Geschichte/Saicho

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Saichō und der Tendai Buddhismus

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Saichō 最澄 (jap.)

767–822; Gründer des Tendai-Buddhismus; auch bekannt als Dengyō Daishi

Der Begriff „Saichō“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:

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(767–822) ist der Begründer des japanischen

Tendai-shū 天台宗 (jap.)

Tendai-Schule, chin. Tiantai

Schulrichtung

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Bud·dhis·mus. In Japan klingt sein post·humer Ehren·titel

Dengyō Daishi 伝教大師 (jap.)

Posthumer Ehrentitel des Mönchs Saichō

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(„Großer Meister der Über·liefe·rung der Lehre“) vielen ver·trauter. Er stammt aus der Provinz Ōmi (heute Shiga-ken) un·weit dem heutigen Kyoto. Im Zentrum dieser Provinz liegt der riesige Biwa See, der vom Kyotoer Becken durch den mächtigen

Hiei-zan 比叡山 (jap.)

Klosterberg Hiei bei Kyōto, traditionelles Zentrum des Tendai Buddhismus

Landschaft

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und seine Aus·läufer ge·trennt ist. Dieser Berg, der in späteren Jahr·hun·derten auch als natürlicher Schutz·wall der Haupt·stadt gegen Angriffe aus dem Osten diente, sollte für Saichō eine Art Schicksals·berg werden.

Biographie

Mit zwölf Jahren trat Saichō in den Mönchs·stand ein, mit neun·zehn (785) erhielt er im

Tōdaiji 東大寺 (jap.)

Tempel des Großen Buddha von Nara; wtl. Großer Ost-Tempel

Tempel

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Geographische Lage von Tōdaiji; s.a. Geo-Glossar

die voll·ständige Mönchs·weihe. Schon bald da·nach zog er sich eine Zeit·lang in die Ein·sam·keit von Berg Hiei zurück und wid·mete sich dort u.a. dem Studium von Schriften der chi·ne·sischen

Tiantai 天台 (chin.)

chin. Vorläufer des Tendai Buddhismus; urspr. Name eines chin. Klosterbergs (Tiantai-shan)

Schulrichtung

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Schule, die das Lotos Sutra in den Mittel·punkt ihrer Lehre stellt.

Obwohl Saichōs Rückzug zum Teil auch als Protest gegen das bud·dhis·tische Establishment in

Nara 奈良 (jap.)

Hauptstadt und Sitz des Tennō, 710–784 (= Nara-Zeit); auch: Heijō-kyō

Ort, Geschichte

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Geographische Lage von Nara; s.a. Geo-Glossar

verstanden werden kann (oder vielleicht gerade deshalb), er·rang er die Auf·merk·sam·keit des Reform-Kaisers

Kanmu Tennō 桓武天皇 (jap.)

737–806; 50. japanischer Tennō; (r. 781–806); verantwortlich für Verlegung der Hauptstadt nach Heian (Kyōto)

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(r. 781–806) und wurde sogar in die Ein·weihungs·riten der neuen Haupt·stadt

Heian 平安 (jap.)

auch Heian-kyō 平安京, „Stadt des Friedens“; politisches Zentrum 794–1185 (= Heian-Zeit)

Ort, Epoche

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Geographische Lage

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Geographische Lage von Heian; s.a. Geo-Glossar

mit·ein·be·zogen. 802 erhielt er die Ge·legen·heit, sein Wissen über die weit·hin un·be·kannte Lehre des Tiantai Bud·dhis·mus vor den ehr·wür·digsten Mönchen der Nara-Tempel vor·zu·tragen. 804 hatte er be·reits einen hohen Mönchs·rang inne, als er mit einer Gesandt·schaft in das China der

Tang 唐 (chin.)

chin. Herrschaftsdynastie, 618–907

Epoche

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Bilder

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Dynastie ge·schickt wurde, um sein Wissen zu ver·tiefen. Er studierte am Kloster·berg Tiantai, der der Schule ihren Namen gab. Als er im Jahr 805 wieder nach Japan zurück·kehrte, brachte er u.a. 450 Bände bud·dhis·tischer Schriften mit. Ferner besaß er die Be·rech·tigung, die Tiantai Lehre offiziell in Japan zu ver·treten, da er als Nach·folger des Tiantai Begründers

Zhiyi 智顗 (chin.)

538–597; chin. Mönch und Gründer des chinesischen Tiantai Buddhismus; ältere Schreibung: Chih-i

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(538–597) initiiert worden war.

All dies führte zur Gründung eines eigenen Klosters, das zum Zentrum der neuen Tendai-Lehre wurde. Sein Haupt·tempel er·hielt den Namen

Enryaku-ji 延暦寺 (jap.)

Haupttempel des Hiei Klosterbergs

Tempel

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Geographische Lage von Enryaku-ji; s.a. Geo-Glossar
und lag auf Berg Hiei, wo Saichō einst als junger Mönch asketischen Übungen nach·ge·gangen war. Berg Hiei wurde also für die japanische Tendai-Schule das, was für ihren chi·ne·sischen Mutterorden Berg Tiantai war.

