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| + | #WEITERLEITUNG [[Geschichte/Shinto_Mittelalter/Jinno_shotoki]] |
− | {{titel| ''Jinnō shōtō-ki''}}
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− | Das {{glossar:jinnoushoutouki}} ist ein umstrittenes Werk. Umstritten vor allem deshalb, weil es im neunzehnten und frühen zwanzigsten Jahrhundert als Quelltext der sogenannten Götterland-Ideologie interpretiert wurde und als Rechtfertigung für den japanischen Imperialismus und Ultra-Nationalismus diente. Auch als Quelle des {{glossar:Shintou|Shinto}} wurde und wird das Werk immer wieder herangezogen. Es diente mit anderen Worten dazu, die Verbindung von Shinto und Tenno-Loyalismus als essenziellen Bestandteil der japanischen Geistesgeschichte zu belegen. Auf dieser Seite werden die wichtigsten Ideologeme des ''Jinnō shōtō-ki'' vorgestellt und in ihren historischen Kontext gestellt.
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− | == Autor und Zeitumstände ==
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− | Der Autor, {{glossar: Kitabatakechikafusa}} (1293–1354), stammte aus der Familie der Minamoto, also einem der führenden Krieger-Klans des japanischen Mittelalters, und wurde in die Spätzeit des von {{glossar:minamotonoyoritomo}} begründeten Kamakura Shogunats geboren. Dieses Regime stand vor allem durch die aufwendigen Verteidigungsmaßnahmen gegen mögliche [[Geschichte:Shinto Mittelalter/Kamikaze|Angriffe der Mongolen]] unter zunehmenden Druck. In dieser Situation sah der ungewöhnlich tatkräftige Tennō {{glossar:godaigo}} eine Chance, das Kamakura Shogunat zu stürzen und die Regierungsgewalt wieder in die Hände des kaiserlichen Hofes zu überführen. Er erhielt dabei die Unterstützung verschiedener unzufriedener Krieger-Klans, selbst von Seitenlinien der Minamoto, u.a. von Kitabatake Chikafusa.
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− | Einer von Chikafusas Verwandten, {{glossar:Ashikagatakauji}}, zählte zu Go-Daigos wichtigsten Feldherrn während der sogenannten Kenmu-Restauration (1333–1336), durch die das Kamakura Shogunat endgültig gestürzt wurde. Schließlich wandte sich Takauji jedoch gegen Go-Daigo, begründete 1336 neuerlich ein Shogunat mit Sitz in Kyoto ({{glossar:muromachi}}-Zeit) und setzte einen Gegenkaiser ein. Go-Daigo vermochte allerdings eine Exil-Regierung ins Leben zu rufen, der auch Chikafusa angehörte. Von 1336–1392 gab es daher zwei kaiserliche Dynastien, den Nordhof in Kyoto, der nach der Pfeife der Ashikaga tanzte, und den Südhof in den Bergen von Yoshino (südlich des Nara-Beckens). Go-Daigos Exilregierung war zwar politisch weitgehend machtlos, aber doch stark genug, um nicht vom Ashikaga Shogunat überrannt zu werden. 1392 kam es zu einer friedlichen Einigung zwischen den beiden Parteien.
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− | Angesichts seiner Herkunft würde man in Kitabatake Chikafusa eher einen Parteigänger des Shogunats vermuten, doch er schlug sich auf die Seite von Tenno und Hofadel und kämpfte für eine Rückkehr zu den politischen Verhältnissen der Heian-Zeit, als der Kriegerstand dem Hofadel eindeutig untergeordnet war. Er stellt damit so etwas wie das intellektuelle Gegenstück zum berühmten Feldherrn {{glossar:Kusunokimasashige}} dar. Auf politisch-militärischem Gebiet werden diesem Masashige vor allem zwei legendäre Leistungen zugeschrieben: Zum ersten machte er 1331 durch eine taktische Meisterleistung (die Verteidigung von Chihaya und Akasaka), die zum Aufstieg Go-Daigos beitrug, auf sich aufmerksam. Zum zweiten zog er 1336 gegen Ashikaga Takauji in die Schlacht, obwohl er wusste, dass er diesmal unterliegen würde. Er plädierte daher für eine Hinhalte-Taktik, doch da der Tenno nicht auf seinen Rat hören wollte, fügte er sich in sein Schicksal und starb in einem aussichtslosen Angriff. Die meisten anderen Generäle dieser Zeit wären in einer solchen Situation zur Gegenseite übergelaufen. Aus diesem Grund gilt Masashige, insbesondere seit der {{glossar:Meiji}}-Zeit, als der Inbegriff des loyalen Untertanen in Japan.
