Geschichte/Amidismus: Unterschied zwischen den Versionen

Zur Navigation springen Zur Suche springen
K (Textersetzung - „{{glossar:“ durch „{{g|“)
Zeile 2: Zeile 2:
 
{{titel | Amidismus<span class{{=}}"hide">,</span>  <span class{{=}}"bottom">der Buddhismus des Reinen Landes</span>}}
 
{{titel | Amidismus<span class{{=}}"hide">,</span>  <span class{{=}}"bottom">der Buddhismus des Reinen Landes</span>}}
  
{{fl|D}}er {{s|Buddha|Buddhismus}} vom Reinen Land ist die be·deu·tendste Re·form·be·wegung des japanischen Mittel·alters. Er besteht aus einer radikalen Ver·ein·fachung der religiösen Praxis und aus der Kon·zentration auf ein paar wenige Glaubens·inhalte. Im Zentrum steht der Glaube an [[Ikonographie/Amida | Amida]] ({{s|Amitabha|Buddha Amitābha}}) und sein {{g|joudo|Reines Land}}, eine Art Vorstufe des Nirvana. Die Re·form·bewegung hat ihre Wurzeln im {{g|tendaishuu|Tendai}} Bud·dhis·mus und reicht bis Mitte der {{glossar:heian}}-Zeit zurück. Im Laufe der {{glossar:kamakura}}-Zeit schlossen sich ihre Anhänger, die sog. Amidisten, zu ver·schiedenen häretischen Sekten (also Sekten, die nicht als recht·gläubig aner·kannt werden) zusammen. Auch wenn diese Sekten alle ein wenig unter·schied·lich aus·ge·richtet sind, kon·zen·triert sich ihr Glaube jeweils auf die gleichen Haupt·texte und auf ähn·liche religiöse Praktiken. Sie zielen noch stärker, als dies im {{s|Mahayana}} Buddhismus zuvor der Fall war, auf Laien·gläubige ab, die im gewöhn·lichen Alltags·leben stehen und dennoch ein Ver·langen nach bud·dhis·tischer Erlösung ver·spüren. Diese Hin·wendung zu den Laien hat wohl auch in anderen Ländern zu Erfolgen des Reinen Land Glaubens geführt, doch hat sich daraus wohl nirgends eine so starke ge·sell·schaft·liche Kraft entwickelt wie im mittel·alter·lichen Japan.
+
{{fl|D}}er {{s|Buddha|Buddhismus}} vom Reinen Land ist die be·deu·tendste Re·form·be·wegung des japanischen Mittel·alters. Er besteht aus einer radikalen Ver·ein·fachung der religiösen Praxis und aus der Kon·zentration auf ein paar wenige Glaubens·inhalte. Im Zentrum steht der Glaube an [[Ikonographie/Amida | Amida]] ({{s|Amitabha|Buddha Amitābha}}) und sein {{g|joudo|Reines Land}}, eine Art Vorstufe des Nirvana. Die Re·form·bewegung hat ihre Wurzeln im {{g|tendaishuu|Tendai}} Bud·dhis·mus und reicht bis Mitte der {{g|heian}}-Zeit zurück. Im Laufe der {{g|kamakura}}-Zeit schlossen sich ihre Anhänger, die sog. Amidisten, zu ver·schiedenen häretischen Sekten (also Sekten, die nicht als recht·gläubig aner·kannt werden) zusammen. Auch wenn diese Sekten alle ein wenig unter·schied·lich aus·ge·richtet sind, kon·zen·triert sich ihr Glaube jeweils auf die gleichen Haupt·texte und auf ähn·liche religiöse Praktiken. Sie zielen noch stärker, als dies im {{s|Mahayana}} Buddhismus zuvor der Fall war, auf Laien·gläubige ab, die im gewöhn·lichen Alltags·leben stehen und dennoch ein Ver·langen nach bud·dhis·tischer Erlösung ver·spüren. Diese Hin·wendung zu den Laien hat wohl auch in anderen Ländern zu Erfolgen des Reinen Land Glaubens geführt, doch hat sich daraus wohl nirgends eine so starke ge·sell·schaft·liche Kraft entwickelt wie im mittel·alter·lichen Japan.
  
 
== Theorie und Praxis ==
 
== Theorie und Praxis ==
Zeile 14: Zeile 14:
 
}}
 
}}
  
Im Zentrum des Amida Glaubens stehen drei {{s|sutra| Sutren}}, das Große Amitabha Sutra (jap. {{glossar:muryoujukyou}}), das Kleine Amitabha Sutra (jap. {{glossar:amidakyou}}) und das sog. Meditations-Sutra (jap. {{glossar:kanmuryoujukyou}}), die teilweise aus dem Indien des zweiten Jahr·hunderts unserer Zeit·rech·nung stammen. Im Kern geht es darin um {{glossar:amida}} (skt. {{skt:Amitabha}}), der vor un·zähligen Erd·zeit·altern ein Prinz war, der Welt ent·sagte und ver·schiedene Gelübde tat, für den Fall dass er einst die Buddha·schaft erreichen würde (nicht zufällig ent·hält diese Erzählung Parallelen zur Biografie {{g|shaka| Buddha Shakyamunis}}, aber Amida lebte nach bud·dhis·tischer Auf·fas·sung viel früher). Amida schwor, ein „Reines Land“ (skt. {{s|sukhavati}}, jap. {{g|joudo}}) im Westen zu er·rich·ten und dorthin alle diejenigen zu „erretten“, die an ihn glauben.
+
Im Zentrum des Amida Glaubens stehen drei {{s|sutra| Sutren}}, das Große Amitabha Sutra (jap. {{g|muryoujukyou}}), das Kleine Amitabha Sutra (jap. {{g|amidakyou}}) und das sog. Meditations-Sutra (jap. {{g|kanmuryoujukyou}}), die teilweise aus dem Indien des zweiten Jahr·hunderts unserer Zeit·rech·nung stammen. Im Kern geht es darin um {{g|amida}} (skt. {{skt:Amitabha}}), der vor un·zähligen Erd·zeit·altern ein Prinz war, der Welt ent·sagte und ver·schiedene Gelübde tat, für den Fall dass er einst die Buddha·schaft erreichen würde (nicht zufällig ent·hält diese Erzählung Parallelen zur Biografie {{g|shaka| Buddha Shakyamunis}}, aber Amida lebte nach bud·dhis·tischer Auf·fas·sung viel früher). Amida schwor, ein „Reines Land“ (skt. {{s|sukhavati}}, jap. {{g|joudo}}) im Westen zu er·rich·ten und dorthin alle diejenigen zu „erretten“, die an ihn glauben.
  
 
Aus dem Reinen Land Amidas entwickelten sich Vor·stellungen, die stark an das Paradies der mono·theis·tischen Reli·gionen erinnern (s. dazu auch [[Mythen/Paradiese | Jenseitsvorstellungen]]). Dieser (im Unterschied zum {{s|Nirvana}}) konkret fassbare Ort der Hoffnung war wahr·scheinlich ein ent·scheidender Faktor für die Breiten·wirkung des Amida-Glaubens. Die wichtigste Vor·aus·setzung, um ins Reine Land zu kommen ist der be·dingungs·lose „Glaube“ an Amida. Inner·halb des Amidismus existieren jedoch unter·schied·liche Auf·fassungen, worin sich der für die Er·rettung ins Reine Land not·wendige Glaube mani·festiert.
 
Aus dem Reinen Land Amidas entwickelten sich Vor·stellungen, die stark an das Paradies der mono·theis·tischen Reli·gionen erinnern (s. dazu auch [[Mythen/Paradiese | Jenseitsvorstellungen]]). Dieser (im Unterschied zum {{s|Nirvana}}) konkret fassbare Ort der Hoffnung war wahr·scheinlich ein ent·scheidender Faktor für die Breiten·wirkung des Amida-Glaubens. Die wichtigste Vor·aus·setzung, um ins Reine Land zu kommen ist der be·dingungs·lose „Glaube“ an Amida. Inner·halb des Amidismus existieren jedoch unter·schied·liche Auf·fassungen, worin sich der für die Er·rettung ins Reine Land not·wendige Glaube mani·festiert.
Zeile 20: Zeile 20:
 
=== Nenbutsu ===
 
=== Nenbutsu ===
  
In Japan wurde vor allem die An·ru·fung von Amidas Namen als erfolg·ver·spre·chende Praxis ange·sehen, um ins Reine Land zu ge·langen. Man be·zeichnet diese Praxis als {{glossar:nenbutsu}} (wtl. „Einge·denk·sein Buddhas“). Das ''nenbutsu'' äußert sich im Aus·sprechen der Formel {{glossar:namuamidabutsu}} (in etwa: „Gelobt sei Buddha Amida“). Manche Rich·tun·gen des Amida Bud·dhis·mus setzten auf Quantität (tausend ''nenbutsu'' pro Tag), andere auf Qualität (ein ''nenbutsu'', aber das im rich·tigen Glauben), es gab kollektive ''nenbutsu'' Gesänge und Tänze sowie das so·ge·nannte Toten·bett-''nenbutsu'', das für viele den ent·schei·denen Aus·schlag für die „Errettung“ im Jenseits darstellte.
+
In Japan wurde vor allem die An·ru·fung von Amidas Namen als erfolg·ver·spre·chende Praxis ange·sehen, um ins Reine Land zu ge·langen. Man be·zeichnet diese Praxis als {{g|nenbutsu}} (wtl. „Einge·denk·sein Buddhas“). Das ''nenbutsu'' äußert sich im Aus·sprechen der Formel {{g|namuamidabutsu}} (in etwa: „Gelobt sei Buddha Amida“). Manche Rich·tun·gen des Amida Bud·dhis·mus setzten auf Quantität (tausend ''nenbutsu'' pro Tag), andere auf Qualität (ein ''nenbutsu'', aber das im rich·tigen Glauben), es gab kollektive ''nenbutsu'' Gesänge und Tänze sowie das so·ge·nannte Toten·bett-''nenbutsu'', das für viele den ent·schei·denen Aus·schlag für die „Errettung“ im Jenseits darstellte.
  
