Geschichte/Neo-Konfuzianismus: Unterschied zwischen den Versionen
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Version vom 26. November 2019, 15:48 Uhr
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Während der Bud·dhis·mus der frühen
Hauptstadt der Tokugawa-Shōgune, heute: Tōkyō; auch: Zeit der Tokugawa-Dynastie, 1600–1867 (= Edo-Zeit);
Der Begriff „Edo“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
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Geographische Lage
-Zeit immer stärker zu einem Voll·zugs·organ der staat·lichen Ver·waltung wurde, erwachte inner·halb der intel·lektu·ellen Avant·garde ein neues Inter·esse am Kon·fuzia·nis·mus [jukyō (jap.) 儒教 Konfuzianismus, Lehre des Konfuzius (Kong Zi oder Kong Fuzi); wtl. Lehre der Gelehrten] einer·seits und an der Idee eines eigen·stän·digen japa·ni·schen Shintō [Shintō (jap.) 神道 Shintō; wtl. Weg der Götter, Weg der kami] ander·er·seits. China, das durch die Ab·schließungs·politik (
Abschließung des Landes in der Edo-Zeit, 1639–1853
Der Begriff „sakoku“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
) der Toku·gawa in un·er·reich·bare Ferne gerückt war, wurde von vielen Gelehr·ten als zivi·lisa·tori·sches Leit·bild wieder·ent·deckt, wäh·rend andere in der mythi·schen Ver·gangen·heit Japans nach einem idealen Gesell·schafts·modell suchten. Gemein·sam war beiden Strö·mun·gen, dass sie dem Bud·dhis·mus grund·sätz·lich kri·tisch gegen·über standen, auch wenn viele Intel·lektu·elle ihre Kennt·nisse in bud·dhis·tischen Klös·tern er·worben hatten oder gar als bud·dhis·tische Mönche tätig waren.
Öffentlicher Nutzen
Unter den Ein·flüssen aus China übte v.a. der soge·nannte Neo-Kon·fuzia·nis·mus in Ge·stalt der Lehren des chine·si·schen Philo·sophen
1130–1200; chin. Philosoph; Begründer des Neo-Konfuzianismus
Der Begriff „Zhu Xi“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
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(auch Chu Hsi, 1130–1200, jap. Shushi) eine große An·ziehungs·kraft auf die intel·lektu·elle Avant·garde der frühen Edo-Zeit aus. Im Gegensatz zum klas·sischen Kon·fuzi·anis·mus, der ja im wesent·lichen eine Philo·sophie der staats·bürger·lichen Rechte und Pflich·ten dar·stellt und sich daher vor allem auf das Dies·seits be·zieht, be·schäftigte sich Zhu Xi auch mit Fra·gen des Über·natür·lichen und der Religion und ent·wickel·te ein Erklä·rungs·modell des Kos·mos, das viele Be·rüh·rungs·punkte mit dem Bud·dhis·mus auf·weist. Zu·gleich be·diente er sich aber auch klas·sischer kon·fuziani·scher Kon·zepte, vor allem der Kate·gorien „öffentlich“ (
„öffentlich“
Der Begriff „kō“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
) und „privat“ (
„privat“
Der Begriff „shi“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
). Dieser Gegen·satz kann auch durch die Be·griffe „gemein·nützig“ und „eigen·nützig“ aus·ge·drückt werden und ent·hält eine ein·deuti·ge Wer·tung zu·guns·ten des „Öffent·lichen“. Unter kon·fuzia·nischen Gesichts·punk·ten ist nur das von Wert, was dem all·gemei·nen Wohl der Öffent·lich·keit dient, „öffent·lich“ ist somit gleich·be·deu·tend mit „gut“. Sämt·liche private Interes·sen werden da·ge·gen poten·tiell schäd·lich für Gesell·schaft und Staat auf·ge·fasst und werden ent·sprechend negativ be·wertet.
Für die Edo-zeit·lichen Ge·lehrten stellten die Kate·gorien öffent·lich und privat den Aus·gangs·punkt einer funda·men·talen Kritik an den her·ge·brachten Formen des Bud·dhis·mus dar, weil dieser sich zu wenig um das gesell·schaft·liche Gemein·wohl küm·mern würde. Eine un·mittel·bare Konse·quenz dieser Kritik war die zuneh·mende Ableh·nung eso·terisch-buddhis·tischer Wis·sens·vermitt·lung: Geheim·lehren, die nur münd·lich von Meister zu Schüler weiter·ge·geben werden durften, galten den Kon·fuzia·nern als etwas „Privates“ oder „Eigen·nütziges“, das ab·zu·lehnen war. Reli·giöse Wahr·heiten sollten der Öf·fent·lich·keit dienen und all·ge·mein zu·gäng·lich sein. Die da·mals weit ver·brei·teten For·men des eso·teri·schen Bud·dhis·mus wurden aus der Sicht der kon·fuzia·nischen Kritik zum In·begriff eigen·nütziger Ge·heim·nis·krämerei.
