https://religion-in-japan.univie.ac.at/r/api.php?action=feedcontributions&user=Opaque&feedformat=atomReligion-in-Japan - Benutzerbeiträge [de-formal]2024-03-29T00:16:06ZBenutzerbeiträgeMediaWiki 1.35.5https://religion-in-japan.univie.ac.at/r/index.php?title=Geschichte/Neo-Konfuzianismus&diff=15566Geschichte/Neo-Konfuzianismus2010-09-21T10:53:42Z<p>Opaque: </p>
<hr />
<div>{{Styles}}<br />
=Neo-Konfuzianismus <span class="bottom">und konfuzianischer Shinto</span>=<br />
{{Sidebox|zhuxi.jpg|w=140|rahmen_h=190|Zhu Xi}}<br />
<br />
Während der Buddhismus der frühen {{glossar:edo}}-Zeit immer stärker zu einem Vollzugsorgan der staatlichen Verwaltung wurde, erwachte innerhalb der intellektuellen Avantgarde ein neues Interesse am Konfuzianismus einerseits und an der Idee eines eigenständigen japanischen Shinto andererseits. China, das durch die Abschließungspolitik ({{Glossar:Sakoku}}) der Tokugawa in unerreichbare Ferne gerückt war, wurde von vielen Gelehrten als zivilisatorisches Leitbild wiederentdeckt, während andere in der mythischen Vergangenheit Japans nach einem idealen Gesellschaftsmodell suchten. Gemeinsam war beiden Strömungen, dass sie dem Buddhismus grundsätzlich kritisch gegenüber standen, auch wenn viele Intellektuelle ihre Kenntnisse in buddhistischen Klöstern erworben hatten oder gar als buddhistische Mönche tätig waren.<br />
<br />
Unter den Einflüssen aus China übte v.a. der sogenannte Neo-Konfuzianismus in Gestalt der Lehren des chinesischen Philosophen {{glossar:zhuxi}} (auch Chu Hsi, 1130–1200, jap. Shushi) eine große Anziehungskraft auf die intellektuelle Avantgarde der frühen Edo-Zeit aus. Im Gegensatz zum klassischen Konfuzianismus, der ja im wesentlichen eine Philosophie der staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten darstellt und sich daher vor allem auf das Diesseits bezieht, beschäftigte sich Zhu Xi auch mit Fragen des Übernatürlichen und der Religion und entwickelte ein Erklärungsmodell des Kosmos, das viele Berührungspunkte mit dem Buddhismus aufweist. Zugleich bediente er sich aber auch klassischer konfuzianischer Konzepte, vor allem der Kategorien „öffentlich ({{glossar:kou|''kō, ōyake''}}) = gemeinnützig“ und „privat ({{glossar:shi|''shi'', ''watakushi''}}) = eigennützig“. Unter konfuzianischen Gesichtspunkten ist nur das von Wert, was dem allgemeinen Wohl der Öffentlichkeit dient, „öffentlich“ ist somit gleichbedeutend „gut“. Sämtliche private Interessen werden dagegen potentiell schädlich für Gesellschaft und Staat aufgefasst und werden entsprechend negativ bewertet.<br />
<br />
Für die Edo-zeitlichen Gelehrten stellten die Kategorien öffentlich und privat den Ausgangspunkt einer fundamentalen Kritik an den hergebrachten Formen des Buddhismus dar. Eine unmittelbare Konsequenz dieser Kritik war die zunehmende Ablehnung esoterisch-buddhistischer Wissensvermittlung: Geheimlehren, die nur mündlich von Meister zu Schüler weitergegeben werden durften, galten den Konfuzianern als etwas „Privates“ oder „Eigennütziges“, das abzulehnen war. Religiöse Wahrheiten sollten der Öffentlichkeit dienen und allgemein zugänglich sein. Die damals weit verbreiteten Formen des esoterischen Buddhismus wurden aus der Sicht der konfuzianischen Kritik zum Inbegriff eigennütziger Geheimniskrämerei.<br />
<br />
Andererseits fühlten sich viele Intellektuelle zum Shinto hingezogen, da der Neo-Konfuzianismus allein weder ihre spirituellen Bedürfnisse noch ihre Suche nach einer nationalen Identität befriedigen konnte. Die durch den [[Geschichte:Shinto_Mittelalter | Yoshida Shinto]] bereits seit Ende des fünfzehnten Jahrhunderts propagierte Idee eines reinen Shinto, der weder von chinesischen noch von indischen Gedanken getrübt sei, fiel in der frühen Edo-Zeit auf fruchtbaren Boden und begann, auch außerhalb des Einflussbereichs der Yoshida Priester Früchte zu treiben. Obwohl von der Grundhaltung her xenophob und daher auch gegen China gerichtet, sahen shintoistische Erneuerer der frühen Edo-Zeit im Buddhimus ihren Hauptgegner und sympathisierten daher mit der Buddhismuskritik der Konfuzianer. Umgekehrt entwickelten die namhaftesten Vertreter des japanischen Neo-Konfuzianismus wie {{glossar:hayashirazan}} (1583-1657) und {{glossar:yamazakiansai}} (1618-1682) jeweils auch ihre eigenen Visionen einer shintoistischen Lehre.<br />
<br />
Somit bildete sich also eine anti-buddhistische Front aus neo-konfuzianischen Intellektuellen und Shinto-Priestern, die immer wieder von einzelnen Feudalherren unterstützt wurde. In einzelnen Daimyaten wurde sogar das [[Geschichte:Terauke | ''terauke'' System]], also die Zwangsmitgliedschaft bei einem lokalen Tempel, durch eine Art ''jinja-uke'', also die Zwangsmitgliedschaft bei einem lokalen Schrein ersetzt. Zu den prominentesten Förderern der shinto-konfuzianischen Reformideen zählten Hoshina Masayuki (1611-72), Daimyō von Aizu und Regent des Shogun Ietsuna, oder Tokugawa Mitsukuni (1628-1700), Daimyō von Mito und Mäzen der neo-konfuzianischen Mito-Schule.<br />
<br />
Dennoch kann man meiner Ansicht nach nicht sagen, dass der Neo-Konfuzianismus die offizielle Staatsideologie der Tokugawa darstellte, wie in der älteren Fachliteratur häufig angenommen. In religiösen Fragen machte sich das Shogunat eine politische Linie zu eigen, die einerseits autoritär, andererseits aber pragmatisch und eklektizistisch war: Buddhismus ja, aber in „gezähmter Form“. Dazu wo immer brauchbar auch Konfuzianismus und Shinto. In dieser ideologischen Unbestimmtheit liegt wahrscheinlich der größte Unterschied der Tokugawa Religionspolitik zu den zeitgleichen Entwicklungen in Europa. Obwohl da wie dort ähnliche, d.h. inquisitorische Methoden der ideologischen Kontrolle eingesetzt wurden, gründete diese Kontrolle im Fall des Christentums auf einer rigiden Dogmatik, im Fall Japan hingegen auf einem pragmatisch erstellten Katalog verbotener Lehren. Es gab natürlich dogmatische neo-konfuzianische Staatsdenker, doch ihre Theorien waren lediglich so etwas wie ein intellektuelles Experimentierfeld der frühen Edo-Zeit, das die tatsächliche religiöse und religionspolitische Praxis nur am Rande betraf.<br />
<br />
<div class="bildbox bildtext">{{Dia|bild=gelehrter_hokkei.jpg|w=450|rahmen_w=450|rahmen_h=195}} </div><br />
{{Linkbox|ue=Literatur|text=<br />
{{Literatur:Kracht_1986}}<br />
{{Literatur:Nosco_1984}}<br />
{{Literatur:Ooms_1985}}<br />
{{Literatur:Scheid_2002}}<br />
}}<br />
{{ThisWay|Geschichte: Kokugaku}}</div>Opaquehttps://religion-in-japan.univie.ac.at/r/index.php?title=Geschichte/Reichseinigung&diff=15565Geschichte/Reichseinigung2010-09-21T10:52:50Z<p>Opaque: </p>
<hr />
<div>{{Styles}}<br />
=<span>Religion am Übergang</span> vom Mittelalter zur frühen Neuzeit=<br />
{{Wrapper|__TOC__<br />
{{sidebox|japnkarte_kyoto_edo.jpg|w=140|top=-65}}<br />
}}<br />
Die sogenannte Frühe Neuzeit beginnt in Japan, mit der politischen Wiedervereinigung des Landes unter der Herrschaft der Tokugawa Dynastie. Deren Begründer {{glossar:tokugawaieyasu}} (1543–1616) erlangte durch seinen Sieg in der Schlacht von Sekigahara (1600) endgültig die militärische Vorherrschaft über Japan und ließ sich im Jahr 1603 zum {{Glossar:Shougun}} ernennen. Damit sicherte er sich und seinen Nachkommen das politische Führungsamt des Landes, das von nun an von seiner Residenzstadt {{glossar:edo}} (dem heutigen Tokyo) aus regiert wurde. Man nennt die folgende Periode der Tokugawa Herrschaft daher Tokugawa- oder Edo-Zeit (1600–1867). Die historischen Umstände der Reichseinigung hatten auf die japanische Religionsgeschichte zahlreiche Auswirkungen und sind zugleich durch religionsgeschichtliche Ereignisse mitverursacht worden. Um diese Entwicklung zu verstehen, ist es notwendig, etwa fünfzig Jahre vor die Reichseinigung, also in die Mitte des sechzehnten Jahrhunderts zurückzugehen.<br />
<br />
==Die Zeit der kämpfenden Länder==<br />
<br />
In der sogenannten „Zeit der kämpfenden Länder“ ({{Glossar:Sengokujidai}}, 1482–1568) ringen mindestens ein Dutzend großer und zahllose kleinere Territorialfürsten ({{Glossar:Daimyou}}) um militärische und politische Vormacht. Der Buddhismus ist in dieser Zeit nicht nur als Religion allgegenwärtig, er beteiligt sich auch aktiv an militärischen und politischen Auseinandersetzungen. Das größte und mächtigste Einzelkloster mit ausgedehnten Ländereien und einer eigenen Armee ist nach wie vor der Tempelberg [[Bauten:Bekannte_Tempel | Hiei]], ein Klosterkomplex mit dem Haupttempel {{glossar:enryakuji}}, im Nordosten Kyotos, der sich in den vergangenen Jahrhunderten als Schutzmacht des Kaiserhauses und der Kaiserstadt etabliert hat. Berg Hiei ist seit der Tempelgrüdung durch {{Glossar:Saichou}} das geistige und organisatorische Zentrum des japanischen {{Glossar:Tendaishuu |Tendai}} Buddhismus und gebietet über ein landesweites Netz von Klöstern und Schreinen, die auch anderswo als lokale Machtzentren agieren. Daneben sind weite Landstriche sowohl religiös, als auch militärisch-politisch vom {{glossar:amida}} Buddhismus dominiert (s. [[Geschichte:Amidismus | Amidismus]]). Einzelne Amida Sekten haben ganze Provinzen unter ihre Kontrolle gebracht und dort eine Art gottesstaatliches Regime errichtet. Es kämpfen also nicht nur die Samurai untereinander um die Führung des Landes, auch religiöse Parteien sind in die Kämpfe mit eingebunden.<br />
{{sidebox|nanbanbune.jpg|w=140|top=-10|Schiff der Südlichen Barbaren}}<br />
In diese Zeit der Bürgerkriege fällt die Ankunft der ersten christlichen Missionare in Japan. 1549 erreichte der spanische Jesuit Francisco Xavier (1506–1552, der Heilige Franz Xaver) das Land und errichtete erste Missionsschulen. Von ihm ist überliefert, dass er „unter den Heiden“ kein Volk gefunden habe, welches dem Christentum zugänglicher sei als die Japaner. Wie in anderen Erdteilen, die im Zeitalter der Entdeckungen von Europäern erschlossen wurden, ging die Ankunft der Missionare auch in Japan Hand in Hand mit der Aufnahme von Handelsbeziehung nach Europa. Der rasche Missionserfolg, der aus Franz Xavers Worten spricht, dürfte nicht zuletzt mit diesem Handel in Verbindung stehen. Einige japanische Territorialherren erkannten sehr schnell, dass die „südlichen Barbaren“ ({{glossar:nanban}}), wie die Europäer damals in Japan hießen, über Technologien verfügten, die im Kampf um die Landesherrschaft von Vorteil waren. Dazu zählten in erster Linie Feuerwaffen. Es spricht daher einiges dafür, dass die militärische Einigung des Landes, die sich bald nach der Ankunft der christlichen Missionare abzuzeichnen begann, vor allem dieser neuen Kriegstechnologie zuzuschreiben ist, welche die existierende militärische Pattstellung zum Kippen brachte. (S. dazu auch den berühmten Kurosawa-Film ''Kagemusha''.)<br />
<br />
==Oda Nobunaga==<br />
{{sidebox|nobunaga_amidaji_lamers.jpg|w=140|top=-15|Oda Nobunaga}}<br />
<br />
{{glossar:odanobunaga}} (1534–1582) war der erste der sogenannten „Drei Reichseiniger“, der mit Hilfe der neuen Waffen eine hegemoniale Stellung innerhalb der kämpfenden Parteien erringen konnte. Seine guten Kontakte zu den jesutischen Missionaren, die zwischen ihm und anderen Europäern vermittelten, spielten in diesem Zusammenhang keine geringe Rolle. Das Christentum erfreute sich unter Nobunaga daher in Japan einer allgemeinen Duldung, wenn nicht gar Förderung. Gleichzeitig zählten die oben erwähnten buddhistischen Institutionen, die aktiv im Kriegsgeschehen mitmischten, zu Nobunagas erbittertsten Feinden.<br />
<br />
1571 richtete Nobunaga in dem Bestreben, Kyoto und seine Umgebung endgültig seinem Herrschaftsbereich einzugliedern, seine gesamte Streitmacht gegen Berg Hiei und äscherte den Klosterkomplex vollkommen ein. Nach den Berichten europäischer Missionare wurden etwa 1500 Mönche und Mönchssoldaten erbarmungslos niedergemetzelt und sämtliche der etwa 400 Klostergebäude zerstört. Obwohl buddhistische Tempel bereits in früherer Zeit Ziel militärischer Operationen gewesen waren, konnte sich insbesondere Berg Hiei doch einer gewissen religiösen Scheu aller kriegsführenden Parteien sicher sein. Wenn man vielleicht auch das Leben der Mönche gering achtete, so versprachen doch die vielen religiösen Heiligtümer Schutz vor kriegerischen Aggressionen. Demnach rechnete man im {{glossar:tendaishuu|Tendai}} Kloster wohl damit, dass Nobunaga gegen die eigenen Mönchsheere vorgehen könnte, aber ein direkter Angriff, der die Zerstörung des Klosteres bezweckte, wurde offensichtlich nicht für möglich gehalten. Nobunaga aber fühlte sich an die jahrhundertealten Tabus gegenüber religiösen Institutionen nicht mehr gebunden. Mit einem einzigen militärischen Schlag bereitete er somit der Hegemonie der japanischen Tendai Schule ein Ende und fügte dem Nimbus des japanischen Buddhismus wohl auch insgesamt bleibenden Schaden zu.<br />
<br />
Wie unter anderem Neil McMullin (1984) hervorhebt, änderte Nobunagas ungeschminkte Machtpolitik das Verhältnis zwischen weltlicher Regierung und buddhistischer Macht grundlegend. Anstatt sich von der Religion effektive spirituelle Unterstützung der eigenen politischen Ziele zu erwarten, wie dies ganz besonders im Zusammenhang mit der [[Geschichte:Frühzeit | Einführung des Buddhismus]] der Fall war, sahen die neuen Machthaber im Buddhismus von nun an lediglich ein politisches Instrument, dessen sie sich geschickt zu bedienen suchten. Die Figur Oda Nobunagas stellt ein paradigmatisches Beispiel dieses neuen Herrschertyps dar. Nicht umsonst wurde er letztlich selbst von den Christen, die ihm im Grunde viel zu verdanken hatten, mit den schlimmsten Tyrannen des Alten Testaments wie Nebukadnezar verglichen. Dies soll natürlich nicht bedeuten, dass alle folgenden Herrscher Nobunagas religiösen Zynismus teilten und nicht auch einige aufrichtigen buddhistischen Glaubens waren. Doch waren politische Führer von nun an nicht länger bereit, den vom Buddhismus selbst aufgestellten Regeln zu folgen, wenn dies in irgend einer Weise ihren eigenen Herrschaftsinteressen zuwider lief. Dieser a-religiöse Pragmatismus, der (bei aller Vorliebe für religiösen Pomp und sakrales Zeremoniell) von nun an das Verhältnis zwischen politischen Herrschern und buddhistischen Institutionen prägte, scheint ein wesentlicher Unterschied zwischen der religionsgeschichtlichen Situation des japanischen Mittelalters und der frühen Neuzeit zu sein.<br />
<br />
{{Linkbox|ue=Literatur|text=<br />
{{Literatur:Lamers_2001}}<br />
{{Literatur:Mcmullin_1984}}<br />
<br />
}}<br />
{{ThisWay|Geschichte: Christentum}}</div>Opaquehttps://religion-in-japan.univie.ac.at/r/index.php?title=Geschichte/Shinto_Mittelalter&diff=15564Geschichte/Shinto Mittelalter2010-09-21T10:51:08Z<p>Opaque: </p>
<hr />
<div>{{Styles}}<br />
=Shinto im Mittelalter=<br />
<br />
Die gegenseitige Durchdringung von Buddhismus und Shinto ist in der {{glossar:kamakura}} und {{glossar:muromachi}}-Zeit (drei·zehntes bis sech·zehntes Jahr·hundert) beinahe total. Es scheint, als könne man über·haupt nur von einer einzigen, mehr oder weniger syn·kre·tis·tischen Religion des ja·pa·nischen Mittel·alters sprechen. Gewisse Unter·schiede zwischen {{glossar:kami}} und Buddhas werden zwar nicht geleugnet, doch letztlich — so die all·ge·meine Auf·fas·sung — sind diese Unter·schiede nur schein·bar, im Grunde sind ''kami'' und Buddhas das Gleiche. Ebenso wie fast jeder ''kami''-Schrein unter der Ver·waltung eines bud·dhis·tischen Tempels steht, werden auch die ''kami'' selbst als „sichtbare Spuren“ ({{glossar:suijaku}}) oder Mani·fes·tati·onen einer bud·dhis·tischen Urform ({{glossar:honji}}) aufgefasst (s. [[Geschichte:Honji_suijaku | ''honji suijaku'' These]]).<br />
<br />
==Ryōbu Shinto==<br />
<br />
Einzelne Mönche gehen sogar noch weiter und betrachten ''kami'' und Buddhas als zwei ''gleichwertige'' Er·schei·nungs·formen ein und der selben gött·lichen Instanz. Ins·be·son·dere kommt es zur Ver·schmel·zung von {{Glossar:Dainichinyorai}}, dem Haupt·buddha des eso·te·rischen Bud·dhis·mus, mit {{Glossar:Amaterasu}}, der Ahnen·gott·heit des Tenno. Amaterasu und Dainichi werden in einem ähnlichen dualen Ver·hältnis zu einander gesehen wie die beiden Mandalas des eso·te·rischen Bud·dhis·mus, [[Ikonographie:Mandala/Ryogai_Mandara | Vajra- und Mutterschoß-Mandala]], die ihrerseits nur zwei Aspekte des kosmischen Buddha Dainichi darstellen. So wie die beiden Mandalas mitunter auch als „zweiteiliges Mandala“ (''ryōbu mandara'') bezeichnet werden, hat man für die Ver·schmel·zung von Dainichi und Amaterasu rück·blickend den Begriff {{glossar:ryoubushintou}}, „Shinto der beiden Teile“, erfunden. Ryōbu Shinto bezeichnet eine lose Gruppe von theo·logischen Spekulationen, die aus heutiger Sicht vor allem deshalb von Bedeutung sind, als aus dieser Richtung der erste Anstoß zu einer eigenständigen Theologie des Shinto entstand.<br />
<br />
Die Fragen, die manche buddhistische Mönche dazu trieben, sich aus theo·logischer Sicht mit den ein·hei·mischen Gott·heiten auseinander zu setzen, resultierten im all·gemeinen aus einzelnen Schrein·traditionen, die sich der Ein·ver·nahme durch den Bud·dhis·mus hart·näckig wider·setzten. Dazu zählten die bereits erwähnten seltsamen [[Geschichte:Kami_Kulte | Tabus]], die ganz besonders im Amaterasu Schrein von [[Bauten:Ise_Izumo | Ise]] gegen den Buddhismus errichtet worden waren. Und noch eine Vor·stellung findet sich allent·halben: Nicht alle ''kami'' sind bud·dhis·tische Er·schei·nungen. Manche — oft als „wirkliche ''kami''“ ({{glossar:jitsunokami}}) bezeichnet — haben keine bud·dhis·tische Urform. Sie gehören ins Reich der {{glossar:tengu}} und der mit Zauber·kraft aus·ge·statteten Füchse und {{glossar:tanuki}} (siehe Kapitel Mythen, [[Mythen:Geister | Geister]] bzw. [[Mythen:Füchse | Füchse]]) und sind tendenziell böse und gefährlich. Gerade diese „wirklichen ''kami''“ zogen nun die Auf·merk·sam·keit der Ryōbu Shinto Denker auf sich und resultierten in er·staun·lichen Theorien, die gerade diese untersten und un·heiligsten aller Götter zu Mani·fes·tati·onen von Amaterasu und Dainichi erklärten.<br />
<br />
Andere buddhistische Richtungen, zumeist radikale [[Geschichte:Amidismus | Amidisten]], lehnten die ''kami'' generell ab. Aber nicht mit dem Argument, dass es sie nicht gibt, sondern weil sie den Buddhas, bzw. {{Glossar:Amida}}, in jedem Fall unter·legen sind, und lediglich eine selbst·süchtige, dies·seits·ver·haftete, irre·ge·leitete Religiosität fordern und fördern.<br />
<br />
Zwischen diesen beiden Extremen gab es einen „religiösen Mainstream“, der grund·sätzlich dem Bud·dhis·mus anhing und zugleich den ''kami'' wohl·wollend gegen·über stand. Auch inner·halb dieses Mainstreams blieb aber ein gewisses Be·wusst·sein vom Unter·schied zwischen ein·hei·mischen und der bud·dhis·tischen Gestalten bestehen, wobei die einheimischen letztlich geringer eingestuft wurden.<br />
<br />
==Götterwind und Götterland==<br />
{{Sidebox|sidepage=Kamikaze|titel=essay|mokoshurai_ekotoba1.jpg|Götterwinde, Religion und Krieg }}<br />
<br />
Der Grund, warum man die ''kami'' trotz Vorherrschen des Buddhismus nie ganz aus dem Bewusst·sein verlor, mag in ihrer Ver·bunden·heit mit lokalen Ge·geben·heiten gelegen haben. In den ''kami'' suchten und fanden Japaner immer wieder die Be·stäti·gung einer lokalen — um nicht zu sagen „nationalen“ — Identität, die besonders in der emotionalen Positionierung gegenüber China eine Rolle spielte. Dies wird unter anderem am Beispiel der erfolg·reichen Abwehr der Mongolen·angriffe, Ende des drei·zehnten Jahr·hunderts deutlich. Be·kannter·maßen scheiterten die beiden Invasions·versuche der Mongolen unter Kubilai Khan 1274 und 1281 jeweils an Taifunen, durch die die angreifenden Flotten zerstört wurden. Diese Winde wurden in Japan nach·träglich den ''kami'' zu·ge·schrieben und als {{glossar:kamikaze}}, göttliche Winde, bezeichnet, ein Ausdruck, der im Zweiten Weltkrieg dann auch auf die Selbst·mord·piloten der Luft·waffe Anwendung fand.<br />
<br />
Es mag kein Zufall sein, dass im Anschluss an die Mongolen·angriffe der Begriff {{glossar:shinkoku}} — „Götterland“, bzw. „Land der ''kami''“ — immer häufiger auf·taucht, und zwar zumeist dann, wenn auf die Aus·er·wählt·heit Japans hingewiesen werden soll. Solche Gedanken spielen vor allem für die „Traditionalisten“ des ja·pa·nischen Mittel·alters eine große Rolle bei ihren Ver·suchen, die Macht des Tenno Hofes wieder her·zu·stellen. Der Krieger {{glossar:kitabatakechikafusa}} (1293-1354) ist dafür ein exemplarisches Beispiel. Er zieht nicht nur an der Seite des Kaisers Go-Daigo in den Krieg gegen das Kamakura-Shogunat, um den Tenno wieder ins Zentrum der Macht zurück·zu·führen, er schreibt auch gelehrte Werke, die den kaiser·lichen Macht·an·spruch historisch begründen. Der erste Satz seines Haupt·werkes {{glossar:jinnoushoutouki}} („Über die Wahre Abfolge der Göttlichen Herrscher“, entstanden um 1340) lautet folge·richtig: „Dieses Land ist ein Götterland.“ Wie im späteren [[Geschichte:Staatsshinto | Staatsshinto]], der den Begriff „Götterland“ ebenfalls gerne verwendete, wurden also bereits im Mittelalter ''kami''-Kult und Tenno-Kult mit einander in Beziehung gesetzt.<br />
<br />
==Watarai Shinto==<br />
<br />
Chikafusa stand mit einer religiösen Bewegung in Verbindung, die von {{glossar:Ise}}, genau genommen vom Äußeren Ise Schrein ({{glossar:gekuu}}) ausging und mit dem oben erwähnten Ryōbu Shinto in enger Ver·bin·dung stand. Der Äußere Schrein von Ise hatte stets damit zu kämpfen, dass Ise zwar insgesamt als heiliger Ort erachtet wurde, dass aber im Grunde nur {{glossar:Amaterasu}}, die Haupt·gott·heit des Inneren Schreins, als Ahnen·gott·heit des Tenno auf·ge·fasst wurde. Die Gott·heit des Äußeren Schreins, {{glossar:toyouke}}, wurde dagegen als Dienerin Amaterasus an·ge·sehen. Der Äußere Schrein war der Priester-Familie {{glossar:watarai}} anheim gestellt. Die Watarai entwarfen nun in einer Generationen über·span·nenden Unter·nehmung eine Theologie, die erstens Toyouke als die Ver·körpe·rung des Urgotts {{glossar:kuninotokotachi}} ansah, und zweitens beide Schreine, Inneren und Äußeren als Ent·spre·chung der beiden [[Ikonographie:Mandala/Ryogai_Mandara | Mandalas]] des Buddhas {{Glossar:Dainichinyorai}}. Im Unter·schied zur klassischen [[Geschichte:Honji_suijaku|''honji-suijaku'' Theorie]] und analog zum Ryōbu Shinto waren die Ise-Gottheiten und Dainichi voll·kommen gleich·wertig, einander wechsel·seitig spiegelnd. Ise wurde zum heiligen Boden Dainichis und der Ursprung Dainichis damit nach Japan verlegt. Dadurch wurde nebenbei auch der Begriff „Götterland“ bud·dhis·tisch begründet und ab·ge·sichert. Das machte den Ise- oder {{glossar:wataraishintou}}, wie diese Richtung heute genannt wird, wahrscheinlich auch besonders attraktiv in den Augen Chikafusas.<br />
<br />
Wie die Einbeziehung von {{glossar:dainichinyorai}} bereits andeutet, wurde der Watarai Shinto nicht von den Watarai Priestern allein, sondern auch von bud·dhis·tischen Mönchen, v.a. aus der esoterischen {{Glossar:Shingonshuu | Shingon}} Schule entwickelt. Damit nahmen Elemente des esoterisch-bud·dhis·tischen Ritus Einzug in diese Form des Shinto. Im Watarai Shinto gibt es demnach Gebets·formeln (Mantra), Hand·zeichen ([[Ikonographie:Mudra | Mudrā]]), die Anbetung von Sanskrit·zeichen, die Anrufung von Buddhas und anderes mehr. Daneben spielt auch der {{Glossar:Yinyang}} Glaube eine wichtige Rolle. Das deshalb, weil zu dieser Zeit auch die Shingon Schule starke Anleihen beim Yin Yang Glauben und der chinesischen Kosmologie machte. Im Mittel·punkt des Watarai Shinto standen allerdings traditionelle Riten des höfischen Shinto, die sozusagen buddhistisch aufbereitet wurden.<br />
<br />
Wie die Shingon Schule, hielten die Watarai ihre Gebets- und Ritualtexte geheim und gaben sie nur Initiierten weiter. Dennoch verbreitete sich der Watarai Shinto recht rasch und wirkte mit, Ise zu einem führenden Zentrum des mittel·alter·lichen Pilger·wesens werden zu lassen. Trotz dieser neuen Bedeutung der Ise Schreine ist es fraglich, inwieweit sich die Vertreter des Watarai Shinto selbst als „Shintoisten“ sahen. Sofern sie Priester in Ise waren, verfügten sie natürlich über eine historisch gewachsene Identität als ''kami''-Priester. Aber ein klares Bewusst·sein, einer vom Bud·dhis·mus verschiedenen Religion zu dienen, lässt sich kaum erkennen. Eher kann man im Watarai Shinto einen besonderen Versuch sehen, den Kult von Ise mit dem vor·herr·schenden bud·dhis·tischen Welt·bild in Einklang zu bringen und dabei dennoch die Besonderheit Ises zu wahren.<br />
<br />
==Yoshida Shinto==<br />
{{sidebox|taigenkyu.jpg|w=200|left=-20|top=-10|Hauptheiligtum des Yoshida Shinto}}<br />
<br />
Die Ideen und Techniken der {{glossar:watarai}} diffundierten in viele Schreine und Tempel des Mittel·alters und wurden im übrigen auch von den Priestern des Inneren Schreins von Ise über·nommen. Es dauerte aller·dings ver·hältnis·mäßig lange, bis auch die Familien des Tenno-Hofs — vor allem die Beamten des kaiser·lichen Götter·amtes ({{glossar:jingikan}}) — davon Gebrauch machten. Erst als die letzten Reste des {{glossar:heian}}-zeit·lichen Hof·staats im Zuge des Ōnin-Krieges (1467-1477) zerstört wurden und die Institution des Tenno den Tief·punkt ihrer politischen Be·deu·tungs·losig·keit erreichte, machte sich ein Ab·kömmling einer höfischen Priester·familie daran, eine Lehre im Stil der Watarai zu formulieren.<br />
<br />
Dieser Priester namens {{glossar:yoshidakanetomo}} (1435-1511) stammte aus der Familie der {{glossar:urabe}}, die seit der Heian-Zeit als Orakel·leser und Weis·sager bei Hof tätig waren. Sein sogenannter {{glossar:yoshidashintou}} bezieht Teile dieses Erbes mit ein, geht aber weit über die tra·di·ti·o·nellen Inhalte des höfischen Kults hinaus. Die Moti·vation Kanetomos scheint darin gelegen zu haben, das höfische Götter·amt neu zu errichten und unter die Füh·rung der Urabe Priester zu stellen. Dazu mussten viele Details der ehemals sakrosankten Ordnung des Hofes auf den Kopf gestellt werden, aber das fiel zu Kanetomos Zeit wohl nicht mehr allzu sehr ins Gewicht. Teile der Hof·aristo·kratie mögen in Yoshida Kanetomo und in der neuen esoterisch-religiösen Be·deu·tung, die er dem Tenno und seinen In·sti·tu·ti·onen zu·schrieb, hin·gegen einen neuen Hoffnungs·träger erblickt haben.<br />
<br />
===Die Lehre des Yoshida Shinto===<br />
<br />
Die ideengeschichtliche Bedeutung des Yoshida Shinto liegt aber nicht in der Revitalisierung des Götter·amtes. Vielmehr brachte Yoshida Kanetomo die Techniken und Theorien des Watarai Shinto erstmals in ein ge·schlos·senes System und gab ihm zudem einen Namen: {{glossar:yuiitsushintou}}, der „Eine und Einzige Shinto“. Damit war erstmals eine Richtung des Shinto ent·standen, die sich auch selbst als solche identifizierte und bewusst vom Bud·dhis·mus abhob. Kanetomo war zugleich einer der ersten, die das Verhältnis von ''kami'' und Buddhas, bzw. Shinto und Bud·dhis·mus explizit thema·tisierten. Um dem Shinto zum Vorrang gegen·über dem Bud·dhis·mus zu ver·helfen, drehte er die gängige ''honji suijaku'' These schlicht·weg um und erklärte die ''kami'' zur Urform ({{glossar:honji}}) und die Buddhas zur „Spur“ ({{glossar:suijaku}}). Nach Ansicht des Yoshida Shinto würden sich die ''kami'' nur in Japan, dem Götter·land, in ihrer wahren Gestalt zu erkennen geben, während sie sich in Indien und China in der behelfs·mäßigen Er·scheinungs·form von Buddhas manifestierten.<br />
<br />
Viele Elemente des Yoshida Shinto wirken aus heutiger Sicht derart bud·dhis·tisch, dass man sich kaum vor·stellen kann, wie zu jener Zeit nicht sofort die Idee auf·kommen konnte, der Yoshida Shinto hätte vom eso·te·rischen Bud·dhis·mus „abgekupfert“. Z.B. heißt es, dass es im Shinto „geheime“ und „offene“ Lehren gäbe (in Analogie zur Zwei·teilung in eso·te·rischen und exo·te·rischen Bud·dhis·mus), wobei die geheimen exklusiv im Besitz der Yoshida wären. Es gibt die Über·ein·stim·mung von Gesten, Worten und Gedanken (die „Drei Geheimnisse“ des eso·te·rischen Bud·dhis·mus), die zur Ver·einigung mit der an·ge·rufenen Gott·heit führen. Es gibt Ritual·gegen·stände und Mudrās, die direkt dem Shingon Bud·dhis·mus ent·nommen sind. Dennoch, aus der Sicht des all·gegen·wärtigen Syn·kre·tis·mus seiner Ent·stehungs·zeit wirkt der Yoshida Shinto durchaus puristisch: Es werden keine Buddhas an·ge·rufen. Es werden keine Sutren rezitiert. Es werden keine bud·dhis·tischen Mönche als Ur·heber der Lehre an·ge·geben. Es werden keine bud·dhis·tischen Ziele wie Erleuchtung, Nirvana, etc. proklamiert. Und wenn bestimmte Über·ein·stim·mungen mit dem Bud·dhis·mus an·er·kannt werden, dann nur, um die Ar·gu·men·tation zu stützen, dass auch der Buddhismus letztlich auf die japanischen ''kami'' zurückgeht.<br />
<br />
===Die Verbreitung des Yoshida Shinto===<br />
<br />
Der Yoshida Shinto verbreitete sich im sech·zehnten Jahr·hundert, also in der Zeit der „Kämpfenden Länder“ verhältnis·mäßig weit·läufig in vielen Provinzen. Das liegt nicht nur an seiner über·zeu·genden Doktrin, sondern auch daran, dass die Nachfolger Yoshida Kanetomos in diversen kleineren, regionalen Schreinen, die teilweise von neu ent·standenen Dorf·gemeinschaften getragen wurden, eine Klientel entdeckten, die weder vom Buddhismus noch von den traditionellen Groß·schreinen betreut wurde. Diesen Schreinen bot der Yoshida Shinto eine neue Form der Unter·stützung an, sei es, indem Priester in esoterische Riten des Yoshida Shinto eingeweiht wurden, sei es, dass der betreffende Schrein einfach einen Hofrang erhielt, den die Yoshida in ihrer Eigen·schaft als Priester des Götter·amts verteilten. Diese Funktion des Yoshida Shinto wurde in der {{glossar:edo}}-Zeit sogar offiziell anerkannt. Zum Entsetzen mancher anderer traditioneller Priester·familien, wurden die Yoshida in den ersten „Bestimmungen für Schreinpriester“<br /> des Tokugawa Shogunats (= {{glossar:shoshanegikannushihatto}}, 1665) als zuständig für alle Schreine deklariert, die nicht bereits über traditionelle Bindungen zum Kaiserhof verfügten. Das Shogunat erkannte damit den Tenno Hof als prinzipiell für alle Shinto Angelegenheiten zuständig an, und wählte innerhalb des Tenno Hofs die Yoshida als zuständig für die große Mehr·heit aller Shinto Schreine aus.<br />
<br />
Was das in der Praxis bedeutete, ist heute noch weitgehend ungeklärt. Fest steht zum einen, dass es dem Yoshida Shinto gelang ein weit verzweigtes System von abhängigen Schreinen zu schaffen. Zum anderen bemühten sich viele Familien und Shinto Schulen, u.a. der neu erstarkende {{glossar:wataraishintou}}, mit zunehmendem Erfolg darum, die Vormachtstellung der Yoshida zu brechen. Große Schreine mit traditionellen Bindungen zum Hof fielen im übrigen nicht in den Zuständigkeitsbereich der Yoshida. Dennoch war der Einfluss des Yoshida Shinto in der Edo-Zeit beträchtlich. Er wird heute nach wie vor unterschätzt und bedarf dringend einer historischen Aufarbeitung.<br />
<br />
===Kritik am Yoshida Shinto===<br />
<br />
Ein Grund für die geringe Kenntnis über den Yoshida Shinto soll auch kurz zur Sprache kommen: Bereits Anfang der Edo-Zeit kam es unter Intellektuellen zu einer „konfuzianischen Mode“ (s. [[Geschichte:Neo-Konfuzianismus | Neo-Konfuzianismus]]), die zunächst mit den chi·ne·sischen Vor·stellungen des Yoshida Shinto noch durchaus kompatibel war. Doch entwickelte sich unter konfuzianischer Sicht ein neuer Blick bzw. ein neues Wissen über die Geschichte Japans. Zugleich nahm die Kritik an den mittel·alterlichen Formen der eso·te·rischen Wahr·heits·ver·mitt·lung zu. Beides führte dazu, dass die Ansprüche des Yoshida Shinto immer mehr in Frage gestellt wurden. Die Idee eines „reinen Shinto“ wurde zwar aus dem Yoshida Shinto über·nommen, radikalisierte sich jedoch. Mitte der Edo-Zeit entstand daraus die sogenannte „Nationale Schule“ (''[[Geschichte:Kokugaku | kokugaku]]''), die sowohl den Buddhismus als auch den Konfuzianismus ablehnte. Unter Gelehrten wie {{glossar:motoorinorinaga}} und {{glossar:hirataatsutane}} wurde die {{glossar:kokugaku}} zu einer führenden intellektuellen Strömung, die namentlich die Führer der {{glossar:meiji}}-Restauration inspirierte. Die Politik der sogenannten „Trennung von ''kami ''und Buddhas“ gleich nach der Restauration im Jahre 1868 kann als ideologisches Kind der ''kokugaku'' bezeichnet werden (s. [[Geschichte:Staatsshinto | Staatsshinto]]). Sie führte zur endgültigen Auflösung des Yoshida Shinto, der nunmehr als synkretistisch verschrien war.<br />
<br />
Diese politisch-religiöse Entwicklung fand auch in der japanischen und schließlich in der westlichen Religionsforschung ihren Niederschlag. Unter der Ideologie des Staatshinto, also während der Meiji, und vor allem der frühen {{Glossar:Shouwa}} Zeit, wurde die Trennung von Buddhismus und Shinto auch rückwirkend vollzogen, alle „synkretistischen“ Richtungen wurden als historische Verirrungen gering geschätzt und in ihrer Bedeutung herunter gespielt. Erst in der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahr·hunderts setzte eine Revision dieses Geschichtbilds ein, die allerdings noch keineswegs abgeschlossen ist.<br />
<br />
{{Linkbox|ue=Literatur|text=<br />
{{Literatur:Kuroda_1981}}<br />
{{Literatur:Scheid_2001}}<br />
{{Literatur:Teeuwen_1996}}<br />
{{Literatur:Teeuwen_Scheid_2002}}<br />
<br />
}}<br />
{{ThisWay|Geschichte: Reichseinigung}}</div>Opaquehttps://religion-in-japan.univie.ac.at/r/index.php?title=Essays/Yasukuni&diff=15563Essays/Yasukuni2010-09-21T10:49:55Z<p>Opaque: </p>
<hr />
<div>{{Styles|sidepage}}<br />
=Yasukuni <span class="bottom"> Der „Schrein des friedlichen Landes“</span>=<br />
<div class="bildbox">[[Image:yasukuni.jpg|link=|yasukuni jinja]]<div class="bildtext"> Yasukuni Jinja — äußerlich ein ganz normaler [[Bauten:Schreine | Schrein]]... </div></div><br />
<br />
Der {{glossar:yasukunijinja|Yasukuni Schrein}} in unmittelbaren Nähe des Kaiserpalastes in Tokyo ist trotz seines pazifistischen Namens — „Schrein des friedlichen Landes“ oder freier: „Schrein zur Erhaltung des Friedens im Land“ — das bekannteste Kriegerdenkmal Japans. Vielen gilt er außerdem als Inbegriff des japanischen Ultranationalismus/ Faschismus. Der Schrein wurde 1869 gegründet, also unmittelbar nach der {{Glossar:Meiji}}-Restauration, am heutigen Ort und in seiner heutigen Gestalt existiert er aber erst seit 1879. Er beherbergte von Anfang an keine allgemein bekannte Gottheit, sondern sollte die Seelen derjenigen ehren, die für die Restauration der {{Glossar:Tennou}}-Herrschaft im Jahr 1868 ihr Leben gelassen hatten. Später wurden dann die Seelen der für den Tenno gefallenen Soldaten, angefangen vom ersten chinesisch-japanischen Krieg bis zum Zweiten Weltkrieg, zu {{Glossar:Kami}} des Yasukuni Schreins erhoben. Ihre Gesamtzahl beläuft sich derzeit auf ca. 2,3 Millionen.<br />
<br />
Seit seiner Gründung entwickelte sich der Schrein mehr und mehr zu einem Kultplatz moderner Kriegshelden- und Tenno-Verehrung. Seine besondere Nähe zum Tenno wird nicht nur durch das kaiserliche Chrysanthemen-Wappen symbolisiert, das auch heute noch auf den Tüchern über dem Eingang zum Schrein und an vielen anderen Stellen zu sehen ist; der Tenno selbst besuchte den Schrein bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs regelmäßig und auch danach noch gelegentlich. Dies war der einzige religiöse Akt, bei dem der Tenno Angehörige der allgemeinen Bevölkerung ehrte.<br />
<br />
Der Schrein unterstand bis 1945 dem Militär. Nach 1945 wurde er einer unabhängige Religionsgemeinschaft überantwortet, die sich um ihn bildete, ähnlich einer gewöhnlichen shintoistischen Institution. Allerdings beherbergt das Schreingelände nach wie vor ein heeresgeschichtliches Museum, vornehmlich mit Exponaten aus dem Zweiten Weltkrieg, in dem die japanische Eroberungpolitik unkritisch verherrlicht wird. Wirtschaftlich werden die Schreinaktivitäten von „unabhängigen Sponsoren“ unterstützt, meist privaten Vereinen, denen namhafte Vertreter des öffentlichen Lebens und der Politik angehören, bzw. vorstehen.<br />
<br />
Zu einem wirklich heißen politischen Thema wurde der Schrein jedoch erst im Jahr 1978, als die sogenannten „Showa Märtyrer“ in den Kreis der verehrten Gottheiten des Schreins aufgenommen wurden. Viele dieser „Märtyrer“ waren als Kriegsverbrecher der obersten Klasse hingerichtet worden, unter ihnen auch {{glossar:toujouhideki}} (1884–1948), der als Oberbefehlshaber und Premierminister während des Zweiten Weltkriegs die Spitze sowohl der politischen als auch der militärischen Macht Japans darstellte.<br />
<br />
<div class="bildbox">[[Image:yasukuni_displayroom_tojo.jpg|link=]]<div class="bildtext"> Schauraum des War Memorial Museums im Yasukuni Schrein. <br /> Bilder von im Schrein vergöttlichten Soldaten. <br /> Im Vordergrund rechts der „japanische Hitler“ Tōjō Hideki.<br /> Bild: [http://homepage2.nifty.com/munesuke/za-2005-7-20.htm Yamamoto Munesuke], 2005 [2010/8]. </div></div><br />
<br />
In den 70er Jahren begannen einzelne Premierminister mit der Praxis, dem Schrein am 15. August, dem Jahrestag der japanischen Kapitulationserklärung, einen informellen Besuch abzustatten. Zwar hat bisher jeder Premierminister betont, dass dies ein rein privater Besuch sei, aber solche Besuche rufen doch jedes Mal ebensoviel Empörung wie Zustimmung hervor, polarisieren also die japanische Wählerschaft. Regelmäßig wird diskutiert, in wie weit ein solcher Schreinbesuch nicht doch gegen Artikel 20 der Verfassung verstößt, in dem die Trennung von Religion und Staat festgeschrieben ist, bzw. in wie weit in einem solchen Akt die Kriegsvergangenheit Japans nicht doch im Nachhinein gerechtfertigt werden soll. Vor allem China und Korea reagieren sehr empfindlich auf Besuche von offiziellen Amtsträgern beim Yasukuni Schrein. Aus diesem Grund tendierten die meisten Premierminister dazu, den Yasukuni Schrein unbesucht zu lassen, aber die, die ihn doch besuchten, versprachen sich davon ganz offensichtlich einen populistischen Prestigegewinn, vor allem im rechten politischen Lager. Umfragen haben ergeben, dass nur etwa 20% der Japaner für einen Besuch ihres Premiers beim Yasukuni Schrein sind, die überwiegende Mehrheit ist eher dagegen. Aber offensichtlich stört der Yasukuni Schrein die Mehrheit der Wählerschaft nicht so sehr, dass sich ein Besuch des Premiers negativ bei Wahlen auswirken würde.<br />
