Grundbegriffe/Stereotype: Unterschied zwischen den Versionen
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− | Ein westlicher Manager nimmt | + | Ein westlicher Manager nimmt vielleicht eher eine Zen-Schulung in Anspruch als ein japanischer. Aber das ist nur eine Vermutung. |
==Zum Stereotyp „Shinto“== | ==Zum Stereotyp „Shinto“== |
Version vom 28. März 2014, 10:35 Uhr
Achtung: Sie sehen eine veraltete Version von https://religion-in-japan.univie.ac.at/Handbuch/Grundbegriffe/Stereotype.
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Das Thema japanische Religion ist unter anderem deshalb wichtig, weil es immer wieder her·an·gezogen wird, um die gesamte japani·sche Gesell·schaft zu erklären. Daraus haben sich in der All·gemein·heit einige stereotype Ansichten über Japan und seine Religio·nen gebildet, die oft allzu einfachen Erklärungs·mustern folgen. Im folgenden habe ich drei häufige stereo·type Er·klärun·gen etwas plakativ und überspitzt zusammengefasst. In der nachfolgenden Besprechung wird erläutert, wie es zu dem Stereotyp kam und was daran problematisch ist.
Stereotype
Zen
Japanischer Bud·dhis·mus ist Zen. Zen war die Religion der Samurai und hat damit die gesamte japani·sche Kultur geprägt. Wer die japani·sche Kultur verstehen will, muss Zen verstehen, wer Zen nicht versteht, kennt Japan nicht. Zen ist durch Meditation erworbene Selbst·erkenntnis und Selbst·disziplin. Zen ist gleich·bedeu·tend mit dem Weg der Krieger (bushidō). Zen ist gleich·bedeutend mit Tee·zeremonie, Ikebana und den japanischen Kampfsportarten (budō), erklärt aber auch die japa·nische Arbeits·disziplin und damit die japanische Wirt·schafts·kompetenz.
Shinto
Japanische Religion ist Shinto, der Weg der Götter. Shinto ist die Wurzel der japa·nischen Kultur. Wer die japanische Kultur verstehen will, muss Shinto verstehen, wer Shinto nicht versteht, kennt Japan nicht. Shinto ist in seiner Essenz seit Urzeiten gleich geblieben. Shinto bewahrt die Ur·ver·bunden·heit mit der Natur. Wenn im heutigen Japan nicht immer Harmonie zwischen Mensch und Natur herrscht, so deshalb, weil sich die ver·west·lichte japa·nische Gesell·schaft nicht oder nur un·genügend ihrer shinto·istischen Wurzeln besinnt.
Konfuzianismus
Die japanische Gesellschaft ist vom Konfuzianismus geprägt. Der Konfuzia·nismus war die Staatsideologie der Tokugawa-Zeit und bestimmte damit das feudale Rechts·system, das in Japan heute noch fortwirkt. Konfuzia·nismus lehrt Disziplin und Gehor·samkeit. Das Hier·archiedenken, die Arbeits·moral und der schwach entwickelte Individua·lismus der Japaner sind dem Konfuzia·nismus zuzuschreiben.
Zum Stereotyp „Zen“
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Der Begriff „Zen“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
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ist unter dem Namen
Der Begriff „Chan“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
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(„Meditation“) in China entstanden, breitete sich ab dem dreizehnten Jahr·hundert in Japan aus und wurde bald zu einer der offiziell anerkannten Richtungen (
rel. Schule oder Sekte, Glaubensgemeinschaft
Der Begriff „shūha“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
) des japanischen Bud·dhis·mus. Zen-Mönche waren vor allem im vierzehten, fünfzehnten und sechzehnten Jahrhundert an zahlreichen kulturellen Innovationen beteiligt. Dazu gehören Tee-Zeremonie, Architektur und Gartenarchitektur (s. dazu auch Zen im Kapitel „Geschichte“). Bis hierher stimmt das allgemeine Stereotyp.
Die Einschränkung
Ihre kulturelle Bedeutung verdanken die Zen-Mönche ihrer engen Zusammenarbeit mit den Shogunen (Militär·macht·habern) des japanischen Mittel·alters. Chinesische Zen (bzw. Chan) Mönche, die zum Teil in China selbst verfolgt wurden, fanden in Japan Exil und brachten diverse kulturelle Neuerungen mit, u.a. das Teetrinken. Tee war aber außerhalb der Klöster weniger wegen seiner meditativen Wirkung begehrt, sondern weil er Sammlern des damals unglaublich wertvollen chinesischen Tee·geschirrs die Möglichkeit bot, ihre Schätze zu zeigen. Aus dieser Sammel·leidenschaft entwickelte sich die japanische Tee-Zeremonie, in der das rituelle Bewundern der (mittlerweile japanisierten) Tee-Utensilien bis heute einen wichtigen Bestandteil darstellt.