 
{{w502
 
{{w502
Zeile 32: Zeile 32:
 
| ref=1
 
| ref=1
 
}}
 
}}
Einer der Pioniere des ''nenbutsu-''Glaubens war der Heian-zeitliche Mönch {{glossar:kuuya}}, der das ''nenbutsu'' into·nierend durch die Lande zog und den ein·fachen Men·schen von der Gnade Amidas er·zählte. Er soll auch die Praxis des kollek·tiven ''nenbutsu''-Tanzes ini·tiert haben und wurde zum Vorbild einer be·stimm·ten Form von ami·dis·tischen Wander·predigern, die sich später zur {{glossar:jishuu|Ji-Sekte}} zusam·men·schlossen.
+
Einer der Pioniere des ''nenbutsu-''Glaubens war der Heian-zeitliche Mönch {{g|kuuya}}, der das ''nenbutsu'' into·nierend durch die Lande zog und den ein·fachen Men·schen von der Gnade Amidas er·zählte. Er soll auch die Praxis des kollek·tiven ''nenbutsu''-Tanzes ini·tiert haben und wurde zum Vorbild einer be·stimm·ten Form von ami·dis·tischen Wander·predigern, die sich später zur {{g|jishuu|Ji-Sekte}} zusam·men·schlossen.
  
 
=== ''Tariki'', die „andere Kraft“ ===
 
=== ''Tariki'', die „andere Kraft“ ===
  
So einfach die Doktrin des Amidismus klingen mag, ihre japanischen Ver·fechter gehörten nicht nur zu den ge·lehrtesten Mönchen ihrer Zeit, sie schufen auch eine theo·logisch fun·dierte Be·grün·dung ihrer Be·vor·zugung des ''nenbutsu''. Diese Be·grün·dung steht mit der bereits er·wähnten Vor·stellung des Nieder·gangs, bzw. der „Endzeit des Gesetzes“ ({{glossar:mappou}}) in Zu·sammen·hang (s. [[Geschichte/Heian_Zeit | Heian-Zeit]]). Dieser Nieder·gang be·dingt nach Ansicht der Amidisten, dass an·spruchs·volle Mittel zur Er·lan·gung der Er·leuch·tung, wie sie aus den Leb·zeiten des his·tori·schen Buddha berichtet werden (Meditation, Verständnis der Lehre, Askese, usw.), nicht mehr ziel·führend sind, da die Menschen ihnen nicht mehr ge·wachsen sind. Den spiri·tuell kraftlos ge·wordenen Menschen bliebe nur noch die Möglichkeit, auf das Mitleid Amidas zu ver·trauen. Die Er·leuch·tung aus eigenen Kräften er·reichen zu wollen, kritisierten die Amidisten als An·maßung. Im Zu·sammen·hang mit den früheren an·spruchs·vollen Methoden, die Er·leuchtung zu er·langen, sprechen die Amidisten von {{glossar:jiriki}} (eigener Kraft). ''Jiriki'' ist aber in der Endzeit nicht mehr mög·lich. Statt·dessen ge·währt Amida {{glossar:tariki}} (andere Kraft), d.h. Erlösung ohne vor·her·gehende voll·kommene Einsicht, und ohne be·sondere (meditative, asketische) Techniken oder Studien. Wer sich voll Ver·trauen auf die „andere Kraft“ Amidas ver·lässt, wird in seinem Reinen Land wieder·ge·boren, egal wie weit sein Lebens·weg auch von kon·ven·tio·nellen Moral·vor·stellungen ent·fernt ist.
+
So einfach die Doktrin des Amidismus klingen mag, ihre japanischen Ver·fechter gehörten nicht nur zu den ge·lehrtesten Mönchen ihrer Zeit, sie schufen auch eine theo·logisch fun·dierte Be·grün·dung ihrer Be·vor·zugung des ''nenbutsu''. Diese Be·grün·dung steht mit der bereits er·wähnten Vor·stellung des Nieder·gangs, bzw. der „Endzeit des Gesetzes“ ({{g|mappou}}) in Zu·sammen·hang (s. [[Geschichte/Heian_Zeit | Heian-Zeit]]). Dieser Nieder·gang be·dingt nach Ansicht der Amidisten, dass an·spruchs·volle Mittel zur Er·lan·gung der Er·leuch·tung, wie sie aus den Leb·zeiten des his·tori·schen Buddha berichtet werden (Meditation, Verständnis der Lehre, Askese, usw.), nicht mehr ziel·führend sind, da die Menschen ihnen nicht mehr ge·wachsen sind. Den spiri·tuell kraftlos ge·wordenen Menschen bliebe nur noch die Möglichkeit, auf das Mitleid Amidas zu ver·trauen. Die Er·leuch·tung aus eigenen Kräften er·reichen zu wollen, kritisierten die Amidisten als An·maßung. Im Zu·sammen·hang mit den früheren an·spruchs·vollen Methoden, die Er·leuchtung zu er·langen, sprechen die Amidisten von {{g|jiriki}} (eigener Kraft). ''Jiriki'' ist aber in der Endzeit nicht mehr mög·lich. Statt·dessen ge·währt Amida {{g|tariki}} (andere Kraft), d.h. Erlösung ohne vor·her·gehende voll·kommene Einsicht, und ohne be·sondere (meditative, asketische) Techniken oder Studien. Wer sich voll Ver·trauen auf die „andere Kraft“ Amidas ver·lässt, wird in seinem Reinen Land wieder·ge·boren, egal wie weit sein Lebens·weg auch von kon·ven·tio·nellen Moral·vor·stellungen ent·fernt ist.
  
 
Die Einschätzung des Menschen als fun·damen·tal unwissendes, zur Er·leuch·tung un·fähiges (=sündhaftes) Wesen und die Be·tonung der Gnade einer höheren Macht als einziger Hoffnung ist häufig mit der Theologie {{g|luthermartin| Martin Luthers}} ver·glichen worden. In beiden Fällen gab wahr·schein·lich die Kritik am über·trieben kom·pli·zierten Lehr·ge·bäude und am leeren Formalis·mus der etablierten religiösen Eliten den Ausschlag für die Suche nach einer einfachen, direkten Form der Frömmig·keit. In beiden Fällen führte diese Lehre nicht nur zu theo·logischen, sondern auch zu sozialen Re·form·be·we·gungen, die teils einen anderen Verlauf nahmen, als dies von ihren Gründern vorgesehen war.
 
Die Einschätzung des Menschen als fun·damen·tal unwissendes, zur Er·leuch·tung un·fähiges (=sündhaftes) Wesen und die Be·tonung der Gnade einer höheren Macht als einziger Hoffnung ist häufig mit der Theologie {{g|luthermartin| Martin Luthers}} ver·glichen worden. In beiden Fällen gab wahr·schein·lich die Kritik am über·trieben kom·pli·zierten Lehr·ge·bäude und am leeren Formalis·mus der etablierten religiösen Eliten den Ausschlag für die Suche nach einer einfachen, direkten Form der Frömmig·keit. In beiden Fällen führte diese Lehre nicht nur zu theo·logischen, sondern auch zu sozialen Re·form·be·we·gungen, die teils einen anderen Verlauf nahmen, als dies von ihren Gründern vorgesehen war.
Zeile 50: Zeile 50:
 
| ref= 1
 
| ref= 1
 
}}
 
}}
Erst der Tendai-Mönch {{glossar:hounen}} (1133–1212), der diese Praxis in diversen theo·retischen Schriften erklärte, wird aller·dings als Begrün·der einer eigenen Schule, der {{glossar:joudoshuu}} (Buddhismus vom Reinen Land), an·ge·sehen und ver·ehrt. Der Glaube an Amida und sein para·die·sisches Land im Westen existierte also, wie wir auch den zahl·reichen ikono·graphi·schen Dar·stel·lungen Amidas ent·nehmen können, bereits vor Hōnen und blieb auch nach der Entstehung der Jōdo-shū bud·dhis·tisches All·ge·mein·gut in Japan. Die Ami·disten im engeren Sinne unter·scheiden sich nur durch die Aus·schließ·lich·keit, mit der sie sich Amida zuwenden, von anderen japani·schen Buddhisten.
+
Erst der Tendai-Mönch {{g|hounen}} (1133–1212), der diese Praxis in diversen theo·retischen Schriften erklärte, wird aller·dings als Begrün·der einer eigenen Schule, der {{g|joudoshuu}} (Buddhismus vom Reinen Land), an·ge·sehen und ver·ehrt. Der Glaube an Amida und sein para·die·sisches Land im Westen existierte also, wie wir auch den zahl·reichen ikono·graphi·schen Dar·stel·lungen Amidas ent·nehmen können, bereits vor Hōnen und blieb auch nach der Entstehung der Jōdo-shū bud·dhis·tisches All·ge·mein·gut in Japan. Die Ami·disten im engeren Sinne unter·scheiden sich nur durch die Aus·schließ·lich·keit, mit der sie sich Amida zuwenden, von anderen japani·schen Buddhisten.
  
