Geschichte/Nara: Unterschied zwischen den Versionen

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{{fl|S}}eine erste große Blüte erlebte der Buddhismus im achten Jahrhundert, als Japan von {{g|nara}} (damals {{g|Heijoukyou}}) aus regiert wurde. Die Förderung des Buddhismus wurde vor allem durch {{g|Shoumutennou}} vorangetrieben, der zusammen mit seinen Vorgängern {{g|tenjitennou|Tenji}} und {{g|tenmutennou|Tenmu}} zu den tatkräftigsten Herrschern zählt, die Japan je besaß. Seine Regierung war zunächst von Seuchen und Hungersnöten sowie von Rivalitäten innerhalb des Hofadels gekennzeichnet. Letztere versuchte Shōmu durch die Verlegung seiner Residenz in den Griff zu bekommen: Zwischen 741 und 744 siedelte er dreimal um, bis er schließlich 745 endgültig nach Nara zurückkehrte. Während dieser Zeit setzte er auch religionspolitische Maßnahmen, die rückblickend gesehen konsequenter und planmäßiger wirken als seine Hauptstadtpolitik.  
 
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741 erging ein kaiser·licher Erlass, der die Er·richtung eines landes·weiten Netzes von „Provinz·tempeln“ ({{g|kokubunji}}) befahl.<ref>Offi·ziell trugen die Provinzial·tempel für Mönche fol·gen·de Bezeich·nung: „Tempel für den Schutz des Staates durch die Vier Himmels·könige des Gold·glanz [Sutra]s“ (''Konkōmyō shitennō gokoku no tera'' 金光明四天王護国之寺). Provinzialtempel für Nonnen hießen „Tempel des Lotos [Sutras], das das Böse besiegt“ (''Hokke metsuzai no tera'' 法華滅罪之寺)</ref>  Als Zentrum dieser Provinz·tempel sollte ein neuer Tempel von un·ge·heuren Aus·maßen, der Große Tempel des Ostens ({{g|Toudaiji}}) in Nara er·richtet werden. Das ganze System sollte offen·bar ein Gegen·ge·wicht zu den Familien-Tempeln ({{g|ujidera}}) der ver·schie·denen Adels·häuser bilden und den Bud·dhis·mus stärker in den Dienst der öffent·lichen Ver·wal·tung einbinden.
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741 erging ein kaiserlicher Erlass, der die Errichtung eines landesweiten Netzes von „Provinztempeln“ ({{g|kokubunji}}) befahl.<ref>Offiziell trugen die Provinzialtempel für Mönche folgende Bezeichnung: „Tempel für den Schutz des Staates durch die Vier Himmelskönige des Goldglanz [Sutra]s“ (''Konkōmyō shitennō gokoku no tera'' 金光明四天王護国之寺). Provinzialtempel für Nonnen hießen „Tempel des Lotos [Sutras], das das Böse besiegt“ (''Hokke metsuzai no tera'' 法華滅罪之寺)</ref>  Als Zentrum dieser Provinztempel sollte ein neuer Tempel von ungeheuren Ausmaßen, der Große Tempel des Ostens ({{g|Toudaiji}}) in Nara errichtet werden. Das ganze System sollte offenbar ein Gegengewicht zu den Familien-Tempeln ({{g|ujidera}}) der verschiedenen Adelshäuser bilden und den Buddhismus stärker in den Dienst der öffentlichen Verwaltung einbinden.
  
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Die Er·rich·tung des Tōdaiji und seines Großen Buddhas ({{g|daibutsu}}) im Jahr 752 waren der sicht·bare Ausdruck von Shōmus am·bitio·nierter Reli·gions·politik. Besonders die Her·stellung der damals wie heute welt·weit größten Bronze·statue war ein Ereignis, das weit über die Landes·grenzen hi·naus Be·deutung er·langte. Die ge·samte bud·dhis·tische Welt schickte Ab·gesandte zur „Augen·öffnungs·zere·monie“ des Großen {{s|buddha|Buddhas}}, die Ein·weihung wurde von einem indischen Mönch vor·ge·nommen. Aller·dings trieben die Her·stellungs·kosten von Statue und Tempel den antiken Staat an den Rand des Ruins und waren nur dank groß an·gelegter Spen·den·kampagnen zu be·wältigen. Dass der Bud·dhis·mus in Japan gerade damals zu der·artigen Leis·tungen fähig war, ist zweifel·los ein Zeichen für die be·sonderen Hoffnungen, die sich Staat und Gesell·schaft von der fremd·ländischen Religion mach·ten.  
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Die Errichtung des Tōdaiji und seines Großen Buddhas ({{g|daibutsu}}) im Jahr 752 waren der sichtbare Ausdruck von Shōmus ambitionierter Religionspolitik. Besonders die Herstellung der damals wie heute weltweit größten Bronzestatue war ein Ereignis, das weit über die Landesgrenzen hinaus Bedeutung erlangte. Die gesamte buddhistische Welt schickte Abgesandte zur „Augenöffnungszeremonie“ des Großen {{s|buddha|Buddhas}}, die Einweihung wurde von einem indischen Mönch vorgenommen. Allerdings trieben die Herstellungskosten von Statue und Tempel den antiken Staat an den Rand des Ruins und waren nur dank groß angelegter Spendenkampagnen zu bewältigen. Dass der Buddhismus in Japan gerade damals zu derartigen Leistungen fähig war, ist zweifellos ein Zeichen für die besonderen Hoffnungen, die sich Staat und Gesellschaft von der fremdländischen Religion machten.  
  