Die Entdeckung der Geschichte
Vorlage:Sidebox3 Ein weiterer Reiz lag für die Intel·lektu·ellen der Edo-Zeit in der konfu·ziani·schen Ge·schichts·philo·sophie. Schon Kon·fuzius hatte den Sinn von Geschichte darin gesehen, der Gegen·wart einen „Spiegel“ vorzu·halten. Einer·seits fand er in der Geschichte Vor·bilder einer guten Herr·schaft, anderer·seits aber auch ab·schrecken·de Bei·spiele. Kon·fuzius benützte Geschichte mit einem Wort als didak·tisches Mittel, um die gegen·wärtige Politik zu kriti·sieren oder zu loben. Spätere Kon·fuzianer folgten ihm darin. Manche kriti·sierten ihre Herr·scher, andere boten sich als Ideo·logen an, um deren Herr·schaft zu legitimieren.
In jedem Fall musste die Geschichte zunächst in einer Weise präsen·tiert werden, dass sich aus ihr Gutes und Schlechtes heraus·lesen ließ. Konfu·zianische Histori·ker sahen sich daher nicht als neutrale Be·richter·statter oder objek·tive Chronisten, sondern erach·teten es als ihre Aufgabe, die Prinzi·pien einer guten Politik aus der Geschichte heraus zu des·til·lieren. Dieses Ziel ver·folgte u.a. auch
145?–86? v.u.Z.; Han-zeitlicher Historiker, Begründer der chinesischen Historiographie
Der Begriff „Sima Qian“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
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, der Anfang der Han-Zeit die erste umfas·sende Geschichte Chinas schrieb und damit stil·prägend wirkte.
Es ist daher kein Zufall, dass Anfang der Edo-Zeit eine Reihe monu·men·taler Ge·schichts·werke unter konfu·ziani·schem Ein·fluss ent·standen. So legte etwa der Hof-Kon·fu·zianer des Shōguns, Hayashi Gahō [Hayashi Gahō (jap.) 林鵞峰 1618–1680; neo-konfuzianischer Gelehrter und Hof-Konfuzianer des Tokugawa Shōgunats; Sohn von Hayashi Razan] (1618–1680), im Jahr 1670 eine Ge·schich·te Japans (Honchō tsugan [Honchō tsugan (jap.) 本朝通鑑 Geschichte Japans von Hayashi Gahō und Hayashi Razan; 1670 fertiggestellt; 310 Bände]) in 310 Bänden (oder Fas·zikeln) vor, an der er und sein Vater,
1583–1657; neo-konfuzianischer Gelehrter
Der Begriff „Hayashi Razan“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
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jahr·zehnte·lang im Auftrag des Shōgunats ge·arbei·tet hatten. Zur gleichen Zeit begann
Der Begriff „Tokugawa Mitsukuni“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
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, der Daimyō von Mito, seine „Große Ge·schichte Japans“ (
Gesamtdarstellung der japanischen Geschichte bis 1392 in 397 Bänden, verfasst zw. 1657 und 1906
Der Begriff „Dai Nihon-shi“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
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), ein noch um·fang·reiche·res Projekt, das 1720 in frag·men·tari·scher Form ver·öffent·licht, aber erst 1906, also nach etwa 250 Jahren, in Form von knapp 400 Bänden abge·schlos·sen wurde. In beiden Fällen folgten die Histo·riker chine·sischen Vor·bil·dern, indem sie sich strikt an den Re·gie·rungs·zeiten der Tennō und nicht etwa an den Herr·schafts·perio·den der Shōgune orien·tierten.