 
{{Floatright
 
{{Floatright
Zeile 58: Zeile 58:
 
| ref= 1
 
| ref= 1
 
}}
 
}}
{{glossar:shinran}} (1173–1262), ein Schüler Hōnens, trieb die Kon·zep·tion des sün·digen Menschen, der lediglich durch Amidas „andere Kraft“ ins Reine Land eingeht, soweit, dass es bisweilen scheint, Sünder seien gerade·zu die prä·desti·nierten Subjekte der Wieder·geburt im Reinen Land. Er leugnete, dass die Ein·haltung der tradi·tionellen Mönchs·disziplin irgend·einen spiri·tuellen Vorteil brächte, und war der erste Mönch von Rang, der den bereits weit·gehend obsolet gewor·denen Zölibat öffent·lich zurück·wies und heiratete. Dies führte dazu, dass die sich auf Shinran zurück·führende {{glossar:joudoshinshuu}} stets von seinen leib·lichen Nach·kommen angeführt wurde. In späterer Zeit ent·wickelte sich die Jōdo Shinshū zur zahlen·mäßig stärksten Richtung des japani·schen Bud·dhismus und ist dies bis heute ge·blieben. Das Zentrum der Jōdo Shinshū sind die beiden Tempel {{Glossar:Nishihonganji}} und {{Glossar:Higashihonganji}} in Kyōto. Das Wort {{glossar:hongan}}, von dem sich diese Tempel·namen ableiten, be·zeichnet das Gelübde Amidas, auf das sich die Ami·disten berufen.
+
{{g|shinran}} (1173–1262), ein Schüler Hōnens, trieb die Kon·zep·tion des sün·digen Menschen, der lediglich durch Amidas „andere Kraft“ ins Reine Land eingeht, soweit, dass es bisweilen scheint, Sünder seien gerade·zu die prä·desti·nierten Subjekte der Wieder·geburt im Reinen Land. Er leugnete, dass die Ein·haltung der tradi·tionellen Mönchs·disziplin irgend·einen spiri·tuellen Vorteil brächte, und war der erste Mönch von Rang, der den bereits weit·gehend obsolet gewor·denen Zölibat öffent·lich zurück·wies und heiratete. Dies führte dazu, dass die sich auf Shinran zurück·führende {{g|joudoshinshuu}} stets von seinen leib·lichen Nach·kommen angeführt wurde. In späterer Zeit ent·wickelte sich die Jōdo Shinshū zur zahlen·mäßig stärksten Richtung des japani·schen Bud·dhismus und ist dies bis heute ge·blieben. Das Zentrum der Jōdo Shinshū sind die beiden Tempel {{Glossar:Nishihonganji}} und {{Glossar:Higashihonganji}} in Kyōto. Das Wort {{g|hongan}}, von dem sich diese Tempel·namen ableiten, be·zeichnet das Gelübde Amidas, auf das sich die Ami·disten berufen.
  
 
==Die religionsgeschichtliche Bedeutung des Amidaglaubens==
 
==Die religionsgeschichtliche Bedeutung des Amidaglaubens==
Zeile 64: Zeile 64:
 
Obwohl Hōnen und Shinran heute als Gründer·väter von Jōdo-shū, bzw. Jōdo Shin-shū gelten, hat sich die Heraus·bildung dieser Rich·tungen histo·risch nicht mit einem Schlag ergeben. Hōnen und Shinran sind viel·mehr die wichtigsten Ver·treter einer ganzen Reihe von ja·pa·nischen Mönchen, die der bereits in der Heian-Zeit ein·setzenden Breiten·wirkung des Amida·glaubens einen theo·retischen Rahmen zu geben ver·suchten.
 
Obwohl Hōnen und Shinran heute als Gründer·väter von Jōdo-shū, bzw. Jōdo Shin-shū gelten, hat sich die Heraus·bildung dieser Rich·tungen histo·risch nicht mit einem Schlag ergeben. Hōnen und Shinran sind viel·mehr die wichtigsten Ver·treter einer ganzen Reihe von ja·pa·nischen Mönchen, die der bereits in der Heian-Zeit ein·setzenden Breiten·wirkung des Amida·glaubens einen theo·retischen Rahmen zu geben ver·suchten.
  
Schon Ende der Heian-Zeit wurde die soziale Spreng·kraft des radi·kalen Amidismus sichtbar. Indem er im Prinzip jedem er·mö·glichte, sich erleuchtet und damit über alle kon·ventio·nellen Wert·vor·stellungen er·haben zu fühlen, brachte er eine Reihe volks·tribun·artiger Führer hervor, die die breite Be·völke·rung gegen die eta·blierte geist·liche und welt·liche Ordnung auf·rührten. Radikale Amidisten wurden daher schon früh selbst inner·halb des sonst so toleranten Bud·dhis·mus mit den schärfsten Re·pres·sionen bedroht. Wer selbst nicht bereit war, den Plura·lismus der etablierten Schulen zu teilen, dem wurde auch selbst keine Toleranz mehr zuteil (s. dazu Einführung, [[Grundbegriffe/Buddhismus_Lehre | Buddhismus]]). Die radikalen Amidisten wurden im Mittel·alter kollektiv als {{glossar:ikkoushuu}} („Schule der Einen Richtung“) bezeichnet, was ungefähr soviel wie „Fanatiker“, „Extremisten“ be·deutet haben muss und als ab·fällige Be·zeich·nung galt. Erst in späterer Zeit setzte sich die Be·zeich·nung Jōdo Shinshū für diese Richtung durch.
+
Schon Ende der Heian-Zeit wurde die soziale Spreng·kraft des radi·kalen Amidismus sichtbar. Indem er im Prinzip jedem er·mö·glichte, sich erleuchtet und damit über alle kon·ventio·nellen Wert·vor·stellungen er·haben zu fühlen, brachte er eine Reihe volks·tribun·artiger Führer hervor, die die breite Be·völke·rung gegen die eta·blierte geist·liche und welt·liche Ordnung auf·rührten. Radikale Amidisten wurden daher schon früh selbst inner·halb des sonst so toleranten Bud·dhis·mus mit den schärfsten Re·pres·sionen bedroht. Wer selbst nicht bereit war, den Plura·lismus der etablierten Schulen zu teilen, dem wurde auch selbst keine Toleranz mehr zuteil (s. dazu Einführung, [[Grundbegriffe/Buddhismus_Lehre | Buddhismus]]). Die radikalen Amidisten wurden im Mittel·alter kollektiv als {{g|ikkoushuu}} („Schule der Einen Richtung“) bezeichnet, was ungefähr soviel wie „Fanatiker“, „Extremisten“ be·deutet haben muss und als ab·fällige Be·zeich·nung galt. Erst in späterer Zeit setzte sich die Be·zeich·nung Jōdo Shinshū für diese Richtung durch.
  
 
{{w500
 
{{w500
Zeile 73: Zeile 73:
 
Hōnen und Shinran standen den politischen Aus·wir·kungen ihres Glaubens offen·bar ambi·valent gegen·über. Sie betonten immer wieder, dass der Glaube an Amidas „andere Kraft“ (''tariki'') nicht zum Hoch·mut führen dürfe, dass man auch denen, die ''jiriki'' prakti·zierten, Respekt zollen müsse. Sie mahnten also ihre An·hänger zur Mäßigung. Wie weit diese Mah·nungen bloße Lippen·be·kennt·nisse aus Furcht vor Re·pres·sionen waren, ist schwer zu sagen. Jeden·falls waren beide, Hōnen und Shinran, selbst Opfer von Ver·fol·gungen und mussten zeit·weilig ins Exil. Viele ihrer Anhänger wurden wegen ihres Glaubens hingerichtet.
 
Hōnen und Shinran standen den politischen Aus·wir·kungen ihres Glaubens offen·bar ambi·valent gegen·über. Sie betonten immer wieder, dass der Glaube an Amidas „andere Kraft“ (''tariki'') nicht zum Hoch·mut führen dürfe, dass man auch denen, die ''jiriki'' prakti·zierten, Respekt zollen müsse. Sie mahnten also ihre An·hänger zur Mäßigung. Wie weit diese Mah·nungen bloße Lippen·be·kennt·nisse aus Furcht vor Re·pres·sionen waren, ist schwer zu sagen. Jeden·falls waren beide, Hōnen und Shinran, selbst Opfer von Ver·fol·gungen und mussten zeit·weilig ins Exil. Viele ihrer Anhänger wurden wegen ihres Glaubens hingerichtet.
  
