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− | | Die Tenshō-Mission, <br>Beginn und Ende einer kulturellen Begegnung | + | | Die Tenshō-Mission: Beginn einer schwierigen transnationalen Beziehung |
| + | | autor=Pia Jolliffe<ref>Gastbeitrag von Pia Jolliffe (MA in Japanologie, Wien 2004; DESS Études Asiatiques, Genf 2006; PhD in International Development, Oxford 2011; derzeit Fellow, Blackfriars Hall, University of Oxford). Der Artikel wurde im Frühjahr 2022 abgefasst und in Zusammenarbeit mit dem Herausgeber von ''Religion-in-Japan'' für die Online-Präsentation adaptiert.</ref> |
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| + | Im Jahr 1582, als das Christentum in Japan bereits auf beachtliche Missionserfolge zurückblicken konnte,<ref>S. dazu {{showTitel|Geschichte/Christentum}}</ref> machte sich eine Gruppe von vier jungen {{g|Samurai}} auf den Weg ins christliche Abendland. Diese sogenannte {{g|Tenshoukenoushisetsu|Tenshō}}-Mission erregte sowohl in Europa, wo päpstliche Audienzen das Ziel und den Höhepunkt ihrer Reise darstellten, als auch in Japan — nach ihrer Rückkehr 1590 — großes Aufsehen. Während die vier jugendlichen Gesandten in Europa oft als eine homogene Gruppe von kaum unterscheidbaren Japanern wahrgenommen wurden, gestalteten sich ihre Lebensläufe letztlich sehr unterschiedlich. Ihre Biographien, die in diesem Beitrag kurz skizziert werden, spiegeln zum einen die Wirren der späten {{g|Sengokujidai|Sengoku-}} und frühen {{g|Tokugawa}}-Zeit wider, zum anderen veranschaulichen sie auch die transnationalen Bewegungen von Menschen, Gütern und Ideen in dieser Zeit. |
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| + | |Tensho_mission_1586.jpg |
| + | |„Zeitung" der Tenshō-Mission, 1586 |
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| == Wegbereiter und Ziele der Mission == | | == Wegbereiter und Ziele der Mission == |
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− | Die endgültige Entscheidung, vier japanische Burschen mit den Jesuiten nach Europa zu schicken wurde im Dezember 1581 getroffen. Entscheidungsträger waren der Jesuit Alessandro Valignano (1539-1606) und drei christliche Daimyō in Kyūshū: Ōtomo Yoshishige (1530−1587), {{g|Arimaharunobu}} und Ōmura Sumitada (1533−1587). Ōtomo und Ōmura standen bereits in Kontakt mit Rom und hatten von Papst Gregor XIII. (1502–1585; Pontifikat 1572–1585) persönlich eine Einladung erhalten [???], Delegierte nach Rom zu entsenden. [Auch Gregor VIII.??? hatte den Wunsch ausgedrückt, Japaner mögen doch nach Rom kommen.] [Noch ein Satz zur Beteiligung der Jesuiten, noch einer zu den generellen Zielen.] | + | Die endgültige Entscheidung, vier junge japanische Adelige in Begleitung von Jesuiten nach Europa zu schicken, wurde im Dezember 1581 getroffen. Entscheidungsträger waren {{g|Valignanoalessandro}}, der als Visitator (oder Inspektor) der Gesellschaft Jesu deren Missionsaktivitäten in Asien überwachte, und drei christliche Daimyō in Kyūshū: {{g|ootomosourin}} (Yoshishige), {{g|Arimaharunobu}} und {{g|oomurasumitada}}. Ōtomo und Ōmura standen bereits in brieflichem Austausch mit Papst {{g|GregorXIII}} (Pontifikat 1572–1585).<!-- |
| + | --><ref>In einem Schreiben vom 3. Oktober 1573 beglückwünschte der Papst Ōmura Sumitada zu dessen Konversion zum Christentum. In einem Schreiben vom 20. Dezember 1578 bedankte er sich bei Ōtomo Sōrin für dessen Bemühungen um die Christen. {{zitiert|Massarella 2012}}, S. 9.</ref> |
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| + | Die Tenshō-Mission kann mit dem Jesuiten und Historiker {{g|ucerlerantoni}} als ein „public relations event“ beschrieben werden, mit dem Valignano mindestens zwei Ziele verfolgte: erstens wollte der Visitator das jesuitische Missionswerk in Japan in Europa bekannt machen und dachte, dass dies am besten durch die direkte Begegnung mit den lebendigen Beispielen adeliger, christlicher junger Männer aus Japan zu bewerkstelligen sei. Zweitens, hoffte Valignano, dass die vier jugendlichen japanischen Gesandten nach ihrer Rückkehr die europäische christliche Kultur in Japan bekannter und geachteter machen würden.<!-- |
| + | --><ref> {{zitiert|Üçerler 2003}}, S. 347. Auch Jurgis Elisonas zitiert Vagliano, der ein wesentliches Element der Mission darin sah, „to imbue the Japanese with the glory and grandeur of the law of Christ, and with the majesty of the princes and lords who have embraced that law and with the grandeur and wealth of our kingdoms and cities, and with the honor and influence that our religious order enjoys among them.“ (Aus Valignanos Instruktionen, verfasst am 12 Dezember 1583 in Goa; nach {{zitiert|Elisonas 2007}}, S. 36.)</ref> |
| + | Da es eben auch darum ging, welche Eindrücke die japanischen Gesandten von Europa zurück nach Japan bringen würden, war es den Jesuiten wichtig, die Reise so genau wie möglich zu planen und ihnen ständige jesuitische Begleiter zur Seite zu stellen. Diese Funktion erfüllten in erster Linie der Jesuitenpater {{g|Mesquitadiogode}} und ein japanischer Mönchsbruder ({{g|iruman}}), der in der Literatur als {{g|loyolajorgede}} aufscheint. Die beiden setzten zugleich die Ausbildung, die die vier Gesandten unter den Jesuiten in Japan begonnen hatten, weiter fort. Mesquita war insbesondere für den Lateinunterricht verantwortlich und Bruder Jorge für den Japanischunterricht. Aufgabe dieser beiden Privatlehrer war es auch darauf zu achten, dass die vier Gesandten alles notierten, was sie zu sehen bekamen. Mesquita verfasste ebenfalls ein Tagebuch und einige Briefe über die Zeit in Europa.<!-- |
| + | --><ref>Die Notizen der jungen Gesandten sowie Mesquitas Tagebuch sind heute im Original nicht mehr erhalten. Wir wissen jedoch, dass der ebenfalls in Japan tätige Jesuit Luís Fróis (1532-1597) diese Quellen für seine Zusammenfassung der Tenshō-Gesandtschaft verwendete (s. {{zitiert|Frois 1942|Fróis 1942}}, S. vii-viii). </ref> |
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| == Die vier Hauptprotagonisten == | | == Die vier Hauptprotagonisten == |
| + | {{floatright|rh=auto |
| + | |Ito_mancio_tintoretto.jpg |
| + | |Itō Mancio von Tintoretto, 1585 |
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| + | {{g|Itoumancio}} war der offizielle Leiter der Delegation. Er wurde 1569 in {{g|Tonokoori}} in der Provinz Hyūga (heute Präfektur Miyazaki) geboren. Sein japanischer Name war Sukemasu. Mancio war ein entfernter Verwandter von Ōtomo Sōrin und fungierte auch als dessen Delegierter.<!-- |
| + | --><ref>Eigentlich wollte Sōrin seinen Großneffen Itō Yoshikatsu (Jerónimo) nach Europa senden. Dieser studierte jedoch am Jesuitenseminar in Azuchi, dem Hauptquartier von {{gb|odanobunaga}}, das in der Nähe von Kyōto lag. Für diesen war die Vorbereitungszeit jedoch zu kurz, da er nicht einfach nach Nagasaki kommen konnte. So wurde Mancio gebeten anstelle von Yoshikatsu nach Europa zu fahren.</ref> <!-- |
| + | -->Ōtomo Sōrin, der im damaligen Europa als „König von Bungo“ ausgewiesen wurde, war der mächtigste unter den christlichen Daimyō, was wahrscheinlich den Ausschlag dafür gab, seinen Vertreter zum Oberhaupt der Gesandtschaft zu erklären. |
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| + | {{g|Chijiwamiguel}}, dessen japanischer Eigenname Seizaemon lautete, wurde um 1569/1570 in Chijiwa auf der Halbinsel {{g|Shimabara}} (heute Präfektur Nagasaki) geboren und war sowohl mit Ōmura Sumitada (sein Onkel) als auch mit Arima Harunobu (sein Cousin zweiten Grades) verwandt. Er fungierte als Vertreter Mancios, während die beiden folgenden Teilnehmer ihnen als Assistenten zur Seite gestellt wurden. |
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| + | {{g|Haramartinho}} und {{g|Nakaurajulian}} wurden 1568 geboren, waren also ein wenig älter als ihre „Vorgesetzten“, aber von geringerem Stand. Martinho war ein Verwandter der Ōmura aus Hasami (Hizen), während Julian der Sohn eines christlichen Samurai im Dienste der Ōmura war. Sein Vater fiel jedoch in einem Kampf, als Julian zwei Jahre alt war. Die Familie übersiedelte daraufhin in die Stadt {{g|oomura}} (nördlich von Nagasaki). |
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− | Itō Mancio wurde 1569 in Tonokoori (die heutige Stadt Saito in der Präfektur Miyazaki) geboren. Sein japanischer Name war Sukemasu. Mancio war ein entfernter Verwandter des christlichen Daimyō Ōtomo Yoshishige und fungierte auch als dessen Delegierter. <ref>Eigentlich wollte Yoshishige seinen Großneffen Jerónimo Itō Yoshikatsu nach Europa senden. Dieser studierte jedoch am Jesuitenseminar in Azuchi, das in der Nähe von Kyoto lag. Für diesen war die Vorbereitungszeit jedoch zu kurz, da er nicht einfach nach Nagasaki kommen konnte. So wurde Mancio gebeten anstatt von Yoshikatsu nach Europa zu fahren.</ref> Er war der offizielle Leiter der Delegation.
| + | Alle vier Teilnehmer erhielten ihre Ausbildung in einem Jesuitenseminar in {{g|Arima}}, das 1580 auf Initiative Valignanos gegründet wurde.<!-- |
| + | --><ref> Valignano, der 1579 erstmals nach Japan kam, sorgte als erster für eine formale Ausbildungsstruktur innerhalb der japanischen Mission, indem er ein Kolleg für Europäer in Usuki und ein Noviziat für Japaner und Europäer in Funai (Ōita) — beide auf Ōtomo Territorium — sowie zwei Seminare für japanische Kinder und Jugendliche in Arima und Azuchi (bei Kyōto) errichten ließ (Elisonas 2007, S. 32). Das Seminar in Arima gehörte zum Territorium von Arima Harunobu. Dieser ließ die Jesuiten selbst die Stelle aussuchen, an der das Seminar gebaut werden sollte. |
| + | </ref><!-- |
| + | -->Miguel, Julian und Martinho gehörten sogar zu den ersten zweiundzwanzig Schülern. Der Lehrplan umfasste Latein, aber auch die japanische Sprache und Literatur (z.B. das {{g|Taiheiki}}). Außerdem wurde viel Wert auf Musikerziehung gelegt. Begabte Schüler konnten ein Instrument lernen und alle wurden in gregorianischer Choralmusik unterrichtet. Die Architektur des Seminars entsprach ebenso wie die Gestaltung des Alltags durchaus einem japanischen Stil. Nichtsdestotrotz kann man davon ausgehen, dass die japanischen Studierenden am Seminar auch mit europäischen Sitten vertraut gemacht wurden. Dieses Wissen wiederum war für den erfolgreichen Ablauf der Tenshō-Gesandtschaft unerlässlich. |
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− | Chijiwa Miguel, dessen japanischer Eigenname Seizaemon lautete, wurde um 1569/1570 in Chijiwa (Hizen, heute ...) geboren und war sowohl mit Ōmura Sumitada (sein Onkel) also auch Arima Harunobu (sein Cousin zweiten Grades) verwandt. Miguel erhielt 1580 (zwei Jahre vor der Reise nach Rom) die Taufe und trat in das Jesuitenseminar in Arima ein. Er fungierte als Vertreter Mancios, während die beiden folgenden Teilnehmer ihnen als Assistenten zur Seite gestellt wurden.
