Grundbegriffe/Buddhismus Lehre/Vier Wahrheiten: Unterschied zwischen den Versionen

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Dies, ihr Mönche, sind die vier edlen Wahr·heiten. Welche vier? Das Leiden, die Ent·ste·hung des Leidens, die Auf·he·bung des Leidens und der zur Auf·he·bung des Leidens führende Weg.
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Dies, ihr Mönche, sind die vier edlen Wahrheiten. Welche vier? Das Leiden, die Entstehung des Leidens, die Aufhebung des Leidens und der zur Aufhebung des Leidens führende Weg.
  
Was nun ist das Leiden? Geburt ist Leiden, Alter ist Leiden, Krank·heit ist Leiden, Tod ist Leiden, mit Unlie·bem ver·eint sein ist Leiden, von Liebem ge·trennt sein ist Leiden, nicht erlangen, was man begehrt und erstrebt, auch das ist Leiden, kurz die fünf Gruppen des Er·grei·fens sind Leiden. Das heißt Leiden.
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Was nun ist das Leiden? Geburt ist Leiden, Alter ist Leiden, Krankheit ist Leiden, Tod ist Leiden, mit Unliebem vereint sein ist Leiden, von Liebem getrennt sein ist Leiden, nicht erlangen, was man begehrt und erstrebt, auch das ist Leiden, kurz die fünf Gruppen des Ergreifens sind Leiden. Das heißt Leiden.
  
Was ist die Entstehung des Leidens? Es ist der Durst, der zur Wieder·ge·burt führt, der von Wohl·ge·fallen und Be·gierde begleitet da und dort Ge·fallen findet. Das heißt die Ent·ste·hung des Leidens.
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Was ist die Entstehung des Leidens? Es ist der Durst, der zur Wiedergeburt führt, der von Wohlgefallen und Begierde begleitet da und dort Gefallen findet. Das heißt die Entstehung des Leidens.
  
Was ist die Auf·hebung des Leidens? Es ist die restlose Ab·lehnung und Auf·hebung dieses Durstes, der zur Wieder·geburt führt, der von Wohl·gefallen und Begierde begleitet da und dort Gefallen findet, sein Auf·geben und seine Unter·drückung. Das heißt die Auf·hebung des Leidens.
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Was ist die Aufhebung des Leidens? Es ist die restlose Ablehnung und Aufhebung dieses Durstes, der zur Wiedergeburt führt, der von Wohlgefallen und Begierde begleitet da und dort Gefallen findet, sein Aufgeben und seine Unterdrückung. Das heißt die Aufhebung des Leidens.
  
Und was ist der zur Aufhebung des Leidens führende Weg? Es ist der edle acht·glied·rige Pfad, nämlich rechte An·sicht, rechtes Denken, rechtes Reden, rechtes Handeln, rechtes Leben, rechtes Streben, rechte Wach·samkeit und rechte Samm·lung. Das heißt der zur Auf·he·bung des Leidens füh·rende Weg. Das ihr Mönche sind die vier edlen Wahrheiten.  
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Und was ist der zur Aufhebung des Leidens führende Weg? Es ist der edle achtgliedrige Pfad, nämlich rechte Ansicht, rechtes Denken, rechtes Reden, rechtes Handeln, rechtes Leben, rechtes Streben, rechte Wachsamkeit und rechte Sammlung. Das heißt der zur Aufhebung des Leidens führende Weg. Das ihr Mönche sind die vier edlen Wahrheiten.  
|quelle=Nach Frauwallner 1993, S. 183–84.
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Die Vier Wahrheiten und der Achtfache Weg (= die vierte Wahrheit) werden von allen bud·dhis·tischen Richt·ungen anerkannt, dank ihrer sehr all·ge·meinen Formulierung können sie aber natürlich sehr unter·schiedlich aus·gelegt werden. Sie enthalten jedoch im Kern alle Einzel·bereiche, in denen sich die Lehre des Bud·dhis·mus entfaltet, wie der Buddhismuskundler Ernst Steinkellner auf folgende Weise darlegt:
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Die Vier Wahrheiten und der Achtgliedrige Pfad ({{s|aryashtangamarga}}, eigentlich die vierte Wahrheit) werden von allen buddhistischen Richtungen anerkannt, dank ihrer sehr allgemeinen Formulierung können sie aber natürlich sehr unterschiedlich ausgelegt werden. Sie enthalten jedoch im Kern alle Einzelbereiche, in denen sich die Lehre des {{g|bukkyou|Buddhismus}} entfaltet, wie der Buddhismuskundler {{g|Steinkellnerernst}} auf folgende Weise darlegt:
 