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− | Chikafusa, der die meiste Zeit seines Lebens an kaiserlichen Höfen verbrachte, war zwar als Feldherr nicht so prominent wie Masashige, steuerte jedoch die Ideologie für die Loyalisten des Südhofes bei. Diese klingt bereits im Titel des ''Jinnō shōtōki'' (in etwa „Über die wahre/legitime Abfolge der Göttlichen Herrscher“) an. Es ist eine Kurzdarstellung der japanischen Geschichte mit besonderer Betonung der Kontinuität – und daraus abgeleitet der einzig legitimen japanischen Herrschaftsform – des Tenno-Hauses. Chikafusa begann das Werk 1339, nach dem Tod Go-Daigos, als Unterweisung für dessen Sohn und Nachfolger. Er selbst saß zu dieser Zeit in seiner von Ashikaga-Truppen belagerten Festung in Hitachi (Ostjapan) fest, wo er sich vier Jahre halten konnte, bis er schließlich an den Südhof in Yoshino floh und dort bis zu seinem Tod (1354) weitere Werke verfasste.
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− | == Inhalt ==
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− | Der berühmteste Satz des ''Jinnō shōtō-ki'' ist sein Beginn:
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− | Groß-Japan ist ein Götterland. Die himmlischen Ahnen begründeten es und die Sonnengottheit übergab seine Herrschaft für ewig [an ihre Nachkommen]. Dies gibt es nur in unserem Land. Andere Dynastien haben nichts dergleichen. Deshalb nennt man dieses Land ein Götterland.
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− | Damit weist Chikafusa auf die göttliche Abstammung des Tenno (und davon abgeleitet auch der anderen Bewohner Japans) hin, wie dies in den alten Chroniken {{glossar:kojiki}} und {{glossar:nihonshoki}} beschrieben ist. Der Begriff Götterland ({{glossar:shinkoku}}) ist zwar keine Erfindung Chikafusas, wurde aber durch seine Schrift popularisiert.
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− | Trotz dieser anscheinend „nationalistischen“ Grundhaltung macht Chikafusa auch von chinesischen Quellen Gebrauch und beweist große Gelehrsamkeit, wenn er japanische und chinesischen Geschichte mit einander in Beziehung bringt. Als Kind seiner Zeit glaubt er außerdem an die buddhistische Zeitenlehre, nach der man sich in der Endzeit des buddhistischen Gesetzes ({{glossar:mappou}} oder ''masse'') befände, und greift immer wieder auf die {{skt:Karma}}-Theorie zurück, um seine Zeitgenossen vor unmoralischem Verhalten zu warnen.
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− | Letztlich folgt Chikafusa aber der traditionellen Historiographie und strukturiert die japanische Geschichte entlang der „Regierungen“ der einzelnen Tenno, bis hin zu ihren göttlichen Ahnen. Vor allem durch diese Struktur erhält der Text seine rote Linie, nach der der kaiserliche Souverän den Angelpunkt aller geschichtlichen Ereignisse des Landes darstellt. In die geschichtlichen bzw. mythischen Ereignisse streut der Autor immer wieder persönliche Interpretationen ein, die diese Kontinuität als Spezifikum der japanischen Geschichte herauszustreichen und daraus umgekehrt die Fortdauer des imperialen Herrschaftsanspruchs legitimieren.
