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Dieses Kapitel bietet einen systematischen Überblick der wichtigsten religiösen Entwicklungen Japans von der Frühgeschichte bis zum Zweiten Weltenkrieg. Die allgemeine politische Geschichte des Landes wird dabei soweit zum Verständnis nötig ebenfalls berücksichtigt. Zur allgemeinen Orientierung gibt es im Kapitel „Metalog“ auch die Liste {{showTitel|Metalog:Japan/Geschichtsperioden|anf=1}}. Neuere geschichtliche Entwicklungen finden sich unter anderem im Kapitel [[Alltag]].  
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{{fl|I}}n der japanischen Religions·geschichte gebührt dem [[Grundbegriffe/Buddhismus|Buddhismus]] ein ganz besonderer Platz. Es lässt sich sogar be·haupten, dass sich Religion im Sinne eines das ganze Land er·fassenden Systems von fest·gelegten Glaubens·formen erst mit dem Bud·dhis·mus in Japan verbreitete. Zu den Neue·rungen, die der Bud·dhis·mus brachte (und die für uns fast selbst·ver·ständ·lich zum Begriff Religion dazu·ge·hören), zählen: die Tren·nung von welt·licher und geist·licher Autori·tät (der Herrscher steht nicht zwangs·läufig dem religi·ösen Kult vor); ein über·regional organi·sierter Klerus; eine ortho·doxe Theo·logie; ein ein·heitliches Ritual·wesen; die Er·richtung von religiösen Bau·werken, Statuen, und vieles andere mehr. All das gab es im vor-bud·dhis·tischen Japan ent·weder gar nicht oder nur in An·sätzen. Es ist beispiels·weise denkbar, dass Bauten zu Ehren der japa·nischen {{Glossar:kami|''kami''}}, also [[Bauten/Schreine|Schreine]], erst durch das Beispiel des Bud·dhis·mus ihre heute be·kannte Form erhielten.
 
 
 
==Die geschichtliche Rolle des Buddhismus in Japan==
 
 
 
Einer der größten Ein·schnitte in der Geschichte der japanischen Religion besteht in der Ein·führung eines Kloster·systems durch den Bud·dhis·mus. Im Japanischen ist das Wort {{glossar:shukke}} ein ehe·mals sehr ge·bräuch·licher Aus·druck für den Ein·tritt in den Mönchs- oder Nonnen·stand. Er bedeutet wört·lich „Ver·lassen des Hauses“. Damit ist weniger ein Haus im baulichen Sinne ge·meint, sondern eine Familie. Wer Mönch wird, ver·lässt seine Familie und damit alle welt·lichen (gesell·schaftlichen) Ver·pflichtungen und be·gibt sich unter eine neue Ordnung. Nach dieser Ordnung steht nicht mehr das Wohl der leiblichen Familie im Zentrum, sondern das Wohl der Mönchs·gemeinde oder die eigene spiri·tuelle Ver·voll·kommnung. Ausdruck dieses Wechsels ist der Zölibat. Er ist wahr·scheinlich weniger mit der Idee sexueller Askese ver·bunden (sie wird zumindest in Japan nie besonders betont) als mit dem Ver·zicht auf das Familien·denken, das in Japan, wie in anderen vor·modernen Gesell·schaften auch, einen extrem wichtigen Stellen·wert hatte. Span·nungen zwischen sozialen Ver·pflich·tungen gegen·über der Familie (Stichwort „kindliche Pietät“) und den Ver·pflich·tungen als Mönch sind daher nicht zu·fällig ein immer wieder·kehrendes Thema der bud·dhis·tischen Erzähl·literatur Japans. Sich der Familien·ethik zu ent·ziehen und der Mönchs·ethik zu unter·werfen, stellte in der Gesell·schaft des japanischen Alter·tums einen er·heblichen Ein·schnitt dar, der keines·falls immer von der eigenen Familie gut·geheißen wurde. Darüber hinaus symbolisiert das Kloster·wesen eine Ordnung, die der welt·lichen Ordnung einen kritischen Spiegel vorhält. Diese Idee einer religiösen Gegen·welt wurde in Japan erst durch den Bud·dhis·mus ins Leben gerufen. 
 