Um seinen Klostertempel unbeeinflusst von anderen Schulen und Tempeln führen zu können, trachtete Saichō sein ganzes Leben nach der Be·rechtigung eigene Mönchs·weihen vor·zu·nehmen. Dieses Recht wurde in der Nara und Heian Zeit vom Tenno verliehen. Es war einem Tempel daher nur mit Ge·neh·migung des Tenno ge·stattet, offizielle Mönchs·weihen vor·zu·nehmen, un·ab·hängig davon welchen Rang, bzw. welche bud·dhis·tischen Weihen die Äbte des Tempels inne hatten. Zu Saichōs Zeiten hatten nur die Tempel in Nara dieses Privileg, was ihnen natür·lich Kontrolle über die Weihungen ermöglichte.

Sowohl Kaiser Kanmu als auch sein Nachfolger,

Saga Tennō 嵯峨天皇 (jap.)

786–842; 52. japanischer Kaiser; (r. 809–823)

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, scheinen Sympathie für Saichōs Pläne ge·habt zu haben, doch da diese letzt·lich das Ziel hatten, die Tendai-Sekte von jeg·licher Kontrolle von außen (religiös wie staatlich) zu be·freien, war dies kein ein·facher Schritt. Die Nara-Mönche taten ein Übriges, um Saichōs institutionelle Un·ab·hängig·keit zu ver·hindern. Erst Saichōs Tod scheint Saga um·ge·stimmt zu haben. 822, eine Woche nach Saichōs Ableben erhielt die Tendai-shū das Recht, eine so·ge·nannte „Ordinations·plattform“ (

kaidan 戒壇 (jap.)

Ordinationsplattform (für Mönchsweihen)

Tempel

Der Begriff „kaidan“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:

) zu er·richten und sich damit als eigen·ständige, institutionell unab·hängige Richtung des japanischen Bud·dhis·mus zu etablieren.

Neuerungen des Tendai Buddhismus

Saichōs Schwierigkeiten gründeten in seiner fundamentalen Opposition gegen·über den meisten Lehr·mei·nungen der Nara-Schulen. In seiner be·rühmten Debatte mit dem Mönch

Tokuitsu 徳一 (jap.)

760?–835?; buddhistischer Mönch der Hossō-Schule

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, einem Ver·treter der alt·ein·ge·sessenen

Hossō-shū 法相宗 (jap.)

Schulrichtung des frühen jap. Buddhismus, eine der Sechs Nara-Schulen

Schulrichtung

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Schule, kamen diese Unter·schiede deutlich zum Aus·druck: Während für die traditionellen Mönche die

Buddha बुद्ध (skt., m.)

„Der Erleuchtete“ (jap. butsu, hotoke 仏 oder Budda 仏陀)

Buddha

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(Erleuchtung) nur wenigen be·stimmt war, vertrat Saichō die Auf·fassung, dass allen Lebe·wesen das Potenzial der Buddha·werdung inne·wohne. Saichō berief sich dabei auf das Lotos Sutra (jap.

Hoke-kyō 法華経 (jap.)

Lotos Sutra; skt. Saddharma pundarika sutra; jap. auch Hokkekyō oder Myōhō renge kyō; zählt zu den einflussreichsten Texten des Mahayana-Buddhismus, älteste Fassungen dürften im ersten Jh. v.u.Z. entstanden sein.

Text

Der Begriff „Hoke-kyō“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:

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, skt.

Saddharma puṇḍarīka sūtra सद्धर्मपुण्डरीकसूत्र (skt., n.)

„Sutra vom weißen Lotos des wunderbaren Dharma“, Lotos Sutra (jap. Myōhō renge kyō 妙法蓮華経 oder Hoke-kyō 法華経)

Text

Der Begriff „Saddharma pundarika sutra“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:

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), einen im gesamten Buddhismus eminent be·deut·samen Text, der be·sonders für die Tendai Schule die zentrale und un·mittel·bare Lehr·meinung des Buddha re·prä·sen·tierte. Tokuichi leugnete die Be·deu·tung des Lotos Sutra zwar nicht völlig, er·blickte darin aber einen „vor·läufigen Text“, bzw. ein „ge·schicktes Mittel“ (

hōben 方便 (jap.)

geschicktes Mittel; skt. upāya

Konzept

Der Begriff „hōben“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:

, skt.

upāya उपाय (skt., m.)

„[geschicktes] Mittel“ (jap. hōben 方便)

Konzept

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) des Buddha. Das be·deutet, dass der Text in seinen Augen die wahre An·sicht des Buddha nur ver·schlüsselt, bzw. indirekt mit·teilt. Ein solches Mittel ist nach Auf·fassung des

Mahāyāna महायान (skt., n.)

