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Sieht man sich die reli·giöse Bilder·welt oder auch die Erzähl·literatur der Kamakura-Zeit genauer an, so fällt auf, dass hier Gestalten des eso·terischen Bud·dhis·mus, der von den „alten Schulen“ Tendai und  Shingon ver·treten wurde, eine wesent·lich größere Rolle spielen, als dies nach den Lehren des „Neuen Buddhismus“ der Fall sein dürfte. Auf·fallend ist vor allem die stetige Zunahme von furcht·ein·flößenden Figuren wie {{g|myouou}} und {{g|Tenbu}}. Un·will·kürlich ist man geneigt, die Beliebt·heit dieser kriege·rischen Wächter·figuren des eso·te·rischen Bud·dhis·mus mit den kriege·rischen Um·wäl·zungen des japanischen Mittel·alters in Verbin·dung zu bringen.
 
Sieht man sich die reli·giöse Bilder·welt oder auch die Erzähl·literatur der Kamakura-Zeit genauer an, so fällt auf, dass hier Gestalten des eso·terischen Bud·dhis·mus, der von den „alten Schulen“ Tendai und  Shingon ver·treten wurde, eine wesent·lich größere Rolle spielen, als dies nach den Lehren des „Neuen Buddhismus“ der Fall sein dürfte. Auf·fallend ist vor allem die stetige Zunahme von furcht·ein·flößenden Figuren wie {{g|myouou}} und {{g|Tenbu}}. Un·will·kürlich ist man geneigt, die Beliebt·heit dieser kriege·rischen Wächter·figuren des eso·te·rischen Bud·dhis·mus mit den kriege·rischen Um·wäl·zungen des japanischen Mittel·alters in Verbin·dung zu bringen.
  
Dieser Eindruck ist keineswegs unrichtig. Die buddhistischen Klöster des ja·pa·nischen Mittel·alters werden heute oft als die Haupt·gewinner im Spiel der Mächtigen jener Zeit an·ge·sehen. Gerade im Krieg kam ihnen eine ganz besondere Funktion zu. Nach all·ge·meinem Glauben beruhte nämlich der Aus·gang einer Schlacht nur zum Teil auf dem militärischen Geschick der Kon·tra·henten. Min·des·tens ebenso wichtig war der Bei·stand von {{g|kami|''kami''}} und {{skt:buddha|Buddhas}} und ein Gut·teil der Kriegs·vor·berei·tungen bestand daher in der Ab·haltung ent·spre·chender religiöser Zeremonien. Diese Zeremonien wandten sich meist nicht direkt an die höchsten Buddhas, sondern an ihre „Manifestationen“ in kriege·rischer Form, zu denen unter anderem auch ein·hei·mische ''kami'' gezählt wurden (siehe dazu auch [[Geschichte/Shinto_Mittelalter/Kamikaze | „Die Angriffe der Mongolen“]]). Eine weitere Funktion des Bud·dhis·mus im Krieg war die Betreuung der Toten. Die {{g|Jishuu | Ji-Sekte}}, eine Fraktion des Amida-Bud·dhis·mus, spezialisierte sich bei·spiels·weise auf die Bestattung von Gefallenen.
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Dieser Eindruck ist keineswegs unrichtig. Die buddhistischen Klöster des ja·pa·nischen Mittel·alters werden heute oft als die Haupt·gewinner im Spiel der Mächtigen jener Zeit an·ge·sehen. Gerade im Krieg kam ihnen eine ganz besondere Funktion zu. Nach all·ge·meinem Glauben beruhte nämlich der Aus·gang einer Schlacht nur zum Teil auf dem militärischen Geschick der Kon·tra·henten. Min·des·tens ebenso wichtig war der Bei·stand von {{g|kami|''kami''}} und {{s|buddha|Buddhas}} und ein Gut·teil der Kriegs·vor·berei·tungen bestand daher in der Ab·haltung ent·spre·chender religiöser Zeremonien. Diese Zeremonien wandten sich meist nicht direkt an die höchsten Buddhas, sondern an ihre „Manifestationen“ in kriege·rischer Form, zu denen unter anderem auch ein·hei·mische ''kami'' gezählt wurden (siehe dazu auch [[Geschichte/Shinto_Mittelalter/Kamikaze | „Die Angriffe der Mongolen“]]). Eine weitere Funktion des Bud·dhis·mus im Krieg war die Betreuung der Toten. Die {{g|Jishuu | Ji-Sekte}}, eine Fraktion des Amida-Bud·dhis·mus, spezialisierte sich bei·spiels·weise auf die Bestattung von Gefallenen.
 
