Geschichte/Kamakura/Kamikaze: Unterschied zwischen den Versionen

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{{fl|D}}ie Herrschaft der Mongolen ist aus der Sicht Japans vor allem mit einem ein·schnei·denden Ereignis ver·bunden: Der erfolg·reichen Abwehr eines zwei·fachen Invasions·ver·suchs der Mongolen, 1274 und 1281.<!--
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Die Herrschaft der Mongolen ist aus der Sicht Japans vor allem mit einem einschneidenden Ereignis verbunden: Der erfolgreichen Abwehr eines zweifachen Invasionsversuchs der Mongolen, 1274 und 1281.<!--
 
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Dieser Artikel basiert auf einem Vortrag, den der Verfasser, Bernhard Scheid, am 9. Juni 2006 im Rahmen des Symposiums [http://www.oeaw.ac.at/iran/symposium_800jahremongolei.htm 800 Jahre Mongolisches Weltreich] an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften hielt.  
 
Dieser Artikel basiert auf einem Vortrag, den der Verfasser, Bernhard Scheid, am 9. Juni 2006 im Rahmen des Symposiums [http://www.oeaw.ac.at/iran/symposium_800jahremongolei.htm 800 Jahre Mongolisches Weltreich] an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften hielt.  
 
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-->Japan stellt somit eines der wenigen Länder dar, die dem Er·oberungs·drang der Mongolen Einhalt ge·bieten konnten. Der tradi·tio·nel·len japa·ni·schen Ge·schichts·auf·fas·sung zu·folge war dies aber nicht der mili·täri·schen Über·legen·heit Japans zu ver·danken, son·dern Taifu·nen, welche die Götter Japans zum richtigen Zeit·punkt ent·fachten. Diese Winde werden daher „Götter·winde“ genannt, auf Japa·nisch {{g|kamikaze}}. Der Mythos dieser Winde wirkte bis ins zwanzig·ste Jahr·hundert fort, als die Selbst·mord·piloten der japani·schen Luft·waffe die Rolle der Götter·winde über·neh·men sollten, um die „aus·län·di·schen Er·oberer“ abzu·wehren.  
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-->Japan stellt somit eines der wenigen Länder dar, die dem Eroberungsdrang der Mongolen Einhalt gebieten konnten. Der traditionellen japanischen Geschichtsauffassung zufolge war dies aber nicht der militärischen Überlegenheit Japans zu verdanken, sondern Taifunen, welche die Götter Japans zum richtigen Zeitpunkt entfachten. Diese Winde werden daher „Götterwinde“ genannt, auf Japanisch {{g|kamikaze}}. Der Mythos dieser Winde wirkte bis ins zwanzigste Jahrhundert fort, als die Selbstmordpiloten der japanischen Luftwaffe die Rolle der Götterwinde übernehmen sollten, um die „ausländischen Eroberer“ abzuwehren.  
  
 
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== Die mongolische Eroberung Ostasiens ==
 
== Die mongolische Eroberung Ostasiens ==
  
Einer der frühesten Erfolge von {{g|Dschingiskhan}} nach der Einigung der mon·gol·ischen Stämme (1205) war die Er·oberung Beijings (1215), das zuvor die Haupt·stadt der nord·chi·ne·sischen {{g|Jin}}-Dynastie ge·we·sen war. Die Er·oberung Südchinas, das zu dieser Zeit von der süd·lichen {{g|Song}}-Dynastie (1130–1276) regiert wurde, ging aller·dings nur noch schleppend und in kleinen Schritten voran, während sich in Richtung Westen, von Zentral·asien bis Osteuropa, ein Reich nach dem anderen der militärischen Macht der Mongolen unter·werfen musste. China stellte also, eben·so wie Korea und Japan, eine wesent·lich größere Hürde für die mongolischen Er·oberungen dar als die west·lich gelegenen Reiche.
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Einer der frühesten Erfolge von {{g|Dschingiskhan}} nach der Einigung der mongolischen Stämme (1205) war die Eroberung Beijings (1215), das zuvor die Hauptstadt der nordchinesischen {{g|Jin}}-Dynastie gewesen war. Die Eroberung Südchinas, das zu dieser Zeit von der südlichen {{g|Song}}-Dynastie (1130–1276) regiert wurde, ging allerdings nur noch schleppend und in kleinen Schritten voran, während sich in Richtung Westen, von Zentralasien bis Osteuropa, ein Reich nach dem anderen der militärischen Macht der Mongolen unterwerfen musste. China stellte also, ebenso wie Korea und Japan, eine wesentlich größere Hürde für die mongolischen Eroberungen dar als die westlich gelegenen Reiche.
  
 
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Die vollständige Erobe·rung Chinas ge·lang erst un·ter Dschin·gis Khans En·kel {{g|Kubilaikhan}} (1215–1294, r. 1260–1294), der 1271 offi·ziell die chine·sische {{g|Yuan}}-Dynas·tie be·grün·dete und von da an als recht·mäßi·ger Kaiser Chinas agier·te. Unter Kubilai wan·delte sich der mon·goli·sche Herr·schafts·appa·rat und ins·be·son·dere der direkt unter Kubilai Khan ste·hende Teil der er·oberten Gebie·te von einem krieg·eri·schen Noma·den·reich zu einem Agrar·staat mit kom·plexen büro·krati·schen Hierar·chien nach chinesi·schem Muster. Die dünne Herr·schafts·schicht der einst zügel·losen Er·oberer wurde auf diese Weise von der Kultur der Er·ober·ten domes·tiziert.
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Die vollständige Eroberung Chinas gelang erst unter Dschingis Khans Enkel {{g|Kubilaikhan}} (1215–1294, r. 1260–1294), der 1271 offiziell die chinesische {{g|Yuan}}-Dynastie begründete und von da an als rechtmäßiger Kaiser Chinas agierte. Unter Kubilai wandelte sich der mongolische Herrschaftsapparat und insbesondere der direkt unter Kubilai Khan stehende Teil der eroberten Gebiete von einem kriegerischen Nomadenreich zu einem Agrarstaat mit komplexen bürokratischen Hierarchien nach chinesischem Muster. Die dünne Herrschaftsschicht der einst zügellosen Eroberer wurde auf diese Weise von der Kultur der Eroberten domestiziert.
  
Dennoch war die Angriffs·lust der Mon·golen unter Kubilai noch nicht gänz·lich er·loschen. Laut den Be·richten {{g|Marcopolo|Marco Polos}}, der China unter Kubilai Khan be·suchte und von diesem per·sön·lich emp·fan·gen wurde, rich·teten sich die Be·gehr·lich·keiten des Groß·kahns vor allem auf Japan, das in Kubilais (und auch in Marco Polos) Augen ein Land von sagen·haf·tem Reich·tum war. Bevor an einen Angriff auf Japan aller·dings zu denken war, musste erst die Er·obe·rung Koreas ab·ge·schlos·sen werden.
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Dennoch war die Angriffslust der Mongolen unter Kubilai noch nicht gänzlich erloschen. Laut den Berichten {{g|Marcopolo|Marco Polos}}, der China unter Kubilai Khan besuchte und von diesem persönlich empfangen wurde, richteten sich die Begehrlichkeiten des Großkahns vor allem auf Japan, das in Kubilais (und auch in Marco Polos) Augen ein Land von sagenhaftem Reichtum war. Bevor an einen Angriff auf Japan allerdings zu denken war, musste erst die Eroberung Koreas abgeschlossen werden.
  
Korea wurde bereits 1231 zum Ziel mon·gol·ischer Angriffe, setzte sich aber lange Zeit erfolg·reich zur Wehr. Erst unter Kubilai kam es zu einer Art Annektion des Landes, aller·dings nicht durch einen ein·deutigen militärischen Sieg, sondern auf·grund von diplo·matischen Zu·ge·ständ·nissen. Im Aus·tausch gegen den Ab·zug der mongolischen Truppen aus der alten Haupt·stadt Koreas, erklärte sich der spätere König {{g|Weonjong}} (r. 1259–1274) zum Vasallen der Mongolen. Korea wurde so zu einem wichtigen Ver·bündeten in der letzten Phase der ostasiatischen Er·oberungen.
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Korea wurde bereits 1231 zum Ziel mongolischer Angriffe, setzte sich aber lange Zeit erfolgreich zur Wehr. Erst unter Kubilai kam es zu einer Art Annektion des Landes, allerdings nicht durch einen eindeutigen militärischen Sieg, sondern aufgrund von diplomatischen Zugeständnissen. Im Austausch gegen den Abzug der mongolischen Truppen aus der alten Hauptstadt Koreas, erklärte sich der spätere König {{g|Weonjong}} (r. 1259–1274) zum Vasallen der Mongolen. Korea wurde so zu einem wichtigen Verbündeten in der letzten Phase der ostasiatischen Eroberungen.
  
 
==Angriffe auf Japan==
 
==Angriffe auf Japan==
  
Die Kontakt·aufnahme der mon·gol·ischen {{g|Yuan}}-Dynastie mit Japan begann 1266 und folgte den diplomatischen Spiel·regeln früherer chinesischer Dynastien: aus dem selbst·ver·ständ·lichen Anspruch, die Mitte und zu·gleich den Höhe·punkt mensch·licher Zivilisation darzu·stellen, gewährte man auch den Herrschern der um·liegenden Reiche, je nach Ab·stand zur chinesischen „Mitte“ ein be·stimmtes, genau ab·ge·wogenes Maß an Respekt. Ent·sprechende Bot·schaften wurden ab 1266 in un·regel·mäßigen Abständen und meist über Ver·mittlung Koreas an die japanischen Herrscher ent·sandt. Nach dem Inhalt der ersten Bot·schaften zu schließen, handelte es sich weder um offene Kriegs·erklärungen noch um konkrete Tribut·forderungen, aber doch um un·miss·ver·ständ·liche Aufforderungen, die Über·legen·heit der mongolischen Herrscher an·zu·er·kennen.<ref>Zum Wort·laut des Schreibens vgl. Bockhold 1982, 84–85</ref> Inwieweit dies bereits eine versteckte Kriegsdrohung an Japan war, ist im historischen Rück·blick nicht einfach her·aus·zu·lesen. Faktum ist, dass die Japaner zu·nächst einmal gar nicht auf Kubilais Botschaften reagierten und damit einen will·kommenen Anlass für die zu·nehmend feind·selige Haltung der Mongolen lieferten.
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Die Kontaktaufnahme der mongolischen {{g|Yuan}}-Dynastie mit Japan begann 1266 und folgte den diplomatischen Spielregeln früherer chinesischer Dynastien: aus dem selbstverständlichen Anspruch, die Mitte und zugleich den Höhepunkt menschlicher Zivilisation darzustellen, gewährte man auch den Herrschern der umliegenden Reiche, je nach Abstand zur chinesischen „Mitte“ ein bestimmtes, genau abgewogenes Maß an Respekt. Entsprechende Botschaften wurden ab 1266 in unregelmäßigen Abständen und meist über Vermittlung Koreas an die japanischen Herrscher entsandt. Nach dem Inhalt der ersten Botschaften zu schließen, handelte es sich weder um offene Kriegserklärungen noch um konkrete Tributforderungen, aber doch um unmissverständliche Aufforderungen, die Überlegenheit der mongolischen Herrscher anzuerkennen.<ref>Zum Wortlaut des Schreibens vgl. Bockhold 1982, 84–85</ref> Inwieweit dies bereits eine versteckte Kriegsdrohung an Japan war, ist im historischen Rückblick nicht einfach herauszulesen. Faktum ist, dass die Japaner zunächst einmal gar nicht auf Kubilais Botschaften reagierten und damit einen willkommenen Anlass für die zunehmend feindselige Haltung der Mongolen lieferten.
  