Weniger spekta·kulär, aber womöglich wir·kungs·voller waren die „Provinz·tempel“, als deren Zentrum der Tōdaiji er·richtet worden war. Sie befanden sich im all·ge·meinen nahe der neu eingerichteten Verwaltungs·zentren in den Provinzen und waren auch als Maß·nahme zur Stärkung einer landes·weiten zentra·lis·tischen Ver·waltung im Sinne der {{g|ritsuryou}}-Gesetz·gebung ge·dacht. Noch heute zeugen Orte mit dem Namen Kokubunji davon, dass es sich wohl um be·deutende regionale Zentren ge·handelt haben muss. Aller·dings ver·loren diese offiziellen „Staats·tempel“ in dem Maß an Bedeutung, in dem die zen·trale Ver·waltung ingesamt durch private Länder·eien ({{g|shouen}}) unter·wandert bzw. ersetzt wurde. Im Zuge der {{g|heian}}-Zeit wurde außerdem der Tōdaiji vom benach·barten {{g|koufukuji}} an Bedeutung über·flügelt und mehr oder weniger ab·sorbiert. Der Kōfuku-ji war aber letztlich nichts anderes als der Ahnen·tempel des mäch·tigsten Adels·ge·schlechts, der {{g|Fujiwara}}. Nach und nach ver·wandelte sich der frühe japanische Bud·dhis·mus somit von einem Instrument der staat·lichen Zentra·lisierung zu einem Ver·bün·deten der alten Klan-Strukturen, die allen äußer·lichen Sini·sierungs·maßnah·men zum Trotz all·mählich wieder die Herr·schaft des Landes be·stimmten. Der Bud·dhis·mus war somit eng mit den Fragen Ver·staat·lichung vs. Privati·sierung ver·bunden, die bereits in den unter·schied·lichen Gesell·schafts·modellen des japanischen Alter·tums eine Rolle spielten.
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Weniger spektakulär, aber womöglich wirkungsvoller waren die „Provinztempel“, als deren Zentrum der Tōdaiji errichtet worden war. Sie befanden sich im allgemeinen nahe der neu eingerichteten Verwaltungszentren in den Provinzen und waren auch als Maßnahme zur Stärkung einer landesweiten zentralistischen Verwaltung im Dienste der {{g|ritsuryou}}-Gesetzgebung gedacht. Noch heute zeugen Orte mit dem Namen Kokubunji davon, dass es sich wohl um bedeutende regionale Zentren gehandelt haben muss. Allerdings verloren diese offiziellen „Staatstempel“ in dem Maß an Bedeutung, in dem die zentrale Verwaltung insgesamt durch private Ländereien ({{g|shouen}}) unterwandert bzw. ersetzt wurde. Im Zuge der {{g|heian}}-Zeit wurde außerdem der Tōdaiji vom benachbarten {{g|koufukuji}} an Bedeutung überflügelt und mehr oder weniger absorbiert. Der Kōfuku-ji war aber letztlich nichts anderes als der Ahnentempel des mächtigsten Adelsgeschlechts, der {{g|Fujiwara}}. Nach und nach verwandelte sich der frühe japanische Buddhismus somit von einem Instrument der staatlichen Zentralisierung zu einem Verbündeten der alten Klan-Strukturen{{q|begriff uji und glossarlink einfügen? [[Benutzer:TheresaH|TheresaH]] 22:43, 16. Jul. 2022 (CEST)}}, die allen äußerlichen Sinisierungsmaßnahmen zum Trotz allmählich wieder die Herrschaft des Landes bestimmten. Der Buddhismus war somit eng mit den Fragen Verstaatlichung vs. Privatisierung verbunden, die bereits in den unterschiedlichen Gesellschaftsmodellen des japanischen Altertums eine Rolle spielten.
  
 
== Die Sechs Nara-Schulen ==
 
== Die Sechs Nara-Schulen ==
  
In der Nara-Zeit wurde der Bud·dhis·mus von Strö·mun·gen do·mi·niert, die man zu·sammen·fassend als die „Sechs Nara-Schulen“<!--
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In der Nara-Zeit wurde der Buddhismus von Strömungen dominiert, die man zusammenfassend als die „Sechs Nara-Schulen“<!--
 
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be·zeichnet. Im Unter·schied zu späteren Rich·tungen, ver·standen sich diese Schulen weniger als kon·kurrierende Aus·le·gungen des bud·dhis·tischen {{s|Dharma}}, denn als kom·plementäre Disziplinen inner·halb eines ge·mein·samen religiös-philo·sophischen Systems. So widmet sich etwa die „Schule der Ordens·regeln“ ({{g|Risshuu}}) in erster Linie den Mönchs·geboten, bzw. den Regeln des Zu·sammen·lebens im Kloster. Die vielleicht ein·fluss·reichste Richtung war die {{g|hossoushuu|Hossō}} Schule, die auch noch in der Heian-Zeit ein be·stimmender Faktor in der alten Haupt·stadt Nara blieb. Die Sechs Schulen verteilten sich auf sieben Tempel,<!--
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bezeichnet. Im Unterschied zu späteren Richtungen, verstanden sich diese Schulen weniger als unterschiedliche Auslegungen des buddhistischen {{s|Dharma}}, denn als komplementäre Disziplinen innerhalb des gleichen religiös-philosophischen Systems. So widmet sich etwa die „Schule der Ordensregeln“ ({{g|Risshuu}}) in erster Linie den Mönchsgeboten, bzw. den Regeln des Zusammenlebens im Kloster. Die einflussreichste Richtung war die {{g|hossoushuu|Hossō}} Schule, die auch noch in der Heian-Zeit ein bestimmender Faktor in der alten Hauptstadt Nara blieb. Die Sechs Schulen verteilten sich auf sieben Tempel,<!--
 
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die wieder·um die geis·tigen Zentren des Nara-zeit·lichen Bud·dhis·mus dar·stellten und alle inner·halb oder in der Nähe der Haupt·stadt angesiedelt waren.
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die wiederum die geistigen Zentren des Nara-zeitlichen Buddhismus darstellten und alle innerhalb oder in der Nähe der Hauptstadt angesiedelt waren.
  