Es gab also auf der einen Seite Theoretiker wie Hōnen und Shinran, die sich bemühten, dem Amidismus im Rahmen des etablierten Bud·dhis·mus (= die {{glossar:nara}} Schulen, sowie Tendai und Shingon Buddhismus) einen Platz zu schaffen, und auf der anderen Seite Agitatoren, für die der Amidis·mus eher eine politische Be·freiungs·ideo·logie darstellte. In dieser Kategorie von Amidisten fanden sich aus·ge·beutete Bauern und der niedere Land·adel zu·sammen, um gegen die Zwänge der feudalen Adels·gesell·schaft zu revoltieren. Besonders die {{glossar:muromachi}}-Zeit ist geprägt von den so·ge·nannten {{glossar:ikkouikki}} (Ikkō Aufständen), die von einer zu·nehmend organisierten religiösen An·hänger·schaft getragen waren. Die Stärke dieser späteren Jōdo Shinshū lag darin, dass sie imstande war, in Laien ein religiös motiviertes Ge·mein·schafts·gefühl zu ent·wickeln und sie straff zu orga·ni·sieren. Ihre ökonomische Basis bezog sie aus einer Art all·gemeiner Kirchen·steuer, im Gegen·satz zum Pacht·wesen der etablierten Klöster. Es war eine „grassroot-organization“ mit teil·weise egalitären Grund·sätzen, in der kaum ein Unter·schied zwischen Laien und Klerus existierte.
+
Es gab also auf der einen Seite Theoretiker wie Hōnen und Shinran, die sich bemühten, dem Amidismus im Rahmen des etablierten Bud·dhis·mus (= die {{g|nara}} Schulen, sowie Tendai und Shingon Buddhismus) einen Platz zu schaffen, und auf der anderen Seite Agitatoren, für die der Amidis·mus eher eine politische Be·freiungs·ideo·logie darstellte. In dieser Kategorie von Amidisten fanden sich aus·ge·beutete Bauern und der niedere Land·adel zu·sammen, um gegen die Zwänge der feudalen Adels·gesell·schaft zu revoltieren. Besonders die {{g|muromachi}}-Zeit ist geprägt von den so·ge·nannten {{g|ikkouikki}} (Ikkō Aufständen), die von einer zu·nehmend organisierten religiösen An·hänger·schaft getragen waren. Die Stärke dieser späteren Jōdo Shinshū lag darin, dass sie imstande war, in Laien ein religiös motiviertes Ge·mein·schafts·gefühl zu ent·wickeln und sie straff zu orga·ni·sieren. Ihre ökonomische Basis bezog sie aus einer Art all·gemeiner Kirchen·steuer, im Gegen·satz zum Pacht·wesen der etablierten Klöster. Es war eine „grassroot-organization“ mit teil·weise egalitären Grund·sätzen, in der kaum ein Unter·schied zwischen Laien und Klerus existierte.
  
 
{{Floatleft
 
{{Floatleft
Zeile 83: Zeile 83:
 
| ref= 1
 
| ref= 1
 
}}
 
}}
Obwohl sowohl Hōnen als auch Shinran stets bestritten, eigene bud·dhis·tische Richtungen be·gründen zu wollen, bildeten sich Schüler·gruppen heraus, die ihre Lehren weiter·tradierten, Tempel gründeten und so die Konturen einer eigenen bud·dhis·tischen Richtung schufen. {{glossar:rennyo}} (1415-99), einem direkten Nachfahren Shinrans, gelang es schließ·lich, sich und seinen Familien·tempel {{Glossar:Honganji}} als spirituelles und politisches Zentrum der Ikkō-shū zu etablieren. Dank der orga·ni·sato·rischen Stärke der Amidisten, kon·trol·lierten Rennyos Nach·folger im sech·zehnten Jahr·hundert ganze Land·striche und ver·wandelten Teile des politisch zer·splitterten Japan tat·sächlich in so etwas wie einen bud·dhis·tischen Gottes·staat. Die Ikkō-Bewegung schreckte auch keines·wegs vor Waffen·gewalt zurück, im Gegen·teil sie konnte es auch auf milit·ärischem Gebiet mit fast jedem Regional·fürst ({{Glossar:Daimyou}}) auf·nehmen. Erst {{glossar:odanobunaga}} und {{glossar:toyotomihideyoshi}}, die mit bis dahin un·gesehener Bruta·lität gegen religiöse Insti·tutionen vorgingen, be·rei·teten der politischen Herr·schaft der Ikkō-shū ein Ende (siehe [[Geschichte/Reichseinigung | Reichseinigung]]). Unter {{glossar:tokugawaieyasu}} wurde die mittler·weile moderat gewordene Sekte unter der Be·zeich·nung Jōdo Shinshū als offizielle bud·dhis·tische Richtung an·er·kannt, doch sorgte Ieyasu dafür, dass sie sich in zwei rivalisierende Gruppen (Nishi Hongan-ji und Higashi Hongan-ji) auf·spaltete und damit jeden Rest ihres rebellischen Potentials verlor. Ieyasu selbst gehörte im übrigen der sich auf Hōnen be·rufenden Jōdo-shū an, die in jeder Hinsicht moderater und mehr dem traditionellen Bud·dhis·mus ver·pflichtet war, als Shinrans Gefolge. Wie Ieyasu ge·hörten auch die meisten anderen Krieger·familien des Spät·mittel·alters und der Frühen Neu·zeit der Jōdo-shū (und nicht dem Zen-Buddhismus) an.  
+
Obwohl sowohl Hōnen als auch Shinran stets bestritten, eigene bud·dhis·tische Richtungen be·gründen zu wollen, bildeten sich Schüler·gruppen heraus, die ihre Lehren weiter·tradierten, Tempel gründeten und so die Konturen einer eigenen bud·dhis·tischen Richtung schufen. {{g|rennyo}} (1415-99), einem direkten Nachfahren Shinrans, gelang es schließ·lich, sich und seinen Familien·tempel {{Glossar:Honganji}} als spirituelles und politisches Zentrum der Ikkō-shū zu etablieren. Dank der orga·ni·sato·rischen Stärke der Amidisten, kon·trol·lierten Rennyos Nach·folger im sech·zehnten Jahr·hundert ganze Land·striche und ver·wandelten Teile des politisch zer·splitterten Japan tat·sächlich in so etwas wie einen bud·dhis·tischen Gottes·staat. Die Ikkō-Bewegung schreckte auch keines·wegs vor Waffen·gewalt zurück, im Gegen·teil sie konnte es auch auf milit·ärischem Gebiet mit fast jedem Regional·fürst ({{Glossar:Daimyou}}) auf·nehmen. Erst {{g|odanobunaga}} und {{g|toyotomihideyoshi}}, die mit bis dahin un·gesehener Bruta·lität gegen religiöse Insti·tutionen vorgingen, be·rei·teten der politischen Herr·schaft der Ikkō-shū ein Ende (siehe [[Geschichte/Reichseinigung | Reichseinigung]]). Unter {{g|tokugawaieyasu}} wurde die mittler·weile moderat gewordene Sekte unter der Be·zeich·nung Jōdo Shinshū als offizielle bud·dhis·tische Richtung an·er·kannt, doch sorgte Ieyasu dafür, dass sie sich in zwei rivalisierende Gruppen (Nishi Hongan-ji und Higashi Hongan-ji) auf·spaltete und damit jeden Rest ihres rebellischen Potentials verlor. Ieyasu selbst gehörte im übrigen der sich auf Hōnen be·rufenden Jōdo-shū an, die in jeder Hinsicht moderater und mehr dem traditionellen Bud·dhis·mus ver·pflichtet war, als Shinrans Gefolge. Wie Ieyasu ge·hörten auch die meisten anderen Krieger·familien des Spät·mittel·alters und der Frühen Neu·zeit der Jōdo-shū (und nicht dem Zen-Buddhismus) an.  
  
Es gab im übrigen innerhalb des Amidismus noch weitere Spiel·arten. Die Anhänger {{g|Ippen|Ippens}} bildeten die {{g|jishuu|Ji-shū}}, die be·sonders unter Künstlern und Schau·stellern be·liebt war und der wahr·scheinlich auch die frühen Nō-Schauspieler angehörten. (Darauf deuten u.a. Namen wie Kan-ami, Ze-ami und On-ami hin; -ami steht für „Amida“.) Auch scheint das Ideal des Toten·bett-''nenbutsu'' auch außer·halb amidistischer Sekten Gel·tung gehabt zu haben. Eine kursorische Lektüre von mittel·alterlichen Krieger·epen wie z.B. dem {{glossar:heikemonogatari}} zeigt, dass praktisch jeder fromme Laie im japanischen Mittelalter das ''nenbutsu'' zu seinen religiösen Praxis·formen zählte. Insbesondere Frauen scheinen sich von dieser Form des Bud·dhis·mus an·ge·sprochen gefühlt zu haben.
+
Es gab im übrigen innerhalb des Amidismus noch weitere Spiel·arten. Die Anhänger {{g|Ippen|Ippens}} bildeten die {{g|jishuu|Ji-shū}}, die be·sonders unter Künstlern und Schau·stellern be·liebt war und der wahr·scheinlich auch die frühen Nō-Schauspieler angehörten. (Darauf deuten u.a. Namen wie Kan-ami, Ze-ami und On-ami hin; -ami steht für „Amida“.) Auch scheint das Ideal des Toten·bett-''nenbutsu'' auch außer·halb amidistischer Sekten Gel·tung gehabt zu haben. Eine kursorische Lektüre von mittel·alterlichen Krieger·epen wie z.B. dem {{g|heikemonogatari}} zeigt, dass praktisch jeder fromme Laie im japanischen Mittelalter das ''nenbutsu'' zu seinen religiösen Praxis·formen zählte. Insbesondere Frauen scheinen sich von dieser Form des Bud·dhis·mus an·ge·sprochen gefühlt zu haben.
  