<br />
Andererseits ist es der regierenden Liberal-Demokratischen Partei trotz mehrmaliger entsprechender Versuche nicht gelungen, einen Gesetzesantrag im Parlament durchzusetzen, der den Yasukuni Schrein als nicht-religiöse Institution einstuft und daher neuerlich einer staatlichen Unterstützung zugänglich macht. Hingegen wurde die Frage, ob der Besuch eines Premierministers im Yasukuni Schrein verfassungskonform sei oder nicht, bereits mehrmals vom Obersten Gerichtshof abschlägig beantwortet: Der Besuch eines Premiers, in der Form wie er etwa durch {{Glossar:Koizumijunichirou}} unternommen wurde, stellt demnach auch nach japanischem Recht eine Übertretung der verfassungsmäßig festgelegten Trennung von Religion und Politik dar.<br />
{{Linkbox|ue=Literatur und Links|text=<br />
* John Breen, 2005<br/>[http://www.japanfocus.org/-John-Breen/2060 „Yasukuni Shrine: Ritual and Memory“.]<br/>Artikel der Online Zeitschrift [http://japanfocus.org/ ''The Asia-Pacific Journal: Japan Focus''] (Autor oder Artikeltitel eingeben)<br />
{{Literatur:Breen_2007}}<br />
{{Literatur:Hardacre_1991}}<br />
{{Literatur:Takahashi_2006}}<br />
<br />
Sonstige Links:<br />
* [http://www.yasukuni.or.jp/english/ Yasukuni Jinja], offizielle Homepage (en.)<br />
|update= Aug. 2010|<br />
}}<br />
{{ThisWay}}</div>Opaquehttps://religion-in-japan.univie.ac.at/r/index.php?title=Geschichte/Shinto_Mittelalter&diff=15562Geschichte/Shinto Mittelalter2010-09-21T10:48:56Z<p>Opaque: </p>
<hr />
<div>{{Styles}}<br />
=Shinto im Mittelalter=<br />
<br />
Die gegenseitige Durchdringung von Buddhismus und Shinto ist in der {{glossar:kamakura}} und {{glossar:muromachi}}-Zeit (drei·zehntes bis sech·zehntes Jahr·hundert) beinahe total. Es scheint, als könne man über·haupt nur von einer einzigen, mehr oder weniger syn·kre·tis·tischen Religion des ja·pa·nischen Mittel·alters sprechen. Gewisse Unter·schiede zwischen {{glossar:kami}} und Buddhas werden zwar nicht geleugnet, doch letztlich — so die all·ge·meine Auf·fas·sung — sind diese Unter·schiede nur schein·bar, im Grunde sind ''kami'' und Buddhas das Gleiche. Ebenso wie fast jeder ''kami''-Schrein unter der Ver·waltung eines bud·dhis·tischen Tempels steht, werden auch die ''kami'' selbst als „sichtbare Spuren“ ({{glossar:suijaku}}) oder Mani·fes·tati·onen einer bud·dhis·tischen Urform ({{glossar:honji}}) aufgefasst (s. [[Geschichte:Honji_suijaku | ''honji suijaku'' These]]).<br />
<br />
==Ryōbu Shinto==<br />
<br />
Einzelne Mönche gehen sogar noch weiter und betrachten ''kami'' und Buddhas als zwei ''gleichwertige'' Er·schei·nungs·formen ein und der selben gött·lichen Instanz. Ins·be·son·dere kommt es zur Ver·schmel·zung von {{Glossar:Dainichinyorai}}, dem Haupt·buddha des eso·te·rischen Bud·dhis·mus, mit {{Glossar:Amaterasu}}, der Ahnen·gott·heit des Tenno. Amaterasu und Dainichi werden in einem ähnlichen dualen Ver·hältnis zu einander gesehen wie die beiden Mandalas des eso·te·rischen Bud·dhis·mus, [[Ikonographie:Mandala/Ryogai_Mandara | Vajra- und Mutterschoß-Mandala]], die ihrerseits nur zwei Aspekte des kosmischen Buddha Dainichi darstellen. So wie die beiden Mandalas mitunter auch als „zweiteiliges Mandala“ (''ryōbu mandara'') bezeichnet werden, hat man für die Ver·schmel·zung von Dainichi und Amaterasu rück·blickend den Begriff {{glossar:ryoubushintou}}, „Shinto der beiden Teile“, erfunden. Ryōbu Shinto bezeichnet eine lose Gruppe von theo·logischen Spekulationen, die aus heutiger Sicht vor allem deshalb von Bedeutung sind, als aus dieser Richtung der erste Anstoß zu einer eigenständigen Theologie des Shinto entstand.<br />
<br />
Die Fragen, die manche buddhistische Mönche dazu trieben, sich aus theo·logischer Sicht mit den ein·hei·mischen Gott·heiten auseinander zu setzen, resultierten im all·gemeinen aus einzelnen Schrein·traditionen, die sich der Ein·ver·nahme durch den Bud·dhis·mus hart·näckig wider·setzten. Dazu zählten die bereits erwähnten seltsamen [[Geschichte:Kami_Kulte | Tabus]], die ganz besonders im Amaterasu Schrein von [[Bauten:Ise_Izumo | Ise]] gegen den Buddhismus errichtet worden waren. Und noch eine Vor·stellung findet sich allent·halben: Nicht alle ''kami'' sind bud·dhis·tische Er·schei·nungen. Manche — oft als „wirkliche ''kami''“ ({{glossar:jitsunokami}}) bezeichnet — haben keine bud·dhis·tische Urform. Sie gehören ins Reich der {{glossar:tengu}} und der mit Zauber·kraft aus·ge·statteten Füchse und {{glossar:tanuki}} (siehe Kapitel Mythen, [[Mythen:Geister | Geister]] bzw. [[Mythen:Füchse | Füchse]]) und sind tendenziell böse und gefährlich. Gerade diese „wirklichen ''kami''“ zogen nun die Auf·merk·sam·keit der Ryōbu Shinto Denker auf sich und resultierten in er·staun·lichen Theorien, die gerade diese untersten und un·heiligsten aller Götter zu Mani·fes·tati·onen von Amaterasu und Dainichi erklärten.<br />
<br />
Andere buddhistische Richtungen, zumeist radikale [[Geschichte:Amidismus | Amidisten]], lehnten die ''kami'' generell ab. Aber nicht mit dem Argument, dass es sie nicht gibt, sondern weil sie den Buddhas, bzw. {{Glossar:Amida}}, in jedem Fall unter·legen sind, und lediglich eine selbst·süchtige, dies·seits·ver·haftete, irre·ge·leitete Religiosität fordern und fördern.<br />
<br />
Zwischen diesen beiden Extremen gab es einen „religiösen Mainstream“, der grund·sätzlich dem Bud·dhis·mus anhing und zugleich den ''kami'' wohl·wollend gegen·über stand. Auch inner·halb dieses Mainstreams blieb aber ein gewisses Be·wusst·sein vom Unter·schied zwischen ein·hei·mischen und der bud·dhis·tischen Gestalten bestehen, wobei die einheimischen letztlich geringer eingestuft wurden.<br />
<br />
==Götterwind und Götterland==<br />
{{Sidebox|sidepage=Kamikaze|titel=essay|mokoshurai_ekotoba1.jpg|Götterwinde, Religion und Krieg }}<br />
<br />
Der Grund, warum man die ''kami'' trotz Vorherrschen des Buddhismus nie ganz aus dem Bewusst·sein verlor, mag in ihrer Ver·bunden·heit mit lokalen Ge·geben·heiten gelegen haben. In den ''kami'' suchten und fanden Japaner immer wieder die Be·stäti·gung einer lokalen — um nicht zu sagen „nationalen“ — Identität, die besonders in der emotionalen Positionierung gegenüber China eine Rolle spielte. Dies wird unter anderem am Beispiel der erfolg·reichen Abwehr der Mongolen·angriffe, Ende des drei·zehnten Jahr·hunderts deutlich. Be·kannter·maßen scheiterten die beiden Invasions·versuche der Mongolen unter Kubilai Khan 1274 und 1281 jeweils an Taifunen, durch die die angreifenden Flotten zerstört wurden. Diese Winde wurden in Japan nach·träglich den ''kami'' zu·ge·schrieben und als {{glossar:kamikaze}}, göttliche Winde, bezeichnet, ein Ausdruck, der im Zweiten Weltkrieg dann auch auf die Selbst·mord·piloten der Luft·waffe Anwendung fand.<br />
<br />
Es mag kein Zufall sein, dass im Anschluss an die Mongolen·angriffe der Begriff {{glossar:shinkoku}} — „Götterland“, bzw. „Land der ''kami''“ — immer häufiger auf·taucht, und zwar zumeist dann, wenn auf die Aus·er·wählt·heit Japans hingewiesen werden soll. Solche Gedanken spielen vor allem für die „Traditionalisten“ des ja·pa·nischen Mittel·alters eine große Rolle bei ihren Ver·suchen, die Macht des Tenno Hofes wieder her·zu·stellen. Der Krieger {{glossar:kitabatakechikafusa}} (1293-1354) ist dafür ein exemplarisches Beispiel. Er zieht nicht nur an der Seite des Kaisers Go-Daigo in den Krieg gegen das Kamakura-Shogunat, um den Tenno wieder ins Zentrum der Macht zurück·zu·führen, er schreibt auch gelehrte Werke, die den kaiser·lichen Macht·an·spruch historisch begründen. Der erste Satz seines Haupt·werkes {{glossar:jinnoushoutouki}} („Über die Wahre Abfolge der Göttlichen Herrscher“, entstanden um 1340) lautet folge·richtig: „Dieses Land ist ein Götterland.“ Wie im späteren [[Geschichte:Staatsshinto | Staatsshinto]], der den Begriff „Götterland“ ebenfalls gerne verwendete, wurden also bereits im Mittelalter ''kami''-Kult und Tenno-Kult mit einander in Beziehung gesetzt.<br />
<br />
==Watarai Shinto==<br />
<br />
Chikafusa stand mit einer religiösen Bewegung in Verbindung, die von {{glossar:Ise}}, genau genommen vom Äußeren Ise Schrein ({{glossar:gekuu}}) ausging und mit dem oben erwähnten Ryōbu Shinto in enger Ver·bin·dung stand. Der Äußere Schrein von Ise hatte stets damit zu kämpfen, dass Ise zwar insgesamt als heiliger Ort erachtet wurde, dass aber im Grunde nur {{glossar:Amaterasu}}, die Haupt·gott·heit des Inneren Schreins, als Ahnen·gott·heit des Tenno auf·ge·fasst wurde. Die Gott·heit des Äußeren Schreins, {{glossar:toyouke}}, wurde dagegen als Dienerin Amaterasus an·ge·sehen. Der Äußere Schrein war der Priester-Familie {{glossar:watarai}} anheim gestellt. Die Watarai entwarfen nun in einer Generationen über·span·nenden Unter·nehmung eine Theologie, die erstens Toyouke als die Ver·körpe·rung des Urgotts {{glossar:kuninotokotachi}} ansah, und zweitens beide Schreine, Inneren und Äußeren als Ent·spre·chung der beiden [[Ikonographie:Mandala/Ryogai_Mandara | Mandalas]] des Buddhas {{Glossar:Dainichinyorai}}. Im Unter·schied zur klassischen [[Geschichte:Honji_suijaku|''honji-suijaku'' Theorie]] und analog zum Ryōbu Shinto waren die Ise-Gottheiten und Dainichi voll·kommen gleich·wertig, einander wechsel·seitig spiegelnd. Ise wurde zum heiligen Boden Dainichis und der Ursprung Dainichis damit nach Japan verlegt. Dadurch wurde nebenbei auch der Begriff „Götterland“ bud·dhis·tisch begründet und ab·ge·sichert. Das machte den Ise- oder {{glossar:wataraishintou}}, wie diese Richtung heute genannt wird, wahrscheinlich auch besonders attraktiv in den Augen Chikafusas.<br />
<br />
Wie die Einbeziehung von {{glossar:dainichinyorai}} bereits andeutet, wurde der Watarai Shinto nicht von den Watarai Priestern allein, sondern auch von bud·dhis·tischen Mönchen, v.a. aus der esoterischen {{Glossar:Shingonshuu | Shingon}} Schule entwickelt. Damit nahmen Elemente des esoterisch-bud·dhis·tischen Ritus Einzug in diese Form des Shinto. Im Watarai Shinto gibt es demnach Gebets·formeln (Mantra), Hand·zeichen ([[Ikonographie:Mudra | Mudrā]]), die Anbetung von Sanskrit·zeichen, die Anrufung von Buddhas und anderes mehr. Daneben spielt auch der {{Glossar:Yinyang}} Glaube eine wichtige Rolle. Das deshalb, weil zu dieser Zeit auch die Shingon Schule starke Anleihen beim Yin Yang Glauben und der chinesischen Kosmologie machte. Im Mittel·punkt des Watarai Shinto standen allerdings traditionelle Riten des höfischen Shinto, die sozusagen buddhistisch aufbereitet wurden.<br />
<br />
Wie die Shingon Schule, hielten die Watarai ihre Gebets- und Ritualtexte geheim und gaben sie nur Initiierten weiter. Dennoch verbreitete sich der Watarai Shinto recht rasch und wirkte mit, Ise zu einem führenden Zentrum des mittel·alter·lichen Pilger·wesens werden zu lassen. Trotz dieser neuen Bedeutung der Ise Schreine ist es fraglich, inwieweit sich die Vertreter des Watarai Shinto selbst als „Shintoisten“ sahen. Sofern sie Priester in Ise waren, verfügten sie natürlich über eine historisch gewachsene Identität als ''kami''-Priester. Aber ein klares Bewusst·sein, einer vom Bud·dhis·mus verschiedenen Religion zu dienen, lässt sich kaum erkennen. Eher kann man im Watarai Shinto einen besonderen Versuch sehen, den Kult von Ise mit dem vor·herr·schenden bud·dhis·tischen Welt·bild in Einklang zu bringen und dabei dennoch die Besonderheit Ises zu wahren.<br />
<br />
==Yoshida Shinto==<br />
{{sidebox|taigenkyu.jpg|w=200|left=-20|top=-10|Hauptheiligtum des Yoshida Shinto}}<br />
<br />
Die Ideen und Techniken der {{glossar:watarai}} diffundierten in viele Schreine und Tempel des Mittel·alters und wurden im übrigen auch von den Priestern des Inneren Schreins von Ise über·nommen. Es dauerte aller·dings ver·hältnis·mäßig lange, bis auch die Familien des Tenno-Hofs — vor allem die Beamten des kaiser·lichen Götter·amtes ({{glossar:jingikan}}) — davon Gebrauch machten. Erst als die letzten Reste des {{glossar:heian}}-zeit·lichen Hof·staats im Zuge des Ōnin-Krieges (1467-1477) zerstört wurden und die Institution des Tenno den Tief·punkt ihrer politischen Be·deu·tungs·losig·keit erreichte, machte sich ein Ab·kömmling einer höfischen Priester·familie daran, eine Lehre im Stil der Watarai zu formulieren.<br />
<br />
Dieser Priester namens {{glossar:yoshidakanetomo}} (1435-1511) stammte aus der Familie der {{glossar:urabe}}, die seit der Heian-Zeit als Orakel·leser und Weis·sager bei Hof tätig waren. Sein sog. {{glossar:yoshidashintou}} bezieht Teile dieses Erbes mit ein, geht aber weit über die tra·di·ti·o·nellen Inhalte des höfischen Kults hinaus. Die Moti·vation Kanetomos scheint darin gelegen zu haben, das höfische Götter·amt neu zu errichten und unter die Füh·rung der Urabe Priester zu stellen. Dazu mussten viele Details der ehemals sakrosankten Ordnung des Hofes auf den Kopf gestellt werden, aber das fiel zu Kanetomos Zeit wohl nicht mehr allzu sehr ins Gewicht. Teile der Hof·aristo·kratie mögen in Yoshida Kanetomo und in der neuen esoterisch-religiösen Be·deu·tung, die er dem Tenno und seinen In·sti·tu·ti·onen zu·schrieb, hin·gegen einen neuen Hoffnungs·träger erblickt haben.<br />
<br />
===Die Lehre des Yoshida Shinto===<br />
<br />
Die ideengeschichtliche Bedeutung des Yoshida Shinto liegt aber nicht in der Revitalisierung des Götter·amtes. Vielmehr brachte Yoshida Kanetomo die Techniken und Theorien des Watarai Shinto erstmals in ein ge·schlos·senes System und gab ihm zudem einen Namen: {{glossar:yuiitsushintou}}, der „Eine und Einzige Shinto“. Damit war erstmals eine Richtung des Shinto ent·standen, die sich auch selbst als solche identifizierte und bewusst vom Bud·dhis·mus abhob. Kanetomo war zugleich einer der ersten, die das Verhältnis von ''kami'' und Buddhas, bzw. Shinto und Bud·dhis·mus explizit thema·tisierten. Um dem Shinto zum Vorrang gegen·über dem Bud·dhis·mus zu ver·helfen, drehte er die gängige ''honji suijaku'' These schlicht·weg um und erklärte die ''kami'' zur Urform ({{glossar:honji}}) und die Buddhas zur „Spur“ ({{glossar:suijaku}}). Nach Ansicht des Yoshida Shinto würden sich die ''kami'' nur in Japan, dem Götter·land, in ihrer wahren Gestalt zu erkennen geben, während sie sich in Indien und China in der behelfs·mäßigen Er·scheinungs·form von Buddhas manifestierten.<br />
<br />
Viele Elemente des Yoshida Shinto wirken aus heutiger Sicht derart bud·dhis·tisch, dass man sich kaum vor·stellen kann, wie zu jener Zeit nicht sofort die Idee auf·kommen konnte, der Yoshida Shinto hätte vom eso·te·rischen Bud·dhis·mus „abgekupfert“. Z.B. heißt es, dass es im Shinto „geheime“ und „offene“ Lehren gäbe (in Analogie zur Zwei·teilung in eso·te·rischen und exo·te·rischen Bud·dhis·mus), wobei die geheimen exklusiv im Besitz der Yoshida wären. Es gibt die Über·ein·stim·mung von Gesten, Worten und Gedanken (die „Drei Geheimnisse“ des eso·te·rischen Bud·dhis·mus), die zur Ver·einigung mit der an·ge·rufenen Gott·heit führen. Es gibt Ritual·gegen·stände und Mudrās, die direkt dem Shingon Bud·dhis·mus ent·nommen sind. Dennoch, aus der Sicht des all·gegen·wärtigen Syn·kre·tis·mus seiner Ent·stehungs·zeit wirkt der Yoshida Shinto durchaus puristisch: Es werden keine Buddhas an·ge·rufen. Es werden keine Sutren rezitiert. Es werden keine bud·dhis·tischen Mönche als Ur·heber der Lehre an·ge·geben. Es werden keine bud·dhis·tischen Ziele wie Erleuchtung, Nirvana, etc. proklamiert. Und wenn bestimmte Über·ein·stim·mungen mit dem Bud·dhis·mus an·er·kannt werden, dann nur, um die Ar·gu·men·tation zu stützen, dass auch der Buddhismus letztlich auf die japanischen ''kami'' zurückgeht.<br />
<br />
===Die Verbreitung des Yoshida Shinto===<br />
<br />
Der Yoshida Shinto verbreitete sich im sech·zehnten Jahr·hundert, also in der Zeit der „Kämpfenden Länder“ verhältnis·mäßig weit·läufig in vielen Provinzen. Das liegt nicht nur an seiner über·zeu·genden Doktrin, sondern auch daran, dass die Nachfolger Yoshida Kanetomos in diversen kleineren, regionalen Schreinen, die teilweise von neu ent·standenen Dorf·gemeinschaften getragen wurden, eine Klientel entdeckten, die weder vom Buddhismus noch von den traditionellen Groß·schreinen betreut wurde. Diesen Schreinen bot der Yoshida Shinto eine neue Form der Unter·stützung an, sei es, indem Priester in esoterische Riten des Yoshida Shinto eingeweiht wurden, sei es, dass der betreffende Schrein einfach einen Hofrang erhielt, den die Yoshida in ihrer Eigen·schaft als Priester des Götter·amts verteilten. Diese Funktion des Yoshida Shinto wurde in der {{glossar:edo}}-Zeit sogar offiziell anerkannt. Zum Entsetzen mancher anderer traditioneller Priester·familien, wurden die Yoshida in den ersten „Bestimmungen für Schreinpriester“<br /> des Tokugawa Shogunats (= {{glossar:shoshanegikannushihatto}}, 1665) als zuständig für alle Schreine deklariert, die nicht bereits über traditionelle Bindungen zum Kaiserhof verfügten. Das Shogunat erkannte damit den Tenno Hof als prinzipiell für alle Shinto Angelegenheiten zuständig an, und wählte innerhalb des Tenno Hofs die Yoshida als zuständig für die große Mehr·heit aller Shinto Schreine aus.<br />
<br />
Was das in der Praxis bedeutete, ist heute noch weitgehend ungeklärt. Fest steht zum einen, dass es dem Yoshida Shinto gelang ein weit verzweigtes System von abhängigen Schreinen zu schaffen. Zum anderen bemühten sich viele Familien und Shinto Schulen, u.a. der neu erstarkende {{glossar:wataraishintou}}, mit zunehmendem Erfolg darum, die Vormachtstellung der Yoshida zu brechen. Große Schreine mit traditionellen Bindungen zum Hof fielen im übrigen nicht in den Zuständigkeitsbereich der Yoshida. Dennoch war der Einfluss des Yoshida Shinto in der Edo-Zeit beträchtlich. Er wird heute nach wie vor unterschätzt und bedarf dringend einer historischen Aufarbeitung.<br />
<br />
===Kritik am Yoshida Shinto===<br />
<br />
Ein Grund für die geringe Kenntnis über den Yoshida Shinto soll auch kurz zur Sprache kommen: Bereits Anfang der Edo-Zeit kam es unter Intellektuellen zu einer „konfuzianischen Mode“ (s. [[Geschichte:Neo-Konfuzianismus | Neo-Konfuzianismus]]), die zunächst mit den chi·ne·sischen Vor·stellungen des Yoshida Shinto noch durchaus kompatibel war. Doch entwickelte sich unter konfuzianischer Sicht ein neuer Blick bzw. ein neues Wissen über die Geschichte Japans. Zugleich nahm die Kritik an den mittel·alterlichen Formen der eso·te·rischen Wahr·heits·ver·mitt·lung zu. Beides führte dazu, dass die Ansprüche des Yoshida Shinto immer mehr in Frage gestellt wurden. Die Idee eines „reinen Shinto“ wurde zwar aus dem Yoshida Shinto über·nommen, radikalisierte sich jedoch. Mitte der Edo-Zeit entstand daraus die sogenannte „Nationale Schule“ (''[[Geschichte:Kokugaku | kokugaku]]''), die sowohl den Buddhismus als auch den Konfuzianismus ablehnte. Unter Gelehrten wie {{glossar:motoorinorinaga}} und {{glossar:hirataatsutane}} wurde die {{glossar:kokugaku}} zu einer führenden intellektuellen Strömung, die namentlich die Führer der {{glossar:meiji}}-Restauration inspirierte. Die Politik der sogenannten „Trennung von ''kami ''und Buddhas“ gleich nach der Restauration im Jahre 1868 kann als ideologisches Kind der ''kokugaku'' bezeichnet werden (s. [[Geschichte:Staatsshinto | Staatsshinto]]). Sie führte zur endgültigen Auflösung des Yoshida Shinto, der nunmehr als synkretistisch verschrien war.<br />
<br />
Diese politisch-religiöse Entwicklung fand auch in der japanischen und schließlich in der westlichen Religionsforschung ihren Niederschlag. Unter der Ideologie des Staatshinto, also während der Meiji, und vor allem der frühen {{Glossar:Shouwa}} Zeit, wurde die Trennung von Buddhismus und Shinto auch rückwirkend vollzogen, alle „synkretistischen“ Richtungen wurden als historische Verirrungen gering geschätzt und in ihrer Bedeutung herunter gespielt. Erst in der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahr·hunderts setzte eine Revision dieses Geschichtbilds ein, die allerdings noch keineswegs abgeschlossen ist.<br />
<br />
{{Linkbox|ue=Literatur|text=<br />
{{Literatur:Kuroda_1981}}<br />
{{Literatur:Scheid_2001}}<br />
{{Literatur:Teeuwen_1996}}<br />
{{Literatur:Teeuwen_Scheid_2002}}<br />
<br />
}}<br />
{{ThisWay|Geschichte: Reichseinigung}}</div>Opaquehttps://religion-in-japan.univie.ac.at/r/index.php?title=Spezial:Badtitle/NS109:Affen/Tierkreis&diff=15340Spezial:Badtitle/NS109:Affen/Tierkreis2010-09-18T19:42:28Z<p>Opaque: Die Seite wurde geleert.</p>
<hr />
<div></div>Opaquehttps://religion-in-japan.univie.ac.at/r/index.php?title=Spezial:Badtitle/NS109:Goetter_der_Erde/Okuninushi&diff=15314Spezial:Badtitle/NS109:Goetter der Erde/Okuninushi2010-09-18T19:19:32Z<p>Opaque: </p>
<hr />
<div>==zu Anmerkung 13==<br />
Kann es sein, dass gerade aufgrund der vielen Eheverhältnisse/Heiraten/Affären/uÄ. des Ōkuninushi ebendieser mit dem Gott der guten Ehebeziehungen in Verbindung gebracht wird? Monogamie ist in Japan doch erst seit Meiji ein ''Ideal'', oder war es das auch in der Frühzeit? Weiß hier jemand näheres? Vielleicht schaffe ich es bei Gelegenheit einmal zu diesem Thema genauer nachzuforschen ... --[[Benutzer:Opaque|Opaque]] 18:10, 24. Aug. 2010 (CEST)</div>Opaquehttps://religion-in-japan.univie.ac.at/r/index.php?title=Formular_Diskussion:Shaka/32_Merkmale&diff=15294Formular Diskussion:Shaka/32 Merkmale2010-09-18T19:07:54Z<p>Opaque: Die Seite wurde geleert.</p>
<hr />
<div></div>Opaquehttps://religion-in-japan.univie.ac.at/r/index.php?title=Formular_Diskussion:Einleitung&diff=15280Formular Diskussion:Einleitung2010-09-18T18:58:31Z<p>Opaque: Die Seite wurde geleert.</p>
<hr />
<div></div>Opaquehttps://religion-in-japan.univie.ac.at/r/index.php?title=Spezial:Badtitle/NS105:Yamabushi/En_no_Gyoja&diff=15274Spezial:Badtitle/NS105:Yamabushi/En no Gyoja2010-09-18T18:54:54Z<p>Opaque: Die Seite wurde geleert.</p>
<hr />
<div></div>Opaquehttps://religion-in-japan.univie.ac.at/r/index.php?title=Diskussion:Alltag/Totenriten&diff=15264Diskussion:Alltag/Totenriten2010-09-18T18:49:27Z<p>Opaque: Die Seite wurde geleert.</p>
<hr />
<div></div>Opaquehttps://religion-in-japan.univie.ac.at/r/index.php?title=Alltag/Matsuri/Feuergang&diff=15241Alltag/Matsuri/Feuergang2010-09-18T18:36:11Z<p>Opaque: </p>
<hr />
<div>{{Styles|sidepage}}<br />
=Feuer-Gang auf dem Berg Takao=<br />
<br />
{{Galerie2|bilder={{Dia2|<br />
yamabushi_takao_wada1m.jpg|w=x120}}{{Dia2|<br />
yamabushi_takao_wada2m.jpg|w=x120|left=-30}}{{Dia2|<br />
yamabushi_takao_wada7m.jpg|w=x120|left=-30}}{{Dia2|<br />
yamabushi_takao_wada3m.jpg|w=x120}}{{Dia2|<br />
yamabushi_takao_wada4m.jpg|w=x120|left=-30}}{{Dia2|<br />
yamabushi_takao_wada5m.jpg|w=x120|left=-20}}{{Dia2|<br />
yamabushi_takao_wada6m.jpg|w=x120|left=-50}}{{Dia2|<br />
yamabushi_takao_wada5a.jpg|w=96}}{{Dia2|<br />
yamabushi_takao_wada6a.jpg|w=96}}{{Dia2|<br />
yamabushi_takao_wada7a.jpg|w=96}}<br />
}}<br />
{{Glossar:Gomagyouji | ''Goma''}}-Riten, bei denen meist zu Ehren des {{glossar:fudoumyouou}} ein Feuer entzündet und ein bloß·füßiger Gang durch die glühende Asche ver·an·staltet wird, zählen zu den typischen Aktivitäten der {{glossar:Yamabushi}}. Die Foto-Strecke zeigt ein Feuer-Fest des Shingon Tempels Yakuō-in, einem ''yamabushi-''Zentrum am Fuße des Berges {{glossar:Takaosan|Takao}} im Westen Tokyos. Der Tempel führt seine Wurzeln auf den Nara-zeit·lichen Mönch {{glossar:gyouki}} und auf {{glossar:kuukai}} zurück.<br />
{{Linkbox|text=<br />
* [http://wadaphoto.jp/maturi/hiwatari1.htm Takao-san ōhiwatari matsuri], Wada Yoshio (jap.)<br/>Dieser Website entstammen die obigen Fotos. Sie wurden am 14. März 2004 in Takao-machi, am westlichen Stadtrand von Tokyo aufgenommen.<br />
* [http://flickr.com/photos/mshades/sets/72157594513817780/ Setsubun at Mibudera], Chris Gladis (en.)<br/>Foto-Strecke auf flickr (2007), die einen ähnlichen ''goma''-Ritus, allerdings ohne Feuer-Gang, im Mibudera in Kyoto dokumentiert.<br />
* [http://www.davidmoreton.com/echoes/09.html Fire Walk at Saba Daishi],Don Weiss (en.)<br/>Yamabushi ''goma''-Ritus auf Shikoku.<br />
|update= Aug. 2010|<br />
}}<br />
{{ThisWay}}</div>Opaquehttps://religion-in-japan.univie.ac.at/r/index.php?title=Spezial:Badtitle/NS103:Bekannte_Schreine/Itsukushima&diff=15220Spezial:Badtitle/NS103:Bekannte Schreine/Itsukushima2010-09-18T18:21:46Z<p>Opaque: Die Seite wurde geleert.</p>
<hr />
<div></div>Opaquehttps://religion-in-japan.univie.ac.at/r/index.php?title=Spezial:Badtitle/NS103:Bekannte_Schreine/Tenjin&diff=15217Spezial:Badtitle/NS103:Bekannte Schreine/Tenjin2010-09-18T18:20:18Z<p>Opaque: Die Seite wurde geleert.</p>
<hr />
<div></div>Opaquehttps://religion-in-japan.univie.ac.at/r/index.php?title=Spezial:Badtitle/NS103:Bekannte_Schreine/Fushimi&diff=15214Spezial:Badtitle/NS103:Bekannte Schreine/Fushimi2010-09-18T18:18:30Z<p>Opaque: Die Seite wurde geleert.</p>
<hr />
<div></div>Opaquehttps://religion-in-japan.univie.ac.at/r/index.php?title=Bauten/Tempel/Stupa&diff=15203Bauten/Tempel/Stupa2010-09-18T18:10:05Z<p>Opaque: /* Der Stupa-Berg von Borobudur, Java */</p>
<hr />
<div>{{Styles|sidepage}}<br />
=Bekannte Pagoden und Stupas <span class="bottom">außerhalb Japans</span>=<br />
<div class="bildbox" style='margin:0; padding:0'>[[Image:stupa_sanchi.jpg|link=]]</div><br />
==Die Grabstupas von Sanchi==<br />
<br />
Die buddhistischen Monumente von Sanchi, nahe der Stadt Vidisha in Südindien, gehen auf den legendären Förderer des Bud·dhis·mus, König Ashoka (273–236 v.u.Z.) zurück. Dieser soll sieben der acht ersten Stupas errichtet haben, darunter auch den Haupt·stupa von Sanchi. Die heutige Form der großen Grab·stupas, in denen auch Reliquien der Buddha-Schüler Shariputra and Maha Moggalana bei·gesetzt worden sein sollen, stammt wahr·scheinlich aus dem zweiten Jahr·hundert vor unserer Zeit·rechnung. Während der folgenden tausend Jahre befand sich hier ein großes Zentrum des bud·dhis·tischen Glaubens mit zahl·reichen Tempeln. Im drei·zehnten und vier·zehnten Jahr·hundert erfasste der allgemeine Nieder·gang des indischen Bud·dhis·mus aber auch die Tempel·anlagen von Sanchi, die verlassen und dem natürlichen Verfall prei·gegeben wurden. Außerdem erfuhren die Stupas im Zuge ihrer Wieder·ent·deckung im frühen neun·zehnten Jahr·hundert zahlreiche Schäden durch Plün·derungen und unsach·gemäße archäologische Behandlung. Erst in den Jahren 1912–1919 wurden sie in den heute sichtbaren Zustand gebracht.<br />
<br />
<div class='largebox'><br />
{| align='center' class='bildbox' |<br />
|-<br />
| rowspan='2' | [[Image:stupa_sanchi_tor.jpg|link=|Sanchi]]<br />
| [[Image:sanchi_detail.jpg|link=|Sanchi Detail]]<br />
|-<br />
| class='bildtext'|Die „''torii''“ von Sanchi <br />
|}<br />
</div><br />
<br />
Sanchi repräsentiert wahrscheinlich die älteste Form der Stupas, bestehend aus einer halb·kugel·förmigen Kammer und einer dünnen Spitze, die einen oder mehrere Schirme als Zeichen königlicher Macht darstellt. Aus diesen Schirmen entwickeln sich mit der Zeit eine Anzahl von Ringen (in Japan meist neun plus zusätzliche Elemente), die man auch auf der Spitze japanischer Pagoden erkennen kann. Die konkrete Aus·gestaltung ist starken regionalen Unter·schieden aus·gesetzt, aber immer ist die Spitze eines Stupas Gegen·stand eines ausgefeilten Symbolismus. Zu den klassischen Stupas gehört außerdem ein Rundgang, denn das rituelle Um·schreiten des Stupa (im Uhr·zeiger·sinn) ist ein essentielles Mittel, um gutes Karma zu erlangen. Diese Rund·gänge sind oft, wie z.B. in Sanchi, von einer Mauer eingefasst und durch Ein·gangs·tore zu betreten. Im Fall von Sanchi gab es ursprünglich bei jedem Stupa vier Tore, die in alle vier Himmels·richtungen wiesen. Viele sind noch erhalten und gestatten dank ihrer reichen Aus·gestaltung mit Mosaiken einen guten Ein·blick in die frühe bud·dhis·tische Kunst. Frühere europäische Beobachter waren außerdem der Meinung, dass die Tore bauliche Ähnlich·keiten mit japanischen {{Glossar:torii}} aufweisen und möglicher·weise ihre Urform darstellen. Heutige Religions·historiker sind diesbezüglich allerdings eher skeptisch. (S. dazu die Sidepage ''[[Bauten:Schreine/Torii|Torii]]''.)<br />
<br />
==Dharmek Stupa==<br />
<br />
<div class="bildbox">[[Image:dharmekh_stupa_sarnath.jpg|link=|Dharmek Stupa]]<div class='bildtext'> Dharmek Stupa, Gupta Zeit, Höhe 31,3m </div></div><br />
Dieser Stupa befindet sich unweit von Benares in Sarnath, dem „Hirschpark“, wo Buddha [[Shakyamuni]] angeblich seine erste Predigt hielt. Der Stupa gilt ebenfalls als eine Gründung Ashokas, doch schon vor Ashoka scheint sich hier ein bud·dhis·tisches Kloster befunden zu haben. Heute existiert nur noch die Basis des Bauwerks, auf der sich ·früher noch eine turmartige Spitze befunden haben muss.<br />
<br />
==Der Swayambunatha Stupa in Kathmandu, Nepal==<br />
<br />
<div class="largebox"><br />
{|class="bildbox" align='center' |<br />
| [[Image:swayambhunatha_kathmandu_nepal.jpg|link=|Swayambunatha Stupa]] <br />
| [[Image:swayambhunatha_kathmandu2.jpg|link=|Swayambunatha Stupa]]<br />
|}<br />
</div><br />
<br />
Ältester und bekanntester Stupa Nepals, angeblich ebenfalls eine Gründung König Ashokas. Die heutige Form stammt aus dem vier·zehnten Jahr·hundert und wurde im sieb·zehnten Jahr·hundert weiter ausgebaut. Besonders auf·fallend die nach allen Richtungen blickenden Augen·paare, Symbol für die allum·fassende Wahr·nehmungs·fähigkeit des Buddha.<br />
<br />
==Der Stupa-Berg von Borobudur, Java==<br />
<br />
{| class="bildbox" align='center'|<br />
| [[Image:borobudur.jpg|250px|borobodur birdseye]] <br />
| [[Image:borobudur2.jpg|250px|borobudur]] <br />
|-<br />
| [[Image:borobudur_buddha.jpg|250px|borobudur buddha]] <br />
| [[Image:borobudur_stupas.jpg|250px|stupas, detail]]<br />
|-<br />
| colspan='2' class ='bildtext'| Bilder und Dokumentation:<br />[http://www.bergerfoundation.ch/Borobudur/E/ A Visit to the Stupa Borobudur] (Jacques Edouard Berger, 1988) [2010/8]<br />
|}<br />
<br />
Borobudur ist das größte buddhistische Monument weltweit. Es ist eigentlich eine Kombi·nation von Stupa und [[Ikonographie:Mandala | Mandala]], also eine symbolische Reprä·sen·tation des Kosmos in geometrischer, hier drei·dimen·sionaler Form. Während die einzelnen Stationen eines Mandala üblicher·weise von einer Buddha·figur einge·nommen werden, sind es hier es hier, zumindest im zentralen Bereich einzelne Stupas. Gleich·zeitig ist die gesamte Anlage von zahlreichen Stein·reliefs geschmückt, die das [[Leben des historischen Buddha]] oder Episoden einzelner Bodhisattvas darstellen. Die zentrale Position, ebenfalls durch einen Stupa repräsentiert, nimmt aber der „kosmische Buddha“ Vairocana (in Japan {{Glossar:Dainichi}}) ein.<br />
<br />
Borobudur wurde unter der buddhistischen Sailendra Dynastie zwischen 750 und 850 errichtet. Etwa zur selben Zeit goss man in Japan den [[Ikonographie:Dainichi/Daibutsu#Der_Gro.C3.9Fe_Buddha_von_Nara|Großen Buddha von Nara]]. Im zwölften Jahr·hundert verfiel die Anlage und geriet vollkommen in Ver·gessen·heit, bis sie im neunzehnten Jahrhundert wieder entdeckt wurde. Erst 1971–1984 wurde die Anlage unter der Patronanz der UNESCO originalgetreu restauriert.<br />
<br />
==Wildgans Pagode==<br />
<br />
<div class="bildbox">[[Image:biggoose.jpg|link=|biggoose]]</div><br />
<br />
Dayanta, die „Große Wildgans Pagode“ der alten chinesischen Hauptstadt Changan (heute Xian), ist eine der bekanntesten Pagoden Chinas. Sie besteht aus sieben Stock·werken und ist 64m hoch. Sie wurde im Jahr 652 als fünf·stöckige Pagode errichtet, und später weiter ausgebaut. Wie deutlich zu erkennen ist, vollzog sich im Über·gang des indischen Stupa zur chinesischen Pagode ein Stil·wechsel, der auch mit den sich wandelnden Funktionen dieses Bau·werks zu tun hat. Obwohl auch chinesische und japanische Pagoden behaupten, im Besitz von Reliquien zu sein, dienen sie eher als allgemeiner Schatz·speicher, während ihre Funktion als Grab·monument in den Hinter·grund tritt. Die Große Wildgans Pagode beispiels·weise wurde errichtet, um die zahl·reichen Sutren und Wert·gegen·stände aufzu·bewahren, die die berühmte Pilger {{glossar:Xuanzang}} auf seiner sieb·zehn·jährigen Reise (629–645) durch Indien und Zentralsien mitgebracht hatte.<br />
{{ThisWay}}</div>Opaquehttps://religion-in-japan.univie.ac.at/r/index.php?title=Diskussion:Bauten/Tempel/Pagoden&diff=15198Diskussion:Bauten/Tempel/Pagoden2010-09-18T18:05:57Z<p>Opaque: Die Seite wurde geleert.</p>
<hr />
<div></div>Opaquehttps://religion-in-japan.univie.ac.at/r/index.php?title=Geschichte/Terauke&diff=15168Geschichte/Terauke2010-09-17T10:26:00Z<p>Opaque: </p>
<hr />
<div>{{Styles}}<br />
=Inquisition <span class="bottom">unter buddhistischen Vorzeichen</span>=<br />
<br />
Inquisition bedeutet bekanntlich Nachforschung. Im europäischen Kontext versteht man darunter die Ausforschung von Anhängern ketzerischer Ideen, die nicht dem Dogma der katholischen Kirche entsprachen. In Japan entwickelte sich — ironischerweise nach dem ersten Kontakt mit dem Christentum — ein ähnliches System, das unter dem Begriff {{glossar:teraukeseido}}, „System der Tempel-Bestätigungen“, bekannt wurde. Auch dabei ging es um die Ausforschung von nicht Rechtgläubigen, wobei hier aber vor allem Christen gemeint waren. Die Glaubensnachforschungen wurden unter Mithilfe von buddhistischen Tempeln ausgeführt, bestraft wurden die Ungläubigen jedoch — und hier liegt ein großer Unterschied zur europäischen Inquisition — von weltlichen Autoritäten.<br />
<br />
Das System umfasste im Grunde drei Instanzen, nämlich die lokale (dörfliche) Führungsschicht, den örtlichen Tempel und die regionalen Vertreter des Landesverwaltung. Die Familienvorsteher (bzw. die Vorsteher von Nachbarschaftsgruppen, {{Glossar:Goningumi}}) hatten die Aufgabe, jährlich ein Register ihrer Familienmitglieder anzufertigen, das u.a. Angaben zu Familienstand und Alter aller betreffenden Personen enthielt. Dieses Register musste vom lokalen Tempel bestätigt werden. Die Bestätigung implizierte, dass alle fraglichen Personen Mitglieder der Glaubensgemeinde des Tempels und daher rechtgläubig waren. Daher nannte man die entsprechenden Register auch {{glossar:shuumonaratamechou}}, „Glaubensüberprüfungs-Register“. Die vom Tempel bestätigten Register wurde dann den nächsthöheren Verwaltungsbehörden vorgelegt. Um also nicht in den Verdacht ketzerischer Betätigung zu kommen, musste sich jeder Bürger aktiv um die Mitgliedschaft bei einem staatlich anerkannten Tempel bemühen, der ihm dann seine Rechtgläubigkeit bestätigte.<br />
<br />
<div class="bildtext box">[[Image:shumon_aratame_cho.jpg|link=]]<div>''Shūmon aratame'' Register <br /> Quelle: [http://www2.ipcku.kansai-u.ac.jp/%7Ehamano/eap/index-e.html EAP] (Eurasian Project on Population and Family History) [2010/8] </div></div><br />
<br />
Dieses System wurde Anfang des siebzehnten Jahrhunderts im Anschluss an die Shimabara Rebellion (1637-38) vom Tokugawa Shogunat eingeführt und war zunächst zur Ausforschung der Christen in Kyushu, dem Hauptverbreitungsgebiet des japanischen Christentums, gedacht. Das Shogunat etablierte zu diesem Zweck eine eigene Behörde ({{Glossar:Shuumonaratameyaku}}) und hielt die {{Glossar:Daimyou}} an, ein gleiches zu tun. Im Laufe der folgenden hundert Jahre breitete sich die Institution über ganz Japan aus, obwohl der eigentliche Anlass, die Christenverfolgung, immer bedeutungsloser wurde. Das System erwies sich jedoch in mehrfacher Hinsicht als nützliches Herrschaftsmittel zur ideologischen und verwaltungstechnischen Kontrolle der Bevölkerung.<br />
<br />
Zunächst wurde dadurch jede Person bürokratisch erfasst. Diese Aufgabe erledigten nun aber nicht allein Verwaltungsbeamte, sondern auch buddhistische Tempel. Sie mussten ja ihren Gemeindemitgliedern bestätigen, dass diese ihrer Gemeinde angehörten, und mussten im Fall ungerechtfertigter Bestätigungen mit Sanktionen rechnen. Üblicherweise war die Tempel-Mitgliedschaft durch die Familie vorgegeben, bzw. überhaupt durch die geographische Lage. Man gehörte einfach zum nächst gelegenen Tempel, unabhängig welcher buddhistischen Richtung dieser angehörte. Dieser Tempel setzte dann seinen Stempel unter die entsprechenden Registereinträge, sofern diese vonseiten der einzelnen Mitglieder ordnungsgemäß ausgefüllt waren.<br />
<br />
==Bürokratisierung des Buddhismus==<br />
<br />
Die {{glossar:shuumonaratame}} Zertifikate spielten im Alltag der {{glossar:edo}}-Zeit eine ähnliche Rolle wie heute ein Pass oder Personalausweis. Man brauchte sie bei jedem größeren Ortswechsel (das Reisen war ja sehr eingeschränkt), beim Antritt bestimmter Arbeiten, bei der Heirat, usw. Auf diese Weise wurden die buddhistischen Tempel quasi zur untersten Ebene der Landesverwaltung und zwar gleichermaßen für die Zentralverwaltung (Shogunat) als auch die Regionalverwaltung (Daimyat). Buddhistische Tempel nahmen damit zwar weltliche Verwaltungsaufgaben auf sich und waren weltlichen Verwaltungsbeamten untergeordnet, hatten aber auch Nutzen aus dem System. Sie erhielten mehr Macht über ihre Gläubigengemeinden, da diese ja auf ihre ''shūmon aratame ''-Bestätigungen angewiesen waren. Manche Tempel ließen sich diese Bestätigungen auch von den Mitgliedern ihrer Gemeinde bezahlen. In jedem Fall verdienten sie aber durch zusätzliche religiöse Dienstleistungen, vor allem Begräbnisse, die nun niemand in der Gemeinde mehr ablehnen konnte. Offizielle Bestimmungen des Shogunats enthalten sogar den Hinweis, dass Gemeindemitglieder, die auf die buddhistischen Sterberiten keinen Wert legen, möglicherweise Christen sind und genauer untersucht werden müssen (Tamamuro 2001, S. 267). Man kam also in der Edo-Zeit um buddhistische Totenriten nicht mehr herum.<br />
<br />