| + | == Reise nach Rom == |
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| + | Die Gesandtschaft verließ Nagasaki am 20. Februar 1582 ({{g|Tenshou}} 10/1/28)<!-- |
| + | --><ref>Im Gegensatz zu anderen Artikeln in diesem Handbuch folgen die vormodernen Tages- und Monatsangaben des vorliegenden Beitrags dem Gregorianischen Kalender (s. [[Metalog:Japan/Kalender|Kalender]]).</ref><!-- |
| + | --> und erreichte Lissabon, nach diversen Zwischenaufenthalten in {{g|Macau}} und {{g|Goa}}, zweieinhalb Jahre später, am 11. August 1584. Die erste Audienz der jugendlichen Gesandten fand bei einem gebürtigen Österreicher — dem Habsburger Kardinal und Vizekönig Albert VII. (auch Albrecht, 1559–1621) — im ehemaligen portugiesischen Königspalast von Sintra statt. Als Geschenk erhielt der Kardinal einen Pokal aus Rhinozeroshorn, mit dem er sich besonders zufrieden zeigte.<!-- |
| + | --><ref>{{zitiert| Gualtieri 1586}}, S. 54.</ref> |
| + | {{textbox| text= |
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− | Hara Martinho wurde 1568 in Hasami (Hizen) geboren und war ebenfalls mit dem Haus Ōmura verwandt. Nakaura Julian, ebenfalls im Jahr 1568 geboren, war der Sohn eines christlichen Samurai im Dienste der Ōmura, sein Vater fiel jedoch in einem Kampf, als Julian zwei Jahre alt war. Die Familie übersiedelte daraufhin in die Stadt Ōmura.
| + | {{floatleft|rh= auto |
| + | |Rhinozerospokal.jpg |
| + | |Rhinzeros-Pokal |
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| + | Trinkgefäße aus Rhinozeroshorn wurden in diversen Werkstätten in Macau, Goa und Lissabon hergestellt und waren zu dieser Zeit beliebte Exotika. Die Wiener Kunstkammer besitzt etliche Exemplare aus den Sammlungen des Hauses Habsburg (s. Abb.), jedoch leider nicht jenen Pokal, den Albert VII. erhalten hatte.<!-- |
| + | --><ref>Ich danke Paulus Rainer, Kurator der Kunstkammer und Schatzkammer, für ein Gespräch und eine persönliche Führung durch die Rhinozeros-Pokal-Sammlung des Wiener Kunsthistorischen Museums am 20. August 2019. S.a. {{zitiert|Seipel 2000}}, S. 197.</ref> |
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− | Alle vier Teilnehmer erhielten ihre Ausbildung in einem Jesuitenseminar in Arima, das 1580 (möglicherweise bereits im Hinblick auf die Europa-Mission[???]) gegründet wurde. Miguel, Julian und Martinho gehörten sogar zu den ersten zweiundzwanzig Schülern. Arima Harunobu ließ die Jesuiten selbst die Stelle aussuchen, an der das Seminar gebaut werden sollte. Der Lehrplan umfasste wie in Europa Latein und Portugiesisch [???], aber auch die japanische Sprache und Literatur. Außerdem wurde viel Wert auf Musikerziehung gelegt. Begabte Schüler konnten ein Instrument lernen und alle wurden in gregorianischer Choralmusik unterrichtet. Die Architektur des Seminars entsprach ebenso wie die Gestaltung des Alltags durchaus einem japanischen Stil. Nichtsdestotrotz kann man davon ausgehen, dass die japanischen Studierenden am Seminar auch mit europäischen Sitten vertraut gemacht wurden. Dieses Wissen wiederum war für den erfolgreichen Ablauf der Tenshō-Gesandtschaft unterlässlich.
| + | Vor ihrer Ankunft in Rom machte die Delegation noch weiteren geistlichen und weltlichen Würdenträgern ihre Aufwartung, allen voran dem spanischen Habsburger Philip II. (1527–1598). Eine besondere kulturelle Begegnung fand am 15. August 1584 statt, als die Gesandten den Dominikaner-Mönch {{g|Granadaluisde}} (1504–1588) in seinem Kloster besuchten. Granadas theologische Schriften waren in Spanien und Portugal so beliebt, dass die Jesuiten sie auch nach Japan mitnahmen und dort gemeinsam mit japanischen Christen übersetzten. Die vier Gesandten waren an diesem Übersetzungswerk beteiligt. Als sie Luis de Granada persönlich trafen, zeigten die Jünglinge ihm Übersetzungsentwürfe in japanischer Schrift, was laut {{g|Froisluis}} den bereits hoch betagten Mönch sehr freute.<ref>Fróis 1942, S.36.</ref> |
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− | == Reise nach Rom ==
| + | Am 22. März 1585 erreichte die Delegation schließlich Rom, wo am folgenden Tag bereits die päpstliche Audienz stattfand. Diese Begegnung mit Papst Gregor XIII markierte den offiziellen Höhepunkt der Tenshō-Gesandtschaft. Umso enttäuschender war es, dass Nakaura Julian erkrankte und nicht an der offiziellen Zeremonie teilnehmen konnte. Gregor XIII sah Julian jedoch privat und versicherte ihm, dass es noch mehrere Gelegenheiten geben würde, sich zu sehen. Obwohl die Jesuiten sich eine einfache Begegnung gewünscht hätten, bestand der Papst darauf, die jungen Japaner mit einer großen Zeremonie zu empfangen und zu würdigen. Dies bedeutete, dass die Gesandten in aufwendiger Prozession zum Petersplatz marschierten, wo sie vom Heiligen Vater in der Sala Regia des Apostolischen Palastes empfangen wurden. Diogo de Mesquita war auch dabei um mit dem Dolmetschen zu helfen. Anscheinend stiegen dem Papst beim Anblick der jungen Japaner die Tränen in die Augen und nachdem sich jene vor ihm verbeugt hatten, erhob sich Gregor XIII und umarmte und küsste einen jeden der drei Gesandten auf die Wangen. Es folgten viele Reden, in denen unter anderem der portugiesische Jesuit und Theologe {{g|Goncalvesgaspar}} betonte, dass die japanischen Inseln nun die britischen Inseln im katholischen Glauben ersetzen würden. Dies verdeutlicht, dass nicht nur die Jesuiten, sondern die gesamte römisch-katholische Welt dem Auftritt der japanischen Gesandten im politisch-religiösen Kontext der Gegen-Reformation große symbolische Bedeutung zusprach. |
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| + | Am 3. April 1585 hatten die Gesandten die Gelegenheit, dem Papst das Geschenk zu überreichen, das Valignano extra für diese Audienz mitgegeben hatte. Es handelte sich dabei um ein Wandschirm-Paar, auf dem die Burgstadt {{g|Azuchi}} — das Hauptquartier des damaligen japanischen Machthabers {{g|Odanobunaga}} — abgebildet war (ursprünglich ein Geschenk, das Valignano von Nobunaga erhalten hatte).<ref>Leider verschwanden die Wandschirme kurz danach und wurden bis heute nicht aufgefunden.</ref> Im Austausch erhielten die Gesandten die Ehrenbürgerschaft Roms.<ref>Elisonas 2007, S. 40.</ref> |
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| + | Papst Gregor hatte zwar den Gesandten weitere Treffen zugesagt, verstarb jedoch am 10. April 1585 im Alter von 84 Jahren. Bereits drei Wochen später wurde mit {{g|Sixtusv|Sixtus V}} ein Nachfolger gewählt und so kam es, dass die jungen Japaner Begegnungen mit zwei Päpsten hatten, bevor sie Rom am 3. Juni 1585 verließen. |
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− | Die Gesandtschaft verließ Nagasaki am 20. Februar 1582 [westliches Datum?] und erreichte Lissabon, nach diversen Zwischenaufenthalten in Makao und Goa, zweieinhalb Jahre später, am 11. August 1584. Die erste Audienz der jugendlichen Gesandten fand bei einem gebürtigen Österreicher — dem Habsburger Kardinal und Vizekönig Albert VII. (auch Albrecht, 1559–1621) — im ehemaligen portugiesischen Königspalast von Sintra statt. Als Geschenk erhielt der Kardinal einen Pokal aus Rhinozeroshorn, mit dem er sich besonders zufrieden zeigte.<!--
| + | Ihren letzten offiziellen Besuch in Europa absolvierten die Burschen ein weiteres Mal bei Kardinal Albert VII, der die Gesandten im August 1584 in Lissabon begrüßt hatte und sie nun „mit großartigen Geschenken in ihre Heimat entließ“.<ref>{{zitiert|Le Mire 1622}}, S. 17–18. Übersetzung aus dem Lateinischen von Pia Jolliffe.</ref> |
− | --><ref>Guido Gualtieri, 1586, Relationi della uenuta degli ambasciatori giaponesi a Roma sino alla partita di Lisbona. Rom: Francesco Zannetti, 54.</ref> <!--
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− | -->Pokale aus Rhinozeroshorn, die in diversen Werkstätten in Makao, Goa und Lissabon hergestellt wurden, waren zu dieser Zeit beliebte Exotika. Die Wiener Kunstkammer besitzt etliche Exemplare aus den Sammlungen des Hauses Habsburg, jedoch leider nicht jenen Pokal, den Albert VII. erhalten hatte.<!--
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− | --><ref>Ich danke Paulus Rainer, Kurator der Kunstkammer und Schatzkammer, für ein Gespräch und eine persönliche Führung durch die Rhinozeros-Pokal-Sammlung des Wiener Kunsthistorischen Museums am 20. August 2019. S.a. Wilfried Seipel (Hg) Exotica. Portugals Entdeckungen im Spiegel fürstlicher Kunst- und Wunderkammern der Renaissance, 2000, p. 197.</ref>
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− | Vor ihrer Ankunft in Rom machte die Delegation noch weiteren weltlichen Würdenträgern ihre Aufwartung, allen voran dem spanischen Habsburger Philip II. (1527–1598). [Noch einen kurzen Absatz zum Empfang beim Papst.]
| + | === Europäische Reaktionen === |
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− | === Kultureller Austausch ===
| + | <!--Elisonas p. 38- Valignano 1583: |
| + | "they |
| + | are guided in such a manner that they become aware of and see only what |
| + | is good and not become aware of anything bad....Because nothing is so important as having them |
| + | return well edified and with a high appreciation of European Christianity;" |
| + | --> |
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| Während ihres zweijährigen Aufenthaltes in Europa priesen sämtliche europäische Kommentatoren die guten Sitten und Manieren der vier jungen japanischen Gesandten. So schrieb zum Beispiel ein italienischer Zeitzeuge: | | Während ihres zweijährigen Aufenthaltes in Europa priesen sämtliche europäische Kommentatoren die guten Sitten und Manieren der vier jungen japanischen Gesandten. So schrieb zum Beispiel ein italienischer Zeitzeuge: |
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− | Nicht nur die Manieren ließen die vier Burschen wie Italiener erscheinen, sondern auch die europäische Kleidung, die sie im Alltag trugen (sie trugen ihre japanische Kleidung nur für formelle Audienzen), sowie die Tatsache, dass sie sehr gut in Lateinschrift schreiben konnten. Natürlich waren europäische Würdenträger aber auch an der bislang wenig bekannten japanischen Kultur interessiert. In Portugal bat Königin Katharina (1540–1614) die jungen Japaner ihr japanisches Gewand anzuziehen. Sie ließ darauf ähnliche Kleidung für ihren Sohn Duarte de Bragança (1569–1627) anfertigen. Die Japaner korrigierten den Kleiderstil des Portugiesen und zeigten Duate wie man ein japanisches Schwert trägt. Insbesondere ihre Schwerter stießen auch bei anderen europäischen Adeligen auf großes Interesse. | + | Ähnlich hieß es in einem anderen Bericht über die vier Japaner: „Sie führen die Zeremonien so durch, als wären sie lange an einem unserer Höfe erzogen worden“.<ref>Gualtieri 1586, S. 160; Ü. Pia Jolliffe.</ref> Nicht nur die Manieren ließen die vier Burschen wie Italiener erscheinen, sondern auch die europäische Kleidung, die sie im Alltag trugen (sie trugen ihre japanische Kleidung nur für formelle Audienzen), sowie die Tatsache, dass sie sehr gut in Lateinschrift schreiben konnten. |
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− | Die ehemalige habsburgische Kaiserin Maria von Spanien (1528-1603), die die vier jungen Gesandten am 15. November 1584 im Kloster der Descalzas Reales in Madrid empfing, bat die Jünglinge etwas Handgeschriebenes auf Latein und auf Japanisch zu hinterlassen. Ähnliche Bitten wurden auch im spanischen Königspalast El Escorial an die Gesandten gerichtet, die sich vom 16. bis 19. November dort aufhielten. Sie selbst gaben dazu Folgendes zu Protokoll (zitiert nach Luís Fróis [1532-1597]): | + | Natürlich waren europäische Würdenträger aber auch an der bislang wenig bekannten japanischen Kultur interessiert, vor allem an der japanischen Kleidung, an Schwertern sowie der japanischen Schrift. In Portugal bat, zum Beispiel, Königin Katharina (1540–1614) die jungen Japaner ihr japanisches Gewand anzulegen. Sie ließ darauf ähnliche Kleidung für ihren Sohn Duarte de Bragança (1569–1627) anfertigen. Die Japaner korrigierten den Kleiderstil des Portugiesen und zeigten Duarte wie man ein japanisches Schwert trägt. Insbesondere ihre Schwerter stießen auch bei anderen europäischen Adeligen auf großes Interesse. |