 
{{verweise  
 
{{verweise  

Version vom 19. Mai 2020, 13:43 Uhr

Achtung: Sie sehen eine veraltete Version von https://religion-in-japan.univie.ac.at/Handbuch/Geschichte/Amidismus.

Amidismus, der Buddhismus des Reinen Landes

Achtung: Sie sehen eine veraltete Version von https://religion-in-japan.univie.ac.at/Handbuch/Geschichte/Amidismus.

Der Buddhismus [Buddha (skt.) बुद्ध „Der Erleuchtete“ (jap. butsu, hotoke 仏 oder Budda 仏陀)] vom Reinen Land ist die be·deu·tendste Re·form·be·wegung des japanischen Mittel·alters. Er besteht aus einer radikalen Ver·ein·fachung der religiösen Praxis und aus der Kon·zentration auf ein paar wenige Glaubens·inhalte. Im Zentrum steht der Glaube an Amida (Buddha Amitābha [Amitābha (skt.) अमिताभ „Unermesslicher Glanz“ (jap. Amida 阿弥陀)]) und sein Reines Land [jōdo (jap.) 浄土 Reines Land, buddhistisches Paradies; auch gokuraku, Sukhavati], eine Art Vorstufe des Nirvana. Die Re·form·bewegung hat ihre Wurzeln im Tendai [Tendai-shū (jap.) 天台宗 Tendai-Schule, chin. Tiantai] Bud·dhis·mus und reicht bis Mitte der Heian [Heian (jap.) 平安 auch Heian-kyō 平安京, „Stadt des Friedens“; politisches Zentrum 794–1185 (= Heian-Zeit)]-Zeit zurück. Im Laufe der Kamakura [Kamakura (jap.) 鎌倉 Stadt im Süden der Kantō Ebene, Sitz des Minamoto Shōgunats 1185–1333 (= Kamakura-Zeit)]-Zeit schlossen sich ihre Anhänger, die sog. Amidisten, zu ver·schiedenen häretischen Sekten (also Sekten, die nicht als recht·gläubig aner·kannt werden) zusammen. Auch wenn diese Sekten alle ein wenig unter·schied·lich aus·ge·richtet sind, kon·zen·triert sich ihr Glaube jeweils auf die gleichen Haupt·texte und auf ähn·liche religiöse Praktiken. Sie zielen noch stärker, als dies im Mahayana [Mahāyāna (skt.) महायान „Großes Fahrzeug“, buddhistische Richtung (jap. daijō bukkyō 大乗)] Buddhismus zuvor der Fall war, auf Laien·gläubige ab, die im gewöhn·lichen Alltags·leben stehen und dennoch ein Ver·langen nach bud·dhis·tischer Erlösung ver·spüren. Diese Hin·wendung zu den Laien hat wohl auch in anderen Ländern zu Erfolgen des Reinen Land Glaubens geführt, doch hat sich daraus wohl nirgends eine so starke ge·sell·schaft·liche Kraft entwickelt wie im mittel·alter·lichen Japan.

Theorie und Praxis

Vorlage:Sidebox3

Im Zentrum des Amida Glaubens stehen drei Sutren [sūtra (skt.) सूत्र „Faden“, Lehrrede des Buddha, kanonische Schrift (jap. kyō 経 oder kyōten 経典)], das Große Amitabha Sutra (jap. Muryōju-kyō [Muryōju-kyō (jap.) 無量寿経 Großes Amida Sutra]), das Kleine Amitabha Sutra (jap. Amida-kyō [Amida-kyō (jap.) 阿弥陀経 Kleines Amida Sutra; wichtiger Text des Jōdo Buddhismus]) und das sog. Meditations-Sutra (jap. Kanmuryōju-kyō [Kanmuryōju-kyō (jap.) 観無量寿経 Meditations Sutra (wtl. „Sutra der Meditation über [den Buddha] des unbegrenzten Lebens“), ein elementarer Text des Amidismus]), die teilweise aus dem Indien des zweiten Jahr·hunderts unserer Zeit·rech·nung stammen. Im Kern geht es darin um Amida [Amida (jap.) 阿弥陀 Buddha Amitabha; Hauptbuddha der Schulen des Reinen Landes (Jōdo-shū bzw. Jōdo Shinshū)] (skt.

Amitābha अमिताभ (skt., m.)

„Unermesslicher Glanz“ (jap. Amida 阿弥陀)

Der Begriff „Amitabha“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:

Glossarseiten

Bilder

  • Kamakuradaibutsu face.jpg
  • Kamakura Daibutsu.jpg
  • Kamakura daibutsu beato.jpg
  • Dabutsu back.jpg
  • Mudra kamakuradaibutsu.jpg
  • Kamakura daibutsu2008.jpg
  • Ushiku daibutsu.jpg
  • Daibutsu head2.jpg
  • Kamakura daibutsu morgen.jpg

), der vor un·zähligen Erd·zeit·altern ein Prinz war, der Welt ent·sagte und ver·schiedene Gelübde tat, für den Fall dass er einst die Buddha·schaft erreichen würde (nicht zufällig ent·hält diese Erzählung Parallelen zur Biografie Buddha Shakyamunis [Shaka (jap.) 釈迦 Buddha Shakyamuni, der historische Buddha; auch Shaka Nyorai], aber Amida lebte nach bud·dhis·tischer Auf·fas·sung viel früher). Amida schwor, ein „Reines Land“ (skt. Sukhavati [Sukhāvatī (skt.) सुखावती „Reines Land“, buddhistisches Paradies (jap. jōdo 浄土)], jap. jōdo [jōdo (jap.) 浄土 Reines Land, buddhistisches Paradies; auch gokuraku, Sukhavati]) im Westen zu er·rich·ten und dorthin alle diejenigen zu „erretten“, die an ihn glauben.

Aus dem Reinen Land Amidas entwickelten sich Vor·stellungen, die stark an das Paradies der mono·theis·tischen Reli·gionen erinnern (s. dazu auch Jenseitsvorstellungen). Dieser (im Unterschied zum Nirvana [Nirvāṇa (skt.) निर्वाण „Erloschen, ausgelöscht“, Ort der Erlösung von allem Leid, absolutes Jenseits (jap. Nehan 涅槃)]) konkret fassbare Ort der Hoffnung war wahr·scheinlich ein ent·scheidender Faktor für die Breiten·wirkung des Amida-Glaubens. Die wichtigste Vor·aus·setzung, um ins Reine Land zu kommen ist der be·dingungs·lose „Glaube“ an Amida. Inner·halb des Amidismus existieren jedoch unter·schied·liche Auf·fassungen, worin sich der für die Er·rettung ins Reine Land not·wendige Glaube mani·festiert.

Nenbutsu

In Japan wurde vor allem die An·ru·fung von Amidas Namen als erfolg·ver·spre·chende Praxis ange·sehen, um ins Reine Land zu ge·langen. Man be·zeichnet diese Praxis als nenbutsu [nenbutsu (jap.) 念仏 Anrufung des Namens von Buddha Amida, Gebetsformel der Amida-Anhänger] (wtl. „Einge·denk·sein Buddhas“). Das nenbutsu äußert sich im Aus·sprechen der Formel namu amida butsu [namu amida butsu (jap.) 南無阿弥陀仏 in etwa: „Gelobt sei Buddha Amida“; Gebetsformel im Buddhismus des Reinen Landes] (in etwa: „Gelobt sei Buddha Amida“). Manche Rich·tun·gen des Amida Bud·dhis·mus setzten auf Quantität (tausend nenbutsu pro Tag), andere auf Qualität (ein nenbutsu, aber das im rich·tigen Glauben), es gab kollektive nenbutsu Gesänge und Tänze sowie das so·ge·nannte Toten·bett-nenbutsu, das für viele den ent·schei·denen Aus·schlag für die „Errettung“ im Jenseits darstellte.

Kuya kosho.jpg
1 Kūya's nenbutsu
Kūya (903-72), ein Wanderprediger und Amida-Verehrer des 10.Jhs., beim Intonieren des nenbutsu, das sich in Form von sechs Buddha-Statuen manifestiert. Der Bildhauer stammt aus der Kei-Schule und war ein Sohn des berühmten Unkei.
Werk von Kōshō. 13. Jh. Rokuharamitsu-ji.
Kuya closeup.jpg
2 Kūya, Detail
Die sechs Zeichen des nenbutsu (Na-mu-A-mi-da-butsu) verwandeln sich in Kūyas Mund zu einzelnen Buddhas.
Werk von Kōshō. 13. Jh. Uncyclopedia, Wiki (jp.).

