet, S. 290.
  3. Enma kommt in einigen Traumvisionen des Ryōiki vor. Interessanterweise bleibt er immer hinter einem Vorhang verborgen, sein genaues Aussehen bleibt unbestimmt (s. Enra (Nihon Ryo-Wiki).

Internetquellen

Siehe auch Internetquellen


Letzte Überprüfung der Linkadressen: Jul. 2020

Literatur

Siehe auch Literaturliste

Stephen F. Teiser, The Scripture on the Ten Kings and the Making of Purgatory in Medieval Chinese Buddhism. Honolulu: University of Hawaii Press, 2003.
Marilyn Rhie, Robert A. F. Thurman (Hg.), The Sacred Art of Tibet: Wisdom and Compassion. London: Thames and Hudson, 1996.
Stephen F. Teiser, The Scripture on the Ten Kings and the Making of Purgatory in Medieval Chinese Buddhism. Honolulu: University of Hawaii Press, 2003.

Bilder

Quellen und Erläuterungen zu den Bildern auf dieser Seite

  1. ^ 
    Yama dharmaraja.jpg
    Darstellung des Yama
    Tibet, 19. Jh. Himalayan Art.
  2. ^ 
    Rokudoe enma1.jpg
    Nach einer Vorlage aus dem 13. Jahrhundert. Zu Enmas Füßen sieht man einen Angeklagten (also einen Verstorbenen), dem in einem Spiegel seine Sünden (hier der Mord an einem Mönch) vorgeführt wird. Die Höllenknechte warten schon begierig, ihn abzuführen.
    Späte Edo-Zeit, 19. Jh. The British Museum.
  3. ^ Enmas spiegel.jpg 
  4. ^ 
    Enma kyosai.jpg
    Satirische Darstellung von Enmas Gerichtshof.
    Werk von Kawanabe Kyōsai. Meiji-Zeit, 19. Jh. Netto Bijutsukan Ātomatomen, (jap.).
  1. ^ 
    Enma-ten.jpg
    Enma als deva-Gottheit auf einem Büffel, flankiert von einem roten Dämon und einem friedvollen Jüngling. Trotz der Bodhisattva-ähnlichen Gestalt gemahnt der Stab mit dem Kopf (der Enma über die Taten der Verstorbenen berichtet) an Enmas Rolle als Richter der Totenwelt.
    Tokyo National Museum.
  2. ^ 
    Enmaten enmao.jpg
    Enma als deva-Gottheit. Am unteren Bildrand ist seine Rolle als Richter der Unterwelt dargestellt.
    Kamakura-Zeit. National Museum of Asian Art, Freer Gallery of Art (#F1904.340a-h).
  3. ^ 
    Enmaten tnm.jpg
    König Enma auf einem Büffel. Mandala-artige Komposition, die Enmas Funktionen als Richter der Unterwelt und als Wächter des Dharma vereint. Das Bild befindet sich auf der Rückwand eines Miniaturaltars (zushi), in dem eigentlich eine Statue des Aizen Myōō im Zentrum steht.
    Kamakura-Zeit, 13.–14. Jh. Tokyo National Museum.