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Von diesen vier Wahrheiten kann die erste, die Wahr·heit vom Leiden, das heißt der Grund·satz, dass alles Seiende leidvoll ist, weil es wegen seiner Ver·gäng·lich·keit Leid bewirkt, als Aus·gangs·punkt der bud·dhis·tischen ''Ontologie'' gelten; die zweite Wahr·heit, vom Ursprung dieses Leidens, als Basis der bud·dhis·tischen ''Psycho·logie oder Onto·logie des Mentalen''; die dritte Wahr·heit, vom Auf·hören des Leidens, ist Funda·ment für den Bud·dhis·mus als ''Religion'', weil sie ein Ziel jen·seits des Leidens lehrt; und die vierte Wahr·heit vom Weg, der zum Auf·hören des Leidens führt, ist Grund·lage für die ''Moral·lehre und Medita·tions·praxis'' des Buddhismus.  
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Von diesen vier Wahrheiten kann die erste, die Wahrheit vom Leiden, das heißt der Grundsatz, dass alles Seiende leidvoll ist, weil es wegen seiner Vergänglichkeit Leid bewirkt, als Ausgangspunkt der buddhistischen ''Ontologie'' gelten; die zweite Wahrheit, vom Ursprung dieses Leidens, als Basis der buddhistischen ''Psychologie oder Ontologie des Mentalen''; die dritte Wahrheit, vom Aufhören des Leidens, ist Fundament für den Buddhismus als ''Religion'', weil sie ein Ziel jenseits des Leidens lehrt; und die vierte Wahrheit vom Weg, der zum Aufhören des Leidens führt, ist Grundlage für die ''Morallehre und Meditationspraxis'' des Buddhismus.  
|quelle=Steinkellner 2009, S. 15–16. Hervorhebungen: B.S.
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<div>Das „Rad der Lehre“ (jap. ''hōrin''; skt. Dharmacakra), eines der ältesten Symbole des Buddhismus, sym·boli·siert mit seinen acht Speichen den Acht·fachen Pfad und damit den Bud·dhis·mus insgesamt. </div></div>
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Version vom 6. Januar 2023, 17:00 Uhr

Die Vier Edlen Wahrheiten

Die Vier Edlen Wahrheiten (catvari aryasatyani [catvāri āryasatyāni (skt.) चत्वारिआर्यसत्यानि „Die Vier Edlen Wahrheiten“, Grunddogmen der buddhistischen Lehre]) sind ein Synonym für die Kernthesen der buddhistischen Lehre. In seiner berühmten „Predigt von Benares [Vārāṇasī (skt.) वाराणसी auch Benares; indische Stadt am Ganges, Ort der ersten Predigt des Buddha]“, am Beginn seiner Lehrtätigkeit, erklärt der Buddha [Buddha (skt.) बुद्ध „Der Erleuchtete“ (jap. butsu, hotoke 仏 oder Budda 仏陀)] die Vier Edlen Wahrheiten folgendermaßen:

Dies, ihr Mönche, sind die vier edlen Wahrheiten. Welche vier? Das Leiden, die Entstehung des Leidens, die Aufhebung des Leidens und der zur Aufhebung des Leidens führende Weg.