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Version vom 19. Mai 2020, 14:56 Uhr

Kamakura-Zeit Alter und Neuer Buddhismus

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Die Kamakura [Kamakura (jap.) 鎌倉 Stadt im Süden der Kantō Ebene, Sitz des Minamoto Shōgunats 1185–1333 (= Kamakura-Zeit)]-Zeit beginnt mit einem poli·tischen Umbruch: Minamoto no Yoritomo [Minamoto no Yoritomo (jap.) 源頼朝 1147–1199; Feldherr, Staatsmann, Begründer des Minamoto Shōgunats] (1147–1199) geht 1185 siegreich aus dem so·ge·nannten Genpei Krieg [Genpei Gassen (jap.) 源平合戦 Krieg zwischen den Minamoto (Gen) und den Taira (Hei, bzw. Pei), 1180–1185] — einem landesweiten Bürger·krieg zwischen den beiden Krieger·dynastien Taira [Taira (jap.) Kriegerfamilie, die im 12. Jh. um die pol. Vorherrschaft in Japan kämpfte; auch Heike] und Minamoto [Minamoto (jap.) Kriegerfamilie, die 1185 eine neue Herrschaftsdynastie begründete: Kamakura Shōgunat, 1185–1333] — hervor, setzt sich damit an die Spitze des Krieger·adels und begründet unter dem Titel Shōgun [Shōgun (jap.) 将軍 Shōgun; Titel der Militärherrscher aus dem Kriegeradel (bushi, Samurai)] eine neue Herr·scher·dynastie mit Sitz in Kamakura, unweit des heutigen Tōkyō. Er beendet damit die poli·tische Hege·monie des Tennō [Tennō (jap.) 天皇 jap. „Kaiser“-Titel, wtl. Herrscher des Himmels]-Hofes, doch wird dieser nicht ab·ge·schafft, sondern bleibt weiter·hin in der alten Haupt·stadt Kyōto (Heian-kyō [Heian-kyō (jap.) 平安京 urspr. Name der Stadt Kyōto; wtl. Stadt des Friedens; politisches Zentrum 794–1185 (= Heian-Zeit)]) bestehen. Der politische Wechsel folgt auf eine lange Phase der politischen De·zentra·lisie·rung, also einer Schwä·chung der Zentral·macht, verbunden mit dem Aufstieg lokaler Militär·macht·haber (Krieger·adel, buke [buke (jap.) 武家 Kriegeradel; die führenden Kriegerklans] oder Samurai, bushi [bushi (jap.) 武士 Krieger, Samurai]), vor allem in den Pro·vinzen Ost·japans. Im Zuge dieser De·zentra·lisie·rung ver·breitet sich auch der Bud·dhis·mus immer stärker außerhalb des politischen Zentrums und der kulturellen Eliten.

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Aus Sicht des Hofadels (kuge [kuge (jap.) 公家 Hofadel; die führenden höfischen Familien]) ändert sich das Leben den·noch nicht allzu drastisch. Die mächtigen Fujiwara [Fujiwara (jap.) 藤原 mächtigste Adelsfamilie im jap. Altertum] verheiraten ihre Söhne und Töchter nun auch mit den ehemals verachteten Krieger·häusern und parti·zipieren auf diese Weise immer noch an polit·ischen Ent·scheidungs·prozessen. Die anderen Hof·familien erfüllen weiterhin ihre ange·stammten kulturellen und religiöse Funk·tionen. Der tradi·tionelle Status·unterschied von Hof- und Kriegeradel, der sich in einem rigiden System hö·fischer Ränge ausdrückt, bleibt nach wie vor aufrecht und verschleiert die tat·säch·lichen Macht·ver·hält·nisse. Dieses doppelte System von Macht und Status bleibt bis zum Beginn der Moderne — und in gewisser Weise auch noch danach — ein charak·teris·tisches Element der politischen Struktur Japans.