Durch dieses System wurde natürlich der Buddhismus als Ganzes stark beeinflusst. Der Gegensatz zwischen erlaubten und häretischen Sekten wurde vertieft. Abgesehen vom Christentum standen auch manche Fraktionen der [[Geschichte:Nichiren | Nichiren]] Schule und des [[Geschichte:Amidismus | Amidismus]] auf der Liste verbotener Religionen. Sie alle hatten während der {{Glossar:Sengokujidai | Sengoku}}-Zeit (16. Jh.) theokratische Gemeinden gebildet, die im Zuge der Reichseinigung von {{Glossar:Odanobunaga}} und {{Glossar:Toyotomihideyoshi}} mit brutaler Gewalt bekämpft wurden. Das {{glossar:teraukeseido}} ließ also — und darin liegt ein weiterer Unterschied zur Inquisition — eine gewisse Glaubensvielfalt nach wie vor zu, richtete sich aber umso heftiger gegen religiöse Gruppierungen, deren „fundamentalistischer“ Charakter die staatliche Ordnung in Frage stellten.<br />
<br />
Dennoch kam es innerhalb der vom Staat erlaubten und geförderten buddhistischen Richtungen zwangsläufig zu einer Nivellierung. Dies unter anderem aus dem Grund, dass das Shogunat ein Mitspracherecht bei der Festlegung orthodoxer Glaubens- und Praxisformen hatte. Der heute verbreitete sog. „Begräbnis-Buddhismus“ ({{glossar:soushikibukkyou}}), der wie wir gesehen haben über die Sektengrenzen hinweg sehr ähnlich aufgebaut ist, resultiert indirekt aus der besonderen Beachtung der Sterberiten, die vom Shogunat vorgegeben wurde. Die Vergabe von buddhistischen Totennamen ({{glossar:kaimyou}}), wie sie heute in allen Richtungen des japanischen Buddhismus praktiziert wird (s. Kap. Alltag, [[Alltag:Totenriten | Bestattung]]), entstand beispielsweise im Zusammenhang mit dem ''terauke'' System, Anfang des achtzehnten Jahrhunderts. Die spezifischen Glaubensinhalte der einzelnen buddhistischen Richtungen wurden dagegen in den Hintergrund gedrängt.<br />
<br />
Es nimmt somit nicht weiter Wunder, dass es in der Edo-Zeit zu anti-buddhistischen Ressentiments kam, dass die buddhistischen Mönche als Agenten der Regierung verschrien waren, und dass verschiedene Teile der Gesellschaft nach spirituellen Wegen außerhalb des Buddhismus zu suchen begannen. In der Edo-Zeit bietet die Geschichte des Buddhismus daher nur noch wenige spektakuläre inhaltliche Neuerungen (Ausnahme vielleicht die Reformen der {{Glossar:Zen}} Sekten). Ideengeschichtlich ist dagegen die Entwicklung des japanischen Konfuzianismus, des Shinto und das Aufkommen der „Neuen Religionen“ in der {{Glossar:Bakumatsu}} Zeit (d.h. in den letzten Jahrzehnten vor 1868) attraktiver. Dennoch hat die Bürokratisierung des Buddhismus in- und außerhalb der japanischen Religonsgeschichte weitreichende Folgen, die nach wie vor nur unzureichend erforscht sind.<br />
{{Linkbox|ue=Literatur|text=<br />
{{Literatur:Tamamuro_2001}}<br />
}}<br />
{{ThisWay|Geschichte: Neo-Konfuzianismus}}</div>Opaquehttps://religion-in-japan.univie.ac.at/r/index.php?title=Geschichte/Terauke&diff=15166Geschichte/Terauke2010-09-17T10:25:23Z<p>Opaque: </p>
<hr />
<div>{{Styles}}<br />
=Inquisition <span class="bottom">unter buddhistischen Vorzeichen</span>=<br />
<br />
Inquisition bedeutet bekanntlich Nachforschung. Im europäischen Kontext versteht man darunter die Ausforschung von Anhängern ketzerischer Ideen, die nicht dem Dogma der katholischen Kirche entsprachen. In Japan entwickelte sich — ironischerweise nach dem ersten Kontakt mit dem Christentum — ein ähnliches System, das unter dem Begriff {{glossar:teraukeseido}}, „System der Tempel-Bestätigungen“, bekannt wurde. Auch dabei ging es um die Ausforschung von nicht Rechtgläubigen, wobei hier aber vor allem Christen gemeint waren. Die Glaubensnachforschungen wurden unter Mithilfe von buddhistischen Tempeln ausgeführt, bestraft wurden die Ungläubigen jedoch — und hier liegt ein großer Unterschied zur europäischen Inquisition — von weltlichen Autoritäten.<br />
<br />
Das System umfasste im Grunde drei Instanzen, nämlich die lokale (dörfliche) Führungsschicht, den örtlichen Tempel und die regionalen Vertreter des Landesverwaltung. Die Familienvorsteher (bzw. die Vorsteher von Nachbarschaftsgruppen, {{Glossar:Goningumi}}) hatten die Aufgabe, jährlich ein Register ihrer Familienmitglieder anzufertigen, das u.a. Angaben zu Familienstand und Alter aller betreffenden Personen enthielt. Dieses Register musste vom lokalen Tempel bestätigt werden. Die Bestätigung implizierte, dass alle fraglichen Personen Mitglieder der Glaubensgemeinde des Tempels und daher rechtgläubig waren. Daher nannte man die entsprechenden Register auch {{glossar:shuumonaratamechou}}, „Glaubensüberprüfungs-Register“. Die vom Tempel bestätigten Register wurde dann den nächsthöheren Verwaltungsbehörden vorgelegt. Um also nicht in den Verdacht ketzerischer Betätigung zu kommen, musste sich jeder Bürger aktiv um die Mitgliedschaft bei einem staatlich anerkannten Tempel bemühen, der ihm dann seine Rechtgläubigkeit bestätigte.<br />
<br />
<div class="bildtext bildbox">[[Image:shumon_aratame_cho.jpg|link=]]<div>''Shūmon aratame'' Register <br /> Quelle: [http://www2.ipcku.kansai-u.ac.jp/%7Ehamano/eap/index-e.html EAP] (Eurasian Project on Population and Family History) [2010/8] </div></div><br />
<br />
Dieses System wurde Anfang des siebzehnten Jahrhunderts im Anschluss an die Shimabara Rebellion (1637-38) vom Tokugawa Shogunat eingeführt und war zunächst zur Ausforschung der Christen in Kyushu, dem Hauptverbreitungsgebiet des japanischen Christentums, gedacht. Das Shogunat etablierte zu diesem Zweck eine eigene Behörde ({{Glossar:Shuumonaratameyaku}}) und hielt die {{Glossar:Daimyou}} an, ein gleiches zu tun. Im Laufe der folgenden hundert Jahre breitete sich die Institution über ganz Japan aus, obwohl der eigentliche Anlass, die Christenverfolgung, immer bedeutungsloser wurde. Das System erwies sich jedoch in mehrfacher Hinsicht als nützliches Herrschaftsmittel zur ideologischen und verwaltungstechnischen Kontrolle der Bevölkerung.<br />
<br />
Zunächst wurde dadurch jede Person bürokratisch erfasst. Diese Aufgabe erledigten nun aber nicht allein Verwaltungsbeamte, sondern auch buddhistische Tempel. Sie mussten ja ihren Gemeindemitgliedern bestätigen, dass diese ihrer Gemeinde angehörten, und mussten im Fall ungerechtfertigter Bestätigungen mit Sanktionen rechnen. Üblicherweise war die Tempel-Mitgliedschaft durch die Familie vorgegeben, bzw. überhaupt durch die geographische Lage. Man gehörte einfach zum nächst gelegenen Tempel, unabhängig welcher buddhistischen Richtung dieser angehörte. Dieser Tempel setzte dann seinen Stempel unter die entsprechenden Registereinträge, sofern diese vonseiten der einzelnen Mitglieder ordnungsgemäß ausgefüllt waren.<br />
<br />
==Bürokratisierung des Buddhismus==<br />
<br />
Die {{glossar:shuumonaratame}} Zertifikate spielten im Alltag der {{glossar:edo}}-Zeit eine ähnliche Rolle wie heute ein Pass oder Personalausweis. Man brauchte sie bei jedem größeren Ortswechsel (das Reisen war ja sehr eingeschränkt), beim Antritt bestimmter Arbeiten, bei der Heirat, usw. Auf diese Weise wurden die buddhistischen Tempel quasi zur untersten Ebene der Landesverwaltung und zwar gleichermaßen für die Zentralverwaltung (Shogunat) als auch die Regionalverwaltung (Daimyat). Buddhistische Tempel nahmen damit zwar weltliche Verwaltungsaufgaben auf sich und waren weltlichen Verwaltungsbeamten untergeordnet, hatten aber auch Nutzen aus dem System. Sie erhielten mehr Macht über ihre Gläubigengemeinden, da diese ja auf ihre ''shūmon aratame ''-Bestätigungen angewiesen waren. Manche Tempel ließen sich diese Bestätigungen auch von den Mitgliedern ihrer Gemeinde bezahlen. In jedem Fall verdienten sie aber durch zusätzliche religiöse Dienstleistungen, vor allem Begräbnisse, die nun niemand in der Gemeinde mehr ablehnen konnte. Offizielle Bestimmungen des Shogunats enthalten sogar den Hinweis, dass Gemeindemitglieder, die auf die buddhistischen Sterberiten keinen Wert legen, möglicherweise Christen sind und genauer untersucht werden müssen (Tamamuro 2001, S. 267). Man kam also in der Edo-Zeit um buddhistische Totenriten nicht mehr herum.<br />
<br />
Durch dieses System wurde natürlich der Buddhismus als Ganzes stark beeinflusst. Der Gegensatz zwischen erlaubten und häretischen Sekten wurde vertieft. Abgesehen vom Christentum standen auch manche Fraktionen der [[Geschichte:Nichiren | Nichiren]] Schule und des [[Geschichte:Amidismus | Amidismus]] auf der Liste verbotener Religionen. Sie alle hatten während der {{Glossar:Sengokujidai | Sengoku}}-Zeit (16. Jh.) theokratische Gemeinden gebildet, die im Zuge der Reichseinigung von {{Glossar:Odanobunaga}} und {{Glossar:Toyotomihideyoshi}} mit brutaler Gewalt bekämpft wurden. Das {{glossar:teraukeseido}} ließ also — und darin liegt ein weiterer Unterschied zur Inquisition — eine gewisse Glaubensvielfalt nach wie vor zu, richtete sich aber umso heftiger gegen religiöse Gruppierungen, deren „fundamentalistischer“ Charakter die staatliche Ordnung in Frage stellten.<br />
<br />
Dennoch kam es innerhalb der vom Staat erlaubten und geförderten buddhistischen Richtungen zwangsläufig zu einer Nivellierung. Dies unter anderem aus dem Grund, dass das Shogunat ein Mitspracherecht bei der Festlegung orthodoxer Glaubens- und Praxisformen hatte. Der heute verbreitete sog. „Begräbnis-Buddhismus“ ({{glossar:soushikibukkyou}}), der wie wir gesehen haben über die Sektengrenzen hinweg sehr ähnlich aufgebaut ist, resultiert indirekt aus der besonderen Beachtung der Sterberiten, die vom Shogunat vorgegeben wurde. Die Vergabe von buddhistischen Totennamen ({{glossar:kaimyou}}), wie sie heute in allen Richtungen des japanischen Buddhismus praktiziert wird (s. Kap. Alltag, [[Alltag:Totenriten | Bestattung]]), entstand beispielsweise im Zusammenhang mit dem ''terauke'' System, Anfang des achtzehnten Jahrhunderts. Die spezifischen Glaubensinhalte der einzelnen buddhistischen Richtungen wurden dagegen in den Hintergrund gedrängt.<br />
<br />
Es nimmt somit nicht weiter Wunder, dass es in der Edo-Zeit zu anti-buddhistischen Ressentiments kam, dass die buddhistischen Mönche als Agenten der Regierung verschrien waren, und dass verschiedene Teile der Gesellschaft nach spirituellen Wegen außerhalb des Buddhismus zu suchen begannen. In der Edo-Zeit bietet die Geschichte des Buddhismus daher nur noch wenige spektakuläre inhaltliche Neuerungen (Ausnahme vielleicht die Reformen der {{Glossar:Zen}} Sekten). Ideengeschichtlich ist dagegen die Entwicklung des japanischen Konfuzianismus, des Shinto und das Aufkommen der „Neuen Religionen“ in der {{Glossar:Bakumatsu}} Zeit (d.h. in den letzten Jahrzehnten vor 1868) attraktiver. Dennoch hat die Bürokratisierung des Buddhismus in- und außerhalb der japanischen Religonsgeschichte weitreichende Folgen, die nach wie vor nur unzureichend erforscht sind.<br />
{{Linkbox|ue=Literatur|text=<br />
{{Literatur:Tamamuro_2001}}<br />
}}<br />
{{ThisWay|Geschichte: Neo-Konfuzianismus}}</div>Opaquehttps://religion-in-japan.univie.ac.at/r/index.php?title=Ikonographie/Gluecksgoetter&diff=15164Ikonographie/Gluecksgoetter2010-09-17T10:19:11Z<p>Opaque: /* Fukurokuju und Jurōjin */</p>
<hr />
<div>{{Styles}}<br />
=Die Sieben Glücksgötter=<br />
<br />
Die Sieben Glücksgötter (jap. {{glossar:shichifukujin}}) sind ein Sinnbild für das Streben nach diesseitigem Glück ({{glossar:genzeriyaku}} = religiöse Belohnung in dieser Welt) und zugleich ein anschauliches Beispiel für den unverkrampften Umgang der japanischen Religion mit verschiedenen Traditionen. Sie vereinen die mildtätige Barmherzigkeit der Bodhisattvas, die ehrfurchtgebietende Strenge der Devas und das daoistische Versprechen des Langen Lebens mit einer bodenständigen Lebenstüchtigkeit. Zwar mag es den Anschein haben, dass sie nur auf materiellen Gewinn aus sind, doch transportieren die Glücksgötter auch Tugenden wie Fleiß, Arbeitseifer und Selbstgenügsamkeit. Sie sind jedoch völlig frei von jeder transzendenten Dimension. Auf diese Weise haben sie sich mühelos aus der Vormoderne in die moderne Konsumgesellschaft hinübergerettet.<br />
Die Sieben Glücksgötter entstanden zusammen mit der bürgerlichen Stadtkultur im späten Mittelalter und gewannen in der {{glossar:edo}}-Zeit (1600–1867) ihre bekannte ikonographische Gestalt. Heute gelten sie zwar als Shinto-Götter ({{glossar:kami}}), doch sie tragen viele Merkmale aus der Zeit ihrer Entstehung, als die Trennwand zwischen Buddhas und ''kami'' noch wesentlich durchlässiger war.<br />
<div class="bildbox"><br />
{{Dia|7fuku_gamagori.jpg|w=500|rahmen_w=500|rahmen_h=330}}<br />
</div><br />
Noch heute ist es Brauch, in der Neujahrsnacht ein Bild der Glücksgötter unter den Kopfpolster zu legen, um das Neue Jahr mit einem glücksverheißenden Traum zu beginnen. Auch kleine Pilgerfahrten zu Sieben Tempeln oder Schreinen, die jeweils einem der Götter gewidmet sind, erfreuen sich am Jahresanfang großer Beliebtheit. Jeder Gott kann aber auch allein angebetet werden und hat seinen eigenen Zuständigkeitsbereich.<br />
<br />
==Daikoku==<br />
{{Sidebox|sidepage=Daikoku|daikoku_kiyomizu.jpg|w=160|left=-15|top=-10|Metamorphosen des Daikoku}}<br />
<br />
{{glossar:daikoku}} ist so etwas wie der Anführer aller sieben Glücksgötter, vielleicht, weil er am längsten in dieser Funktion verehrt wird. Zu seinen wichtigsten Emblemen zählen Reissack und Glückshammer. Er steht daher in erster Linie für Glück in Form von materiellem Reichtum, bzw. reichlicher Nahrung. Sein Botentier ist die Maus, die im [[Mythen:Affen/Tierkreis | chinesischen Horoskop]] ebenfalls mit Reichtum assoziiert wird. Wenn Daikoku als einzelne Gottheit verehrt wird, bewacht mitunter ein Paar Mäuse seinen Tempel oder Schrein.<br />
<br />
Auf Daikokus Beziehung zur zornvollen tantristischen Gottheit [[Ikonographie:Myoo | Mahakala]] wurde bereits eingegangen. Doch gibt es seit altersher auch eine „einheimische“ Variante des Daikoku, in der er als einfacher Bauer auftritt. In dieser Gestalt wird auch häufig mit dem mythologischen Gott {{glossar:ookuninushi}} identifiziert.<br />
<br />
Auf vielen Bildern ist Daikoku zusammen mit Ebisu, dem Gott des Fischfangs, zu sehen. Daikoku und Ebisu sorgen für die materiellen Grundbedürfnisse, die Ernährung, und vertreten oft die Gesamtheit der Glücksgötter, sozusagen in kleiner Besetzung.<br />
<br />
==Ebisu==<br />
{{Sidebox|ebisu_hikifuda.jpg|w=240|left=-70|top=-30|Ebisu}}<br />
{{Float|bild=ebisu_beer.jpg|left}}<br />
{{glossar:ebisu}} trägt die klassische Hoftracht ({{glossar:kariginu}}), die heute noch von [[Alltag:Schreinpriester | Shinto-Priestern]] benützt wird. Anhand seiner Attribute ist er deutlich als Gott des Fischfangs zu erkennen: Er hält eine Angel und trägt eine riesige Rote Meerbrasse (''tai'') unter dem Arm. Dennoch scheint er in manchen Gegenden auch als Gott der Landwirtschaft verehrt worden zu sein. Heute ist er unter Ladenbesitzern, Kleingewerbetreibenden und Wirten besonders populär. Auch die bekannte Biermarke „Yebisu“ trägt seinen Namen.<br />
<br />
Ebisu gilt als der einzige „einheimische“ Gott unter den Shichi Fukujin, doch seine Herkunft ist rätselhaft. Laut manchen Schreinlegenden wird er mit dem sog. „Blutegel-Kind“ ({{glossar:hiruko}}), dem ersten und etwas missglückten Sprössling des Urgötterpaares {{glossar:izanagi}} und {{glossar:izanami}} in Verbindung gebracht. Diese Herleitung entstammt wohl dem Nishinomiya Jinja in der Nähe von Ōsaka, einem Zentrum des Ebisu-Kultes, beruht jedoch nicht auf klassischen Quellen wie {{glossar:kojiki}} oder {{glossar:nihonshoki}}. Andererseits wird Ebisu auch gern mit der mythologischen Zwerg-Gottheit {{Glossar:Sukonabikona}} assoziiert, eine Art Alterego des oben genannten Ōkuninushi.<br />
<br />
==Benzaiten==<br />
{{Sidebox|sidepage=Benzaiten|benzaiten.jpg|w=140|top=-40|Benzaiten}}<br />
{{Wrapper|position=left|<br />
{{Sidebox|sarasvati.gif|w=140|Sarasvati}}<br />
}}<br />
{{glossar:benzaiten}} oder abgekürzt Benten („Deva der Beredsamkeit“) ist die einzige Frau unter den Sieben Glücksgöttern. In den meisten Abbildungen hält sie eine {{glossar:biwa}}-Laute in der Hand. Dieses Instrument hat sie von ihrer indischen Ahnin, der Flussgöttin Sarasvati übernommen. Beide Göttinnen sind ausgehend vom Wasser auch für Beredsamkeit, für Musik, für das Wissens und die Künste zuständig.<br />
<br />
Auch in Japan hat Benten ihre enge Verbindung zum Wasser beibehalten. Ihre Schreine oder Tempel sind fast immer von Wasser umgeben. Allein schon aufgrund ihrer äußeren Erscheinung steht Benten für Anmut, man betet aber auch um Geld und Wohlstand zu ihr. In Kamakura gibt es beispielsweise den berühmten Zeniarai-Benten Schrein — den Schrein der „geldwaschenden Benten“. Wer an der dortigen Quelle sein Geld wäscht, darf auf dessen wundersame Vermehrung hoffen.<br />
<br />
==Bishamon-ten==<br />
{{Sidebox|bishamonten_guimet.jpg|w=160| left=-10|top=-10|Bishamon-ten }}<br />
Der Name {{glossar:bishamonten}} leitet sich von skt. Vaishravana (der alles Hörende) ab. Vaishravana ist einer der [[Ikonographie:Wächtergötter | Vier Himmelskönige]] ({{glossar:shitennou}}), und zwar der Hüter des Nordens. In Japan ist Bishamon-ten auch unter dem Namen Tamon-ten, einer Übersetzung des Sanskritnamens „der alles Hörende“ bekannt. Zu seinen Attributen zählen ein Dreizack und eine kleine Pagode. In der klassischen Ikonographie strahlt er die Würde eines Feldherren aus und wurde in früherer Zeit auch mit der Bitte um Kriegsglück angebetet. Auch als Glücksgott wird er immer in chinesischer Rüstung dargestellt.<br />
<br />
Besonders im frühen japanischen Buddhismus erfreute sich Bishamon-ten einer großen Beliebtheit. Das Sutra des Goldenen Lichts portraitiert ihn als Erfinder einer Gebetsformel (Mantra), die alle Wünsche verwirklichen hilft.<br />
<br />
==Hotei==<br />
{{Sidebox|sidepage=Hotei|putai.jpg|w=140|top=-15|Budai/Hotei}}<br />
Die Figur des {{glossar:hotei}} geht auf die legendenumwobene Gestalt des chinesischen Mönchs <span class="bildblock">Qici</span> (auch Changting zi) zurück. Dieser führte im neunten Jahrhundert ein Wanderleben als Bettelmönch. Er trug seine Habseligkeiten stets in einem großen Sack mit sich, sodass er vor allem unter seinem Spitznamen „Jutesack“ (chin. Budai oder Pu-tai, jap. Hotei) bekannt wurde.<br />
<br />
Budai/Hotei erwies sich nach seinem irdischen Leben als Inkarnation des Bohisattva Maitreya (jap. {{Glossar:Miroku}}, chin. Mile-fo, auch als „Buddha der Zukunft“ bekannt) und wurde in China zum typischen „Lachenden Buddha“. Besonders beliebt ist er im Chan/Zen Buddhismus, wo seine Heiterkeit als Ausdruck der Selbstgenügsamkeit begriffen wird. Er stellt er ein beliebtes Motiv der Zen Tuschezeichnungen ({{glossar:zenga}}) dar.<br />
<br />
==Fukurokuju und Jurōjin==<br />
{{Dia|jurojin_hokusai.jpg|w=140|left=-10|top=-10|style=float:left; margin-right:1.5em;}}<br />
{{glossar:fukurokuju}} (wtl. „Glück-Erfolg-Langes Leben“) und {{glossar:juroujin}} (wtl. „Alter Mann des Langen Lebens“) erscheinen beide als alte Männer und sind mit allen möglichen Eigenschaften und Emblemen daoistischer Unsterblicher ausgestattet. Dazu gehört auch die markante, phallisch anmutende Form ihres Schädels, der allerdings oft dezent unter einer Kappe verborgen ist. Beide Götter tragen das Zeichen „{{glossar:ju}}“ für Langes Leben im Namen und gewähren den entsprechenden Wunsch.<br />
{{Sidebox|fukurokuju_hotei.jpg|w=450|top=-40|left=-150|Jurōjin}}<br />
Die tierischen Begleiter der beiden sind Kranich, Schildkröte und Hirsch, wobei der letztere meist an der Seite von Jurōjin zu finden ist. Vor allem die Schildkröte, aber auch Kranich und Hirsch gelten als Symboltiere des Langen Lebens.<br />
<br />
Trotz ihrer unverkennbar daoistischen Attribute sind die beiden Gottheiten als solche in China selbst nicht zu finden. Fuku-roku-ju (chin. ''fu-lu-shou'') bezeichnet jedoch eine Gruppe von drei chinesischen Glücksgöttern, die u.a. im Feng shui eine wichtige Rolle spielen. Jurōjin könnte eine Bezeichnung für den Südlichen Polarstern (Canopus) sein, der in China selbst als Gottheit des Langen Lebens und als Verkörperung Lao-tse's gilt.<br />
<br />
Fukurokuju und Jurojin sind somit aus allerlei daoistischen Versatzstücken zusammengesetzt, die um das Thema „Langes Leben“ kreisen und sich im Grunde beliebig kombinieren lassen. Daher verwundert es nicht weiter, dass sie mitunter auch zu einem Gott verschmelzen. In diesem Fall wird die Gruppe der Shichi Fukujin durch die weibliche Gottheit {{glossar:kichijouten}} (auch Kisshōten) ergänzt.<br />
<br />
==Wieso Sieben?==<br />
<br />
Vorbilder oder Verwandte der Sieben Glücksgötter finden sich vor allem in China, dort sind es aber üblicherweise acht daoistische Unsterbliche, die zusammen auf einem Boot zur Insel der Glückseligkeit unterwegs sind. Es gibt verschiedene Theorien, wieso man sich in Japan statt dessen auf die Zahl Sieben festlegte. So wird z.B. immer wieder auf die Sieben Übel (''shichinan''), bzw. die Sieben Tugenden (''shichi shōzai'') des Buddhismus hingewiesen. Die Zahl Sieben spielt aber auch im chinesischen [[Texte:Himmelskunde/Astrologie | Polarstern-Glauben]] eine wichtige Rolle (Anzahl der Sterne im Sternbild des Großen Wagens). Auch die Sieben Weisen im Bambushain, ein Gruppe chinesischer Philosophen, die gerne auf Tuschmalereien dargestellt wurde, könnten eine Inspriationsquelle der Shichi Fukujin gewesen sein.<br />
<br />
Eine bekannte Anekdote besagt, dass das Ensemble der Sieben Glückgötter auf den Mönch Tenkai, einen wichtigen religiösen Ratgeber des ersten Tokugawa Shoguns {{glossar:tokugawaieyasu}} zurückgeht. Tenkai hätte die Sieben Tugenden des Buddhismus in abgewandelter Form auf Ieyasu übertragen und mit sieben Gottheiten folgendermaßen in Verbindung gebracht: Langes Leben (Jurōjin), Wohlstand (Daikoku), Beliebtheit (Fukurokuju), Aufrichtigkeit (Ebisu), Liebenswürdigkeit (Benzaiten), Autorität (Bishamonten), Großmut (Hotei). Diese Kombination sei der Schlüssel zu Ieyasus erfolgreicher Befriedung des Landes. Klar, dass Ieyasu von dieser Charakterisierung begeistert war und seinen Hofmaler anwies, die sieben Gottheiten in einem Bild darzustellen.<br />
<br />
Frühformen der Shichi Fukujin legen die Vermutung nahe, dass das Ensemble tatsächlich von buddhistischen Mönchen kreiert wurde. Wahrscheinlich geht die Idee aber nicht auf einen einzigen Mönch zurück, sondern bildete sich allmählich im Laufe der {{glossar:muromachi}}-Zeit (14.–16. Jh.) heraus. In jedem Fall waren die Shichi Fukujin in der {{Glossar:Edo}}-Zeit wesentlich bekannter und populärer als mythologische Gottheiten wie {{Glossar:Amaterasu}} oder {{Glossar:Susanoo}}. Vor allem auf bildlichen Darstellungen sind sie allseits präsent, während die„ eigentlichen“ Shinto-Götter nur sehr selten abgebildet werden. Daran hat sich im Grunde bis heute nichts geändert.<br />
<br />
<div class="bildbox bildtext"> <br />
{{Dia|shichifukujin_hokusai.jpg|w=422|rahmen_w=422|rahmen_h=345|shichifukujin}}<div>Die Glücksgötter einst... </div>[[Image:7fuku2.jpg|link=|shichifukujin]]<div>...und heute. </div></div><br />
<br />
{{ThisWay|Ikonographie: Shinto-Götter}}</div>Opaquehttps://religion-in-japan.univie.ac.at/r/index.php?title=Glossar:Kokuminseishin&diff=15089Glossar:Kokuminseishin2010-09-16T14:48:23Z<p>Opaque: Die Seite wurde neu angelegt: „{{Glossareintrag| kanji=???| romaji=''kokumin seishin''| text=Nationaler Geist, Volksgeist ???| stichwort ={{{1|}}}| link={{{2|Geschichte:Staatsshinto}}}| tags…“</p>
<hr />
<div>{{Glossareintrag| <br />
kanji=???| <br />
romaji=''kokumin seishin''| <br />
text=Nationaler Geist, Volksgeist ???|<br />
stichwort ={{{1|}}}|<br />
link={{{2|Geschichte:Staatsshinto}}}|<br />
tags=geschichte<br />
}}</div>Opaquehttps://religion-in-japan.univie.ac.at/r/index.php?title=Geschichte/Staatsshinto&diff=15088Geschichte/Staatsshinto2010-09-16T14:46:58Z<p>Opaque: /* Kokutai */</p>
<hr />
<div>{{Styles}}<br />
=Staatsshinto=<br />
<br />
Als Staatsshinto (jap. {{glossar:kokkashintou}}) bezeichnet man heute die tragende Ideologie des jungen japanischen Nationalstaates, wie er sich ab der sogenannten {{glossar:meiji}}-Restauration im Jahr 1868 bis zur Niederlage Japans im Zweiten Weltkrieg (1945) herausbildete. In dieser Zeit rückte die Institution des {{Glossar:Tennou}} nach Jahrhunderten der politischen Bedeutungslosigkeit wieder ins Zentrum der politischen Macht. Der politische Umbruch zwischen 1867 und 68 wird genau deshalb als „Restauration“ bezeichnet, weil er von dem Ideal getragen war, zu den politischen Verhältnissen des alten Japan, also zu einer zentralistischen Monarchie rund um den Tenno, zurückzukehren.<br />
<br />
==Das doppelte Gesicht des Tenno==<br />
<br />
Die Ideen des Staatsshinto wurden u.a. von der {{Glossar:kokugaku}} („Nationale Schule“) formuliert, die sich im Laufe des neunzehnten Jahrhunderts zunehmend politisiert hatte und den Umsturz der feudalen Verhältnisse unter dem Tokugawa Shogunat ideologisch vorbereitete. Die meisten ''kokugaku'' Gelehrten erachteten das klassische Altertum als eine Art goldenes Zeitalter, in dem sowohl der Tenno als auch die {{glossar:kami}} von allen Japanern als naturgegebene Autoritäten anerkannt wurden, ohne dass explizite Gesetze oder Glaubenslehren von Nöten gewesen wären. Diese selbstverständliche Anerkennung einer religiös-politischen Ordnung wurde als die Essenz des {{Glossar:Shintou}}, des Weges der ''kami'', angesehen. In der ausgehenden {{Glossar:Edo}} Zeit implizierte Shinto somit die Idee eines sakralen Königtums. Eine zentrale Forderung derer, die sich für diese Form von Shinto begeisterten, war daher auch die Wiederherstellung einer Einheit von religiösem Ritus und politischem System ({{glossar:saiseiitchi}}) in der Person des Tenno.<br />
{{Galerie1|<br />
bild1={{Dia|meiji_tenno2.jpg|w=180|left=-30|top=-60|rahmen_h=200}}|<br />
bild2={{Dia|meijitenno1872.jpg|w=200|left=-50|top=-20|rahmen_h=200}}|<br />
caption= Meiji Tenno, 1872<br />
}}<br />
Im Gegensatz zu den bürgerlichen Revolutionen, die Europa um die Mitte des neunzehnten Jahrhunderts bewegten, und die zumeist im Namen einer wie immer gearteten „Freiheit“ durchgeführt wurden, waren die Utopien, die Japan in dieser Zeit veränderten, also primär auf die Vergangenheit gerichtet. Auch die siegreichen Reformer der Meiji-Zeit standen zunächst in dieser Tradition. Dennoch orientierten sie sich ebenso sehr an europäischen Staaten, wenn es um die Einzelheiten der zu ergreifenden Maßnahmen ging. Der junge {{glossar:meijitennou}}, der selbst das wichtigste Emblem dieser Erneuerung war, erhielt dem entsprechend ein doppeltes Gesicht: Neben seinen sakral anmutenden traditionellen Amtsroben trat er in einer vollkommen neuen Gestalt auf, nämlich in Militäruniform nach westlichem Muster. Dieses doppelte Erscheinungsbild des Meiji Tenno spiegelt nicht nur die Zerrissenheit des damaligen Japan zwischen Traditionalismus und Moderne, es trägt auch die Paradoxe in sich, die sich in der Idee eines staatstragenden Shinto offenbaren. Dieser sollte die Ideologie für eine Entwicklung bereit stellen, die eben nicht in erster Linie die Vergangenheit wach rief, sondern von politischer Zentralisierung, verwaltungstechnischer und militärischer Rationalisierung, sowie von technologischer Erneuerung, kurz von der Modernisierung nach westlichem Muster geprägt war. Dennoch bediente sich diese Modernisierung, wo es möglich war, eines rituellen Gepräges, das der japanischen Antike entnommen war. Diesen Zwiespalt versuchte man mit dem Schlagwort „Japanischer Geist - westliche Technik“ ({{glossar:wakonyousai}}) zu überbrücken. Man meinte also, zwar äußerlich dem westlichen Vorbild zu folgen, innerlich aber sich selbst treu zu bleiben. Tatsächlich regierte in der Meiji-Zeit jedoch ein schrankenloser Pragmatismus, der im Grunde nur von einem Ziel bestimmt war: in machtpolitischer Hinsicht mit den europäischen Mächten und Amerika gleichzuziehen. Ob dies nun durch Rückbesinnung auf alte Werte oder durch Übernahme neuer Institutionen und Techniken zu erreichen wäre, unterlag den momentanen Schwankungen der tagespolitischen Situation.<br />
<br />
==Trennung von Shinto und Buddhismus==<br />
<br />
Eine Staatsreligion zu haben erschien zunächst gerade aus dieser pragmatischen Perspektive unabdingbar. Die meisten japanischen Beobachter der europäischen Verhältnisse machten nämlich das Christentum dafür verantwortlich, dass der Staat hier das Volk besser im Griff habe als in Japan. Die Meiji Reformer suchten also nach einer vergleichbaren ideologischen Macht im eigenen Land und entschieden sich aus diesem Grund für Shinto und Tenno. Es war jedoch unübersehbar, dass der Shinto erst einmal neu gestaltet – um nicht zu sagen neu erfunden – werden musste, damit er eine dem Christentum vergleichbare Rolle übernehmen konnte. Er musste z.B. erst einmal säuberlich vom Buddhismus getrennt werden. Einer der ersten Erlässe der neuen Meiji-Regierung im Jahr 1868 ordnete daher die „Trennung von ''kami'' und Buddhas“ ({{glossar:shinbutsubunri}}) an. Dies markierte einen Bruch mit der seit dem Altertum allgemeingültigen Auffassung, dass japanische ''kami'' im Grunde nur besondere Erscheinungsformen buddhistischer Wesen seien (s. [[Geschichte:Honji_suijaku | ''Honji suijaku'']]). Dieser Bruch realisierte sich in der Praxis durch Maßnahmen wie die Abschaffung buddhistischer Titel für die ''kami'', die Umbenennung von Schreinen oder die Zerstörung buddhistischer Statuen, die in Schreinen aufbewahrt wurden. Es kam überdies landesweit zu anti-buddhistischen Ausschreitungen, die von bestehenden Ressentiments gegenüber den Privilegien des buddhistischen Klerus in der Edo-Zeit (s. [[Geschichte:Terauke | ''terauke'' System]]) angeheizt wurden.<br />
<br />
Die neuen Maßnahmen trafen aber nicht nur [[Alltag:Mönche | buddhistische Mönche]], sondern auch viele [[Alltag:Schreinpriester | Schreinpriester]], da die meisten von ihnen ja gemeinsam mit den Mönchen in „Tempel-Schrein-Komplexen“ tätig gewesen waren. Ohne den institutionellen Schutz und das liturgische Knowhow buddhistischer Tempel fehlte vielen Schreinpriestern schlicht die Existenzgrundlage. Am härtesten traf die verordnete Trennung von Buddhismus und Shinto allerdings religiöse Mischformen wie den Kult der {{Glossar:Yamabushi}}, der keiner der beiden Religionen eindeutig zugeordnet werden konnte und daher zu Gänze verboten wurde.<br />
<br />
===Erste Fehlentwicklungen===<br />
<br />
Trotz der anfänglichen Sympathie der Meiji Regierung für einen wie immer gearteten Shinto, zeigte die Praxis bald, dass man ohne Buddhismus kaum die religiösen Alltagsbedürfnisse der Japaner befriedigen konnte. Die meisten Führer der Restauration waren im übrigen keineswegs gläubige Shintoisten. Sie neigten vor allem dem Konfuzianismus zu und sahen im Shinto lediglich ein demagogisches Instrument zur Stärkung des Tennoismus. Zugleich übten westliche Mächte Druck auf die Regierung aus, Religionsfreiheit zu gewähren und damit dem Christentum neue Entfaltungsmöglichkeiten zu geben.<br />
{{Sidebox|meiji_constitution_1889.jpg|w=x120|left=-60|Meiji Verfassung}}<br />
<br />
Aus diesen Gründen wurde der Staatsshinto während der Meiji Zeit keineswegs immer konsequent vorangetrieben, sondern trat im Gegenteil bald gegenüber anderen politischen Zielen in den Hintergrund: Zunächst wurde das Militärwesen und dann ein Rechtssystem nach westlichem Muster eingeführt. Dieses Rechtssystem nahm mit der Verfassung von 1889 Gestalt an. Es orientierte sich im wesentlichen am Deutschen Kaiserreich, welches ja in der Tat fast zeitgleich (1871) mit dem modernen japanischen Staat entstanden war. Die japanische Verfassung sah eine konstitutionelle Monarchie vor und garantierte darüber hinaus – mit einigen Einschränkungen – „religiöse Freiheit“ (Artikel 28). Von den Ideen des Staatsshinto blieben in der Verfassung kaum mehr als zwei Sätze über: „Der japanische Staat wird für alle Zeiten ununterbrochen vom Tenno regiert und beherrscht“ (Artikel 1); und: „Die Person des Tenno ist heilig und unverletzlich“ (Artikel 3). Die Verfassung ließ jedoch sowohl die göttliche Herkunft des Tenno als auch seine priesterlichen Aufgaben unerwähnt. Auch von einer Staatsreligion ist in diesem grundlegenden juristischen Dokument nicht die Rede.<br />
<br />
Das anfängliche Scheitern des Staatsshinto ist zudem am Schicksal der Institutionen abzulesen, die zu seiner Verwirklichung vorgesehen waren. In rascher Folge wurde aus dem 1868 revitalisierten „Götteramt“ ({{glossar:jingikan}}) ein „Götter Ministerium“ ({{Glossar:Jingishou}}), das sich 1872 im „Ministerium für religiöse Angelegenheiten“ ({{Glossar:Kyoubushou}}) auflöste. Zu diesem Zeitpunkt überwog in der Regierung die Ansicht, eine Mischform aus Shinto, Konfuzianismus und Buddhismus wäre wohl eher als Staatsreligion geeignet denn Shinto allein. Im Gegensatz zur traditionellen ''kokugaku'' vertraute man nun nicht mehr auf eine spontane, intuitive Bejahung des Tenno, sondern bemühte sich um eine entwickelte Morallehre in der Art des Konfuzianismus. Es folgte eine staatlich unterstützte Kampagne zur Verbreitung von patriotischen Grundsätzen, die dem Tenno zu größerer Bedeutung verhelfen und der „Moral des Volkes“ förderlich sein sollten. Doch auch diese Kampagne scheiterte bald an der Tatsache, dass man sich über ein paar banale moralische Grundregeln hinaus auf keine nennenswerten Inhalte einigen konnte.<br />
<br />
==Tennozentrismus==<br />
<br />
Dennoch herrschte bereits innerhalb der maßgeblichen politischen und intellektuellen Kreise der Meiji Zeit ein Grundkonsens, dass an der Institution des Tenno nicht zu rütteln sei. Der Tenno diente quasi als letzte Bastion, an der eine eigene, sowohl von China als auch vom Westen verschiedene Identität festzumachen war, obwohl er während des gesamten japanischen Mittelalters und der frühen Neuzeit kaum politisch in Erscheinung getreten und somit der breiten Mehrheit der Bevölkerung so gut wie unbekannt war. Die Aufgabe, den Tenno zu einer allgemeinen Identifikationsfigur zu machen, wurde vor allem über zwei Schienen bewerkstelligt: einerseits über das allgemeine Erziehungswesen, andererseits über die Shinto Schreine im ganzen Land. Dabei bediente man sich – von ein paar allgemeinen Phrasen abgesehen – eher ritueller als dogmatischer Mittel:<br />
<br />
* In den Schulen wurden Portraits des Tenno und seiner Gemahlin aufbewahrt, die Gegenstand besonderer Zeremonien bei regelmäßigen feierlichen Anlässen wurden. Lehrer wie Schüler hatten sich dann tief vor diesen Bildern zu verneigen, als ob sie es mit einer Gottheit zu tun hätten. Taten sie das nicht, so wurden sie im allgemeinen der Schule verwiesen.<br />
* Die allgemeinen Feiertage wurden landesweit neu geregelt. Höfische Riten, die einstmals nur vom Tenno selbst vollzogen wurden, sollten nun in allen Schreinen stattfinden. Dazu kamen neue Feiertage wie etwa der Jahrestag der Reichsgründung durch {{glossar:jinmutennou}}, welche getreu den mythologischen Chroniken auf den 11. Februar 660 v.u.Z. datiert wurde.<br />
* Jeder Staatsbürger war dazu angehalten, an solchen Feiertagen einen Schrein aufzusuchen und dort dem Tenno seine Reverenz zu erweisen (auch wenn der Schrein selbst vielleicht keiner Ahnengottheit des Tenno geweiht war). Die Schreinpriester wurden ihrerseits nur am Rande in die Verehrung des Tenno eingebunden und führten großteils ihre traditionellen Riten weiter fort. Sie waren interessanterweise explizit dazu aufgefordert, sich aus theologischen und missionarischen Angelegenheiten heraus zu halten.<br />
* Die Schreine wurden nach antikem Vorbild in ein landesweites hierarchisches Rangsystem eingegliedert, dem der [[Bauten:Ise_Izumo | Ise Schrein]] vorstand. Schreinpriester wurden nach und nach als Beamte angesehen, erbliches Priestertum wurde gesetzlich untersagt.<br />
<br />
In dieser Form erlangte der Staatshinto im zwanzigsten Jahrhundert — zunächst nach dem Russo-Japanischen Krieg (1904-05) und dann in der frühen Shōwa Zeit (ab 1925) — seine volle Entfaltung, machte sich in der öffentlichen Erziehung und im japanischen Alltag breit und wurde zu einer Massenbewegung ähnlich dem Faschismus in den mit Japan verbündeten Nationen Deutschland und Italien.<br />
{{Galerie1|class=largebox|<br />
bild1={{dia|tenno_chikanobu1878_gr.jpg| w=550|rahmen_w=550|rahmen_h=200|top=-10|}}|<br />
caption=Meiji Tenno und seine Gemahlin umgeben von ihren kaiserlichen Ahnen<br />
}}<br />
<br />
===Die „nicht-religiöse Natur des Shinto“===<br />
<br />
Nicht nur die Schreinpriester, auch der Begriff „Shinto“ wurde ab dem Inkrafttreten der „Kaiserlichen Verfassung“ (1889) mehr und mehr in den Hintergrund gedrängt. Dies hängt zweifellos damit zusammen, dass die Verfassung selbst ausdrücklich „Freiheit des Glaubens“ garantierte. Hätte man nun offiziell von einem Staatsshinto, bzw. einer shintoistischen Staatsreligion gesprochen, so wäre diese unweigerlich mit der Verfassung in Konflikt geraten. Aus diesem Grund wurden alle staatlich verordneten Formen der Tenno-Verehrung nicht als „religiöse Handlungen“, sondern als „staatsbürgerliche Pflichten“ bezeichnet, auch wenn sie im Rahmen von Schreinriten stattfanden. Innerhalb des vorherrschenden politischen Diskurses wurde die Tenno Verehrung als eine Art erweiterter Familienkult interpretiert, da beide, Tenno und Untertanen göttlichen Ursprungs seien, der Tenno also eine Art Vater des gesamten Volkes darstellte. Dieser Kult war der „nicht-religiöse“ Shinto, den jeder Japaner zu befolgen hatte und dem auch alle Schreine neben ihren sonstigen traditionellen Zeremonien zu huldigen hatten. Damit war es möglich, einen Staatskult mit religiösen Verehrungsmustern zu fördern, ohne dass dies im Widerspruch zur verfassungsmäßig garantierten Religionsfreiheit stand.<br />
<br />
Dem entsprechend war von offizieller Seite ab Mitte der Meiji Zeit weder von einer Staatsreligion noch von einem Staatsshinto die Rede. Wenn Shinto explizit angesprochen wurde, dann als „Schrein Shinto“ ({{glossar:jinjashintou}}). Dieser Schrein Shinto wurde in Regierungstexten als nicht-religiöser Staatskult definiert und als solcher einem religiösen „Sekten Shinto“ ({{glossar:shuuhashintou}}) gegenüber gestellt (s. dazu auch [[Grundbegriffe:Shinto | Einführung: Shinto]]). Somit steht „Schrein Shinto“ im Kontext der Vorkriegszeit für das, was später als „Staatsshinto“ bezeichnet wurde. „Staatsshinto“ als Begriff setzte sich erst durch, nachdem das staatsshintoistische System durch die amerikanische ''Shinto Direktive'' (1945, s.u.) offiziell abgeschafft worden war. Somit wird der Begriff „Staatsshinto“ erst rückwirkend auf die Religionspolitik vor Ende des Zweiten Weltkriegs angewendet.<br />