Neben dem von Marco Polo geschilderten Reichtum Japans gab es viel·leicht auch komplexere geo·poli·tische Über·legungen, die zu Angriffsplänen auf den Inselstaat führten. Die dafür nötigen logistischen An·strengungen wurden nämlich zunächst haupt·sächlich dem neuen Vasallen·staat Korea auf·ge·bürdet. Die Aus·sicht auf Beute sollte die Koreaner möglicher·weise bei der Stange halten und den Mongolen damit den Rücken für ein weiteres Vor·dringen in den Süden Chinas freihalten. In der Tat war der Auftrag an Korea, 1000 Kriegs·schiffe zu bauen und zu·gleich auch die Ver·sorgung einer ent·sprech·enden Anzahl von Soldaten vor·zu·bereiten, so gewaltig, dass Teile des koreanischen Heeres neuerlich rebellierten (1270–73), was zu einer Ver·zögerung des Angriffs auf Japan führte.
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Neben dem von Marco Polo geschilderten Reichtum Japans gab es vielleicht auch komplexere geopolitische Überlegungen, die zu Angriffsplänen auf den Inselstaat führten. Die dafür nötigen logistischen Anstrengungen wurden nämlich zunächst hauptsächlich dem neuen Vasallenstaat Korea aufgebürdet. Die Aussicht auf Beute sollte die Koreaner möglicherweise bei der Stange halten und den Mongolen damit den Rücken für ein weiteres Vordringen in den Süden Chinas freihalten. In der Tat war der Auftrag an Korea, 1000 Kriegsschiffe zu bauen und zugleich auch die Versorgung einer entsprechenden Anzahl von Soldaten vorzubereiten, so gewaltig, dass Teile des koreanischen Heeres neuerlich rebellierten (1270–73), was zu einer Verzögerung des Angriffs auf Japan führte.
  
 
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1274 war es dann schließlich so weit. Die kombinierten Streitkräfte Koreas und Yuan-Chinas (mongolischen Be·richten zufolge 900 Schiffe mit ins·gesamt fast 30.000 Soldaten) setzten zur Überquerung der ca. 150 km breiten Meerenge an, die Korea von der südlichen japanischen Hauptinsel Kyūshū trennt. Die An·greifer machten Station auf den zu Japan gehörigen Inseln {{g|Tsushima}} und {{g|Iki}}, wo sie den Wider·stand örtlicher {{g|Samurai}} rasch in den Griff be·kamen. Es gelang ihnen, verhältnis·mäßig un·ge·hindert in der Bucht von {{g|Hakata}} (dem heutigen Fukuoka) an Land zu gehen, wo sich ihnen am 20.10.1274 endlich ein größeres Heer von Ver·teidigern entgegenstellte.
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1274 war es dann schließlich so weit. Die kombinierten Streitkräfte Koreas und Yuan-Chinas (mongolischen Berichten zufolge 900 Schiffe mit insgesamt fast 30.000 Soldaten) setzten zur Überquerung der ca. 150 km breiten Meerenge an, die Korea von der südlichen japanischen Hauptinsel Kyūshū trennt. Die Angreifer machten Station auf den zu Japan gehörigen Inseln {{g|Tsushima}} und {{g|Iki}}, wo sie den Widerstand örtlicher {{g|Samurai}} rasch in den Griff bekamen. Es gelang ihnen, verhältnismäßig ungehindert in der Bucht von {{g|Hakata}} (dem heutigen Fukuoka) an Land zu gehen, wo sich ihnen am 20.10.1274 endlich ein größeres Heer von Verteidigern entgegenstellte.
  
Japanische und mongolische Berichte stimmen weit·gehend dahin·gehend über·ein, dass die kriegerischen Aus·ein·ander·setzungen zu·nächst günstig für die Angreifer ver·liefen. Die Japaner wurden in die Festung von {{g|Dazaifu}} zurück·ge·drängt, die Hafenstadt Hakata wurde von den Mongolen in Brand ge·steckt. Dennoch gab es auch auf mongolischer Seite Ver·luste, u.a. wurde der mongolische Vizeadmiral schwer ver·wundet. Dem Historiker Thomas Conlan zu·folge waren vor allem die japanischen Bögen — damals die Haupt·waffe der Samurai — aufgrund der größeren Bogen·länge den viel ge·rühmten mongolischen Reflex·bögen an Reichweite überlegen.
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Japanische und mongolische Berichte stimmen weitgehend dahingehend überein, dass die kriegerischen Auseinandersetzungen zunächst günstig für die Angreifer verliefen. Die Japaner wurden in die Festung von {{g|Dazaifu}} zurückgedrängt, die Hafenstadt Hakata wurde von den Mongolen in Brand gesteckt. Dennoch gab es auch auf mongolischer Seite Verluste, u.a. wurde der mongolische Vizeadmiral schwer verwundet. Dem Historiker Thomas Conlan zufolge waren vor allem die japanischen Bögen — damals die Hauptwaffe der Samurai — aufgrund der größeren Bogenlänge den viel gerühmten mongolischen Reflexbögen an Reichweite überlegen.
  
Aus nach wie vor unerfindlichen Gründen zog sich das Heer der Angreifer aber nach dem ersten Gefechtstag auf japanischem Boden wieder zurück. Zeit·ge·nössische Quellen bringen hier zum ersten Mal die legendären Götter·winde (''kamikaze'') ins Spiel, doch eigen·artiger·weise ist davon nur in mongolischen Berichten zu lesen. In den beiden japanischen Quellen, die die mon·gol·ischen Kämpfe am ausführlichsten beschreiben ({{g|Moukoushuuraiekotoba}} und {{g|Hachimangudoukun}}), ist von diesen Winden im Jahr 1274 nichts zu finden. Nur im entfernten Kyōto notierte der Höfling {{g|Kadenokoujikanenaka}} in sein Tage·buch, dass ihm die frohe Nachricht zu Ohren ge·kommen sei, Winde aus östlicher Richtung hätten die mon·gol·ischen Schiffe in ihre Heimat zurückgeblasen.<ref>Conlan 2001.</ref>
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Aus nach wie vor unerfindlichen Gründen zog sich das Heer der Angreifer aber nach dem ersten Gefechtstag auf japanischem Boden wieder zurück. Zeitgenössische Quellen bringen hier zum ersten Mal die legendären Götterwinde (''kamikaze'') ins Spiel, doch eigenartigerweise ist davon nur in mongolischen Berichten zu lesen. In den beiden japanischen Quellen, die die mongolischen Kämpfe am ausführlichsten beschreiben ({{g|Moukoushuuraiekotoba}} und {{g|Hachimangudoukun}}), ist von diesen Winden im Jahr 1274 nichts zu finden. Nur im entfernten Kyōto notierte der Höfling {{g|Kadenokoujikanenaka}} in sein Tagebuch, dass ihm die frohe Nachricht zu Ohren gekommen sei, Winde aus östlicher Richtung hätten die mongolischen Schiffe in ihre Heimat zurückgeblasen.<ref>Conlan 2001.</ref>
  
Damit war die mongolische Gefahr fürs erste gebannt, aber beiden Seiten war klar, dass dies noch nicht das Ende der Feind·selig·keiten be·deutete. Nach dem end·gültigen Sieg über die {{g|Song}}-Dynastie (1279) wandte sich Kubilai Khan ein weiteres Mal der japanischen Sache zu und ließ dies·mal eine noch mächtigere Flotte er·richten, die von zwei Stütz·punkten aus starten sollte: Südchina und Korea. Wieder waren es ehe·malige Feinde, die die Haupt·last des Militär·schlags auf Japan zu leisten hatten.
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Damit war die mongolische Gefahr fürs erste gebannt, aber beiden Seiten war klar, dass dies noch nicht das Ende der Feindseligkeiten bedeutete. Nach dem endgültigen Sieg über die {{g|Song}}-Dynastie (1279) wandte sich Kubilai Khan ein weiteres Mal der japanischen Sache zu und ließ diesmal eine noch mächtigere Flotte errichten, die von zwei Stützpunkten aus starten sollte: Südchina und Korea. Wieder waren es ehemalige Feinde, die die Hauptlast des Militärschlags auf Japan zu leisten hatten.
  
In Japan war man in der Zwischen·zeit nicht untätig geblieben. Zwischen den beiden Angriffen (1274 und 81) gelang es, vor Hakata (dem natürlichen Eingang nach Kyūshū und in der Folge nach den anderen Haupt·inseln Japans) eine 12km lange Befestigungsmauer zum Meer hin zu er·richten, die bald gute Dienste leisten sollte. Auch scheint man sich besser um die innere militärische Organisation der Abwehr gekümmert zu haben.
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In Japan war man in der Zwischenzeit nicht untätig geblieben. Zwischen den beiden Angriffen (1274 und 81) gelang es, vor Hakata (dem natürlichen Eingang nach Kyūshū und in der Folge nach den anderen Hauptinseln Japans) eine 12km lange Befestigungsmauer zum Meer hin zu errichten, die bald gute Dienste leisten sollte. Auch scheint man sich besser um die innere militärische Organisation der Abwehr gekümmert zu haben.
  
