Geschichte/Kukai
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Kōbō Daishi Kūkai
und der Shingon Buddhismus
774–835, Gründer des Shingon Buddhismus; Eigennamen Saeki Mao, Ehrennamen Kōbō Daishi
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(774–835) ist der vielleicht populärste Mönch des japa·nischen Bud·dhis·mus. Er ist der Begründer der
Shingon-Schule, wtl. Schule des Wahren Wortes; wichtigste Vertreterin des esoterischen Buddhismus (mikkyō) in Japan
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Schule und damit der bekannteste Ver·treter des soge·nannten eso·terischen Bud·dhis·mus in Japan. Der esoterische Bud·dhis·mus ist u.a. durch die An·wendung magischer Riten ge·kenn·zeich·net und war vor allem im Mittel·alter (also einige hundert Jahre nach Kūkai) äußerst ein·fluss·reich. Kūkai war jedoch schon zu Leb·zeiten sehr geachtet und erhielt un·mittel·bar nach seinem Tod den post·humen Ehren·titel
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(„Meister der Ver·breitung des Gesetzes“), unter dem er noch heute in Japan bekannt ist.
Biographie Kūkais
Kūkai wuchs in einer adeligen Familie in Shikoku auf und studierte zunächst kon·fuzianische Klassiker, um sich auf eine Karriere als Hof·beamter vorzu·bereiten. Wie er aber schon in seinem Früh·werk
„Essenz der Drei Lehren“ [= Buddhismus, Konfuzianismus und Daoismus!]; frühe Schrift von → Kūkai (791)
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(„Essenz der Drei Lehren“, 791) erkennen lässt, zog ihn der Bud·dhis·mus in seinen Bann und er verbrachte einige Jahre als wandernder Asket, bevor er schließlich 804 im relativ vorgerückten Alter von einund·dreißig Jahren offiziell dem Mönchs·stand beitrat. Bedenkt man, dass er im gleichen Jahr an einer kaiser·lichen Gesandt·schaft nach China teilnahm und dass er mit Kaiser
737–806; 50. japanischer Tennō; (r. 781–806); verantwortlich für Verlegung der Hauptstadt nach Heian (Kyōto)
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vor allem durch gemein·sames Inte·resse an der Dicht·kunst freund·schaft·lich ver·bunden war, so lässt er sich gut als genialer Außen·seiter oder Auto·didakt vorstellen, der der Mönchs·hier·archie nur angesichts der Not·wendig·keit, sich für die China·reise zu legitimieren, beitrat. Er fuhr übrigens mit der gleichen Gesandt·schaft wie
767–822; Gründer des Tendai-Buddhismus; auch bekannt als Dengyō Daishi
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, wenn auch in einem anderen Schiff. Von den ursprünglich vier Schiffen erreichten nur zwei das Fest·land — die Schiffe Kūkais und Saichōs. Achtung: Sie sehen eine veraltete Version von https://religion-in-japan.univie.ac.at/Handbuch/Geschichte/Kukai.
Bald nach seiner Ankunft in der Haupt·stadt Chang-an wurde Kūkai vom berühmten Meister
in den eso·te·rischen Bud·dhis·mus einge·weiht und zum Nach·folger auser·sehen. Da Huiguo 806 starb, blieb Kūkai kaum ein Jahr, um mit dem Meister vertraut zu werden, was die an sich schon außer·gewöhn·liche Berufung noch mysteriöser macht.
Zurück in Japan arrangierte sich Kūkai nach anfänglichen Schwierig·keiten rascher mit den
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-Schulen als Saichō. Sein Erfolg begann im Jahr 816, in dem er das Kloster auf
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gründen durfte, das zum Zentrum von Kūkais neuer Shingon Schule werden sollte, ähnlich wie sich
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als Zentrum von Saichōs Tendai Buddhismus etablierte. 816 ist zugleich das Jahr, in dem sich der Wege der vorerst freund·schaft·lich verbundenen Reformer Saichō und Kūkai trennten. Aus partner·schaft·licher Kooperation wurde Rivalität, die offenbar durch offizielle Be·günsti·gungen einmal des einen, einmal des anderen immer erbitterter wurde.