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| + | Die ehemalige habsburgische Kaiserin Maria von Spanien (1528–1603), die die vier jungen Gesandten am 15. November 1584 im Kloster der Descalzas Reales in Madrid empfing, bat die Jünglinge etwas Handgeschriebenes auf Latein und auf Japanisch zu hinterlassen. Ähnliche Bitten wurden auch im spanischen Königspalast El Escorial an die Gesandten gerichtet, die sich vom 16. bis 19. November dort aufhielten. Sie selbst gaben dazu Folgendes zu Protokoll: |
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| {{zitat| text= | | {{zitat| text= |
− | Wir brachten japanisches Papier und Tinte sowie ein Buch, das in unserer Schrift geschrieben war, um ihnen unsere Art zu Lesen und zu Schreiben zu zeigen. Und um ihnen irgendwie für ihre Güte und Nächstenliebe zu danken. Dies schätzen die Padres sehr. In der Bibliothek zeigte man uns ein Buch mit Schriftarten unterschiedlicher Nationen, darunter auch chinesische Schrift. Weil es jedoch keine japanische Schrift gab, bat man uns etwas Geschriebenes als ''memento'' für das Haus und die Bibliothek zu hinterlassen.<ref>Luís Fróis. 1942. La premiere ambassade du Japon en Europe, 1582-1592. Première partie: le traité du Père Frois. Hg. J.A. Abranches Pinto, Yoshitomo Okamoto und Henri Bernard. Tokyo: Sophia University, 103-104. Übersetzt aus dem Portugiesischen von Pia Jolliffe. </ref>}} | + | Wir brachten japanisches Papier und Tinte sowie ein Buch, das in unserer Schrift geschrieben war, um ihnen unsere Art zu Lesen und zu Schreiben zu zeigen. Und um ihnen irgendwie für ihre Güte und Nächstenliebe zu danken. Dies schätzen die Padres sehr. In der Bibliothek zeigte man uns ein Buch mit Schriftarten unterschiedlicher Nationen, darunter auch chinesische Schrift. Weil es jedoch keine japanische Schrift gab, bat man uns etwas Geschriebenes als ''memento'' für das Haus und die Bibliothek zu hinterlassen. |
| + | |quelle= Zitiert nach Luís Fróis<ref>Fróis 1942, S. 103–104. Übersetzt aus dem Portugiesischen von Pia Jolliffe. </ref> |
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− | Diese wiederholten Bitten um Schriftproben der jungen Japaner deuten auf ein reges intellektuelles Interesse an der japanischen Kultur hin. Während die Schriftproben aus Spanien zum Zeitpunkt des Verfassens dieses Beitrags (2021) noch nicht im Original geortet werden konnten,<!-- | + | Diese wiederholten Bitten um Schriftproben der jungen Japaner deuten auf ein reges intellektuelles Interesse an der japanischen Kultur hin. Während die Schriftproben aus Spanien zum Zeitpunkt des Verfassens dieses Beitrags (2022) noch nicht im Original geortet werden konnten,<!-- |
− | --><ref>Es existiert jedoch eine spanische Übersetzung des japanischen Textes, den die Jünglinge für El Escorial geschrieben haben. Siehe Miguel Salvá und Pedro Sainz de Baranda. 1845. Colección de Documentos inéditos para la Historia de España. Bd. 7, 395-396.</ref> <!-- | + | --><ref>Es existiert jedoch eine spanische Übersetzung des japanischen Textes, den die Jünglinge für El Escorial geschrieben haben. Siehe {{zitiert|Salva 1845|Salvá, de Baranda 1845}}, 395-396.</ref> <!-- |
| -->ist zumindest eine Handschrift erhalten, welche die Tenshō-Gesandtschaft am 18. Juni 1585 in der italienischen Stadt Imola hinterließ. | | -->ist zumindest eine Handschrift erhalten, welche die Tenshō-Gesandtschaft am 18. Juni 1585 in der italienischen Stadt Imola hinterließ. |
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− | {{w500 | + | {{textbox| text= |
| + | ====Schriftprobe aus Imola ==== |
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| | tensho_ms_imola.jpg | | | tensho_ms_imola.jpg |
| | Schriftprobe aus Imola, 1585 | | | Schriftprobe aus Imola, 1585 |
| | ref= 1 | | | ref= 1 |
| }} | | }} |
− | | + | {{zitat| text= |
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| Anno Domini 1585, 18. Juni<br> | | Anno Domini 1585, 18. Juni<br> |
− | Ito Don Mancio, Chijiwa Don Miguel, Hara Don Martinho, Nakaura Don Julian kamen durch dieses Imola. Die Freundlichkeit der Stadtbewohner muss gar nicht erst erwähnt werden [lässt sich nicht in Worte fassen?]. Möge es (auch) weiterhin so sein.<ref>Transkription und Übersetzung aus dem Japanischen von Pia Jolliffe.</ref> | + | Ito Don Mancio, Chijiwa Don Miguel, Hara Don Martinho, Nakaura Don Julian kamen durch dieses Imola. Die Freundlichkeit der Stadtbewohner lässt sich nicht in Worte fassen. Möge es (auch) weiterhin so sein.<ref>Transkription und Übersetzung aus dem Japanischen von Pia Jolliffe.</ref> |
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| 御出世千五百八十五年六月十八日<br> | | 御出世千五百八十五年六月十八日<br> |
− | 伊藤鈍満所千々石鈍弥解瑠原之???鈍<br>
| + | 伊藤鈍満所千々石鈍弥解瑠原之鈍<br> |
| 丸知野中浦鈍寿理安此井村罷通候処<br> | | 丸知野中浦鈍寿理安此井村罷通候処<br> |
| 在所之諸人御懇不及申候為向後如此候 | | 在所之諸人御懇不及申候為向後如此候 |
− | }} | + | {{clear}} |
| + | }} |
| + | Es ist bemerkenswert, dass der japanische Text selbst mit Lesehilfen in Lateinschrift versehen wurde. Zudem sehen wir eine italienische Übersetzung, die jedoch nicht exakt mit dem japanischen Text übereinstimmt. Links neben dem kursiven Text sehen wir die Siegelschrift ({{g|kaou}}) von Itō Mancio, dem offiziellen Leiter der Delegation. Darunter in Lateinschrift die Unterschriften von Itō Mancio, Chijiwa Miguel, Nakaura Julian und Hara Martinho. Ein jeder hat seinem Namen den europäischen Ehrentitel „Don“ hinzugefügt. |
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| + | Die in diesem Abschnitt besprochenen europäischen Eindrücke von den japanischen Gesandten verraten ein genuines Interesse der portugiesischen, spanischen und italienischen Eliten an der japanischen Kultur. Zugleich war die Tatsache, dass die jungen Japaner in europäischen Manieren, Sprachen und Unterhaltungen geschult waren, eine unabdingbare Voraussetzung für ihre Akzeptanz. Der exotische Reiz, der zweifelsohne Teil des Faszinosums der Tenshō-Gesandtschaft war, wurde durch ihre Geläufigkeit in europäischen Gepflogenheiten scheinbar aufgehoben, aber gerade dadurch noch weiter gesteigert. Bezeichnenderweise beschäftigte sich kein mir bekannter Kommentar mit „rassischen“ oder „ethnischen“ Unterschieden. Diese Kategorien der Andersheit waren Ende des 16. Jahrhunderts scheinbar noch nicht wichtig. Ausschlaggebend waren kulturelles Know How und Dress-Codes, welche Rückschlüsse auf einen adeligen Gesellschaftsstatus zuließen, nicht die Hautfarbe oder andere biologische Merkmale, die vor allem ab dem 19. Jahrhundert in den Vordergrund rückten. |
| + | Der Plan der Jesuiten, den jungen Japanern europäische kulturelle Kenntnisse beizubringen, um so den „Erfolg“ der japanischen Jesuitenmission aufzuzeigen, ging somit auf. Gleichzeitig gelang es, europäisches Interesse für Japan zu erwecken bzw. zu intensivieren. |
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| + | == Rückkehr nach Japan == |
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| + | Als die Jünglinge am 21. Juli 1590 wieder im Hafen von Nagasaki ankamen, hatten sie sich so sehr verändert, dass selbst ihre eigenen Verwandten sie nicht wiedererkannten. Das ist nicht besonders überraschend, wenn wir bedenken, dass acht Jahre vergangen waren und die Jugendlichen in dieser Zeit zu jungen Männern herangewachsen waren. |
| + | |
| + | Aber auch Japan hatte sich in der Zwischenzeit verändert. Ein neuer Machthaber, {{g|toyotomihideyoshi}}, hatte 1587 ein erstes Verbot der Verbreitung des Christentums formuliert, |
| + | das zwar nur zögerlich umgesetzt wurde, die Arbeit der Mission aber dennoch bedrohte.<ref>S. a. {{showTitel|Geschichte/Reichseinigung}}</ref> Valignano, der in der Zwischenzeit zu einem Botschafter des portugiesischen Vizekönigs in Goa avanciert war, war es daher ein Anliegen, die vier jungen Männer zu einer Audienz bei Hideyoshi mitzunehmen, um ihm aus ihrem Mund die Vorteile guter Kontakte mit Europa zu verdeutlichen. Diese Audienz fand am 3. März 1591 in Hideyoshi’s Residenz {{g|Jurakudai}} statt. Hideyoshi unterhielt sich anscheinend besonders lange mit Itō Mancio, den er wissen ließ, dass er einen seiner Verwandten als Daimyō von Hyūga eingesetzt hatte. Hideyoshi bot Mancio an in seine Dienst zu treten und gleich in Jurakudai zu bleiben. |
| + | Mancio hatte zu diesem Zeitpunkt jedoch bereits gemeinsam mit den drei anderen jungen Männern um Aufnahme in die Gesellschaft Jesu gebeten und lehnte dieses Angebot daher höflich ab. |
| + | Im Rahmen dieser Audienz überreichten die Gesandten Hideyoshi auch Geschenke aus Europa, darunter einen Araberhengst, zwei italienische Rüstungen sowie unterschiedliche Waffen. |
| + | Aber auch der neue Machthaber reagierte nicht wie erwartet, sondern verfasste kurz darauf seinen berühmten Brief an den portugiesischen Vizekönig, in dem er Verfolgungen von Christen ankündigte, die bald darauf Realität werden sollten.<ref>Für eine englische Übersetzung des Briefes s. {{zitiert|Tsunoda deBary Keene 1958|Tsunoda e.a. 1958}}, S. 325–327.</ref> |
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| + | === Japanische Reaktionen === |
| + | {{floatright |rh= auto |t=-10 |r=-5 |b=-5 |
| + | | sanctos no gosagyo.jpg |
| + | | Sanctos |
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| + | }} |
| + | Die Tenshō-Gesandtschaft sorgte trotz des anti-christlichen Stimmungswandels auch in Japan für neue kulturelle Impulse. |
| + | An erster Stelle ist hier zweifelsohne die Druckerpresse zu erwähnen, die die Jünglinge von Portugal nach Japan brachten. Dies war von langer Hand vorbereitet, denn Valignano hatte Diogo de Mesquita schon vor Beginn der Europareise instruiert, eine Druckerpresse zu erwerben und Matrizen der Katakana-Schrift sowie einige chinesische Schriftzeichen in Portugal oder Flandern herstellen zu lassen. Die Maschine wurde dann 1586 in Lissabon gekauft und zuerst in Macau verwendet, wo 1590 — noch vor Rückkehr der Gesandten nach Japan — der von Valignano redigierte Bericht der Tenshō-Gesandtschaft ''De missione legatorum Japonensium ad Romanam curiam'' als Gesamtdruck erschien. Das erste Buch, das 1591 in Japan mit dieser Druckpresse gedruckt wurde, war {{g|Santosunogosagyou}} („Heiligengeschichten“, siehe Abbildung). Es folgten weitere katholische Texte, zum Beispiel die übersetzten Schriften des oben erwähnten Luis de Granada.<ref>{{zitiert|Jolliffe Bianchi 2022|Jolliffe, Bianchi 2022}}, S. 24– 56.</ref> Diese Bücher — in japanischer Sprache, aber in lateinischer Schrift — dienten zum einen europäischen Missionaren beim Studium der japanischen Sprache. Zum anderen wurden diese Werke aber auch von japanischen Christen mit entsprechender Bildung und Freizeit gelesen. Als bekanntes Beispiel kann hier {{g|Hosokawatama}} (Gracia) angeführt werden, von der wir durch Fróis wissen, dass sie die japanische Übersetzung von ''Contemptus mundi'' (Die Nachahmung Christi) las und den Jesuiten darüber schriftlich Fragen stellte.<ref>{{zitiert|Frois 1976}}, IV, S. 492.</ref> Schließlich wurden aber auch unterhaltsame Texte gedruckt, allen voran die Fabeln Äsops, die als {{g|isoppumonogatari}} (1593) einen bleibenden Status im Kanon der japanischen Literatur erhielten, sowie eine Kurzfassung des {{g|heikemonogatari}}.<ref>{{zitiert|Cooper 1971}}, S. 143; {{zitiert|Todd 2019}}.</ref> Die Druckerpresse selbst wurde zu Beginn der anti-christlichen Ausschreitungen von den Tokugawa konfisziert, studiert und für den japanischen Gebrauch adaptiert, was zu einem nachhaltigen Technologieschub im japanischen Verlagswesen führte. |
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| + | Schließlich gelang es der Tenshō-Gesandtschaft in Japan Bewunderung für aus Europa mitgebrachte illustrierte Bücher zu erregen, etwa die ersten drei Bände von Georg Brauns kartographischem Werk {{g|Civitatesorbisterrarum}} (Städte der Welt). |
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| + | {{textbox|text= |
| + | ==== Ein Beispiel aus ''Civitates orbis terrarrum'' ==== |
| + | Unter den im ersten Band (erschienen 1572) dargestellten Städten befindet sich u.a. Wien (siehe Abbildung) und wir dürfen annehmen, dass dieses Bild der österreichischen Hauptstadt – mit Details wie dem Stephansdom und der Schottenkirche — auch von Japanern des späten 16. Jahrhunderts bewundert wurde. |
| + | {{w500 | max=1| rh= auto |
| + | | Wien_civitates_braun.jpg |
| + | | Wien im 16. Jahrhundert |
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| + | }} |
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| + | Die europäischen Stadtportraits wurden nicht nur passiv konsumiert, sondern inspirierten bald ein neues Genre von Wandschirmen ({{g|byoubu}}) mit der gleichen Motivik. Ein berühmtes Beispiel befindet sich heute im Museum der Stadt Kōbe: |