Auf Seiten der Angreifer klappte die Logistik 1281 weniger gut. Es ge·lang nicht, die beiden Haupt·flotten wie geplant zu synchronisieren, so·dass sich der Zeitpunkt des Angriffs ge·fähr·lich nahe an die Saison der Taifune an·zu·nähern begann. Bis auf den heutigen Tag ist be·sonders Kyūshū, aber auch Südkorea, jedes Jahr im Spät·sommer, bzw. im Frühherbst einer Reihe von Wirbel·stürmen (japanisch {{g|taifuu}}, wtl. Großer Wind → „Taifun“) ausgesetzt. Das Risiko eines solchen Wirbel·sturms muss den Angreifern bewusst gewesen sein. Möglicherweise war dies mit ein Grund, warum der kleinere Teil der Angreifer — die Flotte aus Korea — angriff, ohne das Ein·treffen der Flotte aus Südchina abzuwarten. Sie musste eine ent·sprechende Niederlage hin·nehmen und zog un·ver·richteter Dinge wieder ab (allerdings nicht ohne die Bevölkerung der Japan vor·ge·lagerten kleineren Inseln ein weiteres Mal zu massakrieren).
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Auf Seiten der Angreifer klappte die Logistik 1281 weniger gut. Es gelang nicht, die beiden Hauptflotten wie geplant zu synchronisieren, sodass sich der Zeitpunkt des Angriffs gefährlich nahe an die Saison der Taifune anzunähern begann. Bis auf den heutigen Tag ist besonders Kyūshū, aber auch Südkorea, jedes Jahr im Spätsommer, bzw. im Frühherbst einer Reihe von Wirbelstürmen (japanisch {{g|taifuu}}, wtl. Großer Wind → „Taifun“) ausgesetzt. Das Risiko eines solchen Wirbelsturms muss den Angreifern bewusst gewesen sein. Möglicherweise war dies mit ein Grund, warum der kleinere Teil der Angreifer — die Flotte aus Korea — angriff, ohne das Eintreffen der Flotte aus Südchina abzuwarten. Sie musste eine entsprechende Niederlage hinnehmen und zog unverrichteter Dinge wieder ab (allerdings nicht ohne die Bevölkerung der Japan vorgelagerten kleineren Inseln ein weiteres Mal zu massakrieren).
  
Als die chinesische Flotte (angeblich 100.000 Mann) schließlich eintraf, war es ihren Soldaten auf·grund der Be·festigungs·anlagen ebenfalls un·möglich, auf japanischem Boden Fuß zu fassen. Die mongolischen Truppen be·zogen daher auf der Insel {{g|Takashima}} Stellung und hielten dort sechs Wochen in einer Art Be·lagerungs·zu·stand aus. Von Japan aus erfolgten in dieser Zeit guerillataktische An·griffe: Einer·seits ver·suchte man die Ver·sorgungs·schiffe der Angreifer an·zu·greifen, anderer·seits gab es von kleinen wendigen Booten aus nächt·liche Über·fälle auf größere mongolische Schiffe. Schließlich kam dann offen·bar tat·säch·lich ein Taifun, der den Großteil der an·greifenden Schiffe zerstörte und die wenigen übrigen zu einem hastigen Rückzug ver·anlasste. Der zweite Angriff auf Japan endete somit in einer ver·heerenden Nieder·lage der {{g|Yuan}}-chinesischen Angreifer.
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Als die chinesische Flotte (angeblich 100.000 Mann) schließlich eintraf, war es ihren Soldaten aufgrund der Befestigungsanlagen ebenfalls unmöglich, auf japanischem Boden Fuß zu fassen. Die mongolischen Truppen bezogen daher auf der Insel {{g|Takashima}} Stellung und hielten dort sechs Wochen in einer Art Belagerungszustand aus. Von Japan aus erfolgten in dieser Zeit guerillataktische Angriffe: Einerseits versuchte man die Versorgungsschiffe der Angreifer anzugreifen, andererseits gab es von kleinen wendigen Booten aus nächtliche Überfälle auf größere mongolische Schiffe. Schließlich kam dann offenbar tatsächlich ein Taifun, der den Großteil der angreifenden Schiffe zerstörte und die wenigen übrigen zu einem hastigen Rückzug veranlasste. Der zweite Angriff auf Japan endete somit in einer verheerenden Niederlage der {{g|Yuan}}-chinesischen Angreifer.
  
 
== Die Frage der Götterwinde==
 
== Die Frage der Götterwinde==
  
In der späteren japanischen Geschichts·schreibung gewannen die Götter·winde zu·nehmend an Bedeutung und wurden in beiden Feld·zügen als kriegs·ent·scheidend dar·gestellt. Es existieren jedoch wie bereits erwähnt zwei Quellen, die die mongolischen Angriffe aus verhältnis·mäßig geringer zeitlicher Distanz schildern und in denen die ''kamikaze'' über·raschender·weise gar nicht vor·kommen: Einer dieser Berichte, das ''Mōkō shūrai ekotoba'' ist der Augen·zeugen·bericht eines ver·hältnis·mäßig niedrigen Samurai namens {{g|Takezakisuenaga}}, der seine Helden·taten nicht nur nieder·schrieb, sondern auch illustrieren ließ. Dieser Bericht ist deutlich von dem Interesse getragen, den helden·haften Charakter seines Protagonisten zu schildern. Es nimmt insofern nicht weiter Wunder, dass die göttlichen Winde nicht erwähnt werden, da auch der all·ge·meine Verlauf der Schlacht kaum berück·sichtigt wird. Den·noch ent·hüllt der Bericht zahl·reiche interessante Besonder·heiten der japanischen Verteidigung.
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In der späteren japanischen Geschichtsschreibung gewannen die Götterwinde zunehmend an Bedeutung und wurden in beiden Feldzügen als kriegsentscheidend dargestellt. Es existieren jedoch wie bereits erwähnt zwei Quellen, die die mongolischen Angriffe aus verhältnismäßig geringer zeitlicher Distanz schildern und in denen die ''kamikaze'' überraschenderweise gar nicht vorkommen: Einer dieser Berichte, das ''Mōkō shūrai ekotoba'' ist der Augenzeugenbericht eines verhältnismäßig niedrigen Samurai namens {{g|Takezakisuenaga}}, der seine Heldentaten nicht nur niederschrieb, sondern auch illustrieren ließ. Dieser Bericht ist deutlich von dem Interesse getragen, den heldenhaften Charakter seines Protagonisten zu schildern. Es nimmt insofern nicht weiter Wunder, dass die göttlichen Winde nicht erwähnt werden, da auch der allgemeine Verlauf der Schlacht kaum berücksichtigt wird. Dennoch enthüllt der Bericht zahlreiche interessante Besonderheiten der japanischen Verteidigung.
  
In Japan regierte zu dieser Zeit eine Militär·regierung ({{g|shougun|Shōgunat}}), die sich aus Vertretern der Krieger·klasse (Samurai) zusammen·setzte. Das ganze Land war verhältnismäßig hoch militarisiert, aber die Regierung verfügte über keine nennenswerte stehende Armee, sondern war auf die Loyalität ihrer Vasallen an·ge·wiesen. Der offizielle Ober·befehls·haber der Ver·teidiger in Kyūshū hatte daher auch keine absolute Befehls·gewalt über die beteiligten Krieger. Diese wurden viel·mehr durch die Aussicht auf Be·lohnungen, die die Regierung für besonders helden·hafte Einzel·leistungen in Aussicht stellte, motiviert. Dieses System der Be·lohnungen war bereits so weit institutionalisiert, dass sich Krieger, bevor sie in den Kampf zogen, eines „Zeugen“ ver·sicherten, der ihre Ansprüche auf Be·lohnung im Falle ihres Über·lebens per Eid be·stätigen sollte. Diese Zeugen sollten mit dem Bitt·steller möglichst in keinem verwandt·schaft·lichen Verhältnis stehen. Eine weitere Form, seine Ver·dienste unter Beweis zu stellen, war das Vor·zeigen von Köpfen der ge·töteten Feinde. Ebenso wie bei den Mongolen wurden also auch auf japanischer Seite kaum Ge·fangene gemacht.
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In Japan regierte zu dieser Zeit eine Militärregierung ({{g|shougun|Shōgunat}}), die sich aus Vertretern der Kriegerklasse (Samurai) zusammensetzte. Das ganze Land war verhältnismäßig hoch militarisiert, aber die Regierung verfügte über keine nennenswerte stehende Armee, sondern war auf die Loyalität ihrer Vasallen angewiesen. Der offizielle Oberbefehlshaber der Verteidiger in Kyūshū hatte daher auch keine absolute Befehlsgewalt über die beteiligten Krieger. Diese wurden vielmehr durch die Aussicht auf Belohnungen, die die Regierung für besonders heldenhafte Einzelleistungen in Aussicht stellte, motiviert. Dieses System der Belohnungen war bereits so weit institutionalisiert, dass sich Krieger, bevor sie in den Kampf zogen, eines „Zeugen“ versicherten, der ihre Ansprüche auf Belohnung im Falle ihres Überlebens per Eid bestätigen sollte. Diese Zeugen sollten mit dem Bittsteller möglichst in keinem verwandtschaftlichen Verhältnis stehen. Eine weitere Form, seine Verdienste unter Beweis zu stellen, war das Vorzeigen von Köpfen der getöteten Feinde. Ebenso wie bei den Mongolen wurden also auch auf japanischer Seite kaum Gefangene gemacht.
  
 
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Die „Heldentat“ unseres Chronisten Suenaga bestand im Fall der ersten Mongolen·invasion in nichts anderem als dem toll·kühnen Versuch, mit einem kleinen Trupp von Unter·gebenen gegen die An·greifer an·zu·reiten, bevor der japanische Heer·führer das Zeichen zum Angriff gegeben hatte. Es war also in der Tat eine Art „Kamikaze-Aktion“. Obwohl Suenaga mit viel Glück überlebte, konnte er keinen feind·lichen Kopf erbeuten. Da er aber durch einen Zeugen seine Ver·wundungen und den Ver·lust von Pferden und Dienern be·weisen konnte, erhielt er als Be·lohnung Ersatz für seine Pferde und eine offizielle Be·stätigung seines Mutes. Dies war der eigent·liche Zweck seines Ein·satzes, denn diese Be·stätigung konnte er in lokalen Besitz- und Erb·streitig·keiten zu seinen Gunsten einsetzen.
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Die „Heldentat“ unseres Chronisten Suenaga bestand im Fall der ersten Mongoleninvasion in nichts anderem als dem tollkühnen Versuch, mit einem kleinen Trupp von Untergebenen gegen die Angreifer anzureiten, bevor der japanische Heerführer das Zeichen zum Angriff gegeben hatte. Es war also in der Tat eine Art „Kamikaze-Aktion“. Obwohl Suenaga mit viel Glück überlebte, konnte er keinen feindlichen Kopf erbeuten. Da er aber durch einen Zeugen seine Verwundungen und den Verlust von Pferden und Dienern beweisen konnte, erhielt er als Belohnung Ersatz für seine Pferde und eine offizielle Bestätigung seines Mutes. Dies war der eigentliche Zweck seines Einsatzes, denn diese Bestätigung konnte er in lokalen Besitz- und Erbstreitigkeiten zu seinen Gunsten einsetzen.
  