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− | === Kosmologie ===
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− | Besonders am Anfang seiner Schrift versucht Chikafusa sein initiales Statement, dass Japan ein Götterland sei, durch eine Erörterung der Kosmologien und Kosmogonien der Drei Länder (Indien, China und Japan) zu erhärten. Dabei fällt eine besonders negative Sicht Chinas auf, die sich wohl aus den Zeitumständen (die Angriffe der Yuan Dynastie liegen kaum ein Menschenalter zurück) erklären. Die buddhistische Lehre vom Weltenberg {{skt:Sumeru}} wird dagegen durchaus ernst genommen. Aus ihr schließt Chikafusa, dass Indien das Zentrum der von Menschen bewohnten Welt darstelle, während China und Japan lediglich periphere Reiche am Rand dieser Welt seien. Auch die buddhistische Lehre vom sukzessiven Weltenverfall (vgl. {{glossar:mappou}}) wird in anschaulichen Bildern wiedergegeben. Chikafusa scheint auch nicht zu bezweifeln, dass die Menschen gemäß der buddhistischen Lehre früher nahezu ewig lebten und um ein vielfaches größer waren als heute. Doch trifft dies scheinbar nur auf Indien zu, während für Japan die Welt·ent·stehungs·mythen der indigenen Chroniken gelten. Chikafusa lässt also die widersprüchlichen Berichte unterschiedlicher Denktraditionen neben einander bestehen, um letztlich auf den für ihn wichtigsten Punkt zu kommen: Nur in Japan gibt es eine Herrschafts·dynastie, die sich bis auf den Anfang aller Zeiten zurück führen lässt. Die dynastische Ordnung Japans hat damit einen quasi naturgesetzlichen Charakter. In Indien und China hingegen sei es öfter vorgekommen, dass sich sogar Leute gemeinen Standes zum Herrscher aufschwangen.
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− | Nach dem Klan des [ersten chinesischen Herrschers] {{glossar:fuxi}} änderte sich der Klan-Name des Himmelssohnes sechsunddreißig Mal. Das Ausmaß dieser Unordnung ist nicht zu beschreiben! Nur in unserem Land wurde von der Zeit, als Himmel und Erde sich teilten, bis zum heutigen Tag nie von der Sonnenerbfolge (''hitsugi'') abgewichen. [...] Dieser Herrschaftsauftrag der Leuchtenden Gottheit (Amaterasu) ist etwas, das [uns] von anderen Ländern unterscheidet.
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− | Im Folgenden geht Chikafusa detailliert auf die japanischen Schöpfungsmythen ein, identifiziert Kuni no Tokotachi als die erste Gottheit und interpretiert alle weiteren im Sinne von Yin und Yang sowie den Fünf Wandlungen ({{glossar:gogyou}}). Die Nacherzählung der Mythen des Götterzeitalters folgt laut Chikafusa strikt den antiken Schriften ''Nihongi'', ''Kuji hongi'' und ''Kogo shūi'' (die damals als orthodoxen historische Quellentexte galten), doch schleichen sich gelegentlich Varianten aus dem Ise Shinto ein, die in den klassischen Mythen fehlen. Man nimmt daher an, dass die Watarai Priester des Äußeren Ise Schreins zu Chikafusas Informanten in mythologischen Fragen zählten.
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− | Anlässlich der ersten Erwähnung von {{glossar:Amaterasu}} betont Chikafusa, dass es sich um eine weibliche Gottheitheit handelt (was auf diesbezügliche Unsicherheiten in der damaligen Rezeption schließen lässt). In der weiteren Nacherzählung der Mythen des Götterzeitalters beweist Chikafusa große Quellenkompetenz und versteht es meisterhaft, die verschiedenen Erzählvarianten der Mythen anzudeuten, ohne die Geschichte allzu verwirrend zu gestalten. Als Einführung in die japanische Mythologie ist der erste Abschnitt des Werks in der Tat didaktisch gut gestaltet.