Die Zeit nach dem Umbruch ist daher weiterhin politisch instabil. Obwohl sich der Kaiser·hof vorder·hand damit abfindet, die Ent·schei·dungen des Kamakura-Shōgunats formal ab·zu·segnen, stellt die Möglich·keit seiner politischen Neu·er·star·kung eine per·ma·nente latente Be·drohung für den Shōgun dar. Ende des drei·zehnten Jahr·hunderts kommt schließ·lich eine Gefahr von außen dazu: die Mongolen, die innerhalb von fünfzig Jahren China und Korea er·obert haben, sehen auch in Japan ein loh·nen·des Angriffs·ziel. 1274 und 1281 kommt es zu groß·an·ge·legten Angriffen, die der Über·liefe·rung zufolge jeweils durch „göttliche Winde“ (kamikaze [kamikaze (jap.) 神風 Götterwind; urspr. ein poetischer Beinamen der Provinz Ise, wird der Begriff seit den Mongolenangriffen des 13. Jh.s mit göttlichem Schutz im Krieg assoziiert und daher auch mit den Selbstmord-Piloten des 2. Weltkriegs in Verbindung gebracht]) ver·eitelt werden. Trotz der erfolg·reichen Ver·tei·digung der territorialen Integrität des Landes schwächen die gewaltigen Militär·aus·gaben, die der Mon·golen·angriff mit sich bringt, das Shōgunat. 1333 kommt es schließlich zu neuen dynastischen Kämpfen, aus denen 1336 die Familie der Ashikaga [Ashikaga (jap.) 足利 Kriegerfamilie, die 1336 eine neue Herrschaftsdynastie begründete: Ashikaga Shōgunat, 1336–1573] sieg·reich her·vor·geht und ein neues Shōgunat, diesmal wieder in der alten Hauptstadt Kyōto begründet. Die neue Epoche wird heute als Muromachi [Muromachi (jap.) 室町 Stadtteil in Kyōto; Sitz des Ashikaga Shōgunats 1336–1573 (= Muromachi-Zeit)]-Zeit bezeichnet und stellt zusammen mit der Kamakura-Zeit das japanische Mittelalter dar.

Neue buddhistische Richtungen

Reli·gions·geschicht·lich ist der Beginn des japanischen Mittel·alters durch das Auf·treten ver·schie·dener religiöser Gründer·figuren cha·rakte·risiert: Hōnen [Hōnen (jap.) 法然 1133–1212; Gründer der Jōdo-shū, der Schule vom Reinen Land] (1133–1212), Shinran [Shinran (jap.) 親鸞 1173–1262; Gründer der Jōdo Shin-Schule] (1173–1262), Dōgen [Dōgen Kigen (jap.) 道元希玄 1200–1253; Begründer des Sōtō Zen; auch Eihei Dōgen.] (1200–1253) und Nichiren [Nichiren (jap.) 日蓮 1222–1282; Begründer des Nichiren Buddhismus] (1222–1282) ver·breiten jeweils neu·artige Lehren und stehen damit für eine Welle der Er·neue·rung inner·halb des ja·pa·nischen Bud·dhis·mus, die man auch als „Neuen Buddhismus“ der Kamakura-Zeit — im Unter·schied zum „Alten Buddhismus“ der Tendai [Tendai-shū (jap.) 天台宗 Tendai-Schule, chin. Tiantai]- und Shingon [Shingon-shū (jap.) 真言宗 Shingon-Schule, wtl. Schule des Wahren Wortes; wichtigste Vertreterin des esoterischen Buddhismus (mikkyō) in Japan]-Schulen sowie der so·ge·nannten Nara [Nara (jap.) 奈良 Hauptstadt und Sitz des Tennō, 710–784 (= Nara-Zeit); auch: Heijō-kyō]-Schulen — bezeichnet.

Die starken Reform·kräfte innerhalb des Bud·dhis·mus dieser Zeit sind wahr·schein·lich der Aus·brei·tung des Bud·dhis·mus in breitere Be·völke·rungs·schichten zuzu·schreiben. Vor allem der Amida [Amida (jap.) 阿弥陀 Buddha Amitabha; Hauptbuddha der Schulen des Reinen Landes (Jōdo-shū bzw. Jōdo Shinshū)]-Bud·dhis·mus mit seinem starken Glauben an die Er·ret·tung in Amidas Reinem Land jōdo [jōdo (jap.) 浄土 Reines Land, buddhistisches Paradies; auch gokuraku, Sukhavati] lässt sich als Antwort auf das Bedürfnis nach einer einfachen, für jeder·mann prakti·kablen Form der bud·dhis·tischen Religions·aus·übung auf·fassen. Im Unter·schied zu den etablierten Schulen hatten die amidis·tischen Reformer nicht mehr nur die ge·sell·schaft·lichen Eliten im Auge und waren nicht mehr bereit, sich in den Dienst ihrer Inte·ressen zu stellen. Sie predigten auf öffent·lichen Plätzen und scharten Anhänger aus allen ge·sell·schaft·lichen Schichten um sich. Das hatte einer·seits einen breiten Zulauf zur Folge, anderer·seits brachte es die Amidisten bald mit den staatlichen Autoritäten in Konflikt.

