Ikonographie/Jizo: Unterschied zwischen den Versionen
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Version vom 16. November 2010, 13:56 Uhr
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Jizō Bosatsu
Bodhisattva (Bosatsu); skr. Kṣitigarbha, „Speicher oder Mutterleib der Erde“ (vgl. Jizō)
Der Begriff „Jizō Bosatsu“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
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(skt. Ksitigarbha) gehört mit
auch Kanzeon 観世音, wtl. der den Klang der Welt erhört; skt. Avalokiteśvara; chin. Guanyin; als Bodhisattva des Mitleids bekannt
Der Begriff „Kannon“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
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zu den mit Abstand populärsten Bodhisattva Figuren. Im Ver·gleich zu Kannon ist er viel·leicht nicht ganz so wirk·mächtig, dafür aber umso vertrauter, all·täg·licher und „ein·hei·mischer“. Jizō-Statuen gibt es an allen mög·lichen und un·mög·lichen Stellen. Alle haben das Aus·sehen eines buddhistischen Mönchs mit kahl geschorenem Schädel (eine große Aus·nahme unter Bodhisattva Figuren). In seinen Händen hält Jizō meist einen Pilgerstab und/oder eine Wunsch·er·füllungs·perle (
Der Begriff „nyoi no tama“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
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). Oft erscheint Jizō außerdem jugendlich oder sogar kindlich. Vorlage:Galerie2
Begleiter der Toten
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Jizōs Popularität hängt zweifellos mit seiner Rolle als Begleiter der Toten·seele auf dem Weg in die Unter·welt zusammen. Zahl·reiche Legenden erzählen, wie er in die Hölle hin·ab·steigt und die Sünder, die dort eigent·lich mehrere Erd·zeit·alter lang schmoren müssen, auf seine Lotosblüte holt und von ihren Qualen errettet. Daher findet man die meisten Jizō Satuen auch auf Friedhöfen.
Im Grunde spielt Jizō jedoch eine Doppelrolle im buddhistischen Jenseits·glauben. Bestimmte Über·lieferungen sehen
skt. Yama; König oder Richter der Unterwelt; auch Enra; meist als Enma-ten oder Enma-ō angesprochen
Der Begriff „Enma“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
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, den strengen Richter der Unter·welt, als eine seiner Mani·fes·ta·tionen an. Jizō ist dem·nach sowohl für die Ver·ur·tei·lung als auch für die Gnade gegen·über jenen, die gegen die Gebote des Buddhismus verstoßen haben, ver·ant·wort·lich. Eines der zahl·reichen Beispiele dafür, wie nahe mild·tätige Barm·herzig·keit und furcht·ein·flößende Strenge in der buddhistischen Ikonographie bei einander liegen. (Siehe dazu auch das Kapitel „Mythen“, Jenseitsvorstellungen.)
Jizō und die Wasserkinder
Als Retter der Seelen nimmt sich Jizō auch all jener an, die kein ordentliches Begräbnis erhalten (
Verstorbene/ Totenseelen ohne Verwandtschaft
Der Begriff „muen botoke“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
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, wtl. „Buddhas ohne Bindung“), im speziellen ist er aber der Schutz·herr der un·ge·borenen (abgetriebenen) und früh ver·stor·benen Kinder. Man nennt sie
wtl. Wasserkinder; abgetriebene Föten oder Totgeburten
Der Begriff „mizuko“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
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, „Wasserkinder“. Zwischen diesen mizuko und Bodhisattva Jizō gibt es ein be·sonderes Nahe·verhältnis. Ohne Jizō, so eine populäre Er·klä·rung, könnten die Seelen der Kinder den Fluss der Unter·welt nicht über·queren und müssten ewig im Niemands·land zwischen Dies·seits und Jen·seits, dem Steinigen Flussufer (
Ufer des Flusses der Unterwelt
Der Begriff „Sai no Kawara“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
), umherirren.