Zen Mönche entwickelten sich in der
Stadtteil in Kyōto; Sitz des Ashikaga Shōgunats 1336–1573 (= Muromachi-Zeit)
Der Begriff „Muromachi“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
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-Zeit (1333–1573) immer mehr zu Experten chinesischer Bildung. Sie lehrten den Shogun und seinen Hof weniger Bud·dhis·mus und Meditation, sondern konfuzianische Klassiker und chinesische Lyrik. Ihr Einfluss erstreckte sich jedoch nur auf eine kleine Elite. Die Meditation, der Zen seinen Namen verdankt, wurde vor allem im
Der Begriff „Sōtō-shū“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
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Zen hoch·gehalten. Diese Richtung stellte zunächst nur eine marginalisierte Sekte dar, die haupt·sächlich in den Provinzen aktiv war und sich erst in späterer Zeit zur stärksten Zen Gruppierung entwickelte.
Insgesamt gehörte die Mehrheit der Samurai der
Der Begriff „Jōdo-shū“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
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, der Schule vom Reinen Land, an. Auch heute wird Zen in Japan vom Bud·dhis·mus des Reinen Landes zahlen·mäßig überflügelt. Zen ist also nicht die stärkste Richtung des japanischen Bud·dhis·mus. Aber auch jene Japaner, die dem Zen Buddhismus angehören, praktizieren nur selten die Ver·senkung in paradoxe Rätsel (
Koan, paradoxes Zen-Rätsel
Der Begriff „kōan“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
) oder die strenge Meditation, für die Zen im Westen bekannt ist. Ebenso wie andere japanische Bud·dhis·ten suchen sie ihren Tempel vor allem deshalb regel·mäßig auf, weil er ihre Familien·gräber betreut. Wie andere Richtungen des modernen japanischen Bud·dhis·mus, tritt auch der Zen in Japan in erster Linie als religiöser Dienst·leister im Bereich des Begräbniskults in Erscheinung.
Die Einschränkung der Einschränkung
Meditation und Irritation sind Praktiken und Taktiken, auf die man nicht nur im Zen, sondern allgemein im japanischen Bud·dhis·mus immer wieder stößt. Insofern kann die Be·schäftigung mit Zen durchaus zu einem Verständnis japanischer Religiosität beitragen.
Zu den Kampfsportarten
Obwohl das bekannte Shaolin Kloster in China ein Chan-Tempel ist, hat sich die Tradition des Kampf·sports nicht generell im Chan/Zen durch·gesetzt. Japanische Kampf·sportarten sind in der Regel nicht in Zen-Klöstern entstanden und haben im übrigen in ihrer heutigen Form eine viel jüngere Tradition als allgemein an·ge·nommen. Ihre strengen Verhaltens·vorschriften kann man, wenn man will, als Ausdruck einer allgemeinen Vorliebe für Rituale in Japan ansehen.
Zu Zen und Wirtschaft
Ein westlicher Manager nimmt vielleicht eher eine Zen-Schulung in Anspruch als ein japanischer. Aber das ist nur eine Vermutung.
Zum Stereotyp „Shinto“
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Dass der moderne Shinto nur in Zusammenhang mit der Entwicklung des Buddhismus in Japan zu verstehen ist, wurde bereits in der Einführung zum Thema Shinto erwähnt, und ist eines der Kern·themen dieser Website. Zum Thema Natur soviel: Natur·phänomene werden im Rahmen des Shinto in der Tat ver·göttlicht und verehrt. Jeder Japan·besucher stößt früher oder später auf ein·drucks·volle Baum·riesen oder Felsen, die durch ein Götter-Seil (
shintōistisches „Götter-Seil“; geschlagene Taue aus Reisstroh.
Der Begriff „shimenawa“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
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) als numinose Er·scheinungen gekenn·zeichnet sind. Im Shinto ist es tatsächlich Tabu, Bäume zu fällen — allerdings nur innerhalb des Schreinareals.