Was nun ist das Leiden? Geburt ist Leiden, Alter ist Leiden, Krankheit ist Leiden, Tod ist Leiden, mit Unliebem vereint sein ist Leiden, von Liebem getrennt sein ist Leiden, nicht erlangen, was man begehrt und erstrebt, auch das ist Leiden, kurz die fünf Gruppen des Ergreifens sind Leiden. Das heißt Leiden.

Was ist die Entstehung des Leidens? Es ist der Durst, der zur Wiedergeburt führt, der von Wohlgefallen und Begierde begleitet da und dort Gefallen findet. Das heißt die Entstehung des Leidens.

Was ist die Aufhebung des Leidens? Es ist die restlose Ablehnung und Aufhebung dieses Durstes, der zur Wiedergeburt führt, der von Wohlgefallen und Begierde begleitet da und dort Gefallen findet, sein Aufgeben und seine Unterdrückung. Das heißt die Aufhebung des Leidens.

Und was ist der zur Aufhebung des Leidens führende Weg? Es ist der edle achtgliedrige Pfad, nämlich rechte Ansicht, rechtes Denken, rechtes Reden, rechtes Handeln, rechtes Leben, rechtes Streben, rechte Wachsamkeit und rechte Sammlung. Das heißt der zur Aufhebung des Leidens führende Weg. Das ihr Mönche sind die vier edlen Wahrheiten.

Nach dem Sutra vom Drehen des Rades der Lehre, Dharmacakra-pravartana-sūtra, Ü. Frauwallner 1953, S. 183–84.

Die Vier Wahrheiten und der Achtgliedrige Pfad (aryashtanga marga [āryāṣṭāṅga mārga (skt.) „Der heilige achtfache Pfad“, Kürzel für die richtige buddhistische Praxis, die sich aus den Vier Wahrheiten (catvari aryasatyani) ableitet], eigentlich die vierte Wahrheit) werden von allen buddhistischen Richtungen anerkannt, dank ihrer sehr allgemeinen Formulierung können sie aber natürlich sehr unterschiedlich ausgelegt werden. Sie enthalten jedoch im Kern alle Einzelbereiche, in denen sich die Lehre des Buddhismus [bukkyō (jap.) 仏教 Lehre des Buddha, Buddhismus] entfaltet, wie der Buddhismuskundler Ernst Steinkellner [Steinkellner, Ernst (west.) 1937–; Indologe, Tibetologe und Buddhismusforscher an der Universität Wien und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften] auf folgende Weise darlegt:

Von diesen vier Wahrheiten kann die erste, die Wahrheit vom Leiden, das heißt der Grundsatz, dass alles Seiende leidvoll ist, weil es wegen seiner Vergänglichkeit Leid bewirkt, als Ausgangspunkt der buddhistischen Ontologie gelten; die zweite Wahrheit, vom Ursprung dieses Leidens, als Basis der buddhistischen Psychologie oder Ontologie des Mentalen; die dritte Wahrheit, vom Aufhören des Leidens, ist Fundament für den Buddhismus als Religion, weil sie ein Ziel jenseits des Leidens lehrt; und die vierte Wahrheit vom Weg, der zum Aufhören des Leidens führt, ist Grundlage für die Morallehre und Meditationspraxis des Buddhismus.

Steinkellner 2009, S. 15–16. Hervorhebungen: B.S.


Dharmacakra.jpg
Das buddhistische Rad der Lehre, dharmacakra.
Pngsucai.

Auf symbolischer Ebene finden die Vier Wahrheiten ihre Entsprechung im „Rad der Lehre“, dharmacakra [dharmacakra (skt.) धर्मचक्र „Rad der Lehre“, Symbol des Buddhismus (jap. hōrin 法輪)], dessen acht Speichen den Achtgliedrigen Pfad verkörpern. Es ist eines der frühesten Symbole des Buddhismus überhaupt und findet sich unter anderem auf der berühmten Löwen-Stele des buddhistischen Königs Ashoka [Aśoka (skt.) अशोक „Der Unbesorgte“, 304?–232 v.u.Z., König von Nord-Indien (jap. Muu 無憂 oder Aikuō 阿育王)], wurde damals allerdings mit mehr als acht Speichen dargestellt.