<br />
===''Kokutai''===<br />
<br />
Aus dem bisher Gesagten lässt sich bereits erkennen, dass der Begriff „Shinto“ im System des Staatsshinto weit seltener zu finden ist, als man a priori vermuten würde. Die Schlagworte, unter denen sich der Kult um Staat und Tenno festigte, lauteten eher „Nationale Moral“, bzw. „Volksmoral“ (''kokumin dōtoku'') und „Nationaler Geist“/„Volksgeist“ ({{Glossar:Kokuminseishin}}). Der vielleicht wichtigste Begriff innerhalb der Ideologie des Staatsshinto ist jedoch das ominöse {{glossar:kokutai}}.<br />
<br />
''Kokutai'', wtl. „Landeskörper“, könnte man unvoreingenommen mit „Staat“ oder „Staatswesen“ übersetzen. Im Deutschen ruft eine derartige Übersetzung aber nicht den emotionalen Gehalt wach, der dem ''kokutai'' im Laufe der Zeit zugesprochen wurde. Insofern scheint Klaus Antonis Übersetzung „Nationalwesen“ treffender. Tatsächlich entzieht sich der Begriff aber einer Übersetzung, weil er in den verschiedensten Schriften der Vorkriegszeit eine Aura des Heiligen, Unantastbaren zugesprochen bekam, ohne dass je eine präzise Definition des Begriffs vorgenommen worden wäre. Selbst juridische Texte sprachen von der Verletzung der Würde des ''kokutai'', ohne zu klären, was ''kokutai'' sei. Ähnliches gilt auch für Texte, die sich explizit mit ''kokutai ''beschäftigen, wie das berüchtigte ''Kokutai no hongi'' („Grundprinzipien [unseres] Nationalwesens“) aus dem Jahr 1937. Ein gemeinsames Motiv aller ''kokutai'' Diskurse liegt jedoch darin, dass die Heiligkeit des Tenno, die zugleich die Heiligkeit des Staates ist, aus dem ''kokutai ''abgeleitet wurde, welches selbst nicht mehr hinterfragt werden konnte.<br />
<br />
===Die Göttlichkeit des Tenno===<br />
{{Sidebox|sidepage=Kyoiku_chokugo|titel=zitat| chokugo.jpg|Erziehungserlass}}<br />
Wo aber findet sich nun das berühmte Dogma, dass der Tenno selbst eine Gottheit in Menschengestalt ({{glossar:arahitogami}}) und seine Abstammung von der Sonnengottheit ein historisches Faktum sei? Auch hier wird man in amtlichen oder halb-amtlichen Dokumenten kaum fündig. Eine wichtige Rolle spielte aber der [[Geschichte:Staatsshinto/Kyoiku_chokugo | „Kaiserliche Erziehungserlass“]] aus dem Jahr 1890. Dieser kurze Text, in dem der Tenno persönlich zu seinen Untertanen spricht, enthält neben einem allgemein gehaltenen Aufruf zu Tugend und Patriotismus („unverbrüchliche Treue gegen den Herrscher und Liebe zu den Eltern“) mehrmals den Hinweis auf die „kaiserlichen Vorfahren“ sowie auf das „Gedeihen Unserer wie Himmel und Erde ewig dauernden Dynastie“ (ein Zitat des Herrschaftsauftrags durch {{glossar:amaterasu}}). Der Text verweist damit indirekt auf die [[Mythen:Einleitung | Mythen]] und die dort geschilderte göttliche Abstammung des Tenno Hauses, lässt es aber dahingestellt, in wie weit den dort geschilderten Begebnissen wörtlich Glauben zu schenken sei.<br />
<br />
Nun wurde aber dieser Erziehungserlass in den Schulen zusammen mit den Portraits des kaiserlichen Paares gleichsam religiös verehrt und bei diversen Anlässen kollektiv rezitiert. Diese Verehrung allein machte den Text gegenüber kritischen Einwänden immun und bot stattdessen einen trefflichen Anlass, die mythologischen Erzählungen vom Herrschaftsauftrag der Sonnengottheit an ihren Enkel und die Eroberung des ganzen Landes durch {{glossar:jinmutennou}} in den Schulunterricht einfließen zu lassen. Dies schloss aber keinesfalls aus, dass zumindest während der Meiji Zeit und bis in die vierziger Jahre des 20. Jahrhunderts an den Universitäten ernstzunehmende historische Forschung betrieben wurde, die durchaus auch die Historizität der Mythen thematisierte. Selbst zum Shinto waren unterschiedliche Meinungen gestattet. Unantastbar blieb einzig und allein der Tenno selbst, sodass auch die Frage, ob er nun göttlich sei oder nicht und was man sich unter der Göttlichkeit des Tenno vorzustellen habe, gar nicht gestellt wurde.<br />
<br />
==Shintopolitik nach dem Zweiten Weltkrieg==<br />
<br />
Nach der japanischen Niederlage im Zweiten Weltkrieg wurde der Staatsshinto unter amerikanischer Besatzung bereits 1945 offiziell abgeschafft. In der sogenannten ''Shinto-Direktive'' der Amerikaner vom 15. Dezember 1945 heißt es:<br />
{{zitat|quelle=(S.a. Hardacre 1989: 167)|text=<br />
Jede [Maßnahme zur] Trägerschaft, Förderung, Fortsetzung, Kontrolle oder Verbreitung des Shinto ist Personen im öffentlichen Dienst [...] untersagt und mit sofortiger Wirkung einzustellen. <br />
}}<br />
Am 1. Januar 1946 wandte sich der Tenno schließlich selbst – zweifellos auf Druck der Besatzungsmächte – an die Bevölkerung. In seiner ersten Rundfunkansprache überhaupt, die als „Proklamation des Menschseins“ (''Ningen sengen'') in die Geschichte einging, verkündete er:<br />
{{zitat|quelle=(S.a. Antoni 1998: 333)|text=<br />
Die Bande zwischen Uns und Euch, dem Volk, sind seit jeher aus gegenseitigem Vertrauen und liebevollem Respekt geflochten. Sie entstanden nicht bloß aus Mythen und Legenden. Sie beruhen nicht auf dem Wahn, der Tenno sei ein Gott in Menschengestalt und das japanische Volk sei eine höherwertige Rasse, vom Schicksal bestimmt die Welt zu beherrschen. <br />
}}<br />
Damit widerrief also der Tenno einerseits seine mythologisch begründete Göttlichkeit, nicht aber die grundsätzliche Autorität, die ihm unter dem Staatsshinto zugesprochen wurde. Zweifellos entsprach auch dies dem Kalkül der Amerikaner, die sich entschlossen hatten, Japan mit Hilfe des Tenno zu reformieren.<br />
<br />
Unter amerikanischer Besatzung wurde in der Folge die Trennung von Staat und Religion in der Verfassung verankert, sämtliche Shinto Schreine, inklusive des {{Glossar:Isejinguu | Ise Schreins}}, wurden als religiöse Körperschaften definiert und jeglicher staatlichen Förderung entzogen. Auch der Religionsunterricht in öffentlichen Schulen wurde untersagt. Religion (und darunter fällt seit 1945 auch der Shinto) gilt seither in Japan als reine Privatsache.<br />
<br />
Dennoch, oder vielleicht gerade deshalb, blieb die Ideologie des Staatsshinto unaufgearbeitet. Einzelne Religionshistoriker wie etwa Shimazono Susumu argumentieren sogar, dass der Staatshinto in der Person des Tenno, der ja nach wie vor auch religiöse Zeremonien vollzieht, bis heute fortbesteht. Des weiteren ist nicht zu übersehen, dass sich einzelne symbolträchtige Embleme des Staatsshinto, wie etwa der der {{Glossar:Meijijinguu}} - oder der {{Glossar:Yasukunijinja | Yasukuni Schrein}}, nach wie vor großer Beliebtheit erfreuen. Auch wenn kritische Intellektuelle immer wieder Diskussionen über die Abschaffung aller Überbleibsel des Staatsshinto entfachen, bleibt die Grundfrage in der japanischen Öffentlichkeit unentschieden: Muss man den Staatsshinto zur Gänze als Produkt eines überwundenen oder zu überwindenden Ultra-Nationalismus ansehen oder ist er ein Ausdruck japanischer kultureller Identität, der zu einer gewissen Zeit lediglich ideologisch missbraucht wurde?<br />
<br />
==Diskussionspunkte==<br />
{{Sidebox|sidepage=Yasukuni|yasukuni.jpg|left=-15|Yasukuni Schrein}}<br />
<br />
Abschließend sind im folgenden einige Schlagworte genannt, die bis heute zu regelmäßigen Auseinandersetzungen rund um den Staatsshinto führen:<br />
<br />
* {{glossar:yasukunijinja}}, Tokyo. Sicherlich das umstrittenste Reizthema. Der Yasukuni Schrein, wtl. „Schrein des friedlichen Landes“, ist eine Art Heldentempel, in dem die Seelen der für Japan gefallenen Soldaten als {{glossar:kami}} verehrt werden. Er wurde Anfang der Meiji-Zeit errichtet und vom Staatsshinto besonders gefördert. Nach dem Krieg wurde er in den Status einer gewöhlichen staatsunabhängigen Religionsgemeinschaft versetzt, doch gibt es Bestrebungen, ihn wieder als Ort nationaler Feierlichkeiten zu reaktivieren. Einige populistische Politiker statten dem Yasukuni Schrein daher immer wieder halb-offizielle Besuche ab, die kalkulierte Empörung seitens Chinas und Koreas und Applaus bei national gesinnten Wählerschaften hervorrufen. (Mehr dazu auf der Sidepage [[Geschichte:Staatsshinto/Yasukuni | Yasukuni]].)<br />
* {{glossar:kokutai}}, wtl. „Landeskörper“, „Nationalwesen“. Ein Begriff, durch den die nüchterne politische Struktur des Staates eine sakrale Aura erhalten sollte. Der bekannte Politologe Maruyama Masao wies darauf hin, dass die ''kokutai''-Ideologie in Japan ihre magische Bannkraft gerade deshalb entfaltete und noch immer besitzt, weil sie den Japanern kaum je bewusst gemacht wurde: „Ein scharfes Bewusstsein davon, welche magische Macht diese mit dem Wort ''kokutai'' bezeichnete nichtreligiöse Religion besaß, fehlt der Nachkriegsgeneration bereits, während es der älteren Generation, welche dieser Magie völlig verfallen war [...], von Anbeginn abging.“ (Maruyama 1988, S. 45)<br />
* {{glossar:shinkoku}} („Götterland“): Ein mit ''kokutai'' verwandter Begriff, der die Einzigartigkeit Japans auf die die Tatsache zurückführt, dass es das „Land der ''kami''“ sei. Dieser Begriff hat eine lange Tradition, die sich bis zu den Angriffen der Mongolen (13. Jh.) und darüber hinaus zurück verfolgen lässt (s. [[Geschichte:Shinto_Mittelalter | Shinto im Mittelalter]]). Unter dem Staatsshinto hatte der Begriff große Konjunktur, verschwand in der Folge weitgehend aus dem politischen Diskurs, tauchte aber in einer Parlamentsrede von Premierminister Mori Yoshiro im Jahr 2000 wieder auf und entfachte eine neue Welle von Argumenten gegen, bzw. für die Wiedererstarkung nationalistischen Denkens in Japan.<br />
* {{glossar:kannagaranomichi}} (wtl. „Weg des Gottseins“). ''Kannagara'' bedeutet ungefähr „eine Gottheit seiend“ und wird in einigen alten Texten auf den Tenno angewandt. Teilweise taucht der Begriff auch als Lesung der Kanji-Zeichen von {{glossar:shintou}} auf. In der Moderne bot der Begriff reichlich Platz für alle möglichen mystifizierenden Interpretationen, was „der Weg des Gottseins“ denn eigentlich zu bedeuten habe.<br />
{{Sidebox|heiseitenno.jpg|w=x150|top=-30|Heisei Tenno}}<br />
* Schließlich gibt es eine fortdauernde Diskussion über die Kriegsverantwortung des Tenno sowie seine Rolle im modernen Staat. Im Gegensatz zum Staatsshinto wurde das Kaisertum ja nicht vollkommen abgeschafft, es wurde ihm lediglich jede politische Entscheidungsgewalt entzogen. Im religiösen Bereich, etwa im Zusammenhang mit dem {{glossar:isejinguu|Ise Schrein}}, hält der Tenno aber bis heute gewisse rituelle Aufgaben inne. Darüber hinaus hat er selbst in der internationalen Politik nach wie vor eine keineswegs unbedeutende repräsentative Funktion als „Symbol des Staates“, die sogar in der Verfassung verankert ist. Daher erregte die Tatsache, dass Kaiser Hirohito ({{Glossar:Shouwatennou}}) ungeachtet seiner Rolle als Staatsoberhaupt vor dem Zweiten Weltkrieg sein Tenno-Amt auch nach dem Krieg bis zu seinem Tod bekleidete, sowohl außerhalb Japans als auch bei einigen japanischen Intellektuellen heftige Kritik.<br />
<br />
{{Linkbox|ue=Literatur|text=<br />
{{Literatur:Antoni_1998}}<br />
{{Literatur:Antoni_2002}}<br />
{{Literatur:Hardacre_1991}}<br />
{{Literatur:Fischer_2001}}<br />
<br />
Ältere Werke:<br />
{{Literatur:Holtom_1963}}<br />
{{Literatur:Maruyama_1988}}<br />
}}<br />
{{Linkbox|ue=Web Ressourcen|text=<br />
* [http://www.law.keio.ac.jp/%7Ehagiwara/kokutai.html „Kokutai-Ideologie“], Hagiwara Yoshihisa (dt.)<br/>Ein Artikel des japanischen Philosophen Hagiwara Yoshihisa, erschienen in K. Slamun (Hg.), ''Aufklärungsperspektiven'', J.C.B. Mohr, 1989.<br />
* „[http://www.uni-marburg.de/fb03/ivk/mjr/pdfs/2002/articles/kleine2002.pdf Religion im Dienste einer ethnisch-nationalen Identitätskonstruktion]: Erörtert am Beispiel der ‚Deutschen Christen‘ und des japanischen Shinto.“, Christoph Kleine<br/>Artikel des Japanologen und Religionswissenschaftlers Christoph Kleine, erschienen im Online Journal ''[http://www.uni-marburg.de/fb03/ivk/mjr Marburg Journal of Religion]'' 7/1, 2002.<br />
* [http://web.archive.org/web/20091027013136/http://geocities.com/gatoesmuchogor/ Yasukuni Jinja] (en.)<br/>Einige Fakten zu diesem kontroversen Thema. [Über [http://www.archive.org/ Internet Archive], 2010/8]<br />
* [http://www.kunaicho.go.jp/eindex.html Imperial Household Agency Homepage] (en., jap.)<br/>Zur Orientierung über die heutigen Funktionen des Tenno.<br />
* [http://www.kunaicho.go.jp/ryobo/index.html Tennō no misasagi] (jap.)<br/>Ein Überblick über sämtliche Grabstätten historischer Tenno - viele davon eigentlich Denkmäler aus der Zeit des Staatsshinto (Teil der oben genannten Website).<br />
* [http://www.fas.harvard.edu/~rijs/crrp/index.html Constitutional Revision Research Project], Harvard University (en.)<br/>Dieses Projekt widmet sich der aktuellen Debatte über eine Änderung der jap. Verfassung, enthält aber auch zahlreiche Dokumente und Links zur Geschichte der japanischen Verfassung.<br />
|update= Aug. 2010|<br />
}}<br />
{{ThisWay|Geschichte: Neue Religionen}}</div>Opaquehttps://religion-in-japan.univie.ac.at/r/index.php?title=Diskussion:Geschichte/Neue_Religionen&diff=15087Diskussion:Geschichte/Neue Religionen2010-09-16T14:33:18Z<p>Opaque: /* Externe Links */</p>
<hr />
<div>==Externe Links==<br />
* [http://www.uni-marburg.de/relsamm/ausstellung/ausstellung/tenri Tenrikyo]. Website der Universität Marburg.<br />
ursprüngliche Verlinkung existiert nicht mehr, auf der neuen Website zu Tenri-kyō http://www.uni-marburg.de/relsamm/ausstellung/ausstellung/tenrikyo/index_html sind noch keine Informationen verfügbar. <br />
::Ich habe die Marburger angemailt. Mal sehen, was herauskommt.--[[Benutzer:WikiSysop|Bernhard Scheid]] 17:43, 29. Jul. 2010 (CEST)<br />
:::Laut Marburg sollte der Link bald wieder funktionieren. --[[Benutzer:WikiSysop|Bernhard Scheid]] 19:36, 25. Aug. 2010 (CEST)<br />
----<br />
Interessant finde ich diese Links, auch wenn (oder weil) beide sehr von einer „Innensicht“ geprägt sind; ich hoffe, das wird nicht als Werbung missverstanden.<br />
<br />
[http://www.tenri.org/ Selbstdarstellung des Tenri Cultural Institute of New York]. Durch die bereitgestellten Bilder kann man den Aspekt der Sauberkeit und auch die Gedanken an Brave New World gut nachvollziehen. <br />
<br />
http://tenrikyology.com/user/roy/index.php Hier bloggt ein Mitglied der Tenri-kyō. Die Seite enthält nicht nur sehr viele „Insider“ - Informationen zur Organisation, religiösen Vorstellungen und täglichen Abläufen (siehe z.B. Recent Questions bei Q&A), sondern vermittelt auch gut einen Einblick in die persönliche Gedankenwelt eines Mitglieds.<br />
--[[Benutzer:Opaque|Opaque]] 12:44, 29. Jul. 2010 (CEST)<br />
::Danke für die Links. Lassen wir das vorläufig als Kommentar stehen. --[[Benutzer:WikiSysop|Bernhard Scheid]] 17:43, 29. Jul. 2010 (CEST)</div>Opaquehttps://religion-in-japan.univie.ac.at/r/index.php?title=Diskussion:Geschichte/Neue_Religionen&diff=15086Diskussion:Geschichte/Neue Religionen2010-09-16T14:32:35Z<p>Opaque: /* Externe Links */</p>
<hr />
<div>==Externe Links==<br />
* [http://www.uni-marburg.de/relsamm/ausstellung/ausstellung/tenri Tenrikyo]. Website der Universität Marburg.<br />
ursprüngliche Verlinkung existiert nicht mehr, auf der neuen Website zu Tenri-kyō http://www.uni-marburg.de/relsamm/ausstellung/ausstellung/tenrikyo/index_html sind noch keine Informationen verfügbar. <br />
::Ich habe die Marburger angemailt. Mal sehen, was herauskommt.--[[Benutzer:WikiSysop|Bernhard Scheid]] 17:43, 29. Jul. 2010 (CEST)<br />
:::Laut Marburg sollte der Link bald wieder funktionieren. --[[Benutzer:WikiSysop|Bernhard Scheid]] 19:36, 25. Aug. 2010 (CEST)<br />
----<br />
Interessant finde ich diese Links, auch wenn (oder weil) beide sehr von einer „Innensicht“ geprägt sind; ich hoffe, das wird nicht als Werbung missverstanden.<br />
<br />
[http://www.tenri.org/ Selbstdarstellung des Tenri Cultural Institute of New York]. Durch die bereitgestellten Bilder kann man den Aspekt der Sauberkeit und auch die Gedanken an Brave New World gut nachvollziehen. <br />
<br />
http://tenrikyology.com/user/roy/index.php Hier bloggt ein Mitglied der Tenri-kyō. Die Seite enthält nicht nur sehr viele „Insider“ - Informationen zur Organisation, religiösen Vorstellungen und täglichen Abläufen (siehe z.B. Recent Questions bei Q&A), sondern vermittelt auch gut einen Einblick in die persönliche Gedankenwelt eines Mitglieds.<br />
<br />
::Danke für die Links. Lassen wir das vorläufig als Kommentar stehen. --[[Benutzer:WikiSysop|Bernhard Scheid]] 17:43, 29. Jul. 2010 (CEST)<br />
<br />
--[[Benutzer:Opaque|Opaque]] 12:44, 29. Jul. 2010 (CEST)</div>Opaquehttps://religion-in-japan.univie.ac.at/r/index.php?title=Geschichte/Staatsshinto&diff=15083Geschichte/Staatsshinto2010-09-16T14:20:11Z<p>Opaque: /* Erste Fehlentwicklungen */</p>
<hr />
<div>{{Styles}}<br />
=Staatsshinto=<br />
<br />
Als Staatsshinto (jap. {{glossar:kokkashintou}}) bezeichnet man heute die tragende Ideologie des jungen japanischen Nationalstaates, wie er sich ab der sogenannten {{glossar:meiji}}-Restauration im Jahr 1868 bis zur Niederlage Japans im Zweiten Weltkrieg (1945) herausbildete. In dieser Zeit rückte die Institution des {{Glossar:Tennou}} nach Jahrhunderten der politischen Bedeutungslosigkeit wieder ins Zentrum der politischen Macht. Der politische Umbruch zwischen 1867 und 68 wird genau deshalb als „Restauration“ bezeichnet, weil er von dem Ideal getragen war, zu den politischen Verhältnissen des alten Japan, also zu einer zentralistischen Monarchie rund um den Tenno, zurückzukehren.<br />
<br />
==Das doppelte Gesicht des Tenno==<br />
<br />
Die Ideen des Staatsshinto wurden u.a. von der {{Glossar:kokugaku}} („Nationale Schule“) formuliert, die sich im Laufe des neunzehnten Jahrhunderts zunehmend politisiert hatte und den Umsturz der feudalen Verhältnisse unter dem Tokugawa Shogunat ideologisch vorbereitete. Die meisten ''kokugaku'' Gelehrten erachteten das klassische Altertum als eine Art goldenes Zeitalter, in dem sowohl der Tenno als auch die {{glossar:kami}} von allen Japanern als naturgegebene Autoritäten anerkannt wurden, ohne dass explizite Gesetze oder Glaubenslehren von Nöten gewesen wären. Diese selbstverständliche Anerkennung einer religiös-politischen Ordnung wurde als die Essenz des {{Glossar:Shintou}}, des Weges der ''kami'', angesehen. In der ausgehenden {{Glossar:Edo}} Zeit implizierte Shinto somit die Idee eines sakralen Königtums. Eine zentrale Forderung derer, die sich für diese Form von Shinto begeisterten, war daher auch die Wiederherstellung einer Einheit von religiösem Ritus und politischem System ({{glossar:saiseiitchi}}) in der Person des Tenno.<br />
{{Galerie1|<br />
bild1={{Dia|meiji_tenno2.jpg|w=180|left=-30|top=-60|rahmen_h=200}}|<br />
bild2={{Dia|meijitenno1872.jpg|w=200|left=-50|top=-20|rahmen_h=200}}|<br />
caption= Meiji Tenno, 1872<br />
}}<br />
Im Gegensatz zu den bürgerlichen Revolutionen, die Europa um die Mitte des neunzehnten Jahrhunderts bewegten, und die zumeist im Namen einer wie immer gearteten „Freiheit“ durchgeführt wurden, waren die Utopien, die Japan in dieser Zeit veränderten, also primär auf die Vergangenheit gerichtet. Auch die siegreichen Reformer der Meiji-Zeit standen zunächst in dieser Tradition. Dennoch orientierten sie sich ebenso sehr an europäischen Staaten, wenn es um die Einzelheiten der zu ergreifenden Maßnahmen ging. Der junge {{glossar:meijitennou}}, der selbst das wichtigste Emblem dieser Erneuerung war, erhielt dem entsprechend ein doppeltes Gesicht: Neben seinen sakral anmutenden traditionellen Amtsroben trat er in einer vollkommen neuen Gestalt auf, nämlich in Militäruniform nach westlichem Muster. Dieses doppelte Erscheinungsbild des Meiji Tenno spiegelt nicht nur die Zerrissenheit des damaligen Japan zwischen Traditionalismus und Moderne, es trägt auch die Paradoxe in sich, die sich in der Idee eines staatstragenden Shinto offenbaren. Dieser sollte die Ideologie für eine Entwicklung bereit stellen, die eben nicht in erster Linie die Vergangenheit wach rief, sondern von politischer Zentralisierung, verwaltungstechnischer und militärischer Rationalisierung, sowie von technologischer Erneuerung, kurz von der Modernisierung nach westlichem Muster geprägt war. Dennoch bediente sich diese Modernisierung, wo es möglich war, eines rituellen Gepräges, das der japanischen Antike entnommen war. Diesen Zwiespalt versuchte man mit dem Schlagwort „Japanischer Geist - westliche Technik“ ({{glossar:wakonyousai}}) zu überbrücken. Man meinte also, zwar äußerlich dem westlichen Vorbild zu folgen, innerlich aber sich selbst treu zu bleiben. Tatsächlich regierte in der Meiji-Zeit jedoch ein schrankenloser Pragmatismus, der im Grunde nur von einem Ziel bestimmt war: in machtpolitischer Hinsicht mit den europäischen Mächten und Amerika gleichzuziehen. Ob dies nun durch Rückbesinnung auf alte Werte oder durch Übernahme neuer Institutionen und Techniken zu erreichen wäre, unterlag den momentanen Schwankungen der tagespolitischen Situation.<br />
<br />
==Trennung von Shinto und Buddhismus==<br />
<br />
Eine Staatsreligion zu haben erschien zunächst gerade aus dieser pragmatischen Perspektive unabdingbar. Die meisten japanischen Beobachter der europäischen Verhältnisse machten nämlich das Christentum dafür verantwortlich, dass der Staat hier das Volk besser im Griff habe als in Japan. Die Meiji Reformer suchten also nach einer vergleichbaren ideologischen Macht im eigenen Land und entschieden sich aus diesem Grund für Shinto und Tenno. Es war jedoch unübersehbar, dass der Shinto erst einmal neu gestaltet – um nicht zu sagen neu erfunden – werden musste, damit er eine dem Christentum vergleichbare Rolle übernehmen konnte. Er musste z.B. erst einmal säuberlich vom Buddhismus getrennt werden. Einer der ersten Erlässe der neuen Meiji-Regierung im Jahr 1868 ordnete daher die „Trennung von ''kami'' und Buddhas“ ({{glossar:shinbutsubunri}}) an. Dies markierte einen Bruch mit der seit dem Altertum allgemeingültigen Auffassung, dass japanische ''kami'' im Grunde nur besondere Erscheinungsformen buddhistischer Wesen seien (s. [[Geschichte:Honji_suijaku | ''Honji suijaku'']]). Dieser Bruch realisierte sich in der Praxis durch Maßnahmen wie die Abschaffung buddhistischer Titel für die ''kami'', die Umbenennung von Schreinen oder die Zerstörung buddhistischer Statuen, die in Schreinen aufbewahrt wurden. Es kam überdies landesweit zu anti-buddhistischen Ausschreitungen, die von bestehenden Ressentiments gegenüber den Privilegien des buddhistischen Klerus in der Edo-Zeit (s. [[Geschichte:Terauke | ''terauke'' System]]) angeheizt wurden.<br />
<br />
Die neuen Maßnahmen trafen aber nicht nur [[Alltag:Mönche | buddhistische Mönche]], sondern auch viele [[Alltag:Schreinpriester | Schreinpriester]], da die meisten von ihnen ja gemeinsam mit den Mönchen in „Tempel-Schrein-Komplexen“ tätig gewesen waren. Ohne den institutionellen Schutz und das liturgische Knowhow buddhistischer Tempel fehlte vielen Schreinpriestern schlicht die Existenzgrundlage. Am härtesten traf die verordnete Trennung von Buddhismus und Shinto allerdings religiöse Mischformen wie den Kult der {{Glossar:Yamabushi}}, der keiner der beiden Religionen eindeutig zugeordnet werden konnte und daher zu Gänze verboten wurde.<br />
<br />
===Erste Fehlentwicklungen===<br />
<br />
Trotz der anfänglichen Sympathie der Meiji Regierung für einen wie immer gearteten Shinto, zeigte die Praxis bald, dass man ohne Buddhismus kaum die religiösen Alltagsbedürfnisse der Japaner befriedigen konnte. Die meisten Führer der Restauration waren im übrigen keineswegs gläubige Shintoisten. Sie neigten vor allem dem Konfuzianismus zu und sahen im Shinto lediglich ein demagogisches Instrument zur Stärkung des Tennoismus. Zugleich übten westliche Mächte Druck auf die Regierung aus, Religionsfreiheit zu gewähren und damit dem Christentum neue Entfaltungsmöglichkeiten zu geben.<br />
{{Sidebox|meiji_constitution_1889.jpg|w=x120|left=-60|Meiji Verfassung}}<br />
<br />
Aus diesen Gründen wurde der Staatsshinto während der Meiji Zeit keineswegs immer konsequent vorangetrieben, sondern trat im Gegenteil bald gegenüber anderen politischen Zielen in den Hintergrund: Zunächst wurde das Militärwesen und dann ein Rechtssystem nach westlichem Muster eingeführt. Dieses Rechtssystem nahm mit der Verfassung von 1889 Gestalt an. Es orientierte sich im wesentlichen am Deutschen Kaiserreich, welches ja in der Tat fast zeitgleich (1871) mit dem modernen japanischen Staat entstanden war. Die japanische Verfassung sah eine konstitutionelle Monarchie vor und garantierte darüber hinaus – mit einigen Einschränkungen – „religiöse Freiheit“ (Artikel 28). Von den Ideen des Staatsshinto blieben in der Verfassung kaum mehr als zwei Sätze über: „Der japanische Staat wird für alle Zeiten ununterbrochen vom Tenno regiert und beherrscht“ (Artikel 1); und: „Die Person des Tenno ist heilig und unverletzlich“ (Artikel 3). Die Verfassung ließ jedoch sowohl die göttliche Herkunft des Tenno als auch seine priesterlichen Aufgaben unerwähnt. Auch von einer Staatsreligion ist in diesem grundlegenden juristischen Dokument nicht die Rede.<br />
<br />
Das anfängliche Scheitern des Staatsshinto ist zudem am Schicksal der Institutionen abzulesen, die zu seiner Verwirklichung vorgesehen waren. In rascher Folge wurde aus dem 1868 revitalisierten „Götteramt“ ({{glossar:jingikan}}) ein „Götter Ministerium“ ({{Glossar:Jingishou}}), das sich 1872 im „Ministerium für religiöse Angelegenheiten“ ({{Glossar:Kyoubushou}}) auflöste. Zu diesem Zeitpunkt überwog in der Regierung die Ansicht, eine Mischform aus Shinto, Konfuzianismus und Buddhismus wäre wohl eher als Staatsreligion geeignet denn Shinto allein. Im Gegensatz zur traditionellen ''kokugaku'' vertraute man nun nicht mehr auf eine spontane, intuitive Bejahung des Tenno, sondern bemühte sich um eine entwickelte Morallehre in der Art des Konfuzianismus. Es folgte eine staatlich unterstützte Kampagne zur Verbreitung von patriotischen Grundsätzen, die dem Tenno zu größerer Bedeutung verhelfen und der „Moral des Volkes“ förderlich sein sollten. Doch auch diese Kampagne scheiterte bald an der Tatsache, dass man sich über ein paar banale moralische Grundregeln hinaus auf keine nennenswerten Inhalte einigen konnte.<br />
<br />
==Tennozentrismus==<br />
<br />
Dennoch herrschte bereits innerhalb der maßgeblichen politischen und intellektuellen Kreise der Meiji Zeit ein Grundkonsens, dass an der Institution des Tenno nicht zu rütteln sei. Der Tenno diente quasi als letzte Bastion, an der eine eigene, sowohl von China als auch vom Westen verschiedene Identität festzumachen war, obwohl er während des gesamten japanischen Mittelalters und der frühen Neuzeit kaum politisch in Erscheinung getreten und somit der breiten Mehrheit der Bevölkerung so gut wie unbekannt war. Die Aufgabe, den Tenno zu einer allgemeinen Identifikationsfigur zu machen, wurde vor allem über zwei Schienen bewerkstelligt: einerseits über das allgemeine Erziehungswesen, andererseits über die Shinto Schreine im ganzen Land. Dabei bediente man sich – von ein paar allgemeinen Phrasen abgesehen – eher ritueller als dogmatischer Mittel:<br />
<br />
* In den Schulen wurden Portraits des Tenno und seiner Gemahlin aufbewahrt, die Gegenstand besonderer Zeremonien bei regelmäßigen feierlichen Anlässen wurden. Lehrer wie Schüler hatten sich dann tief vor diesen Bildern zu verneigen, als ob sie es mit einer Gottheit zu tun hätten. Taten sie das nicht, so wurden sie im allgemeinen der Schule verwiesen.<br />
* Die allgemeinen Feiertage wurden landesweit neu geregelt. Höfische Riten, die einstmals nur vom Tenno selbst vollzogen wurden, sollten nun in allen Schreinen stattfinden. Dazu kamen neue Feiertage wie etwa der Jahrestag der Reichsgründung durch {{glossar:jinmutennou}}, welche getreu den mythologischen Chroniken auf den 11. Februar 660 v.u.Z. datiert wurde.<br />
* Jeder Staatsbürger war dazu angehalten, an solchen Feiertagen einen Schrein aufzusuchen und dort dem Tenno seine Reverenz zu erweisen (auch wenn der Schrein selbst vielleicht keiner Ahnengottheit des Tenno geweiht war). Die Schreinpriester wurden ihrerseits nur am Rande in die Verehrung des Tenno eingebunden und führten großteils ihre traditionellen Riten weiter fort. Sie waren interessanterweise explizit dazu aufgefordert, sich aus theologischen und missionarischen Angelegenheiten heraus zu halten.<br />
* Die Schreine wurden nach antikem Vorbild in ein landesweites hierarchisches Rangsystem eingegliedert, dem der [[Bauten:Ise_Izumo | Ise Schrein]] vorstand. Schreinpriester wurden nach und nach als Beamte angesehen, erbliches Priestertum wurde gesetzlich untersagt.<br />
<br />
In dieser Form erlangte der Staatshinto im zwanzigsten Jahrhundert — zunächst nach dem Russo-Japanischen Krieg (1904-05) und dann in der frühen Shōwa Zeit (ab 1925) — seine volle Entfaltung, machte sich in der öffentlichen Erziehung und im japanischen Alltag breit und wurde zu einer Massenbewegung ähnlich dem Faschismus in den mit Japan verbündeten Nationen Deutschland und Italien.<br />
{{Galerie1|class=largebox|<br />
bild1={{dia|tenno_chikanobu1878_gr.jpg| w=550|rahmen_w=550|rahmen_h=200|top=-10|}}|<br />
caption=Meiji Tenno und seine Gemahlin umgeben von ihren kaiserlichen Ahnen<br />
}}<br />
<br />
===Die „nicht-religiöse Natur des Shinto“===<br />
<br />
Nicht nur die Schreinpriester, auch der Begriff „Shinto“ wurde ab dem Inkrafttreten der „Kaiserlichen Verfassung“ (1889) mehr und mehr in den Hintergrund gedrängt. Dies hängt zweifellos damit zusammen, dass die Verfassung selbst ausdrücklich „Freiheit des Glaubens“ garantierte. Hätte man nun offiziell von einem Staatsshinto, bzw. einer shintoistischen Staatsreligion gesprochen, so wäre diese unweigerlich mit der Verfassung in Konflikt geraten. Aus diesem Grund wurden alle staatlich verordneten Formen der Tenno-Verehrung nicht als „religiöse Handlungen“, sondern als „staatsbürgerliche Pflichten“ bezeichnet, auch wenn sie im Rahmen von Schreinriten stattfanden. Innerhalb des vorherrschenden politischen Diskurses wurde die Tenno Verehrung als eine Art erweiterter Familienkult interpretiert, da beide, Tenno und Untertanen göttlichen Ursprungs seien, der Tenno also eine Art Vater des gesamten Volkes darstellte. Dieser Kult war der „nicht-religiöse“ Shinto, den jeder Japaner zu befolgen hatte und dem auch alle Schreine neben ihren sonstigen traditionellen Zeremonien zu huldigen hatten. Damit war es möglich, einen Staatskult mit religiösen Verehrungsmustern zu fördern, ohne dass dies im Widerspruch zur verfassungsmäßig garantierten Religionsfreiheit stand.<br />
<br />
Dem entsprechend war von offizieller Seite ab Mitte der Meiji Zeit weder von einer Staatsreligion noch von einem Staatsshinto die Rede. Wenn Shinto explizit angesprochen wurde, dann als „Schrein Shinto“ ({{glossar:jinjashintou}}). Dieser Schrein Shinto wurde in Regierungstexten als nicht-religiöser Staatskult definiert und als solcher einem religiösen „Sekten Shinto“ ({{glossar:shuuhashintou}}) gegenüber gestellt (s. dazu auch [[Grundbegriffe:Shinto | Einführung: Shinto]]). Somit steht „Schrein Shinto“ im Kontext der Vorkriegszeit für das, was später als „Staatsshinto“ bezeichnet wurde. „Staatsshinto“ als Begriff setzte sich erst durch, nachdem das staatsshintoistische System durch die amerikanische ''Shinto Direktive'' (1945, s.u.) offiziell abgeschafft worden war. Somit wird der Begriff „Staatsshinto“ erst rückwirkend auf die Religionspolitik vor Ende des Zweiten Weltkriegs angewendet.<br />
<br />
===''Kokutai''===<br />
<br />
Aus dem bisher Gesagten lässt sich bereits erkennen, dass der Begriff „Shinto“ im System des Staatsshinto weit seltener zu finden ist, als man a priori vermuten würde. Die Schlagworte, unter denen sich der Kult um Staat und Tenno festigte, lauteten eher „Nationale Moral“, bzw. „Volksmoral“ (''kokumin dōtoku'') und „Nationaler Geist“/„Volksgeist“ (''kokumin seishin''). Der vielleicht wichtigste Begriff innerhalb der Ideologie des Staatsshinto ist jedoch das ominöse {{glossar:kokutai}}.<br />
<br />
''Kokutai'', wtl. „Landeskörper“, könnte man unvoreingenommen mit „Staat“ oder „Staatswesen“ übersetzen. Im Deutschen ruft eine derartige Übersetzung aber nicht den emotionalen Gehalt wach, der dem ''kokutai'' im Laufe der Zeit zugesprochen wurde. Insofern scheint Klaus Antonis Übersetzung „Nationalwesen“ treffender. Tatsächlich entzieht sich der Begriff aber einer Übersetzung, weil er in den verschiedensten Schriften der Vorkriegszeit eine Aura des Heiligen, Unantastbaren zugesprochen bekam, ohne dass je eine präzise Definition des Begriffs vorgenommen worden wäre. Selbst juridische Texte sprachen von der Verletzung der Würde des ''kokutai'', ohne zu klären, was ''kokutai'' sei. Ähnliches gilt auch für Texte, die sich explizit mit ''kokutai ''beschäftigen, wie das berüchtigte ''Kokutai no hongi'' („Grundprinzipien [unseres] Nationalwesens“) aus dem Jahr 1937. Ein gemeinsames Motiv aller ''kokutai'' Diskurse liegt jedoch darin, dass die Heiligkeit des Tenno, die zugleich die Heiligkeit des Staates ist, aus dem ''kokutai ''abgeleitet wurde, welches selbst nicht mehr hinterfragt werden konnte.<br />
<br />
===Die Göttlichkeit des Tenno===<br />
{{Sidebox|sidepage=Kyoiku_chokugo|titel=zitat| chokugo.jpg|Erziehungserlass}}<br />
Wo aber findet sich nun das berühmte Dogma, dass der Tenno selbst eine Gottheit in Menschengestalt ({{glossar:arahitogami}}) und seine Abstammung von der Sonnengottheit ein historisches Faktum sei? Auch hier wird man in amtlichen oder halb-amtlichen Dokumenten kaum fündig. Eine wichtige Rolle spielte aber der [[Geschichte:Staatsshinto/Kyoiku_chokugo | „Kaiserliche Erziehungserlass“]] aus dem Jahr 1890. Dieser kurze Text, in dem der Tenno persönlich zu seinen Untertanen spricht, enthält neben einem allgemein gehaltenen Aufruf zu Tugend und Patriotismus („unverbrüchliche Treue gegen den Herrscher und Liebe zu den Eltern“) mehrmals den Hinweis auf die „kaiserlichen Vorfahren“ sowie auf das „Gedeihen Unserer wie Himmel und Erde ewig dauernden Dynastie“ (ein Zitat des Herrschaftsauftrags durch {{glossar:amaterasu}}). Der Text verweist damit indirekt auf die [[Mythen:Einleitung | Mythen]] und die dort geschilderte göttliche Abstammung des Tenno Hauses, lässt es aber dahingestellt, in wie weit den dort geschilderten Begebnissen wörtlich Glauben zu schenken sei.<br />
<br />
Nun wurde aber dieser Erziehungserlass in den Schulen zusammen mit den Portraits des kaiserlichen Paares gleichsam religiös verehrt und bei diversen Anlässen kollektiv rezitiert. Diese Verehrung allein machte den Text gegenüber kritischen Einwänden immun und bot stattdessen einen trefflichen Anlass, die mythologischen Erzählungen vom Herrschaftsauftrag der Sonnengottheit an ihren Enkel und die Eroberung des ganzen Landes durch {{glossar:jinmutennou}} in den Schulunterricht einfließen zu lassen. Dies schloss aber keinesfalls aus, dass zumindest während der Meiji Zeit und bis in die vierziger Jahre des 20. Jahrhunderts an den Universitäten ernstzunehmende historische Forschung betrieben wurde, die durchaus auch die Historizität der Mythen thematisierte. Selbst zum Shinto waren unterschiedliche Meinungen gestattet. Unantastbar blieb einzig und allein der Tenno selbst, sodass auch die Frage, ob er nun göttlich sei oder nicht und was man sich unter der Göttlichkeit des Tenno vorzustellen habe, gar nicht gestellt wurde.<br />
<br />
==Shintopolitik nach dem Zweiten Weltkrieg==<br />
<br />
Nach der japanischen Niederlage im Zweiten Weltkrieg wurde der Staatsshinto unter amerikanischer Besatzung bereits 1945 offiziell abgeschafft. In der sogenannten ''Shinto-Direktive'' der Amerikaner vom 15. Dezember 1945 heißt es:<br />
{{zitat|quelle=(S.a. Hardacre 1989: 167)|text=<br />
Jede [Maßnahme zur] Trägerschaft, Förderung, Fortsetzung, Kontrolle oder Verbreitung des Shinto ist Personen im öffentlichen Dienst [...] untersagt und mit sofortiger Wirkung einzustellen. <br />
}}<br />
Am 1. Januar 1946 wandte sich der Tenno schließlich selbst – zweifellos auf Druck der Besatzungsmächte – an die Bevölkerung. In seiner ersten Rundfunkansprache überhaupt, die als „Proklamation des Menschseins“ (''Ningen sengen'') in die Geschichte einging, verkündete er:<br />
{{zitat|quelle=(S.a. Antoni 1998: 333)|text=<br />
Die Bande zwischen Uns und Euch, dem Volk, sind seit jeher aus gegenseitigem Vertrauen und liebevollem Respekt geflochten. Sie entstanden nicht bloß aus Mythen und Legenden. Sie beruhen nicht auf dem Wahn, der Tenno sei ein Gott in Menschengestalt und das japanische Volk sei eine höherwertige Rasse, vom Schicksal bestimmt die Welt zu beherrschen. <br />
}}<br />
Damit widerrief also der Tenno einerseits seine mythologisch begründete Göttlichkeit, nicht aber die grundsätzliche Autorität, die ihm unter dem Staatsshinto zugesprochen wurde. Zweifellos entsprach auch dies dem Kalkül der Amerikaner, die sich entschlossen hatten, Japan mit Hilfe des Tenno zu reformieren.<br />
<br />
Unter amerikanischer Besatzung wurde in der Folge die Trennung von Staat und Religion in der Verfassung verankert, sämtliche Shinto Schreine, inklusive des {{Glossar:Isejinguu | Ise Schreins}}, wurden als religiöse Körperschaften definiert und jeglicher staatlichen Förderung entzogen. Auch der Religionsunterricht in öffentlichen Schulen wurde untersagt. Religion (und darunter fällt seit 1945 auch der Shinto) gilt seither in Japan als reine Privatsache.<br />
<br />