 
==Der Dōkyō-Zwischenfall==
 
==Der Dōkyō-Zwischenfall==
  
Auch für die Nach·folger Shōmu Tennōs war die För·de·rung des Bud·dhis·mus ein zentrales Anliegen, nicht zuletzt, um die eigene Position zu legitimieren und zu stärken. Das galt ganz besonders für Shōmus Tochter, Prinzessin Abe (718–770), die Shōmu ganz gegen alle Gepflogenheiten zu seiner Erbin und Nachfolgerin eingesetzt hatte. Als Prinzessin Abe unter dem Namen {{g|koukentennou}} die Herr·schaft antrat, stürzte dies den gesamten Hof in Unruhe, sodass Kōken bald von ihrem kaiserlichen Amt zurücktrat und sich in ein buddhistisches Kloster zurückzog. Dort wurde sie zu allem Überfluss Opfer einer schweren Krankheit, die jedoch  im Jahr 761 von einem  Wunderheiler namens {{g|doukyou}}  „mit magischen Riten“ geheilt wurde. Dies führte dazu, dass die Exkaiserin mit Dōkyō als Berater erneut die politische Bühne des Landes betrat.  
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Auch für die Nachfolger Shōmu Tennōs war die Förderung des Buddhismus ein zentrales Anliegen, nicht zuletzt, um die eigene Position zu legitimieren und zu stärken. Das galt ganz besonders für Shōmus Tochter, Prinzessin Abe (718–770), die Shōmu ganz gegen alle Gepflogenheiten zu seiner Erbin und Nachfolgerin eingesetzt hatte. Als Prinzessin Abe unter dem Namen {{g|koukentennou}} die Herrschaft antrat, stürzte dies den gesamten Hof in Unruhe, sodass Kōken bald von ihrem kaiserlichen Amt zurücktrat und sich in ein buddhistisches Kloster zurückzog. Dort wurde sie zu allem Überfluss Opfer einer schweren Krankheit, die jedoch  im Jahr 761 von einem  Wunderheiler namens {{g|doukyou}}  „mit magischen Riten“ geheilt wurde. Dies führte dazu, dass die Exkaiserin mit Dōkyō als Berater erneut die politische Bühne des Landes betrat.  
 
Um die Geschicke des Landes selbst wieder in die Hand zu nehmen,
 
Um die Geschicke des Landes selbst wieder in die Hand zu nehmen,
be·durfte es aller·dings hand·fester dynastischer Kämpfe mit ihrem Onkel mütter·licher·seits, {{g|fujiwaranonakamaro}}, die Kōken 764 zu ihren Gunsten ent·schied, worauf sie unter dem Namen Shōtoku (r. 764–770) zum zweiten Mal das Amt des Tennō übernahm.  
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bedurfte es allerdings handfester dynastischer Kämpfe mit ihrem Onkel mütterlicherseits, {{g|fujiwaranonakamaro}}, die Kōken 764 zu ihren Gunsten entschied, worauf sie unter dem Namen Shōtoku (r. 764–770) zum zweiten Mal das Amt des Tennō übernahm.  
  
 
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Offen·bar war die Kaiserin der Meinung, ihre Macht·über·nahme dem Bei·stand Buddhas zu ver·danken und nahm kurz nach ihrer zweiten Macht·er·greifung eine Reihe von  teilweise bizarren Maßnahmen zur För·derung des Bud·dhis·mus in Angriff. Zur Feier ihres militä·rischen Sieges ordnete sie etwa die Her·stellung von einer Million winziger {{s|stupa|Stupas}} ({{g|hyakumantou}}) an und ließ sie in den Klöstern des Landes ver·teilen. In der Folge übertrug sie Dōkyō das höchste Minister·amt und er·nannte ihn schließ·lich zum Dharma·könig ({{g|houou2}}), ein Titel, der höchste religiöse, aber auch weltliche Macht im·pli·zierte. Schließlich sollte Dōkyō sogar zum Erben der kinderlosen Kaiserin eingesetzt werden. Damit ent·stand erst·mals in der ja·pa·nischen Geschichte die Aus·sicht, dass dem genea·logischen Prinzip der Tennō-Erb·folge ein Ende gesetzt und Japan von einer Art bud·dhis·tischer Theo·kratie regiert werden könnte.
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Offenbar war die Kaiserin der Meinung, ihre Machtübernahme dem Beistand Buddhas zu verdanken und nahm kurz nach ihrer zweiten Machtergreifung eine Reihe von  teilweise bizarren Maßnahmen zur Förderung des Buddhismus in Angriff. Zur Feier ihres militärischen Sieges ordnete sie etwa die Herstellung von einer Million winziger {{s|stupa|Stupas}} ({{g|hyakumantou}}) an und ließ sie in den Klöstern des Landes verteilen. In der Folge übertrug sie Dōkyō das höchste Ministeramt und ernannte ihn schließlich zum Dharmakönig ({{g|houou2}}), ein Titel, der höchste religiöse, aber auch weltliche Macht implizierte. Schließlich sollte Dōkyō sogar zum Erben der kinderlosen Kaiserin eingesetzt werden. Damit entstand erstmals in der japanischen Geschichte die Aussicht, dass dem genealogischen Prinzip der Tennō-Erbfolge ein Ende gesetzt und Japan von einer Art buddhistischer Theokratie regiert werden könnte.
  