 
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Das Belohnungs·system der Militär·regierung stützte sich somit auf eine Art Helden·ethos, der in der gesamten Schicht der Samurai anerkannt wurde. Einzelne Individuen wurden unter Berufung auf einen solchen Helden·ethos zu un·ge·wöhn·lichen Einzel·leistungen angereizt. Andererseits war es schwer, derartige „Helden“ einer größeren militärischen Strategie unter·zu·ordnen. Diese grundsätzliche Charakteristik mittel·alterlicher japanischer Kriegs·führung kommt nicht nur in den Berichten Suenagas, sondern auch in den damaligen Helden·epen deutlich zum Ausdruck. Im Unterschied zu den literarischen Heldenepen widmet Suenaga den Kriegs·er·eignissen aller·dings nur ein paar Zeilen, während er die büro·kratischen Hürden bei der Er·langung seiner An·er·kennung mit großer Aus·führ·lich·keit beschreibt. Es scheint, als ob die Ver·handlung mit den Behörden den wesent·lich schwierigeren Teil seiner kriegerischen Operationen ausgemacht hätten.
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Das Belohnungssystem der Militärregierung stützte sich somit auf eine Art Heldenethos, der in der gesamten Schicht der Samurai anerkannt wurde. Einzelne Individuen wurden unter Berufung auf einen solchen Heldenethos zu ungewöhnlichen Einzelleistungen angereizt. Andererseits war es schwer, derartige „Helden“ einer größeren militärischen Strategie unterzuordnen. Diese grundsätzliche Charakteristik mittelalterlicher japanischer Kriegsführung kommt nicht nur in den Berichten Suenagas, sondern auch in den damaligen Heldenepen deutlich zum Ausdruck. Im Unterschied zu den literarischen Heldenepen widmet Suenaga den Kriegsereignissen allerdings nur ein paar Zeilen, während er die bürokratischen Hürden bei der Erlangung seiner Anerkennung mit großer Ausführlichkeit beschreibt. Es scheint, als ob die Verhandlung mit den Behörden den wesentlich schwierigeren Teil seiner kriegerischen Operationen ausgemacht hätten.
  
 
==Die Rolle der religiösen Institutionen==
 
==Die Rolle der religiösen Institutionen==
  
Obwohl Suenaga die göttlichen Winde nicht erwähnt, sind moderne Historiker über·wiegend der Meinung, dass die Wind·verhält·nisse an der japanischen Küste den Kriegsverlauf in der Tat be·ein·flussten. Dies wird unter anderem durch das er·wähnte ''Hachiman gudōkun'' bestätigt, die zweite der zeit·lich nächst·liegenden japanischen Quellen. Es wurde in der offen·sicht·lichen Absicht ver·fasst, den Gott {{g|Hachiman}} als den eigentlichen Verantwortlichen für die Winde und damit für den japanischen Sieg dar·zu·stellen. Dennoch legen die z.T. recht genauen Be·schreibungen des Schlachten·verlaufs in diesem Werk nahe, dass die Winde allein für den Sieg nicht aus·reichten. Wieso aber schrieben vor·moderne japanische Quellen mit zu·nehmenden zeitlichen Ab·ständen zu den Ereignissen den Götter·winden eine höhere Be·deutung zu als den Helden·taten japanischer Samurai? Aus Sicht der Mongolen mag es ver·ständlich sein, dass man sich lieber einem Natur·ereignis als der Kriegs·kunst eines Gegners ge·schlagen geben wollte, aber wie erklärt sich die Be·tonung der Götter und ihrer Winde aus japanischer Sicht? Die Ant·wort scheint in Tatsache zu liegen, dass neben den Kriegern auch religiöse Institutionen um die An·er·kennung ihres Anteils am japanischen Erfolg wett·eiferten. Und sie taten dies wahr·schein·lich mit noch größerem Erfolg als die Krieger.
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Obwohl Suenaga die göttlichen Winde nicht erwähnt, sind moderne Historiker überwiegend der Meinung, dass die Windverhältnisse an der japanischen Küste den Kriegsverlauf in der Tat beeinflussten. Dies wird unter anderem durch das erwähnte ''Hachiman gudōkun'' bestätigt, die zweite der zeitlich nächstliegenden japanischen Quellen. Es wurde in der offensichtlichen Absicht verfasst, den Gott {{g|Hachiman}} als den eigentlichen Verantwortlichen für die Winde und damit für den japanischen Sieg darzustellen. Dennoch legen die z.T. recht genauen Beschreibungen des Schlachtenverlaufs in diesem Werk nahe, dass die Winde allein für den Sieg nicht ausreichten. Wieso aber schrieben vormoderne japanische Quellen mit zunehmenden zeitlichen Abständen zu den Ereignissen den Götterwinden eine höhere Bedeutung zu als den Heldentaten japanischer Samurai? Aus Sicht der Mongolen mag es verständlich sein, dass man sich lieber einem Naturereignis als der Kriegskunst eines Gegners geschlagen geben wollte, aber wie erklärt sich die Betonung der Götter und ihrer Winde aus japanischer Sicht? Die Antwort scheint in Tatsache zu liegen, dass neben den Kriegern auch religiöse Institutionen um die Anerkennung ihres Anteils am japanischen Erfolg wetteiferten. Und sie taten dies wahrscheinlich mit noch größerem Erfolg als die Krieger.
  
Selbst Suenaga verrät, dass die Götter das letzte Wort über den Aus·gang einer Schlacht hatten, wie immer ge·schickt er und die anderen Krieger sich auch an·stellten. Dass Sieg oder Nieder·lage letztlich ein Werk der Götter (heute würde man viel·leicht sagen: des Zufalls) war, galt also als un·be·zweifel·bare Tatsache. Und so bestand ein be·trächt·licher Teil der Kriegs·vor·be·reitungen Japans in auf·wendigen Gebeten und Ritualen, die nicht selten vom {{g|Tennou}} selbst ab·ge·halten oder in Auftrag ge·ge·ben wurden. Die Hauptrolle spielten aber buddhistische Mönche, die sich interessanter·weise weniger an {{s|Buddha|Buddhas}} und {{s|Bodhisattva|Bodhisattvas}}, sondern an [[Ikonographie/Shinto-Götter | einheimische Gottheiten]] (im speziellen an die Gottheiten Hachiman und {{g|Amaterasu}}) wandten.
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Selbst Suenaga verrät, dass die Götter das letzte Wort über den Ausgang einer Schlacht hatten, wie immer geschickt er und die anderen Krieger sich auch anstellten. Dass Sieg oder Niederlage letztlich ein Werk der Götter (heute würde man vielleicht sagen: des Zufalls) war, galt also als unbezweifelbare Tatsache. Und so bestand ein beträchtlicher Teil der Kriegsvorbereitungen Japans in aufwendigen Gebeten und Ritualen, die nicht selten vom {{g|Tennou}} selbst abgehalten oder in Auftrag gegeben wurden. Die Hauptrolle spielten aber buddhistische Mönche, die sich interessanterweise weniger an {{s|Buddha|Buddhas}} und {{s|Bodhisattva|Bodhisattvas}}, sondern an [[Ikonographie/Shinto-Götter | einheimische Gottheiten]] (im speziellen an die Gottheiten Hachiman und {{g|Amaterasu}}) wandten.
  
Dies mag auf den ersten Blick irrational erscheinen, ge·horchte aber sicher einer zweck·ge·richteten Logik: Eine grund·sätzliche Schwierigkeit bei der Mobilisierung der japanischen Ver·teidigung be·stand darin, die mongolische Be·drohung als nationale Katastrophe dar·zu·stellen, die jeden einzelnen etwas anging. Die Vor·stellung, einem ge·meinsamen Reich zu dienen, das man nach außen ver·teidigen musste, war unter mittel·alterlichen Samurai nur äußerst schwach vorhanden. Tat·säch·lich fand man sich ja an·ge·sichts der drohenden Invasion der Mongolen vor eine historisch noch nie da·ge·wesene Situation gestellt.
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Dies mag auf den ersten Blick irrational erscheinen, gehorchte aber sicher einer zweckgerichteten Logik: Eine grundsätzliche Schwierigkeit bei der Mobilisierung der japanischen Verteidigung bestand darin, die mongolische Bedrohung als nationale Katastrophe darzustellen, die jeden einzelnen etwas anging. Die Vorstellung, einem gemeinsamen Reich zu dienen, das man nach außen verteidigen musste, war unter mittelalterlichen Samurai nur äußerst schwach vorhanden. Tatsächlich fand man sich ja angesichts der drohenden Invasion der Mongolen vor eine historisch noch nie dagewesene Situation gestellt.
  
Es galt also zunächst eine Ideo·logie zu kreieren, die über die Einzel·interessen der Krieger hinaus ein einigendes Be·wusst·sein der Ver·teidiger aus den ver·schiedenen Teilen Japans schuf. Dazu waren zu dieser Zeit nur die religiösen Institutionen fähig. Sie mussten aus einer speziellen Mischung von [[Grundbegriffe/Buddhismus | Buddhismus]] und [[Grundbegriffe/Shinto | Shintō]] den ideo·logischen Kitt erzeugen, der in modernen National·staaten in Form von nationaler Solidarität und Patriotismus mehr oder weniger selbst·ver·ständlich vor·aus·gesetzt werden kann.
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Es galt also zunächst eine Ideologie zu kreieren, die über die Einzelinteressen der Krieger hinaus ein einigendes Bewusstsein der Verteidiger aus den verschiedenen Teilen Japans schuf. Dazu waren zu dieser Zeit nur die religiösen Institutionen fähig. Sie mussten aus einer speziellen Mischung von [[Grundbegriffe/Buddhismus | Buddhismus]] und [[Grundbegriffe/Shinto | Shintō]] den ideologischen Kitt erzeugen, der in modernen Nationalstaaten in Form von nationaler Solidarität und Patriotismus mehr oder weniger selbstverständlich vorausgesetzt werden kann.
  