 
 
Natürlich kam es aber — ähnlich wie in Europa — auch in Japan zu Ver·mischungen von geist·licher und welt·licher Macht: Mächtige Adels·familien schickten ihre jüngeren Söhne, die nicht für die Fort·setzung der Familie be·nötigt wurden, ins Kloster, um auch dort ihren Ein·fluss geltend zu machen. Ganz all·ge·mein lässt sich fest·stellen, dass sich die Strenge der bud·dhis·tischen Mönchs·gebote lockerte, je selbst·verständ·licher der Bud·dhis·mus zum Be·stand·teil der japanischen Kultur wurde. Heute ist etwa der Zölibat im japanischen Bud·dhis·mus nicht mehr obligat, auch das generelle Alkohol·verbot des Bud·dhis·mus wird sehr locker gehand·habt (s. dazu auch Kap. Tempel, [[Alltag/Mönche|Mönche]]).
 
  
Im Unter·schied zum {{Glossar:Shintou}}, wo eine Trennung von welt·licher und geist·licher Macht bis heute ver·schwommen ist (schließ·lich gilt der {{Glossar:Tennou}} als oberster Priester des Shintō), legte der Bud·dhis·mus aber von An·fang an Wert auf eine autonome geist·liche Hierarchie, die dem Staat, oder besser gesagt dem kaiser·lichen Hof, nur eine bedingte Einfluss·nahme ge·stattete. Die Klöster ent·wickelten sich so zu einer Sphäre, in der neue kultur·elle Errungen·schaften erst·mals erprobt und geübt werden konnten. Inno·vationen auf dem Gebiet der Architektur, der bildenden Kunst, der Dichtung und der Schrift·lich·keit nahmen nicht selten in bud·dhis·tischen Klöstern ihren Anfang. Nach und nach drangen diese Inno·vationen auch in den welt·lichen Bereich vor und machten den Bud·dhis·mus, vor allem in seiner Früh·zeit, zum Motor des zivi·li·sato·rischen Fort·schritts in Japan. Ver·ständ·licher·weise wirkte sich diese kulturelle Kraft des Bud·dhis·mus auch auf die ein·heimischen Glaubens·formen aus. Es ent·standen „shintōistische“ Kult·stätten, Statuen, rituelle Praktiken und klerikale Or·gani·sa·tions·formen, die ohne das Bei·spiel des Bud·dhis·mus entweder ganz andere Züge an·ge·nommen hätten oder gar nicht existieren würden.
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Die ersten zwei Drittel des vor·liegenden Kapitels „Religions·geschichte“ sind der Aus·breitung des Bud·dhis·mus und seiner Wechsel·wir·kung mit dem Glauben an ein·heimische Götter bis zum Beginn der Frühen Neuzeit (um 1600) gewidmet.
 
  
Ab der Frühen Neuzeit treten neben dem Bud·dhis·mus neue, unabhängige Denk- und Glaubens·rich·tungen auf:
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Die ersten zwei Drittel des vorliegenden Kapitels sind vor allem der Ausbreitung des Buddhismus und seiner Wechselwirkung mit dem Glauben an einheimische Götter bis zum Beginn der Frühen Neuzeit (um 1600) gewidmet. Erst im letzten Drittel treten neben dem Buddhismus konkurrierende Denk- und Glaubensrichtungen auf:
  
 
* [[Geschichte/Christentum|Christentum]] (Missionierung und Verfolgung, 16. - 17. Jh)
 