Dennoch, oder vielleicht gerade deshalb, blieb die Ideologie des Staatsshinto unaufgearbeitet. Einzelne Religionshistoriker wie etwa Shimazono Susumu argumentieren sogar, dass der Staatshinto in der Person des Tenno, der ja nach wie vor auch religiöse Zeremonien vollzieht, bis heute fortbesteht. Des weiteren ist nicht zu übersehen, dass sich einzelne symbolträchtige Embleme des Staatsshinto, wie etwa der der {{Glossar:Meijijinguu}} - oder der {{Glossar:Yasukunijinja | Yasukuni Schrein}}, nach wie vor großer Beliebtheit erfreuen. Auch wenn kritische Intellektuelle immer wieder Diskussionen über die Abschaffung aller Überbleibsel des Staatsshinto entfachen, bleibt die Grundfrage in der japanischen Öffentlichkeit unentschieden: Muss man den Staatsshinto zur Gänze als Produkt eines überwundenen oder zu überwindenden Ultra-Nationalismus ansehen oder ist er ein Ausdruck japanischer kultureller Identität, der zu einer gewissen Zeit lediglich ideologisch missbraucht wurde?<br />
<br />
==Diskussionspunkte==<br />
{{Sidebox|sidepage=Yasukuni|yasukuni.jpg|left=-15|Yasukuni Schrein}}<br />
<br />
Abschließend sind im folgenden einige Schlagworte genannt, die bis heute zu regelmäßigen Auseinandersetzungen rund um den Staatsshinto führen:<br />
<br />
* {{glossar:yasukunijinja}}, Tokyo. Sicherlich das umstrittenste Reizthema. Der Yasukuni Schrein, wtl. „Schrein des friedlichen Landes“, ist eine Art Heldentempel, in dem die Seelen der für Japan gefallenen Soldaten als {{glossar:kami}} verehrt werden. Er wurde Anfang der Meiji-Zeit errichtet und vom Staatsshinto besonders gefördert. Nach dem Krieg wurde er in den Status einer gewöhlichen staatsunabhängigen Religionsgemeinschaft versetzt, doch gibt es Bestrebungen, ihn wieder als Ort nationaler Feierlichkeiten zu reaktivieren. Einige populistische Politiker statten dem Yasukuni Schrein daher immer wieder halb-offizielle Besuche ab, die kalkulierte Empörung seitens Chinas und Koreas und Applaus bei national gesinnten Wählerschaften hervorrufen. (Mehr dazu auf der Sidepage [[Geschichte:Staatsshinto/Yasukuni | Yasukuni]].)<br />
* {{glossar:kokutai}}, wtl. „Landeskörper“, „Nationalwesen“. Ein Begriff, durch den die nüchterne politische Struktur des Staates eine sakrale Aura erhalten sollte. Der bekannte Politologe Maruyama Masao wies darauf hin, dass die ''kokutai''-Ideologie in Japan ihre magische Bannkraft gerade deshalb entfaltete und noch immer besitzt, weil sie den Japanern kaum je bewusst gemacht wurde: „Ein scharfes Bewusstsein davon, welche magische Macht diese mit dem Wort ''kokutai'' bezeichnete nichtreligiöse Religion besaß, fehlt der Nachkriegsgeneration bereits, während es der älteren Generation, welche dieser Magie völlig verfallen war [...], von Anbeginn abging.“ (Maruyama 1988, S. 45)<br />
* {{glossar:shinkoku}} („Götterland“): Ein mit ''kokutai'' verwandter Begriff, der die Einzigartigkeit Japans auf die die Tatsache zurückführt, dass es das „Land der ''kami''“ sei. Dieser Begriff hat eine lange Tradition, die sich bis zu den Angriffen der Mongolen (13. Jh.) und darüber hinaus zurück verfolgen lässt (s. [[Geschichte:Shinto_Mittelalter | Shinto im Mittelalter]]). Unter dem Staatsshinto hatte der Begriff große Konjunktur, verschwand in der Folge weitgehend aus dem politischen Diskurs, tauchte aber in einer Parlamentsrede von Premierminister Mori Yoshiro im Jahr 2000 wieder auf und entfachte eine neue Welle von Argumenten gegen, bzw. für die Wiedererstarkung nationalistischen Denkens in Japan.<br />
* {{glossar:kannagaranomichi}} (wtl. „Weg des Gottseins“). ''Kannagara'' bedeutet ungefähr „eine Gottheit seiend“ und wird in einigen alten Texten auf den Tenno angewandt. Teilweise taucht der Begriff auch als Lesung der Kanji-Zeichen von {{glossar:shintou}} auf. In der Moderne bot der Begriff reichlich Platz für alle möglichen mystifizierenden Interpretationen, was „der Weg des Gottseins“ denn eigentlich zu bedeuten habe.<br />
{{Sidebox|heiseitenno.jpg|w=x150|top=-30|Heisei Tenno}}<br />
* Schließlich gibt es eine fortdauernde Diskussion über die Kriegsverantwortung des Tenno sowie seine Rolle im modernen Staat. Im Gegensatz zum Staatsshinto wurde das Kaisertum ja nicht vollkommen abgeschafft, es wurde ihm lediglich jede politische Entscheidungsgewalt entzogen. Im religiösen Bereich, etwa im Zusammenhang mit dem {{glossar:isejinguu|Ise Schrein}}, hält der Tenno aber bis heute gewisse rituelle Aufgaben inne. Darüber hinaus hat er selbst in der internationalen Politik nach wie vor eine keineswegs unbedeutende repräsentative Funktion als „Symbol des Staates“, die sogar in der Verfassung verankert ist. Daher erregte die Tatsache, dass Kaiser Hirohito ({{Glossar:Shouwatennou}}) ungeachtet seiner Rolle als Staatsoberhaupt vor dem Zweiten Weltkrieg sein Tenno-Amt auch nach dem Krieg bis zu seinem Tod bekleidete, sowohl außerhalb Japans als auch bei einigen japanischen Intellektuellen heftige Kritik.<br />
<br />
{{Linkbox|ue=Literatur|text=<br />
{{Literatur:Antoni_1998}}<br />
{{Literatur:Antoni_2002}}<br />
{{Literatur:Hardacre_1991}}<br />
{{Literatur:Fischer_2001}}<br />
<br />
Ältere Werke:<br />
{{Literatur:Holtom_1963}}<br />
{{Literatur:Maruyama_1988}}<br />
}}<br />
{{Linkbox|ue=Web Ressourcen|text=<br />
* [http://www.law.keio.ac.jp/%7Ehagiwara/kokutai.html „Kokutai-Ideologie“], Hagiwara Yoshihisa (dt.)<br/>Ein Artikel des japanischen Philosophen Hagiwara Yoshihisa, erschienen in K. Slamun (Hg.), ''Aufklärungsperspektiven'', J.C.B. Mohr, 1989.<br />
* „[http://www.uni-marburg.de/fb03/ivk/mjr/pdfs/2002/articles/kleine2002.pdf Religion im Dienste einer ethnisch-nationalen Identitätskonstruktion]: Erörtert am Beispiel der ‚Deutschen Christen‘ und des japanischen Shinto.“, Christoph Kleine<br/>Artikel des Japanologen und Religionswissenschaftlers Christoph Kleine, erschienen im Online Journal ''[http://www.uni-marburg.de/fb03/ivk/mjr Marburg Journal of Religion]'' 7/1, 2002.<br />
* [http://web.archive.org/web/20091027013136/http://geocities.com/gatoesmuchogor/ Yasukuni Jinja] (en.)<br/>Einige Fakten zu diesem kontroversen Thema. [Über [http://www.archive.org/ Internet Archive], 2010/8]<br />
* [http://www.kunaicho.go.jp/eindex.html Imperial Household Agency Homepage] (en., jap.)<br/>Zur Orientierung über die heutigen Funktionen des Tenno.<br />
* [http://www.kunaicho.go.jp/ryobo/index.html Tennō no misasagi] (jap.)<br/>Ein Überblick über sämtliche Grabstätten historischer Tenno - viele davon eigentlich Denkmäler aus der Zeit des Staatsshinto (Teil der oben genannten Website).<br />
* [http://www.fas.harvard.edu/~rijs/crrp/index.html Constitutional Revision Research Project], Harvard University (en.)<br/>Dieses Projekt widmet sich der aktuellen Debatte über eine Änderung der jap. Verfassung, enthält aber auch zahlreiche Dokumente und Links zur Geschichte der japanischen Verfassung.<br />
|update= Aug. 2010|<br />
}}<br />
{{ThisWay|Geschichte: Neue Religionen}}</div>Opaquehttps://religion-in-japan.univie.ac.at/r/index.php?title=Diskussion:Geschichte/Staatsshinto&diff=15082Diskussion:Geschichte/Staatsshinto2010-09-16T14:14:52Z<p>Opaque: Die Seite wurde geleert.</p>
<hr />
<div></div>Opaquehttps://religion-in-japan.univie.ac.at/r/index.php?title=Geschichte/Staatsshinto&diff=15081Geschichte/Staatsshinto2010-09-16T14:13:16Z<p>Opaque: /* Das doppelte Gesicht des Tenno */</p>
<hr />
<div>{{Styles}}<br />
=Staatsshinto=<br />
<br />
Als Staatsshinto (jap. {{glossar:kokkashintou}}) bezeichnet man heute die tragende Ideologie des jungen japanischen Nationalstaates, wie er sich ab der sogenannten {{glossar:meiji}}-Restauration im Jahr 1868 bis zur Niederlage Japans im Zweiten Weltkrieg (1945) herausbildete. In dieser Zeit rückte die Institution des {{Glossar:Tennou}} nach Jahrhunderten der politischen Bedeutungslosigkeit wieder ins Zentrum der politischen Macht. Der politische Umbruch zwischen 1867 und 68 wird genau deshalb als „Restauration“ bezeichnet, weil er von dem Ideal getragen war, zu den politischen Verhältnissen des alten Japan, also zu einer zentralistischen Monarchie rund um den Tenno, zurückzukehren.<br />
<br />
==Das doppelte Gesicht des Tenno==<br />
<br />
Die Ideen des Staatsshinto wurden u.a. von der {{Glossar:kokugaku}} („Nationale Schule“) formuliert, die sich im Laufe des neunzehnten Jahrhunderts zunehmend politisiert hatte und den Umsturz der feudalen Verhältnisse unter dem Tokugawa Shogunat ideologisch vorbereitete. Die meisten ''kokugaku'' Gelehrten erachteten das klassische Altertum als eine Art goldenes Zeitalter, in dem sowohl der Tenno als auch die {{glossar:kami}} von allen Japanern als naturgegebene Autoritäten anerkannt wurden, ohne dass explizite Gesetze oder Glaubenslehren von Nöten gewesen wären. Diese selbstverständliche Anerkennung einer religiös-politischen Ordnung wurde als die Essenz des {{Glossar:Shintou}}, des Weges der ''kami'', angesehen. In der ausgehenden {{Glossar:Edo}} Zeit implizierte Shinto somit die Idee eines sakralen Königtums. Eine zentrale Forderung derer, die sich für diese Form von Shinto begeisterten, war daher auch die Wiederherstellung einer Einheit von religiösem Ritus und politischem System ({{glossar:saiseiitchi}}) in der Person des Tenno.<br />
{{Galerie1|<br />
bild1={{Dia|meiji_tenno2.jpg|w=180|left=-30|top=-60|rahmen_h=200}}|<br />
bild2={{Dia|meijitenno1872.jpg|w=200|left=-50|top=-20|rahmen_h=200}}|<br />
caption= Meiji Tenno, 1872<br />
}}<br />
Im Gegensatz zu den bürgerlichen Revolutionen, die Europa um die Mitte des neunzehnten Jahrhunderts bewegten, und die zumeist im Namen einer wie immer gearteten „Freiheit“ durchgeführt wurden, waren die Utopien, die Japan in dieser Zeit veränderten, also primär auf die Vergangenheit gerichtet. Auch die siegreichen Reformer der Meiji-Zeit standen zunächst in dieser Tradition. Dennoch orientierten sie sich ebenso sehr an europäischen Staaten, wenn es um die Einzelheiten der zu ergreifenden Maßnahmen ging. Der junge {{glossar:meijitennou}}, der selbst das wichtigste Emblem dieser Erneuerung war, erhielt dem entsprechend ein doppeltes Gesicht: Neben seinen sakral anmutenden traditionellen Amtsroben trat er in einer vollkommen neuen Gestalt auf, nämlich in Militäruniform nach westlichem Muster. Dieses doppelte Erscheinungsbild des Meiji Tenno spiegelt nicht nur die Zerrissenheit des damaligen Japan zwischen Traditionalismus und Moderne, es trägt auch die Paradoxe in sich, die sich in der Idee eines staatstragenden Shinto offenbaren. Dieser sollte die Ideologie für eine Entwicklung bereit stellen, die eben nicht in erster Linie die Vergangenheit wach rief, sondern von politischer Zentralisierung, verwaltungstechnischer und militärischer Rationalisierung, sowie von technologischer Erneuerung, kurz von der Modernisierung nach westlichem Muster geprägt war. Dennoch bediente sich diese Modernisierung, wo es möglich war, eines rituellen Gepräges, das der japanischen Antike entnommen war. Diesen Zwiespalt versuchte man mit dem Schlagwort „Japanischer Geist - westliche Technik“ ({{glossar:wakonyousai}}) zu überbrücken. Man meinte also, zwar äußerlich dem westlichen Vorbild zu folgen, innerlich aber sich selbst treu zu bleiben. Tatsächlich regierte in der Meiji-Zeit jedoch ein schrankenloser Pragmatismus, der im Grunde nur von einem Ziel bestimmt war: in machtpolitischer Hinsicht mit den europäischen Mächten und Amerika gleichzuziehen. Ob dies nun durch Rückbesinnung auf alte Werte oder durch Übernahme neuer Institutionen und Techniken zu erreichen wäre, unterlag den momentanen Schwankungen der tagespolitischen Situation.<br />
<br />
==Trennung von Shinto und Buddhismus==<br />
<br />
Eine Staatsreligion zu haben erschien zunächst gerade aus dieser pragmatischen Perspektive unabdingbar. Die meisten japanischen Beobachter der europäischen Verhältnisse machten nämlich das Christentum dafür verantwortlich, dass der Staat hier das Volk besser im Griff habe als in Japan. Die Meiji Reformer suchten also nach einer vergleichbaren ideologischen Macht im eigenen Land und entschieden sich aus diesem Grund für Shinto und Tenno. Es war jedoch unübersehbar, dass der Shinto erst einmal neu gestaltet – um nicht zu sagen neu erfunden – werden musste, damit er eine dem Christentum vergleichbare Rolle übernehmen konnte. Er musste z.B. erst einmal säuberlich vom Buddhismus getrennt werden. Einer der ersten Erlässe der neuen Meiji-Regierung im Jahr 1868 ordnete daher die „Trennung von ''kami'' und Buddhas“ ({{glossar:shinbutsubunri}}) an. Dies markierte einen Bruch mit der seit dem Altertum allgemeingültigen Auffassung, dass japanische ''kami'' im Grunde nur besondere Erscheinungsformen buddhistischer Wesen seien (s. [[Geschichte:Honji_suijaku | ''Honji suijaku'']]). Dieser Bruch realisierte sich in der Praxis durch Maßnahmen wie die Abschaffung buddhistischer Titel für die ''kami'', die Umbenennung von Schreinen oder die Zerstörung buddhistischer Statuen, die in Schreinen aufbewahrt wurden. Es kam überdies landesweit zu anti-buddhistischen Ausschreitungen, die von bestehenden Ressentiments gegenüber den Privilegien des buddhistischen Klerus in der Edo-Zeit (s. [[Geschichte:Terauke | ''terauke'' System]]) angeheizt wurden.<br />
<br />
Die neuen Maßnahmen trafen aber nicht nur [[Alltag:Mönche | buddhistische Mönche]], sondern auch viele [[Alltag:Schreinpriester | Schreinpriester]], da die meisten von ihnen ja gemeinsam mit den Mönchen in „Tempel-Schrein-Komplexen“ tätig gewesen waren. Ohne den institutionellen Schutz und das liturgische Knowhow buddhistischer Tempel fehlte vielen Schreinpriestern schlicht die Existenzgrundlage. Am härtesten traf die verordnete Trennung von Buddhismus und Shinto allerdings religiöse Mischformen wie den Kult der {{Glossar:Yamabushi}}, der keiner der beiden Religionen eindeutig zugeordnet werden konnte und daher zu Gänze verboten wurde.<br />
<br />
===Erste Fehlentwicklungen===<br />
<br />
Trotz der anfänglichen Sympathie der Meiji Regierung für einen wie immer gearteten Shinto, zeigte die Praxis bald, dass man ohne Buddhismus kaum die religiösen Alltagsbedürfnisse der Japaner befriedigen konnte. Die meisten Führer der Restauration waren im übrigen keineswegs gläubige Shintoisten. Sie neigten vor allem dem Konfuzianismus zu und sahen im Shinto ledigilch ein demagogisches Instrument zur Stärkung des Tennoismus. Zugleich übten westliche Mächte Druck auf die Regierung aus, Religionsfreiheit zu gewähren und damit dem Christentum neue Entfaltungsmöglichkeiten zu geben.<br />
{{Sidebox|meiji_constitution_1889.jpg|w=x120|left=-60|Meiji Verfassung}}<br />
<br />
Aus diesen Gründen wurde der Staatsshinto während der Meiji Zeit keineswegs immer konsequent vorangetrieben, sondern trat im Gegenteil bald gegenüber anderen politischen Zielen in den Hintergrund: Zunächst wurde das Militärwesen und dann ein Rechtssystem nach westlichem Muster eingeführt. Dieses Rechtssystem nahm mit der Verfassung von 1889 Gestalt an. Es orientierte sich im wesentlichen am Deutschen Kaiserreich, welches ja in der Tat fast zeitgleich (1871) mit dem modernen japanischen Staat entstanden war. Die japanische Verfassung sah eine konstitutionelle Monarchie vor und garantierte darüber hinaus – mit einigen Einschränkungen – „religiöse Freiheit“ (Artikel 28). Von den Ideen des Staatsshinto blieben in der Verfassung kaum mehr als zwei Sätze über: „Der japanische Staat wird für alle Zeiten ununterbrochen vom Tenno regiert und beherrscht“ (Artikel 1); und: „Die Person des Tenno ist heilig und unverletzlich“ (Artikel 3). Die Verfassung ließ jedoch sowohl die göttliche Herkunft des Tenno als auch seine priesterlichen Aufgaben unerwähnt. Auch von einer Staatsreligion ist in diesem grundlegenden juristischen Dokument nicht die Rede.<br />
<br />
Das anfängliche Scheitern des Staatsshinto ist zudem am Schicksal der Institutionen abzulesen, die zu seiner Verwirklichung vorgesehen waren. In rascher Folge wurde aus dem 1868 revitalisierten „Götteramt“ ({{glossar:jingikan}}) ein „Götter Ministerium“ ({{Glossar:Jingishou}}), das sich 1872 im „Ministerium für religiöse Angelegenheiten“ ({{Glossar:Kyoubushou}}) auflöste. Zu diesem Zeitpunkt überwog in der Regierung die Ansicht, eine Mischform aus Shinto, Konfuzianismus und Buddhismus wäre wohl eher als Staatsreligion geeignet denn Shinto allein. Im Gegensatz zur traditionellen ''kokugaku'' vertraute man nun nicht mehr auf eine spontane, intuitive Bejahung des Tenno, sondern bemühte sich um eine entwickelte Morallehre in der Art des Konfuzianismus. Es folgte eine staatlich unterstützte Kampagne zur Verbreitung von patriotischen Grundsätzen, die dem Tenno zu größerer Bedeutung verhelfen und der „Moral des Volkes“ förderlich sein sollten. Doch auch diese Kampagne scheiterte bald an der Tatsache, dass man sich über ein paar banale moralische Grundregeln hinaus auf keine nennenswerten Inhalte einigen konnte.<br />
<br />
==Tennozentrismus==<br />
<br />
Dennoch herrschte bereits innerhalb der maßgeblichen politischen und intellektuellen Kreise der Meiji Zeit ein Grundkonsens, dass an der Institution des Tenno nicht zu rütteln sei. Der Tenno diente quasi als letzte Bastion, an der eine eigene, sowohl von China als auch vom Westen verschiedene Identität festzumachen war, obwohl er während des gesamten japanischen Mittelalters und der frühen Neuzeit kaum politisch in Erscheinung getreten und somit der breiten Mehrheit der Bevölkerung so gut wie unbekannt war. Die Aufgabe, den Tenno zu einer allgemeinen Identifikationsfigur zu machen, wurde vor allem über zwei Schienen bewerkstelligt: einerseits über das allgemeine Erziehungswesen, andererseits über die Shinto Schreine im ganzen Land. Dabei bediente man sich – von ein paar allgemeinen Phrasen abgesehen – eher ritueller als dogmatischer Mittel:<br />
<br />
* In den Schulen wurden Portraits des Tenno und seiner Gemahlin aufbewahrt, die Gegenstand besonderer Zeremonien bei regelmäßigen feierlichen Anlässen wurden. Lehrer wie Schüler hatten sich dann tief vor diesen Bildern zu verneigen, als ob sie es mit einer Gottheit zu tun hätten. Taten sie das nicht, so wurden sie im allgemeinen der Schule verwiesen.<br />
* Die allgemeinen Feiertage wurden landesweit neu geregelt. Höfische Riten, die einstmals nur vom Tenno selbst vollzogen wurden, sollten nun in allen Schreinen stattfinden. Dazu kamen neue Feiertage wie etwa der Jahrestag der Reichsgründung durch {{glossar:jinmutennou}}, welche getreu den mythologischen Chroniken auf den 11. Februar 660 v.u.Z. datiert wurde.<br />
* Jeder Staatsbürger war dazu angehalten, an solchen Feiertagen einen Schrein aufzusuchen und dort dem Tenno seine Reverenz zu erweisen (auch wenn der Schrein selbst vielleicht keiner Ahnengottheit des Tenno geweiht war). Die Schreinpriester wurden ihrerseits nur am Rande in die Verehrung des Tenno eingebunden und führten großteils ihre traditionellen Riten weiter fort. Sie waren interessanterweise explizit dazu aufgefordert, sich aus theologischen und missionarischen Angelegenheiten heraus zu halten.<br />
* Die Schreine wurden nach antikem Vorbild in ein landesweites hierarchisches Rangsystem eingegliedert, dem der [[Bauten:Ise_Izumo | Ise Schrein]] vorstand. Schreinpriester wurden nach und nach als Beamte angesehen, erbliches Priestertum wurde gesetzlich untersagt.<br />
<br />
In dieser Form erlangte der Staatshinto im zwanzigsten Jahrhundert — zunächst nach dem Russo-Japanischen Krieg (1904-05) und dann in der frühen Shōwa Zeit (ab 1925) — seine volle Entfaltung, machte sich in der öffentlichen Erziehung und im japanischen Alltag breit und wurde zu einer Massenbewegung ähnlich dem Faschismus in den mit Japan verbündeten Nationen Deutschland und Italien.<br />
{{Galerie1|class=largebox|<br />
bild1={{dia|tenno_chikanobu1878_gr.jpg| w=550|rahmen_w=550|rahmen_h=200|top=-10|}}|<br />
caption=Meiji Tenno und seine Gemahlin umgeben von ihren kaiserlichen Ahnen<br />
}}<br />
<br />
===Die „nicht-religiöse Natur des Shinto“===<br />
<br />
Nicht nur die Schreinpriester, auch der Begriff „Shinto“ wurde ab dem Inkrafttreten der „Kaiserlichen Verfassung“ (1889) mehr und mehr in den Hintergrund gedrängt. Dies hängt zweifellos damit zusammen, dass die Verfassung selbst ausdrücklich „Freiheit des Glaubens“ garantierte. Hätte man nun offiziell von einem Staatsshinto, bzw. einer shintoistischen Staatsreligion gesprochen, so wäre diese unweigerlich mit der Verfassung in Konflikt geraten. Aus diesem Grund wurden alle staatlich verordneten Formen der Tenno-Verehrung nicht als „religiöse Handlungen“, sondern als „staatsbürgerliche Pflichten“ bezeichnet, auch wenn sie im Rahmen von Schreinriten stattfanden. Innerhalb des vorherrschenden politischen Diskurses wurde die Tenno Verehrung als eine Art erweiterter Familienkult interpretiert, da beide, Tenno und Untertanen göttlichen Ursprungs seien, der Tenno also eine Art Vater des gesamten Volkes darstellte. Dieser Kult war der „nicht-religiöse“ Shinto, den jeder Japaner zu befolgen hatte und dem auch alle Schreine neben ihren sonstigen traditionellen Zeremonien zu huldigen hatten. Damit war es möglich, einen Staatskult mit religiösen Verehrungsmustern zu fördern, ohne dass dies im Widerspruch zur verfassungsmäßig garantierten Religionsfreiheit stand.<br />
<br />
Dem entsprechend war von offizieller Seite ab Mitte der Meiji Zeit weder von einer Staatsreligion noch von einem Staatsshinto die Rede. Wenn Shinto explizit angesprochen wurde, dann als „Schrein Shinto“ ({{glossar:jinjashintou}}). Dieser Schrein Shinto wurde in Regierungstexten als nicht-religiöser Staatskult definiert und als solcher einem religiösen „Sekten Shinto“ ({{glossar:shuuhashintou}}) gegenüber gestellt (s. dazu auch [[Grundbegriffe:Shinto | Einführung: Shinto]]). Somit steht „Schrein Shinto“ im Kontext der Vorkriegszeit für das, was später als „Staatsshinto“ bezeichnet wurde. „Staatsshinto“ als Begriff setzte sich erst durch, nachdem das staatsshintoistische System durch die amerikanische ''Shinto Direktive'' (1945, s.u.) offiziell abgeschafft worden war. Somit wird der Begriff „Staatsshinto“ erst rückwirkend auf die Religionspolitik vor Ende des Zweiten Weltkriegs angewendet.<br />
<br />
===''Kokutai''===<br />
<br />
Aus dem bisher Gesagten lässt sich bereits erkennen, dass der Begriff „Shinto“ im System des Staatsshinto weit seltener zu finden ist, als man a priori vermuten würde. Die Schlagworte, unter denen sich der Kult um Staat und Tenno festigte, lauteten eher „Nationale Moral“, bzw. „Volksmoral“ (''kokumin dōtoku'') und „Nationaler Geist“/„Volksgeist“ (''kokumin seishin''). Der vielleicht wichtigste Begriff innerhalb der Ideologie des Staatsshinto ist jedoch das ominöse {{glossar:kokutai}}.<br />
<br />
''Kokutai'', wtl. „Landeskörper“, könnte man unvoreingenommen mit „Staat“ oder „Staatswesen“ übersetzen. Im Deutschen ruft eine derartige Übersetzung aber nicht den emotionalen Gehalt wach, der dem ''kokutai'' im Laufe der Zeit zugesprochen wurde. Insofern scheint Klaus Antonis Übersetzung „Nationalwesen“ treffender. Tatsächlich entzieht sich der Begriff aber einer Übersetzung, weil er in den verschiedensten Schriften der Vorkriegszeit eine Aura des Heiligen, Unantastbaren zugesprochen bekam, ohne dass je eine präzise Definition des Begriffs vorgenommen worden wäre. Selbst juridische Texte sprachen von der Verletzung der Würde des ''kokutai'', ohne zu klären, was ''kokutai'' sei. Ähnliches gilt auch für Texte, die sich explizit mit ''kokutai ''beschäftigen, wie das berüchtigte ''Kokutai no hongi'' („Grundprinzipien [unseres] Nationalwesens“) aus dem Jahr 1937. Ein gemeinsames Motiv aller ''kokutai'' Diskurse liegt jedoch darin, dass die Heiligkeit des Tenno, die zugleich die Heiligkeit des Staates ist, aus dem ''kokutai ''abgeleitet wurde, welches selbst nicht mehr hinterfragt werden konnte.<br />
<br />
===Die Göttlichkeit des Tenno===<br />
{{Sidebox|sidepage=Kyoiku_chokugo|titel=zitat| chokugo.jpg|Erziehungserlass}}<br />
Wo aber findet sich nun das berühmte Dogma, dass der Tenno selbst eine Gottheit in Menschengestalt ({{glossar:arahitogami}}) und seine Abstammung von der Sonnengottheit ein historisches Faktum sei? Auch hier wird man in amtlichen oder halb-amtlichen Dokumenten kaum fündig. Eine wichtige Rolle spielte aber der [[Geschichte:Staatsshinto/Kyoiku_chokugo | „Kaiserliche Erziehungserlass“]] aus dem Jahr 1890. Dieser kurze Text, in dem der Tenno persönlich zu seinen Untertanen spricht, enthält neben einem allgemein gehaltenen Aufruf zu Tugend und Patriotismus („unverbrüchliche Treue gegen den Herrscher und Liebe zu den Eltern“) mehrmals den Hinweis auf die „kaiserlichen Vorfahren“ sowie auf das „Gedeihen Unserer wie Himmel und Erde ewig dauernden Dynastie“ (ein Zitat des Herrschaftsauftrags durch {{glossar:amaterasu}}). Der Text verweist damit indirekt auf die [[Mythen:Einleitung | Mythen]] und die dort geschilderte göttliche Abstammung des Tenno Hauses, lässt es aber dahingestellt, in wie weit den dort geschilderten Begebnissen wörtlich Glauben zu schenken sei.<br />
<br />
Nun wurde aber dieser Erziehungserlass in den Schulen zusammen mit den Portraits des kaiserlichen Paares gleichsam religiös verehrt und bei diversen Anlässen kollektiv rezitiert. Diese Verehrung allein machte den Text gegenüber kritischen Einwänden immun und bot stattdessen einen trefflichen Anlass, die mythologischen Erzählungen vom Herrschaftsauftrag der Sonnengottheit an ihren Enkel und die Eroberung des ganzen Landes durch {{glossar:jinmutennou}} in den Schulunterricht einfließen zu lassen. Dies schloss aber keinesfalls aus, dass zumindest während der Meiji Zeit und bis in die vierziger Jahre des 20. Jahrhunderts an den Universitäten ernstzunehmende historische Forschung betrieben wurde, die durchaus auch die Historizität der Mythen thematisierte. Selbst zum Shinto waren unterschiedliche Meinungen gestattet. Unantastbar blieb einzig und allein der Tenno selbst, sodass auch die Frage, ob er nun göttlich sei oder nicht und was man sich unter der Göttlichkeit des Tenno vorzustellen habe, gar nicht gestellt wurde.<br />
<br />
==Shintopolitik nach dem Zweiten Weltkrieg==<br />
<br />
Nach der japanischen Niederlage im Zweiten Weltkrieg wurde der Staatsshinto unter amerikanischer Besatzung bereits 1945 offiziell abgeschafft. In der sogenannten ''Shinto-Direktive'' der Amerikaner vom 15. Dezember 1945 heißt es:<br />
{{zitat|quelle=(S.a. Hardacre 1989: 167)|text=<br />
Jede [Maßnahme zur] Trägerschaft, Förderung, Fortsetzung, Kontrolle oder Verbreitung des Shinto ist Personen im öffentlichen Dienst [...] untersagt und mit sofortiger Wirkung einzustellen. <br />
}}<br />
Am 1. Januar 1946 wandte sich der Tenno schließlich selbst – zweifellos auf Druck der Besatzungsmächte – an die Bevölkerung. In seiner ersten Rundfunkansprache überhaupt, die als „Proklamation des Menschseins“ (''Ningen sengen'') in die Geschichte einging, verkündete er:<br />
{{zitat|quelle=(S.a. Antoni 1998: 333)|text=<br />
Die Bande zwischen Uns und Euch, dem Volk, sind seit jeher aus gegenseitigem Vertrauen und liebevollem Respekt geflochten. Sie entstanden nicht bloß aus Mythen und Legenden. Sie beruhen nicht auf dem Wahn, der Tenno sei ein Gott in Menschengestalt und das japanische Volk sei eine höherwertige Rasse, vom Schicksal bestimmt die Welt zu beherrschen. <br />
}}<br />
Damit widerrief also der Tenno einerseits seine mythologisch begründete Göttlichkeit, nicht aber die grundsätzliche Autorität, die ihm unter dem Staatsshinto zugesprochen wurde. Zweifellos entsprach auch dies dem Kalkül der Amerikaner, die sich entschlossen hatten, Japan mit Hilfe des Tenno zu reformieren.<br />
<br />
Unter amerikanischer Besatzung wurde in der Folge die Trennung von Staat und Religion in der Verfassung verankert, sämtliche Shinto Schreine, inklusive des {{Glossar:Isejinguu | Ise Schreins}}, wurden als religiöse Körperschaften definiert und jeglicher staatlichen Förderung entzogen. Auch der Religionsunterricht in öffentlichen Schulen wurde untersagt. Religion (und darunter fällt seit 1945 auch der Shinto) gilt seither in Japan als reine Privatsache.<br />
<br />
Dennoch, oder vielleicht gerade deshalb, blieb die Ideologie des Staatsshinto unaufgearbeitet. Einzelne Religionshistoriker wie etwa Shimazono Susumu argumentieren sogar, dass der Staatshinto in der Person des Tenno, der ja nach wie vor auch religiöse Zeremonien vollzieht, bis heute fortbesteht. Des weiteren ist nicht zu übersehen, dass sich einzelne symbolträchtige Embleme des Staatsshinto, wie etwa der der {{Glossar:Meijijinguu}} - oder der {{Glossar:Yasukunijinja | Yasukuni Schrein}}, nach wie vor großer Beliebtheit erfreuen. Auch wenn kritische Intellektuelle immer wieder Diskussionen über die Abschaffung aller Überbleibsel des Staatsshinto entfachen, bleibt die Grundfrage in der japanischen Öffentlichkeit unentschieden: Muss man den Staatsshinto zur Gänze als Produkt eines überwundenen oder zu überwindenden Ultra-Nationalismus ansehen oder ist er ein Ausdruck japanischer kultureller Identität, der zu einer gewissen Zeit lediglich ideologisch missbraucht wurde?<br />
<br />
==Diskussionspunkte==<br />
{{Sidebox|sidepage=Yasukuni|yasukuni.jpg|left=-15|Yasukuni Schrein}}<br />
<br />
Abschließend sind im folgenden einige Schlagworte genannt, die bis heute zu regelmäßigen Auseinandersetzungen rund um den Staatsshinto führen:<br />
<br />
* {{glossar:yasukunijinja}}, Tokyo. Sicherlich das umstrittenste Reizthema. Der Yasukuni Schrein, wtl. „Schrein des friedlichen Landes“, ist eine Art Heldentempel, in dem die Seelen der für Japan gefallenen Soldaten als {{glossar:kami}} verehrt werden. Er wurde Anfang der Meiji-Zeit errichtet und vom Staatsshinto besonders gefördert. Nach dem Krieg wurde er in den Status einer gewöhlichen staatsunabhängigen Religionsgemeinschaft versetzt, doch gibt es Bestrebungen, ihn wieder als Ort nationaler Feierlichkeiten zu reaktivieren. Einige populistische Politiker statten dem Yasukuni Schrein daher immer wieder halb-offizielle Besuche ab, die kalkulierte Empörung seitens Chinas und Koreas und Applaus bei national gesinnten Wählerschaften hervorrufen. (Mehr dazu auf der Sidepage [[Geschichte:Staatsshinto/Yasukuni | Yasukuni]].)<br />
* {{glossar:kokutai}}, wtl. „Landeskörper“, „Nationalwesen“. Ein Begriff, durch den die nüchterne politische Struktur des Staates eine sakrale Aura erhalten sollte. Der bekannte Politologe Maruyama Masao wies darauf hin, dass die ''kokutai''-Ideologie in Japan ihre magische Bannkraft gerade deshalb entfaltete und noch immer besitzt, weil sie den Japanern kaum je bewusst gemacht wurde: „Ein scharfes Bewusstsein davon, welche magische Macht diese mit dem Wort ''kokutai'' bezeichnete nichtreligiöse Religion besaß, fehlt der Nachkriegsgeneration bereits, während es der älteren Generation, welche dieser Magie völlig verfallen war [...], von Anbeginn abging.“ (Maruyama 1988, S. 45)<br />
* {{glossar:shinkoku}} („Götterland“): Ein mit ''kokutai'' verwandter Begriff, der die Einzigartigkeit Japans auf die die Tatsache zurückführt, dass es das „Land der ''kami''“ sei. Dieser Begriff hat eine lange Tradition, die sich bis zu den Angriffen der Mongolen (13. Jh.) und darüber hinaus zurück verfolgen lässt (s. [[Geschichte:Shinto_Mittelalter | Shinto im Mittelalter]]). Unter dem Staatsshinto hatte der Begriff große Konjunktur, verschwand in der Folge weitgehend aus dem politischen Diskurs, tauchte aber in einer Parlamentsrede von Premierminister Mori Yoshiro im Jahr 2000 wieder auf und entfachte eine neue Welle von Argumenten gegen, bzw. für die Wiedererstarkung nationalistischen Denkens in Japan.<br />
* {{glossar:kannagaranomichi}} (wtl. „Weg des Gottseins“). ''Kannagara'' bedeutet ungefähr „eine Gottheit seiend“ und wird in einigen alten Texten auf den Tenno angewandt. Teilweise taucht der Begriff auch als Lesung der Kanji-Zeichen von {{glossar:shintou}} auf. In der Moderne bot der Begriff reichlich Platz für alle möglichen mystifizierenden Interpretationen, was „der Weg des Gottseins“ denn eigentlich zu bedeuten habe.<br />
{{Sidebox|heiseitenno.jpg|w=x150|top=-30|Heisei Tenno}}<br />
* Schließlich gibt es eine fortdauernde Diskussion über die Kriegsverantwortung des Tenno sowie seine Rolle im modernen Staat. Im Gegensatz zum Staatsshinto wurde das Kaisertum ja nicht vollkommen abgeschafft, es wurde ihm lediglich jede politische Entscheidungsgewalt entzogen. Im religiösen Bereich, etwa im Zusammenhang mit dem {{glossar:isejinguu|Ise Schrein}}, hält der Tenno aber bis heute gewisse rituelle Aufgaben inne. Darüber hinaus hat er selbst in der internationalen Politik nach wie vor eine keineswegs unbedeutende repräsentative Funktion als „Symbol des Staates“, die sogar in der Verfassung verankert ist. Daher erregte die Tatsache, dass Kaiser Hirohito ({{Glossar:Shouwatennou}}) ungeachtet seiner Rolle als Staatsoberhaupt vor dem Zweiten Weltkrieg sein Tenno-Amt auch nach dem Krieg bis zu seinem Tod bekleidete, sowohl außerhalb Japans als auch bei einigen japanischen Intellektuellen heftige Kritik.<br />
<br />
{{Linkbox|ue=Literatur|text=<br />
{{Literatur:Antoni_1998}}<br />
{{Literatur:Antoni_2002}}<br />
{{Literatur:Hardacre_1991}}<br />
{{Literatur:Fischer_2001}}<br />
<br />
Ältere Werke:<br />
{{Literatur:Holtom_1963}}<br />
{{Literatur:Maruyama_1988}}<br />
}}<br />
{{Linkbox|ue=Web Ressourcen|text=<br />
* [http://www.law.keio.ac.jp/%7Ehagiwara/kokutai.html „Kokutai-Ideologie“], Hagiwara Yoshihisa (dt.)<br/>Ein Artikel des japanischen Philosophen Hagiwara Yoshihisa, erschienen in K. Slamun (Hg.), ''Aufklärungsperspektiven'', J.C.B. Mohr, 1989.<br />
* „[http://www.uni-marburg.de/fb03/ivk/mjr/pdfs/2002/articles/kleine2002.pdf Religion im Dienste einer ethnisch-nationalen Identitätskonstruktion]: Erörtert am Beispiel der ‚Deutschen Christen‘ und des japanischen Shinto.“, Christoph Kleine<br/>Artikel des Japanologen und Religionswissenschaftlers Christoph Kleine, erschienen im Online Journal ''[http://www.uni-marburg.de/fb03/ivk/mjr Marburg Journal of Religion]'' 7/1, 2002.<br />
* [http://web.archive.org/web/20091027013136/http://geocities.com/gatoesmuchogor/ Yasukuni Jinja] (en.)<br/>Einige Fakten zu diesem kontroversen Thema. [Über [http://www.archive.org/ Internet Archive], 2010/8]<br />
* [http://www.kunaicho.go.jp/eindex.html Imperial Household Agency Homepage] (en., jap.)<br/>Zur Orientierung über die heutigen Funktionen des Tenno.<br />
* [http://www.kunaicho.go.jp/ryobo/index.html Tennō no misasagi] (jap.)<br/>Ein Überblick über sämtliche Grabstätten historischer Tenno - viele davon eigentlich Denkmäler aus der Zeit des Staatsshinto (Teil der oben genannten Website).<br />
* [http://www.fas.harvard.edu/~rijs/crrp/index.html Constitutional Revision Research Project], Harvard University (en.)<br/>Dieses Projekt widmet sich der aktuellen Debatte über eine Änderung der jap. Verfassung, enthält aber auch zahlreiche Dokumente und Links zur Geschichte der japanischen Verfassung.<br />
|update= Aug. 2010|<br />
}}<br />
{{ThisWay|Geschichte: Neue Religionen}}</div>Opaquehttps://religion-in-japan.univie.ac.at/r/index.php?title=Geschichte/Kokugaku&diff=15080Geschichte/Kokugaku2010-09-16T14:11:08Z<p>Opaque: </p>
<hr />
<div>{{Styles}}<br />
=Kokugaku: Back to the roots=<br />
Eine Folge des erwähnten Einflusses [[Geschichte:Neo-Konfuzianismus | neo-konfuzianischer Gedanken]] in der {{glossar:edo}}-Zeit war ein vermehrtes Interesse an Geschichte und eine neue Lesart geschichtlicher Quellen. Im esoterisch-buddhistischen Diskurs des japanischen Mittelalters durchforstete man alte Texte beständig nach zahlen- und zeichenmystischen Übereinstimmungen mit den eigenen religiösen Lehren. Man konnte auf diese Weise auch in solchen Texten religiöse Offenbarungen finden, die ideengeschichtlich nichts mit der eigenen Richtung zu tun hatten. Buddhistische Sutren, chinesische Klassiker und einheimische Mythen wurden sowohl von den Angehörigen verschiedener buddhistischer Richtungen als auch von den frühen Shintoisten auf diese Weise fast wahllos zur Bestätigung des jeweiligen Standpunkts herangezogen.<br />
{{Galerie1|<br />
bild1={{dia|taimenzu2.jpg|w=400|rahmen_w=400|rahmen_h=150|top=-80}}|caption=Gelehrtentreffen<br />
}}<br />
Unter konfuzianischem Einfluss wurde diese Praxis schrittweise in den Hintergrund gedrängt (obwohl auch die Anhänger {{glossar:zhuxi}} nicht immer ganz frei davon waren). Gegen Ende des siebzehnten Jahrhunderts trat mit der „Lehre vom Alten“ ({{glossar:kogaku}}) eine Denkschule auf, die eine Entmystifizierung der Geschichte und der klassischen Schriften forderte. Man bemühte sich darum, den ursprünglichen Sinn der klassischen Schriften wieder zu entdecken und die Fracht der mystifizierenden Interpretationen, die sich um diese Texte gebildet hatten, über Bord zu werfen. Das Interesse der ''kogaku'' war dabei auf das klassische China gerichtet, doch bereitete sie methodisch die spätere {{glossar:kokugaku}} „Lehre [unseres] Landes“ (also die Lehre Japans) vor. Beide Schulen wandten sich zunächst der kritisch-philologischen Analyse alter Texte zu. Im Gegensatz zu ''kogaku'' lehnte jedoch die ''kokugaku'' chinesisches Denken und chinesische Texte als „fremd“ ab und konzentrierte sich ganz auf das, was als unverfälscht Japanisch wahrgenommen wurde.<br />
<br />
==Die wichtigsten Vertreter der Kokugaku==<br />
{{Wrapper|position=right|<br />
{{sidebox|keichu_hokusai.jpg|w=140|top=-5|Keichū}}<br />
{{sidebox|azumamaro_hokusai.jpg|w=140|top=-5| Kada no Azumamaro}}<br />
{{sidebox|mabuchi.jpg|w=140|top=-25|Kamo no Mabuchi}}<br />
{{sidebox|norinaga2.jpg|w=160|left=-10|top=-190|Motoori Norinaga}}<br />
{{sidebox|atsutane.jpg|w=140|top=-170|Hirata Atsutane}}<br />
}}<br />
<br />
* {{glossar:keichuu}} (1640–1701), ein {{Glossar:Shingonshuu | Shingon}} Mönch, gilt als Vorläufer der ''kokugaku''. Er studiert zunächst das Sanskrit und seine Grammatik, bevor er sich der japanischen Klassik zuwendet, und entwickelt auf beiden Gebieten eine neue Herangehensweise, die für spätere ''kokugaku'' Gelehrte wichtige Ansätze enthält.<br />
* {{glossar:kadaazumamaro}} (1669–1736) wurde rückblickend als der eigentliche Begründer der ''kokugaku'' angesehen, da er 1728 um eine Genehmigung zur Errichtung einer entsprechenden Schule angesucht haben soll. In Azumamaros Ansuchen an das Shogunat ist explizit von dem Ziel die Rede, den alten „Weg Japans“ zu studieren, der durch die Einflüsse von Buddhismus und Konfuzianismus in Vergessenheit geraten sei. Neuere Forschungen erachten dieses Dokument zwar für eine nachträgliche Fälschung (McNally 2005), die Ziele der Kokugaku werden darin aber in jedem Fall klar umrissen.<br />