In Japan war Abtreibung nie mit einem besonderen Tabu belegt, aber man erachtete und erachtet die Un·ge·boren doch als Wesen, für deren Seelen gebetet werden muss. Diesen Glauben und die damit ver·bunden Rituale nennt man
Gedenkriten für abgetriebene Föten (Wasserkinder)
Der Begriff „mizuko kuyō“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
, Gedenkriten für die Wasserkinder. Auf vielen Fried·höfen gibt es bestimmte Areale für diesen Kult. Hier können Eltern von ab·ge·trie·benen oder tot·ge·borenen Kindern Jizō Statuen auf·stellen lassen, die dann stell·ver·tretend für die Kinder mit Riten und Opfern bedacht werden. Man nennt solche Statuen·gruppen — oft ohne zu über·treiben — sentai jizō (tausend Jizō) oder „Jizō Armeen“. Berühmte Fried·höfe für die Wasserkinder mit den entsrechenden Jizō Armeen gibt es bei·spiels·weise im
Kannon-Tempel in Sakurai, Nara-ken; errichtet in der Nara-Zeit. Hauptattraktion ist eine über 10 m hohe Statue des Elfköpfigen Kannon. Ein Zweigtempel mit ebensolcher Statue befindet sich in Kamakura (Kamakura Hase-dera)
Der Begriff „Hase-dera“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
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Geographische Lage
in
Stadt im Süden der Kantō Ebene, Sitz des Minamoto Shōgunats 1185–1333 (= Kamakura-Zeit)
Der Begriff „Kamakura“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
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Geographische Lage
; in Ogano-machi, im Norden Tokyos, wo zum Bon Fest alle Statuen be·leuchtet werden; oder auf dem großen Friedhof des Tempelbergs Kōya südlich von
Der Begriff „Nara“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
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Geographische Lage
.
Ich persönlich habe immer den Eindruck, dass die Tausend-Jizō Statuen die mizuko-Kinder selbst re·prä·sen·tieren. Proportionen und Aus·sehen der glatz·köpfigen Mönchs·gestalt des Jizō werden auf den ent·sprech·enden Statuen dem Bild eines Säuglings angeglichen. Viele Eltern kleiden einzelne Statuen an, meist mit einem roten Lätzchen und Käppchen, manch·mal auch mit Kinder·gewand. Auch findet man gelegentlich Kinder·spiel·zeug als Opfergabe. Bestimmte Orte, die mit dem Ein·gang ins Jenseits identifiziert werden, wie etwa der
„Angst-Berg“; rel. Zentrum in Aomori-ken (Nordjapan), das als Abbild der Totenwelt gilt
Der Begriff „Osore-zan“ wird in diesem Handbuch auf folgenden Seiten erwähnt:
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Geographische Lage
(„Angst-Berg“) in Nord-Japan, sind u.a. an ihren Jizō-Statuen und ihren Windrädern erkennbar.
In früherer Zeit wurden mitunter auch Säuglinge (meist Mädchen) gleich nach der Geburt „zurück·geschickt“, also getötet, und mit dem gleichen Kult bedacht. Auf den ersten Blick erscheint es zynisch, Föten oder Säuglinge zuerst zu töten, um sich dann ihrer leid·vollen Existenz im Jenseits an·zu·nehmen. Wenn man sich aber vor Augen hält, dass die Entscheidung zu Abtreibung und Säuglingsmord in einem vormodernen Haushalt eher von der Groß·familie als von der Mutter selbst getroffen wurde, kann man sich vor·stellen, dass der Jizō Kult vor allem den Müttern helfen sollte, über ihren Schmerz hin·weg·zu·kommen. Dies ist bis zu einem gewissen Grad auch heute noch so.
Seit dem zweiten Weltkrieg hat der Kult für die Wasserkinder nicht etwa ab·ge·nommen, sondern wurde von vielen Tempeln so weit aus·gebaut, dass manche Autoren mizuko kuyō als ein Art Neuer Religion betrachten. Dies hat bis zu einem gewissen Grad damit zu tun, dass Ab·trei·bungen schon seit der Nach·kriegs·zeit relativ einfach und legal durch·geführt werden können, während andere Ver·hütungs·methoden, etwa die Pille lange verboten waren. In den letzten Jahren ist die Ab·treibungs·rate in Japan zwar leicht gesunken, aber immer noch ver·hältnis·mäßig hoch. Der Buddhismus verbietet diese Praxis nicht grund·sätzlich, schürt aber latente Schuld·gefühle und bietet gleich·zeitig ver·hältnis·mäßig aufwendige Riten an, durch die sich Eltern von ihrer Schuld freikaufen können.