„Großes Fahrzeug“, buddhistische Richtung (jap. daijō bukkyō 大乗)

Schulrichtung

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Bud·dhis·mus ge·recht·fertigt, da die un·ver·blümte Lehre des Buddha für Laien zu unver·ständlich wäre. Von dieser Grund·an·nahme aus·gehend unter·scheiden sich die einzelnen Schulen vor allem darin, welche Sutren sie als „vor·läufig“ (jap.

gon(jap.)

vorläufig, provisorisch (im Ggs. zu jitsu, „wirklich“)

Konzept

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) und welche sie als „wahr“ oder „wirklich“ (jap.

jitsu(jap.)

wirklich (im Ggs. zu gon, „vorläufig“)

Konzept

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) erachten.

Wie anhand der Diskussion zwischen Saichō und Tokuichi zu er·kennen ist, war die Unter·scheidung in „vorläufig“ und „wirklich“ ein ge·läufiges Argument in inner-bud·dhis·tischen Aus·einander·setzungen. Es wurde aber gerade von der Tendai Lehre in besonderem Maße ver·wendet und ausgebaut. Zhiyi, der chinesische Be·gründer der Lehre, er·richtete nämlich inner·halb der bud·dhis·tischen Schriften eine hierarchische Ein·teilung von kanonischen Schriften, indem er sie in fünf Stufen klassifizierte. Diese Stufen ent·sprachen seiner Meinung nach dem didaktischen Konzept des Buddha, der seine Schüler Stufe für Stufe von der „vor·läufigen“ zur „ab·soluten“ Erkenntnis her·an·führte. Das Lotos Sutra nahm in dieser Hierarchie die höchste Stufe ein, die meisten anderen Sutren galten hin·gegen als mehr oder weniger „vorläufig“.

Aufstieg des Tendai Buddhismus

Saichōs Betonung des Lotos Sutra und der potentiellen Er·leuch·tung aller Lebe·wesen setzten sich im Laufe der Heian Zeit ganz all·ge·mein gegenüber der Position der alten Nara Schulen durch. Darüber hin·aus fungierte die Tendai Schule aber auch als Reservoir für alle mög·lichen anderen Neuerungen des japanischen Bud·dhis·mus und be·gnügte sich nicht, wie ihre chi·ne·sische Vor·gängerin, mit der alleinigen Kon·zentra·tion auf das Lotos Sutra. Zum einen etablierte sich inner·halb des Tendai Bud·dhis·mus ein esoterischer Zweig, der das Ritual·system des eso·te·rischen Bud·dhis·mus inner·halb der Tendai-Klöster zur An·wen·dung brachte und damit in Kon·kurrenz zur auf·strebenden Shingon Schule trat. Da·neben gab es unter Saichos Nach·folgern auch viele Ver·treter des

Amida 阿弥陀 (jap.)

Buddha Amitabha; Hauptbuddha der Schulen des Reinen Landes (Jōdo-shū bzw. Jōdo Shinshū)

Buddha

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-Glaubens, der sich noch nicht als eigene Richtung in Japan etabliert hatte.

Auch wenn Saichō selbst noch nicht Zeuge seines Erfolgs wurde, gelang es seinen Nach·folgern, das Haupt·kloster auf Berg Hiei zu einem der wichtigsten Zentren des japanischen Bud·dhis·mus auszu·bauen und sowohl im welt·lichen als auch im geist·lichen Bereich als eine Macht von landes·weiter Be·deutung aufzu·treten. Damit verbunden war nicht nur Autorität im geist·lich-spirituellen Sinne. Berg Hiei wurde nach und nach zu einem der größten Land·besitzer in der Umgebung der Haupt·stadt und unter·hielt zur Ver·tei·di·gung seiner welt·lichen Inte·ressen auch eine statt·liche Armee von Mönchs·soldaten. Der Kloster·berg geriet vor allem mit dem

Kōfuku-ji 興福寺 (jap.)

Tempel des Hossō-Buddhismus; einer der Sieben Großen Tempel von Nara

Tempel

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Geographische Lage von Kōfuku-ji; s.a. Geo-Glossar

in Nara immer wieder in militärische Konflikte. Der Kōfuku-ji, der ebenfalls Ländereien und Armeen besaß, re·prä·sentierte dabei die Interessen des alt·ein·ge·sessenen Nara-Bud·dhis·mus, der bis in die

Kamakura 鎌倉 (jap.)

Stadt im Süden der Kantō Ebene, Sitz des Minamoto Shōgunats 1185–1333 (= Kamakura-Zeit)

Ort, Epoche

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Geographische Lage von Kamakura; s.a. Geo-Glossar

-Zeit ein er·bitterter Gegner von Saichōs Schule blieb. Aber auch inner·halb des Tendai Bud·dhis·mus selbst kam es bereits in der Heian Zeit zu Spal·tungen, die häufig Anlass zu militärischen Aus·einander·setzungen zwischen einzelnen Tempeln gaben. Diese Tendenz ver·stärkte sich in den all·ge·meinen politischen Unruhen der Kamakura Zeit weiter.

Religion in JapanGeschichte
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„Saichō und der Tendai Buddhismus.“ In: Bernhard Scheid, Religion-in-Japan: Ein digitales Handbuch. Universität Wien, seit 2001