Aber auch die neuen Führungs·eliten aus dem „Kriegeradel“ suchten und fanden neue religiöse Formen, namentlich im Zen-Buddhismus. Die neuen Rich·tungen des Bud·dhis·mus breiteten sich also nicht gleich·mäßig in der Be·völke·rung aus, sondern jeweils in spezi·fischen Schichten: Bauern·schaft und niederer Krieger·adel tendierten, wenn sie nach religiösen Alter·nativen suchten, zum Amidis·mus, die all·gemeine Stadt·bevölkerung fühlte sich von Nichiren [Nichiren (jap.) 日蓮 1222–1282; Begründer des Nichiren Buddhismus] und seinen An·hängern an·ge·sprochen, der höhere Krieger·stand vom Zen [Zen (jap.) chin. Chan, wtl. Meditation; Zen Buddhismus]-Buddhismus.

Auf den nächsten Seiten werden die Gründer dieses Neuen Bud·dhis·mus als Re·prä·sen·tanten der Kamakura-zeitlichen Religions·geschichte genauer vor·ge·stellt. Ich möchte jedoch gleich vorweg auch die Kritik erwähnen, die in jüngerer Zeit gegen die über·mäßige Betonung von Figuren wie Hōnen, Shinran, Dōgen oder Nichiren vorgebracht wurde. Trotz ihrer inno·vativen Ideen stellten diese Mönche inner·halb der religiösen Welt des ja·pa·nischen Früh·mittel·alters nur eine kleine Minder·heit dar, deren Be·deu·tung sich erst retro·spektiv, durch den späteren Erfolg ihrer Lehren ergibt. Dieser Erfolg ist aber nicht selten auf die An·stren·gungen der Nach·folger zurück·zu·führen, die dabei die ur·sprüng·lichen Intentionen der Gründer stark ver·änderten. Dies trifft ganz besonders auf Rennyo [Rennyo (jap.) 蓮如 1415–1499; Mönch der Jōdo Shin-Schule], den er·folg·reichen Reformator der Jōdo Shinshū [Jōdo Shinshū (jap.) 浄土真宗 Shin-Buddhismus, bzw. Jōdo Shin-Buddhismus; wtl. „Wahre Schule des Reinen Landes“] aber auch auf diverse Zen- und Nichiren-Mönche der Muromachi-Zeit zu. Die Erfolge des Neuen Bud·dhis·mus sind also nicht allein auf die Ideen seiner Gründer zurück·zu·führen, sondern auch darauf, dass es spätere Gene·rationen ver·standen, diese Lehren geschickt an sich verändernde ge·sell·schaft·liche Ver·hältnisse anzu·passen, ohne sich dabei allzu streng an die Thesen der Gründer·väter zu halten.

Buddhismus und Krieg

Vorlage:Sidebox3 Sieht man sich die reli·giöse Bilder·welt oder auch die Erzähl·literatur der Kamakura-Zeit genauer an, so fällt auf, dass hier Gestalten des eso·terischen Bud·dhis·mus, der von den „alten Schulen“ Tendai und Shingon ver·treten wurde, eine wesent·lich größere Rolle spielen, als dies nach den Lehren des „Neuen Buddhismus“ der Fall sein dürfte. Auf·fallend ist vor allem die stetige Zunahme von furcht·ein·flößenden Figuren wie myōō [myōō (jap.) 明王 wtl. Licht-König, auch „Mantra-König“ oder „Weisheits-König“; meist zornvoll dargestellte Schutzgottheit; skt. vidyaraja] und tenbu [tenbu (jap.) 天部 Gruppe der indischen bzw. aus Indien übernommene Gottheiten im japanischen Buddhismus (skt. deva)]. Un·will·kürlich ist man geneigt, die Beliebt·heit dieser kriege·rischen Wächter·figuren des eso·te·rischen Bud·dhis·mus mit den kriege·rischen Um·wäl·zungen des japanischen Mittel·alters in Verbin·dung zu bringen.