Einer der Pioniere des nenbutsu-Glaubens war der Heian-zeitliche Mönch Kūya [Kūya (jap.) 空也 Wanderprediger des 10. Jh.s], der das nenbutsu into·nierend durch die Lande zog und den ein·fachen Men·schen von der Gnade Amidas er·zählte. Er soll auch die Praxis des kollek·tiven nenbutsu-Tanzes ini·tiert haben und wurde zum Vorbild einer be·stimm·ten Form von ami·dis·tischen Wander·predigern, die sich später zur Ji-Sekte [Ji-shū (jap.) 時宗 Amida-Schulrichtung aus der Kamakura-Zeit, gegründet von Ippen] zusam·men·schlossen.

Tariki, die „andere Kraft“

So einfach die Doktrin des Amidismus klingen mag, ihre japanischen Ver·fechter gehörten nicht nur zu den ge·lehrtesten Mönchen ihrer Zeit, sie schufen auch eine theo·logisch fun·dierte Be·grün·dung ihrer Be·vor·zugung des nenbutsu. Diese Be·grün·dung steht mit der bereits er·wähnten Vor·stellung des Nieder·gangs, bzw. der „Endzeit des Gesetzes“ (mappō [mappō (jap.) 末法 Endzeit des Dharma]) in Zu·sammen·hang (s. Heian-Zeit). Dieser Nieder·gang be·dingt nach Ansicht der Amidisten, dass an·spruchs·volle Mittel zur Er·lan·gung der Er·leuch·tung, wie sie aus den Leb·zeiten des his·tori·schen Buddha berichtet werden (Meditation, Verständnis der Lehre, Askese, usw.), nicht mehr ziel·führend sind, da die Menschen ihnen nicht mehr ge·wachsen sind. Den spiri·tuell kraftlos ge·wordenen Menschen bliebe nur noch die Möglichkeit, auf das Mitleid Amidas zu ver·trauen. Die Er·leuch·tung aus eigenen Kräften er·reichen zu wollen, kritisierten die Amidisten als An·maßung. Im Zu·sammen·hang mit den früheren an·spruchs·vollen Methoden, die Er·leuchtung zu er·langen, sprechen die Amidisten von jiriki [jiriki (jap.) 自力 wtl. eigene Kraft; buddhistisches Konzept] (eigener Kraft). Jiriki ist aber in der Endzeit nicht mehr mög·lich. Statt·dessen ge·währt Amida tariki [tariki (jap.) 他力 andere Kraft (helfende Kraft Amidas)] (andere Kraft), d.h. Erlösung ohne vor·her·gehende voll·kommene Einsicht, und ohne be·sondere (meditative, asketische) Techniken oder Studien. Wer sich voll Ver·trauen auf die „andere Kraft“ Amidas ver·lässt, wird in seinem Reinen Land wieder·ge·boren, egal wie weit sein Lebens·weg auch von kon·ven·tio·nellen Moral·vor·stellungen ent·fernt ist.

Die Einschätzung des Menschen als fun·damen·tal unwissendes, zur Er·leuch·tung un·fähiges (=sündhaftes) Wesen und die Be·tonung der Gnade einer höheren Macht als einziger Hoffnung ist häufig mit der Theologie Martin Luthers [Luther, Martin (west.) 1483–1546; christlicher Priester und Theologe; bedeutendster Vertreter der protestantischen Reformation im deutschspr. Raum] ver·glichen worden. In beiden Fällen gab wahr·schein·lich die Kritik am über·trieben kom·pli·zierten Lehr·ge·bäude und am leeren Formalis·mus der etablierten religiösen Eliten den Ausschlag für die Suche nach einer einfachen, direkten Form der Frömmig·keit. In beiden Fällen führte diese Lehre nicht nur zu theo·logischen, sondern auch zu sozialen Re·form·be·we·gungen, die teils einen anderen Verlauf nahmen, als dies von ihren Gründern vorgesehen war.

Japanische Gründerväter

In Japan gab es schon in der Heian-Zeit viele Mönche, die die Nen·nung von Amidas Namen (nenbutsu) als besonders erfolg·ver·spre·chende Übung praktizierten und Gleich·gesinnte um sich scharten, z.B. den Wan·der·prediger Kūya (s. oben).

Honen chionin2.jpg
3 Hōnen
Portrait des Mönchs Hōnen (1133–1212), des Begründers der Jōdo-shū.
Werk von Fujiwara no Takanobu (1142–1205). Kamakura-Zeit. Bildquelle: Unbekannt.

Erst der Tendai-Mönch Hōnen [Hōnen (jap.) 法然 1133–1212; Gründer der Jōdo-shū, der Schule vom Reinen Land] (1133–1212), der diese Praxis in diversen theo·retischen Schriften erklärte, wird aller·dings als Begrün·der einer eigenen Schule, der Jōdo-shū [Jōdo-shū (jap.) 浄土宗 Schule des Amida-Buddhismus] (Buddhismus vom Reinen Land), an·ge·sehen und ver·ehrt. Der Glaube an Amida und sein para·die·sisches Land im Westen existierte also, wie wir auch den zahl·reichen ikono·graphi·schen Dar·stel·lungen Amidas ent·nehmen können, bereits vor Hōnen und blieb auch nach der Entstehung der Jōdo-shū bud·dhis·tisches All·ge·mein·gut in Japan. Die Ami·disten im engeren Sinne unter·scheiden sich nur durch die Aus·schließ·lich·keit, mit der sie sich Amida zuwenden, von anderen japani·schen Buddhisten.

Shinran narahaku.jpg
4 Shinran
Der Ordensgründer Shinran (1173–1262) trägt hier ein schwarzes kesa, eine Gebetskette und eine zum Schal gefalteten Mönchskapuze (mōsu).
Werk von Jōga. Kamakura-Zeit, 13.-14. Jh. Nara National Museum, Sasaki Shigeki, 2019.

Shinran [Shinran (jap.) 親鸞 1173–1262; Gründer der Jōdo Shin-Schule] (1173–1262), ein Schüler Hōnens, trieb die Kon·zep·tion des sün·digen Menschen, der lediglich durch Amidas „andere Kraft“ ins Reine Land eingeht, soweit, dass es bisweilen scheint, Sünder seien gerade·zu die prä·desti·nierten Subjekte der Wieder·geburt im Reinen Land. Er leugnete, dass die Ein·haltung der tradi·tionellen Mönchs·disziplin irgend·einen spiri·tuellen Vorteil brächte, und war der erste Mönch von Rang, der den bereits weit·gehend obsolet gewor·denen Zölibat öffent·lich zurück·wies und heiratete. Dies führte dazu, dass die sich auf Shinran zurück·führende Jōdo Shinshū [Jōdo Shinshū (jap.) 浄土真宗 Shin-Buddhismus, bzw. Jōdo Shin-Buddhismus; wtl. „Wahre Schule des Reinen Landes“] stets von seinen leib·lichen Nach·kommen angeführt wurde. In späterer Zeit ent·wickelte sich die Jōdo Shinshū zur zahlen·mäßig stärksten Richtung des japani·schen Bud·dhismus und ist dies bis heute ge·blieben. Das Zentrum der Jōdo Shinshū sind die beiden Tempel

Nishi Hongan-ji 西本願寺 (jap.)

Westlicher Hongan-Tempel in Kyōto; Haupttempel der Honganji-Linie des Jōdo-Shin Buddhismus; s.a. Östlicher Hongan-Tempel (Higashi Hongan-ji)

Tempel

Der Begriff „Nishi Hongan-ji“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:

Glossarseiten

Bilder

  • Shishi nishihonganji.jpg

Geographische Lage

Die Karte wird geladen …
Geographische Lage von Nishi Hongan-ji; s.a. Geo-Glossar

und

Higashi Hongan-ji 東本願寺 (jap.)

Östlicher Hongan-Tempel in Kyōto; Haupttempel der Ōtani-Linie des Jōdo-Shin Buddhismus; s.a. Westlicher Hongan-Tempel (Nishi Hongan-ji)

Tempel

Der Begriff „Higashi Hongan-ji“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:

Glossarseiten

Bilder

  • Goeido higashi honganji.jpg

Geographische Lage

Die Karte wird geladen …
Geographische Lage von Higashi Hongan-ji; s.a. Geo-Glossar
in Kyōto. Das Wort hongan [hongan  (jap.) 本願 „Ureid“; zumeist Gelübde des Buddha Amida, alle Lebewesen zu retten], von dem sich diese Tempel·namen ableiten, be·zeichnet das Gelübde Amidas, auf das sich die Ami·disten berufen.

Die religionsgeschichtliche Bedeutung des Amidaglaubens

Obwohl Hōnen und Shinran heute als Gründer·väter von Jōdo-shū, bzw. Jōdo Shin-shū gelten, hat sich die Heraus·bildung dieser Rich·tungen histo·risch nicht mit einem Schlag ergeben. Hōnen und Shinran sind viel·mehr die wichtigsten Ver·treter einer ganzen Reihe von ja·pa·nischen Mönchen, die der bereits in der Heian-Zeit ein·setzenden Breiten·wirkung des Amida·glaubens einen theo·retischen Rahmen zu geben ver·suchten.