* {{glossar:kamonomabuchi}} (1697–1769) aus der Priesterfamilie des Kamo Schreins erschließt die älteste japanische Gedichte-Sammlung ''Manyōshū''. Die meisten seiner Schüler, u.a. der Dichter Ueda Akinari, führen sein besonderes Interesse für die älteste japanische Poetik weiter fort.<br />
* {{glossar:motoorinorinaga}} (1730–1801), ein Schüler Mabuchis, der im Brotberuf Arzt ist, wendet sich dem japanischen Mythos zu. Seine philologische Entschlüsselung des {{glossar:kojiki}} (''Kojiki-den'') gilt als sein Hauptwerk und zugleich als intellektueller Höhepunkt der ''kokugaku''. Mit seiner Forschung versucht er, das Denken und die Religion der alten Vorfahren wiederzuerwecken. Neben seinen unleugbaren Errungenschaften auf dem Gebiet der philologischen Rekonstruktion und Analyse sind seine Studien auch von einem diffusen religiösen Sendungsbewusstsein getragen.<br />
* {{glossar:hirataatsutane}} (1776–1843) rückt den politisch-religiösen Aspekt der ''kokugaku'' weiter in den Vordergrund. Unter ihm mutiert die Bewegung von einer Gelehrtengesellschaft zu einer politischen Initiative, aus der die ersten konkreten Pläne zur Wiedererrichtung der Tenno Herrschaft und damit zur {{glossar:meiji}}-Restauration entstehen. Wie Norinaga bemüht auch er sich um eine Wiederfindung des vorbuddhistischen Shinto.<br />
<br />
==Kokugaku und Shinto==<br />
<br />
Unter dem Einfluss der ''kokugaku'' entwickelt sich die Idee, dass Shinto seit alters her unveränderlich auf die japanische Religion und Mentalität wirkt und vom Buddhismus nur übertüncht wurde, zum Credo. Shinto und Tenno-Kult werden zu einem System verschmolzen, das zum Wesen der japanischen Kultur erklärt wird. Besonders innerhalb der Hirata Schule erhält die anfänglich rein akademische Richtung eine explizit nationalistische Ausrichtung. Aus der Verklärung der Vergangenheit wird eine rückwärtsgewandte, Tenno-zentristische Ideologie, die im zwanzigsten Jahrhundert die Auserwähltheit Japans rechtfertigen und zur Legitimation der Greueltaten des japanischen Ultranationalismus dienen wird. Ideengeschichtlich lassen sich durchaus Parallelen zur Entwicklung von der deutschen Romantik zum deutschen Faschismus feststellen.<br />
<br />
Andererseits führte die Beschäftigung der ''kokugaku'' mit alten Texten zu Erkenntnissen, die teilweise bis heute Geltung haben. Die Maxime der ''kokugaku'', alte Schriften nicht als göttliche Botschaften, sondern als Texte von Menschen für Menschen zu lesen, enthält ein aufklärerisches Potential, durch das uns die Gedanken der ''kokugaku''-Gelehrten näher stehen, als die Spekulationen früherer Gelehrtengenerationen. Vielleicht ist dies mit ein Grund dafür, dass das Shinto-Bild der ''kokugaku'' bis heute die gängigen Vorstellungen von japanischer Religion prägt.<br />
<br />
{{Linkbox|ue=Literatur|text=<br />
{{Literatur:Harootunian_1988}}<br />
{{Literatur:Mcnally_2005}}<br />
{{Literatur:Nosco_1990}}<br />
<br />
}}<br />
{{Linkbox|text=<br />
* [http://www.norinagakinenkan.com/norinaga/shiryo/about.html Motoori Norinaga] (en.)<br/>Biografische Skizze; Teil der umfangreichen, aber ansonsten japanischen Website des ''[http://www.norinagakinenkan.com/ Museum of Motoori Noringa]''.<br />
|update= Aug. 2010|<br />
}}<br />
{{ThisWay|Geschichte: Staatsshinto}}</div>Opaquehttps://religion-in-japan.univie.ac.at/r/index.php?title=Diskussion:Geschichte/Kokugaku&diff=15076Diskussion:Geschichte/Kokugaku2010-09-16T14:02:00Z<p>Opaque: /* Glossareinträge */</p>
<hr />
<div></div>Opaquehttps://religion-in-japan.univie.ac.at/r/index.php?title=Geschichte/Terauke&diff=15073Geschichte/Terauke2010-09-16T13:44:37Z<p>Opaque: /* Bürokratisierung des Buddhismus */</p>
<hr />
<div>{{Styles}}<br />
=Inquisition <span class="bottom">unter buddhistischen Vorzeichen</span>=<br />
<br />
Inquisition bedeutet bekanntlich Nachforschung. Im europäischen Kontext versteht man darunter die Ausforschung von Anhängern ketzerischer Ideen, die nicht dem Dogma der katholischen Kirche entsprachen. In Japan entwickelte sich — ironischerweise nach dem ersten Kontakt mit dem Christentum — ein ähnliches System, das unter dem Begriff {{glossar:teraukeseido}}, „System der Tempel-Bestätigungen“, bekannt wurde. Auch dabei ging es um die Ausforschung von nicht Rechtgläubigen, wobei hier aber vor allem Christen gemeint waren. Die Glaubensnachforschungen wurden unter Mithilfe von buddhistischen Tempeln ausgeführt, bestraft wurden die Ungläubigen jedoch — und hier liegt ein großer Unterschied zur europäischen Inquisition — von weltlichen Autoritäten.<br />
<br />
Das System umfasste im Grunde drei Instanzen, nämlich die lokale (dörfliche) Führungsschicht, den örtlichen Tempel und die regionalen Vertreter des Landesverwaltung. Die Familienvorsteher (bzw. die Vorsteher von Nachbarschaftsgruppen, {{Glossar:Goningumi}}) hatten die Aufgabe, jährlich ein Register ihrer Familienmitglieder anzufertigen, das u.a. Angaben zu Familienstand und Alter aller betreffenden Personen enthielt. Dieses Register musste vom lokalen Tempel bestätigt werden. Die Bestätigung implizierte, dass alle fraglichen Personen Mitglieder der Glaubensgemeinde des Tempels und daher rechtgläubig waren. Daher nannte man die entsprechenden Register auch {{glossar:shuumonaratamechou}}, „Glaubensüberprüfungs-Register“. Die vom Tempel bestätigten Register wurde dann den nächsthöheren Verwaltungsbehörden vorgelegt. Um also nicht in den Verdacht ketzerischer Betätigung zu kommen, musste sich jeder Bürger aktiv um die Mitgliedschaft bei einem staatlich anerkannten Tempel bemühen, der ihm dann seine Rechtgläubigkeit bestätigte.<br />
<br />
<div class="bildtext">[[Image:shumon_aratame_cho.jpg|link=]]<div>''Shūmon aratame'' Register <br /> Quelle: [http://www2.ipcku.kansai-u.ac.jp/%7Ehamano/eap/index-e.html EAP] (Eurasian Project on Population and Family History) [2010/8] </div></div><br />
<br />
Dieses System wurde Anfang des siebzehnten Jahrhunderts im Anschluss an die Shimabara Rebellion (1637-38) vom Tokugawa Shogunat eingeführt und war zunächst zur Ausforschung der Christen in Kyushu, dem Hauptverbreitungsgebiet des japanischen Christentums, gedacht. Das Shogunat etablierte zu diesem Zweck eine eigene Behörde ({{Glossar:Shuumonaratameyaku}}) und hielt die {{Glossar:Daimyou}} an, ein gleiches zu tun. Im Laufe der folgenden hundert Jahre breitete sich die Institution über ganz Japan aus, obwohl der eigentliche Anlass, die Christenverfolgung, immer bedeutungsloser wurde. Das System erwies sich jedoch in mehrfacher Hinsicht als nützliches Herrschaftsmittel zur ideologischen und verwaltungstechnischen Kontrolle der Bevölkerung.<br />
<br />
Zunächst wurde dadurch jede Person bürokratisch erfasst. Diese Aufgabe erledigten nun aber nicht allein Verwaltungsbeamte, sondern auch buddhistische Tempel. Sie mussten ja ihren Gemeindemitgliedern bestätigen, dass diese ihrer Gemeinde angehörten, und mussten im Fall ungerechtfertigter Bestätigungen mit Sanktionen rechnen. Üblicherweise war die Tempel-Mitgliedschaft durch die Familie vorgegeben, bzw. überhaupt durch die geographische Lage. Man gehörte einfach zum nächst gelegenen Tempel, unabhängig welcher buddhistischen Richtung dieser angehörte. Dieser Tempel setzte dann seinen Stempel unter die entsprechenden Registereinträge, sofern diese vonseiten der einzelnen Mitglieder ordnungsgemäß ausgefüllt waren.<br />
<br />
==Bürokratisierung des Buddhismus==<br />
<br />
Die {{glossar:shuumonaratame}} Zertifikate spielten im Alltag der {{glossar:edo}}-Zeit eine ähnliche Rolle wie heute ein Pass oder Personalausweis. Man brauchte sie bei jedem größeren Ortswechsel (das Reisen war ja sehr eingeschränkt), beim Antritt bestimmter Arbeiten, bei der Heirat, usw. Auf diese Weise wurden die buddhistischen Tempel quasi zur untersten Ebene der Landesverwaltung und zwar gleichermaßen für die Zentralverwaltung (Shogunat) als auch die Regionalverwaltung (Daimyat). Buddhistische Tempel nahmen damit zwar weltliche Verwaltungsaufgaben auf sich und waren weltlichen Verwaltungsbeamten untergeordnet, hatten aber auch Nutzen aus dem System. Sie erhielten mehr Macht über ihre Gläubigengemeinden, da diese ja auf ihre ''shūmon aratame ''-Bestätigungen angewiesen waren. Manche Tempel ließen sich diese Bestätigungen auch von den Mitgliedern ihrer Gemeinde bezahlen. In jedem Fall verdienten sie aber durch zusätzliche religiöse Dienstleistungen, vor allem Begräbnisse, die nun niemand in der Gemeinde mehr ablehnen konnte. Offizielle Bestimmungen des Shogunats enthalten sogar den Hinweis, dass Gemeindemitglieder, die auf die buddhistischen Sterberiten keinen Wert legen, möglicherweise Christen sind und genauer untersucht werden müssen (Tamamuro 2001, S. 267). Man kam also in der Edo-Zeit um buddhistische Totenriten nicht mehr herum.<br />
<br />
Durch dieses System wurde natürlich der Buddhismus als Ganzes stark beeinflusst. Der Gegensatz zwischen erlaubten und häretischen Sekten wurde vertieft. Abgesehen vom Christentum standen auch manche Fraktionen der [[Geschichte:Nichiren | Nichiren]] Schule und des [[Geschichte:Amidismus | Amidismus]] auf der Liste verbotener Religionen. Sie alle hatten während der {{Glossar:Sengokujidai | Sengoku}}-Zeit (16. Jh.) theokratische Gemeinden gebildet, die im Zuge der Reichseinigung von {{Glossar:Odanobunaga}} und {{Glossar:Toyotomihideyoshi}} mit brutaler Gewalt bekämpft wurden. Das {{glossar:teraukeseido}} ließ also — und darin liegt ein weiterer Unterschied zur Inquisition — eine gewisse Glaubensvielfalt nach wie vor zu, richtete sich aber umso heftiger gegen religiöse Gruppierungen, deren „fundamentalistischer“ Charakter die staatliche Ordnung in Frage stellten.<br />
<br />
Dennoch kam es innerhalb der vom Staat erlaubten und geförderten buddhistischen Richtungen zwangsläufig zu einer Nivellierung. Dies unter anderem aus dem Grund, dass das Shogunat ein Mitspracherecht bei der Festlegung orthodoxer Glaubens- und Praxisformen hatte. Der heute verbreitete sog. „Begräbnis-Buddhismus“ ({{glossar:soushikibukkyou}}), der wie wir gesehen haben über die Sektengrenzen hinweg sehr ähnlich aufgebaut ist, resultiert indirekt aus der besonderen Beachtung der Sterberiten, die vom Shogunat vorgegeben wurde. Die Vergabe von buddhistischen Totennamen ({{glossar:kaimyou}}), wie sie heute in allen Richtungen des japanischen Buddhismus praktiziert wird (s. Kap. Alltag, [[Alltag:Totenriten | Bestattung]]), entstand beispielsweise im Zusammenhang mit dem ''terauke'' System, Anfang des achtzehnten Jahrhunderts. Die spezifischen Glaubensinhalte der einzelnen buddhistischen Richtungen wurden dagegen in den Hintergrund gedrängt.<br />
<br />
Es nimmt somit nicht weiter Wunder, dass es in der Edo-Zeit zu anti-buddhistischen Ressentiments kam, dass die buddhistischen Mönche als Agenten der Regierung verschrien waren, und dass verschiedene Teile der Gesellschaft nach spirituellen Wegen außerhalb des Buddhismus zu suchen begannen. In der Edo-Zeit bietet die Geschichte des Buddhismus daher nur noch wenige spektakuläre inhaltliche Neuerungen (Ausnahme vielleicht die Reformen der {{Glossar:Zen}} Sekten). Ideengeschichtlich ist dagegen die Entwicklung des japanischen Konfuzianismus, des Shinto und das Aufkommen der „Neuen Religionen“ in der {{Glossar:Bakumatsu}} Zeit (d.h. in den letzten Jahrzehnten vor 1868) attraktiver. Dennoch hat die Bürokratisierung des Buddhismus in- und außerhalb der japanischen Religonsgeschichte weitreichende Folgen, die nach wie vor nur unzureichend erforscht sind.<br />
{{Linkbox|ue=Literatur|text=<br />
{{Literatur:Tamamuro_2001}}<br />
}}<br />
{{ThisWay|Geschichte: Neo-Konfuzianismus}}</div>Opaquehttps://religion-in-japan.univie.ac.at/r/index.php?title=Glossar:Shuumonaratameyaku&diff=15068Glossar:Shuumonaratameyaku2010-09-16T13:36:41Z<p>Opaque: Die Seite wurde neu angelegt: „{{Glossareintrag| kanji=宗門改???| romaji=''shūmon aratame yaku''| text=Behörde zur Glaubensüberprüfung???| stichwort ={{{1|}}}| link={{{2|Geschichte:Te…“</p>
<hr />
<div>{{Glossareintrag| <br />
kanji=宗門改???| <br />
romaji=''shūmon aratame yaku''| <br />
text=Behörde zur Glaubensüberprüfung???|<br />
stichwort ={{{1|}}}|<br />
link={{{2|Geschichte:Terauke}}}|<br />
tags= geschichte, christentum<br />
}}</div>Opaquehttps://religion-in-japan.univie.ac.at/r/index.php?title=Geschichte/Terauke&diff=15067Geschichte/Terauke2010-09-16T13:35:35Z<p>Opaque: </p>
<hr />
<div>{{Styles}}<br />
=Inquisition <span class="bottom">unter buddhistischen Vorzeichen</span>=<br />
<br />
Inquisition bedeutet bekanntlich Nachforschung. Im europäischen Kontext versteht man darunter die Ausforschung von Anhängern ketzerischer Ideen, die nicht dem Dogma der katholischen Kirche entsprachen. In Japan entwickelte sich — ironischerweise nach dem ersten Kontakt mit dem Christentum — ein ähnliches System, das unter dem Begriff {{glossar:teraukeseido}}, „System der Tempel-Bestätigungen“, bekannt wurde. Auch dabei ging es um die Ausforschung von nicht Rechtgläubigen, wobei hier aber vor allem Christen gemeint waren. Die Glaubensnachforschungen wurden unter Mithilfe von buddhistischen Tempeln ausgeführt, bestraft wurden die Ungläubigen jedoch — und hier liegt ein großer Unterschied zur europäischen Inquisition — von weltlichen Autoritäten.<br />
<br />
Das System umfasste im Grunde drei Instanzen, nämlich die lokale (dörfliche) Führungsschicht, den örtlichen Tempel und die regionalen Vertreter des Landesverwaltung. Die Familienvorsteher (bzw. die Vorsteher von Nachbarschaftsgruppen, {{Glossar:Goningumi}}) hatten die Aufgabe, jährlich ein Register ihrer Familienmitglieder anzufertigen, das u.a. Angaben zu Familienstand und Alter aller betreffenden Personen enthielt. Dieses Register musste vom lokalen Tempel bestätigt werden. Die Bestätigung implizierte, dass alle fraglichen Personen Mitglieder der Glaubensgemeinde des Tempels und daher rechtgläubig waren. Daher nannte man die entsprechenden Register auch {{glossar:shuumonaratamechou}}, „Glaubensüberprüfungs-Register“. Die vom Tempel bestätigten Register wurde dann den nächsthöheren Verwaltungsbehörden vorgelegt. Um also nicht in den Verdacht ketzerischer Betätigung zu kommen, musste sich jeder Bürger aktiv um die Mitgliedschaft bei einem staatlich anerkannten Tempel bemühen, der ihm dann seine Rechtgläubigkeit bestätigte.<br />
<br />
<div class="bildtext">[[Image:shumon_aratame_cho.jpg|link=]]<div>''Shūmon aratame'' Register <br /> Quelle: [http://www2.ipcku.kansai-u.ac.jp/%7Ehamano/eap/index-e.html EAP] (Eurasian Project on Population and Family History) [2010/8] </div></div><br />
<br />
Dieses System wurde Anfang des siebzehnten Jahrhunderts im Anschluss an die Shimabara Rebellion (1637-38) vom Tokugawa Shogunat eingeführt und war zunächst zur Ausforschung der Christen in Kyushu, dem Hauptverbreitungsgebiet des japanischen Christentums, gedacht. Das Shogunat etablierte zu diesem Zweck eine eigene Behörde ({{Glossar:Shuumonaratameyaku}}) und hielt die {{Glossar:Daimyou}} an, ein gleiches zu tun. Im Laufe der folgenden hundert Jahre breitete sich die Institution über ganz Japan aus, obwohl der eigentliche Anlass, die Christenverfolgung, immer bedeutungsloser wurde. Das System erwies sich jedoch in mehrfacher Hinsicht als nützliches Herrschaftsmittel zur ideologischen und verwaltungstechnischen Kontrolle der Bevölkerung.<br />
<br />
Zunächst wurde dadurch jede Person bürokratisch erfasst. Diese Aufgabe erledigten nun aber nicht allein Verwaltungsbeamte, sondern auch buddhistische Tempel. Sie mussten ja ihren Gemeindemitgliedern bestätigen, dass diese ihrer Gemeinde angehörten, und mussten im Fall ungerechtfertigter Bestätigungen mit Sanktionen rechnen. Üblicherweise war die Tempel-Mitgliedschaft durch die Familie vorgegeben, bzw. überhaupt durch die geographische Lage. Man gehörte einfach zum nächst gelegenen Tempel, unabhängig welcher buddhistischen Richtung dieser angehörte. Dieser Tempel setzte dann seinen Stempel unter die entsprechenden Registereinträge, sofern diese vonseiten der einzelnen Mitglieder ordnungsgemäß ausgefüllt waren.<br />
<br />
==Bürokratisierung des Buddhismus==<br />
<br />
Die {{glossar:shuumonaratame}} Zertifikate spielten im Alltag der {{glossar:edo}}-Zeit eine ähnliche Rolle wie heute ein Pass oder Personalausweis. Man brauchte sie bei jedem größeren Ortswechsel (das Reisen war ja sehr eingeschränkt), beim Antritt bestimmter Arbeiten, bei der Heirat, usw. Auf diese Weise wurden die buddhistischen Tempel quasi zur untersten Ebene der Landesverwaltung und zwar gleichermaßen für die Zentralverwaltung (Shogunat) als auch die Regionalverwaltung (Daimyat). Buddhistische Tempel nahmen damit zwar weltliche Verwaltungsaufgaben auf sich und waren weltlichen Verwaltungsbeamten untergeordnet, hatten aber auch Nutzen aus dem System. Sie erhielten mehr Macht über ihre Gläubigengemeinden, da diese ja auf ihre ''shūmon aratame ''-Bestätigungen angewiesen waren. Manche Tempel ließen sich diese Bestätigungen auch von den Mitgliedern ihrer Gemeinde bezahlen. In jedem Fall verdienten sie aber durch zusätzliche religiöse Dienstleistungen, vor allem Begräbnisse, die nun niemand in der Gemeinde mehr ablehnen konnte. Offizielle Bestimmungen des Shogunats enthalten sogar den Hinweis, dass Gemeindemitglieder, die auf die buddhistischen Sterberiten keinen Wert legen, möglicherweise Christen sind und genauer untersucht werden müssen (Tamamuro 2001, S. 267). Man kam also in der Edo-Zeit um buddhistische Totenriten nicht mehr herum.<br />
<br />
Durch dieses System wurde natürlich der Buddhismus als Ganzes stark beeinflusst. Der Gegensatz zwischen erlaubten und häretischen Sekten wurde vertieft. Abgesehen vom Christentum standen auch manche Fraktionen der [[Geschichte:Nichiren | Nichiren]] Schule und des [[Geschichte:Amidismus | Amidismus]] auf der Liste verbotener Religionen. Sie alle hatten während der {{Glossar:Sengokujidai | Sengoku}}-Zeit (16. Jh.) theokratische Gemeinden gebildet, die im Zuge der Reichseinigung von {{Glossar:Odanobunaga}} und {{Glossar:Toyotomihideyoshi}} mit brutaler Gewalt bekämpft wurden. Das {{glossar:teraukeseido}} ließ also — und darin liegt ein weiterer Unterschied zur Inquisition — eine gewisse Glaubensvielfalt nach wie vor zu, richtete sich aber umso heftiger gegen religiöse Gruppierungen, deren „fundamentalistischer“ Charakter die staatliche Ordnung in Frage stellten.<br />
<br />
Dennoch kam es innerhalb der vom Staat erlaubten und geförderten buddhistischen Richtungen zwangsläufig zu einer Nivellierung. Dies unter anderem aus dem Grund, dass das Shogunat ein Mitspracherecht bei der Festlegung orthodoxer Glaubens- und Praxisformen hatte. Der heute verbreitete sog. „Begräbnis-Buddhismus“ ({{glossar:soushikibukkyou}}), der wie wir gesehen haben über die Sektengrenzen hinweg sehr ähnlich aufgebaut ist, resultiert indirekt aus der besonderen Beachtung der Sterberiten, die vom Shogunat vorgegeben wurde. Die Vergabe von buddhistischen Totennamen ({{glossar:kaimyou}}), wie sie heute in allen Richtungen des japanischen Buddhismus praktiziert wird (s. Kap. Alltag, [[Alltag:Totenriten | Bestattung]]), entstand beispielsweise im Zusammenhang mit dem ''terauke'' System, Anfang des 18. Jahrhunderts. Die spezifischen Glaubensinhalte der einzelnen buddhistischen Richtungen wurden dagegen in den Hintergrund gedrängt.<br />
<br />
Es nimmt somit nicht weiter Wunder, dass es in der Edo-Zeit zu anti-buddhistischen Ressentiments kam, dass die buddhistischen Mönche als Agenten der Regierung verschrien waren, und dass verschiedene Teile der Gesellschaft nach spirituellen Wegen außerhalb des Buddhismus zu suchen begannen. In der Edo-Zeit bietet die Geschichte des Buddhismus daher nur noch wenige spektakuläre inhaltliche Neuerungen (Ausnahme vielleicht die Reformen der {{Glossar:Zen}} Sekten). Ideengeschichtlich ist dagegen die Entwicklung des japanischen Konfuzianismus, des Shinto und das Aufkommen der „Neuen Religionen“ in der {{Glossar:Bakumatsu}} Zeit (d.h. in den letzten Jahrzehnten vor 1868) attraktiver. Dennoch hat die Bürokratisierung des Buddhismus in- und außerhalb der japanischen Religonsgeschichte weitreichende Folgen, die nach wie vor nur unzureichend erforscht sind.<br />
{{Linkbox|ue=Literatur|text=<br />
{{Literatur:Tamamuro_2001}}<br />
}}<br />
{{ThisWay|Geschichte: Neo-Konfuzianismus}}</div>Opaquehttps://religion-in-japan.univie.ac.at/r/index.php?title=Geschichte/Terauke&diff=15066Geschichte/Terauke2010-09-16T13:20:00Z<p>Opaque: </p>
<hr />
<div>{{Styles}}<br />
=Inquisition <span class="bottom">unter buddhistischen Vorzeichen</span>=<br />
<br />
Inquisition bedeutet bekanntlich Nachforschung. Im europäischen Kontext versteht man darunter die Ausforschung von Anhängern ketzerischer Ideen, die nicht dem Dogma der katholischen Kirche entsprachen. In Japan entwickelte sich — ironischerweise nach dem ersten Kontakt mit dem Christentum — ein ähnliches System, das unter dem Begriff {{glossar:teraukeseido}}, „System der Tempel-Bestätigungen“, bekannt wurde. Auch dabei ging es um die Ausforschung von nicht Rechtgläubigen, wobei hier aber vor allem Christen gemeint waren. Die Glaubensnachforschungen wurden unter Mithilfe von buddhistischen Tempeln ausgeführt, bestraft wurden die Ungläubigen jedoch — und hier liegt ein großer Unterschied zur europäischen Inquisition — von weltlichen Autoritäten.<br />
<br />
Das System umfasste im Grunde drei Instanzen, nämlich die lokale (dörfliche) Führungsschicht, den örtlichen Tempel und die regionalen Vertreter des Landesverwaltung. Die Familienvorsteher (bzw. die Vorsteher von Nachbarschaftsgruppen, {{Glossar:Goningumi}}) hatten die Aufgabe, jährlich ein Register ihrer Familienmitglieder anzufertigen, das u.a. Angaben zu Familienstand und Alter aller betreffenden Personen enthielt. Dieses Register musste vom lokalen Tempel bestätigt werden. Die Bestätigung implizierte, dass alle fraglichen Personen Mitglieder der Glaubensgemeinde des Tempels und daher rechtgläubig waren. Daher nannte man die entsprechenden Register auch {{glossar:shuumonaratamechou}}, „Glaubensüberprüfungs-Register“. Die vom Tempel bestätigten Register wurde dann den nächsthöheren Verwaltungsbehörden vorgelegt. Um also nicht in den Verdacht ketzerischer Betätigung zu kommen, musste sich jeder Bürger aktiv um die Mitgliedschaft bei einem staatlich anerkannten Tempel bemühen, der ihm dann seine Rechtgläubigkeit bestätigte.<br />
<br />
<div class="bildtext">[[Image:shumon_aratame_cho.jpg|link=]]<div>''Shūmon aratame'' Register <br /> Quelle: [http://www2.ipcku.kansai-u.ac.jp/%7Ehamano/eap/index-e.html EAP] (Eurasian Project on Population and Family History) [2010/8] </div></div><br />
<br />
Dieses System wurde Anfang des siebzehnten Jahrhunderts im Anschluss an die Shimabara Rebellion (1637-38) vom Tokugawa Shogunat eingeführt und war zunächst zur Ausforschung der Christen in Kyushu, dem Hauptverbreitungsgebiet des japanischen Christentums, gedacht. Das Shogunat etablierte zu diesem Zweck eine eigene Behörde (''shūmon aratame yaku'') und hielt die {{Glossar:Daimyou}} an, ein gleiches zu tun. Im Laufe der folgenden hundert Jahre breitete sich die Institution über ganz Japan aus, obwohl der eigentliche Anlass, die Christenverfolgung, immer bedeutungsloser wurde. Das System erwies sich jedoch in mehrfacher Hinsicht als nützliches Herrschaftsmittel zur ideologischen und verwaltungstechnischen Kontrolle der Bevölkerung.<br />
<br />
Zunächst wurde dadurch jede Person bürokratisch erfasst. Diese Aufgabe erledigten nun aber nicht allein Verwaltungsbeamte, sondern auch buddhistische Tempel. Sie mussten ja ihren Gemeindemitgliedern bestätigen, dass diese ihrer Gemeinde angehörten, und mussten im Fall ungerechtfertigter Bestätigungen mit Sanktionen rechnen. Üblicherweise war die Tempel-Mitgliedschaft durch die Familie vorgegeben, bzw. überhaupt durch die geographische Lage. Man gehörte einfach zum nächst gelegenen Tempel, unabhängig welcher buddhistischen Richtung dieser angehörte. Dieser Tempel setzte dann seinen Stempel unter die entsprechenden Registereinträge, sofern diese vonseiten der einzelnen Mitglieder ordnungsgemäß ausgefüllt waren.<br />
<br />
==Bürokratisierung des Buddhismus==<br />
<br />
Die {{glossar:shuumonaratame}} Zertifikate spielten im Alltag der {{glossar:edo}}-Zeit eine ähnliche Rolle wie heute ein Pass oder Personalausweis. Man brauchte sie bei jedem größeren Ortswechsel (das Reisen war ja sehr eingeschränkt), beim Antritt bestimmter Arbeiten, bei der Heirat, usw. Auf diese Weise wurden die buddhistischen Tempel quasi zur untersten Ebene der Landesverwaltung und zwar gleichermaßen für die Zentralverwaltung (Shogunat) als auch die Regionalverwaltung (Daimyat). Buddhistische Tempel nahmen damit zwar weltliche Verwaltungsaufgaben auf sich und waren weltlichen Verwaltungsbeamten untergeordnet, hatten aber auch Nutzen aus dem System. Sie erhielten mehr Macht über ihre Gläubigengemeinden, da diese ja auf ihre ''shūmon aratame ''-Bestätigungen angewiesen waren. Manche Tempel ließen sich diese Bestätigungen auch von den Mitgliedern ihrer Gemeinde bezahlen. In jedem Fall verdienten sie aber durch zusätzliche religiöse Dienstleistungen, vor allem Begräbnisse, die nun niemand in der Gemeinde mehr ablehnen konnte. Offizielle Bestimmungen des Shogunats enthalten sogar den Hinweis, dass Gemeindemitglieder, die auf die buddhistischen Sterberiten keinen Wert legen, möglicherweise Christen sind und genauer untersucht werden müssen (Tamamuro 2001, S. 267). Man kam also in der Edo-Zeit um buddhistische Totenriten nicht mehr herum.<br />
<br />
Durch dieses System wurde natürlich der Buddhismus als Ganzes stark beeinflusst. Der Gegensatz zwischen erlaubten und häretischen Sekten wurde vertieft. Abgesehen vom Christentum standen auch manche Fraktionen der [[Geschichte:Nichiren | Nichiren]] Schule und des [[Geschichte:Amidismus | Amidismus]] auf der Liste verbotener Religionen. Sie alle hatten während der {{Glossar:Sengokujidai | Sengoku}}-Zeit (16. Jh.) theokratische Gemeinden gebildet, die im Zuge der Reichseinigung von {{Glossar:Odanobunaga}} und {{Glossar:Toyotomihideyoshi}} mit brutaler Gewalt bekämpft wurden. Das {{glossar:teraukeseido}} ließ also — und darin liegt ein weiterer Unterschied zur Inquisition — eine gewisse Glaubensvielfalt nach wie vor zu, richtete sich aber umso heftiger gegen religiöse Gruppierungen, deren „fundamentalistischer“ Charakter die staatliche Ordnung in Frage stellten.<br />
<br />
Dennoch kam es innerhalb der vom Staat erlaubten und geförderten buddhistischen Richtungen zwangsläufig zu einer Nivellierung. Dies unter anderem aus dem Grund, dass das Shogunat ein Mitspracherecht bei der Festlegung orthodoxer Glaubens- und Praxisformen hatte. Der heute verbreitete sog. „Begräbnis-Buddhismus“ ({{glossar:soushikibukkyou}}), der wie wir gesehen haben über die Sektengrenzen hinweg sehr ähnlich aufgebaut ist, resultiert indirekt aus der besonderen Beachtung der Sterberiten, die vom Shogunat vorgegeben wurde. Die Vergabe von buddhistischen Totennamen ({{glossar:kaimyou}}), wie sie heute in allen Richtungen des japanischen Buddhismus praktiziert wird (s. Kap. Alltag, [[Alltag:Totenriten | Bestattung]]), entstand beispielsweise im Zusammenhang mit dem ''terauke'' System, Anfang des 18. Jahrhunderts. Die spezifischen Glaubensinhalte der einzelnen buddhistischen Richtungen wurden dagegen in den Hintergrund gedrängt.<br />
<br />
Es nimmt somit nicht weiter Wunder, dass es in der Edo-Zeit zu anti-buddhistischen Ressentiments kam, dass die buddhistischen Mönche als Agenten der Regierung verschrien waren, und dass verschiedene Teile der Gesellschaft nach spirituellen Wegen außerhalb des Buddhismus zu suchen begannen. In der Edo-Zeit bietet die Geschichte des Buddhismus daher nur noch wenige spektakuläre inhaltliche Neuerungen (Ausnahme vielleicht die Reformen der {{Glossar:Zen}} Sekten). Ideengeschichtlich ist dagegen die Entwicklung des japanischen Konfuzianismus, des Shinto und das Aufkommen der „Neuen Religionen“ in der {{Glossar:Bakumatsu}} Zeit (d.h. in den letzten Jahrzehnten vor 1868) attraktiver. Dennoch hat die Bürokratisierung des Buddhismus in- und außerhalb der japanischen Religonsgeschichte weitreichende Folgen, die nach wie vor nur unzureichend erforscht sind.<br />
{{Linkbox|ue=Literatur|text=<br />
{{Literatur:Tamamuro_2001}}<br />
}}<br />
{{ThisWay|Geschichte: Neo-Konfuzianismus}}</div>Opaquehttps://religion-in-japan.univie.ac.at/r/index.php?title=Geschichte/Christentum&diff=15065Geschichte/Christentum2010-09-16T13:03:55Z<p>Opaque: </p>
<hr />
<div>{{Styles}}<br />
=Japans „christliches Jahrhundert“=<br />
{{Wrapper|__TOC__<br />
{{Sidebox|franzxaver.jpg|w=180|left=-30|top=-20|Francisco Xavier}}<br />
{{Sidebox|arima_harunobu.jpg|w=140|w=230|left=-45|top=-30|Arima Harunobu}}<br />
}}<br />
Die ersten Missionare, die Japan Mitte des sechzehnter Jahrhunderts erreichten, wurden — wie [[Geschichte:Reichseinigung| bereits erwähnt]] — sehr wohlwollend aufgenommen. Insbesondere im Norden der Insel Kyushu fanden sie in lokalen Machthabern wie {{glossar:oumurasumitada}}, {{glossar:outomosourin}} oder {{glossar:arimaharunobu}} mächtige Gönner, die schließlich sogar selbst zum Christentum übertraten. Sie überließen den Portugiesen die Stadt Nagasaki, die bald zu einem neuen Handelszentrum empor wuchs und zugleich auch das Zentrum der jesuitischen Mission darstellte. Von dort aus gelang es zunächst jesuitischen, später auch franziskanischen Missionaren, eine beträchtliche Gefolgschaft in Kyushu aufzubauen. Als nächstes konzentrierte man sich auf die Hauptstadt Kyoto, wo die Christen durch den damals mächtigsten Kriegsfürsten und Reichseiniger {{glossar:odanobunaga}} wohlwollende Duldung wenn nicht gar Förderung erfuhren.<br />
<br />
==Verbote und Repressionen==<br />
<br />
Nach Nobunagas Ermordung im Jahr 1582 übernahm sein Gefolgsmann {{glossar:toyotomihideyoshi}} (1537–1598) die Führung seiner Truppen und setzte den Einigungsprozess des Landes zügig fort. Nachdem er den Erfolg der Christen in Kyushu 1587 mit eigenen Augen erlebte, reagierte Hideyoshi mit Skepsis gegenüber der fremden Religion und verwies die Missionare des Landes. Wie Nobunaga hatte auch er die Erfahrung gemacht, dass gerade diejenigen feindlichen Heere, die von religiösen Gruppierungen geführt wurden, am schwierigsten zu unterwerfen waren. Obwohl die Christen ihm nicht feindlich entgegentraten, sah er in ihnen offenbar aufrührerisches Potential. Da Hideyoshi aber weiter am Handel mit den Portugiesen interessiert war, scheinen seine Verbote des Christentums nicht konsequent umgesetzt worden zu sein. Erst zehn Jahre später, im Jahre 1597 (ein Jahr vor Hideyoshis Tod) kam es zu ersten brutalen Repressionen, denen auch die bekannten 26 Märtyrer von Nagasaki zum Opfer fielen.<br />
<br />
{{glossar:tokugawaieyasu}} (1543–1616), der dritte der „Drei Reichseiniger“, betrieb nach seiner Machtergreifung (1600, bzw. 1603) vorübergehend eine tolerantere Politik — noch war auch er am Handel mit den Portugiesen interessiert. Als aber immer mehr europäische Protestanten (Holländer, Engländer) nach Japan kamen, verloren die Portugiesen ihr Handelsmonopol. Zugleich wurde auch der europäische Religionsstreit zwischen Katholiken und Protestanten in Japan sichtbar. Ieyasu sah sich daraufhin nicht länger genötigt, die von ihm als potentiell gefährlich eingestufte fremde Religion zu dulden. 1613 kam es neuerlich zu einem totalen Verbot (''Bateren tsuihōrei''), Missionare, japanische Christen und sogar christliche {{Glossar:Daimyou}} wurden des Landes verwiesen oder hingerichtet.<br />
<br />
Unter Ieyasus Nachfolgern verstärkten sich die Repressionen, Christen wurden systematisch ausgeforscht. Da sie für ihren unbedingten Glauben bekannt waren, ließen sie sich identifizieren, indem man sie zwang, auf Bildern von Jesus oder Maria oder auf Kruzifixen herumzutrampeln. Wer dies verweigerte, entlarvte sich als Christ und wurde zumeist gekreuzigt. Diese Praxis wurde als {{glossar:fumie}}, wtl. „Bildertreten“ bezeichnet. 1622 kam es neuerlich zu öffentlichen Hinrichtungen in Nagasaki, denen 51 Christen zum Opfer fielen.<br />
{{sidebox|sidepage=Christenverfolgung|titel=zitat|edict.jpg|w=140|top=20|Christenverfolgung}}<br />
<br />
Die Repressionen erreichten 1637 und 38, zur Zeit der sog. Shimabara Rebellion in Kyushu, ihren Höhepunkt. Der Grund für diesen Aufstand lag wohl hauptsächlich in der exzessiven Besteuerung der Bauern, doch wurde das Christentum, das ja in Kyushu tatsächlich besonders verbreitet war, als Ursache gebrandmarkt. Die Rebellion wurde niedergeschlagen, 40.000 Aufständische wurden dabei getötet. In der Folge wurde die Verfolgung der Christen auf ganz Japan ausgedehnt. Um zu gewährleisten, dass in keinem japanischen Haushalt mehr Christen lebten, mussten sich alle Japaner in die Gläubigenregister der buddhistischen Tempel eintragen lassen (s. [[Geschichte:Terauke | ''terauke'' System]]). Bald getraute sich niemand mehr, sich öffentlich zum Christentum zu bekennen, im Untergrund blieben aber einige Gemeinden (die sog. „Krypto-Christen“, {{glossar:kakurekirishitan}}) bis zur frühen {{glossar:meiji}}-Zeit, genauer bis zur Aufhebung des Christenbannes 1873, bestehen. Interessanterweise gibt es bis heute Nachfahren dieser Krypto-Christen, die lieber bei ihrer heimlich überlieferten Version des Christentums bleiben, statt sich der katholischen „Mutterkirche“ anzuschließen.<br />
<br />
Mit dem absoluten Verbot des Christentums setzte in Japan auch die „Politik der Abschließung des Landes“ ({{Glossar:Sakoku}}) ein, die bis zur erzwungenen Öffnung des Hafens von Yokohama durch den amerikanischen Admiral Perry (1853) beibehalten wurde. Einziges Fenster zur europäischen Welt war der niederländische Handelsstützpunkt auf Deshima, eine künstliche Insel im Hafen von Nagasaki, deren Zugang vom Shogunat streng kontrolliert wurde.<br />
<br />
==Gründe der Christenverfolgung==<br />
{{sidebox|lingoadejapam.gif|w=140|rahmen_h=200|top=-8|Lingoa de Iapam}}<br />
<br />
Das Christentum wurde wohl zunächst für eine exotische Form des Buddhismus gehalten, da sich die ersten Dolmetscher natürlich buddhistischer Termini bedienten. Auch das oben abgebildete Portrait des „Christenfürsten“ {{glossar:arimaharunobu}} zeigt, dass zumindest die religiöse Bildsprache der frühen japanischen Christen stark dem Buddhismus verpflichtet war.<br />
<br />
Die Jesuiten bemühten sich allerdings konsequent, die Landessprache zu erlernen, den Konvertiten Latein und Portugiesisch beizubringen und schließlich christliche Schriften ins Japanische zu übertragen. Ein berühmtes Beispiel dieser kulturellen Annäherung stellt das 1604 fertig gestellte Portugiesisch-Japanische Wörterbuch ''Lingoa de Iapam'' von Joao Rodrigues dar. Es ist nicht nur ein Zeichen für die Ernsthaftigkeit und den missionarischen Eifer der Jesuiten, es stellt darüber hinaus eine unersetzliche Quelle zur Phonetik und zum Vokabular des damaligen Umgangsjapanisch dar.<br />
<br />
Trotz dieser durchaus ernst gemeinten Bemühungen um einen Dialog mit der japanischen Kultur im Dienste der Mission blieb das Christentum den meisten japanischen Machthabern doch in derselben Weise verdächtig, wie einzelne fundamentalistisch-buddhistische Sekten: Es war nicht bereit, den grundsätzlichen Konsens zu teilen, dass letztlich alle (tolerierbaren) Religionsformen die gleiche Wahrheit ausdrücken. Diese Grundhaltung des Buddhismus (s. [[Grundbegriffe:Buddhismus_Lehre | Einführung]]) wurde auch von weltlichen Herrschern geteilt. Die japanischen Christenverfolgungen sind daher nicht unbedingt als Ausdruck von besonderer Fremdenfeindlichkeit oder Anti-Christianismus zu sehen, vielmehr wurden alle religiösen Gruppen, die mit dem Anspruch auftraten, allein seligmachend zu sein, auf ähnliche Weise behandelt. Ähnlich wie die Christen wurden auch einzelne radikale Fraktionen der [[Geschichte:Nichiren | Nichiren]] und [[Geschichte:Amidismus | Amida]]-Sekten als Häretiker gebrandmarkt und verfolgt.<br />
<br />
Im übrigen offenbaren jesuitische Quellen, dass das Misstrauen in Japan durchaus nicht ohne Berechtigung war. Unter den Jesuiten gab es auch eine Fraktion in den Mönchstand getretener Hidalgos, die ernsthaft darüber nachdachten, Japan mit militärischer Gewalt zu unterwerfen.<br />
<br />
Abgesehen von Bedenken gegenüber der fremden Religion waren sich Hideyoshi und Ieyasu sehr wohl der Rolle bewusst, die der Handel, bzw. neue, aus Europa importierte Technologien bei der Reichseinigung gespielt hatten: Dank neuer Kriegstechnologien gelang es den „progessiveren“ unter den Kriegsherren, die existierende militärische Pattstellung zu kippen und mehr und mehr Verbündete auf ihre Seite zu ziehen. Als dieser Prozess der Einigung abgeschlossen war, trachtete das Tokugawa Shogunat danach, die Vorteile, die ihm zur Macht verholfen hatten, potenziellen Gegnern zu verwehren. Da aber Daimyo, die das Christentum förderten, zweifellos privilegierte Beziehungen zum europäischen Handel hatten, standen die neuen Herrscher über kurz oder lang vor der Wahl, entweder selbst das Christentum zu fördern oder es zu verbieten, und entschieden sich für das letztere.<br />
{{Linkbox|ue=Literatur|text=<br />
{{Literatur:Cooper_1965}}<br />
{{Literatur:Elison_1973}}<br />
}}<br />
<div class="bildtext" style="margin-top: -2em"> [[Image:jap_maria_17jh.jpg|link=]]<div>Japanisches Rollbild mit Mariendarstellung, 17. Jh.<br /> Quelle: [http://www.26martyrs.com/ 26 Martyrs Museum], Nagasaki [2010/8] </div></div><br />
{{ThisWay|Geschichte: Terauke}}</div>Opaquehttps://religion-in-japan.univie.ac.at/r/index.php?title=Geschichte/Reichseinigung&diff=15064Geschichte/Reichseinigung2010-09-16T13:02:36Z<p>Opaque: /* Oda Nobunaga */</p>
<hr />
<div>{{Styles}}<br />
=<span>Religion am Übergang</span> vom Mittelalter zur frühen Neuzeit=<br />
{{Wrapper|__TOC__<br />