Anmerkung von Gabriele Greve
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Zu den mizuko, bzw. den mabiki-ko, den umgebrachten Säuglingen, und ihren roten Lätz·chen habe ich in einem Tempel folgende Er·klärung gehört: Jizō hat gelobt, alle Kinder aus der Vor·hölle zu retten. Weil Kinder noch keine Sünden be·gangen haben, kommen sie nämlich nicht direkt in die Hölle, das wäre ja un·ge·recht. Aber sie müssen am Grenz·fluss warten und während dieser Zeit Steine auf·einander schichten. Das ist ähnlich wie Sisyphos. Sie warten so lange, bis keiner mehr um sie trauert. Die Mutter bindet also eines der Kinder·lätzchen zu einem Jizō und bittet, durch den Geruch des Lätzchens das Kind in der Vorhölle zu identi·fizieren und zum Paradies zu bringen.
Wenn die Mutter früher, in der Edo-Zeit zu lange trauerte, konnte sie nicht genug im Haus und am Feld arbeiten. Daher wurde ihr eine Periode von 7 Tagen nach dem Tod eines Kindes (nicht bei Abtreibung, aber bei mabiki, dem Töten eines weib·lichen Säuglings) ge·gönnt. Danach musste sie die Sachen des Kindes, Lätzchen und Spiel·zeug, bei Jizo „abgeben“ und die Trauerzeit war vorüber, Mutter musste wieder arbeiten gehen! Eine recht diesseitliche Religionsbenutzung.
Um den Iwaki-san in Nordjapan werden verstorbene Kinder zu ihrem 20. Ge·burts·tag verheiratet. Die Tempel verkaufen ca. 50 cm große Puppen von Bräuten oder Bräutigamen, die dann mit dem toten Kind „verheiratet“ werden. Das macht die Eltern froh und die Tempel reich. Es ist er·staun·lich, dort in so einer Halle mit tausenden von Hoch·zeits-Puppen zu stehen! Die Itako-Shamaninnen am Osore-Berg reden den Eltern auch noch manch anderes ein — so werden Tennis·schuhe und Fahr·räder oder Frack und Regen·mantel gespendet, manche Tempel sehen aus wie Altwarenhändler.
Dr. Gabriele Greve, ist Wahljapanerin und Kunsthistorikerin. Sie schickte mir die ergänzenden Hinweise zu dieser Seite per e-mail am 27.3.2002.
S.a. Greve 1994: 60.
Weiterführende Informationen
- Shikoku Henro Shashinshu
Jizo-Statuen von der berühmten 88 Tempel Pilgerroute in Shikoku.
- Diskussion zum Thema: Jizo's Lätzchen auf der Mailing list PMJS (Premodern Japanese Studies, en.), 2008.Letzte Überprüfung der Linkadressen: 2010/8
- ^ Jizō (skt. Kshitigarbha) mit Pilgerstab und Wunscherfüllungsperle (nyoi no tama), auf zwei Lotusblättern stehend, unterwegs auf einer Wolke, um Sünder aus der Hölle zu erretten.
Muromachi-Zeit, 14. Jh. Museum of Fine Arts, Boston. - ^ Jizō (skt. Kshitigarbha) als Knabe in Mönchstracht mit dem Wunscherfüllungsjuwel (nyoi no tama) in seiner linken Hand.
Werk von Zen'en. Kamakura-Zeit, 1223–26. Bildquelle: Asian Art Outlook. - ^ Detail aus einer Darstellung der buddhistischen Hölle, in der Jizō (skt. Kshitigarbha) in Kind errettet.
Werk von Kanō Dōhaku. Edo-Zeit, 1819. Online Archive of California. - ^ Steinstatue des Jizō (skt. Kshitigarbha) auf dem Friedhof Oku-no-in am Berg Kōya.
Super Ape, flickr, 2007. - ^ Moderne Statue des Jizō (skt. Kshitigarbha) am Berg Osore.
Bildquelle: Eve Anderson, 2004.