In diesem Zu·sammen·hang war der Mythos der Götterwinde schon in der Vor·be·reitung der Ver·teidiger ein religiös-ideologischer Topos: Das ''Hachiman gudōkun'', die zweite der bereits ge·nannten japanischen Quellen, zitiert ein Gebet des bud·dhis·tischen Abtes {{g|Eizon}}, eines der prominentesten buddhistischen Würden·träger seiner Zeit, an den ein·heimischen Gott Hachiman: dieser möge Winde auf·kommen lassen, die die Feinde ohne ihnen Verletzungen zu·zu·fügen in ihre Heimat zurückschickten. Der Religions·historiker Fabio Rambelli, der sich mit dem Mythos der Götter·winde aus·führlich aus·einander gesetzt hat, weist außerdem darauf hin, dass die Liturgie, mit der man den Mongolen begegnete, dem Muster der Abwehr von Natur·katas·trophen folgte. Während die meisten buddhistischen Mönche vor, während und nach den Mongolen·angriffen derartige Riten und Gebete ab·hielten, um den Sieg Japans sicher zu stellen, gab es auch Eiferer wie den Mönch {{g|Nichiren}}, der die Mongolen als Werk·zeug von Buddhas und ''kami'' ansahen, um Japan für die Ver·derbt·heit seiner Sitten zu strafen.
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In diesem Zusammenhang war der Mythos der Götterwinde schon in der Vorbereitung der Verteidiger ein religiös-ideologischer Topos: Das ''Hachiman gudōkun'', die zweite der bereits genannten japanischen Quellen, zitiert ein Gebet des buddhistischen Abtes {{g|Eizon}}, eines der prominentesten buddhistischen Würdenträger seiner Zeit, an den einheimischen Gott Hachiman: dieser möge Winde aufkommen lassen, die die Feinde ohne ihnen Verletzungen zuzufügen in ihre Heimat zurückschickten. Der Religionshistoriker Fabio Rambelli, der sich mit dem Mythos der Götterwinde ausführlich auseinander gesetzt hat, weist außerdem darauf hin, dass die Liturgie, mit der man den Mongolen begegnete, dem Muster der Abwehr von Naturkatastrophen folgte. Während die meisten buddhistischen Mönche vor, während und nach den Mongolenangriffen derartige Riten und Gebete abhielten, um den Sieg Japans sicher zu stellen, gab es auch Eiferer wie den Mönch {{g|Nichiren}}, der die Mongolen als Werkzeug von Buddhas und {{g|kami}} ansahen, um Japan für die Verderbtheit seiner Sitten zu strafen.
  
Nach der erfolgreichen Zurück·schlagung der Mongolen waren die religiösen Instutionen wahr·schein·lich auch die einzigen wirklichen Gewinner der Situation. Nach·dem weiter die Not·wendig·keit bestand, Japan gegen mögliche Angriffe der Mongolen zu ver·teidigen, nahmen auch die rituellen Aktivitäten zur Mobilisierung der Götter·welt nicht ab. Im Mythos der Götter·winde festigte sich die Vor·stellung, dass einer Be·drohung durch fremde Mächte letzt·lich ohne göttlichen Beistand nicht bei·zu·kommen sei.
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Nach der erfolgreichen Zurückschlagung der Mongolen waren die religiösen Instutionen wahrscheinlich auch die einzigen wirklichen Gewinner der Situation. Nachdem weiter die Notwendigkeit bestand, Japan gegen mögliche Angriffe der Mongolen zu verteidigen, nahmen auch die rituellen Aktivitäten zur Mobilisierung der Götterwelt nicht ab. Im Mythos der Götterwinde festigte sich die Vorstellung, dass einer Bedrohung durch fremde Mächte letztlich ohne göttlichen Beistand nicht beizukommen sei.
  
Interessanterweise teilten sogar die Mongolen selbst die Vorstellung, dass ihre Nieder·lage aus der spirituellen Über·legen·heit ihrer Feinde resultierte. In der Geschichte der Yuan-Dynastie wird er·wähnt, dass der japanische Herrscher selbst seinen Ahnen·göttern in Ise ge·opfert hätte, worauf sich den Soldaten auf dem Meer bös·artige Schlangen ge·zeigt hätten, die schwefel·artige Dämpfe ver·breiteten: Un·heil·volle Vorboten der be·vor·stehenden Katastrophe.
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Interessanterweise teilten sogar die Mongolen selbst die Vorstellung, dass ihre Niederlage aus der spirituellen Überlegenheit ihrer Feinde resultierte. In der Geschichte der Yuan-Dynastie wird erwähnt, dass der japanische Herrscher selbst seinen Ahnengöttern in Ise geopfert hätte, worauf sich den Soldaten auf dem Meer bösartige Schlangen gezeigt hätten, die schwefelartige Dämpfe verbreiteten: Unheilvolle Vorboten der bevorstehenden Katastrophe.
  
Angreifer und Verteidiger bewegten sich also trotz aller kulturellen Unter·schiede in ähnlichen Vor·stellungs·welten. Bei zweifellos vor·handener kultureller Arroganz war das Selbstbild der Mongolen keines·wegs so von sich ein·genommen, dass man die Götter des Gegeners als bloßen Aber·glauben abtat. Wahr·schein·lich glaubten auch die Mongolen, dass letzt·lich trans·zendente Mächte über den erfolglosen Ausgang dieser Eroberung entschieden hatten.
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Angreifer und Verteidiger bewegten sich also trotz aller kulturellen Unterschiede in ähnlichen Vorstellungswelten. Bei zweifellos vorhandener kultureller Arroganz war das Selbstbild der Mongolen keineswegs so von sich eingenommen, dass man die Götter des Gegeners als bloßen Aberglauben abtat. Wahrscheinlich glaubten auch die Mongolen, dass letztlich transzendente Mächte über den erfolglosen Ausgang dieser Eroberung entschieden hatten.
 
 
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Aktuelle Version vom 6. Januar 2023, 17:34 Uhr

Götterwinde Religion und Krieg zur Zeit der mongolischen Eroberungen

Die Herrschaft der Mongolen ist aus der Sicht Japans vor allem mit einem einschneidenden Ereignis verbunden: Der erfolgreichen Abwehr eines zweifachen Invasionsversuchs der Mongolen, 1274 und 1281.1 Japan stellt somit eines der wenigen Länder dar, die dem Eroberungsdrang der Mongolen Einhalt gebieten konnten. Der traditionellen japanischen Geschichtsauffassung zufolge war dies aber nicht der militärischen Überlegenheit Japans zu verdanken, sondern Taifunen, welche die Götter Japans zum richtigen Zeitpunkt entfachten. Diese Winde werden daher „Götterwinde“ genannt, auf Japanisch kamikaze [kamikaze (jap.) 神風 Götterwind; urspr. ein poetischer Beinamen der Provinz Ise, wird der Begriff seit den Mongolenangriffen des 13. Jh.s mit göttlichem Schutz im Krieg assoziiert und daher auch mit den Selbstmord-Piloten des 2. Weltkriegs in Verbindung gebracht]. Der Mythos dieser Winde wirkte bis ins zwanzigste Jahrhundert fort, als die Selbstmordpiloten der japanischen Luftwaffe die Rolle der Götterwinde übernehmen sollten, um die „ausländischen Eroberer“ abzuwehren.

Mongolen kuniyoshi.jpg
1 Göttliche Winde zerstören die Flotte der mongolischen Angreifer
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Die mongolische Eroberung Ostasiens

Einer der frühesten Erfolge von Dschingis Khan [Dschingis Khan (chin.) 成吉思汗 ca. 1162-1227; war ein mongolischer Khan, der die mongolischen Stämme einte und weite Teile Zentralasiens und Nordchinas eroberte.] nach der Einigung der mongolischen Stämme (1205) war die Eroberung Beijings (1215), das zuvor die Hauptstadt der nordchinesischen Jin [Jin (chin.) chin. Herrschaftsdynastie; 1115–1234]-Dynastie gewesen war. Die Eroberung Südchinas, das zu dieser Zeit von der südlichen Song [Song (chin.) chin. Herrschaftsdynastie, 960–1279]-Dynastie (1130–1276) regiert wurde, ging allerdings nur noch schleppend und in kleinen Schritten voran, während sich in Richtung Westen, von Zentralasien bis Osteuropa, ein Reich nach dem anderen der militärischen Macht der Mongolen unterwerfen musste. China stellte also, ebenso wie Korea und Japan, eine wesentlich größere Hürde für die mongolischen Eroberungen dar als die westlich gelegenen Reiche.

Kublai khan.jpg
2 Kubilai Khan
Portrait von Kubilai Khan.
Werk von Anige. 1294. Wikimedia Commons.

Die vollständige Eroberung Chinas gelang erst unter Dschingis Khans Enkel Kubilai Khan [Kubilai Khan (chin.) 元世祖忽必烈 1215–1294; Großkhan der Mongolen; Kaiser von China; Begründer der Yuan-Dynastie] (1215–1294, r. 1260–1294), der 1271 offiziell die chinesische Yuan [Yuan (chin.) chin. Herrschaftsdynastie, Mongolenherrschaft, 1279–1368]-Dynastie begründete und von da an als rechtmäßiger Kaiser Chinas agierte. Unter Kubilai wandelte sich der mongolische Herrschaftsapparat und insbesondere der direkt unter Kubilai Khan stehende Teil der eroberten Gebiete von einem kriegerischen Nomadenreich zu einem Agrarstaat mit komplexen bürokratischen Hierarchien nach chinesischem Muster. Die dünne Herrschaftsschicht der einst zügellosen Eroberer wurde auf diese Weise von der Kultur der Eroberten domestiziert.

Dennoch war die Angriffslust der Mongolen unter Kubilai noch nicht gänzlich erloschen. Laut den Berichten Marco Polos [Marco Polo (west.) 1254–1324; venezianischer Händler, der durch seine Reiseberichte über China bekannt wurde], der China unter Kubilai Khan besuchte und von diesem persönlich empfangen wurde, richteten sich die Begehrlichkeiten des Großkahns vor allem auf Japan, das in Kubilais (und auch in Marco Polos) Augen ein Land von sagenhaftem Reichtum war. Bevor an einen Angriff auf Japan allerdings zu denken war, musste erst die Eroberung Koreas abgeschlossen werden.