{{sidebox|japnkarte_kyoto_edo.jpg|w=140|top=-65}}<br />
}}<br />
Die sogenannte Frühe Neuzeit beginnt in Japan, mit der politischen Wiedervereinigung des Landes unter der Herrschaft der Tokugawa Dynastie. Deren Begründer {{glossar:tokugawaieyasu}} (1543–1616) erlangte durch seinen Sieg in der Schlacht von Sekigahara (1600) endgültig die militärische Vorherrschaft über Japan und ließ sich im Jahr 1603 zum {{Glossar:Shougun}} ernennen. Damit sicherte er sich und seinen Nachkommen das politische Führungsamt des Landes, das von nun an von seiner Residenzstadt {{glossar:edo}} (dem heutigen Tokyo) aus regiert wurde. Man nennt die folgende Periode der Tokugawa Herrschaft daher Tokugawa- oder Edo-Zeit (1600–1867). Die historischen Umstände der Reichseinigung hatten auf die japanische Religionsgeschichte zahlreiche Auswirkungen und sind zugleich durch religionsgeschichtliche Ereignisse mitverursacht worden. Um diese Entwicklung zu verstehen, ist es notwendig, etwa fünfzig Jahre vor die Reichseinigung, also in die Mitte des sechzehnten Jahrhunderts zurückzugehen.<br />
<br />
==Die Zeit der kämpfenden Länder==<br />
<br />
In der sog. „Zeit der kämpfenden Länder“ ({{Glossar:Sengokujidai}}, 1482–1568) ringen mindestens ein Dutzend großer und zahllose kleinere Territorialfürsten ({{Glossar:Daimyou}}) um militärische und politische Vormacht. Der Buddhismus ist in dieser Zeit nicht nur als Religion allgegenwärtig, er beteiligt sich auch aktiv an militärischen und politischen Auseinandersetzungen. Das größte und mächtigste Einzelkloster mit ausgedehnten Ländereien und einer eigenen Armee ist nach wie vor der Tempelberg [[Bauten:Bekannte_Tempel | Hiei]], ein Klosterkomplex mit dem Haupttempel {{glossar:enryakuji}}, im Nordosten Kyotos, der sich in den vergangenen Jahrhunderten als Schutzmacht des Kaiserhauses und der Kaiserstadt etabliert hat. Berg Hiei ist seit der Tempelgrüdung durch {{Glossar:Saichou}} das geistige und organisatorische Zentrum des japanischen {{Glossar:Tendaishuu |Tendai}} Buddhismus und gebietet über ein landesweites Netz von Klöstern und Schreinen, die auch anderswo als lokale Machtzentren agieren. Daneben sind weite Landstriche sowohl religiös, als auch militärisch-politisch vom {{glossar:amida}} Buddhismus dominiert (s. [[Geschichte:Amidismus | Amidismus]]). Einzelne Amida Sekten haben ganze Provinzen unter ihre Kontrolle gebracht und dort eine Art gottesstaatliches Regime errichtet. Es kämpfen also nicht nur die Samurai untereinander um die Führung des Landes, auch religiöse Parteien sind in die Kämpfe mit eingebunden.<br />
{{sidebox|nanbanbune.jpg|w=140|top=-10|Schiff der Südlichen Barbaren}}<br />
In diese Zeit der Bürgerkriege fällt die Ankunft der ersten christlichen Missionare in Japan. 1549 erreichte der spanische Jesuit Francisco Xavier (1506–1552, der Heilige Franz Xaver) das Land und errichtete erste Missionsschulen. Von ihm ist überliefert, dass er „unter den Heiden“ kein Volk gefunden habe, welches dem Christentum zugänglicher sei als die Japaner. Wie in anderen Erdteilen, die im Zeitalter der Entdeckungen von Europäern erschlossen wurden, ging die Ankunft der Missionare auch in Japan Hand in Hand mit der Aufnahme von Handelsbeziehung nach Europa. Der rasche Missionserfolg, der aus Franz Xavers Worten spricht, dürfte nicht zuletzt mit diesem Handel in Verbindung stehen. Einige japanische Territorialherren erkannten sehr schnell, dass die „südlichen Barbaren“ ({{glossar:nanban}}), wie die Europäer damals in Japan hießen, über Technologien verfügten, die im Kampf um die Landesherrschaft von Vorteil waren. Dazu zählten in erster Linie Feuerwaffen. Es spricht daher einiges dafür, dass die militärische Einigung des Landes, die sich bald nach der Ankunft der christlichen Missionare abzuzeichnen begann, vor allem dieser neuen Kriegstechnologie zuzuschreiben ist, welche die existierende militärische Pattstellung zum Kippen brachte. (S. dazu auch den berühmten Kurosawa-Film ''Kagemusha''.)<br />
<br />
==Oda Nobunaga==<br />
{{sidebox|nobunaga_amidaji_lamers.jpg|w=140|top=-15|Oda Nobunaga}}<br />
<br />
{{glossar:odanobunaga}} (1534–1582) war der erste der sog. „Drei Reichseiniger“, der mit Hilfe der neuen Waffen eine hegemoniale Stellung innerhalb der kämpfenden Parteien erringen konnte. Seine guten Kontakte zu den jesutischen Missionaren, die zwischen ihm und anderen Europäern vermittelten, spielten in diesem Zusammenhang keine geringe Rolle. Das Christentum erfreute sich unter Nobunaga daher in Japan einer allgemeinen Duldung, wenn nicht gar Förderung. Gleichzeitig zählten die oben erwähnten buddhistischen Institutionen, die aktiv im Kriegsgeschehen mitmischten, zu Nobunagas erbittertsten Feinden.<br />
<br />
1571 richtete Nobunaga in dem Bestreben, Kyoto und seine Umgebung endgültig seinem Herrschaftsbereich einzugliedern, seine gesamte Streitmacht gegen Berg Hiei und äscherte den Klosterkomplex vollkommen ein. Nach den Berichten europäischer Missionare wurden etwa 1500 Mönche und Mönchssoldaten erbarmungslos niedergemetzelt und sämtliche der etwa 400 Klostergebäude zerstört. Obwohl buddhistische Tempel bereits in früherer Zeit Ziel militärischer Operationen gewesen waren, konnte sich insbesondere Berg Hiei doch einer gewissen religiösen Scheu aller kriegsführenden Parteien sicher sein. Wenn man vielleicht auch das Leben der Mönche gering achtete, so versprachen doch die vielen religiösen Heiligtümer Schutz vor kriegerischen Aggressionen. Demnach rechnete man im {{glossar:tendaishuu|Tendai}} Kloster wohl damit, dass Nobunaga gegen die eigenen Mönchsheere vorgehen könnte, aber ein direkter Angriff, der die Zerstörung des Klosteres bezweckte, wurde offensichtlich nicht für möglich gehalten. Nobunaga aber fühlte sich an die jahrhundertealten Tabus gegenüber religiösen Institutionen nicht mehr gebunden. Mit einem einzigen militärischen Schlag bereitete er somit der Hegemonie der japanischen Tendai Schule ein Ende und fügte dem Nimbus des japanischen Buddhismus wohl auch insgesamt bleibenden Schaden zu.<br />
<br />
Wie unter anderem Neil McMullin (1984) hervorhebt, änderte Nobunagas ungeschminkte Machtpolitik das Verhältnis zwischen weltlicher Regierung und buddhistischer Macht grundlegend. Anstatt sich von der Religion effektive spirituelle Unterstützung der eigenen politischen Ziele zu erwarten, wie dies ganz besonders im Zusammenhang mit der [[Geschichte:Frühzeit | Einführung des Buddhismus]] der Fall war, sahen die neuen Machthaber im Buddhismus von nun an lediglich ein politisches Instrument, dessen sie sich geschickt zu bedienen suchten. Die Figur Oda Nobunagas stellt ein paradigmatisches Beispiel dieses neuen Herrschertyps dar. Nicht umsonst wurde er letztlich selbst von den Christen, die ihm im Grunde viel zu verdanken hatten, mit den schlimmsten Tyrannen des Alten Testaments wie Nebukadnezar verglichen. Dies soll natürlich nicht bedeuten, dass alle folgenden Herrscher Nobunagas religiösen Zynismus teilten und nicht auch einige aufrichtigen buddhistischen Glaubens waren. Doch waren politische Führer von nun an nicht länger bereit, den vom Buddhismus selbst aufgestellten Regeln zu folgen, wenn dies in irgend einer Weise ihren eigenen Herrschaftsinteressen zuwider lief. Dieser a-religiöse Pragmatismus, der (bei aller Vorliebe für religiösen Pomp und sakrales Zeremoniell) von nun an das Verhältnis zwischen politischen Herrschern und buddhistischen Institutionen prägte, scheint ein wesentlicher Unterschied zwischen der religionsgeschichtlichen Situation des japanischen Mittelalters und der frühen Neuzeit zu sein.<br />
<br />
{{Linkbox|ue=Literatur|text=<br />
{{Literatur:Lamers_2001}}<br />
{{Literatur:Mcmullin_1984}}<br />
<br />
}}<br />
{{ThisWay|Geschichte: Christentum}}</div>Opaquehttps://religion-in-japan.univie.ac.at/r/index.php?title=Geschichte/Reichseinigung&diff=15058Geschichte/Reichseinigung2010-09-16T12:37:42Z<p>Opaque: </p>
<hr />
<div>{{Styles}}<br />
=<span>Religion am Übergang</span> vom Mittelalter zur frühen Neuzeit=<br />
{{Wrapper|__TOC__<br />
{{sidebox|japnkarte_kyoto_edo.jpg|w=140|top=-65}}<br />
}}<br />
Die sogenannte Frühe Neuzeit beginnt in Japan, mit der politischen Wiedervereinigung des Landes unter der Herrschaft der Tokugawa Dynastie. Deren Begründer {{glossar:tokugawaieyasu}} (1543–1616) erlangte durch seinen Sieg in der Schlacht von Sekigahara (1600) endgültig die militärische Vorherrschaft über Japan und ließ sich im Jahr 1603 zum {{Glossar:Shougun}} ernennen. Damit sicherte er sich und seinen Nachkommen das politische Führungsamt des Landes, das von nun an von seiner Residenzstadt {{glossar:edo}} (dem heutigen Tokyo) aus regiert wurde. Man nennt die folgende Periode der Tokugawa Herrschaft daher Tokugawa- oder Edo-Zeit (1600–1867). Die historischen Umstände der Reichseinigung hatten auf die japanische Religionsgeschichte zahlreiche Auswirkungen und sind zugleich durch religionsgeschichtliche Ereignisse mitverursacht worden. Um diese Entwicklung zu verstehen, ist es notwendig, etwa fünfzig Jahre vor die Reichseinigung, also in die Mitte des sechzehnten Jahrhunderts zurückzugehen.<br />
<br />
==Die Zeit der kämpfenden Länder==<br />
<br />
In der sog. „Zeit der kämpfenden Länder“ ({{Glossar:Sengokujidai}}, 1482–1568) ringen mindestens ein Dutzend großer und zahllose kleinere Territorialfürsten ({{Glossar:Daimyou}}) um militärische und politische Vormacht. Der Buddhismus ist in dieser Zeit nicht nur als Religion allgegenwärtig, er beteiligt sich auch aktiv an militärischen und politischen Auseinandersetzungen. Das größte und mächtigste Einzelkloster mit ausgedehnten Ländereien und einer eigenen Armee ist nach wie vor der Tempelberg [[Bauten:Bekannte_Tempel | Hiei]], ein Klosterkomplex mit dem Haupttempel {{glossar:enryakuji}}, im Nordosten Kyotos, der sich in den vergangenen Jahrhunderten als Schutzmacht des Kaiserhauses und der Kaiserstadt etabliert hat. Berg Hiei ist seit der Tempelgrüdung durch {{Glossar:Saichou}} das geistige und organisatorische Zentrum des japanischen {{Glossar:Tendaishuu |Tendai}} Buddhismus und gebietet über ein landesweites Netz von Klöstern und Schreinen, die auch anderswo als lokale Machtzentren agieren. Daneben sind weite Landstriche sowohl religiös, als auch militärisch-politisch vom {{glossar:amida}} Buddhismus dominiert (s. [[Geschichte:Amidismus | Amidismus]]). Einzelne Amida Sekten haben ganze Provinzen unter ihre Kontrolle gebracht und dort eine Art gottesstaatliches Regime errichtet. Es kämpfen also nicht nur die Samurai untereinander um die Führung des Landes, auch religiöse Parteien sind in die Kämpfe mit eingebunden.<br />
{{sidebox|nanbanbune.jpg|w=140|top=-10|Schiff der Südlichen Barbaren}}<br />
In diese Zeit der Bürgerkriege fällt die Ankunft der ersten christlichen Missionare in Japan. 1549 erreichte der spanische Jesuit Francisco Xavier (1506–1552, der Heilige Franz Xaver) das Land und errichtete erste Missionsschulen. Von ihm ist überliefert, dass er „unter den Heiden“ kein Volk gefunden habe, welches dem Christentum zugänglicher sei als die Japaner. Wie in anderen Erdteilen, die im Zeitalter der Entdeckungen von Europäern erschlossen wurden, ging die Ankunft der Missionare auch in Japan Hand in Hand mit der Aufnahme von Handelsbeziehung nach Europa. Der rasche Missionserfolg, der aus Franz Xavers Worten spricht, dürfte nicht zuletzt mit diesem Handel in Verbindung stehen. Einige japanische Territorialherren erkannten sehr schnell, dass die „südlichen Barbaren“ ({{glossar:nanban}}), wie die Europäer damals in Japan hießen, über Technologien verfügten, die im Kampf um die Landesherrschaft von Vorteil waren. Dazu zählten in erster Linie Feuerwaffen. Es spricht daher einiges dafür, dass die militärische Einigung des Landes, die sich bald nach der Ankunft der christlichen Missionare abzuzeichnen begann, vor allem dieser neuen Kriegstechnologie zuzuschreiben ist, welche die existierende militärische Pattstellung zum Kippen brachte. (S. dazu auch den berühmten Kurosawa-Film ''Kagemusha''.)<br />
<br />
==Oda Nobunaga==<br />
{{sidebox|nobunaga_amidaji_lamers.jpg|w=140|top=-15|Oda Nobunaga}}<br />
<br />
{{glossar:odanobunaga}} (1534–1582) war der erste der sog. „Drei Reichseiniger“, der mit Hilfe der neuen Waffen eine hegemoniale Stellung innerhalb der kämpfenden Parteien erringen konnte. Seine guten Kontakte zu den jesutischen Missionaren, die zwischen ihm und anderen Europäern vermittelten, spielten in diesem Zusammenhang keine geringe Rolle. Das Christentum erfreute sich unter Nobunaga daher in Japan einer allgemeinen Duldung, wenn nicht gar Förderung. Gleichzeitig zählten die oben erwähnten buddistischen Institutionen, die aktiv im Kriegsgeschehen mitmischten, zu Nobunagas erbittertsten Feinden.<br />
<br />
1571 richtete Nobunaga in dem Bestreben, Kyoto und seine Umgebung endgültig seinem Herrschaftsbereich einzugliedern, seine gesamte Streitmacht gegen Berg Hiei und äscherte den Klosterkomplex vollkommen ein. Nach den Berichten europäischer Missionare wurden etwa 1500 Mönche und Mönchssoldaten erbarmungslos niedergemetzelt und sämtliche der etwa 400 Klostergebäude zerstört. Obwohl buddhistische Tempel bereits in früherer Zeit Ziel militärischer Operationen gewesen waren, konnte sich insbesondere Berg Hiei doch einer gewissen religiösen Scheu aller kriegsführenden Parteien sicher sein. Wenn man vielleicht auch das Leben der Mönche gering achtete, so versprachen doch die vielen religiösen Heiligtümer Schutz vor kriegerischen Aggressionen. Demnach rechnete man im {{glossar:tendaishuu|Tendai}} Kloster wohl damit, dass Nobunaga gegen die eigenen Mönchsheere vorgehen könnte, aber ein direkter Angriff, der die Zerstörung des Klosteres bezweckte, wurde offensichtlich nicht für möglich gehalten. Nobunaga aber fühlte sich an die jahrhundertealten Tabus gegenüber religiösen Institutionen nicht mehr gebunden. Mit einem einzigen militärischen Schlag bereitete er somit der Hegemonie der japanischen Tendai Schule ein Ende und fügte dem Nimbus des japanischen Buddhismus wohl auch insgesamt bleibenden Schaden zu.<br />
<br />
Wie unter anderem Neil McMullin (1984) hervorhebt, änderte Nobunagas ungeschminkte Machtpolitik das Verhältnis zwischen weltlicher Regierung und buddhistischer Macht grundlegend. Anstatt sich von der Religion effektive spirituelle Unterstützung der eigenen politischen Ziele zu erwarten, wie dies ganz besonders im Zusammenhang mit der [[Geschichte:Frühzeit | Einführung des Buddhismus]] der Fall war, sahen die neuen Machthaber im Buddhismus von nun an lediglich ein politisches Instrument, dessen sie sich geschickt zu bedienen suchten. Die Figur Oda Nobunagas stellt ein paradigmatisches Beispiel dieses neuen Herrschertyps dar. Nicht umsonst wurde er letztlich selbst von den Christen, die ihm im Grunde viel zu verdanken hatten, mit den schlimmsten Tyrannen des Alten Testaments wie Nebukadnezar verglichen. Dies soll natürlich nicht bedeuten, dass alle folgenden Herrscher Nobunagas religiösen Zynismus teilten und nicht auch einige aufrichtigen buddhistischen Glaubens waren. Doch waren politische Führer von nun an nicht länger bereit, den vom Buddhismus selbst aufgestellten Regeln zu folgen, wenn dies in irgend einer Weise ihren eigenen Herrschaftsinteressen zuwider lief. Dieser a-religiöse Pragmatismus, der (bei aller Vorliebe für religiösen Pomp und sakrales Zeremoniell) von nun an das Verhältnis zwischen politischen Herrschern und buddhistischen Institutionen prägte, scheint ein wesentlicher Unterschied zwischen der religionsgeschichtlichen Situation des japanischen Mittelalters und der frühen Neuzeit zu sein.<br />
<br />
{{Linkbox|ue=Literatur|text=<br />
{{Literatur:Lamers_2001}}<br />
{{Literatur:Mcmullin_1984}}<br />
<br />
}}<br />
{{ThisWay|Geschichte: Christentum}}</div>Opaquehttps://religion-in-japan.univie.ac.at/r/index.php?title=Geschichte/Kamakura/Kamikaze&diff=15050Geschichte/Kamakura/Kamikaze2010-09-16T12:13:00Z<p>Opaque: /* Die mongolische Eroberung Ostasiens */</p>
<hr />
<div>{{Styles|sidepage}}<br />
=Götterwinde, Religion und Krieg <span class="bottom">Japan zur Zeit der mongolischen Eroberungen</span>=<br />
<br />
Die Herrschaft der Mongolen ist aus der Sicht Japans vor allem mit einem einschneidenden Ereignis verbunden: der erfolgreichen Abwehr eines zweifachen Invasionsversuchs der Mongolen, 1274 und 1281. Japan stellt somit eines der wenigen Länder dar, die dem Eroberungsdrang der Mongolen Einhalt gebieten konnten. Der traditionellen japanischen Geschichtsauffassung zufolge war dies aber nicht der militärischen Überlegenheit Japans zu verdanken, sondern Taifunen, welche die Götter Japans zum richtigen Zeitpunkt entfachten. Diese Winde werden daher „Götterwinde“ genannt, auf Japanisch {{glossar:kamikaze}}. Der Mythos dieser Winde wirkte bis ins zwanzigste Jahrhundert fort, als die Selbstmordpiloten der japanischen Luftwaffe die Rolle der Götterwinde übernehmen sollten, um die „ausländischen Eroberer“ abzuwehren.<br />
<br />
==Die mongolische Eroberung Ostasiens==<br />
<br />
Einer der frühesten Erfolge Dschingis Khans nach der Einigung der mongolischen Stämme (1205) war die Eroberung Pekings (1215), das zuvor die Hauptstadt der nordchinesischen Jin Dynastie gewesen war. Die Eroberung Südchinas, das zu dieser Zeit von der südlichen Song-Dynastie (1130-1276) regiert wurde, ging allerdings nur noch schleppend und in kleinen Schritten voran, während sich in Richtung Westen, von Zentralasien bis Osteuropa, ein Reich nach dem anderen der militärischen Macht der Mongolen unterwerfen musste. China stellte also, ebenso wie Korea und Japan, eine wesentlich größere Hürde für die mongolischen Eroberungen dar als die westlich gelegenen Reiche.<br />
{{float|class=bildbox<br />
|bild=kublai_khan.jpg<br />
|caption=Kubilai Khan<br /> Bildquelle: [http://de.wikipedia.org/wiki/Bild:Kublai_Khan.jpg Wikipedia] [2010/8] <br />
}}<br />
Die vollständige Eroberung Chinas gelang erst unter Dschingis Khans Enkel Kubilai Khan (1215-94, r. 1260-94), der 1271 offiziell die chinesische Yuan Dynastie begründete und von da an als rechtmäßiger Kaiser Chinas agierte. Unter Kubilai wandelte sich der mongolische Herrschaftsapparat und insbesondere der direkt unter Kubilai Khan stehende Teil der eroberten Gebiete von einem kriegerischen Nomadenreich zu einem Agrarstaat mit komplexen bürokratischen Hierarchien nach chinesischem Muster. Die dünne Herrschaftsschicht der einst zügellosen Eroberer wurde auf diese Weise von der Kultur der Eroberten domestiziert.<br />
<br />
Dennoch war die Angriffslust der Mongolen unter Kubilai noch nicht gänzlich erloschen. Laut den Berichten Marco Polos, der China unter Kubilai Khan besuchte und von diesem persönlich empfangen wurde, richteten sich die Begehrlichkeiten des Großkahns vor allem auf Japan, das in Kubilais (und auch in Marco Polos) Augen ein Land von sagenhaftem Reichtum war. Bevor an einen Angriff auf Japan allerdings zu denken war, musste erst die Eroberung Koreas abgeschlossen werden.<br />
<br />
Korea wurde bereits 1231 zum Ziel mongolischer Angriffe, setzte sich aber lange Zeit erfolgreich zur Wehr. Erst unter Kubilai kam es zu einer Art Annektion des Landes, allerdings nicht durch einen eindeutigen militärischen Sieg sondern aufgrund von diplomatischen Zugeständnissen. Im Austausch gegen den Abzug der mongolischen Truppen aus der alten Hauptstadt Koreas, erklärte sich der spätere König Weonjong (r. 1259-1274) zum Vasallen der Mongolen. Korea wurde so zu einem wichtigen Verbündeten in der letzten Phase der ostasiatischen Eroberungen.<br />
<br />
==Angriffe auf Japan==<br />
<br />
Die Kontaktaufnahme der mongolischen Yuan Dynastie mit Japan begann 1266 und folgte den diplomatischen Spielregeln früherer chinesischer Dynastien: aus dem selbstverständlichen Anspruch, die Mitte und zugleich den Höhepunkt menschlicher Zivilisation darzustellen, gewährte man auch den Herrschern der umliegenden Reiche, je nach Abstand zur chinesischen „Mitte“ ein bestimmtes, genau abgewogenes Maß an Respekt. Entsprechende Botschaften wurden ab 1266 in unregelmäßigen Abständen und meist über Vermittlung Koreas an die japanischen Herrscher entsandt. Nach dem Inhalt der ersten Botschaften zu schließen, handelte es sich weder um offene Kriegserklärungen noch um konkrete Tributforderungen, aber doch um unmissverständliche Aufforderungen, die Überlegenheit der mongolischen Herrscher anzuerkennen (zum Wortlaut des Schreibens vgl. Bockhold 1982, 84-85). Inwieweit dies bereits eine versteckte Kriegsdrohung an Japan war, ist im historischen Rückblick nicht einfach herauszulesen. Faktum ist, dass die Japaner zunächst einmal gar nicht auf Kubilais Botschaften reagierten und damit einen willkommenen Anlass für die zunehmend feindselige Haltung der Mongolen lieferten.<br />
<br />
Neben dem von Marco Polo geschilderten Reichtum Japans gab es vielleicht auch komplexere geopolitische Überlegungen, die zu Angriffsplänen auf den Inselstaat führten. Die dafür nötigen logistischen Anstrengungen wurden nämlich zunächst hauptsächlich dem neuen Vasallenstaat Korea aufgebürdet. Die Aussicht auf Beute sollte die Koreaner möglicherweise bei der Stange halten und den Mongolen damit den Rücken für ein weiteres Vordringen nach Süden freihalten. In der Tat war der Auftrag an Korea, 1000 Kriegsschiffe zu bauen und zugleich auch die Versorgung einer entsprechenden Anzahl von Soldaten vorzubereiten, so gewaltig, dass Teile des koreanischen Heeres neuerlich rebellierten (1270-73), was zu einer Verzögerung des Angriffs auf Japan führte.<br />
<br />
1274 war es dann schließlich so weit. Die kombinierten Streitkräfte Koreas und Yuan-Chinas (mongolischen Berichten zufolge 900 Schiffe mit insgesamt fast 30.000 Soldaten) setzten zur Überquerung der ca. 150 km breiten Meerenge an, die Korea von der südlichen japanischen Hauptinsel Kyushu trennt. Die Angreifer machten Station auf den zu Japan gehörigen Inseln Tsushima und Iki, wo sie den Widerstand örtlicher Samurai rasch in den Griff bekamen. Es gelang ihnen, verhältnismäßig ungehindert in der Bucht von Hakata (dem heutigen Fukuoka) an Land zu gehen, wo sich ihnen am 20.10.1274 endlich ein größeres Heer von Verteidigern entgegenstellte.<br />
<br />
Japanische und mongolische Berichte stimmen weitgehend dahingehend überein, dass die kriegerischen Auseinandersetzungen zunächst günstig für die Angreifer verliefen. Die Japaner wurden in die Festung von Dazaifu zurückgedrängt, die Hafenstadt Hakata wurde von den Mongolen in Brand gesteckt. Dennoch gab es auch auf mongolischer Seite Verluste, u.a. wurde der mongolische Vizeadmiral schwer verwundet. Dem Historiker Thomas Conlan zufolge waren vor allem die japanischen Bögen – damals die Hauptwaffe der Samurai – aufgrund der größeren Bogenlänge den viel gerühmten mongolischen Reflexbögen an Reichweite überlegen.<br />
<br />
Aus nach wie vor unerfindlichen Gründen zog sich das Heer der Angreifer aber nach dem ersten Gefechtstag auf japanischem Boden wieder zurück. Zeitgenössische Quellen bringen hier zum ersten Mal die legendären Götterwinde (''kamikaze'') ins Spiel, doch eigenartigerweise ist davon nur in mongolischen Berichten zu lesen. In den beiden japanischen Quellen, die die mongolischen Kämpfe am ausführlichsten beschreiben (''Mōkō shūrai ekotoba'' und ''Hachiman gudōkun''), ist von diesen Winden im Jahr 1274 nichts zu finden. Nur im entfernten Kyoto notierte der Höfling Kadenokōji Kanenaga in sein Tagebuch, dass ihm die frohe Nachricht zu Ohren gekommen sei, Winde aus östlicher Richtung hätten die mongolischen Schiffe in ihre Heimat zurückgeblasen (Conlan 2001).<br />
<br />
Damit war die mongolische Gefahr fürs erste gebannt, aber beiden Seiten war klar, dass dies noch nicht das Ende der Feindseligkeiten bedeutete. Nach dem endgültigen Sieg über die Song Dynastie (1279) wandte sich Kubilai Khan ein weiteres Mal der japanischen Sache zu und ließ diesmal eine noch mächtigere Flotte errichten, die von zwei Stützpunkten aus starten sollte: Südchina und Korea. Wieder waren es ehemalige Feinde, die die Hauptlast des Militärschlags auf Japan zu leisten hatten.<br />
<br />
In Japan war man in der Zwischenzeit nicht untätig geblieben. Zwischen den beiden Angriffen (1274 und 81) gelang es, vor Hakata (dem natürlichen Eingang nach Kyushu und in der Folge nach den anderen Hauptinseln Japans) eine 12km lange Befestigungsmauer zum Meer hin zu errichten, die bald gute Dienste leisten sollte. Auch scheint man sich besser um die innere militärische Organisation der Abwehr gekümmert zu haben.<br />
{{Float|class=bildbox<br />
|bild=mokoshurai_map.jpg<br />
}}<br />
Auf Seiten der Angreifer klappte die Logistik 1281 weniger gut. Es gelang nicht, die beiden Hauptflotten wie geplant zu synchronisieren, sodass sich der Zeitpunkt des Angriffs gefährlich nahe an die Saison der Taifune anzunähern begann. Bis auf den heutigen Tag ist besonders Kyushu aber auch Südkorea jedes Jahr im Spätsommer, bzw. im Frühherbst einer Reihe von Wirbelstürmen (japanisch ''taifū'', wtl. Großer Wind → „Taifun“) ausgesetzt. Das Risiko eines solchen Wirbelsturms muss den Angreifern bewusst gewesen sein. Möglicherweise war dies mit ein Grund, warum der kleinere Teil der Angreifer — die Flotte aus Korea — angriff, ohne das Eintreffen der Flotte aus Südchina abzuwarten. Sie musste eine entsprechende Niederlage hinnehmen und zog unverrichteter Dinge wieder ab (allerdings nicht ohne die Bevölkerung der Japan vorgelagerten kleineren Inseln ein weiteres Mal zu massakrieren).<br />
<br />
Als die chinesische Flotte (angeblich 100.000 Mann) schließlich eintraf, war es ihren Soldaten aufgrund der Befestigungsanlagen ebenfalls unmöglich, auf japanischem Boden Fuß zu fassen. Die mongolischen Truppen bezogen daher auf der Insel Takashima Stellung und hielten dort sechs Wochen in einer Art Belagerungszustand aus. Von Japan aus erfolgten in dieser Zeit guerillataktische Angriffe: einerseits versuchte man die Versorgungsschiffe der Angreifer anzugreifen, andererseits gab es von kleinen wendigen Booten aus nächtliche Überfälle auf größere mongolische Schiffe. Schließlich kam dann offenbar tatsächlich ein Taifun, der den Großteil der angreifenden Schiffe zerstörte und die wenigen übrigen zu einem hastigen Rückzug veranlasste. Der zweite Angriff auf Japan endete somit in einer verheerenden Niederlage der Yuan-chinesischen Angreifer.<br />
<br />
==Japanische Verteidigungsstrategien <br /> und die Frage der Götterwinde==<br />
<br />
In der späteren japanischen Geschichtsschreibung gewannen die Götterwinde zunehmend an Bedeutung und wurden in beiden Feldzügen als kriegsentscheidend dargestellt. Es existieren jedoch wie bereits erwähnt zwei Quellen, die die mongolischen Angriffe aus verhältnismäßig geringer zeitlicher Distanz schildern und in denen die ''kamikaze'' überraschenderweise gar nicht vorkommen: Einer dieser Berichte, das ''Mōkō shūrai ekotoba'' ist der Augenzeugenbericht eines verhältnismäßig niedrigen Samurai namens Takezaki Suenaga, der seine Heldentaten nicht nur niederschrieb, sondern auch illustrieren ließ. Dieser Bericht ist deutlich von dem Interesse getragen, den heldenhaften Charakter seines Protagonisten zu schildern. Es nimmt insofern nicht weiter Wunder, dass die göttlichen Winde nicht erwähnt werden, da auch der allgemeine Verlauf der Schlacht kaum berücksichtigt wird. Dennoch enthüllt der Bericht zahlreiche interessante Besonderheiten der japanischen Verteidigung.<br />
<br />
In Japan regierte zu dieser Zeit eine Militärregierung (Shogunat), die sich aus Vertretern der Kriegerklasse (Samurai) zusammensetzte. Das ganze Land war verhältnismäßig hoch militarisiert, aber die Regierung verfügte über keine nennenswerte stehende Armee sondern war auf die Loyalität ihrer Vasallen angewiesen. Der offizielle Oberbefehlshaber der Verteidiger in Kyushu hatte daher auch keine absolute Befehlsgewalt über die beteiligten Krieger. Diese wurden vielmehr durch die Aussicht auf Belohnungen, die die Regierung für besonders heldenhafte Einzelleistungen in Aussicht stellte, motiviert. Dieses System der Belohnungen war bereits so weit institutionalisiert, dass sich Krieger, bevor sie in den Kampf zogen, eines „Zeugen“ versicherten, der ihre Ansprüche auf Belohnung im Falle ihres Überlebens per Eid bestätigen sollte. Diese Zeugen sollten mit dem Bittsteller möglichst in keinem verwandtschaftlichen Verhältnis stehen. Eine weitere Form, seine Verdienste unter Beweis zu stellen, war das Vorzeigen von Köpfen der getöteten Feinde. Ebenso wie bei den Mongolen wurden also auch auf japanischer Seite kaum Gefangene gemacht.<br />
<div class="bild bildtext largebox"> [[Image:mokoshurai_ekotoba2.jpg|link=|mongolisches Boot]]<div> Japanische Krieger kapern ein mongolisches Boot <br />''Mōkō shūrai ekotoba'', Bildquelle: [http://www.bowdoin.edu/mongol-scrolls/ Scrolls of the Mongol Invasions of Japan] [2010/8]<br />
</div></div><br />
Die „Heldentat“ unseres Chronisten Suenaga bestand im Fall der ersten Mongoleninvasion in nichts anderem als dem tollkühnen Versuch, mit einem kleinen Trupp von Untergebenen gegen die Angreifer anzureiten, bevor der japanische Heerführer das Zeichen zum Angriff gegeben hatte. Es war also in der Tat eine Art „Kamikaze-Aktion“. Obwohl Suenaga mit viel Glück überlebte, konnte er keinen feindlichen Kopf erbeuten. Da er aber durch einen Zeugen seine Verwundungen und den Verlust von Pferden und Dienern beweisen konnte, erhielt er als Belohnung Ersatz für seine Pferde und eine offizielle Bestätigung seines Mutes. Dies war der eigentliche Zweck seines Einsatzes, denn diese Bestätigung konnte er in lokalen Besitz- und Erbstreitigkeiten zu seinen Gunsten einsetzen.<br />
<div class="bild bildtext largebox"><br />
[[Image:mokoshurai_ekotoba1.jpg|link=|tollkühner Angriff]]<div>Suenaga's tollkühner Angriff<br />''Mōkō shūrai ekotoba'', Bildquelle: [http://www.bowdoin.edu/mongol-scrolls/ Scrolls of the Mongol Invasions of Japan] [2010/8]<br />
</div></div><br />
Das Belohnungssystem der Militärregierung stützte sich somit auf eine Art Heldenethos, der in der gesamten Schicht der Samurai anerkannt wurde. Einzelne Individuen wurden unter Berufung auf einen solchen Heldenethos zu ungewöhnlichen Einzelleistungen angereizt. Andererseits war es schwer, derartige „Helden“ einer größeren militärischen Strategie unterzuordnen. Diese grundsätzliche Charakteristik mittelalterlicher japanischer Kriegsführung kommt nicht nur in den Berichten Suenagas sondern auch in den damaligen Heldenepen deutlich zum Ausdruck. Im Unterschied zu den literarischen Heldenepen widmet Suenaga den Kriegsereignissen allerdings nur ein paar Zeilen, während er die bürokratischen Hürden bei der Erlangung seiner Anerkennung mit großer Ausführlichkeit beschreibt. Es scheint, als ob die Verhandlung mit den Behörden den wesentlich schwierigeren Teil seiner kriegerischen Operationen ausgemacht hätten.<br />
<br />
==Die Rolle der religiösen Institutionen==<br />
<br />
Obwohl Suenaga die göttlichen Winde nicht erwähnt, sind moderne Historiker überwiegend der Meinung, dass die Windverhältnisse an der japanischen Küste den Kriegsverlauf in der Tat beeinflussten. Dies wird unter anderem durch das erwähnte ''Hachiman-gudōkun'' bestätigt, die zweite der zeitlich nächstliegenden japanischen Quellen. Es wurde in der offensichtlichen Absicht verfasst, den Gott {{Glossar:Hachiman}} als den eigentlichen Verantwortlichen für die Winde und damit für den japanischen Sieg darzustellen. Dennoch legen die z.T. recht genauen Beschreibungen des Schlachtenverlaufs in diesem Werk nahe, dass die Winde allein für den Sieg nicht ausreichten. Wieso aber schrieben vormoderne japanische Quellen mit zunehmenden zeitlichen Abständen zu den Ereignissen den Götterwinden eine höhere Bedeutung zu als den Heldentaten japanischer Samurai? Aus Sicht der Mongolen mag es verständlich sein, dass man sich lieber einem Naturereignis als der Kriegskunst eines Gegners geschlagen geben wollte, aber wie erklärt sich die Betonung der Götter und ihrer Winde aus japanischer Sicht? Die Antwort scheint in Tatsache zu liegen, dass neben den Kriegern auch religiöse Institutionen um die Anerkennung ihres Anteils am japanischen Erfolg wetteiferten. Und sie taten dies wahrscheinlich mit noch größerem Erfolg als die Krieger.<br />
<br />
Selbst Suenaga verrät, dass die Götter das letzte Wort über den Ausgang einer Schlacht hatten wie immer geschickt er und die anderen Krieger sich auch anstellten. Dass Sieg oder Niederlage letztlich ein Werk der Götter (heute würde man vielleicht sagen: des Zufalls) war, galt also als unbezweifelbare Tatsache. Und so bestand ein beträchtlicher Teil der Kriegsvorbereitungen Japans in aufwendigen Gebeten und Ritualen, die nicht selten vom Tenno selbst abgehalten oder in Auftrag gegeben wurden. Die Hauptrolle spielten aber buddhistische Mönche, die sich interessanterweise weniger an [[Ikonographie:Einleitung | Buddhas und Bodhisattvas]], sondern an [[Ikonographie:Shinto-Götter | einheimische Gottheiten]] (im speziellen an die Gottheit Hachiman) wandten.<br />
<br />
Dies mag auf den ersten Blick irrational erscheinen, gehorchte aber sicher einer zweckgerichteten Logik: Eine grundsätzliche Schwierigkeit bei der Mobilisierung der japanischen Verteidigung bestand darin, die mongolische Bedrohung als nationale Katastrophe darzustellen, die jeden einzelnen etwas anging. Die Vorstellung, einem gemeinsamen Reich zu dienen, das man nach außen verteidigen musste, war unter mittelalterlichen Samurai nur äußerst schwach vorhanden. Tatsächlich fand man sich ja angesichts der drohenden Invasion der Mongolen vor eine historisch noch nie dagewesene Situation gestellt.<br />
<br />
Es galt also zunächst eine Ideologie zu kreieren, die über die Einzelinteressen der Krieger hinaus ein einigendes Bewusstsein der Verteidiger aus den verschiedenen Teilen Japans schuf. Dazu waren zu dieser Zeit nur die religiösen Institutionen fähig. Sie mussten aus einer speziellen Mischung von [[Grundbegriffe:Buddhismus | Buddhismus]] und [[Grundbegriffe:Shinto | Shinto]] den ideologischen Kitt erzeugen, der in modernen Nationalstaaten in Form von nationaler Solidarität und Patriotismus mehr oder weniger selbstverständlich vorausgesetzt werden kann.<br />
<br />
In diesem Zusammenhang war der Mythos der Götterwinde schon in der Vorbereitung der Verteidiger ein religiös-ideologischer Topos: Das ''Hachiman gudōkun'', die zweite der bereits genannten japanischen Quellen, zitiert ein Gebet des buddhistischen Abtes Eizon, eines der prominentesten buddhistischen Würdenträger seiner Zeit, an den einheimischen Gott Hachiman: dieser möge Winde aufkommen lassen, die die Feinde ohne ihnen Verletzungen zuzufügen in ihre Heimat zurückschickten. Der Religionshistoriker Fabio Rambelli, der sich mit dem Mythos der Götterwinde ausführlich auseinander gesetzt hat, weist außerdem darauf hin, dass die Liturgie, mit der man den Mongolen begegnete, dem Muster der Abwehr von Naturkatastophen folgte. Während die meisten buddhistischen Mönche vor, während und nach den Mongolenangriffen derartige Riten und Gebete abhielten, um den Sieg Japans sicher zu stellen, gab es auch Eiferer wie den Mönch {{Glossar:Nichiren}}, der die Mongolen als Werkzeug von Buddhas und Kami ansahen, um Japan für die Verderbtheit seiner Sitten zu strafen.<br />
<br />
Nach der erfolgreichen Zurückschlagung der Mongolen waren die religiösen Instutionen wahrscheinlich auch die einzigen wirklichen Gewinner der Situation. Nachdem weiter die Notwendigkeit bestand, Japan gegen mögliche Angriffe der Mongolen zu verteidigen, nahmen auch die rituellen Aktivitäten zur Mobilisierung der Götterwelt nicht ab. Im Mythos der Götterwinde festigte sich die Vorstellung, dass einer Bedrohung durch fremde Mächte letztlich ohne göttlichen Beistand nicht beizukommen sei.<br />
<br />
Interessanterweise teilten sogar die Mongolen selbst die Vorstellung, dass ihre Niederlage aus der spirituellen Überlegenheit ihrer Feinde resultierte. In der Geschichte der Yuan-Dynastie wird erwähnt, dass der japanische Herrscher selbst seinen Ahnengöttern in Ise geopfert hätte, worauf sich den Soldaten auf dem Meer bösartige Schlangen gezeigt hätten, die schwefelartige Dämpfe verbreiteten: unheilvolle Vorboten der bevorstehenden Katastrophe.<br />
<br />
Angreifer und Verteidiger bewegten sich also trotz aller kulturellen Unterschiede in ähnlichen Vorstellungswelten. Bei zweifellos vorhandener kultureller Arroganz war das Selbstbild der Mongolen keineswegs so von sich eingenommen, dass man die Götter des Gegeners als bloßen Aberglauben abtat. Wahrscheinlich glaubten auch die Mongolen, dass letztlich transzendente Mächte über den erfolglosen Ausgang dieser Eroberung entschieden hatten.<br />
<br />
{{Linkbox|ue=Literatur und Web-Resourcen|text=<br />
{{Literatur:Bockhold_1982}}<br />
{{Literatur:Conlan_2001}}<br />
* Thomas Conlan, e.a., [http://www.bowdoin.edu/mongol-scrolls/ Scrolls of the Mongol Invasions of Japan] (Online reproduction of orginal sources). Bowdion College.<br />
{{Literatur:Delgado_2003}}<br />
{{Literatur:Rambelli_1996}}<br />
|update= Aug. 2010|<br />
}}<br />
Dieser Artikel basiert auf einem Vortrag, den der Verfasser, Bernhard Scheid, am 9. Juni 2006 im Rahmen des Symposiums [http://www.oeaw.ac.at/iran/symposium_800jahremongolei.htm 800 Jahre Mongolisches Weltreich] an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften hielt.<br />
{{ThisWay}}</div>Opaquehttps://religion-in-japan.univie.ac.at/r/index.php?title=Geschichte/Kamakura/Kamikaze&diff=15048Geschichte/Kamakura/Kamikaze2010-09-16T12:12:07Z<p>Opaque: </p>
<hr />
<div>{{Styles|sidepage}}<br />
=Götterwinde, Religion und Krieg <span class="bottom">Japan zur Zeit der mongolischen Eroberungen</span>=<br />
<br />