Dōkyō half bei diesen Maßnahmen natürlich selbst aktiv mit. Zeitnahe Chroniken berichten, dass er mit Priestern im weit ent·fernten {{g|Usahachimanguu|Usa Schrein}} in Kyūshū konspirierte, bis diese ein Orakel des weis·sagungs·mächtigen {{g|Hachiman}} fabrizierten, das Dōkyō zum Thronerben bestimmte.
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Dōkyō half bei diesen Maßnahmen natürlich selbst aktiv mit. Zeitnahe Chroniken berichten, dass er mit Priestern im weit entfernten {{g|Usahachimanguu|Usa Schrein}} in Kyūshū konspirierte, bis diese ein Orakel des weissagungsmächtigen {{g|Hachiman}} fabrizierten, das Dōkyō zum Thronerben bestimmte.
Doch offen·bar gab es Zweifel an der Echtheit dieser Offen·barung, sodass die Kaiserin beschloss, einen Boten zu Hachimans Schrein zu schicken, damit er die Sache bestätige. Dieser Bote, {{g|wakenokiyomaro}}, kehrte jedoch wider Erwarten mit einem ab·schlägigen Orakel·spruch zurück, der besagte, dass nur Mitglieder der kaiser·lichen Familie An·recht auf den Thron hätten. Dies führte nach allgemeinem Dafür·halten zum Scheitern von Dōkyōs Plänen. Als die Kaiserin kurze Zeit später starb, kam es zum Regime·wechsel und Dōkyō endete in der Ver·bannung. Auch Kiyomaro erntete für seine Botschaft zunächst grausame Be·stra·fung, wurde aber nach Dōkyōs Fall rehabilitiert, machte unter dem späteren {{g|Kanmutennou}} Karriere und erlangte für seine mutige Tat historischen Ruhm. In der {{g|Meiji}}-Zeit wurde er als National·held und Verteidiger des Tennōtums sogar auf Geldscheinen verewigt.
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Doch offenbar gab es Zweifel an der Echtheit dieser Offenbarung, sodass die Kaiserin beschloss, einen Boten zu Hachimans Schrein zu schicken, damit er die Sache bestätige. Dieser Bote, {{g|wakenokiyomaro}}, kehrte jedoch wider Erwarten mit einem abschlägigen Orakelspruch zurück, der besagte, dass nur Mitglieder der kaiserlichen Familie Anrecht auf den Thron hätten. Dies führte nach allgemeinem Dafürhalten zum Scheitern von Dōkyōs Plänen. Als die Kaiserin kurze Zeit später starb, kam es zum Regimewechsel und Dōkyō endete in der Verbannung. Auch Kiyomaro erntete für seine Botschaft zunächst grausame Bestrafung, wurde aber nach Dōkyōs Fall rehabilitiert, machte unter dem späteren {{g|Kanmutennou}} Karriere und erlangte für seine mutige Tat historischen Ruhm. In der {{g|Meiji}}-Zeit wurde er als Nationalheld und Verteidiger des Tennōtums sogar auf Geldscheinen verewigt.
  
 
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== Anti-buddhistische Reflexe ==
 
== Anti-buddhistische Reflexe ==
  
Nach·folgende Kaiser waren nun bestrebt, die Ver·flechtungen von Bud·dhis·mus und Staat zu lockern. So soll die Ver·legung der Haupt·stadt unter {{g|kanmutennou}} (zu·nächst 784 nach Nagaoka, dann 794 nach Heian [= Kyōto]) aus dem Bedürfnis ent·standen sein, dem Einfluss der Nara-Klöster zu ent·kommen. Manche Religions·historiker meinen zu·dem, dass die Existenz von gegen den Bud·dhis·mus gerichteten Tabu-Be·stim·mungen inner·halb des {{g|isejinguu|Ise Schreins}} und in vielen Be·reichen des hö·fischen Ritual·wesens direkt mit der Dōkyō-Affäre in Ver·bindung steht. Diese Affäre könnte somit Anlass für ein be·wusst nicht-bud·dhis·tisches höfisches Ritual·wesen und damit der Beginn einer Art „shintō·istischen Bewusstseins“ inner·halb der Hof·aristo·kratie ge·wesen sein. Aller·dings tritt dieser „höfische Shintō“ nach außen hin nicht als kon·kur·rie·rendes religiöses System gegen den Bud·dhis·mus auf und ist weder unter der Be·zeich·nung „{{g|Shintou}}“ noch unter einem anderen Namen als eigen·ständige Religion fass·bar. Mehr dazu auf der nächsten Seite.
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Nachfolgende Kaiser waren nun bestrebt, die Verflechtungen von Buddhismus und Staat zu lockern. So soll die Verlegung der Hauptstadt unter {{g|kanmutennou}} (zunächst 784 nach Nagaoka, dann 794 nach Heian [= Kyōto]) aus dem Bedürfnis entstanden sein, dem Einfluss der Nara-Klöster zu entkommen. Manche Religionshistoriker meinen zudem, dass die Existenz von gegen den Buddhismus gerichteten Tabu-Bestimmungen innerhalb des {{g|isejinguu|Ise Schreins}} und in vielen Bereichen des höfischen Ritualwesens direkt mit der Dōkyō-Affäre in Verbindung steht. Diese Affäre könnte somit Anlass für ein bewusst nicht-buddhistisches höfisches Ritualwesen und damit der Beginn einer Art „shintōistischen Bewusstseins“ innerhalb der Hofaristokratie gewesen sein. Allerdings tritt dieser „höfische Shintō“ nach außen hin nicht als konkurrierendes religiöses System gegen den Buddhismus auf und ist weder unter der Bezeichnung „{{g|Shintou}}“ noch unter einem anderen Namen als eigenständige Religion fassbar. Mehr dazu auf der nächsten Seite.
  
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Version vom 16. Juli 2022, 22:43 Uhr

Der Buddhismus der Nara-Zeit

Vorlage:Fleine erste große Blüte erlebte der Buddhismus im achten Jahrhundert, als Japan von Nara [Nara (jap.) 奈良 Hauptstadt und Sitz des Tennō, 710–784 (= Nara-Zeit); auch: Heijō-kyō] (damals Heijō-kyō [Heijō-kyō (jap.) 平城京 urspr. Name der Stadt Nara; wtl. Stadt der Friedensburg]) aus regiert wurde. Die Förderung des Buddhismus wurde vor allem durch Shōmu Tennō [Shōmu Tennō (jap.) 聖武天皇 701–56; 45. japanischer Kaiser; (r. 724–49); Förderer des Buddhismus] vorangetrieben, der zusammen mit seinen Vorgängern Tenji [Tenji Tennō (jap.) 天智天皇 626–672; 38. Kaiser Japans; (r. 661–672); Eigenname: Naka-no-Ōe] und Tenmu [Tenmu Tennō (jap.) 天武天皇 631?–686; 40. japanischer Kaiser; (r. 673–686)] zu den tatkräftigsten Herrschern zählt, die Japan je besaß. Seine Regierung war zunächst von Seuchen und Hungersnöten sowie von Rivalitäten innerhalb des Hofadels gekennzeichnet. Letztere versuchte Shōmu durch die Verlegung seiner Residenz in den Griff zu bekommen: Zwischen 741 und 744 siedelte er dreimal um, bis er schließlich 745 endgültig nach Nara zurückkehrte. Während dieser Zeit setzte er auch religionspolitische Maßnahmen, die rückblickend gesehen konsequenter und planmäßiger wirken als seine Hauptstadtpolitik.