Dieser Eindruck ist keineswegs unrichtig. Die buddhistischen Klöster des ja·pa·nischen Mittel·alters werden heute oft als die Haupt·gewinner im Spiel der Mächtigen jener Zeit an·ge·sehen. Gerade im Krieg kam ihnen eine ganz besondere Funktion zu. Nach all·ge·meinem Glauben beruhte nämlich der Aus·gang einer Schlacht nur zum Teil auf dem militärischen Geschick der Kon·tra·henten. Min·des·tens ebenso wichtig war der Bei·stand von kami [kami (jap.) Gottheit; im engeren Sinne einheimische oder lokale japanische Gottheit, Schreingottheit (s. jinja), Gottheit des Shintō] und Buddhas [Buddha (skt.) बुद्ध „Der Erleuchtete“ (jap. butsu, hotoke 仏 oder Budda 仏陀)] und ein Gut·teil der Kriegs·vor·berei·tungen bestand daher in der Ab·haltung ent·spre·chender religiöser Zeremonien. Diese Zeremonien wandten sich meist nicht direkt an die höchsten Buddhas, sondern an ihre „Manifestationen“ in kriege·rischer Form, zu denen unter anderem auch ein·hei·mische kami gezählt wurden (siehe dazu auch „Die Angriffe der Mongolen“). Eine weitere Funktion des Bud·dhis·mus im Krieg war die Betreuung der Toten. Die Ji-Sekte [Ji-shū (jap.) 時宗 Amida-Schulrichtung aus der Kamakura-Zeit, gegründet von Ippen], eine Fraktion des Amida-Bud·dhis·mus, spezialisierte sich bei·spiels·weise auf die Bestattung von Gefallenen.

Benkei kuniyoshi.jpg
Kriegermönch Benkei

Die mächtigsten reli·giösen Insti·tu·tionen spielten in den Kriegswirren des Mittel·alters im übrigen eine ähn·liche Rolle wie die katho·lische Kirche zur gleichen Zeit in Europa: Sie unter·stützten die kriegs·führenden Parteien nicht nur durch Riten und Gebete, sie griffen sogar selbst aktiv ins Kampf·ge·schehen ein, vor allem wenn es um die Ver·teidi·gung oder Er·weite·rung der eigenen Terri·torial·rechte ging. Klöster wie der Enryaku-ji [Enryaku-ji (jap.) 延暦寺 Haupttempel des Hiei Klosterbergs] auf Berg Hiei [Hiei-zan (jap.) 比叡山 Klosterberg Hiei bei Kyōto, traditionelles Zentrum des Tendai Buddhismus] oder der Kōfuku-ji [Kōfuku-ji (jap.) 興福寺 Tempel des Hossō-Buddhismus; einer der Sieben Großen Tempel von Nara] in Nara [Nara (jap.) 奈良 Hauptstadt und Sitz des Tennō, 710–784 (= Nara-Zeit); auch: Heijō-kyō] zählten zu den größten Grund·besitzern der damaligen Zeit und hielten zu ihrer Ver·teidi·gung ge·fürch·tete Armeen von Mönchs·soldaten (sōhei [sōhei (jap.) 僧兵 Kriegermönch, Mönchssoldat]) aufrecht, die auch unter der Be·zeich·nung akusō [akusō (jap.) 悪僧 Kriegermönch; wtl. „schlechter Mönch“] (wtl. „schlechte Mönche“) bekannt waren. Diese Be·zeich·nung deutet zwar an, dass das Bewusst·sein, als Mönchs·soldat nicht ganz den Idealen des Bud·dhis·mus zu dienen, latent vor·handen war, doch wurden die akusō durchaus als Kämpfer geachtet und galten keines·wegs als mora·lisch tief·stehende Personen. Zu ihnen zählt auch einer der be·kanntesten Helden der japanischen Samurai-Folklore, nämlich Benkei [Benkei (jap.) 弁慶 ?–1189; legendärer Kriegermönch (sōhei) des Genpei-Krieges], der treue Begleiter von Minamoto no Yoshitsune [Minamoto no Yoshitsune (jap.) 源義経 1159–1189; japanischer Feldherr und Halbbruder von Minamoto no Yoritomo].