Schon Ende der Heian-Zeit wurde die soziale Spreng·kraft des radi·kalen Amidismus sichtbar. Indem er im Prinzip jedem er·mö·glichte, sich erleuchtet und damit über alle kon·ventio·nellen Wert·vor·stellungen er·haben zu fühlen, brachte er eine Reihe volks·tribun·artiger Führer hervor, die die breite Be·völke·rung gegen die eta·blierte geist·liche und welt·liche Ordnung auf·rührten. Radikale Amidisten wurden daher schon früh selbst inner·halb des sonst so toleranten Bud·dhis·mus mit den schärfsten Re·pres·sionen bedroht. Wer selbst nicht bereit war, den Plura·lismus der etablierten Schulen zu teilen, dem wurde auch selbst keine Toleranz mehr zuteil (s. dazu Einführung, Buddhismus). Die radikalen Amidisten wurden im Mittel·alter kollektiv als Ikkō-shū [Ikkō-shū (jap.) 一向宗 Ikkō Sekte, eine Fraktion des Buddhismus vom Reinen Land ( Jōdo-shū)] („Schule der Einen Richtung“) bezeichnet, was ungefähr soviel wie „Fanatiker“, „Extremisten“ be·deutet haben muss und als ab·fällige Be·zeich·nung galt. Erst in späterer Zeit setzte sich die Be·zeich·nung Jōdo Shinshū für diese Richtung durch.

Honen predigt2.jpg
5 Hōnen spricht zu einer Zuhörerschaft aus einfachen Leuten
Hōnen spricht zu einer gemischten Zuhörerschaft aus niederrangigen Mönchen und Nonnen, sowie Männern und Frauen in Alltagsgewand. Er geht dabei ganz offensichtlich auf deren individuelle Fragen ein.
Kamakura-Zeit. Bildquelle: Makura no sōshi, (Blog), über Internet Archive.

Hōnen und Shinran standen den politischen Aus·wir·kungen ihres Glaubens offen·bar ambi·valent gegen·über. Sie betonten immer wieder, dass der Glaube an Amidas „andere Kraft“ (tariki) nicht zum Hoch·mut führen dürfe, dass man auch denen, die jiriki prakti·zierten, Respekt zollen müsse. Sie mahnten also ihre An·hänger zur Mäßigung. Wie weit diese Mah·nungen bloße Lippen·be·kennt·nisse aus Furcht vor Re·pres·sionen waren, ist schwer zu sagen. Jeden·falls waren beide, Hōnen und Shinran, selbst Opfer von Ver·fol·gungen und mussten zeit·weilig ins Exil. Viele ihrer Anhänger wurden wegen ihres Glaubens hingerichtet.

Es gab also auf der einen Seite Theoretiker wie Hōnen und Shinran, die sich bemühten, dem Amidismus im Rahmen des etablierten Bud·dhis·mus (= die Nara [Nara (jap.) 奈良 Hauptstadt und Sitz des Tennō, 710–784 (= Nara-Zeit); auch: Heijō-kyō] Schulen, sowie Tendai und Shingon Buddhismus) einen Platz zu schaffen, und auf der anderen Seite Agitatoren, für die der Amidis·mus eher eine politische Be·freiungs·ideo·logie darstellte. In dieser Kategorie von Amidisten fanden sich aus·ge·beutete Bauern und der niedere Land·adel zu·sammen, um gegen die Zwänge der feudalen Adels·gesell·schaft zu revoltieren. Besonders die Muromachi [Muromachi (jap.) 室町 Stadtteil in Kyōto; Sitz des Ashikaga Shōgunats 1336–1573 (= Muromachi-Zeit)]-Zeit ist geprägt von den so·ge·nannten ikkō ikki [ikkō ikki (jap.) 一向一揆 Aufstände der Ikkō Anhänger; 15. und 16. Jh.] (Ikkō Aufständen), die von einer zu·nehmend organisierten religiösen An·hänger·schaft getragen waren. Die Stärke dieser späteren Jōdo Shinshū lag darin, dass sie imstande war, in Laien ein religiös motiviertes Ge·mein·schafts·gefühl zu ent·wickeln und sie straff zu orga·ni·sieren. Ihre ökonomische Basis bezog sie aus einer Art all·gemeiner Kirchen·steuer, im Gegen·satz zum Pacht·wesen der etablierten Klöster. Es war eine „grassroot-organization“ mit teil·weise egalitären Grund·sätzen, in der kaum ein Unter·schied zwischen Laien und Klerus existierte.

Rennyo higashihonganji 1611 knm.jpg
6 Rennyo
Portrait des Mönchs Rennyo, eines Pioniers der Jōdo Shinshū.
Frühe Edo-Zeit, 1611. Bildquelle: unbekannt.

Obwohl sowohl Hōnen als auch Shinran stets bestritten, eigene bud·dhis·tische Richtungen be·gründen zu wollen, bildeten sich Schüler·gruppen heraus, die ihre Lehren weiter·tradierten, Tempel gründeten und so die Konturen einer eigenen bud·dhis·tischen Richtung schufen. Rennyo [Rennyo (jap.) 蓮如 1415–1499; Mönch der Jōdo Shin-Schule] (1415-99), einem direkten Nachfahren Shinrans, gelang es schließ·lich, sich und seinen Familien·tempel

Hongan-ji 本願寺 (jap.)

Tempel in Kyōto; Haupttempel der Jōdo Shinshū; seit der Aufspaltung dieser Richtung im 17. Jh. gibt es eigentlich zwei, einen östlichen (Higashi Hongan-ji, Ōtani-ha) und einen westlichen (Nishi Hongan-ji, Honganji-ha)

Tempel

Der Begriff „Hongan-ji“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:

als spirituelles und politisches Zentrum der Ikkō-shū zu etablieren. Dank der orga·ni·sato·rischen Stärke der Amidisten, kon·trol·lierten Rennyos Nach·folger im sech·zehnten Jahr·hundert ganze Land·striche und ver·wandelten Teile des politisch zer·splitterten Japan tat·sächlich in so etwas wie einen bud·dhis·tischen Gottes·staat. Die Ikkō-Bewegung schreckte auch keines·wegs vor Waffen·gewalt zurück, im Gegen·teil sie konnte es auch auf milit·ärischem Gebiet mit fast jedem Regional·fürst (

Daimyō 大名 (jap.)

Territorialfürst, Titel des Kriegeradels

Der Begriff „Daimyō“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:

Glossarseiten

Bilder

  • Hideyoshi.jpg
  • Torii hakozaki.jpg
  • Seppuku namazu.jpg
  • Tokugawa nariaki.jpg
  • Koya8.jpg
  • Sekigahara.jpg
  • Koya5.jpg
  • Koya9.jpg
  • Mito komon.jpg

) auf·nehmen. Erst Oda Nobunaga [Oda Nobunaga (jap.) 織田信長 1534–1582, Kriegsfürst, Reichseiniger] und Toyotomi Hideyoshi [Toyotomi Hideyoshi (jap.) 豊臣秀吉 1537–1598, Feldherr, militärischer Machthaber; bekannt als der zweite von drei Reichseinigern am Ende der „Zeit der kämpfenden Länder“ (Sengoku Jidai)], die mit bis dahin un·gesehener Bruta·lität gegen religiöse Insti·tutionen vorgingen, be·rei·teten der politischen Herr·schaft der Ikkō-shū ein Ende (siehe Reichseinigung). Unter Tokugawa Ieyasu [Tokugawa Ieyasu (jap.) 徳川家康 1543–1616; Begründer des Tokugawa Shogunats; Reichseiniger] wurde die mittler·weile moderat gewordene Sekte unter der Be·zeich·nung Jōdo Shinshū als offizielle bud·dhis·tische Richtung an·er·kannt, doch sorgte Ieyasu dafür, dass sie sich in zwei rivalisierende Gruppen (Nishi Hongan-ji und Higashi Hongan-ji) auf·spaltete und damit jeden Rest ihres rebellischen Potentials verlor. Ieyasu selbst gehörte im übrigen der sich auf Hōnen be·rufenden Jōdo-shū an, die in jeder Hinsicht moderater und mehr dem traditionellen Bud·dhis·mus ver·pflichtet war, als Shinrans Gefolge. Wie Ieyasu ge·hörten auch die meisten anderen Krieger·familien des Spät·mittel·alters und der Frühen Neu·zeit der Jōdo-shū (und nicht dem Zen-Buddhismus) an.

Es gab im übrigen innerhalb des Amidismus noch weitere Spiel·arten. Die Anhänger Ippens [Ippen (jap.) 1239–1289; Amida-Mönch und Gründer der Ji-shū] bildeten die Ji-shū [Ji-shū (jap.) 時宗 Amida-Schulrichtung aus der Kamakura-Zeit, gegründet von Ippen], die be·sonders unter Künstlern und Schau·stellern be·liebt war und der wahr·scheinlich auch die frühen Nō-Schauspieler angehörten. (Darauf deuten u.a. Namen wie Kan-ami, Ze-ami und On-ami hin; -ami steht für „Amida“.) Auch scheint das Ideal des Toten·bett-nenbutsu auch außer·halb amidistischer Sekten Gel·tung gehabt zu haben. Eine kursorische Lektüre von mittel·alterlichen Krieger·epen wie z.B. dem Heike monogatari [Heike monogatari (jap.) 平家物語 „Geschichte der Heike [= Taira]“; mittelalterliches Kriegerepos] zeigt, dass praktisch jeder fromme Laie im japanischen Mittelalter das nenbutsu zu seinen religiösen Praxis·formen zählte. Insbesondere Frauen scheinen sich von dieser Form des Bud·dhis·mus an·ge·sprochen gefühlt zu haben.