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Hauptstadtverlegungen, 694–794

Staats-buddhistische Reformen

741 erging ein kaiserlicher Erlass, der die Errichtung eines landesweiten Netzes von „Provinztempeln“ (kokubunji [kokubunji (jap.) 国分寺 Provinztempel, Provinzialhaupttempel; in der Nara-Zeit Teil eines landesweiten Tempel-Netzwerks]) befahl.1 Als Zentrum dieser Provinztempel sollte ein neuer Tempel von ungeheuren Ausmaßen, der Große Tempel des Ostens (Tōdaiji [Tōdaiji (jap.) 東大寺 Tempel des Großen Buddha von Nara; wtl. Großer Ost-Tempel]) in Nara errichtet werden. Das ganze System sollte offenbar ein Gegengewicht zu den Familien-Tempeln (ujidera [ujidera (jap.) 氏寺 Klan- oder Familientempel]) der verschiedenen Adelshäuser bilden und den Buddhismus stärker in den Dienst der öffentlichen Verwaltung einbinden.

Todaiji daibutsu.jpg
1 Nara Daibutsu
Der große Dainichi (skt. Vairocana), der Riesenbuddha (daibutsu) des Tōdaiji.
752, letzter Neuguss 1704. Ron Reznick, 2004 (mit freundlicher Genehmigung).

Die Errichtung des Tōdaiji und seines Großen Buddhas (daibutsu [daibutsu (jap.) 大仏 wtl. „Großer Buddha“; monumentale Buddha-Statue]) im Jahr 752 waren der sichtbare Ausdruck von Shōmus ambitionierter Religionspolitik. Besonders die Herstellung der damals wie heute weltweit größten Bronzestatue war ein Ereignis, das weit über die Landesgrenzen hinaus Bedeutung erlangte. Die gesamte buddhistische Welt schickte Abgesandte zur „Augenöffnungszeremonie“ des Großen Buddhas [Buddha (skt.) बुद्ध „Der Erleuchtete“ (jap. butsu, hotoke 仏 oder Budda 仏陀)], die Einweihung wurde von einem indischen Mönch vorgenommen. Allerdings trieben die Herstellungskosten von Statue und Tempel den antiken Staat an den Rand des Ruins und waren nur dank groß angelegter Spendenkampagnen zu bewältigen. Dass der Buddhismus in Japan gerade damals zu derartigen Leistungen fähig war, ist zweifellos ein Zeichen für die besonderen Hoffnungen, die sich Staat und Gesellschaft von der fremdländischen Religion machten.

Weniger spektakulär, aber womöglich wirkungsvoller waren die „Provinztempel“, als deren Zentrum der Tōdaiji errichtet worden war. Sie befanden sich im allgemeinen nahe der neu eingerichteten Verwaltungszentren in den Provinzen und waren auch als Maßnahme zur Stärkung einer landesweiten zentralistischen Verwaltung im Dienste der ritsuryō [ritsuryō (jap.) 律令 wtl. Strafen und Verordnungen; Gesetzessammlung des Altertums nach dem Vorbild der chin. Tang-Dynastie]-Gesetzgebung gedacht. Noch heute zeugen Orte mit dem Namen Kokubunji davon, dass es sich wohl um bedeutende regionale Zentren gehandelt haben muss. Allerdings verloren diese offiziellen „Staatstempel“ in dem Maß an Bedeutung, in dem die zentrale Verwaltung insgesamt durch private Ländereien (shōen [shōen (jap.) 荘園/庄園 Lehen, feudale Landbesitzung]) unterwandert bzw. ersetzt wurde. Im Zuge der Heian [Heian (jap.) 平安 auch Heian-kyō 平安京, „Stadt des Friedens“; politisches Zentrum 794–1185 (= Heian-Zeit)]-Zeit wurde außerdem der Tōdaiji vom benachbarten Kōfuku-ji [Kōfuku-ji (jap.) 興福寺 Tempel des Hossō-Buddhismus; einer der Sieben Großen Tempel von Nara] an Bedeutung überflügelt und mehr oder weniger absorbiert. Der Kōfuku-ji war aber letztlich nichts anderes als der Ahnentempel des mächtigsten Adelsgeschlechts, der Fujiwara [Fujiwara (jap.) 藤原 mächtigste Adelsfamilie im jap. Altertum]. Nach und nach verwandelte sich der frühe japanische Buddhismus somit von einem Instrument der staatlichen Zentralisierung zu einem Verbündeten der alten Klan-Strukturen, die allen äußerlichen Sinisierungsmaßnahmen zum Trotz allmählich wieder die Herrschaft des Landes bestimmten. Der Buddhismus war somit eng mit den Fragen Verstaatlichung vs. Privatisierung verbunden, die bereits in den unterschiedlichen Gesellschaftsmodellen des japanischen Altertums eine Rolle spielten.