Das „System esoterischer und exoterischer Lehren“

Ein neuerer Forschungs·ansatz vertritt daher die Ansicht, dass sich der religiöse Mainstream der Kamakura-Zeit nicht im „Neuen Buddhis·mus“, sondern nach wie vor in den etablierten Schulen Tendai und Shingon finden ließe. Das besondere Augen·merk der traditionellen japa·nischen Buddhis·mus·for·schung auf einzelne Reformer und ihre Lehren würde den Blick auf die tat·säch·lichen Ver·hältnisse ver·stellen. Viel be·deut·samer seien die Ver·änderungen inner·halb des religiösen Establish·ments, aber auch neue sozialen Funktionen der Religion am Rande der Ge·sell·schaft. In diesem Zu·sammen·hang hat etwa Kuroda Toshio [Kuroda Toshio (jap.) 黒田俊雄 1923–1993; Historiker und Religionswissenschaftler] sein berühmtes Modell des kenmitsu taisei [kenmitsu taisei (jap.) 顕密体制 System exoterischer und esoterischer Lehren], des Systems eso·terischer und exo·terischer Lehren, entwickelt. Das kenmitsu taisei stellt nach Kuroda ein komple·mentäres Inei·nander·greifen von geheimen esote·rischen Riten und exote·rischen Dogmen dar und war für die großen religiösen Zentren im Mittel·alter (unabhängig ob Tendai-, Shingon oder sonst wie orientiert) charakteristisch. Der kenmitsu-Buddhismus (der natürlich nur eine histo·rische Kon·struktion ist) bediente sich der ver·schiedensten Strö·mungen und Rich·tungen und wandte sie pragmatisch und in enger Ver·flechtung mit den jeweiligen Macht·ver·hältnissen an. Aus theo·logischer Sicht lassen sich die Ver·treter des kenmitsu taisei vielleicht am besten dadurch charak·terisieren, dass sie unter·einander zwar einen relativ hohen Grad an Toleranz aufweisen, sich aber umso ve·he·menter gegen alle aus·schließenden, radikalen, „funda·menta·listischen“ Glaubens·formen wenden, wie sie für viele Vertreter des „Neuen Bud·dhis·mus“ typisch sind.

Trotz der Bedeutung des kenmitsu-Bud·dhis·mus für die Reli·gion des japanischen Mittel·alters folge ich auf den nächsten Seiten dem tradi·tionellen Schema und be·handle vor allem die Gründer·figuren des sog. „Neuen Buddhismus“. Inner·halb des heutigen japanischen Bud·dis·mus haben ihre Lehren nämlich die alten Schulen über·flügelt und es ist insofern un·er·lässlich, sich mit der Ent·stehung ihrer Ideen aus·einander·zu·setzen. Wer aber Genaueres über die religiöse Be·find·lich·keit von der späten Heian-Zeit bis in die Kamakura- und Muromachi-Zeit erfahren will, dem empfehle ich die Beschäftigung mit buddhistischen Legendensammlungen (setsuwa [setsuwa (jap.) 説話 Lehrerzählung, didaktische Anekdote; meist von buddh. Mönchen in Form umfangreicher Sammlungen kompiliert]), wie Konjaku monogatari [Konjaku monogatari (jap.) 今昔物語 „Geschichten aus alter und neuer Zeit“ (12. Jh.); umfangreiche Sammlung von Geschichten und Anekdoten, meist aus einem buddhistischen Kontext] oder Shasekishū [Shasekishū (jap.) 沙石集 Sammlung buddhistischer Erzählungen und Anekdoten, 1283 verfasst von Mujū Ichien]. Aber auch die berühmten Traktate von gebildeten Laien·mönchen, das Hōjōki [Hōjōki (jap.) 方丈記 „Bericht aus meiner Hütte“, Traktat von Kamo no Chōmei, geschrieben 1212] von Kamo no Chōmei [Kamo no Chōmei (jap.) 鴨長明 1153?–1216; japanischer Poet und Autor, der nach buddh. Lehren als Eremit lebte; auch bekannt unter seinem buddh. Namen Ren’in 蓮胤] und das Tsurezuregusa [Tsurezuregusa (jap.) 徒然草 „Aufzeichnungen aus Mußestunden“; Gedanken und Anekdoten von Yoshida Kenkō, verfasst ca. 1330–1332] von Kenkō [Yoshida Kenkō (jap.) 吉田兼好 1283?–1350?; japanischer Dichter und Hofbeamter, Autor des Tsurezuregusa; zu seiner Zeit wahrscheinlich als Urabe Kaneyoshi bekannt] bieten aus·ge·zeich·nete Einblicke in das religiöse Welt·bild des Mittelalters.

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