Als mit dem Tod Saichōs 822 der Tendai Schule eine eigene Ordinations·platt·form zuge·standen wurde und sie somit als auto·nome Mönchs·gemein·schaft aner·kannt wurden, erhielt schließlich auch Kūkai die Berechtigung, eigene Weihe·zere·monien für Mönche durch·zu·führen. Im Gegen·satz zu Saichō sah er darin aber mehr eine Ergänzung als einen Ersatz des bestehenden Ordinations·systems. Kūkai setzte sich auch nicht, wie Saichō, von der bestehenden Mönchs·hie·rarchie ab, sondern machte inner·halb des „Establishments“ Karriere: 827, mit 54 Jahren wurde er Leiter des
Behörde für buddhistische Angelegenheiten (Altertum)
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, der Behörde für klerikale An·ge·legen·heiten, die damals die staatliche Kontrolle über sämtliche Klöster ausübte.
Shingon und esoterischer Buddhismus
Als Begründer der
Shingon-Schule, wtl. Schule des Wahren Wortes; wichtigste Vertreterin des esoterischen Buddhismus (mikkyō) in Japan
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gilt Kūkai zugleich als Initiator des esoterischen Bud·dhis·mus in Japan, der manchmal als dritte Haupt·richtung neben Mahayana und Theravada eingestuft wird (s. Einführung). Ähnlich wie Saichō vertritt Kūkai die Auffassung, dass man noch in diesem Leben die Buddh·aschaft erlangen könne, aller·dings zieht er andere Mittel zur Er·lan·gung dieser Buddha·schaft in Betracht. Er betont das Ritual, bzw. eine sozusagen aktionis·tische Vor·gangs·weise, die verschiedene rituelle Techniken kombiniert. Diese Techniken können nur unmittelbar von Meister an Schüler weiter·ge·geben werden und müssen vor dem Gebrauch durch Un·ein·ge·weihte geschützt werden. Insofern spricht man von „geheimer“ oder eben „esoterischer“ Tradierung. Im Japanischen (und Chinesischen) heißt „esoterischer Bud·dhis·mus“ im übrigen schlicht
esoterischer Buddhismus, Tantrismus; wtl. geheime Lehre; Gegenstück zu kengyō; in Japan vor allem durch den Shingon, aber auch durch Teile des Tendai Buddhismus vertreten
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(chin. mijiao) — „geheime Lehre“.
Vor Kūkai bestanden buddhistische Riten in Japan v.a. aus Rezitationen von (nicht nur für Laien meist un·ver·ständ·lichen) Sutren·texten. Kūkai kritisierte diese Praxis. Er verglich das rituelle Rezitieren von Sutren mit der Situation eines Kranken, dem der Arzt lediglich ein medizi·nisches Buch vorliest. Zu einer praktischen Heilung könne es jedoch nur kommen, wenn die in den Sutren be·schriebenen Wahr·heiten in Form von Gebets·formeln (skt. mantra), Handzeichen (skt. mudrā) und visualisierten Bildern (Mandalas), rituell angewandt werden. Das Ritual erhält im esoterischen Bud·dhis·mus demnach den Stellen·wert eines Medika·ments, dessen An·wen·dung erst die „Genesung“ nach sich zieht. Die ver·schiedenen Sparten von rituellen Heils·praktiken — Formeln, Gesten und Bilder — werden im esoterischen Bud·dhis·mus übrigens auch „Geheimnisse des Mundes“, „Geheimnisse des Geistes“ und „Geheimnisse des Körpers“, zusammen die „Drei Geheimnisse“ (
Drei Geheimnisse (des esoterischen Buddhismus)
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) genannt. Die Bedeutung von magisch-rituellen Elementen spiegelt sich auch im Namen, den Kūkais Schule schließ·lich annahm:
wtl. „Wahres Wort“, skt. Mantra (Gebetsformel); namensgebend für den Shingon Buddhismus
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, wtl. „wahres Wort“ ist eine mögliche Über·setzung des Sanskrit·wortes mantra, Gebetsformel.