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| + | {{w500 | max=1| rh= auto |t=-200 |l=-20 |b=-20 |
| + | |Lissabon_rom.jpg |
| + | |Lissabon und Rom auf japanischen Wandschirmen |
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| + | }} |
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| + | Das Kalkül der Jesuiten, durch die Tenshō-Gesandtschaft wechselseitige Aufmerksamkeit zwischen Europa und Japan anzuregen um letztlich auch selbst davon zu profitieren, schien somit kurzfristig von Erfolg gekrönt. Doch schon bald wendete sich das Blatt. |
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| == Das weitere Schicksal der vier Gesandten == | | == Das weitere Schicksal der vier Gesandten == |
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| + | Etwa ein Jahr nach ihrer Rückkehr, am 25. Juli 1591, wurden Mancio, Miguel, Julian und Martinho in das neu errichtete Noviziat der Jesuiten in {{g|Amakusa}} aufgenommen um zwei Jahre später ihre Gelübde als Jesuiten abzulegen. Im Zuge ihrer Ausbildung studierten sie u.a. scholastische Philosophie mit Diogo de Mesquita, dem Jesuit, der sie bereits auf ihrer Europareise begleitet hatte. Sie blieben auch nach ihrer Promotion am Kolleg, bis es 1597 aufgelöst wurde. Dies war die direkte Folge von Hideyoshis anti-christlichen Ausschreitungen, unter denen vor allem die Kreuzigung der ersten 26 Märtyrer, am 5. Februar 1597 auf dem Hügel {{g|Nishizaka}} (Nagasaki), bekannt ist.<ref>{{zitiert|Yuki 1981}}. S.a. {{showTitel|Geschichte/Christentum/Christenverfolgung}}.</ref> Danach trennten sich auch die Wege der vier ehemaligen Gesandten. |
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| + | === Itō Mancio === |
| + | Von Mancio wissen wir, dass er 1601 gemeinsam mit sechzehn anderen Jesuiten (darunter auch Julian) nach Macau emigrierte. Dort studierten sie Theologie und kehrten im Jahr 1604 wieder nach Japan zurück. Im September 1608 wurden Mancio, Julian und Hara Martinho in Nagasaki zu Priestern geweiht. Dies ist insofern bemerkenswert, als es damals in der katholischen Kirche noch unüblich war, Nicht-Europäer zum Priesteramt zuzulassen. Mancio diente darauf hin als Priester in {{g|Kokura}} (Buzen) und in der Provinz Hyūga. Als schließlich im Jahr 1611 katholische Missionare aus Hyūga verbannt wurden, übersiedelte Mancio nach Nagasaki, wo er am 13. November 1612 an einer Krankheit verstarb. |
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| + | === Chijiwa Miguel === |
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| + | Miguel reiste 1601 nicht mit nach Macau. Es wird generell angenommen, dass er um 1603 aus der Gesellschaft Jesu austrat, denn ab diesem Zeitpunkt scheint sein Name nicht mehr in Jesuitenverzeichnissen auf. Er fiel auch vom christlichen Glauben ab, der Zeitpunkt ist jedoch unbekannt. Manchen Berichten zufolge arbeitete er für einen Cousin, heiratete und wurde Vater von vier Söhnen. {{g|Elisonasjurgis}} vermutet in Miguel den Autor der einflussreichen antichristlichen Schrift {{g|Kirishitankanagaki}}. Es handelt sich um eine fiktionale, mit zahlreichen Horrorgeschichten durchsetzte Geschichte des Christentums, die diese Religion als Werk von bösen Dämonen darstellt, aber mit so vielen Detailkenntnissen gespickt ist, dass sie laut Elisonas nur von einem Autor stammen kann, der Europa aus erster Hand kannte.<ref>S. dazu Elisonas 2007.</ref> Dies ist vorläufig jedoch lediglich eine nicht verifizierte Hypothese. Im Jahr 2004 wurde das Grab von Miguel und seiner Ehefrau in einem Nichiren Tempel in Tarami, wo Miguel 1633 gestorben war, ausfindig gemacht.<ref>{{zitiert|Cooper 2005}}, S. 185–186.</ref> |
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| + | ===Hara Martinho === |
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| + | Martinhos Leben verlief nach der großen Europamission zunächst ähnlich wie das seiner Kollegen, dh. auch er bereitete sich auf die Priesterweihe vor. Er wurde jedoch nicht nach Macau geschickt, wahrscheinlich weil seine Übersetzungsdienste in Japan sehr gefragt waren. Diogo de Mesquita beschrieb ihn in einem Brief vom 6. Oktober 1613 als „den besten Dolmetscher, den wir in Japan haben.“ In der Tat übersetzte Martinho das Werk {{g|guiadepecadores|''Guía de Pecadores''}} (Nagasaki, 1599) und zumindest einen Teil von ''Símbolo de la Fe''. Es sind dies beides Werke des erwähnten Luis de Granada, der die Tenshō-Gesandtschaft im Sommer 1584 in Lissabon traf. Wir wissen auch, dass Martinho die japanische Übersetzung der ''Nachfolge Christi'' (''Contemptus mundi jenbu'') redigierte. |
| + | 1611 stieg Hara Martinho schließlich zum Socius, oder Sekretär, des Vorstandes der japanischen Jesuitenmission auf, obwohl viele portugiesische Jesuiten dagegen waren, dass ein Japaner diese wichtige administrative Rolle ausübte. Nach Verlautbarung des totalen Verbotes des Christentums ({{g|Haikirishitanbun}}, 1614) ging Martinho gemeinsam mit anderen Jesuiten und japanischen Christen ins Exil nach Macau, wo er am 23. Oktober 1639 starb. |
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| + | ===Nakaura Julian=== |
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| + | Julian ging trotz zunehmender Christenverfolgungen ab 1614 nicht ins Exil, sondern blieb in Japan, wo er als Priester im Untergrund weiter arbeitete. Wir wissen, dass er sich bis 1620 um die verfolgten Christen in der Provinz Higo (u.a. in {{g|Amakusa}}) kümmerte. Das Museum der 26 Märtyrer von Nagasaki besitzt einen Brief von Julian vom 25. September 1621, in dem er sich auf Portugiesisch für eine Nachricht aus Rom bedankt und sich dabei noch einmal seiner Erfahrungen in Europa, dreißig Jahre zuvor entsinnt: |
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| + | {{zitat|text= |
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| + | Ihr Brief brachte mir nicht wenig Freude und Trost und frischte meine Erinnerungen an diese heilige Stadt Rom, an den Papst, an die Kardinäle und an die katholischen Adeligen auf, sowie an die Barmherzigkeiten und Wohltätigkeiten, die ich von ihnen allen erfahren habe, als ich in diesen Teilen Europas unterwegs war. |
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| + | |brief_nakaura_1621.jpg |
| + | |Brief des Nakaura Julian, 1621 |
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| + | }} |
| + | }} |
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| + | Kurz nach Verfassen dieses Briefes, am 21. Dezember 1621, legte Julian seine Letzten Gelübde ab, wohl im Hinblick auf bevorstehende Repressalien. Er überlebte jedoch die großen Hinrichtungen japanischer und europäischer Christen im Jahre 1622 und war 1624 noch immer als Seelsorger in {{g|Hakata}}, {{g|Akizuki}} und Kokura tätig. Zu diesem Zeitpunkt war er bereits so stark von den Ereignissen gezeichnet, dass er von Gläubigen in einer Tragbahre von Ort zu Ort getragen werden musste. 1632 wurde Julian schließlich in Kokura gefangen genommen und in Nagasaki inhaftiert. Während seiner neunmonatigen Haft wurde ihm der ehemalige Landbesitz seines Vaters angeboten, wenn er dem christlichen Glauben abschwören würde. Dies tat Julian jedoch nicht. Daher wurde er am 18. Oktober 1633 gemeinsam mit zwei Dominikanern und fünf Jesuiten der japanischen Foltermethode {{g|anatsurushi}} unterzogen. Dabei wurden die gefesselten Körper der Gefolterten kopfüber in ein Loch gesenkt, das mit menschlichen und tierischen Exkrementen gefüllt war. Eine Hand blieb dabei frei, um Aufgabe zu signalisieren. Augenzeugen zufolge rief Julian während der Folter: „Ich bin Pater Nakaura Julian, der, der nach Rom gegangen war.“ {{g|coopermichael}} stellte fest, dass dieser Ausruf an das {{g|nanori}} erinnert, also an die Gewohnheit japanischer Krieger ihren Namen, Familienstatus und Rang am Schlachtfeld auszurufen. Julian erlag dieser Folter am 21. Oktober. Sein Leichnam wurde gemeinsam mit den anderen verbrannt und die Asche ins Meer gestreut.<ref>Cooper 2005, S. 191 und 241.</ref> |
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| + | == Zusammenfassung == |
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| + | Zusammenfassend kann man die Frage stellen, ob kulturelle Begegnung, die durch die Tenshō-Gesandtschaft initiiert wurde, mit dem Tod der Gesandten bzw. mit dem totalen Verbot des Christentums in Japan ab 1614 endgültig erlosch. Dazu sind in der bisherigen Forschung unterschiedliche Ansichten geäußert worden. Dem Historiker Jurgis Elisonas (George Elison) zufolge besiegelte Chijiwa Miguels Abfall vom christlichen Glauben den Misserfolg der Tenshō-Gesandtschaft: „The journey to the West ended with a radical case of apostasy”.<ref>Elisonas 2007, S. 61.</ref> Derselbe Autor schlägt in seinem Buch ''Deus Destroyed'' (1973) vor, dass vom „christlichen Jahrhundert“ in späterer Zeit nicht mehr übrigblieb als ein paar Museumsstücke und einige wenige heimliche Christen, deren Glauben bald ganz mit lokalen Glaubensvorstellungen vermischt war.<ref>{{zitiert|Elison 1973}}, S. 253.</ref> |
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| + | Ich selbst stimme dieser pessimistischen Interpretation nicht zu. Stattdessen meine ich, dass sich die kulturellen Beziehungen zwischen Japan und dem Europa der Gegenreformation auf indirekte Weise fortsetzten. Die oben angeführten Beispiele der Druckerpresse oder der japanischen Wandschirme mit europäischen Städten zeigen sehr schön, dass die transnationalen kulturellen Begegnungen im Kontext der Tenshō-Gesandtschaft durchaus nachhaltige Wirkungen hervorriefen. Ebenfalls zeigen Publikationen der letzten Jahre wie japanische Laien im Untergrund weiterhin die christliche Religion ausgeübt haben und das durchgehend bis in das 19. Jahrhundert.<ref>{{zitiert|Nogueira Ramos 2019}}.</ref> Auch in Europa hat die japanische Jesuitenmission, besonders in Malerei und Theater weitergewirkt und so das europäische Japanbild nachhaltig geprägt.<ref>{{zitiert|Omata Rappo 2020}}.</ref> Schließlich haben auch „negative“ Praktiken wie etwa das „System der Tempelbestätigungen“ ({{g|teraukeseido}}) und das Bildtreten ({{g|fumie}}) die Erinnerung an das katholische Christentum bis in die Meiji Zeit wachgehalten.<ref>{{zitiert|Hur 2021}}; {{zitiert|Jolliffe Knutson 2020| Jolliffe, Knutson 2020}}.</ref> Gemeinsam mit der Erinnerung an das verbotene Christentum wurde indirekt auch die schwierige transnationale Beziehung zwischen Japan und den europäischen Ländern der frühen Neuzeit wachgehalten. Mitte des 19. Jahrhunderts änderte sich die Situation durch die Aufnahme diplomatischer Beziehungen und den zunehmenden Druck europäischer Länder die Christenverfolgung in Japan einzustellen, was 1873 auch geschah. |
| + | {{Verweise |
| + | |autor=Pia Jolliffe |
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Pia Jolliffe1Die Tenshō-Mission Beginn einer schwierigen transnationalen Beziehung
Im Jahr 1582, als das Christentum in Japan bereits auf beachtliche Missionserfolge zurückblicken konnte,2 machte sich eine Gruppe von vier jungen Samurai [Samurai (jap.) 侍 im Westen übliche Bezeichnung eines Mitgliedes der Krieger-Klasse des vorindustriellen Japans; in Japan schriftspr. bushi] auf den Weg ins christliche Abendland. Diese sogenannte Tenshō [Tenshō ken'ō shisetsu (jap.) 天正遣欧使節 Tenshō-Mission oder Tenshō-Gesandtschaft; Besuch einer Delegation junger japanischer Adeliger in Europa, 1582–1590 (Tenshō-Ära)]-Mission erregte sowohl in Europa, wo päpstliche Audienzen das Ziel und den Höhepunkt ihrer Reise darstellten, als auch in Japan — nach ihrer Rückkehr 1590 — großes Aufsehen. Während die vier jugendlichen Gesandten in Europa oft als eine homogene Gruppe von kaum unterscheidbaren Japanern wahrgenommen wurden, gestalteten sich ihre Lebensläufe letztlich sehr unterschiedlich. Ihre Biographien, die in diesem Beitrag kurz skizziert werden, spiegeln zum einen die Wirren der späten Sengoku- [Sengoku Jidai (jap.) 戦国時代 Zeit der kämpfenden Länder, 1467–1568; beginnt mit dem Ōnin-Krieg und endet nach dieser Definition mit dem Beginn der nationalen Einigung unter Oda Nobunaga; nach anderen Definitionen mit der Ausrottung der Toyotomi durch Tokugawa Ieyasu im Jahr 1615] und frühen Tokugawa [Tokugawa (jap.) 徳川 Kriegerdynastie, die während der Edo- oder Tokugawa-Zeit (1603–1867) das Amt des Militärmachthabers (Shōgun) inne hatte.]-Zeit wider, zum anderen veranschaulichen sie auch die transnationalen Bewegungen von Menschen, Gütern und Ideen in dieser Zeit.
