Friedhof und Grab
Wie im Zusammenhang mit den Totenriten besprochen, wird der Körper eines Verstorbenen meist verbrannt. Seine Asche wird in einer Urne aufbewahrt und schließlich in einem Familiengrab (haka) beigesetzt. Auf dem Grabstein ist der Name der Familie deutlich eingraviert, die übliche Aufschrift auf Gräbern lautet: „Generationen-Grab der Familie XY“. Die individuellen Familienmitglieder sind hingegen entweder gar nicht, oder nur an der Rückseite des Grabsteins eingetragen. Darin liegt einer der Unterschiede zwischen Grabstein und ihai („Totentäfelchen“). Während ihai einem individuellen Verstorbenen zugeordnet sind, repräsentieren Grabsteine in der Regel eine ganze Familie. Die Familienzugehörigkeit folgt der männlichen Linie. Frauen werden daher meist im Familiengrab ihres Mannes beigesetzt.




Gregor Hohpe, flickr 2006
In Tōkyō sind derartige Familiengräber meist etwas kleiner als ein durchschnittliches europäisches Grab, ihre Anschaffung und Aufrechterhaltung bedeutet aber dennoch einen erheblichen Kostenaufwand. Es gehört zu den traditionellen Pflichten des ältesten Sohnes, diese Kosten zu übernehmen. Dem ältesten Sohn (ev. Tochter) kommt auch die Leitung der familiären Trauerfeiern beim Tod der Eltern zu.
Grabbesuch

Ähnlich wie in Europa dienen Gräber dem Gedenken an die Toten in Form von Friedhofsbesuchen. Beim Grabbesuch ((o)haka mairi) schmückt man das Grab mit Blumen und entzündet Räucherstäbchen. Zuvor wird der Grabstein rituell gereinigt, indem man ihn mit Wasser übergießt. Wieder sind es vor allem ältere Menschen, die die Pflege eines Familiengrabs übernehmen. Viele besuchen ihr Grab einmal pro Monat an einem bestimmten Tag, beispielsweise dem Sterbetag ihres Vaters oder ihrer Mutter. Zumindest einmal im Jahr, nämlich zum Bon-Fest, dem Fest der Ahnen, sollte allerdings jeder sein Familiengrab aufsuchen.
Grabformen
Die Geschichte des japanischen Bestattungswesens ist äußerst wechselvoll. Auf alten Friedhöfen, beispielsweise dem Oku-no-in auf Berg Kōya, sieht man noch die ehemals verbreiteten Grabsteine in gorintō-Form, die sich als Abbilder von buddhistischen Stupas verstehen, also eigentlich nichts anderes sind als verkleinerte Grabdenkmäler des Buddha (s. Sidepage Gorintō).
Andererseits bezeichnet man auch die hölzernen Latten, die sich bisweilen als Grabbeigaben neben den Gräbern befinden, als sotoba oder tōba, was wiederum von Sanskrit stupa abgeleitet ist. Diese Latten tragen eine handgeschriebene Inschrift, die u.a. den Totennamen des Verstorbenen oder den Namen eines Buddhas, etc. enthalten kann. Je nach buddhistischer Richtung können auch Sanskritzeichen auf dem Holz eingetragen sein. Diese Grabbeigaben haben im Grunde dieselbe Funktion wie der Grabstein, allerdings sind sie natürlich nicht von so langer Dauer wie Steingrabmale. Zumeist werden sie daher am Ende der Trauerzeit vom Grab entfernt und ggf. anlässlich späterer Gedenkfeiern noch einmal aufgestellt. Der technische Fortschritt hat im übrigen auch vor sotobas nicht Halt gemacht: Wie die Abbildung unten zeigt, können sie heute bereits mit Hilfe eines Computers ausgedruckt werden.
Näheres zu den Jenseitsvorstellungen, die natürlich bei der Gestaltung der Toten- und Begräbnisriten eine wichtige Rolle spielen, findet man im Kapitel „Mythologie“.
Verweise
Verwandte Themen
Internetquellen
- Nihon no haka (jap.)
Bebilderte Datenbank von Gräbern bekannter Persönlichkeiten, nach verschiedenen Kriterien aufgelistet.
Bilder
Quellen und Erläuterungen zu den Bildern auf dieser Seite:
- ^ Grab yanaka.jpg
- ^
Grabbeigaben aus Holz (sotoba). Der Begriff leitet sich von stupa, also dem indischen Wort für Grabmahl ab. Die Schriftzeichen in stilisiertem Sanskrit symbolisieren die Fünf Elemente: Raum, Wind, Feuer, Wasser, Erde, die auch bei anderen Stupas eine Rolle spielen.
Bildquelle: unbekannt
Glossar
Namen und Fachbegriffe auf dieser Seite:
- Dainichi Nyorai 大日如来 ^ Buddha Vairocana, der „kosmische Buddha“; wtl. „Großes Licht“ oder „Große Sonne“
- Jōdo Shinshū 浄土真宗 ^ Shin-Buddhismus, bzw. Jōdo Shin-Buddhismus; wtl. „Wahre Schule des Reinen Landes“
- Shingon-shū 真言宗 ^ Shingon-Schule, wtl. Schule des Wahren Wortes; wichtigste Vertreterin des esoterischen Buddhismus (mikkyō) in Japan
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Diese Seite:
„Friedhof und Grab.“ In: Bernhard Scheid, Religion-in-Japan: Ein digitales Handbuch. Universität Wien, seit 2001