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In der japanischen Religionsgeschichte gebührt dem [[Grundbegriffe/Buddhismus|Buddhismus]] ein ganz besonderer Platz. Es lässt sich sogar behaupten, dass sich Religion im Sinne eines das ganze Land erfassenden Systems von festgelegten Glaubensformen erst mit dem Buddhismus in Japan verbreitete. Zu den Neuerungen, die der Buddhismus brachte (und die für uns fast selbstverständlich zum Begriff Religion dazugehören), zählen: die Trennung von weltlicher und geistlicher Autorität (der Herrscher steht nicht zwangsläufig dem religiösen Kult vor); ein überregional organisierter Klerus; eine orthodoxe Theologie; ein einheitliches Ritualwesen; die Errichtung von religiösen Bauwerken, Statuen, und vieles andere mehr. All das gab es  im vor-buddhistischen Japan entweder gar nicht oder nur in Ansätzen. Es ist beispielsweise wahrscheinlich, dass Bauten zu Ehren der japanischen {{g|kami|''kami''}}, also [[Bauten/Schreine|Schreine]], erst durch das Beispiel des Buddhismus ihre heute bekannte Form erhielten.
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Einer der größten Einschnitte in der Geschichte der japanischen Religion besteht in der Einführung eines Klostersystems durch den Buddhismus. Im Japanischen ist das Wort {{g|shukke}}  ein ehemals sehr gebräuchlicher Ausdruck für den Eintritt in den Mönchs- oder Nonnenstand. Er bedeutet wörtlich „Verlassen des Hauses“. Damit ist weniger ein Haus im baulichen Sinne gemeint, sondern eine Familie. Wer Mönch wird, verlässt seine Familie und damit alle weltlichen (gesellschaftlichen) Verpflichtungen und begibt sich unter eine neue Ordnung. Nach dieser Ordnung steht nicht mehr das Wohl der leiblichen Familie im Zentrum, sondern das Wohl der Mönchsgemeinde oder die eigene spirituelle Vervollkommnung. Ausdruck dieses Wechsels ist der Zölibat. Er ist wahrscheinlich weniger mit der Idee sexueller Askese verbunden (sie wird zumindest in Japan nie besonders betont) als mit dem Verzicht auf das Familiendenken, das in Japan, wie in anderen vormodernen Gesellschaften auch, einen extrem wichtigen Stellenwert hatte. Spannungen zwischen sozialen Verpflichtungen gegenüber der Familie (Stichwort „kindliche Pietät“) und den Verpflichtungen als Mönch sind daher nicht zufällig ein immer wiederkehrendes Thema der buddhistischen Erzählliteratur Japans. Sich der Familienethik zu entziehen und der Mönchsethik zu unterwerfen, stellte in der Gesellschaft des japanischen Altertums einen erheblichen Einschnitt dar, der keinesfalls immer von der eigenen Familie gutgeheißen wurde. Darüber hinaus symbolisiert das Klosterwesen eine Ordnung, die der weltlichen Ordnung einen kritischen Spiegel vorhält. Diese Idee einer religiösen Gegenwelt wurde in Japan erst durch den Buddhismus ins Leben gerufen. 
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Natürlich kam es aber — ähnlich wie in Europa — auch in Japan zu Vermischungen von geistlicher und weltlicher Macht: Mächtige Adelsfamilien schickten ihre jüngeren Söhne, die nicht für die Fortsetzung der Familie benötigt wurden, ins Kloster, um auch dort ihren Einfluss geltend zu machen. Ganz allgemein lässt sich feststellen, dass sich die Strenge der buddhistischen Mönchsgebote lockerte, je selbstverständlicher der Buddhismus zum Bestandteil der japanischen Kultur wurde. Heute ist etwa der Zölibat im japanischen Buddhismus nicht mehr obligat, auch das generelle Alkoholverbot des Buddhismus wird sehr locker gehandhabt (s. dazu auch Kap. Tempel, [[Alltag/Mönche|Mönche]]).
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Im Unterschied zum {{g|Shintou}}, wo eine Trennung von weltlicher und geistlicher Macht bis heute verschwommen ist (schließlich gilt der {{g|Tennou}} als oberster Priester des Shintō), legte der Buddhismus aber von Anfang an Wert auf eine autonome geistliche Hierarchie, die dem Staat, oder besser gesagt dem kaiserlichen Hof, nur eine bedingte Einflussnahme gestattete. Die Klöster entwickelten sich so zu einer Sphäre, in der neue kulturelle Errungenschaften erstmals erprobt und geübt werden konnten. Innovationen auf dem Gebiet der Architektur, der bildenden Kunst, der Dichtung und der Schriftlichkeit nahmen nicht selten in buddhistischen Klöstern ihren Anfang. Nach und nach drangen diese Innovationen auch in den weltlichen Bereich vor und machten den Buddhismus, vor allem in seiner Frühzeit, zum Motor des zivilisatorischen Fortschritts in Japan. Verständlicherweise wirkte sich diese kulturelle Kraft des Buddhismus auch auf die einheimischen Glaubensformen aus. Es entstanden „shintōistische“ Kultstätten, Statuen, rituelle Praktiken und klerikale Organisationsformen, die ohne das Beispiel des Buddhismus entweder ganz andere Züge angenommen hätten oder gar nicht existieren würden.
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{{ThisWay|Geschichte/Praehistorie}}
 

