Geschichte/Christentum/Christenverfolgung: Unterschied zwischen den Versionen
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− | Mitunter versuchte man Christen nicht nur durch Strafen, sondern auch durch Be·loh·nungen ding·fest zu machen. Ab Mitte des 17. Jahrhunderts wurden regelmäßig Verordnungen auf Holztafeln veröffentlicht, die detailliert festlegten, welches Kopf·geld auf die Anzeige von Christen aus·ge·setzt wurde. | + | Mitunter versuchte man Christen nicht nur durch Strafen, sondern auch durch Be·loh·nungen ding·fest zu machen. Erste Verordnungen, die eine systematische Belohnungen von Spitzeldiensten vorsahen, ergingen bereits 1633 an den Statthalter von Nagasaki und führten bald zum Auftreten von professionellen Kopfgeldjägern.<ref>Hur 2007, S. 59–60.</ref> |
+ | Ab Mitte des 17. Jahrhunderts wurden regelmäßig Verordnungen auf Holztafeln veröffentlicht, die detailliert festlegten, welches Kopf·geld auf die Anzeige von Christen aus·ge·setzt wurde. Diese Praxis wurde bis ins 18. Jahrhundert hinein aufrecht erhalten. | ||
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Version vom 14. November 2019, 14:18 Uhr
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Im Zuge der Verfolgung des Christentums, die ab 1614 systematisch in Japan durchgeführt wurde, entstanden unterschiedliche Methoden um Christen auszuforschen und dingfest zu machen. Abgesehen von Folter und physischer Vernichtung spielten auch subtilere Techniken eine Rolle. Dazu zählten:
- Apostasie-Schwur
- „Bildertreten“, fumie [fumie (jap.) 踏み絵 „Bildertreten“; Zwangsmaßnahme zur Entlarvung von Christen] (oder ebumi)
- „Fünf-Mann Gruppen“, goningumi [goningumi (jap.) 五人組 Nachbarschaftsgruppe; wtl. „Fünfergruppe“]
- Kopfgeld
- Glaubensbestätigung durch buddhistische Tempel
Innerhalb dieser Methoden war es das System der Glaubensbestätigung durch buddhistische Tempel (terauke seido [terauke seido (jap.) 寺請制度 System der buddhistischen Zertifikation der Rechtgläubigkeit]), welches sich schließlich als wichtigstes Instrument der religiösen Kontrolle durchsetzte. Es diente auch als generelles Mittel der Verwaltung und Kontrolle und wird daher auf einer eigenen Hauptseite, Inquisition, genauer erläutert. Die anderen Methoden werden auf dieser Seite kurz aufgelistet.
Apostasie-Schwur
Ein eher in der Oberschicht von Kyoto verbreitetes Verfahren sah vor, dass ehemalige Christen, die ihrem Glauben freiwillig abschwuren, schriftliche Eide leisten mussten, die in der Formulierung endeten:
Sollte ich je zum Christentum zurückkehren, werde ich nach meinem Tod in die Hölle fahren [...] und dort die Qualen der fünf Kälten und drei Hitzen durch die Hände der Höllenteufel erfahren. 1
Dieses Verfahren machte sich zunutze, dass ähnliche Höllenvorstellungen sowohl im Christentum als auch im Buddhismus existierten.
Bildertreten
Edo-Zeit, 16.–17. Jh. Tokyo National Museum.
Edo-Zeit, 17. Jh. Tokyo National Museum.
Das Bildertreten (fumie [fumie (jap.) 踏み絵 „Bildertreten“; Zwangsmaßnahme zur Entlarvung von Christen]) wurde zunächst in Nagasaki, dem einstigen Zentrum des japanischen Christentums, unter der Regie des Stadtverwalters und Christenbekämpfers Mizuno Morinobu [Mizuno Morinobu (jap.) 水野守信 1577–1637; Staatsbeamter der frühen Edo-Zeit, 1626–28 Verwalter von Nagasaki (Nagasaki bugyō); für die Einführung von fumie verantwortlich] entwickelt. Verdächtige wurden genötigt, auf ein Bild — meist ein Medaillon aus Metall — mit christlichem Motiv (Jesus, Maria oder Kreuz) zu treten. Wer sich weigerte oder zögerte, entlarvte sich als Christ und musste mit der Todesstrafe, zumeist sogar mit Kreuzigung rechnen. In Nagasaki wurde das fumie mit der Zeit sogar zu einem routinemäßigen Brauch.2 Zugleich sorgte es dafür, dass das Christentum nie ganz in Vergessenheit geriet und mitunter eine neue, mysteriöse Anziehungskraft entwickelte.