Wegbereiter und Ziele der Mission
Die endgültige Entscheidung, vier junge japanische Adelige in Begleitung von Jesuiten nach Europa zu schicken, wurde im Dezember 1581 getroffen. Entscheidungsträger waren Alessandro Valignano [Valignano, Alessandro (west.) 1539–1606; italienischer Jesuit; als „Visitator“ übte er großen Einfluss auf die Mission in China und Japan aus], der als Visitator (oder Inspektor) der Gesellschaft Jesu deren Missionsaktivitäten in Asien überwachte, und drei christliche Daimyō in Kyūshū: Ōtomo Sōrin [Ōtomo Sōrin (jap.) 大友宗麟 1530–1587; christlicher Daimyō in Kyūshū] (Yoshishige), Arima Harunobu [Arima Harunobu (jap.) 有馬晴信 1561?–1612; christlicher Daimyō in Kyūshū] und Ōmura Sumitada [Ōmura Sumitada (jap.) 大村純忠 1533–1587; erster christlicher Daimyō; getauft 1563]. Ōtomo und Ōmura standen bereits in brieflichem Austausch mit Papst Gregor XIII [Gregor XIII (west.) 1502–1585, Papst (1572–1585); geb. als Ugo Boncompagni; machte sich durch eine Kalenderreform 1582 (Gregorianischer Kalender) einen Namen; empfing kurz vor seinem Tod die sog. Tenshō Mission (Tenshō ken'ō shisetsu) aus Japan] (Pontifikat 1572–1585).3
Die Tenshō-Mission kann mit dem Jesuiten und Historiker Antoni Üçerler [Üçerler, Antoni (west.) britischer Historiker und Japanologe, Mitglied des Jesuitenordens] als ein „public relations event“ beschrieben werden, mit dem Valignano mindestens zwei Ziele verfolgte: erstens wollte der Visitator das jesuitische Missionswerk in Japan in Europa bekannt machen und dachte, dass dies am besten durch die direkte Begegnung mit den lebendigen Beispielen adeliger, christlicher junger Männer aus Japan zu bewerkstelligen sei. Zweitens, hoffte Valignano, dass die vier jugendlichen japanischen Gesandten nach ihrer Rückkehr die europäische christliche Kultur in Japan bekannter und geachteter machen würden.4
Da es eben auch darum ging, welche Eindrücke die japanischen Gesandten von Europa zurück nach Japan bringen würden, war es den Jesuiten wichtig, die Reise so genau wie möglich zu planen und ihnen ständige jesuitische Begleiter zur Seite zu stellen. Diese Funktion erfüllten in erster Linie der Jesuitenpater Diogo de Mesquita [Mesquita, Diogo de (west.) 1553–1614; Missionar des Jesuitenordens in Japan, Begleiter der Tenshō-Gesandtschaft, Pädagoge] und ein japanischer Mönchsbruder (iruman [iruman (jap.) イルマン/以留満 christlicher Mönchsbruder/Frater im feudalen Japan; von Portugiesisch irmão]), der in der Literatur als Jorge de Loyola [Loyola, Jorge de (west.) 1562?–1589; japanischer Mönch (iruman) des Jesuitenordens, Begleiter der Tenshō-Mission] aufscheint. Die beiden setzten zugleich die Ausbildung, die die vier Gesandten unter den Jesuiten in Japan begonnen hatten, weiter fort. Mesquita war insbesondere für den Lateinunterricht verantwortlich und Bruder Jorge für den Japanischunterricht. Aufgabe dieser beiden Privatlehrer war es auch darauf zu achten, dass die vier Gesandten alles notierten, was sie zu sehen bekamen. Mesquita verfasste ebenfalls ein Tagebuch und einige Briefe über die Zeit in Europa.5
Die vier Hauptprotagonisten
Itō Mancio [Itō Mancio (jap.) 伊東満所/マンショ 1569?—1612; jugendlicher Leiter der Tenshō-Gesandtschaft, später christlicher Priester in Kyūshū; jap. Eigenname Sukemasu 祐益] war der offizielle Leiter der Delegation. Er wurde 1569 in Tonokōri [Tonokōri (jap.) 都於郡 Stammsitz des Hauses Itō 伊東 in der Provinz Hyūga (heute Saito, Präf. Miyazaki)] in der Provinz Hyūga (heute Präfektur Miyazaki) geboren. Sein japanischer Name war Sukemasu. Mancio war ein entfernter Verwandter von Ōtomo Sōrin und fungierte auch als dessen Delegierter.6 Ōtomo Sōrin, der im damaligen Europa als „König von Bungo“ ausgewiesen wurde, war der mächtigste unter den christlichen Daimyō, was wahrscheinlich den Ausschlag dafür gab, seinen Vertreter zum Oberhaupt der Gesandtschaft zu erklären.
Chijiwa Miguel [Chijiwa Miguel (jap.) 千々石弥解瑠/ミゲル 1569?—1633; als Jugendlicher Mitglied der Tenshou-Gesandtschaft, später Apostat und Gegner des Christentums; japanischer Eigenname Seizaemon 清左衛門], dessen japanischer Eigenname Seizaemon lautete, wurde um 1569/1570 in Chijiwa auf der Halbinsel Shimabara [Shimabara (jap.) 島原 Halbinsel in der Präfektur Nagasaki; bekannt für den Aufstand japanischer Bauern 1637–1638 (Shimabara-Rebellion), bei dem 37.000 überwiegend christliche Aufständische getötet wurden] (heute Präfektur Nagasaki) geboren und war sowohl mit Ōmura Sumitada (sein Onkel) als auch mit Arima Harunobu (sein Cousin zweiten Grades) verwandt. Er fungierte als Vertreter Mancios, während die beiden folgenden Teilnehmer ihnen als Assistenten zur Seite gestellt wurden.
Hara Martinho [Hara Martinho (jap.) 原丸知野/マルチノ 1568?—1629; als Jugendlicher Mitglied der Tenshō-Gesandtschaft, später Übersetzer christlicher Texte] und Nakaura Julian [Nakaura Julian (jap.) 中浦寿理安/ジュリアン 1568?—1633; als Jugendlicher Mitglied der Tenshō-Gesandtschaft, später katholischer Priester und Märtyrer] wurden 1568 geboren, waren also ein wenig älter als ihre „Vorgesetzten“, aber von geringerem Stand. Martinho war ein Verwandter der Ōmura aus Hasami (Hizen), während Julian der Sohn eines christlichen Samurai im Dienste der Ōmura war. Sein Vater fiel jedoch in einem Kampf, als Julian zwei Jahre alt war. Die Familie übersiedelte daraufhin in die Stadt Ōmura [Ōmura (jap.) 大村 Ort in Kyūshū, Präfektur Nagasaki, im späten 16. Jh. Zentrum des christlichen Daimyats Ōmura] (nördlich von Nagasaki).
Alle vier Teilnehmer erhielten ihre Ausbildung in einem Jesuitenseminar in Arima [Arima (jap.) 有馬 Ort in Kyūshū, Präfektur Nagasaki, im späten 16. Jh. Zentrum des christlichen Daimyats Arima], das 1580 auf Initiative Valignanos gegründet wurde.7Miguel, Julian und Martinho gehörten sogar zu den ersten zweiundzwanzig Schülern. Der Lehrplan umfasste Latein, aber auch die japanische Sprache und Literatur (z.B. das Taiheiki [Taiheiki (jap.) 太平記 Historisches Epos aus dem späten 14. Jh., behandelt den Konflikt zwischen Nördlichem und Südlichem Kaiserhof]). Außerdem wurde viel Wert auf Musikerziehung gelegt. Begabte Schüler konnten ein Instrument lernen und alle wurden in gregorianischer Choralmusik unterrichtet. Die Architektur des Seminars entsprach ebenso wie die Gestaltung des Alltags durchaus einem japanischen Stil. Nichtsdestotrotz kann man davon ausgehen, dass die japanischen Studierenden am Seminar auch mit europäischen Sitten vertraut gemacht wurden. Dieses Wissen wiederum war für den erfolgreichen Ablauf der Tenshō-Gesandtschaft unerlässlich.
Reise nach Rom
Die Gesandtschaft verließ Nagasaki am 20. Februar 1582 (Tenshō [Tenshō (jap.) 天正 Japanischer Ära-Namen, 1573–1592; Zeit der militärischen Einigung Japans unter Oda Nobunaga und Toyotomi Hideyoshi] 10/1/28)8 und erreichte Lissabon, nach diversen Zwischenaufenthalten in Macau [Macau (west.) 1557–1999 portugiesischer Handelsstützpunkt in Südchina, heute Sonderverwaltungszone der Volksrepublik China] und Goa [Goa (west.) 1510–1961 portugiesische Kolonie in Indien, heute kleinster Teilstaat indiens], zweieinhalb Jahre später, am 11. August 1584. Die erste Audienz der jugendlichen Gesandten fand bei einem gebürtigen Österreicher — dem Habsburger Kardinal und Vizekönig Albert VII. (auch Albrecht, 1559–1621) — im ehemaligen portugiesischen Königspalast von Sintra statt. Als Geschenk erhielt der Kardinal einen Pokal aus Rhinozeroshorn, mit dem er sich besonders zufrieden zeigte.9
Trinkgefäße aus Rhinozeroshorn wurden in diversen Werkstätten in Macau, Goa und Lissabon hergestellt und waren zu dieser Zeit beliebte Exotika. Die Wiener Kunstkammer besitzt etliche Exemplare aus den Sammlungen des Hauses Habsburg (s. Abb.), jedoch leider nicht jenen Pokal, den Albert VII. erhalten hatte.10
Vor ihrer Ankunft in Rom machte die Delegation noch weiteren geistlichen und weltlichen Würdenträgern ihre Aufwartung, allen voran dem spanischen Habsburger Philip II. (1527–1598). Eine besondere kulturelle Begegnung fand am 15. August 1584 statt, als die Gesandten den Dominikaner-Mönch Luis de Granada [Granada, Luis de (west.) 1504–1588; spanischer Dominikanermönch und erfolgreicher theologischer Publizist; Autor zahlreicher populärer Lehrschriften] (1504–1588) in seinem Kloster besuchten. Granadas theologische Schriften waren in Spanien und Portugal so beliebt, dass die Jesuiten sie auch nach Japan mitnahmen und dort gemeinsam mit japanischen Christen übersetzten. Die vier Gesandten waren an diesem Übersetzungswerk beteiligt. Als sie Luis de Granada persönlich trafen, zeigten die Jünglinge ihm Übersetzungsentwürfe in japanischer Schrift, was laut Luís Fróis [Fróis, Luís (west.) 1532—1597; portugiesischer Missionar des Jesuitenordens und bekannter Chronist der japanischen Mission] den bereits hoch betagten Mönch sehr freute.11
Am 22. März 1585 erreichte die Delegation schließlich Rom, wo am folgenden Tag bereits die päpstliche Audienz stattfand. Diese Begegnung mit Papst Gregor XIII markierte den offiziellen Höhepunkt der Tenshō-Gesandtschaft. Umso enttäuschender war es, dass Nakaura Julian erkrankte und nicht an der offiziellen Zeremonie teilnehmen konnte. Gregor XIII sah Julian jedoch privat und versicherte ihm, dass es noch mehrere Gelegenheiten geben würde, sich zu sehen. Obwohl die Jesuiten sich eine einfache Begegnung gewünscht hätten, bestand der Papst darauf, die jungen Japaner mit einer großen Zeremonie zu empfangen und zu würdigen. Dies bedeutete, dass die Gesandten in aufwendiger Prozession zum Petersplatz marschierten, wo sie vom Heiligen Vater in der Sala Regia des Apostolischen Palastes empfangen wurden. Diogo de Mesquita war auch dabei um mit dem Dolmetschen zu helfen. Anscheinend stiegen dem Papst beim Anblick der jungen Japaner die Tränen in die Augen und nachdem sich jene vor ihm verbeugt hatten, erhob sich Gregor XIII und umarmte und küsste einen jeden der drei Gesandten auf die Wangen. Es folgten viele Reden, in denen unter anderem der portugiesische Jesuit und Theologe Gaspar Gonçalves [Gonçalves, Gaspar (west.) 1540–1590, portugiesischer Theologe des Jesuiten Ordens] betonte, dass die japanischen Inseln nun die britischen Inseln im katholischen Glauben ersetzen würden. Dies verdeutlicht, dass nicht nur die Jesuiten, sondern die gesamte römisch-katholische Welt dem Auftritt der japanischen Gesandten im politisch-religiösen Kontext der Gegen-Reformation große symbolische Bedeutung zusprach.