Korea wurde bereits 1231 zum Ziel mongolischer Angriffe, setzte sich aber lange Zeit erfolgreich zur Wehr. Erst unter Kubilai kam es zu einer Art Annektion des Landes, allerdings nicht durch einen eindeutigen militärischen Sieg, sondern aufgrund von diplomatischen Zugeständnissen. Im Austausch gegen den Abzug der mongolischen Truppen aus der alten Hauptstadt Koreas, erklärte sich der spätere König Weonjong [Weonjong (kor.) 元宗/원종 1259–1274; König von Korea, r. 1259–1274] (r. 1259–1274) zum Vasallen der Mongolen. Korea wurde so zu einem wichtigen Verbündeten in der letzten Phase der ostasiatischen Eroberungen.

Angriffe auf Japan

Die Kontaktaufnahme der mongolischen Yuan [Yuan (chin.) chin. Herrschaftsdynastie, Mongolenherrschaft, 1279–1368]-Dynastie mit Japan begann 1266 und folgte den diplomatischen Spielregeln früherer chinesischer Dynastien: aus dem selbstverständlichen Anspruch, die Mitte und zugleich den Höhepunkt menschlicher Zivilisation darzustellen, gewährte man auch den Herrschern der umliegenden Reiche, je nach Abstand zur chinesischen „Mitte“ ein bestimmtes, genau abgewogenes Maß an Respekt. Entsprechende Botschaften wurden ab 1266 in unregelmäßigen Abständen und meist über Vermittlung Koreas an die japanischen Herrscher entsandt. Nach dem Inhalt der ersten Botschaften zu schließen, handelte es sich weder um offene Kriegserklärungen noch um konkrete Tributforderungen, aber doch um unmissverständliche Aufforderungen, die Überlegenheit der mongolischen Herrscher anzuerkennen.2 Inwieweit dies bereits eine versteckte Kriegsdrohung an Japan war, ist im historischen Rückblick nicht einfach herauszulesen. Faktum ist, dass die Japaner zunächst einmal gar nicht auf Kubilais Botschaften reagierten und damit einen willkommenen Anlass für die zunehmend feindselige Haltung der Mongolen lieferten.

Neben dem von Marco Polo geschilderten Reichtum Japans gab es vielleicht auch komplexere geopolitische Überlegungen, die zu Angriffsplänen auf den Inselstaat führten. Die dafür nötigen logistischen Anstrengungen wurden nämlich zunächst hauptsächlich dem neuen Vasallenstaat Korea aufgebürdet. Die Aussicht auf Beute sollte die Koreaner möglicherweise bei der Stange halten und den Mongolen damit den Rücken für ein weiteres Vordringen in den Süden Chinas freihalten. In der Tat war der Auftrag an Korea, 1000 Kriegsschiffe zu bauen und zugleich auch die Versorgung einer entsprechenden Anzahl von Soldaten vorzubereiten, so gewaltig, dass Teile des koreanischen Heeres neuerlich rebellierten (1270–73), was zu einer Verzögerung des Angriffs auf Japan führte.

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1274 war es dann schließlich so weit. Die kombinierten Streitkräfte Koreas und Yuan-Chinas (mongolischen Berichten zufolge 900 Schiffe mit insgesamt fast 30.000 Soldaten) setzten zur Überquerung der ca. 150 km breiten Meerenge an, die Korea von der südlichen japanischen Hauptinsel Kyūshū trennt. Die Angreifer machten Station auf den zu Japan gehörigen Inseln Tsushima [Tsushima (jap.) 対馬 Insel in der Meerenge zwischen Korea und Japan. Obwohl näher zu Korea gelegen (50 km) wird Tsushima traditionellerweise Japan zugerechnet.] und Iki [Iki (jap.) 壱岐  Insel in der Meerenge zwischen Korea und Japan], wo sie den Widerstand örtlicher Samurai [Samurai (jap.) im Westen übliche Bezeichnung eines Mitgliedes der Krieger-Klasse des vorindustriellen Japans; in Japan schriftspr. bushi] rasch in den Griff bekamen. Es gelang ihnen, verhältnismäßig ungehindert in der Bucht von Hakata [Hakata (jap.) 博多 alte Hafenstadt in Nord-Kyūshū, 1889 mit Fukuoka zusammengeschlossen] (dem heutigen Fukuoka) an Land zu gehen, wo sich ihnen am 20.10.1274 endlich ein größeres Heer von Verteidigern entgegenstellte.

Japanische und mongolische Berichte stimmen weitgehend dahingehend überein, dass die kriegerischen Auseinandersetzungen zunächst günstig für die Angreifer verliefen. Die Japaner wurden in die Festung von Dazaifu [Dazaifu (jap.) 太宰府 Stadt in Nord-Kyūshū, südöstlich der Stadt Fukuoka] zurückgedrängt, die Hafenstadt Hakata wurde von den Mongolen in Brand gesteckt. Dennoch gab es auch auf mongolischer Seite Verluste, u.a. wurde der mongolische Vizeadmiral schwer verwundet. Dem Historiker Thomas Conlan zufolge waren vor allem die japanischen Bögen — damals die Hauptwaffe der Samurai — aufgrund der größeren Bogenlänge den viel gerühmten mongolischen Reflexbögen an Reichweite überlegen.

Aus nach wie vor unerfindlichen Gründen zog sich das Heer der Angreifer aber nach dem ersten Gefechtstag auf japanischem Boden wieder zurück. Zeitgenössische Quellen bringen hier zum ersten Mal die legendären Götterwinde (kamikaze) ins Spiel, doch eigenartigerweise ist davon nur in mongolischen Berichten zu lesen. In den beiden japanischen Quellen, die die mongolischen Kämpfe am ausführlichsten beschreiben (Mōkō shūrai ekotoba [Mōkō shūrai ekotoba (jap.) 蒙古襲来絵詞 wtl. Illustrierter Bericht der mongolischen Invasion; bestehend aus 2 Bildrollen; entstanden zw. 1275 und 1293; in Auftrag gegeben von Takezaki Suenaga] und Hachiman gudōkun [Hachiman gudōkun (jap.) 八幡愚童訓 wtl. Lehren des Hachiman für törichte Kinder; zweiteilige Shintō-Schrift, entstanden zw. 1282? und 1300?]), ist von diesen Winden im Jahr 1274 nichts zu finden. Nur im entfernten Kyōto notierte der Höfling Kadenokōji Kanenaka [Kadenokōji Kanenaka (jap.) 勘解由小路兼仲 1244–1308; auch Hirobashi Kanenaka; Höfling aus der Fujiwara Linie; Chronist] in sein Tagebuch, dass ihm die frohe Nachricht zu Ohren gekommen sei, Winde aus östlicher Richtung hätten die mongolischen Schiffe in ihre Heimat zurückgeblasen.3

Damit war die mongolische Gefahr fürs erste gebannt, aber beiden Seiten war klar, dass dies noch nicht das Ende der Feindseligkeiten bedeutete. Nach dem endgültigen Sieg über die Song [Song (chin.) chin. Herrschaftsdynastie, 960–1279]-Dynastie (1279) wandte sich Kubilai Khan ein weiteres Mal der japanischen Sache zu und ließ diesmal eine noch mächtigere Flotte errichten, die von zwei Stützpunkten aus starten sollte: Südchina und Korea. Wieder waren es ehemalige Feinde, die die Hauptlast des Militärschlags auf Japan zu leisten hatten.

In Japan war man in der Zwischenzeit nicht untätig geblieben. Zwischen den beiden Angriffen (1274 und 81) gelang es, vor Hakata (dem natürlichen Eingang nach Kyūshū und in der Folge nach den anderen Hauptinseln Japans) eine 12km lange Befestigungsmauer zum Meer hin zu errichten, die bald gute Dienste leisten sollte. Auch scheint man sich besser um die innere militärische Organisation der Abwehr gekümmert zu haben.

Auf Seiten der Angreifer klappte die Logistik 1281 weniger gut. Es gelang nicht, die beiden Hauptflotten wie geplant zu synchronisieren, sodass sich der Zeitpunkt des Angriffs gefährlich nahe an die Saison der Taifune anzunähern begann. Bis auf den heutigen Tag ist besonders Kyūshū, aber auch Südkorea, jedes Jahr im Spätsommer, bzw. im Frühherbst einer Reihe von Wirbelstürmen (japanisch taifū [taifū (jap.) 台風 „Taifun“; tropischer Wirbelsturm mit hohen Windstärken und starken Niederschlägen], wtl. Großer Wind → „Taifun“) ausgesetzt. Das Risiko eines solchen Wirbelsturms muss den Angreifern bewusst gewesen sein. Möglicherweise war dies mit ein Grund, warum der kleinere Teil der Angreifer — die Flotte aus Korea — angriff, ohne das Eintreffen der Flotte aus Südchina abzuwarten. Sie musste eine entsprechende Niederlage hinnehmen und zog unverrichteter Dinge wieder ab (allerdings nicht ohne die Bevölkerung der Japan vorgelagerten kleineren Inseln ein weiteres Mal zu massakrieren).

Als die chinesische Flotte (angeblich 100.000 Mann) schließlich eintraf, war es ihren Soldaten aufgrund der Befestigungsanlagen ebenfalls unmöglich, auf japanischem Boden Fuß zu fassen. Die mongolischen Truppen bezogen daher auf der Insel Takashima [Takashima (jap.) 鷹島 Insel in der Präfektur Nagasaki in der Bucht vor der Stadt Matsuura] Stellung und hielten dort sechs Wochen in einer Art Belagerungszustand aus. Von Japan aus erfolgten in dieser Zeit guerillataktische Angriffe: Einerseits versuchte man die Versorgungsschiffe der Angreifer anzugreifen, andererseits gab es von kleinen wendigen Booten aus nächtliche Überfälle auf größere mongolische Schiffe. Schließlich kam dann offenbar tatsächlich ein Taifun, der den Großteil der angreifenden Schiffe zerstörte und die wenigen übrigen zu einem hastigen Rückzug veranlasste. Der zweite Angriff auf Japan endete somit in einer verheerenden Niederlage der Yuan [Yuan (chin.) chin. Herrschaftsdynastie, Mongolenherrschaft, 1279–1368]-chinesischen Angreifer.