Fünferschaften
Die Idee einer wechselseitigen Kontrolle durch sogenannte Fünferschaften (goningumi [goningumi (jap.) 五人組 Nachbarschaftsgruppe; wtl. „Fünfergruppe“]) soll ebenfalls im Zuge der Bekämpfung des Christentums entstanden sein und auf Sakai Tadakatsu [Sakai Tadakatsu (jap.) 酒井忠勝 1587–1662; Staatsbeamter und Daimyō; 1624–1638 Mitglied des obersten Regierungsrats (rōjū)], einen Daimyo und Beamten der frühen Edo-Zeit, zurückgehen.3 Er organisierte alle Haushaltsvorstände in seinem Lehen in Fünfergruppen und verfügte, dass jedes Mitglied einer solchen Gruppe und sämtliche Familienmitglieder strengste Strafen zu befürchten hätten, wenn auch nur einer unter ihnen Christ sein sollte. Diese Form der wechselseitigen Kontrolle wurde bald auch in anderen Teilen des Landes übernommen. Die damit verbundene Sippenhaftung schloss mitunter auch die jeweiligen Dorfvorstände und die lokalen Tempel mit ein. Dieses System entwickelte sich später unabhängig von anti-christlicher Überwachung zu einem autonomen Nachbarschaftsgruppen-System, das sowohl Kontrolle als auch Unterstützung beinhaltet und teilweise noch heute in Japan existiert.
Kopfgeld
Mitunter versuchte man Christen nicht nur durch Strafen, sondern auch durch Be·loh·nungen ding·fest zu machen. Erste Verordnungen, die eine systematische Belohnungen von Spitzeldiensten vorsahen, ergingen bereits 1633 an den Statthalter von Nagasaki und führten bald zum Auftreten von professionellen Kopfgeldjägern.4 Ab Mitte des 17. Jahrhunderts wurden regelmäßig Verordnungen auf Holztafeln veröffentlicht, die detailliert festlegten, welches Kopf·geld auf die Anzeige von Christen aus·ge·setzt wurde. Diese Praxis wurde bis ins 18. Jahrhundert hinein aufrecht erhalten.
Auf der oben ab·ge·bildeten Holztafel aus dem Jahr 1711 ist folgendes zu lesen:
Verordnung
Der christliche Glaube (kirishitan shūmon [kirishitan shūmon (jap.) キリシタン宗門 Christentum im feudalen Japan; wtl. christliche Sekte]) ist seit langem verboten. Wer einen Verdächtigen entdeckt, muss ihn den Be·hörden melden. Als Be·lohnung gibt es
- 500 Siber·münzen für die An·zeige eines Priesters (bateren [bateren (jap.) 伴天連 christlicher Priester; Missionar])
- 300 Silbermünzen für die An·zeige eines Mönchs·bruders (iruman [iruman (jap.) イルマン/以留満 christlicher Mönchsbruder/Frater im feudalen Japan; von Portugiesisch irmão])
- den gleichen Betrag für einen Re·kon·ver·tierten (tachikaerimono [tachikaerimono (jap.) 立ち返り者 wtl. sofortiger Rückkehrer; rekonvertierter (Christ); Person, die (dem Christentum) abschwört, es aber heimlich weiter praktiziert])
- 100 Silber·münzen für einen Laien.
Auch wenn der An·zei·gende selbst Christ ist, bekommt er 500 Silbermünzen oder den der Anzeige ent·sprechenden Betrag. Wenn jemand aber einen Priester oder Mönch ver·steckt, so wird auch der Vor·steher (nanushi [nanushi (jap.) 名主 Dorfvorstehender; Dorfoberster zur Edo-Zeit]) seines Dorfes, die Nach·bar·schafts·gruppe (goningumi [goningumi (jap.) 五人組 Nachbarschaftsgruppe; wtl. „Fünfergruppe“]) und die ganze Ver·wandt·schaft bestraft.