Am 3. April 1585 hatten die Gesandten die Gelegenheit, dem Papst das Geschenk zu überreichen, das Valignano extra für diese Audienz mitgegeben hatte. Es handelte sich dabei um ein Wandschirm-Paar, auf dem die Burgstadt Azuchi [Azuchi (jap.) 安土 Burgstadt und Hauptquartier Oda Nobunagas am Biwa-See, östlich von Kyōto; 1576 errichtet, 1582 im Zuge von Kampfhandlungen abgebrannt] — das Hauptquartier des damaligen japanischen Machthabers Oda Nobunaga [Oda Nobunaga (jap.) 織田信長 1534–1582, Kriegsfürst, Reichseiniger] — abgebildet war (ursprünglich ein Geschenk, das Valignano von Nobunaga erhalten hatte).12 Im Austausch erhielten die Gesandten die Ehrenbürgerschaft Roms.13
Papst Gregor hatte zwar den Gesandten weitere Treffen zugesagt, verstarb jedoch am 10. April 1585 im Alter von 84 Jahren. Bereits drei Wochen später wurde mit Sixtus V [Sixtus V (west.) 1521–1590, Pontifikat 1585–1590; Nachfolger von Papst Gregor XIII, empfing wie dieser die japanische Tenshō-Mission in Rom] ein Nachfolger gewählt und so kam es, dass die jungen Japaner Begegnungen mit zwei Päpsten hatten, bevor sie Rom am 3. Juni 1585 verließen.
Ihren letzten offiziellen Besuch in Europa absolvierten die Burschen ein weiteres Mal bei Kardinal Albert VII, der die Gesandten im August 1584 in Lissabon begrüßt hatte und sie nun „mit großartigen Geschenken in ihre Heimat entließ“.14
Europäische Reaktionen
Während ihres zweijährigen Aufenthaltes in Europa priesen sämtliche europäische Kommentatoren die guten Sitten und Manieren der vier jungen japanischen Gesandten. So schrieb zum Beispiel ein italienischer Zeitzeuge:
Sie registrieren alles, was sie sehen, aber sie wundern sich nicht viel, worin sich ihr edler und großer Geist zeigt. Sie beherrschen das Portuguiesische gut und das Spanische mittelmäßig. Sie können viel Latein und verstehen fast alles auf Italienisch, auch wenn sie es nicht selbstbewusst sprechen. Wenn sie jedoch mit Fürsten verhandeln, dann sprechen sie in ihrer Muttersprache und arbeiten mit einem Dolmetscher. Sie können Cembalo spielen, Gitarre, die Lyra und sie haben diese Instrumente zu Hause. Sie spielen Trucco [ein Kartenspiel, PJ] und können tanzen.15
Ähnlich hieß es in einem anderen Bericht über die vier Japaner: „Sie führen die Zeremonien so durch, als wären sie lange an einem unserer Höfe erzogen worden“.16 Nicht nur die Manieren ließen die vier Burschen wie Italiener erscheinen, sondern auch die europäische Kleidung, die sie im Alltag trugen (sie trugen ihre japanische Kleidung nur für formelle Audienzen), sowie die Tatsache, dass sie sehr gut in Lateinschrift schreiben konnten.
Natürlich waren europäische Würdenträger aber auch an der bislang wenig bekannten japanischen Kultur interessiert, vor allem an der japanischen Kleidung, an Schwertern sowie der japanischen Schrift. In Portugal bat, zum Beispiel, Königin Katharina (1540–1614) die jungen Japaner ihr japanisches Gewand anzulegen. Sie ließ darauf ähnliche Kleidung für ihren Sohn Duarte de Bragança (1569–1627) anfertigen. Die Japaner korrigierten den Kleiderstil des Portugiesen und zeigten Duarte wie man ein japanisches Schwert trägt. Insbesondere ihre Schwerter stießen auch bei anderen europäischen Adeligen auf großes Interesse.
Die ehemalige habsburgische Kaiserin Maria von Spanien (1528–1603), die die vier jungen Gesandten am 15. November 1584 im Kloster der Descalzas Reales in Madrid empfing, bat die Jünglinge etwas Handgeschriebenes auf Latein und auf Japanisch zu hinterlassen. Ähnliche Bitten wurden auch im spanischen Königspalast El Escorial an die Gesandten gerichtet, die sich vom 16. bis 19. November dort aufhielten. Sie selbst gaben dazu Folgendes zu Protokoll:
Wir brachten japanisches Papier und Tinte sowie ein Buch, das in unserer Schrift geschrieben war, um ihnen unsere Art zu Lesen und zu Schreiben zu zeigen. Und um ihnen irgendwie für ihre Güte und Nächstenliebe zu danken. Dies schätzen die Padres sehr. In der Bibliothek zeigte man uns ein Buch mit Schriftarten unterschiedlicher Nationen, darunter auch chinesische Schrift. Weil es jedoch keine japanische Schrift gab, bat man uns etwas Geschriebenes als memento für das Haus und die Bibliothek zu hinterlassen.
Zitiert nach Luís Fróis17
Diese wiederholten Bitten um Schriftproben der jungen Japaner deuten auf ein reges intellektuelles Interesse an der japanischen Kultur hin. Während die Schriftproben aus Spanien zum Zeitpunkt des Verfassens dieses Beitrags (2022) noch nicht im Original geortet werden konnten,18 ist zumindest eine Handschrift erhalten, welche die Tenshō-Gesandtschaft am 18. Juni 1585 in der italienischen Stadt Imola hinterließ.
Schriftprobe aus Imola
Anno Domini 1585, 18. Juni
Ito Don Mancio, Chijiwa Don Miguel, Hara Don Martinho, Nakaura Don Julian kamen durch dieses Imola. Die Freundlichkeit der Stadtbewohner lässt sich nicht in Worte fassen. Möge es (auch) weiterhin so sein.19
御出世千五百八十五年六月十八日
伊藤鈍満所千々石鈍弥解瑠原之鈍
丸知野中浦鈍寿理安此井村罷通候処
在所之諸人御懇不及申候為向後如此候
Es ist bemerkenswert, dass der japanische Text selbst mit Lesehilfen in Lateinschrift versehen wurde. Zudem sehen wir eine italienische Übersetzung, die jedoch nicht exakt mit dem japanischen Text übereinstimmt. Links neben dem kursiven Text sehen wir die Siegelschrift (kaō [kaō (jap.) 花押 „Blumensiegel“; individuell stilisierte Unterschriftszeichen]) von Itō Mancio, dem offiziellen Leiter der Delegation. Darunter in Lateinschrift die Unterschriften von Itō Mancio, Chijiwa Miguel, Nakaura Julian und Hara Martinho. Ein jeder hat seinem Namen den europäischen Ehrentitel „Don“ hinzugefügt.
Die in diesem Abschnitt besprochenen europäischen Eindrücke von den japanischen Gesandten verraten ein genuines Interesse der portugiesischen, spanischen und italienischen Eliten an der japanischen Kultur. Zugleich war die Tatsache, dass die jungen Japaner in europäischen Manieren, Sprachen und Unterhaltungen geschult waren, eine unabdingbare Voraussetzung für ihre Akzeptanz. Der exotische Reiz, der zweifelsohne Teil des Faszinosums der Tenshō-Gesandtschaft war, wurde durch ihre Geläufigkeit in europäischen Gepflogenheiten scheinbar aufgehoben, aber gerade dadurch noch weiter gesteigert. Bezeichnenderweise beschäftigte sich kein mir bekannter Kommentar mit „rassischen“ oder „ethnischen“ Unterschieden. Diese Kategorien der Andersheit waren Ende des 16. Jahrhunderts scheinbar noch nicht wichtig. Ausschlaggebend waren kulturelles Know How und Dress-Codes, welche Rückschlüsse auf einen adeligen Gesellschaftsstatus zuließen, nicht die Hautfarbe oder andere biologische Merkmale, die vor allem ab dem 19. Jahrhundert in den Vordergrund rückten.
Der Plan der Jesuiten, den jungen Japanern europäische kulturelle Kenntnisse beizubringen, um so den „Erfolg“ der japanischen Jesuitenmission aufzuzeigen, ging somit auf. Gleichzeitig gelang es, europäisches Interesse für Japan zu erwecken bzw. zu intensivieren.
Rückkehr nach Japan
Als die Jünglinge am 21. Juli 1590 wieder im Hafen von Nagasaki ankamen, hatten sie sich so sehr verändert, dass selbst ihre eigenen Verwandten sie nicht wiedererkannten. Das ist nicht besonders überraschend, wenn wir bedenken, dass acht Jahre vergangen waren und die Jugendlichen in dieser Zeit zu jungen Männern herangewachsen waren.
Aber auch Japan hatte sich in der Zwischenzeit verändert. Ein neuer Machthaber, Toyotomi Hideyoshi [Toyotomi Hideyoshi (jap.) 豊臣秀吉 1537–1598, Feldherr, militärischer Machthaber; bekannt als der zweite von drei Reichseinigern am Ende der „Zeit der kämpfenden Länder“ (Sengoku Jidai)], hatte 1587 ein erstes Verbot der Verbreitung des Christentums formuliert,
das zwar nur zögerlich umgesetzt wurde, die Arbeit der Mission aber dennoch bedrohte.20 Valignano, der in der Zwischenzeit zu einem Botschafter des portugiesischen Vizekönigs in Goa avanciert war, war es daher ein Anliegen, die vier jungen Männer zu einer Audienz bei Hideyoshi mitzunehmen, um ihm aus ihrem Mund die Vorteile guter Kontakte mit Europa zu verdeutlichen. Diese Audienz fand am 3. März 1591 in Hideyoshi’s Residenz Jurakudai [Jurakudai (jap.) 聚楽第 Residenz von Toyotomi Hideyoshi in Kyōto, 1587–1595] statt. Hideyoshi unterhielt sich anscheinend besonders lange mit Itō Mancio, den er wissen ließ, dass er einen seiner Verwandten als Daimyō von Hyūga eingesetzt hatte. Hideyoshi bot Mancio an in seine Dienst zu treten und gleich in Jurakudai zu bleiben.
Mancio hatte zu diesem Zeitpunkt jedoch bereits gemeinsam mit den drei anderen jungen Männern um Aufnahme in die Gesellschaft Jesu gebeten und lehnte dieses Angebot daher höflich ab.
Im Rahmen dieser Audienz überreichten die Gesandten Hideyoshi auch Geschenke aus Europa, darunter einen Araberhengst, zwei italienische Rüstungen sowie unterschiedliche Waffen.
Aber auch der neue Machthaber reagierte nicht wie erwartet, sondern verfasste kurz darauf seinen berühmten Brief an den portugiesischen Vizekönig, in dem er Verfolgungen von Christen ankündigte, die bald darauf Realität werden sollten.21
Japanische Reaktionen
Die Tenshō-Gesandtschaft sorgte trotz des anti-christlichen Stimmungswandels auch in Japan für neue kulturelle Impulse.