Die Sechs Nara-Schulen

In der Nara-Zeit wurde der Buddhismus von Strömungen dominiert, die man zusammenfassend als die „Sechs Nara-Schulen“2 bezeichnet. Im Unterschied zu späteren Richtungen, verstanden sich diese Schulen weniger als unterschiedliche Auslegungen des buddhistischen Dharma [Dharma (skt.) धर्म Gesetz (des Universums), Lehre (des Buddha) (jap. 法)], denn als komplementäre Disziplinen innerhalb des gleichen religiös-philosophischen Systems. So widmet sich etwa die „Schule der Ordensregeln“ (Risshū [Risshū (jap.) 律宗 „Schule der Ordensregeln“ (skt. Vinaya); Schulrichtung des frühen jap. Buddhismus, eine der Sechs Nara-Schulen;]) in erster Linie den Mönchsgeboten, bzw. den Regeln des Zusammenlebens im Kloster. Die einflussreichste Richtung war die Hossō [Hossō-shū (jap.) 法相宗 Schulrichtung des frühen jap. Buddhismus, eine der Sechs Nara-Schulen] Schule, die auch noch in der Heian-Zeit ein bestimmender Faktor in der alten Hauptstadt Nara blieb. Die Sechs Schulen verteilten sich auf sieben Tempel,3 die wiederum die geistigen Zentren des Nara-zeitlichen Buddhismus darstellten und alle innerhalb oder in der Nähe der Hauptstadt angesiedelt waren.

Der Dōkyō-Zwischenfall

Auch für die Nachfolger Shōmu Tennōs war die Förderung des Buddhismus ein zentrales Anliegen, nicht zuletzt, um die eigene Position zu legitimieren und zu stärken. Das galt ganz besonders für Shōmus Tochter, Prinzessin Abe (718–770), die Shōmu ganz gegen alle Gepflogenheiten zu seiner Erbin und Nachfolgerin eingesetzt hatte. Als Prinzessin Abe unter dem Namen Kōken Tennō [Kōken Tennō (jap.) 孝謙天皇 718–770; japanische Kaiserin; r. 749–758 und 764–770 unter dem Namen Shōtoku 称徳] die Herrschaft antrat, stürzte dies den gesamten Hof in Unruhe, sodass Kōken bald von ihrem kaiserlichen Amt zurücktrat und sich in ein buddhistisches Kloster zurückzog. Dort wurde sie zu allem Überfluss Opfer einer schweren Krankheit, die jedoch im Jahr 761 von einem Wunderheiler namens Dōkyō [Dōkyō (jap.) 道鏡 700?–772; Nara-zeitl. Mönch; buddhistischer Staatsmann] „mit magischen Riten“ geheilt wurde. Dies führte dazu, dass die Exkaiserin mit Dōkyō als Berater erneut die politische Bühne des Landes betrat. Um die Geschicke des Landes selbst wieder in die Hand zu nehmen, bedurfte es allerdings handfester dynastischer Kämpfe mit ihrem Onkel mütterlicherseits, Fujiwara no Nakamaro [Fujiwara no Nakamaro (jap.) 藤原仲麻呂 706–764; Staatsmann, Kanzler in der Nara-Zeit; Eigenname Emi no Oshikatsu], die Kōken 764 zu ihren Gunsten entschied, worauf sie unter dem Namen Shōtoku (r. 764–770) zum zweiten Mal das Amt des Tennō übernahm.

Vorlage:Sidebox3 Offenbar war die Kaiserin der Meinung, ihre Machtübernahme dem Beistand Buddhas zu verdanken und nahm kurz nach ihrer zweiten Machtergreifung eine Reihe von teilweise bizarren Maßnahmen zur Förderung des Buddhismus in Angriff. Zur Feier ihres militärischen Sieges ordnete sie etwa die Herstellung von einer Million winziger Stupas [stūpa (skt.) स्तूप „Hügel“, Grabmonument (jap. 塔 oder sotoba 卒塔婆)] (hyakuman tō [hyakuman tō (jap.) 百万塔 Miniatur-Stupas, wtl. Millionen-Stupas]) an und ließ sie in den Klöstern des Landes verteilen. In der Folge übertrug sie Dōkyō das höchste Ministeramt und ernannte ihn schließlich zum Dharmakönig (hōō [hōō (jap.) 法王 „Dharma-König“; urspr. Titel für einen Buddha, speziell Gautama-Buddha]), ein Titel, der höchste religiöse, aber auch weltliche Macht implizierte. Schließlich sollte Dōkyō sogar zum Erben der kinderlosen Kaiserin eingesetzt werden. Damit entstand erstmals in der japanischen Geschichte die Aussicht, dass dem genealogischen Prinzip der Tennō-Erbfolge ein Ende gesetzt und Japan von einer Art buddhistischer Theokratie regiert werden könnte.

Dōkyō half bei diesen Maßnahmen natürlich selbst aktiv mit. Zeitnahe Chroniken berichten, dass er mit Priestern im weit entfernten Usa Schrein [Usa Hachiman-gū (jap.) 宇佐八幡宮 Usa Hachiman Schrein (Usa, Kyūshū)] in Kyūshū konspirierte, bis diese ein Orakel des weissagungsmächtigen Hachiman [Hachiman (jap.) 八幡 Shintō-Gottheit, Ahnengottheit des Tennō und des Kriegeradels; auch „Yawata“ ausgesprochen] fabrizierten, das Dōkyō zum Thronerben bestimmte. Doch offenbar gab es Zweifel an der Echtheit dieser Offenbarung, sodass die Kaiserin beschloss, einen Boten zu Hachimans Schrein zu schicken, damit er die Sache bestätige. Dieser Bote, Wake no Kiyomaro [Wake no Kiyomaro (jap.) 和気清麻呂 Nara-zeitlicher Hofbeamter und Staatsmann, 733–799], kehrte jedoch wider Erwarten mit einem abschlägigen Orakelspruch zurück, der besagte, dass nur Mitglieder der kaiserlichen Familie Anrecht auf den Thron hätten. Dies führte nach allgemeinem Dafürhalten zum Scheitern von Dōkyōs Plänen. Als die Kaiserin kurze Zeit später starb, kam es zum Regimewechsel und Dōkyō endete in der Verbannung. Auch Kiyomaro erntete für seine Botschaft zunächst grausame Bestrafung, wurde aber nach Dōkyōs Fall rehabilitiert, machte unter dem späteren Kanmu Tennō [Kanmu Tennō (jap.) 桓武天皇 737–806; 50. japanischer Tennō; (r. 781–806); verantwortlich für Verlegung der Hauptstadt nach Heian (Kyōto)] Karriere und erlangte für seine mutige Tat historischen Ruhm. In der Meiji [Meiji (jap.) 明治 posthumer Name von Kaiser Mutsuhito; nach ihm wird auch die Meiji-Zeit (1868–1912) benannt]-Zeit wurde er als Nationalheld und Verteidiger des Tennōtums sogar auf Geldscheinen verewigt.