Die Einschränkung
In Japan entwickelt man, so meine Behauptung, vor allem zu vereinzelten Gegen·ständen oder Orten in der Natur eine besondere religiöse Beziehung. Diese Tradition findet sich schon in der ältesten japanischen Dichtung. Die Natur als Ganzes ist dagegen angst·besetzt. Berge wurden und werden als Ort der Geister und Ver·storbenen, als dies·seitiger Bereich des Jenseits angesehen, manch·mal auch als Ein·gang zur Hölle. Wer sich in die Berge begibt, muss daher von vorn herein mit religiöser Macht aus·gestattet sein. Gleich·zeitig verleiht der Auf·enthalt in der freien Natur religiöse Macht (ein weltweites Phänomen), daher die Tradition der Bergasketen und Pilgerschaften zu heiligen Bergen, die jedoch nicht spezifisch shintoistisch sind. Der in Mitteleuropa verbreitete Naturgenuss in Form von Wandern hat sich zwar auch im modernen Japan durchgesetzt, ist im Vergleich zu den Alpen aber noch relativ unter·ent·wickelt. Es ist deshalb auch gar nicht leicht, auf eigene Faust einen x-beliebigen Berg zu be·wandern: Man findet meist gar keinen Weg. Nur wo Schreine oder Tempel bereits eine kulturelle Bresche in die Natur geschlagen haben, sind Wege und Be·sucher zu erwarten. Wird die prinzipiell un·heimliche Natur mit kulturellen Mitteln gezähmt und aus·gebeutet, bestehen dagegen keine traditionellen religiösen Bedenken (wie etwa in aus·tralischen oder indianischen Religionen). Der ambivalente Status Japans in globalen Umwelt·fragen ist ein weiteres Argument gegen ein besonderes, religiös motiviertes Ökologie·bewusst·sein, wie es manche Verfechter des Shinto für Japan in Anspruch nehmen.
Einschränkung der Einschränkung
Weder im Shinto noch im Buddhismus gibt es ein „Macht euch die Erde Untertan.“
Zum Stereotyp „Konfuzianismus“
Da es kaum konfuzianische Tempel und keine konfuzianischen Priester gibt, scheint der Kon·fu·zianis·mus im heutigen Japan so gut wie gar keine Rolle zu spielen. Tat·sächlich ist es jedoch richtig, dass der vormoderne japanische Staat und seine Gesetzes·sprechung von konfuzianischen Prinzipien geprägt waren. Darüber hinaus hat Japan schon vor der Übernahme des Bud·dhis·mus zahlreiche religiöse Formen und Inhalte aus China importiert. Vieles davon wird manchmal als „konfuzianisch“, manchmal als „daoistisch“ be·zeichnet, obwohl beide Zu·ordnungen streng genommen problematisch sind. Beispiels·weise im Fall der Yin Yang Lehre: In China setzen sowohl Konfuzianismus als auch Daoismus die Yin Yang Lehre selbst·ver·ständlich voraus. In Japan wiederum wird sie sowohl von Bud·dhis·ten als auch von Shintoisten befolgt und als integraler Be·stand·teil ihrer Religion aufgefasst.
Konfuzianismus im engeren Sinne ist weniger eine Religion als eine Lehre der sozialen Ethik, die v.a. das Ver·hältnis zwischen Herr·scher und Untertan und die Hier·archie in der Familie betrifft. Das Ideal der kindlichen Pietät ist das in Japan am weitesten ver·breitete Gebot des Konfuzianismus — es wurde allerdings haupt·sächlich durch den Bud·dhis·mus vertreten. Im achzehnten und neunzehnten Jahrhundert gehörte die Lektüre konfuzianischer Klassiker zum Bildungs·gut der japanischen Ober·schicht und übte einen Einfluss aus, der vielleicht mit dem Griechisch- und Latein·unterricht in Europa zu ver·gleichen ist. Dass das japanische Ver·halten in Gruppen und der Um·gang mit Hier·archien allein aus dem Konfuzianismus erklärbar ist, scheint mir dennoch unwahrscheinlich.
Was Disziplin und Anpassungsdruck in der japanischen Gesell·schaft betrifft, so sind diese vielleicht nur auf andere Bereiche verteilt, als man es im Westen gewohnt ist. Wer länger in Japan lebt, wird immer wieder über·rascht, dass Leute spontan aus sich her·aus·gehen, wo man es am wenigsten erwarten würde. So gibt es gerade auf dem Gebiet der Religion zahl·reiche An·lässe, wo unkonventionelle Ver·haltens·muster erlaubt oder sogar gefordert sind. (Siehe dazu beispielsweise Kap. „Religion und Alltag“, Feste).