An erster Stelle ist hier zweifelsohne die Druckerpresse zu erwähnen, die die Jünglinge von Portugal nach Japan brachten. Dies war von langer Hand vorbereitet, denn Valignano hatte Diogo de Mesquita schon vor Beginn der Europareise instruiert, eine Druckerpresse zu erwerben und Matrizen der Katakana-Schrift sowie einige chinesische Schriftzeichen in Portugal oder Flandern herstellen zu lassen. Die Maschine wurde dann 1586 in Lissabon gekauft und zuerst in Macau verwendet, wo 1590 — noch vor Rückkehr der Gesandten nach Japan — der von Valignano redigierte Bericht der Tenshō-Gesandtschaft De missione legatorum Japonensium ad Romanam curiam als Gesamtdruck erschien. Das erste Buch, das 1591 in Japan mit dieser Druckpresse gedruckt wurde, war Santosu no gosagyō [Santosu no gosagyō (jap.) サントスの御作業 christliches Lehrbuch in japanischer Sprache, 1591; Originaltitel in portugiesischer Umschrift: Sanctos no gosagueo no uchi nuqigaki („Auszüge aus den Heiligengeschichten“)] („Heiligengeschichten“, siehe Abbildung). Es folgten weitere katholische Texte, zum Beispiel die übersetzten Schriften des oben erwähnten Luis de Granada.22 Diese Bücher — in japanischer Sprache, aber in lateinischer Schrift — dienten zum einen europäischen Missionaren beim Studium der japanischen Sprache. Zum anderen wurden diese Werke aber auch von japanischen Christen mit entsprechender Bildung und Freizeit gelesen. Als bekanntes Beispiel kann hier Hosokawa Tama [Hosokawa Tama (jap.) 細川玉 1563—1600; prominente japanische Christin aus dem Kriegeradel, besser bekannt als Hosokawa Gracia] (Gracia) angeführt werden, von der wir durch Fróis wissen, dass sie die japanische Übersetzung von Contemptus mundi (Die Nachahmung Christi) las und den Jesuiten darüber schriftlich Fragen stellte.23 Schließlich wurden aber auch unterhaltsame Texte gedruckt, allen voran die Fabeln Äsops, die als Isoppu monogatari [Isoppu monogatari (jap.) 伊曾保物語/イソップ物語 die Fabeln Äsops in japanischer Übersetzung, erstmals publiziert von Jesuiten, 1593] (1593) einen bleibenden Status im Kanon der japanischen Literatur erhielten, sowie eine Kurzfassung des Heike monogatari [Heike monogatari (jap.) 平家物語 „Geschichte der Heike [= Taira]“; mittelalterliches Kriegerepos].24 Die Druckerpresse selbst wurde zu Beginn der anti-christlichen Ausschreitungen von den Tokugawa konfisziert, studiert und für den japanischen Gebrauch adaptiert, was zu einem nachhaltigen Technologieschub im japanischen Verlagswesen führte.
Schließlich gelang es der Tenshō-Gesandtschaft in Japan Bewunderung für aus Europa mitgebrachte illustrierte Bücher zu erregen, etwa die ersten drei Bände von Georg Brauns kartographischem Werk Civitates orbis terrarum [Civitates orbis terrarum (west.) Mehrbändiges Werk mit Illustrationen und Beschreibungen der mächtigsten Städte der Welt im Zeitalter der Entdeckungen (16. Jh.), hg. von Georg Braun, illustriert von Franz Hogenberg, Köln] (Städte der Welt).
Ein Beispiel aus Civitates orbis terrarrum
Unter den im ersten Band (erschienen 1572) dargestellten Städten befindet sich u.a. Wien (siehe Abbildung) und wir dürfen annehmen, dass dieses Bild der österreichischen Hauptstadt – mit Details wie dem Stephansdom und der Schottenkirche — auch von Japanern des späten 16. Jahrhunderts bewundert wurde.
Die europäischen Stadtportraits wurden nicht nur passiv konsumiert, sondern inspirierten bald ein neues Genre von Wandschirmen (byōbu [byōbu (jap.) 屏風 Wand- bzw. Stellschirme, traditionellerweise sowohl als Raumtrenner als auch als Unterlage wertvoller Malerei genutzt]) mit der gleichen Motivik. Ein berühmtes Beispiel befindet sich heute im Museum der Stadt Kōbe:
Das Kalkül der Jesuiten, durch die Tenshō-Gesandtschaft wechselseitige Aufmerksamkeit zwischen Europa und Japan anzuregen um letztlich auch selbst davon zu profitieren, schien somit kurzfristig von Erfolg gekrönt. Doch schon bald wendete sich das Blatt.
Das weitere Schicksal der vier Gesandten
Etwa ein Jahr nach ihrer Rückkehr, am 25. Juli 1591, wurden Mancio, Miguel, Julian und Martinho in das neu errichtete Noviziat der Jesuiten in Amakusa [Amakusa (jap.) 天草 Insel in Kyūshū (Präf. Kumamoto) mit christlicher Tradition; von 1591–1597 befand sich hier ein Jesuitenkolleg, 1637–1638 Schauplatz der sog. Shimabara (oder Shimabara-Amakusa) Rebellion] aufgenommen um zwei Jahre später ihre Gelübde als Jesuiten abzulegen. Im Zuge ihrer Ausbildung studierten sie u.a. scholastische Philosophie mit Diogo de Mesquita, dem Jesuit, der sie bereits auf ihrer Europareise begleitet hatte. Sie blieben auch nach ihrer Promotion am Kolleg, bis es 1597 aufgelöst wurde. Dies war die direkte Folge von Hideyoshis anti-christlichen Ausschreitungen, unter denen vor allem die Kreuzigung der ersten 26 Märtyrer, am 5. Februar 1597 auf dem Hügel Nishizaka [Nishizaka (jap.) 西坂 im 17. Jh. Hinrichtungsstätte der Stadt Nagasaki, wo vor allem zahlreiche Christen ihr Ende fanden] (Nagasaki), bekannt ist.25 Danach trennten sich auch die Wege der vier ehemaligen Gesandten.
Itō Mancio
Von Mancio wissen wir, dass er 1601 gemeinsam mit sechzehn anderen Jesuiten (darunter auch Julian) nach Macau emigrierte. Dort studierten sie Theologie und kehrten im Jahr 1604 wieder nach Japan zurück. Im September 1608 wurden Mancio, Julian und Hara Martinho in Nagasaki zu Priestern geweiht. Dies ist insofern bemerkenswert, als es damals in der katholischen Kirche noch unüblich war, Nicht-Europäer zum Priesteramt zuzulassen. Mancio diente darauf hin als Priester in Kokura [Kokura (jap.) 小倉 Burgstadt und Zentrum der christlichen Mission in der Provinz Buzen, heute Stadtteil von Kitakyūshū] (Buzen) und in der Provinz Hyūga. Als schließlich im Jahr 1611 katholische Missionare aus Hyūga verbannt wurden, übersiedelte Mancio nach Nagasaki, wo er am 13. November 1612 an einer Krankheit verstarb.
Chijiwa Miguel
Miguel reiste 1601 nicht mit nach Macau. Es wird generell angenommen, dass er um 1603 aus der Gesellschaft Jesu austrat, denn ab diesem Zeitpunkt scheint sein Name nicht mehr in Jesuitenverzeichnissen auf. Er fiel auch vom christlichen Glauben ab, der Zeitpunkt ist jedoch unbekannt. Manchen Berichten zufolge arbeitete er für einen Cousin, heiratete und wurde Vater von vier Söhnen. Jurgis Elisonas [Elisonas, Jurgis (west.) 1937–; litauisch-amerikanischer Japanologe mit Forschungsschwerpunkt auf Japans christlichem Jahrhundert; publizierte auch als George Elison oder J.S.A. Elisonas] vermutet in Miguel den Autor der einflussreichen antichristlichen Schrift Kirishitan kanagaki [Kirishitan kanagaki (jap.) 喜利志袒仮名書 „Das Christentum [erklärt] in kana-Schrift“ (oder „Christentum für Dummies“); anti-christliche Schrift in Form einer historischen Erzählung über das Christentum, frühes 17. Jh.]. Es handelt sich um eine fiktionale, mit zahlreichen Horrorgeschichten durchsetzte Geschichte des Christentums, die diese Religion als Werk von bösen Dämonen darstellt, aber mit so vielen Detailkenntnissen gespickt ist, dass sie laut Elisonas nur von einem Autor stammen kann, der Europa aus erster Hand kannte.26 Dies ist vorläufig jedoch lediglich eine nicht verifizierte Hypothese. Im Jahr 2004 wurde das Grab von Miguel und seiner Ehefrau in einem Nichiren Tempel in Tarami, wo Miguel 1633 gestorben war, ausfindig gemacht.27
Hara Martinho
Martinhos Leben verlief nach der großen Europamission zunächst ähnlich wie das seiner Kollegen, dh. auch er bereitete sich auf die Priesterweihe vor. Er wurde jedoch nicht nach Macau geschickt, wahrscheinlich weil seine Übersetzungsdienste in Japan sehr gefragt waren. Diogo de Mesquita beschrieb ihn in einem Brief vom 6. Oktober 1613 als „den besten Dolmetscher, den wir in Japan haben.“ In der Tat übersetzte Martinho das Werk Guía de Pecadores [Guía de Pecadores (west.) „Leitfaden für Sünder“; Buch von Luis de Granada, veröffentlicht 1555; 1599 von Hara Martinho ins Japanische übertragen] (Nagasaki, 1599) und zumindest einen Teil von Símbolo de la Fe. Es sind dies beides Werke des erwähnten Luis de Granada, der die Tenshō-Gesandtschaft im Sommer 1584 in Lissabon traf. Wir wissen auch, dass Martinho die japanische Übersetzung der Nachfolge Christi (Contemptus mundi jenbu) redigierte.
1611 stieg Hara Martinho schließlich zum Socius, oder Sekretär, des Vorstandes der japanischen Jesuitenmission auf, obwohl viele portugiesische Jesuiten dagegen waren, dass ein Japaner diese wichtige administrative Rolle ausübte. Nach Verlautbarung des totalen Verbotes des Christentums (Hai kirishitan bun [Hai kirishitan bun (jap.) 排吉利支丹文 Verordnung gegen das Christentum, 1614 (Keichō 18/12), im Namen von Shōgun Hidetada angeordnet von seinem Vater, Tokugawa Ieyasu, verfasst von Konchi-in Sūden], 1614) ging Martinho gemeinsam mit anderen Jesuiten und japanischen Christen ins Exil nach Macau, wo er am 23. Oktober 1639 starb.
Nakaura Julian
Julian ging trotz zunehmender Christenverfolgungen ab 1614 nicht ins Exil, sondern blieb in Japan, wo er als Priester im Untergrund weiter arbeitete. Wir wissen, dass er sich bis 1620 um die verfolgten Christen in der Provinz Higo (u.a. in Amakusa [Amakusa (jap.) 天草 Insel in Kyūshū (Präf. Kumamoto) mit christlicher Tradition; von 1591–1597 befand sich hier ein Jesuitenkolleg, 1637–1638 Schauplatz der sog. Shimabara (oder Shimabara-Amakusa) Rebellion]) kümmerte. Das Museum der 26 Märtyrer von Nagasaki besitzt einen Brief von Julian vom 25. September 1621, in dem er sich auf Portugiesisch für eine Nachricht aus Rom bedankt und sich dabei noch einmal seiner Erfahrungen in Europa, dreißig Jahre zuvor entsinnt:
Ihr Brief brachte mir nicht wenig Freude und Trost und frischte meine Erinnerungen an diese heilige Stadt Rom, an den Papst, an die Kardinäle und an die katholischen Adeligen auf, sowie an die Barmherzigkeiten und Wohltätigkeiten, die ich von ihnen allen erfahren habe, als ich in diesen Teilen Europas unterwegs war.