Shōtoku 1 (1711), 5. Monat Verwaltungsbehörde
定
切支丹宗門は累年御制禁たり自然不審成もの有之は申出へし御ほうびとして
- はてれんの訴人 銀五百枚
- いるまんの訴人 銀三百枚
- 立かへり者の訴人 同断
- 同宿并宗門の訴人 銀百枚
右之通可被下之たとひ同宿并宗門之内たりといふとも訴人に出る品により銀五百枚可被下之隠置他所よりあらはるゝにおゐては其所之名主并五人組迄一類ともに 可被処厳科者也仍下知如件
正徳元年五月 奉行
Quelle: 26 Martyrs Musem, Nagasaki [2010/8]
Verweise
Verwandte Themen
Fußnoten
- ↑ Hur 2007, S. 46
- ↑ Dies lässt sich unter anderem den Japan-Beschreibungen von Engelbert Kaempfer entnehmen.
- ↑ Hur 2007, S. 62.
- ↑ Hur 2007, S. 59–60.
Literatur
Bilder
- ^ Medaillon aus Bronze mit Pieta-Motiv (Maria und Jesus), wahrscheinlich in Europa hergestellt, aber in Japan als „Tretbild“ (fumie) verwendet. In der Edo-Zeit mussten Menschen, die im Verdacht standen Christen zu sein, auf solche Bilder treten, um zu beweisen, dass sie dem Christentum abgeschworen hatten. Das Medaillon trägt Spuren deutlicher Abnützung.
Edo-Zeit, 16.–17. Jh. Tokyo National Museum.
- ^ Marienmedaillon aus Bronze, wahrscheinlich in Europa hergestellt, aber in Japan in ein Holzbrett eingefasst, um als „Tretbild“ (fumie) zu fungieren. In der Edo-Zeit mussten Menschen, die im Verdacht standen Christen zu sein, auf solche Bilder treten, um zu beweisen, dass sie diese nicht in Ehren hielten. Das Medaillon trägt Spuren deutlicher Abnützung.
Edo-Zeit, 17. Jh. Tokyo National Museum.
Glossar
- Endō Shūsaku 遠藤周作 ^ 1923–1996; japanischer Schriftsteller, der in zahlreichen Romanen zumeist das Christentum in Japan thematisierte
- Ferreira, Cristóvão (west.) ^ 1580?–1650; portugiesischer Jesuitenmissionar in Japan, der nach Verhaftung und Folter 1633 zur anti-christlichen Inquisition überwechselte
- kirishitan shūmon キリシタン宗門 ^ Christentum im feudalen Japan; wtl. christliche Sekte
- Mizuno Morinobu 水野守信 ^ 1577–1637; Staatsbeamter der frühen Edo-Zeit, 1626–28 Verwalter von Nagasaki (Nagasaki bugyō); für die Einführung von fumie verantwortlich
- Neeson, Liam (west.) ^ 1952–; irischer Filmschauspieler, der in einem Spielfilm vom Martin Scorsese den Jesuiten Cristóvão Ferreira verkörperte; dieser wurde im Japan des 17. Jh. zur Apostasie gezwungen und half Japanern bei der Verfolgung anderer Christen
- Sakai Tadakatsu 酒井忠勝 ^ 1587–1662; Staatsbeamter und Daimyō; 1624–1638 Mitglied des obersten Regierungsrats (rōjū)
- Scorsese, Martin (west.) ^ 1942–; amerik. Filmregisseur, drehte u.a. den Spielfilm Silence (2016) über japanische Christenverfolgungen im 17. Jh. nach einem Roman von Endō Shūsaku
- Sengoku Jidai 戦国時代 ^ Zeit der kämpfenden Länder, 1467–1568; beginnt mit dem Ōnin-Krieg und endet nach dieser Definition mit dem Beginn der nationalen Einigung unter Oda Nobunaga; nach anderen Definitionen mit der Ausrottung der Toyotomi durch Tokugawa Ieyasu im Jahr 1615
- tachikaerimono 立ち返り者 ^ wtl. sofortiger Rückkehrer; rekonvertierter (Christ); Person, die (dem Christentum) abschwört, es aber heimlich weiter praktiziert
- terauke seido 寺請制度 ^ System der buddhistischen Zertifikation der Rechtgläubigkeit