Grob gesprochen liegt die Betonung bei mikkyō eher auf dem Ritual·wesen als auf Sutren·aus·legung oder Dogmatik. In den Riten des mikkyō sind wiederum die strengen, furcht·ein·flößenden Gestalten von besonderer Be·deutung. Auch das Feuer spielt im esoteri·schen Ritual eine wichtige Rolle. In diesem Zusammen·hang gelangte u.a. die Figur des „Unbeweglichen Mantra-Königs“
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(Acala Vidyārāja) in Japan zu besonderer Bedeutung.
Ein wichtiges Instrument des esoterischen Buddhismus ist der Vajra (
skt. Vajra; „Diamant“, magische Waffe, Donnerkeil
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), eine magische Waffe, die gegen unheilvolle Einflüsse eingesetzt werden kann. Kūkai selbst wird meist mit einem drei·zackigen Vajra dargestellt (s. oben), die Wächter·ge·stalten an den Eingängen bud·dhis·tischer Tempel (
Wächterfigur, Torwächter
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) halten hingegen einzackige Vajras in der Hand. Diesem rituellen Instrument verdankt der esoterische Bud·dhis·mus auch den Bei·namen Vajrayana, Vajra Fahrzeug, übrigens eine Wort·schöpfung Kūkais, die später rück·wirkend auch auf indische, tibetische und chinesische esoterische Schulen angewandt wurde.
In der rechten Hand hält er einen fünfzackigen Vajra,
in der linken eine Vajra-Glocke.
Bild: Kyoto National Museum [2010/8]
Kūkais geschichtliches Wirken
Der esoterische Buddhismus erlebte zu Zeiten Kūkais in China gerade eine letzte Blüte, während er in Japan noch weit·gehend unbe·kannt war. Kūkai war aber nicht der einzige, der sich für mikkyō interessierte und die ent·sprechenden Techniken in Japan bekannt machte. Auch Saichō brachte esoterische Riten und Schriften nach Japan. Kūkai und Saichō arbeiteten zunächst gemeinsam an deren Verbreitung, indem sie sich wechsel·seitig in Rituale einweihten, die sie in China kennen gelernt hatten. Saichōs Stärke lag aber offenbar in dem Bereich, der später allgemein als
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(offene Lehre oder „exoterischer Buddhismus“) bezeichnet wurde.
Saichō und Kūkai empfanden beide Bereiche, mikkyō und kengyō, als kom·plementär, auch wenn jeder wahrscheinlich den seinen als wichtiger erachtete. Im historischen Rückblick gilt Shingon als der Haupt·ver·treter des japanischen esoterischen Bud·dhis·mus. Unter den Nach·folgern Saichōs etablierte sich aber auch ein Zweig der Tendai Schule, der eine eigene esoterische Tradition pflegte. Dieser sog. taimitsu Zweig über·flügelte zeit·weise sogar den esoterischen Bud·dhis·mus der Shingon Schule (tōmitsu). Dennoch sind bestimmte Eigen·heiten des japanischen esoterischen Bud·dhis·mus, wie z.B. die besondere Betonung der beiden Mandalas Taizōkai und Kongōkai mit Dainichi Nyorai im Zentrum, auf Kūkai zurück zu führen. Achtung: Sie sehen eine veraltete Version von https://religion-in-japan.univie.ac.at/Handbuch/Geschichte/Kukai.