Kurz nach Verfassen dieses Briefes, am 21. Dezember 1621, legte Julian seine Letzten Gelübde ab, wohl im Hinblick auf bevorstehende Repressalien. Er überlebte jedoch die großen Hinrichtungen japanischer und europäischer Christen im Jahre 1622 und war 1624 noch immer als Seelsorger in Hakata [Hakata (jap.) 博多 alte Hafenstadt in Nord-Kyūshū, 1889 mit Fukuoka zusammengeschlossen], Akizuki [Akizuki (jap.) 秋月 ehem. Burgstadt in der Präfektur Fukuoka, Kyūshū] und Kokura tätig. Zu diesem Zeitpunkt war er bereits so stark von den Ereignissen gezeichnet, dass er von Gläubigen in einer Tragbahre von Ort zu Ort getragen werden musste. 1632 wurde Julian schließlich in Kokura gefangen genommen und in Nagasaki inhaftiert. Während seiner neunmonatigen Haft wurde ihm der ehemalige Landbesitz seines Vaters angeboten, wenn er dem christlichen Glauben abschwören würde. Dies tat Julian jedoch nicht. Daher wurde er am 18. Oktober 1633 gemeinsam mit zwei Dominikanern und fünf Jesuiten der japanischen Foltermethode anatsurushi [anatsurushi (jap.) 穴吊るし wtl. Grubenhängung; Foltermethode, bei der Delinquenten kopfüber in eine Grube gehängt wurden] unterzogen. Dabei wurden die gefesselten Körper der Gefolterten kopfüber in ein Loch gesenkt, das mit menschlichen und tierischen Exkrementen gefüllt war. Eine Hand blieb dabei frei, um Aufgabe zu signalisieren. Augenzeugen zufolge rief Julian während der Folter: „Ich bin Pater Nakaura Julian, der, der nach Rom gegangen war.“ Michael Cooper [Cooper, Michael (west.) 1930–2018; Japanologe mit Forschungsschwerpunkt auf Japans christlichem Jahrhundert, lehrte an der Sophia Universität, Tōkyō] stellte fest, dass dieser Ausruf an das nanori [nanori (jap.) 名乗り Namensnennung; zeremonielle Selbstvorstellung, z.B. vor einem Kampf] erinnert, also an die Gewohnheit japanischer Krieger ihren Namen, Familienstatus und Rang am Schlachtfeld auszurufen. Julian erlag dieser Folter am 21. Oktober. Sein Leichnam wurde gemeinsam mit den anderen verbrannt und die Asche ins Meer gestreut.28
Zusammenfassung
Zusammenfassend kann man die Frage stellen, ob kulturelle Begegnung, die durch die Tenshō-Gesandtschaft initiiert wurde, mit dem Tod der Gesandten bzw. mit dem totalen Verbot des Christentums in Japan ab 1614 endgültig erlosch. Dazu sind in der bisherigen Forschung unterschiedliche Ansichten geäußert worden. Dem Historiker Jurgis Elisonas (George Elison) zufolge besiegelte Chijiwa Miguels Abfall vom christlichen Glauben den Misserfolg der Tenshō-Gesandtschaft: „The journey to the West ended with a radical case of apostasy”.29 Derselbe Autor schlägt in seinem Buch Deus Destroyed (1973) vor, dass vom „christlichen Jahrhundert“ in späterer Zeit nicht mehr übrigblieb als ein paar Museumsstücke und einige wenige heimliche Christen, deren Glauben bald ganz mit lokalen Glaubensvorstellungen vermischt war.30
Ich selbst stimme dieser pessimistischen Interpretation nicht zu. Stattdessen meine ich, dass sich die kulturellen Beziehungen zwischen Japan und dem Europa der Gegenreformation auf indirekte Weise fortsetzten. Die oben angeführten Beispiele der Druckerpresse oder der japanischen Wandschirme mit europäischen Städten zeigen sehr schön, dass die transnationalen kulturellen Begegnungen im Kontext der Tenshō-Gesandtschaft durchaus nachhaltige Wirkungen hervorriefen. Ebenfalls zeigen Publikationen der letzten Jahre wie japanische Laien im Untergrund weiterhin die christliche Religion ausgeübt haben und das durchgehend bis in das 19. Jahrhundert.31 Auch in Europa hat die japanische Jesuitenmission, besonders in Malerei und Theater weitergewirkt und so das europäische Japanbild nachhaltig geprägt.32 Schließlich haben auch „negative“ Praktiken wie etwa das „System der Tempelbestätigungen“ (terauke seido [terauke seido (jap.) 寺請制度 System der buddhistischen Zertifikation der Rechtgläubigkeit]) und das Bildtreten (fumie [fumie (jap.) 踏み絵 „Bildertreten“; Zwangsmaßnahme zur Entlarvung von Christen]) die Erinnerung an das katholische Christentum bis in die Meiji Zeit wachgehalten.33 Gemeinsam mit der Erinnerung an das verbotene Christentum wurde indirekt auch die schwierige transnationale Beziehung zwischen Japan und den europäischen Ländern der frühen Neuzeit wachgehalten. Mitte des 19. Jahrhunderts änderte sich die Situation durch die Aufnahme diplomatischer Beziehungen und den zunehmenden Druck europäischer Länder die Christenverfolgung in Japan einzustellen, was 1873 auch geschah.
Verweise
Verwandte Themen
Fußnoten
- ↑ Gastbeitrag von Pia Jolliffe (MA in Japanologie, Wien 2004; DESS Études Asiatiques, Genf 2006; PhD in International Development, Oxford 2011; derzeit Fellow, Blackfriars Hall, University of Oxford). Der Artikel wurde im Frühjahr 2022 abgefasst und in Zusammenarbeit mit dem Herausgeber von Religion-in-Japan für die Online-Präsentation adaptiert.
- ↑ S. dazu Japans ‚christliches Jahrhundert‘
- ↑ In einem Schreiben vom 3. Oktober 1573 beglückwünschte der Papst Ōmura Sumitada zu dessen Konversion zum Christentum. In einem Schreiben vom 20. Dezember 1578 bedankte er sich bei Ōtomo Sōrin für dessen Bemühungen um die Christen. Massarella 2012, S. 9.
- ↑ Üçerler 2003, S. 347. Auch Jurgis Elisonas zitiert Vagliano, der ein wesentliches Element der Mission darin sah, „to imbue the Japanese with the glory and grandeur of the law of Christ, and with the majesty of the princes and lords who have embraced that law and with the grandeur and wealth of our kingdoms and cities, and with the honor and influence that our religious order enjoys among them.“ (Aus Valignanos Instruktionen, verfasst am 12 Dezember 1583 in Goa; nach Elisonas 2007, S. 36.)
- ↑ Die Notizen der jungen Gesandten sowie Mesquitas Tagebuch sind heute im Original nicht mehr erhalten. Wir wissen jedoch, dass der ebenfalls in Japan tätige Jesuit Luís Fróis (1532-1597) diese Quellen für seine Zusammenfassung der Tenshō-Gesandtschaft verwendete (s. Fróis 1942, S. vii-viii).
- ↑ Eigentlich wollte Sōrin seinen Großneffen Itō Yoshikatsu (Jerónimo) nach Europa senden. Dieser studierte jedoch am Jesuitenseminar in Azuchi, dem Hauptquartier von Oda Nobunaga, das in der Nähe von Kyōto lag. Für diesen war die Vorbereitungszeit jedoch zu kurz, da er nicht einfach nach Nagasaki kommen konnte. So wurde Mancio gebeten anstelle von Yoshikatsu nach Europa zu fahren.
- ↑ Valignano, der 1579 erstmals nach Japan kam, sorgte als erster für eine formale Ausbildungsstruktur innerhalb der japanischen Mission, indem er ein Kolleg für Europäer in Usuki und ein Noviziat für Japaner und Europäer in Funai (Ōita) — beide auf Ōtomo Territorium — sowie zwei Seminare für japanische Kinder und Jugendliche in Arima und Azuchi (bei Kyōto) errichten ließ (Elisonas 2007, S. 32). Das Seminar in Arima gehörte zum Territorium von Arima Harunobu. Dieser ließ die Jesuiten selbst die Stelle aussuchen, an der das Seminar gebaut werden sollte.
- ↑ Im Gegensatz zu anderen Artikeln in diesem Handbuch folgen die vormodernen Tages- und Monatsangaben des vorliegenden Beitrags dem Gregorianischen Kalender (s. Kalender).
- ↑ Gualtieri 1586, S. 54.
- ↑ Ich danke Paulus Rainer, Kurator der Kunstkammer und Schatzkammer, für ein Gespräch und eine persönliche Führung durch die Rhinozeros-Pokal-Sammlung des Wiener Kunsthistorischen Museums am 20. August 2019. S.a. Seipel 2000, S. 197.
- ↑ Fróis 1942, S.36.
- ↑ Leider verschwanden die Wandschirme kurz danach und wurden bis heute nicht aufgefunden.
- ↑ Elisonas 2007, S. 40.
- ↑ Le Mire 1622, S. 17–18. Übersetzung aus dem Lateinischen von Pia Jolliffe.
- ↑ Bericht von Urbani Monte in Compendio delle cose più notabili successe alla città di Milano e particolarmente alla famiglia dei Monti, dal 1585 al 1587, quarta parte, 90v.
Übersetzung aus dem Italienischen von Pia Jolliffe.
- ↑ Gualtieri 1586, S. 160; Ü. Pia Jolliffe.
- ↑ Fróis 1942, S. 103–104. Übersetzt aus dem Portugiesischen von Pia Jolliffe.
- ↑ Es existiert jedoch eine spanische Übersetzung des japanischen Textes, den die Jünglinge für El Escorial geschrieben haben. Siehe Salvá, de Baranda 1845, 395-396.
- ↑ Transkription und Übersetzung aus dem Japanischen von Pia Jolliffe.
- ↑ S. a. Religion und Reichseinigung
- ↑ Für eine englische Übersetzung des Briefes s. Tsunoda e.a. 1958, S. 325–327.
- ↑ Jolliffe, Bianchi 2022, S. 24– 56.
- ↑ Frois 1976, IV, S. 492.
- ↑ Cooper 1971, S. 143; Todd 2019.
- ↑ Yuki 1981. S.a. Christenverfolgung in der Edo-Zeit.
- ↑ S. dazu Elisonas 2007.
- ↑ Cooper 2005, S. 185–186.
- ↑ Cooper 2005, S. 191 und 241.
- ↑ Elisonas 2007, S. 61.
- ↑ Elison 1973, S. 253.
- ↑ Nogueira Ramos 2019.
- ↑ Omata Rappo 2020.
- ↑ Hur 2021; Jolliffe, Knutson 2020.
Literatur
Siehe auch Literaturliste
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J. S. A. Elisonas, „Journey to the West“. Japanese Journal of Religious Studies 34/1 (2007), 27–66.
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Yūki Ryōgo 結城了梧, Tenshō shōnen shisetsu no Nakaura Julian 天正少年使節の中浦ジュリアン. Nagasaki: Sei Bonokishi-sha, 1981.
Bilder
Quellen und Erläuterungen zu den Bildern auf dieser Seite
- ^ Flugblatt mit Informationen zur Tenshō-Mission. Dargestellt sind die vier jugendlichen Gesandten Itō Mancio, Chijiwa Miguel, Hara Martinho und Nakaura Julian sowie ihr europäischer Begleiter, der Jesuit Diogo de Mesquita. Der Text besagt:
- Newe Zeyttung auß der Insel Japonien
- Retract und Contrafähung der vier Jüngling und Königlichen Gesandten auß Japon, wie sie zu Mayland den 25. July ankommen und den 3. August von dannen wider geruckt.
Contrafähung der vier Jüngling und Gesandten auß Japon, mit Namen Mancius, Julianus, Martinus, und Michael, so den 23. Martii des 1585. Jars, im Namen und anstat Francisci Königs in Bungen (= Ōtomo Sōrin), Prothasii Königs in Arimania (=Arima Harunobu), unnd Bartholomei Herzogs zu Omura (= Ōmura Sumitada) zu Rom sich Bäpstlicher Hayligkeit, beneben der heyligen Kirchen Gottes underworffen. Und nach dem sie Neaples, Venedig, und Mayland besucht, durch Hispanien wider haimwartz gezogen sein, sampt einem Priester der Societet IESU, P. N. Meschita genannt, der sie im Christlichen Glauben underwisen, und die drey Jar, so sie aus Japon biß gehn Rom, auff Wasser und Landt ihr Raiß zugebracht, das gelayt geben. Deren die zwen ersten auß fürstlichem Geschlecht von Omura, die andern zwen von hohem und sehr Altem Adel geborn. Alle vier aber von Natur, wie es jr Lands art mitbringt, gar Sinnreiche, Hochverstendige, und uber die maß wolkündige Leüt, Wie an mehr orrten von jrer Nation in gemein, und von disen vier sonderbar geschrieben wirdt.
- Gedruckt zu Augspurg, durch Michael Manger, Anno, M.D.LXXXVI.
Werk von Michael Manger. 1586. Kyōto University Library.
- ^ Portait von Itō Mancio, des Leiters der Tenshō-Gesandtschaft, in europäischer Tracht, hergestellt vom berühmten Jacopo Tintoretto (mit späteren Korrekturen von dessen Sohn Domenico) in Venedig, 1585. Das Portrait wurde erst 2014 wiederentdeckt. Tintoretto zeigt das Alter des damals fünfzehnjährigen Samurai zwar sehr realistisch, die Gesichtszüge muten allerdings eher italienisch als japanisch an.
Werk von Jacopo Tintoretto (1519–1594). 1585. Bildquelle: Tokyo National Museum. - ^ Indo-portugiesisches, für den europäischen Markt angefertigtes Trinkgefäß, das vor allem wegen des damals weitgehend unbekannten und daher exotischen Horn des Rhinozeros begeht war. Wahrscheinlich in Goa oder in Lissabon angefertigt.
16. Jahrhundert. Kunsthistorisches Museum Wien, Kunstkammer, 3732. - ^ Schriftproben der vier Mitglieder der Tenshō-Gesandtschaft in japanischer und lateinischer Schrift.
1585. Mit freundlicher Genehmigung der Biblioteca communale di Imola, Archivio storico, Campioni, n. 23, f. 148 bis.
- ^ Titelblatt des ersten von den Jesuiten in Japan gedruckten Buches, Santosu no gosagyō („Taten der Heiligen“) aus dem Jahr 1591. Es handelt sich um Hagiographien christlicher Heiliger in japanischer Sprache, aber in lateinischer Schrift entsprechend der damaligen portugiesischen Transliteration.
Momoyama-Zeit, 1591. Bodleian Library, Oxford. - ^ Die Stadt Wien in dem mehrbändingen Werk Civitates orbis terrarum, das mit der Tenshō-Gesandtschaft auch seinen Weg nach Japan fand.
Werk von Franz Hogenberg. Universitätsbibliothek Heidelberg. - ^ Zwei Städte (Lissabon und Rom) aus einem Set von acht byōbu, welche repräsentative Städte Europas, sowie deren Einwohner darstellen. Das Werk in europäischer Maltechnik stammt wahrscheinlich von einem japanischen, von Jesuiten ausgebildeten Künstler.
Edo-Zeit, 17. Jh. Kobe City Museum, mit freundlicher Genehmigung. - ^ Auf Portugiesisch verfasster Brief des Nakaura Julian, einem Mitglied der Tenshō-Gesandtschaft, der schließlich als christlicher Märtyrer endete.
Werk von Nakaura Julian. 25. Sept. 1621. 26 Martyrs Museum, Nagasaki.
Glossar
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