Die Frage der Götterwinde

In der späteren japanischen Geschichtsschreibung gewannen die Götterwinde zunehmend an Bedeutung und wurden in beiden Feldzügen als kriegsentscheidend dargestellt. Es existieren jedoch wie bereits erwähnt zwei Quellen, die die mongolischen Angriffe aus verhältnismäßig geringer zeitlicher Distanz schildern und in denen die kamikaze überraschenderweise gar nicht vorkommen: Einer dieser Berichte, das Mōkō shūrai ekotoba ist der Augenzeugenbericht eines verhältnismäßig niedrigen Samurai namens Takezaki Suenaga [Takezaki Suenaga (jap.) 竹崎季長 1246 – 1314; kämpfte während der Mongoleninvasion Japans; gab die Mōkō shūrai ekotoba in Auftrag], der seine Heldentaten nicht nur niederschrieb, sondern auch illustrieren ließ. Dieser Bericht ist deutlich von dem Interesse getragen, den heldenhaften Charakter seines Protagonisten zu schildern. Es nimmt insofern nicht weiter Wunder, dass die göttlichen Winde nicht erwähnt werden, da auch der allgemeine Verlauf der Schlacht kaum berücksichtigt wird. Dennoch enthüllt der Bericht zahlreiche interessante Besonderheiten der japanischen Verteidigung.

In Japan regierte zu dieser Zeit eine Militärregierung (Shōgunat [Shōgun (jap.) 将軍 Shōgun; Titel der Militärherrscher aus dem Kriegeradel (bushi, Samurai)]), die sich aus Vertretern der Kriegerklasse (Samurai) zusammensetzte. Das ganze Land war verhältnismäßig hoch militarisiert, aber die Regierung verfügte über keine nennenswerte stehende Armee, sondern war auf die Loyalität ihrer Vasallen angewiesen. Der offizielle Oberbefehlshaber der Verteidiger in Kyūshū hatte daher auch keine absolute Befehlsgewalt über die beteiligten Krieger. Diese wurden vielmehr durch die Aussicht auf Belohnungen, die die Regierung für besonders heldenhafte Einzelleistungen in Aussicht stellte, motiviert. Dieses System der Belohnungen war bereits so weit institutionalisiert, dass sich Krieger, bevor sie in den Kampf zogen, eines „Zeugen“ versicherten, der ihre Ansprüche auf Belohnung im Falle ihres Überlebens per Eid bestätigen sollte. Diese Zeugen sollten mit dem Bittsteller möglichst in keinem verwandtschaftlichen Verhältnis stehen. Eine weitere Form, seine Verdienste unter Beweis zu stellen, war das Vorzeigen von Köpfen der getöteten Feinde. Ebenso wie bei den Mongolen wurden also auch auf japanischer Seite kaum Gefangene gemacht.

Mokoshurai ekotoba2.jpg
3 Japanische Krieger kapern ein mongolisches Boot
Angriff auf ein mongolisches Boot während der ersten Mongoleninvasion; in Auftrag gegeben von Takezaki Suenaga. S.a. Scrolls of the Mongol Invasions of Japan (T. Conlan)
Kamakura-Zeit, 1275-1293. Wikimedia Commons.

Die „Heldentat“ unseres Chronisten Suenaga bestand im Fall der ersten Mongoleninvasion in nichts anderem als dem tollkühnen Versuch, mit einem kleinen Trupp von Untergebenen gegen die Angreifer anzureiten, bevor der japanische Heerführer das Zeichen zum Angriff gegeben hatte. Es war also in der Tat eine Art „Kamikaze-Aktion“. Obwohl Suenaga mit viel Glück überlebte, konnte er keinen feindlichen Kopf erbeuten. Da er aber durch einen Zeugen seine Verwundungen und den Verlust von Pferden und Dienern beweisen konnte, erhielt er als Belohnung Ersatz für seine Pferde und eine offizielle Bestätigung seines Mutes. Dies war der eigentliche Zweck seines Einsatzes, denn diese Bestätigung konnte er in lokalen Besitz- und Erbstreitigkeiten zu seinen Gunsten einsetzen.

Mokoshurai ekotoba1.jpg
4 Suenaga's tollkühner Angriff
Die Schlüsselszene der Bildrolle des Takezaki Suenaga. Der gleichnamige Krieger, der später die Bildrolle selbst in Auftrag gab, stürzt sich in einen vorzeitigen Angriff auf die Mongolen und wird dabei verwundet. Über ihm ist ein explosives Wurfgeschoss (teppō) zu sehen, was die Darstellung auch aus waffentechnischer Sicht bedeutsam macht. Kunsthistoriker haben allerdings schwerwiegende Hinweise darauf gefunden, dass die explodierende Bombe erst später, möglicherweise erst im 19. Jahrhundert, in die Bildrolle eingefügt wurde (Conlan 2013).
Kamakura-Zeit, 13. Jh. (mit nachträglichen Einfügungen). Scrolls of the Mongol Invasions of Japan.

Das Belohnungssystem der Militärregierung stützte sich somit auf eine Art Heldenethos, der in der gesamten Schicht der Samurai anerkannt wurde. Einzelne Individuen wurden unter Berufung auf einen solchen Heldenethos zu ungewöhnlichen Einzelleistungen angereizt. Andererseits war es schwer, derartige „Helden“ einer größeren militärischen Strategie unterzuordnen. Diese grundsätzliche Charakteristik mittelalterlicher japanischer Kriegsführung kommt nicht nur in den Berichten Suenagas, sondern auch in den damaligen Heldenepen deutlich zum Ausdruck. Im Unterschied zu den literarischen Heldenepen widmet Suenaga den Kriegsereignissen allerdings nur ein paar Zeilen, während er die bürokratischen Hürden bei der Erlangung seiner Anerkennung mit großer Ausführlichkeit beschreibt. Es scheint, als ob die Verhandlung mit den Behörden den wesentlich schwierigeren Teil seiner kriegerischen Operationen ausgemacht hätten.

Die Rolle der religiösen Institutionen

Obwohl Suenaga die göttlichen Winde nicht erwähnt, sind moderne Historiker überwiegend der Meinung, dass die Windverhältnisse an der japanischen Küste den Kriegsverlauf in der Tat beeinflussten. Dies wird unter anderem durch das erwähnte Hachiman gudōkun bestätigt, die zweite der zeitlich nächstliegenden japanischen Quellen. Es wurde in der offensichtlichen Absicht verfasst, den Gott Hachiman [Hachiman (jap.) 八幡 Shintō-Gottheit, Ahnengottheit des Tennō und des Kriegeradels; auch „Yawata“ ausgesprochen] als den eigentlichen Verantwortlichen für die Winde und damit für den japanischen Sieg darzustellen. Dennoch legen die z.T. recht genauen Beschreibungen des Schlachtenverlaufs in diesem Werk nahe, dass die Winde allein für den Sieg nicht ausreichten. Wieso aber schrieben vormoderne japanische Quellen mit zunehmenden zeitlichen Abständen zu den Ereignissen den Götterwinden eine höhere Bedeutung zu als den Heldentaten japanischer Samurai? Aus Sicht der Mongolen mag es verständlich sein, dass man sich lieber einem Naturereignis als der Kriegskunst eines Gegners geschlagen geben wollte, aber wie erklärt sich die Betonung der Götter und ihrer Winde aus japanischer Sicht? Die Antwort scheint in Tatsache zu liegen, dass neben den Kriegern auch religiöse Institutionen um die Anerkennung ihres Anteils am japanischen Erfolg wetteiferten. Und sie taten dies wahrscheinlich mit noch größerem Erfolg als die Krieger.

Selbst Suenaga verrät, dass die Götter das letzte Wort über den Ausgang einer Schlacht hatten, wie immer geschickt er und die anderen Krieger sich auch anstellten. Dass Sieg oder Niederlage letztlich ein Werk der Götter (heute würde man vielleicht sagen: des Zufalls) war, galt also als unbezweifelbare Tatsache. Und so bestand ein beträchtlicher Teil der Kriegsvorbereitungen Japans in aufwendigen Gebeten und Ritualen, die nicht selten vom Tennō [Tennō (jap.) 天皇 jap. „Kaiser“-Titel, wtl. Herrscher des Himmels] selbst abgehalten oder in Auftrag gegeben wurden. Die Hauptrolle spielten aber buddhistische Mönche, die sich interessanterweise weniger an Buddhas [Buddha (skt.) बुद्ध „Der Erleuchtete“ (jap. butsu, hotoke 仏 oder Budda 仏陀)] und Bodhisattvas [Bodhisattva (skt.) बोधिसत्त्व „Erleuchtetes Wesen“, Vorstufe zur vollkommenen Buddhaschaft (jap. bosatsu 菩薩)], sondern an einheimische Gottheiten (im speziellen an die Gottheiten Hachiman und Amaterasu [Amaterasu (jap.) 天照 Sonnengottheit; Ahnherrin des Tennō-Geschlechts; Hauptgottheit von Ise]) wandten.

Dies mag auf den ersten Blick irrational erscheinen, gehorchte aber sicher einer zweckgerichteten Logik: Eine grundsätzliche Schwierigkeit bei der Mobilisierung der japanischen Verteidigung bestand darin, die mongolische Bedrohung als nationale Katastrophe darzustellen, die jeden einzelnen etwas anging. Die Vorstellung, einem gemeinsamen Reich zu dienen, das man nach außen verteidigen musste, war unter mittelalterlichen Samurai nur äußerst schwach vorhanden. Tatsächlich fand man sich ja angesichts der drohenden Invasion der Mongolen vor eine historisch noch nie dagewesene Situation gestellt.

Es galt also zunächst eine Ideologie zu kreieren, die über die Einzelinteressen der Krieger hinaus ein einigendes Bewusstsein der Verteidiger aus den verschiedenen Teilen Japans schuf. Dazu waren zu dieser Zeit nur die religiösen Institutionen fähig. Sie mussten aus einer speziellen Mischung von Buddhismus und Shintō den ideologischen Kitt erzeugen, der in modernen Nationalstaaten in Form von nationaler Solidarität und Patriotismus mehr oder weniger selbstverständlich vorausgesetzt werden kann.