AshokaLions.jpg
1
Löwen-Stele des Königs Ashoka, des ersten mächtigen Förderers des Buddhismus. Die Löwen trugen ursprünglich ein „Rad der Lehre“ (dharmacakra), wie es auch unter ihren Füßen abgebildet ist. Es symbolisiert sowohl im Buddhismus als auch in anderen Religionen Indiens die Lehre selbst. Die Stele diente aber in erster Linie als Markierung der berühmten Edikte, die Ashoka ebenfalls in Stein eingravieren ließ. Sie wurde Anfang des 20. Jh. wiederentdeckt und ist heute ein nationales Emblem Indiens. Die Aufnahme aus dem Jahr 1905 zeigt die Statue am Ort ihrer Entdeckung.
Indien, 3. Jh. v.u.Z. Wikimedia Commons.

Verweise

Literatur

Siehe auch Literaturliste

Erich Frauwallner, Geschichte der Indischen Philosophie, Bd. 1. Salzburg: Otto Müller Verlag, 1953.
Ernst Steinkellner, „Erkenntnistheorie im Buddhismus: Zur Erkenntnis des Denkens von anderen“. In: Birgit Kellner und Susanne Weigelin-Schwiedrzik (Hg.), Denkt Asien anders? Göttingen: V&R unipress, 2009, 13–30.

Bilder

Quellen und Erläuterungen zu den Bildern auf dieser Seite

  1. ^ 
    AshokaLions.jpg
    Löwen-Stele des Königs Ashoka, des ersten mächtigen Förderers des Buddhismus. Die Löwen trugen ursprünglich ein „Rad der Lehre“ (dharmacakra), wie es auch unter ihren Füßen abgebildet ist. Es symbolisiert sowohl im Buddhismus als auch in anderen Religionen Indiens die Lehre selbst. Die Stele diente aber in erster Linie als Markierung der berühmten Edikte, die Ashoka ebenfalls in Stein eingravieren ließ. Sie wurde Anfang des 20. Jh. wiederentdeckt und ist heute ein nationales Emblem Indiens. Die Aufnahme aus dem Jahr 1905 zeigt die Statue am Ort ihrer Entdeckung.
    Indien, 3. Jh. v.u.Z. Wikimedia Commons.

Glossar

Namen und Fachbegriffe auf dieser Seite

  • āryāṣṭāṅga mārga (skt.) ^ „Der heilige achtfache Pfad“, Kürzel für die richtige buddhistische Praxis, die sich aus den Vier Wahrheiten (catvari aryasatyani) ableitet
  • Aśoka (skt.) अशोक ^ „Der Unbesorgte“, 304?–232 v.u.Z., König von Nord-Indien (jap. Muu 無憂 oder Aikuō 阿育王)
  • Buddha (skt.) बुद्ध ^ „Der Erleuchtete“ (jap. butsu, hotoke 仏 oder Budda 仏陀)
  • bukkyō 仏教 ^ Lehre des Buddha, Buddhismus
  • catvāri āryasatyāni (skt.) चत्वारिआर्यसत्यानि ^ „Die Vier Edlen Wahrheiten“, Grunddogmen der buddhistischen Lehre
  • dharmacakra (skt.) धर्मचक्र ^ „Rad der Lehre“, Symbol des Buddhismus (jap. hōrin 法輪)
  • Steinkellner, Ernst (west.) ^ 1937–; Indologe, Tibetologe und Buddhismusforscher an der Universität Wien und der Österreichischen Akademie der Wissenschaften
  • Vārāṇasī (skt.) वाराणसी ^ auch Benares; indische Stadt am Ganges, Ort der ersten Predigt des Buddha