Aktuelle Version vom 6. Januar 2023, 17:22 Uhr

Einleitung:Japanische Religionsgeschichte

Dieses Kapitel bietet einen systematischen Überblick der wichtigsten religiösen Entwicklungen Japans von der Frühgeschichte bis zum Zweiten Weltenkrieg. Die allgemeine politische Geschichte des Landes wird dabei soweit zum Verständnis nötig ebenfalls berücksichtigt. Zur allgemeinen Orientierung gibt es im Kapitel „Metalog“ auch die Liste „Japanische Geschichtsperioden“. Neuere geschichtliche Entwicklungen finden sich unter anderem im Kapitel Alltag.

Kapitelübersicht

Die ersten zwei Drittel des vorliegenden Kapitels sind vor allem der Ausbreitung des Buddhismus und seiner Wechselwirkung mit dem Glauben an einheimische Götter bis zum Beginn der Frühen Neuzeit (um 1600) gewidmet. Erst im letzten Drittel treten neben dem Buddhismus konkurrierende Denk- und Glaubensrichtungen auf:

Die geschichtliche Rolle des Buddhismus in Japan

Xuanzang kamakura.jpg
1 Pildermönch Xuanzang
Der chinesische Mönch Xuanzang (7. Jh.), eine Schlüsselfigur für die Übertragung des Buddhismus nach Ostasien, auf seiner berühmten Reise nach Indien. Er trägt eine Art Rucksack, voll mit Schriften, die er nach China bringen wird. Auch in der Hand hält er eine Schriftrolle und einen Fliegenwedel. Ungewöhnlich ist seine Kette, die aus tierischen Totenköpfen zu bestehen scheint. Das Motiv findet sich in vielen Variationen, die schon in China entstanden. 
14.Jh. Tokyo National Museum.

In der japanischen Religionsgeschichte gebührt dem Buddhismus ein ganz besonderer Platz. Es lässt sich sogar behaupten, dass sich Religion im Sinne eines das ganze Land erfassenden Systems von festgelegten Glaubensformen erst mit dem Buddhismus in Japan verbreitete. Zu den Neuerungen, die der Buddhismus brachte (und die für uns fast selbstverständlich zum Begriff Religion dazugehören), zählen: die Trennung von weltlicher und geistlicher Autorität (der Herrscher steht nicht zwangsläufig dem religiösen Kult vor); ein überregional organisierter Klerus; eine orthodoxe Theologie; ein einheitliches Ritualwesen; die Errichtung von religiösen Bauwerken, Statuen, und vieles andere mehr. All das gab es im vor-buddhistischen Japan entweder gar nicht oder nur in Ansätzen. Es ist beispielsweise wahrscheinlich, dass Bauten zu Ehren der japanischen kami [kami (jap.) Gottheit; im engeren Sinne einheimische oder lokale japanische Gottheit, Schreingottheit (s. jinja), Gottheit des Shintō], also Schreine, erst durch das Beispiel des Buddhismus ihre heute bekannte Form erhielten.

Einer der größten Einschnitte in der Geschichte der japanischen Religion besteht in der Einführung eines Klostersystems durch den Buddhismus. Im Japanischen ist das Wort shukke [shukke (jap.) 出家 buddh. Mönch; wtl. „der das Haus/die Familie verlässt“] ein ehemals sehr gebräuchlicher Ausdruck für den Eintritt in den Mönchs- oder Nonnenstand. Er bedeutet wörtlich „Verlassen des Hauses“. Damit ist weniger ein Haus im baulichen Sinne gemeint, sondern eine Familie. Wer Mönch wird, verlässt seine Familie und damit alle weltlichen (gesellschaftlichen) Verpflichtungen und begibt sich unter eine neue Ordnung. Nach dieser Ordnung steht nicht mehr das Wohl der leiblichen Familie im Zentrum, sondern das Wohl der Mönchsgemeinde oder die eigene spirituelle Vervollkommnung. Ausdruck dieses Wechsels ist der Zölibat. Er ist wahrscheinlich weniger mit der Idee sexueller Askese verbunden (sie wird zumindest in Japan nie besonders betont) als mit dem Verzicht auf das Familiendenken, das in Japan, wie in anderen vormodernen Gesellschaften auch, einen extrem wichtigen Stellenwert hatte. Spannungen zwischen sozialen Verpflichtungen gegenüber der Familie (Stichwort „kindliche Pietät“) und den Verpflichtungen als Mönch sind daher nicht zufällig ein immer wiederkehrendes Thema der buddhistischen Erzählliteratur Japans. Sich der Familienethik zu entziehen und der Mönchsethik zu unterwerfen, stellte in der Gesellschaft des japanischen Altertums einen erheblichen Einschnitt dar, der keinesfalls immer von der eigenen Familie gutgeheißen wurde. Darüber hinaus symbolisiert das Klosterwesen eine Ordnung, die der weltlichen Ordnung einen kritischen Spiegel vorhält. Diese Idee einer religiösen Gegenwelt wurde in Japan erst durch den Buddhismus ins Leben gerufen.