Glossar

Namen und Fachbegriffe auf dieser Seite

  • Bodhisattva (skt.) बोधिसत्त्व ^ „Erleuchtetes Wesen“, Vorstufe zur vollkommenen Buddhaschaft (jap. bosatsu 菩薩)
  • chūin 中陰 ^ wtl. mittlere Dunkelheit; Totenwelt; Übergangsperiode zwischen zwei Phasen der Wiedergeburt; im engeren Sinne: sieben mal sieben Tage nach dem Tod
  • Datsueba 奪衣婆 ^ wtl. die Alte, die die Kleider wegnimmt; Dämonin des Totenreichs
  • deva (skt.) देव ^ „Gottheit“, oberste Klasse indischer Götter (jap. -ten 天 oder tenbu 天部)
  • Di Shun (chin.) 帝舜 ^ Kaiser Shun; legendärer chinesischer Herrscher, lebte laut Überlieferung zw. 2294 und 2184 v.u.Z; zusammen mit seinem Vorgänger Yao Inbegriff eines weisen und gerechten Herrschers
  • Dōkyō 道教 ^ Daoismus, wtl. Lehre des Weges, chin. Daojiao; philosophisch-rel. Strömung Chinas; s.a.
  • Dunhuang (chin.) 敦煌 ^ Oasenstadt an der Seidenstraße zwischen dem Tarim-Becken und China; zumeist von China, aber zeitweise auch von Tibet beherrschtes Handelszentrum; buddhistisches Zentrum mit ausgedehnten Höhlentempeln
  • Edo 江戸 ^ Hauptstadt der Tokugawa-Shōgune, heute: Tōkyō; auch: Zeit der Tokugawa-Dynastie, 1600–1867 (= Edo-Zeit);
  • Enma 閻魔 ^ skt. Yama; König oder Richter der Unterwelt; auch Enra; meist als Enma-ten oder Enma-ō angesprochen
  • Godō Tenrin-ō 五道転輪王 ^ „König, der das Rad der Fünf Wege dreht“; letzter der Zehn Könige der Totenwelt (Jūō)
  • gozu 牛頭 ^ ochsenköpfige Dämonen in der buddhistischen Totenwelt bzw. Hölle (jigoku), meist im Tandem mit pferdeköpfigen Dämonen (mezu)
  • honji 本地 ^ (buddhistische) Urform (eines kami); s.a. suijaku
  • ihai 位牌 ^ Ahnentäfelchen
  • jigoku 地獄 ^ wtl. „[unter]irdischer Kerker“, buddhistische Hölle
  • Jizō 地蔵 ^ wtl. Schatzhaus/Mutterleib der Erde; skr. Kṣitigarbha; populäre Bodhisattva Figur
  • Jizō jūō-kyō 地蔵十王経 ^ „Das Sutra von Jizō und den Zehn Königen“, um 1200?
  • Jōdo Shinshū 浄土真宗 ^ Shin-Buddhismus, bzw. Jōdo Shin-Buddhismus; wtl. „Wahre Schule des Reinen Landes“
  • Jūō 十王 ^ Die Zehn Könige oder Richter der Totenwelt
  • Jūō-kyō 十王経 ^Sutra der Zehn Könige“; apokryphe chinesische Schrift aus China, 8. oder 9.Jh.
  • Kamakura 鎌倉 ^ Stadt im Süden der Kantō Ebene, Sitz des Minamoto Shōgunats 1185–1333 (= Kamakura-Zeit)
  • Karma (skt.) कर्म ^ „Tat“, auch „konsequente Folge“; moralische Bilanz der gesetzten Handlungen (jap. 業)
  • Kawanabe Kyōsai 河鍋暁斎 ^ 1831–1889; Künstler und Karikaturist Ende Edo-, Anfang Meiji-Zeit
  • Kṣitigarbha (skt.) क्षितिगर्भ ^ „Schatzhaus/Mutterleib der Erde“, populärer Bodhisattva (jap. Jizō 地蔵)
  • Mañjuśrī (skt.) मञ्जुश्री ^ Bodhisattva der Weisheit (jap. Monju 文殊)
  • mezu 馬頭 ^ pferdeköpfiger Dämon in der buddhistischen Totenwelt, tritt meist im Tandem mit ochsenköpfigen Dämonen (gozu) auf
  • Monju 文殊 ^ Manjushri, Bodhisattva der Weisheit
  • Muromachi 室町 ^ Stadtteil in Kyōto; Sitz des Ashikaga Shōgunats 1336–1573 (= Muromachi-Zeit)
  • Nihon ryōiki 日本霊異記 ^ „Wundersame Begebenheiten aus Japan“; buddhistische Legendensammlung von Kyōkai (Anfang 9. Jh.)
  • Ōjō yōshū 往生要集 ^ „Essentielle [Lehren] der Wiederbgeburt“, 985 von Genshin verfasst
  • rokudō 六道 ^ wtl. die Sechs Wege = Bereiche der Wiedergeburt
  • Śākyamuni (skt.) शाक्यमुनि ^ „Der Weise des Shakya-Klans“, buddhistischer Name des historischen Buddha (Gautama Siddhartha) (jap. Shaka 釈迦 oder Shakamuni 釈迦牟尼)
  • Shinkō-ō 秦広王 ^ erster der Zehn Könige (Jūō) der Totenwelt
  • Shokō-ō 初江王 ^ zweiter der Zehn Könige Jūō der Totenwelt, der „König des ersten Flusses“
  • Song (chin.) 宋 ^ chin. Herrschaftsdynastie, 960–1279
  • Taishan (chin.) 泰山 ^ höchster Berg in der chin. Provinz Shandong und traditionelles rituelles Zentrum; gilt als einer von fünf heiligen Bergen Chinas
  • Taizan-ō 泰山王 ^ Siebenter König bzw. Richter des buddhistischen Totengerichts; abgeleitet vom chinesischen Berg Taishan, einem der heiligen Berge Chinas
  • Tang (chin.) 唐 ^ chin. Herrschaftsdynastie, 618–907
  • tantra (skt.) तन्त्र ^ „Gewebe“, Lehrschrift des esoterischen Buddhismus (ähnlich sutra, aber meist mit rituellem Inhalt)
  • tenbu 天部 ^ Gruppe der indischen bzw. aus Indien übernommene Gottheiten im japanischen Buddhismus (skt. deva)
  • Tripiṭaka (skt.) त्रिपिटक ^ „Drei Körbe“, kanonische Schriften des Buddhismus (jap. Sanzō 三蔵)
  • Tsongkhapa (tibet.) ཙོང་ཁ་པ་བློ་བཟང་གྲགས་པ་ ^ 1357–1419; tibetischer Mönchsgelehrter, Begründer der Gelug-Schule, der heute dominanten Richtung des tibetischen Buddhismus
  • Veda (skt.) वेद ^ „Wissen“, älteste indische Textsammlung zur brahmanischen Religion, in Versform; ursp. nur mündlich tradiert
  • xiezhi (chin.) 獬豸 ^ chin. Fabeltier, das mit seinem Horn Verbrecher bestraft, aber Unschuldige verschont; jap. kaichi, kor. haetae
  • xiezhi guan (chin.) 獬豸冠 ^ Amtskappe des obersten Gerichtsbeamten im alten China; wtl. „Einhorn-Kappe“, abgeleitet vom Symboltier der chinesischen Justiz, dem Einhorn xiezhi
  • Yama (skt.) यमराज ^ Gottheit der Unterwelt und des Todes (jap. Enma 閻魔)
  • Yamāntaka (skt.) यमान्तक ^ „Bezwinger des Todes (Yama)“, einer der Fünf Großen Myōō (jap. Daiitoku Myōō 大威徳明王)
  • Yanlou (chin.) 閻羅 ^ abgeleitet von skt. Yama Raja, König Yama; jap. Enra oder Enma; König oder Richter der Unterwelt