Kiyomaro geldschein.jpg
2 Wake no Kiyomaru als nationaler Held auf einem 10-Yen Schein, 1902
Dass es sich hier um den Tennō-treuen Wake no Kiyomaro handelt, lässt sich nur anhand des Schreins auf der linken Bildhälfte verifizieren. Es handelt sich um den Goō Jinja in Kyōto, der durch zwei Wildschweinfiguren charakterisiert ist. Diese sind vor dem Schrein undeutlich zu erkennen. Der Legende nach retteten sie Kiyomaro das Leben, als er von den Schergen seines Erzfeindes Dōkyō verfolgt wurde. Kiyomaros Portrait war ab 1890 auf Geldscheinen zu finden. Die Vorlage stammt vom Italiener Edoardo Chiossone, der die meisten Geldscheine der Meiji-Zeit entwarf. Chiossone soll sich für dieses Portrait den Meiji-Oligarchen Kido Takayoshi (1833–1877) zum Vorbild genommen haben.
Werk von Edoardo Chiossone (1833–1898). Meiji-Zeit, 1901. Setagaya Stamp/Coin.

Anti-buddhistische Reflexe

Nachfolgende Kaiser waren nun bestrebt, die Verflechtungen von Buddhismus und Staat zu lockern. So soll die Verlegung der Hauptstadt unter Kanmu Tennō [Kanmu Tennō (jap.) 桓武天皇 737–806; 50. japanischer Tennō; (r. 781–806); verantwortlich für Verlegung der Hauptstadt nach Heian (Kyōto)] (zunächst 784 nach Nagaoka, dann 794 nach Heian [= Kyōto]) aus dem Bedürfnis entstanden sein, dem Einfluss der Nara-Klöster zu entkommen. Manche Religionshistoriker meinen zudem, dass die Existenz von gegen den Buddhismus gerichteten Tabu-Bestimmungen innerhalb des Ise Schreins [Ise Jingū (jap.) 伊勢神宮 kaiserlicher Ahnenschrein (wtl. Götterpalast) von Ise, Präfektur Mie, bestehend aus den Anlagen Gekū und Naikū] und in vielen Bereichen des höfischen Ritualwesens direkt mit der Dōkyō-Affäre in Verbindung steht. Diese Affäre könnte somit Anlass für ein bewusst nicht-buddhistisches höfisches Ritualwesen und damit der Beginn einer Art „shintōistischen Bewusstseins“ innerhalb der Hofaristokratie gewesen sein. Allerdings tritt dieser „höfische Shintō“ nach außen hin nicht als konkurrierendes religiöses System gegen den Buddhismus auf und ist weder unter der Bezeichnung „Shintō [Shintō (jap.) 神道 Shintō; wtl. Weg der Götter, Weg der kami]“ noch unter einem anderen Namen als eigenständige Religion fassbar. Mehr dazu auf der nächsten Seite.

Verweise

Fußnoten

  1. Offiziell trugen die Provinzialtempel für Mönche folgende Bezeichnung: „Tempel für den Schutz des Staates durch die Vier Himmelskönige des Goldglanz [Sutra]s“ (Konkōmyō shitennō gokoku no tera 金光明四天王護国之寺). Provinzialtempel für Nonnen hießen „Tempel des Lotos [Sutras], das das Böse besiegt“ (Hokke metsuzai no tera 法華滅罪之寺)
  2. Hossō-shū, Kegon-shū, Risshū, Sanron-shū, Kusha-shū, Jōjitsu-shū
  3. Tōdaiji, Yakushi-ji, Kōfuku-ji, Hōryū-ji, Saidai-ji, Gangō-ji und Daian-ji.

Literatur

Siehe auch Literaturliste

Peter Kornicki, The Book in Japan: A Cultural History from the Beginnings to the Nineteenth Century. Honolulu: University of Hawaii Press, 2001.
Ross Bender, „The Hachiman Cult and the Dokyo Incident“. Monumenta Nipponica 34:2 (1979) (1979), 125–53.
Ronald P. Toby, „Why Leave Nara?: Kammu and the Transfer of the Capital“. Monumenta Nipponica 40:3 (1985), 331–47.

Bilder

Quellen und Erläuterungen zu den Bildern auf dieser Seite

  1. ^ 
    Todaiji daibutsu.jpg
    Der große Dainichi (skt. Vairocana), der Riesenbuddha (daibutsu) des Tōdaiji.
    752, letzter Neuguss 1704. Ron Reznick, 2004 (mit freundlicher Genehmigung).
  1. ^ 
    Kiyomaro geldschein.jpg
    Dass es sich hier um den Tennō-treuen Wake no Kiyomaro handelt, lässt sich nur anhand des Schreins auf der linken Bildhälfte verifizieren. Es handelt sich um den Goō Jinja in Kyōto, der durch zwei Wildschweinfiguren charakterisiert ist. Diese sind vor dem Schrein undeutlich zu erkennen. Der Legende nach retteten sie Kiyomaro das Leben, als er von den Schergen seines Erzfeindes Dōkyō verfolgt wurde. Kiyomaros Portrait war ab 1890 auf Geldscheinen zu finden. Die Vorlage stammt vom Italiener Edoardo Chiossone, der die meisten Geldscheine der Meiji-Zeit entwarf. Chiossone soll sich für dieses Portrait den Meiji-Oligarchen Kido Takayoshi (1833–1877) zum Vorbild genommen haben.
    Werk von Edoardo Chiossone (1833–1898). Meiji-Zeit, 1901. Setagaya Stamp/Coin.