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− | === Herrschaftsauftrag ===
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− | Die mythologische Szene, in der Amaterasu ihrem Enkel {{glossar:Ninigi}} zusammen mit den Drei Throninsignien den sogenannten Herrschaftsauftrag mit auf den Weg gibt, stellt einen der Höhepunkte in Chikafusas Abhandlung der Mythologie dar. Auch in späteren Abschnitten greift er immer wieder auf diese Passage zurück. Sie wird zunächst wortgetreu nach dem ''Nihon shoki'' (Nebenvariante 1) wiedergegeben:
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− | Sodann übergab Amaterasu die drei göttlichen Schätze. Zuvor sprach sie zu ihrem Enkel: „Dieses Land der Schilfgefilde von eintausendfünfhundert Herbsten von Reisähren soll von meinen Nachkommen beherrscht werden. Geh du, mein erlauchter Enkel, hin und regiere es! Möge deine himmlische Dynastie blühen und gedeihen, unendlich wie Himmel und Erde!“ Dann nahm die Große Gottheit den Schatzspiegel in ihre Hände und übergab ihn dem erlauchten Enkel mit den Worten: „Mein Kind, wenn du in diesen Spiegel blickst, so sei es, als ob du mich anblicktest. An deinem Nachtlager und in deinem Palast verehre ihn als heiligen Spiegel.“
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− | Im Anschluss finden sich mittelalterliche Ausschmückungen, die in den Quellen des Altertums fehlen:
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− | Zusammen mit den Yakasaka Krummjuwelen und dem Schwert Ama no Murokumo sind dies die Drei Insignien. Weiters sprach Amaterasu: „Erfülle das Reich mit Licht, gleich diesem Spiegel, beherrsche das Reich mit Wundern, wie sich diese Juwelen vermehren, und vernichte die Unfolgsamen mit diesem Schwert.“
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− | Daran schließt der Autor folgende persönliche Interpretation an:
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− | Man erkennt daraus, dass [die Drei Insignien] als göttliche Geister dieses Landes wahrhaftig die eine kaiserliche Linie darstellen. Die Weitergabe der Drei Insignien gleicht Sonne, Mond und Sternen am Himmel. Der Spiegel ist der Körper der Sonne. Die Juwelen sind der Geist des Mondes. Und das Schwert ist die Essenz der Sterne.
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− | Zu den Insignien und ihrer magischen sowie symbolischen Bedeutung finden sich noch weitere, dem esoterischen Diskurs der Zeit entsprechende Ausführungen.
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− | In einer späteren Passage geht Chikafusa noch einmal auf die Reichsinsignien ein. Diese sind ja, wie auch andere Quellen berichten, teilweise in der Seeschlacht von Dan no Ura (1185) zusammen mit dem Kindkaiser Antoku im Meer versunken, wie auch Chikafusa berichtet. Doch seien es im Grunde nur Kopien gewesen. Die Originale von Spiegel und Schwert befänden sichin den Schreinen Ise und Atsuta, von deren Gottheiten die kaiserliche Dynastie weiter beschützt werden würde.
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− | === Mandat des Himmels ===
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− | Als direkter Verwandter Chikafusas wird Minamoto Yoritomo naturgemäß sehr positiv dargestellt. Seine Shogunatsregierung stimmte laut Chikafusa mit dem Willen {{glossar:Goshirakawa}}s (die dominante Figur innerhalb des kaiserlichen Haushalts im späteren 12. Jh.) überein und war daher legitim. Das Minamoto Shogunat wird im übrigen durch die chaotischen politischen Zustände gerechtfertigt, die wiederum den Taira zur Last gelegt werden.