In diesem Zusammenhang war der Mythos der Götterwinde schon in der Vorbereitung der Verteidiger ein religiös-ideologischer Topos: Das Hachiman gudōkun, die zweite der bereits genannten japanischen Quellen, zitiert ein Gebet des buddhistischen Abtes Eizon [Eizon (jap.) 叡尊 1201–1290; Shingon-Mönch; Abt des Saidai-ji in Nara], eines der prominentesten buddhistischen Würdenträger seiner Zeit, an den einheimischen Gott Hachiman: dieser möge Winde aufkommen lassen, die die Feinde ohne ihnen Verletzungen zuzufügen in ihre Heimat zurückschickten. Der Religionshistoriker Fabio Rambelli, der sich mit dem Mythos der Götterwinde ausführlich auseinander gesetzt hat, weist außerdem darauf hin, dass die Liturgie, mit der man den Mongolen begegnete, dem Muster der Abwehr von Naturkatastrophen folgte. Während die meisten buddhistischen Mönche vor, während und nach den Mongolenangriffen derartige Riten und Gebete abhielten, um den Sieg Japans sicher zu stellen, gab es auch Eiferer wie den Mönch Nichiren [Nichiren (jap.) 日蓮 1222–1282; Begründer des Nichiren Buddhismus], der die Mongolen als Werkzeug von Buddhas und kami [kami (jap.) Gottheit; im engeren Sinne einheimische oder lokale japanische Gottheit, Schreingottheit (s. jinja), Gottheit des Shintō] ansahen, um Japan für die Verderbtheit seiner Sitten zu strafen.

Nach der erfolgreichen Zurückschlagung der Mongolen waren die religiösen Instutionen wahrscheinlich auch die einzigen wirklichen Gewinner der Situation. Nachdem weiter die Notwendigkeit bestand, Japan gegen mögliche Angriffe der Mongolen zu verteidigen, nahmen auch die rituellen Aktivitäten zur Mobilisierung der Götterwelt nicht ab. Im Mythos der Götterwinde festigte sich die Vorstellung, dass einer Bedrohung durch fremde Mächte letztlich ohne göttlichen Beistand nicht beizukommen sei.

Interessanterweise teilten sogar die Mongolen selbst die Vorstellung, dass ihre Niederlage aus der spirituellen Überlegenheit ihrer Feinde resultierte. In der Geschichte der Yuan-Dynastie wird erwähnt, dass der japanische Herrscher selbst seinen Ahnengöttern in Ise geopfert hätte, worauf sich den Soldaten auf dem Meer bösartige Schlangen gezeigt hätten, die schwefelartige Dämpfe verbreiteten: Unheilvolle Vorboten der bevorstehenden Katastrophe.

Angreifer und Verteidiger bewegten sich also trotz aller kulturellen Unterschiede in ähnlichen Vorstellungswelten. Bei zweifellos vorhandener kultureller Arroganz war das Selbstbild der Mongolen keineswegs so von sich eingenommen, dass man die Götter des Gegeners als bloßen Aberglauben abtat. Wahrscheinlich glaubten auch die Mongolen, dass letztlich transzendente Mächte über den erfolglosen Ausgang dieser Eroberung entschieden hatten.

Verweise

Fußnoten

  1. Dieser Artikel basiert auf einem Vortrag, den der Verfasser, Bernhard Scheid, am 9. Juni 2006 im Rahmen des Symposiums 800 Jahre Mongolisches Weltreich an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften hielt.
  2. Zum Wortlaut des Schreibens vgl. Bockhold 1982, 84–85
  3. Conlan 2001.

Internetquellen

Siehe auch Internetquellen


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Literatur

Siehe auch Literaturliste

Wolfgang Bockhold, Das Hachiman-gudōkun (I) als historische Quelle: Insbesondere zu den Invasionen der Mongolen in Japan. München: Ludwig Maximilian Universität, 1982. [Unveröffentlichte Dissertation.]
Thomas D. Conlan, „Myth, Memory, and the Scrolls of the Mongol Invasions of Japan“. In: Elizabeth Lillehoj (Hg.), Archaism and Antiquarianism in Korean and Japanese Art. Chicago: Center for the Art of East Asia, University of Chicago and Art Media Resources, 2013, 54–73.
Thomas D. Conlan, In Little Need of Divine Intervention: Scrolls of the Mongol Invasions of Japan. Ithaca: Cornell University Press, 2001.
James Delgado, „Relics of the Kamikaze“. Archeology 56/1 (2003). (Online.) [Online Publikation.]
Fabio Rambelli, „Religion, Ideology of Domination, and Nationalism: Kuroda Toshio on the Discourse of Shinkoku“. Japanese Journal of Religious Studies 23/3–4 (1996), 387–426. (Online.)

Bilder

Quellen und Erläuterungen zu den Bildern auf dieser Seite

  1. ^ Mongolen kuniyoshi.jpg 
  2. ^ 
    Kublai khan.jpg
    Portrait von Kubilai Khan.
    Werk von Anige. 1294. Wikimedia Commons.
  1. ^ 
    Mokoshurai ekotoba2.jpg
    Angriff auf ein mongolisches Boot während der ersten Mongoleninvasion; in Auftrag gegeben von Takezaki Suenaga. S.a. Scrolls of the Mongol Invasions of Japan (T. Conlan)
    Kamakura-Zeit, 1275-1293. Wikimedia Commons.
  2. ^ 
    Mokoshurai ekotoba1.jpg
    Die Schlüsselszene der Bildrolle des Takezaki Suenaga. Der gleichnamige Krieger, der später die Bildrolle selbst in Auftrag gab, stürzt sich in einen vorzeitigen Angriff auf die Mongolen und wird dabei verwundet. Über ihm ist ein explosives Wurfgeschoss (teppō) zu sehen, was die Darstellung auch aus waffentechnischer Sicht bedeutsam macht. Kunsthistoriker haben allerdings schwerwiegende Hinweise darauf gefunden, dass die explodierende Bombe erst später, möglicherweise erst im 19. Jahrhundert, in die Bildrolle eingefügt wurde (Conlan 2013).
    Kamakura-Zeit, 13. Jh. (mit nachträglichen Einfügungen). Scrolls of the Mongol Invasions of Japan.

Glossar

Namen und Fachbegriffe auf dieser Seite

  • Amaterasu 天照 ^ Sonnengottheit; Ahnherrin des Tennō-Geschlechts; Hauptgottheit von Ise
  • Bodhisattva (skt.) बोधिसत्त्व ^ „Erleuchtetes Wesen“, Vorstufe zur vollkommenen Buddhaschaft (jap. bosatsu 菩薩)
  • Buddha (skt.) बुद्ध ^ „Der Erleuchtete“ (jap. butsu, hotoke 仏 oder Budda 仏陀)
  • Dazaifu 太宰府 ^ Stadt in Nord-Kyūshū, südöstlich der Stadt Fukuoka
  • Dschingis Khan (chin.) 成吉思汗 ^ ca. 1162-1227; war ein mongolischer Khan, der die mongolischen Stämme einte und weite Teile Zentralasiens und Nordchinas eroberte.
  • Eizon 叡尊 ^ 1201–1290; Shingon-Mönch; Abt des Saidai-ji in Nara
  • Hachiman 八幡 ^ Shintō-Gottheit, Ahnengottheit des Tennō und des Kriegeradels; auch „Yawata“ ausgesprochen
  • Hachiman gudōkun 八幡愚童訓 ^ wtl. Lehren des Hachiman für törichte Kinder; zweiteilige Shintō-Schrift, entstanden zw. 1282? und 1300?
  • Hakata 博多 ^ alte Hafenstadt in Nord-Kyūshū, 1889 mit Fukuoka zusammengeschlossen
  • Iki 壱岐 ^  Insel in der Meerenge zwischen Korea und Japan
  • Jin (chin.) 金 ^ chin. Herrschaftsdynastie; 1115–1234
  • Kadenokōji Kanenaka 勘解由小路兼仲 ^ 1244–1308; auch Hirobashi Kanenaka; Höfling aus der Fujiwara Linie; Chronist
  • kami^ Gottheit; im engeren Sinne einheimische oder lokale japanische Gottheit, Schreingottheit (s. jinja), Gottheit des Shintō
  • kamikaze 神風 ^ Götterwind; urspr. ein poetischer Beinamen der Provinz Ise, wird der Begriff seit den Mongolenangriffen des 13. Jh.s mit göttlichem Schutz im Krieg assoziiert und daher auch mit den Selbstmord-Piloten des 2. Weltkriegs in Verbindung gebracht
  • Kubilai Khan (chin.) 元世祖忽必烈 ^ 1215–1294; Großkhan der Mongolen; Kaiser von China; Begründer der Yuan-Dynastie
  • Marco Polo (west.) ^ 1254–1324; venezianischer Händler, der durch seine Reiseberichte über China bekannt wurde
  • Mōkō shūrai ekotoba 蒙古襲来絵詞 ^ wtl. Illustrierter Bericht der mongolischen Invasion; bestehend aus 2 Bildrollen; entstanden zw. 1275 und 1293; in Auftrag gegeben von Takezaki Suenaga
  • Nichiren 日蓮 ^ 1222–1282; Begründer des Nichiren Buddhismus
  • Samurai^ im Westen übliche Bezeichnung eines Mitgliedes der Krieger-Klasse des vorindustriellen Japans; in Japan schriftspr. bushi
  • Shōgun 将軍 ^ Shōgun; Titel der Militärherrscher aus dem Kriegeradel (bushi, Samurai)
  • Song (chin.) 宋 ^ chin. Herrschaftsdynastie, 960–1279
  • taifū 台風 ^ „Taifun“; tropischer Wirbelsturm mit hohen Windstärken und starken Niederschlägen
  • Takashima 鷹島 ^ Insel in der Präfektur Nagasaki in der Bucht vor der Stadt Matsuura
  • Takezaki Suenaga 竹崎季長 ^ 1246 – 1314; kämpfte während der Mongoleninvasion Japans; gab die Mōkō shūrai ekotoba in Auftrag
  • Tennō 天皇 ^ jap. „Kaiser“-Titel, wtl. Herrscher des Himmels
  • Tsushima 対馬 ^ Insel in der Meerenge zwischen Korea und Japan. Obwohl näher zu Korea gelegen (50 km) wird Tsushima traditionellerweise Japan zugerechnet.
  • Weonjong (kor.) 元宗/원종 ^ 1259–1274; König von Korea, r. 1259–1274
  • Yuan (chin.) 元 ^ chin. Herrschaftsdynastie, Mongolenherrschaft, 1279–1368