Glossar

Namen und Fachbegriffe auf dieser Seite

  • Buddha (skt.) बुद्ध ^ „Der Erleuchtete“ (jap. butsu, hotoke 仏 oder Budda 仏陀)
  • Daian-ji 大安寺 ^ einer der Sieben Große Tempel von Nara, err. 729, geht auf ältere Vorgänger zurück
  • daibutsu 大仏 ^ wtl. „Großer Buddha“; monumentale Buddha-Statue
  • dhāraṇī (skt.) धारणी ^ (magische) Gebetsformel, ähnlich wie, aber meist länger als Mantra (jap. darani 陀羅尼 oder ju 呪)
  • Dharma (skt.) धर्म ^ Gesetz (des Universums), Lehre (des Buddha) (jap. 法)
  • Dōkyō 道鏡 ^ 700?–772; Nara-zeitl. Mönch; buddhistischer Staatsmann
  • Fujiwara 藤原 ^ mächtigste Adelsfamilie im jap. Altertum
  • Fujiwara no Nakamaro 藤原仲麻呂 ^ 706–764; Staatsmann, Kanzler in der Nara-Zeit; Eigenname Emi no Oshikatsu
  • Gangō-ji 元興寺 ^ Nachfolgetempel des Hōkō-ji (Asuka-dera), des ältesten japanischen Tempels (gegr. 593). Der Tempel wurde unter dem Namen Gangō-ji 718 nach Nara verlegt.
  • Hachiman 八幡 ^ Shintō-Gottheit, Ahnengottheit des Tennō und des Kriegeradels; auch „Yawata“ ausgesprochen
  • Heian 平安 ^ auch Heian-kyō 平安京, „Stadt des Friedens“; politisches Zentrum 794–1185 (= Heian-Zeit)
  • Heijō-kyō 平城京 ^ urspr. Name der Stadt Nara; wtl. Stadt der Friedensburg
  • Hossō-shū 法相宗 ^ Schulrichtung des frühen jap. Buddhismus, eine der Sechs Nara-Schulen
  • hōō 法王 ^ „Dharma-König“; urspr. Titel für einen Buddha, speziell Gautama-Buddha
  • Hōryū-ji 法隆寺 ^ Tempel in Ikaruga bei Nara, gegr. 607; wtl. „Tempel des prosperierenden [Buddha]-Gesetzes“
  • hyakuman tō 百万塔 ^ Miniatur-Stupas, wtl. Millionen-Stupas
  • Ise Jingū 伊勢神宮 ^ kaiserlicher Ahnenschrein (wtl. Götterpalast) von Ise, Präfektur Mie, bestehend aus den Anlagen Gekū und Naikū
  • Jōjitsu-shū 成實宗 ^ Schulrichtung des frühen jap. Buddhismus, eine der Sechs Nara-Schulen
  • Kanmu Tennō 桓武天皇 ^ 737–806; 50. japanischer Tennō; (r. 781–806); verantwortlich für Verlegung der Hauptstadt nach Heian (Kyōto)
  • Kegon-kyō 華厳経 ^ Avatamsaka Sutra bzw. Blütenkranz Sutra
  • Kegon-shū 華厳宗 ^ Schulrichtung des frühen jap. Buddhismus, eine der Sechs Nara-Schulen
  • kokubunji 国分寺 ^ Provinztempel, Provinzialhaupttempel; in der Nara-Zeit Teil eines landesweiten Tempel-Netzwerks
  • Kōfuku-ji 興福寺 ^ Tempel des Hossō-Buddhismus; einer der Sieben Großen Tempel von Nara
  • Kōken Tennō 孝謙天皇 ^ 718–770; japanische Kaiserin; r. 749–758 und 764–770 unter dem Namen Shōtoku 称徳
  • Kusha-shū 倶舎宗 ^ Schulrichtung des frühen jap. Buddhismus, eine der Sechs Nara-Schulen
  • Meiji 明治 ^ posthumer Name von Kaiser Mutsuhito; nach ihm wird auch die Meiji-Zeit (1868–1912) benannt
  • Nara 奈良 ^ Hauptstadt und Sitz des Tennō, 710–784 (= Nara-Zeit); auch: Heijō-kyō
  • Risshū 律宗 ^ „Schule der Ordensregeln“ (skt. Vinaya); Schulrichtung des frühen jap. Buddhismus, eine der Sechs Nara-Schulen;
  • ritsuryō 律令 ^ wtl. Strafen und Verordnungen; Gesetzessammlung des Altertums nach dem Vorbild der chin. Tang-Dynastie
  • Saidai-ji 西大寺 ^ Buddhistischer Tempel in Nara, err. 765, Haupttempel der Shingon Risshū Schule
  • Sanron-shū 三論宗 ^ Schulrichtung des frühen jap. Buddhismus, eine der Sechs Nara-Schulen
  • Shintō 神道 ^ Shintō; wtl. Weg der Götter, Weg der kami
  • shōen 荘園/庄園 ^ Lehen, feudale Landbesitzung
  • Shōmu Tennō 聖武天皇 ^ 701–56; 45. japanischer Kaiser; (r. 724–49); Förderer des Buddhismus
  • stūpa (skt.) स्तूप ^ „Hügel“, Grabmonument (jap. 塔 oder sotoba 卒塔婆)
  • Tenji Tennō 天智天皇 ^ 626–672; 38. Kaiser Japans; (r. 661–672); Eigenname: Naka-no-Ōe
  • Tenmu Tennō 天武天皇 ^ 631?–686; 40. japanischer Kaiser; (r. 673–686)
  • Tōdaiji 東大寺 ^ Tempel des Großen Buddha von Nara; wtl. Großer Ost-Tempel
  • uji^ altjap. Klan, Sippe, Familie
  • ujidera 氏寺 ^ Klan- oder Familientempel
  • Usa Hachiman-gū 宇佐八幡宮 ^ Usa Hachiman Schrein (Usa, Kyūshū)
  • Wake no Kiyomaro 和気清麻呂 ^ Nara-zeitlicher Hofbeamter und Staatsmann, 733–799
  • Yakushi-ji 薬師寺 ^ Tempel des Yakushi Nyorai in Nara