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− | In der Darstellung der folgenden verworrenen Zeitumstände taucht überraschender Weise das Konzept des himmlischen Mandats ({{glossar:tenmei}} oder ''ten'i'') mehrmals auf. Klassische chinesische Konfuzianer fassten das Mandat des Himmels als eine Art Grundkaptal auf, mit Hilfe dessen eine neue Dynastie an die Macht gelangen konnte, das sie aber durch untugendhaftes Verhalten auch verspielen konnte. Der Konfuzianismus erklärte und rechtfertigte auf diese Weise den Umsturz historischer Dynastien. Ganz ähnlich argumentiert Chikafasu im Hinblick auf die Kriegerdynastien der Taira, Minamoto und Hōjō. Mit Einschränkungen gilt das Prinzip, das auch als Ureid ({{glossar:hongan}}) der ''kami'' bezeichnet wird, sogar für einzelne Mitglieder der kaiserlichen Dynastie selbst. Doch kann kein Fehler eines Tenno so gravierend sein, dass die Dynastie selbst – nach dem Willen der ''kami'' – komplett ausgelöscht oder entmachtet wird.<ref>Buch 3, Varley, S. 163.</ref>
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− | Am Ende des Werks kritisiert Chikafusa die Inflation an Rangerhöhungen, die seit der späten Heian-Zeit an Mitglieder des Kriegerstandes vergeben wurden, und macht diese Praxis dafür verantwortlich, dass Krieger mehr Macht anstrebten, als ihrem angestammten Status entsprach. Alle Untertanen, Krieger eingeschlossen, müssten bereit sein, gegebenenfalls ihr Leben für den Tenno zu geben, ohne an Belohnungen für ihre Verdienste zu denken. Die wichtigsten Faktoren, die für die Schwächung eines Regimes verantwortlich gemacht werden können, sind überzogene Ambitionen und Nichtachtung des angestammten gesellschaftlichen Status seitens der Untertanen.
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− | == Rezeption durch die Nachwelt ==
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− | Das ''Jinnō shōtō-ki'' erfuhr bereits in der Edo-Zeit große Beachtung und soll sogar die Große Geschichte Japans (''Dai Nihon-shi'') der Mito Schule inspiriert haben. In der Tat entstand dieses über zwei Jahrhunderte fortgeführte Mammut-Projekt aus einer ähnlichen Grundhaltung wie die Chikafusas. Angefangen von Tokugawa Mitsukuni, Daimyo von Mito, waren die Mentoren dieses Projekts zwar verwandtschaftlich mit dem Tokugawa Shogunat verbunden, teilten aber dennoch die Auffassung, dass letztlich der Tenno der oberste Souverän des Landes sei und versuchten dies historisch zu belegen.
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− | Besonders einflussreich wurde das ''Jinnō shōtō-ki'' allerdings erst in der Meiji Zeit. Im ersten quasi-universitären „Institut für Kaiserliche Studien“, das bereits 1868 gegründet wurde und stark von der {{glossar:kokugaku}} geprägt war, stellte das Werk die erste geschichtliche Quelle dar, mit der sich die Studenten auseinandersetzen sollten. Auch später blieb es ein wichtiger Bestandteil im Schulunterricht.
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− | === Hermann Bohner ===
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− | Während die Pioniere der westlichen Japanologie das ''Jinnō shōtō-ki'' eher links liegen ließen, erlangte es in der Zwischenkriegszeit zumindest in der deutschsprachigen Forschung große Aufmerksamkeit. Verantwortlich dafür ist in erster Linie Hermann Bohner (1884–1963), der die meiste Zeit seines Lebens ab 1914 in Japan verbrachte und zweifellos der beste deutschsprachige Japankenner seiner Generation war. Er übersetzte das ''Jinnō shōtō-ki'' 1935 ins Deutsche und verfasste eine Einleitung dazu, die mit knapp 190 Seiten umfangreicher als die Übersetzung selbst geriet. Darin schrieb er dem Werk eine ähnliche Bedeutung für das aufkeimende Nationalgefühl Japans zu wie dem Buch ''Das Dritte Reich'' (1923) von Arthur Moeller van den Bruck (1876–1925) für den deutschen Nationalsozialismus. Dass dies ein Lob und keine Kritik war, bringt Bohners eigene politische Haltung deutlich zum Ausdruck.