Kūkai war offensichtlich eine Art Universalgenie, denn er beeindruckte seine Zeit·genossen auch auf zahl·reichen künst·le·rischen Gebieten. Das führte dazu, dass ihm die Legende später die Ur·heber·schaft zahl·reicher kultureller Errungen·schaften Japans zuschrieb. So gilt er als Vater der japanischen Silben·schrift (kana), der Kalligraphie, als hervor·ragender Dichter, Maler und Bild·hauer. Auch wenn nicht alle Legenden zutreffen, bleibt sein Rang innerhalb der japanischen Religions·geschichte unbestritten. Wie eine 1999 veröffentlichte Studie von Abe Ryuichi hervorhebt, liegt Kūkais über·ragende Bedeutung darin, dass er mit dem Ritual·wesen des esoterischen Buddhismus ein neues Ausdrucks·medium im japanischen Bud·dhis·mus einführte, das für Jahr·hunderte, besonders aber im sog. ja·pa·nischen Mittel·alter (12.–16. Jh.), eine zentrale Form japanischer Religiosität darstellte. Während die Tendai Schule heute vor allem für ihre Neuerungen auf dem Gebiet der bud·dhis·tischen Erkenntnis·lehre bekannt ist, wird der Shingon Buddhismus zunehmend als jene Richtung wahr·genommen, die für Jahr·hunderte auf dem Gebiet des Ritus den Ton angab und damit historisch ebenso bedeutungsvoll war.
Literatur
- Kûkai, John Krummel (en.)
Eintrag zu Kūkai in der Stanford Encyclopedia of Philosophy.Letzte Überprüfung der Linkadressen: Aug. 2010
Religion in Japan, Inhalt
- 一 Grundbegriffe
- 二 Bauten
- 五 Mythen
- Einleitung
- Mythologie:
- Götter des Himmels
- Götter der Erde
- Jenseits:
- Jenseits
- Geister:
- Totengeister
- Dämonen
- Tiere:
- Imaginäre Tiere
- Verwandlungskünstler
- Symboltiere
- 六 Geschichte
- Einleitung
- Altertum:
- Prähistorie
- Frühzeit
- Nara-Zeit
- Frühe kami-Kulte
- Heian-Zeit
- Saichō
- Kūkai
- Honji suijaku
- Mittelalter:
- Kamakura-Zeit
- Amidismus
- Zen Buddhismus
- Nichiren Buddhismus
- Mittelalterl. Shintō
- Frühe Neuzeit:
- Reichseinigung
- Christentum
- Terauke-System
- Neo-Konfuzianismus
- Kokugaku
- Moderne und Gegenwart:
- Bakumatsu-Zeit
- Staatsshintō
- Neue Religionen
- 七 Essays
- Überblick
- Buddhismus, Asien:
- Arhats in China und Japan
- Vajrapani: Der Feldherr des esoterischen Buddhismus
- Bishamon-ten: Wächter und Glücksgott
- Riesen-Buddhas: Im Kampf gegen die Unbeständigkeit des irdischen Daseins
- Lokale Vorstellungen, Japan:
- Jindō und shintō: Zum Begriffsinhalt des ‚Weges der kami‘
- Ōkuninushi als heimlicher Gegenspieler der Himmlischen Götter
- Religiöse Gewalt in Japan: Blutopfer, Selbstopfer, Menschenopfer
- Unterhändler des Imaginären: Regenmachen im vormodernen Japan
- Lieber das Herz in der Hand als die Taube über dem Heer
- Feuer mit Feuer bekämpfen: Der Gehörnte Meister und sein Kult
- Hundert Geschichten: Horrorklassiker aus der Edo-Zeit
- Religion und Politik:
- Die Tenshō-Mission: Beginn einer schwierigen transnationalen Beziehung
- Yasukuni: Der Schrein des ‚friedlichen Landes‘
- Herrigels Zen und das Bogenschießen
- Anhang
- Metalog
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„Kūkai und der Shingon Buddhismus.“ In: Bernhard Scheid, Religion-in-Japan: Ein digitales Handbuch. Universität Wien, seit 2001