Natürlich kam es aber — ähnlich wie in Europa — auch in Japan zu Vermischungen von geistlicher und weltlicher Macht: Mächtige Adelsfamilien schickten ihre jüngeren Söhne, die nicht für die Fortsetzung der Familie benötigt wurden, ins Kloster, um auch dort ihren Einfluss geltend zu machen. Ganz allgemein lässt sich feststellen, dass sich die Strenge der buddhistischen Mönchsgebote lockerte, je selbstverständlicher der Buddhismus zum Bestandteil der japanischen Kultur wurde. Heute ist etwa der Zölibat im japanischen Buddhismus nicht mehr obligat, auch das generelle Alkoholverbot des Buddhismus wird sehr locker gehandhabt (s. dazu auch Kap. Tempel, Mönche).

Im Unterschied zum Shintō [Shintō (jap.) 神道 Shintō; wtl. Weg der Götter, Weg der kami], wo eine Trennung von weltlicher und geistlicher Macht bis heute verschwommen ist (schließlich gilt der Tennō [Tennō (jap.) 天皇 jap. „Kaiser“-Titel, wtl. Herrscher des Himmels] als oberster Priester des Shintō), legte der Buddhismus aber von Anfang an Wert auf eine autonome geistliche Hierarchie, die dem Staat, oder besser gesagt dem kaiserlichen Hof, nur eine bedingte Einflussnahme gestattete. Die Klöster entwickelten sich so zu einer Sphäre, in der neue kulturelle Errungenschaften erstmals erprobt und geübt werden konnten. Innovationen auf dem Gebiet der Architektur, der bildenden Kunst, der Dichtung und der Schriftlichkeit nahmen nicht selten in buddhistischen Klöstern ihren Anfang. Nach und nach drangen diese Innovationen auch in den weltlichen Bereich vor und machten den Buddhismus, vor allem in seiner Frühzeit, zum Motor des zivilisatorischen Fortschritts in Japan. Verständlicherweise wirkte sich diese kulturelle Kraft des Buddhismus auch auf die einheimischen Glaubensformen aus. Es entstanden „shintōistische“ Kultstätten, Statuen, rituelle Praktiken und klerikale Organisationsformen, die ohne das Beispiel des Buddhismus entweder ganz andere Züge angenommen hätten oder gar nicht existieren würden.

Verweise

Verwandte Themen

Bilder

Quellen und Erläuterungen zu den Bildern auf dieser Seite

  1. ^ 
    Xuanzang kamakura.jpg
    Der chinesische Mönch Xuanzang (7. Jh.), eine Schlüsselfigur für die Übertragung des Buddhismus nach Ostasien, auf seiner berühmten Reise nach Indien. Er trägt eine Art Rucksack, voll mit Schriften, die er nach China bringen wird. Auch in der Hand hält er eine Schriftrolle und einen Fliegenwedel. Ungewöhnlich ist seine Kette, die aus tierischen Totenköpfen zu bestehen scheint. Das Motiv findet sich in vielen Variationen, die schon in China entstanden. 
    14.Jh. Tokyo National Museum.

Glossar

Namen und Fachbegriffe auf dieser Seite

  • kami^ Gottheit; im engeren Sinne einheimische oder lokale japanische Gottheit, Schreingottheit (s. jinja), Gottheit des Shintō
  • Shintō 神道 ^ Shintō; wtl. Weg der Götter, Weg der kami
  • shukke 出家 ^ buddh. Mönch; wtl. „der das Haus/die Familie verlässt“
  • Tennō 天皇 ^ jap. „Kaiser“-Titel, wtl. Herrscher des Himmels