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− | Doch Bohner repräsentierte damit die vorherrschende Geisteshaltung der damaligen deutschsprachigen Japanologie. In einer Rezension lobte selbst der Jesuit Johannes Kraus, der Begründer der renommierten Fachzeitschrift ''Monumenta Nipponica'', Bohners Übersetzung und Interpretation des ''Jinnō shōtō-ki'', eines „Bibelbuchs der völkisch-nationalen Weltanschauung Japans“, wie Kraus sich ausdrückte.<ref> ''Monumenta Nipponica'' 1:1 (1938), S. 285. </ref>
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− | Japanische Zeitgenossen charakterisierten das Werk hingegen, nicht weniger kryptisch, als Inbegriff des „nationalen Wesens“ ({{glossar:kokutai}}). In Übereinstimmung mit solchen Interpretationen setzte auch Bohner Chikafusas Götterland sowohl mit ''kokutai'' als auch mit Shinto gleich.<ref>Bohner 1935; s.a. Wachutka 2013, S. 211–212.</ref>
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− | === Götterland und ''kokutai'' ===
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− | Das Götterland Konzept wurde also im 19. und 20. Jahrhundert als Essenz eines nationalistischen Shinto-Begriffs angesehen, der im Grunde nicht viel mehr aussagte, als dass Japan seit Uranfängen von einer Dynastie göttlichen Ursprungs regiert werden würde.
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− | Das Wort Shinto selbst taucht im ''Jinnō shōtō-ki'' zwar auf, wird aber – wie etwa Michael Wachutka gezeigt hat – nicht in dieser Bedeutung verwendet. Der Begriff ''kokutai'' war Chikafusa überhaupt unbekannt. Diese Begriffe dienten modernen Nationalisten dazu, die an sich recht simple Botschaft des ''Jinnō shōtō-ki'' zu überhöhen und ihr eine religiöse Aura zu verleihen. Auch Chikafusa selbst hatte solches versucht, doch er bediente sich dabei anderer Konzepte, die er dem Buddhismus, dem Konfuzianismus und der chinesischen Naturphilosophie entnahm.
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− | Das wichtigste und beiden Positionen gemeinsame Argument ist jedoch die Kontinuität: Weil es die Herrschaft des Tenno immer gegeben hat, muss sie auch immer weiter bestehen. Chikafusa verschweigt dabei keineswegs, dass es fähige und unfähige Herrscher gegeben habe. Er sieht vielmehr in der Tatsache, dass sich die Dynastie trotz aller Krisen behaupten konnte, einen Beweis dafür, dass sie unter göttlichem Schutz steht.<!--
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− | --><ref>
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− | Das ''Jinnō shōtō-ki'' ist beispielsweise eine der ersten Quellen, die die Bedeutung der „göttlichen Winde“ ({{glossar:kamikaze}}) für die Abwehr der mongolischen Angriffe Ende des 13. Jh.s hervorhebt.
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− | </ref><!--
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− | --> Auch das moderne ''kokutai'' Konzept lässt sich, wenn man versucht, es von allen Mystizismen zu entkleiden, auf diesen simplen Traditionalismus herunterbrechen.
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− | Ein wesentlicher Unterschied zwischen Chikafusas Position und dem modernen Nationalismus besteht in der intendierten Leserschaft und im intendierten Zweck: Chikafusa richtete seine Schriften an den Adel seiner Zeit und versuchte erfolglos, die traditionellen Hierarchien zwischen Hof und Schwertadel wieder zu errichten, um die Konkurrenz zwischen den Kriegern einzudämmen. Die modernen Nationalisten hingegen richteten sich an die gesamte Bevölkerung und leiteten aus der ungebrochenen Herrschaftslinie eine Art Auftrag ab, die ganze Welt (oder zumindest ganz Asien) zu beherrschen.
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