Das nationale Erbe
Mit der Be·tonung der eigenen Ver·gangen·heit kamen aber auch Ele·mente ins Spiel, die die japani·schen Kon·fuzia·nisten von China ent·frem·deten, da sie ja da·nach trach·teten, Japan als eine China zumin·dest eben·bürtige Zivili·sation darzu·stellen. Daher fühlten sich viele Intel·lektu·elle zum auf·kom·men·den Shintō hin·ge·zogen. Die durch den
mittelalterl. Shintō-Richtung, begründet von Yoshida Kanetomo
Der Begriff „Yoshida Shintō“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
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bereits seit Ende des fünf·zehn·ten Jahr·hun·derts propa·gierte Idee eines „reinen Shintō“, der weder von chine·sischen noch von indi·schen Gedan·ken getrübt sei, fiel in der frühen Edo-Zeit auf frucht·baren Boden und be·gann auch außer·halb des Einfluss·be·reichs der Yoshida Priester Früchte zu treiben. Obwohl von der Grund·haltung her xeno·phob und daher auch gegen China gerichtet, sahen shintō·istische Er·neuerer der frühen Edo-Zeit im Bud·dhis·mus ihren Haupt·gegner und sym·pathi·sierten daher mit der Bud·dhis·mus·kritik der Konfu·zianer. Umgekehrt entwickel·ten die nam·haftes·ten Ver·treter des japanischen Neo-Kon·fuzia·nismus wie Hayashi Razan oder
1618–1682; Neo-Konfuzianist und Shintō-Theologe
Der Begriff „Yamazaki Ansai“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
(1618–1682) jeweils auch ihre eigenen Visionen einer shintō·istischen Lehre.
Somit bildete sich also eine anti-bud·dhisti·sche Front aus neo-kon·fuziani·schen Intel·lektuel·len und Shintō-Priestern, die immer wieder von einzelnen Feudal·herren unter·stützt wurde. In einzelnen Dai·myaten wurde sogar das terauke System, also die Zwangs·mit·glied·schaft bei einem lokalen Tempel, durch eine Art jinja-uke, also die Zwangs·mit·glied·schaft bei einem lokalen Schrein ersetzt. Zu den promi·nentes·ten För·derern der shintō-kon·fuziani·schen Reform·ideen zählten
1611–1673; Daimyō von Aizu-han, Regent von Shōgun Tokugawa Ietsuna, konfuzianischer Gelehrter
Der Begriff „Hoshina Masayuki“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
(1611–1672), Daimyō von Aizu und Regent des Shōgun Ietsuna, oder der bereits er·wähnte Toku·gawa Mitsu·kuni, der durch sein Ge·schichts·projekt zum Mäzen der neo-kon·fuzia·nischen Mito-Schule wurde.
Den·noch kann man meiner An·sicht nach nicht sagen, dass der Neo-Kon·fuzia·nismus die offizielle Staats·ideologie der Tokugawa dar·stellte, wie in der älteren Fach·literatur häufig an·ge·nommen. In reli·giösen Fragen machte sich das Shōgunat eine politi·sche Linie zu eigen, die einer·seits autoritär, anderer·seits aber prag·matisch und eklek·tizis·tisch war: Bud·dhis·mus ja, aber in „gezähmter Form“. Dazu wo immer brauch·bar auch Kon·fuzianis·mus und Shintō. In dieser ideo·logi·schen Un·be·stimmt·heit liegt wahr·schein·lich der größte Unter·schied der Toku·gawa Religions·politik zu den zeit·gleichen Ent·wick·lungen in Europa. Obwohl da wie dort ähn·liche, d.h. inquisi·torische Methoden der ideo·logi·schen Kon·trolle ein·gesetzt wurden, grün·dete diese Kon·trolle im Fall des Chris·ten·tums auf einer rigiden Dog·matik, im Fall Japan hin·gegen auf einem pragma·tisch er·stellten Katalog ver·bote·ner Lehren. Es gab natür·lich dogma·tische neo-kon·fuzia·nische Staats·denker, doch ihre Theorien waren ledig·lich so etwas wie ein intel·lektuel·les Experi·mentier·feld der frühen Edo-Zeit, das die tat·säch·liche reli·giöse und reli·gions·politi·sche Praxis nur am Rande betraf.
Literatur
Achtung: Sie sehen eine veraltete Version von https://religion-in-japan.univie.ac.at/Handbuch/Geschichte/Neo-Konfuzianismus.
- ^ Der chinesische Philosoph Zhu Xi (1130–1200), der maßgeblich für die Renaissance des Konfuzianismus (Neo-Konfuzianismus) in China und später auch in Japan verantwortlich ist, auf einem Portrait aus der Ming-Zeit. Das Portrait trägt die Inschrift „Portrait von Meister Wen Gong“ (Zhu Xis posthumer Ehrenname).
Werk von Guo Xu (1456–1532). China, Ming-Zeit. Baike. - ^ Der konfuzianische Gelehrte Hayashi Razan, Autor von Werken wie Honchō tsugan ( Geschichte Japans, 1670).
National Institute for Japanese Literature. - ^ Gelehrter beim nächtlichen Studium.
Werk von Totoya Hokkei. Edo-Zeit, 1822–1830. The British Museum.