Verweise

Internetquellen

Siehe auch Internetquellen

  • Jōdo-shū
    Sehr ausführliche und informative Homepage der japanischen Jōdo-shū auf Englisch. Enthält auch ein kleines japanisch-englisches Wörterbuch von wichtigen Jōdo Begriffen.
  • Amida Net – A Compehensive Website of Shin Buddhism, Hisao Inagaki (Zuio)
    Mit Erläuterungen und Übersetzungen von Primärquellen ins Englische, einem Glossar buddhistischer Termini, etc.


Letzte Überprüfung der Linkadressen: Sept. 2016

Bilder

Quellen und Erläuterungen zu den Bildern auf dieser Seite

  1. ^ 
    Kuya kosho.jpg
    Kūya (903-72), ein Wanderprediger und Amida-Verehrer des 10.Jhs., beim Intonieren des nenbutsu, das sich in Form von sechs Buddha-Statuen manifestiert. Der Bildhauer stammt aus der Kei-Schule und war ein Sohn des berühmten Unkei.
    Werk von Kōshō. 13. Jh. Rokuharamitsu-ji.
  2. ^ 
    Kuya closeup.jpg
    Die sechs Zeichen des nenbutsu (Na-mu-A-mi-da-butsu) verwandeln sich in Kūyas Mund zu einzelnen Buddhas.
    Werk von Kōshō. 13. Jh. Uncyclopedia, Wiki (jp.).
  3. ^ 
    Honen chionin2.jpg
    Portrait des Mönchs Hōnen (1133–1212), des Begründers der Jōdo-shū.
    Werk von Fujiwara no Takanobu (1142–1205). Kamakura-Zeit. Bildquelle: Unbekannt.
  1. ^ 
    Shinran narahaku.jpg
    Der Ordensgründer Shinran (1173–1262) trägt hier ein schwarzes kesa, eine Gebetskette und eine zum Schal gefalteten Mönchskapuze (mōsu).
    Werk von Jōga. Kamakura-Zeit, 13.-14. Jh. Nara National Museum, Sasaki Shigeki, 2019.
  2. ^ 
    Honen predigt2.jpg
    Hōnen spricht zu einer gemischten Zuhörerschaft aus niederrangigen Mönchen und Nonnen, sowie Männern und Frauen in Alltagsgewand. Er geht dabei ganz offensichtlich auf deren individuelle Fragen ein.
    Kamakura-Zeit. Bildquelle: Makura no sōshi, (Blog), über Internet Archive.
  3. ^ 
    Rennyo higashihonganji 1611 knm.jpg
    Portrait des Mönchs Rennyo, eines Pioniers der Jōdo Shinshū.
    Frühe Edo-Zeit, 1611. Bildquelle: unbekannt.

Glossar

Namen und Fachbegriffe auf dieser Seite

  • Amida 阿弥陀 ^ Buddha Amitabha; Hauptbuddha der Schulen des Reinen Landes (Jōdo-shū bzw. Jōdo Shinshū)
  • Amida-kyō 阿弥陀経 ^ Kleines Amida Sutra; wichtiger Text des Jōdo Buddhismus
  • Amitābha (skt.) अमिताभ ^ „Unermesslicher Glanz“ (jap. Amida 阿弥陀)
  • Buddha (skt.) बुद्ध ^ „Der Erleuchtete“ (jap. butsu, hotoke 仏 oder Budda 仏陀)
  • Daimyō 大名 ^ Territorialfürst, Titel des Kriegeradels
  • Heian 平安 ^ auch Heian-kyō 平安京, „Stadt des Friedens“; politisches Zentrum 794–1185 (= Heian-Zeit)
  • Heike monogatari 平家物語 ^ „Geschichte der Heike [= Taira]“; mittelalterliches Kriegerepos
  • Higashi Hongan-ji 東本願寺 ^ Östlicher Hongan-Tempel in Kyōto; Haupttempel der Ōtani-Linie des Jōdo-Shin Buddhismus; s.a. Westlicher Hongan-Tempel (Nishi Hongan-ji)
  • hongan 本願 ^ „Ureid“; zumeist Gelübde des Buddha Amida, alle Lebewesen zu retten
  • Hongan-ji 本願寺 ^ Tempel in Kyōto; Haupttempel der Jōdo Shinshū; seit der Aufspaltung dieser Richtung im 17. Jh. gibt es eigentlich zwei, einen östlichen (Higashi Hongan-ji, Ōtani-ha) und einen westlichen (Nishi Hongan-ji, Honganji-ha)
  • Hōnen 法然 ^ 1133–1212; Gründer der Jōdo-shū, der Schule vom Reinen Land
  • ikkō ikki 一向一揆 ^ Aufstände der Ikkō Anhänger; 15. und 16. Jh.
  • Ikkō-shū 一向宗 ^ Ikkō Sekte, eine Fraktion des Buddhismus vom Reinen Land ( Jōdo-shū)
  • Ippen ^ 1239–1289; Amida-Mönch und Gründer der Ji-shū
  • jiriki 自力 ^ wtl. eigene Kraft; buddhistisches Konzept
  • Ji-shū 時宗 ^ Amida-Schulrichtung aus der Kamakura-Zeit, gegründet von Ippen
  • jōdo 浄土 ^ Reines Land, buddhistisches Paradies; auch gokuraku, Sukhavati
  • Jōdo Shinshū 浄土真宗 ^ Shin-Buddhismus, bzw. Jōdo Shin-Buddhismus; wtl. „Wahre Schule des Reinen Landes“
  • Jōdo-shū 浄土宗 ^ Schule des Amida-Buddhismus
  • Kamakura 鎌倉 ^ Stadt im Süden der Kantō Ebene, Sitz des Minamoto Shōgunats 1185–1333 (= Kamakura-Zeit)
  • Kanmuryōju-kyō 観無量寿経 ^ Meditations Sutra (wtl. „Sutra der Meditation über [den Buddha] des unbegrenzten Lebens“), ein elementarer Text des Amidismus
  • Kūya 空也 ^ Wanderprediger des 10. Jh.s
  • Luther, Martin (west.) ^ 1483–1546; christlicher Priester und Theologe; bedeutendster Vertreter der protestantischen Reformation im deutschspr. Raum
  • Mahāyāna (skt.) महायान ^ „Großes Fahrzeug“, buddhistische Richtung (jap. daijō bukkyō 大乗)
  • mappō 末法 ^ Endzeit des Dharma
  • Muromachi 室町 ^ Stadtteil in Kyōto; Sitz des Ashikaga Shōgunats 1336–1573 (= Muromachi-Zeit)
  • Muryōju-kyō 無量寿経 ^ Großes Amida Sutra
  • namu amida butsu 南無阿弥陀仏 ^ in etwa: „Gelobt sei Buddha Amida“; Gebetsformel im Buddhismus des Reinen Landes
  • Nara 奈良 ^ Hauptstadt und Sitz des Tennō, 710–784 (= Nara-Zeit); auch: Heijō-kyō
  • nenbutsu 念仏 ^ Anrufung des Namens von Buddha Amida, Gebetsformel der Amida-Anhänger
  • Nirvāṇa (skt.) निर्वाण ^ „Erloschen, ausgelöscht“, Ort der Erlösung von allem Leid, absolutes Jenseits (jap. Nehan 涅槃)
  • Nishi Hongan-ji 西本願寺 ^ Westlicher Hongan-Tempel in Kyōto; Haupttempel der Honganji-Linie des Jōdo-Shin Buddhismus; s.a. Östlicher Hongan-Tempel (Higashi Hongan-ji)
  • ^ traditionelles jap. Theater mit charakterstischem Tanz, Gesang und Masken; entwickelte sich im 14. Jh. aus dem volkstümlichen dengaku (Feld- oder Bauern-Theater) und avancierte zur repräsentativen Theaterform der Kriegerelite (bushi)
  • Oda Nobunaga 織田信長 ^ 1534–1582, Kriegsfürst, Reichseiniger
  • Rennyo 蓮如 ^ 1415–1499; Mönch der Jōdo Shin-Schule
  • Shaka 釈迦 ^ Buddha Shakyamuni, der historische Buddha; auch Shaka Nyorai
  • Shinran 親鸞 ^ 1173–1262; Gründer der Jōdo Shin-Schule
  • Sukhāvatī (skt.) सुखावती ^ „Reines Land“, buddhistisches Paradies (jap. jōdo 浄土)
  • sūtra (skt.) सूत्र ^ „Faden“, Lehrrede des Buddha, kanonische Schrift (jap. kyō 経 oder kyōten 経典)
  • tariki 他力 ^ andere Kraft (helfende Kraft Amidas)
  • Tendai-shū 天台宗 ^ Tendai-Schule, chin. Tiantai
  • Tokugawa Ieyasu 徳川家康 ^ 1543–1616; Begründer des Tokugawa Shogunats; Reichseiniger
  • Toyotomi Hideyoshi 豊臣秀吉 ^ 1537–1598, Feldherr, militärischer Machthaber; bekannt als der zweite von drei Reichseinigern am Ende der „Zeit der kämpfenden Länder“ (Sengoku Jidai)
  • Zen^ chin. Chan, wtl. Meditation; Zen Buddhismus