Die Herrschaft der Mongolen ist aus der Sicht Japans vor allem mit einem einschneidenden Ereignis verbunden: der erfolgreichen Abwehr eines zweifachen Invasionsversuchs der Mongolen, 1274 und 1281. Japan stellt somit eines der wenigen Länder dar, die dem Eroberungsdrang der Mongolen Einhalt gebieten konnten. Der traditionellen japanischen Geschichtsauffassung zufolge war dies aber nicht der militärischen Überlegenheit Japans zu verdanken, sondern Taifunen, welche die Götter Japans zum richtigen Zeitpunkt entfachten. Diese Winde werden daher „Götterwinde“ genannt, auf Japanisch {{glossar:kamikaze}}. Der Mythos dieser Winde wirkte bis ins zwanzigste Jahrhundert fort, als die Selbstmordpiloten der japanischen Luftwaffe die Rolle der Götterwinde übernehmen sollten, um die „ausländischen Eroberer“ abzuwehren.<br />
<br />
==Die mongolische Eroberung Ostasiens==<br />
<br />
Eine der frühesten Erfolge Dschingis Khans nach der Einigung der mongolischen Stämme (1205) war die Eroberung Pekings (1215), das zuvor die Hauptstadt der nordchinesischen Jin Dynastie gewesen war. Die Eroberung Südchinas, das zu dieser Zeit von der südlichen Song-Dynastie (1130-1276) regiert wurde, ging allerdings nur noch schleppend und in kleinen Schritten voran, während sich in Richtung Westen, von Zentralasien bis Osteuropa, ein Reich nach dem anderen der militärischen Macht der Mongolen unterwerfen musste. China stellte also, ebenso wie Korea und Japan, eine wesentlich größere Hürde für die mongolischen Eroberungen dar als die westlich gelegenen Reiche.<br />
{{float|class=bildbox<br />
|bild=kublai_khan.jpg<br />
|caption=Kubilai Khan<br /> Bildquelle: [http://de.wikipedia.org/wiki/Bild:Kublai_Khan.jpg Wikipedia] [2010/8] <br />
}}<br />
Die vollständige Eroberung Chinas gelang erst unter Dschingis Khans Enkel Kubilai Khan (1215-94, r. 1260-94), der 1271 offiziell die chinesische Yuan Dynastie begründete und von da an als rechtmäßiger Kaiser Chinas agierte. Unter Kubilai wandelte sich der mongolische Herrschaftsapparat und insbesondere der direkt unter Kubilai Khan stehende Teil der eroberten Gebiete von einem kriegerischen Nomadenreich zu einem Agrarstaat mit komplexen bürokratischen Hierarchien nach chinesischem Muster. Die dünne Herrschaftsschicht der einst zügellosen Eroberer wurde auf diese Weise von der Kultur der Eroberten domestiziert.<br />
<br />
Dennoch war die Angriffslust der Mongolen unter Kubilai noch nicht gänzlich erloschen. Laut den Berichten Marco Polos, der China unter Kubilai Khan besuchte und von diesem persönlich empfangen wurde, richteten sich die Begehrlichkeiten des Großkahns vor allem auf Japan, das in Kubilais (und auch in Marco Polos) Augen ein Land von sagenhaftem Reichtum war. Bevor an einen Angriff auf Japan allerdings zu denken war, musste erst die Eroberung Koreas abgeschlossen werden.<br />
<br />
Korea wurde bereits 1231 zum Ziel mongolischer Angriffe, setzte sich aber lange Zeit erfolgreich zur Wehr. Erst unter Kubilai kam es zu einer Art Annektion des Landes, allerdings nicht durch einen eindeutigen militärischen Sieg sondern aufgrund von diplomatischen Zugeständnissen. Im Austausch gegen den Abzug der mongolischen Truppen aus der alten Hauptstadt Koreas, erklärte sich der spätere König Weonjong (r. 1259-1274) zum Vasallen der Mongolen. Korea wurde so zu einem wichtigen Verbündeten in der letzten Phase der ostasiatischen Eroberungen.<br />
<br />
==Angriffe auf Japan==<br />
<br />
Die Kontaktaufnahme der mongolischen Yuan Dynastie mit Japan begann 1266 und folgte den diplomatischen Spielregeln früherer chinesischer Dynastien: aus dem selbstverständlichen Anspruch, die Mitte und zugleich den Höhepunkt menschlicher Zivilisation darzustellen, gewährte man auch den Herrschern der umliegenden Reiche, je nach Abstand zur chinesischen „Mitte“ ein bestimmtes, genau abgewogenes Maß an Respekt. Entsprechende Botschaften wurden ab 1266 in unregelmäßigen Abständen und meist über Vermittlung Koreas an die japanischen Herrscher entsandt. Nach dem Inhalt der ersten Botschaften zu schließen, handelte es sich weder um offene Kriegserklärungen noch um konkrete Tributforderungen, aber doch um unmissverständliche Aufforderungen, die Überlegenheit der mongolischen Herrscher anzuerkennen (zum Wortlaut des Schreibens vgl. Bockhold 1982, 84-85). Inwieweit dies bereits eine versteckte Kriegsdrohung an Japan war, ist im historischen Rückblick nicht einfach herauszulesen. Faktum ist, dass die Japaner zunächst einmal gar nicht auf Kubilais Botschaften reagierten und damit einen willkommenen Anlass für die zunehmend feindselige Haltung der Mongolen lieferten.<br />
<br />
Neben dem von Marco Polo geschilderten Reichtum Japans gab es vielleicht auch komplexere geopolitische Überlegungen, die zu Angriffsplänen auf den Inselstaat führten. Die dafür nötigen logistischen Anstrengungen wurden nämlich zunächst hauptsächlich dem neuen Vasallenstaat Korea aufgebürdet. Die Aussicht auf Beute sollte die Koreaner möglicherweise bei der Stange halten und den Mongolen damit den Rücken für ein weiteres Vordringen nach Süden freihalten. In der Tat war der Auftrag an Korea, 1000 Kriegsschiffe zu bauen und zugleich auch die Versorgung einer entsprechenden Anzahl von Soldaten vorzubereiten, so gewaltig, dass Teile des koreanischen Heeres neuerlich rebellierten (1270-73), was zu einer Verzögerung des Angriffs auf Japan führte.<br />
<br />
1274 war es dann schließlich so weit. Die kombinierten Streitkräfte Koreas und Yuan-Chinas (mongolischen Berichten zufolge 900 Schiffe mit insgesamt fast 30.000 Soldaten) setzten zur Überquerung der ca. 150 km breiten Meerenge an, die Korea von der südlichen japanischen Hauptinsel Kyushu trennt. Die Angreifer machten Station auf den zu Japan gehörigen Inseln Tsushima und Iki, wo sie den Widerstand örtlicher Samurai rasch in den Griff bekamen. Es gelang ihnen, verhältnismäßig ungehindert in der Bucht von Hakata (dem heutigen Fukuoka) an Land zu gehen, wo sich ihnen am 20.10.1274 endlich ein größeres Heer von Verteidigern entgegenstellte.<br />
<br />
Japanische und mongolische Berichte stimmen weitgehend dahingehend überein, dass die kriegerischen Auseinandersetzungen zunächst günstig für die Angreifer verliefen. Die Japaner wurden in die Festung von Dazaifu zurückgedrängt, die Hafenstadt Hakata wurde von den Mongolen in Brand gesteckt. Dennoch gab es auch auf mongolischer Seite Verluste, u.a. wurde der mongolische Vizeadmiral schwer verwundet. Dem Historiker Thomas Conlan zufolge waren vor allem die japanischen Bögen – damals die Hauptwaffe der Samurai – aufgrund der größeren Bogenlänge den viel gerühmten mongolischen Reflexbögen an Reichweite überlegen.<br />
<br />
Aus nach wie vor unerfindlichen Gründen zog sich das Heer der Angreifer aber nach dem ersten Gefechtstag auf japanischem Boden wieder zurück. Zeitgenössische Quellen bringen hier zum ersten Mal die legendären Götterwinde (''kamikaze'') ins Spiel, doch eigenartigerweise ist davon nur in mongolischen Berichten zu lesen. In den beiden japanischen Quellen, die die mongolischen Kämpfe am ausführlichsten beschreiben (''Mōkō shūrai ekotoba'' und ''Hachiman gudōkun''), ist von diesen Winden im Jahr 1274 nichts zu finden. Nur im entfernten Kyoto notierte der Höfling Kadenokōji Kanenaga in sein Tagebuch, dass ihm die frohe Nachricht zu Ohren gekommen sei, Winde aus östlicher Richtung hätten die mongolischen Schiffe in ihre Heimat zurückgeblasen (Conlan 2001).<br />
<br />
Damit war die mongolische Gefahr fürs erste gebannt, aber beiden Seiten war klar, dass dies noch nicht das Ende der Feindseligkeiten bedeutete. Nach dem endgültigen Sieg über die Song Dynastie (1279) wandte sich Kubilai Khan ein weiteres Mal der japanischen Sache zu und ließ diesmal eine noch mächtigere Flotte errichten, die von zwei Stützpunkten aus starten sollte: Südchina und Korea. Wieder waren es ehemalige Feinde, die die Hauptlast des Militärschlags auf Japan zu leisten hatten.<br />
<br />
In Japan war man in der Zwischenzeit nicht untätig geblieben. Zwischen den beiden Angriffen (1274 und 81) gelang es, vor Hakata (dem natürlichen Eingang nach Kyushu und in der Folge nach den anderen Hauptinseln Japans) eine 12km lange Befestigungsmauer zum Meer hin zu errichten, die bald gute Dienste leisten sollte. Auch scheint man sich besser um die innere militärische Organisation der Abwehr gekümmert zu haben.<br />
{{Float|class=bildbox<br />
|bild=mokoshurai_map.jpg<br />
}}<br />
Auf Seiten der Angreifer klappte die Logistik 1281 weniger gut. Es gelang nicht, die beiden Hauptflotten wie geplant zu synchronisieren, sodass sich der Zeitpunkt des Angriffs gefährlich nahe an die Saison der Taifune anzunähern begann. Bis auf den heutigen Tag ist besonders Kyushu aber auch Südkorea jedes Jahr im Spätsommer, bzw. im Frühherbst einer Reihe von Wirbelstürmen (japanisch ''taifū'', wtl. Großer Wind → „Taifun“) ausgesetzt. Das Risiko eines solchen Wirbelsturms muss den Angreifern bewusst gewesen sein. Möglicherweise war dies mit ein Grund, warum der kleinere Teil der Angreifer — die Flotte aus Korea — angriff, ohne das Eintreffen der Flotte aus Südchina abzuwarten. Sie musste eine entsprechende Niederlage hinnehmen und zog unverrichteter Dinge wieder ab (allerdings nicht ohne die Bevölkerung der Japan vorgelagerten kleineren Inseln ein weiteres Mal zu massakrieren).<br />
<br />
Als die chinesische Flotte (angeblich 100.000 Mann) schließlich eintraf, war es ihren Soldaten aufgrund der Befestigungsanlagen ebenfalls unmöglich, auf japanischem Boden Fuß zu fassen. Die mongolischen Truppen bezogen daher auf der Insel Takashima Stellung und hielten dort sechs Wochen in einer Art Belagerungszustand aus. Von Japan aus erfolgten in dieser Zeit guerillataktische Angriffe: einerseits versuchte man die Versorgungsschiffe der Angreifer anzugreifen, andererseits gab es von kleinen wendigen Booten aus nächtliche Überfälle auf größere mongolische Schiffe. Schließlich kam dann offenbar tatsächlich ein Taifun, der den Großteil der angreifenden Schiffe zerstörte und die wenigen übrigen zu einem hastigen Rückzug veranlasste. Der zweite Angriff auf Japan endete somit in einer verheerenden Niederlage der Yuan-chinesischen Angreifer.<br />
<br />
==Japanische Verteidigungsstrategien <br /> und die Frage der Götterwinde==<br />
<br />
In der späteren japanischen Geschichtsschreibung gewannen die Götterwinde zunehmend an Bedeutung und wurden in beiden Feldzügen als kriegsentscheidend dargestellt. Es existieren jedoch wie bereits erwähnt zwei Quellen, die die mongolischen Angriffe aus verhältnismäßig geringer zeitlicher Distanz schildern und in denen die ''kamikaze'' überraschenderweise gar nicht vorkommen: Einer dieser Berichte, das ''Mōkō shūrai ekotoba'' ist der Augenzeugenbericht eines verhältnismäßig niedrigen Samurai namens Takezaki Suenaga, der seine Heldentaten nicht nur niederschrieb, sondern auch illustrieren ließ. Dieser Bericht ist deutlich von dem Interesse getragen, den heldenhaften Charakter seines Protagonisten zu schildern. Es nimmt insofern nicht weiter Wunder, dass die göttlichen Winde nicht erwähnt werden, da auch der allgemeine Verlauf der Schlacht kaum berücksichtigt wird. Dennoch enthüllt der Bericht zahlreiche interessante Besonderheiten der japanischen Verteidigung.<br />
<br />
In Japan regierte zu dieser Zeit eine Militärregierung (Shogunat), die sich aus Vertretern der Kriegerklasse (Samurai) zusammensetzte. Das ganze Land war verhältnismäßig hoch militarisiert, aber die Regierung verfügte über keine nennenswerte stehende Armee sondern war auf die Loyalität ihrer Vasallen angewiesen. Der offizielle Oberbefehlshaber der Verteidiger in Kyushu hatte daher auch keine absolute Befehlsgewalt über die beteiligten Krieger. Diese wurden vielmehr durch die Aussicht auf Belohnungen, die die Regierung für besonders heldenhafte Einzelleistungen in Aussicht stellte, motiviert. Dieses System der Belohnungen war bereits so weit institutionalisiert, dass sich Krieger, bevor sie in den Kampf zogen, eines „Zeugen“ versicherten, der ihre Ansprüche auf Belohnung im Falle ihres Überlebens per Eid bestätigen sollte. Diese Zeugen sollten mit dem Bittsteller möglichst in keinem verwandtschaftlichen Verhältnis stehen. Eine weitere Form, seine Verdienste unter Beweis zu stellen, war das Vorzeigen von Köpfen der getöteten Feinde. Ebenso wie bei den Mongolen wurden also auch auf japanischer Seite kaum Gefangene gemacht.<br />
<div class="bild bildtext largebox"> [[Image:mokoshurai_ekotoba2.jpg|link=|mongolisches Boot]]<div> Japanische Krieger kapern ein mongolisches Boot <br />''Mōkō shūrai ekotoba'', Bildquelle: [http://www.bowdoin.edu/mongol-scrolls/ Scrolls of the Mongol Invasions of Japan] [2010/8]<br />
</div></div><br />
Die „Heldentat“ unseres Chronisten Suenaga bestand im Fall der ersten Mongoleninvasion in nichts anderem als dem tollkühnen Versuch, mit einem kleinen Trupp von Untergebenen gegen die Angreifer anzureiten, bevor der japanische Heerführer das Zeichen zum Angriff gegeben hatte. Es war also in der Tat eine Art „Kamikaze-Aktion“. Obwohl Suenaga mit viel Glück überlebte, konnte er keinen feindlichen Kopf erbeuten. Da er aber durch einen Zeugen seine Verwundungen und den Verlust von Pferden und Dienern beweisen konnte, erhielt er als Belohnung Ersatz für seine Pferde und eine offizielle Bestätigung seines Mutes. Dies war der eigentliche Zweck seines Einsatzes, denn diese Bestätigung konnte er in lokalen Besitz- und Erbstreitigkeiten zu seinen Gunsten einsetzen.<br />
<div class="bild bildtext largebox"><br />
[[Image:mokoshurai_ekotoba1.jpg|link=|tollkühner Angriff]]<div>Suenaga's tollkühner Angriff<br />''Mōkō shūrai ekotoba'', Bildquelle: [http://www.bowdoin.edu/mongol-scrolls/ Scrolls of the Mongol Invasions of Japan] [2010/8]<br />
</div></div><br />
Das Belohnungssystem der Militärregierung stützte sich somit auf eine Art Heldenethos, der in der gesamten Schicht der Samurai anerkannt wurde. Einzelne Individuen wurden unter Berufung auf einen solchen Heldenethos zu ungewöhnlichen Einzelleistungen angereizt. Andererseits war es schwer, derartige „Helden“ einer größeren militärischen Strategie unterzuordnen. Diese grundsätzliche Charakteristik mittelalterlicher japanischer Kriegsführung kommt nicht nur in den Berichten Suenagas sondern auch in den damaligen Heldenepen deutlich zum Ausdruck. Im Unterschied zu den literarischen Heldenepen widmet Suenaga den Kriegsereignissen allerdings nur ein paar Zeilen, während er die bürokratischen Hürden bei der Erlangung seiner Anerkennung mit großer Ausführlichkeit beschreibt. Es scheint, als ob die Verhandlung mit den Behörden den wesentlich schwierigeren Teil seiner kriegerischen Operationen ausgemacht hätten.<br />
<br />
==Die Rolle der religiösen Institutionen==<br />
<br />
Obwohl Suenaga die göttlichen Winde nicht erwähnt, sind moderne Historiker überwiegend der Meinung, dass die Windverhältnisse an der japanischen Küste den Kriegsverlauf in der Tat beeinflussten. Dies wird unter anderem durch das erwähnte ''Hachiman-gudōkun'' bestätigt, die zweite der zeitlich nächstliegenden japanischen Quellen. Es wurde in der offensichtlichen Absicht verfasst, den Gott {{Glossar:Hachiman}} als den eigentlichen Verantwortlichen für die Winde und damit für den japanischen Sieg darzustellen. Dennoch legen die z.T. recht genauen Beschreibungen des Schlachtenverlaufs in diesem Werk nahe, dass die Winde allein für den Sieg nicht ausreichten. Wieso aber schrieben vormoderne japanische Quellen mit zunehmenden zeitlichen Abständen zu den Ereignissen den Götterwinden eine höhere Bedeutung zu als den Heldentaten japanischer Samurai? Aus Sicht der Mongolen mag es verständlich sein, dass man sich lieber einem Naturereignis als der Kriegskunst eines Gegners geschlagen geben wollte, aber wie erklärt sich die Betonung der Götter und ihrer Winde aus japanischer Sicht? Die Antwort scheint in Tatsache zu liegen, dass neben den Kriegern auch religiöse Institutionen um die Anerkennung ihres Anteils am japanischen Erfolg wetteiferten. Und sie taten dies wahrscheinlich mit noch größerem Erfolg als die Krieger.<br />
<br />
Selbst Suenaga verrät, dass die Götter das letzte Wort über den Ausgang einer Schlacht hatten wie immer geschickt er und die anderen Krieger sich auch anstellten. Dass Sieg oder Niederlage letztlich ein Werk der Götter (heute würde man vielleicht sagen: des Zufalls) war, galt also als unbezweifelbare Tatsache. Und so bestand ein beträchtlicher Teil der Kriegsvorbereitungen Japans in aufwendigen Gebeten und Ritualen, die nicht selten vom Tenno selbst abgehalten oder in Auftrag gegeben wurden. Die Hauptrolle spielten aber buddhistische Mönche, die sich interessanterweise weniger an [[Ikonographie:Einleitung | Buddhas und Bodhisattvas]], sondern an [[Ikonographie:Shinto-Götter | einheimische Gottheiten]] (im speziellen an die Gottheit Hachiman) wandten.<br />
<br />
Dies mag auf den ersten Blick irrational erscheinen, gehorchte aber sicher einer zweckgerichteten Logik: Eine grundsätzliche Schwierigkeit bei der Mobilisierung der japanischen Verteidigung bestand darin, die mongolische Bedrohung als nationale Katastrophe darzustellen, die jeden einzelnen etwas anging. Die Vorstellung, einem gemeinsamen Reich zu dienen, das man nach außen verteidigen musste, war unter mittelalterlichen Samurai nur äußerst schwach vorhanden. Tatsächlich fand man sich ja angesichts der drohenden Invasion der Mongolen vor eine historisch noch nie dagewesene Situation gestellt.<br />
<br />
Es galt also zunächst eine Ideologie zu kreieren, die über die Einzelinteressen der Krieger hinaus ein einigendes Bewusstsein der Verteidiger aus den verschiedenen Teilen Japans schuf. Dazu waren zu dieser Zeit nur die religiösen Institutionen fähig. Sie mussten aus einer speziellen Mischung von [[Grundbegriffe:Buddhismus | Buddhismus]] und [[Grundbegriffe:Shinto | Shinto]] den ideologischen Kitt erzeugen, der in modernen Nationalstaaten in Form von nationaler Solidarität und Patriotismus mehr oder weniger selbstverständlich vorausgesetzt werden kann.<br />
<br />
In diesem Zusammenhang war der Mythos der Götterwinde schon in der Vorbereitung der Verteidiger ein religiös-ideologischer Topos: Das ''Hachiman gudōkun'', die zweite der bereits genannten japanischen Quellen, zitiert ein Gebet des buddhistischen Abtes Eizon, eines der prominentesten buddhistischen Würdenträger seiner Zeit, an den einheimischen Gott Hachiman: dieser möge Winde aufkommen lassen, die die Feinde ohne ihnen Verletzungen zuzufügen in ihre Heimat zurückschickten. Der Religionshistoriker Fabio Rambelli, der sich mit dem Mythos der Götterwinde ausführlich auseinander gesetzt hat, weist außerdem darauf hin, dass die Liturgie, mit der man den Mongolen begegnete, dem Muster der Abwehr von Naturkatastophen folgte. Während die meisten buddhistischen Mönche vor, während und nach den Mongolenangriffen derartige Riten und Gebete abhielten, um den Sieg Japans sicher zu stellen, gab es auch Eiferer wie den Mönch {{Glossar:Nichiren}}, der die Mongolen als Werkzeug von Buddhas und Kami ansahen, um Japan für die Verderbtheit seiner Sitten zu strafen.<br />
<br />
Nach der erfolgreichen Zurückschlagung der Mongolen waren die religiösen Instutionen wahrscheinlich auch die einzigen wirklichen Gewinner der Situation. Nachdem weiter die Notwendigkeit bestand, Japan gegen mögliche Angriffe der Mongolen zu verteidigen, nahmen auch die rituellen Aktivitäten zur Mobilisierung der Götterwelt nicht ab. Im Mythos der Götterwinde festigte sich die Vorstellung, dass einer Bedrohung durch fremde Mächte letztlich ohne göttlichen Beistand nicht beizukommen sei.<br />
<br />
Interessanterweise teilten sogar die Mongolen selbst die Vorstellung, dass ihre Niederlage aus der spirituellen Überlegenheit ihrer Feinde resultierte. In der Geschichte der Yuan-Dynastie wird erwähnt, dass der japanische Herrscher selbst seinen Ahnengöttern in Ise geopfert hätte, worauf sich den Soldaten auf dem Meer bösartige Schlangen gezeigt hätten, die schwefelartige Dämpfe verbreiteten: unheilvolle Vorboten der bevorstehenden Katastrophe.<br />
<br />
Angreifer und Verteidiger bewegten sich also trotz aller kulturellen Unterschiede in ähnlichen Vorstellungswelten. Bei zweifellos vorhandener kultureller Arroganz war das Selbstbild der Mongolen keineswegs so von sich eingenommen, dass man die Götter des Gegeners als bloßen Aberglauben abtat. Wahrscheinlich glaubten auch die Mongolen, dass letztlich transzendente Mächte über den erfolglosen Ausgang dieser Eroberung entschieden hatten.<br />
<br />
{{Linkbox|ue=Literatur und Web-Resourcen|text=<br />
{{Literatur:Bockhold_1982}}<br />
{{Literatur:Conlan_2001}}<br />
* Thomas Conlan, e.a., [http://www.bowdoin.edu/mongol-scrolls/ Scrolls of the Mongol Invasions of Japan] (Online reproduction of orginal sources). Bowdion College.<br />
{{Literatur:Delgado_2003}}<br />
{{Literatur:Rambelli_1996}}<br />
|update= Aug. 2010|<br />
}}<br />
Dieser Artikel basiert auf einem Vortrag, den der Verfasser, Bernhard Scheid, am 9. Juni 2006 im Rahmen des Symposiums [http://www.oeaw.ac.at/iran/symposium_800jahremongolei.htm 800 Jahre Mongolisches Weltreich] an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften hielt.<br />
{{ThisWay}}</div>Opaquehttps://religion-in-japan.univie.ac.at/r/index.php?title=Geschichte/Shinto_Mittelalter&diff=15046Geschichte/Shinto Mittelalter2010-09-16T12:04:08Z<p>Opaque: /* Kritik am Yoshida Shinto */</p>
<hr />
<div>{{Styles}}<br />
=Shinto im Mittelalter=<br />
<br />
Die gegenseitige Durchdringung von Buddhismus und Shinto ist in der {{glossar:kamakura}} und {{glossar:muromachi}}-Zeit (drei·zehntes bis sech·zehntes Jahr·hundert) beinahe total. Es scheint, als könne man über·haupt nur von einer einzigen, mehr oder weniger syn·kre·tis·tischen Religion des ja·pa·nischen Mittel·alters sprechen. Gewisse Unter·schiede zwischen {{glossar:kami}} und Buddhas werden zwar nicht geleugnet, doch letztlich — so die all·ge·meine Auf·fas·sung — sind diese Unter·schiede nur schein·bar, im Grunde sind ''kami'' und Buddhas das Gleiche. Ebenso wie fast jeder ''kami''-Schrein unter der Ver·waltung eines bud·dhis·tischen Tempels steht, werden auch die ''kami'' selbst als „sichtbare Spuren“ ({{glossar:suijaku}}) oder Mani·fes·tati·onen einer bud·dhis·tischen Urform ({{glossar:honji}}) aufgefasst (s. [[Geschichte:Honji_suijaku | ''honji suijaku'' These]]).<br />
<br />
==Ryōbu Shinto==<br />
<br />
Einzelne Mönche gehen sogar noch weiter und betrachten ''kami'' und Buddhas als zwei ''gleichwertige'' Er·schei·nungs·formen ein und der selben gött·lichen Instanz. Ins·be·son·dere kommt es zur Ver·schmel·zung von {{Glossar:Dainichinyorai}}, dem Haupt·buddha des eso·te·rischen Bud·dhis·mus, mit {{Glossar:Amaterasu}}, der Ahnen·gott·heit des Tenno. Amaterasu und Dainichi werden in einem ähnlichen dualen Ver·hältnis zu einander gesehen wie die beiden Mandalas des eso·te·rischen Bud·dhis·mus, [[Ikonographie:Mandala/Ryogai_Mandara | Vajra- und Mutterschoß-Mandala]], die ihrerseits nur zwei Aspekte des kosmischen Buddha Dainichi darstellen. So wie die beiden Mandalas mitunter auch als „zweiteiliges Mandala“ (''ryōbu mandara'') bezeichnet werden, hat man für die Ver·schmel·zung von Dainichi und Amaterasu rück·blickend den Begriff {{glossar:ryoubushintou}}, „Shinto der beiden Teile“, erfunden. Ryōbu Shinto bezeichnet eine lose Gruppe von theo·logischen Spekulationen, die aus heutiger Sicht vor allem deshalb von Bedeutung sind, als aus dieser Richtung der erste Anstoß zu einer eigenständigen Theologie des Shinto entstand.<br />
<br />
Die Fragen, die manche buddhistische Mönche dazu trieben, sich aus theo·logischer Sicht mit den ein·hei·mischen Gott·heiten auseinander zu setzen, resultierten im all·gemeinen aus einzelnen Schrein·traditionen, die sich der Ein·ver·nahme durch den Bud·dhis·mus hart·näckig wider·setzten. Dazu zählten die bereits erwähnten seltsamen [[Geschichte:Kami_Kulte | Tabus]], die ganz besonders im Amaterasu Schrein von [[Bauten:Ise_Izumo | Ise]] gegen den Buddhismus errichtet worden waren. Und noch eine Vor·stellung findet sich allent·halben: Nicht alle ''kami'' sind bud·dhis·tische Er·schei·nungen. Manche — oft als „wirkliche ''kami''“ ({{glossar:jitsunokami}}) bezeichnet — haben keine bud·dhis·tische Urform. Sie gehören ins Reich der {{glossar:tengu}} und der mit Zauber·kraft aus·ge·statteten Füchse und {{glossar:tanuki}} (siehe Kapitel Mythen, [[Mythen:Geister | Geister]] bzw. [[Mythen:Füchse | Füchse]]) und sind tendenziell böse und gefährlich. Gerade diese „wirklichen ''kami''“ zogen nun die Auf·merk·sam·keit der Ryōbu Shinto Denker auf sich und resultierten in er·staun·lichen Theorien, die gerade diese untersten und un·heiligsten aller Götter zu Mani·fes·tati·onen von Amaterasu und Dainichi erklärten.<br />
<br />
Andere buddhistische Richtungen, zumeist radikale [[Geschichte:Amidismus | Amidisten]], lehnten die ''kami'' generell ab. Aber nicht mit dem Argument, dass es sie nicht gibt, sondern weil sie den Buddhas, bzw. {{Glossar:Amida}}, in jedem Fall unter·legen sind, und lediglich eine selbst·süchtige, dies·seits·ver·haftete, irre·ge·leitete Religiosität fordern und fördern.<br />
<br />
Zwischen diesen beiden Extremen gab es einen „religiösen Mainstream“, der grund·sätzlich dem Bud·dhis·mus anhing und zugleich den ''kami'' wohl·wollend gegen·über stand. Auch inner·halb dieses Mainstreams blieb aber ein gewisses Be·wusst·sein vom Unter·schied zwischen ein·hei·mischen und der bud·dhis·tischen Gestalten bestehen, wobei die einheimischen letztlich geringer eingestuft wurden.<br />
<br />
==Götterwind und Götterland==<br />
{{Sidebox|sidepage=Kamikaze|titel=essay|mokoshurai_ekotoba1.jpg|Götterwinde, Religion und Krieg }}<br />
<br />
Der Grund, warum man die ''kami'' trotz Vorherrschen des Bud·dhis·mus nie ganz aus dem Bewusst·sein verlor, mag in ihrer Ver·bunden·heit mit lokalen Ge·geben·heiten gelegen haben. In den ''kami'' suchten und fanden Japaner immer wieder die Be·stäti·gung einer lokalen — um nicht zu sagen „nationalen“ — Identität, die besonders in der emotionalen Positionierung gegenüber China eine Rolle spielte. Dies wird unter anderem am Beispiel der erfolg·reichen Abwehr der Mongolen·angriffe, Ende des drei·zehnten Jahr·hunderts deutlich. Be·kannter·maßen scheiterten die beiden Invasions·versuche der Mongolen unter Kubilai Khan 1274 und 1281 jeweils an Taifunen, durch die die angreifenden Flotten zerstört wurden. Diese Winde wurden in Japan nach·träglich den ''kami'' zu·ge·schrieben und als {{glossar:kamikaze}}, göttliche Winde, bezeichnet, ein Ausdruck, der im 2. WK dann auch auf die Selbst·mord·piloten der Luft·waffe Anwendung fand.<br />
<br />
Es mag kein Zufall sein, dass im Anschluss an die Mongolen·angriffe der Begriff {{glossar:shinkoku}} — „Götterland“, bzw. „Land der ''kami''“ — immer häufiger auf·taucht, und zwar zumeist dann, wenn auf die Aus·er·wählt·heit Japans hingewiesen werden soll. Solche Gedanken spielen vor allem für die „Traditionalisten“ des ja·pa·nischen Mittel·alters eine große Rolle bei ihren Ver·suchen, die Macht des Tenno Hofes wieder her·zu·stellen. Der Krieger {{glossar:kitabatakechikafusa}} (1293-1354) ist dafür ein exemplarisches Beispiel. Er zieht nicht nur an der Seite des Kaisers Go-Daigo in den Krieg gegen das Kamakura-Shogunat, um den Tenno wieder ins Zentrum der Macht zurück·zu·führen, er schreibt auch gelehrte Werke, die den kaiser·lichen Macht·an·spruch historisch begründen. Der erste Satz seines Haupt·werkes {{glossar:jinnoushoutouki}} („Über die Wahre Abfolge der Göttlichen Herrscher“, entstanden um 1340) lautet folge·richtig: „Dieses Land ist ein Götterland.“ Wie im späteren [[Geschichte:Staatsshinto | Staatsshinto]], der den Begriff „Götterland“ ebenfalls gerne verwendete, wurden also bereits im Mittelalter ''kami''-Kult und Tenno-Kult mit einander in Beziehung gesetzt.<br />
<br />
==Watarai Shinto==<br />
<br />
Chikafusa stand mit einer religiösen Bewegung in Verbindung, die von {{glossar:Ise}}, genau genommen vom Äußeren Ise Schrein ({{glossar:gekuu}}) ausging und mit dem oben erwähnten Ryōbu Shinto in enger Ver·bin·dung stand. Der Äußere Schrein von Ise hatte stets damit zu kämpfen, dass Ise zwar insgesamt als heiliger Ort erachtet wurde, dass aber im Grunde nur {{glossar:Amaterasu}}, die Haupt·gott·heit des Inneren Schreins, als Ahnen·gott·heit des Tenno auf·ge·fasst wurde. Die Gott·heit des Äußeren Schreins, {{glossar:toyouke}}, wurde dagegen als Dienerin Amaterasus an·ge·sehen. Der Äußere Schrein war der Priester-Familie {{glossar:watarai}} anheim gestellt. Die Watarai entwarfen nun in einer Generationen über·span·nenden Unter·nehmung eine Theologie, die erstens Toyouke als die Ver·körpe·rung des Urgotts {{glossar:kuninotokotachi}} ansah, und zweitens beide Schreine, Inneren und Äußeren als Ent·spre·chung der beiden [[Ikonographie:Mandala/Ryogai_Mandara | Mandalas]] des Buddhas {{Glossar:Dainichinyorai}}. Im Unter·schied zur klassischen [[Geschichte:Honji_suijaku|''honji-suijaku'' Theorie]] und analog zum Ryōbu Shinto waren die Ise-Gottheiten und Dainichi voll·kommen gleich·wertig, einander wechsel·seitig spiegelnd. Ise wurde zum heiligen Boden Dainichis und der Ursprung Dainichis damit nach Japan verlegt. Dadurch wurde nebenbei auch der Begriff „Götterland“ bud·dhis·tisch begründet und ab·ge·sichert. Das machte den Ise- oder {{glossar:wataraishintou}}, wie diese Richtung heute genannt wird, wahrscheinlich auch besonders attraktiv in den Augen Chikafusas.<br />
<br />
Wie die Einbeziehung von {{glossar:dainichinyorai}} bereits andeutet, wurde der Watarai Shinto nicht von den Watarai Priestern allein, sondern auch von bud·dhis·tischen Mönchen, v.a. aus der esoterischen {{Glossar:Shingonshuu | Shingon}} Schule entwickelt. Damit nahmen Elemente des esoterisch-bud·dhis·tischen Ritus Einzug in diese Form des Shinto. Im Watarai Shinto gibt es demnach Gebets·formeln (Mantra), Hand·zeichen ([[Ikonographie:Mudra | Mudrā]]), die Anbetung von Sanskrit·zeichen, die Anrufung von Buddhas und anderes mehr. Daneben spielt auch der {{Glossar:Yinyang}} Glaube eine wichtige Rolle. Das deshalb, weil zu dieser Zeit auch die Shingon Schule starke Anleihen beim Yin Yang Glauben und der chinesischen Kosmologie machte. Im Mittel·punkt des Watarai Shinto standen allerdings traditionelle Riten des höfischen Shinto, die sozusagen buddhistisch aufbereitet wurden.<br />
<br />
Wie die Shingon Schule, hielten die Watarai ihre Gebets- und Ritualtexte geheim und gaben sie nur Initiierten weiter. Dennoch verbreitete sich der Watarai Shinto recht rasch und wirkte mit, Ise zu einem führenden Zentrum des mittel·alter·lichen Pilger·wesens werden zu lassen. Trotz dieser neuen Bedeutung der Ise Schreine ist es fraglich, inwieweit sich die Vertreter des Watarai Shinto selbst als „Shintoisten“ sahen. Sofern sie Priester in Ise waren, verfügten sie natürlich über eine historisch gewachsene Identität als ''kami''-Priester. Aber ein klares Bewusst·sein, einer vom Bud·dhis·mus verschiedenen Religion zu dienen, lässt sich kaum erkennen. Eher kann man im Watarai Shinto einen besonderen Versuch sehen, den Kult von Ise mit dem vor·herr·schenden bud·dhis·tischen Welt·bild in Einklang zu bringen und dabei dennoch die Besonderheit Ises zu wahren.<br />
<br />
==Yoshida Shinto==<br />
{{sidebox|taigenkyu.jpg|w=200|left=-20|top=-10|Hauptheiligtum des Yoshida Shinto}}<br />
<br />
Die Ideen und Techniken der {{glossar:watarai}} diffundierten in viele Schreine und Tempel des Mittel·alters und wurden im übrigen auch von den Priestern des Inneren Schreins von Ise über·nommen. Es dauerte aller·dings ver·hältnis·mäßig lange, bis auch die Familien des Tenno-Hofs — vor allem die Beamten des kaiser·lichen Götter·amtes ({{glossar:jingikan}}) — davon Gebrauch machten. Erst als die letzten Reste des {{glossar:heian}}-zeit·lichen Hof·staats im Zuge des Ōnin-Krieges (1467-1477) zerstört wurden und die Institution des Tenno den Tief·punkt ihrer politischen Be·deu·tungs·losig·keit erreichte, machte sich ein Ab·kömmling einer höfischen Priester·familie daran, eine Lehre im Stil der Watarai zu formulieren.<br />
<br />
Dieser Priester namens {{glossar:yoshidakanetomo}} (1435-1511) stammte aus der Familie der {{glossar:urabe}}, die seit der Heian-Zeit als Orakel·leser und Weis·sager bei Hof tätig waren. Sein sog. {{glossar:yoshidashintou}} bezieht Teile dieses Erbes mit ein, geht aber weit über die tra·di·ti·o·nellen Inhalte des höfischen Kults hinaus. Die Moti·vation Kanetomos scheint darin gelegen zu haben, das höfische Götter·amt neu zu errichten und unter die Füh·rung der Urabe Priester zu stellen. Dazu mussten viele Details der ehemals sakrosankten Ordnung des Hofes auf den Kopf gestellt werden, aber das fiel zu Kanetomos Zeit wohl nicht mehr allzu sehr ins Gewicht. Teile der Hof·aristo·kratie mögen in Yoshida Kanetomo und in der neuen esoterisch-religiösen Be·deu·tung, die er dem Tenno und seinen In·sti·tu·ti·onen zu·schrieb, hin·gegen einen neuen Hoffnungs·träger erblickt haben.<br />
<br />
===Die Lehre des Yoshida Shinto===<br />
<br />
Die ideengeschichtliche Bedeutung des Yoshida Shinto liegt aber nicht in der Revitalisierung des Götter·amtes. Vielmehr brachte Yoshida Kanetomo die Techniken und Theorien des Watarai Shinto erstmals in ein ge·schlos·senes System und gab ihm zudem einen Namen: {{glossar:yuiitsushintou}}, der „Eine und Einzige Shinto“. Damit war erstmals eine Richtung des Shinto ent·standen, die sich auch selbst als solche identifizierte und bewusst vom Bud·dhis·mus abhob. Kanetomo war zugleich einer der ersten, die das Verhältnis von ''kami'' und Buddhas, bzw. Shinto und Bud·dhis·mus explizit thema·tisierten. Um dem Shinto zum Vorrang gegen·über dem Bud·dhis·mus zu ver·helfen, drehte er die gängige ''honji suijaku'' These schlicht·weg um und erklärte die ''kami'' zur Urform ({{glossar:honji}}) und die Buddhas zur „Spur“ ({{glossar:suijaku}}). Nach Ansicht des Yoshida Shinto würden sich die ''kami'' nur in Japan, dem Götter·land, in ihrer wahren Gestalt zu erkennen geben, während sie sich in Indien und China in der behelfs·mäßigen Er·scheinungs·form von Buddhas manifestierten.<br />
<br />
Viele Elemente des Yoshida Shinto wirken aus heutiger Sicht derart bud·dhis·tisch, dass man sich kaum vor·stellen kann, wie zu jener Zeit nicht sofort die Idee auf·kommen konnte, der Yoshida Shinto hätte vom eso·te·rischen Bud·dhis·mus „abgekupfert“. Z.B. heißt es, dass es im Shinto „geheime“ und „offene“ Lehren gäbe (in Analogie zur Zwei·teilung in eso·te·rischen und exo·te·rischen Bud·dhis·mus), wobei die geheimen exklusiv im Besitz der Yoshida wären. Es gibt die Über·ein·stim·mung von Gesten, Worten und Gedanken (die „Drei Geheimnisse“ des eso·te·rischen Bud·dhis·mus), die zur Ver·einigung mit der an·ge·rufenen Gott·heit führen. Es gibt Ritual·gegen·stände und Mudrās, die direkt dem Shingon Bud·dhis·mus ent·nommen sind. Dennoch, aus der Sicht des all·gegen·wärtigen Syn·kre·tis·mus seiner Ent·stehungs·zeit wirkt der Yoshida Shinto durchaus puristisch: Es werden keine Buddhas an·ge·rufen. Es werden keine Sutren rezitiert. Es werden keine bud·dhis·tischen Mönche als Ur·heber der Lehre an·ge·geben. Es werden keine bud·dhis·tischen Ziele wie Erleuchtung, Nirvana, etc. proklamiert. Und wenn bestimmte Über·ein·stim·mungen mit dem Bud·dhis·mus an·er·kannt werden, dann nur, um die Ar·gu·men·tation zu stützen, dass auch der Buddhismus letztlich auf die japanischen ''kami'' zurückgeht.<br />
<br />
===Die Verbreitung des Yoshida Shinto===<br />
<br />
Der Yoshida Shinto verbreitete sich im sech·zehnten Jahr·hundert, also in der Zeit der „Kämpfenden Länder“ verhältnis·mäßig weit·läufig in vielen Provinzen. Das liegt nicht nur an seiner über·zeu·genden Doktrin, sondern auch daran, dass die Nachfolger Yoshida Kanetomos in diversen kleineren, regionalen Schreinen, die teilweise von neu ent·standenen Dorf·gemeinschaften getragen wurden, eine Klientel entdeckten, die weder vom Buddhismus noch von den traditionellen Groß·schreinen betreut wurde. Diesen Schreinen bot der Yoshida Shinto eine neue Form der Unter·stützung an, sei es, indem Priester in esoterische Riten des Yoshida Shinto eingeweiht wurden, sei es, dass der betreffende Schrein einfach einen Hofrang erhielt, den die Yoshida in ihrer Eigen·schaft als Priester des Götter·amts verteilten. Diese Funktion des Yoshida Shinto wurde in der {{glossar:edo}}-Zeit sogar offiziell anerkannt. Zum Entsetzen mancher anderer traditioneller Priester·familien, wurden die Yoshida in den ersten „Bestimmungen für Schreinpriester“<br /> des Tokugawa Shogunats (= {{glossar:shoshanegikannushihatto}}, 1665) als zuständig für alle Schreine deklariert, die nicht bereits über traditionelle Bindungen zum Kaiserhof verfügten. Das Shogunat erkannte damit den Tenno Hof als prinzipiell für alle Shinto Angelegenheiten zuständig an, und wählte innerhalb des Tenno Hofs die Yoshida als zuständig für die große Mehr·heit aller Shinto Schreine aus.<br />
<br />
Was das in der Praxis bedeutete, ist heute noch weitgehend ungeklärt. Fest steht zum einen, dass es dem Yoshida Shinto gelang ein weit verzweigtes System von abhängigen Schreinen zu schaffen. Zum anderen bemühten sich viele Familien und Shinto Schulen, u.a. der neu erstarkende {{glossar:wataraishintou}}, mit zunehmendem Erfolg darum, die Vormachtstellung der Yoshida zu brechen. Große Schreine mit traditionellen Bindungen zum Hof fielen im übrigen nicht in den Zuständigkeitsbereich der Yoshida. Dennoch war der Einfluss des Yoshida Shinto in der Edo-Zeit beträchtlich. Er wird heute nach wie vor unterschätzt und bedarf dringend einer historischen Aufarbeitung.<br />
<br />
===Kritik am Yoshida Shinto===<br />
<br />
Ein Grund für die geringe Kenntnis über den Yoshida Shinto soll auch kurz zur Sprache kommen: Bereits Anfang der Edo-Zeit kam es unter Intellektuellen zu einer „konfuzianischen Mode“ (s. [[Geschichte:Neo-Konfuzianismus | Neo-Konfuzianismus]]), die zunächst mit den chi·ne·sischen Vor·stellungen des Yoshida Shinto noch durchaus kompatibel war. Doch entwickelte sich unter konfuzianischer Sicht ein neuer Blick bzw. ein neues Wissen über die Geschichte Japans. Zugleich nahm die Kritik an den mittel·alterlichen Formen der eso·te·rischen Wahr·heits·ver·mitt·lung zu. Beides führte dazu, dass die Ansprüche des Yoshida Shinto immer mehr in Frage gestellt wurden. Die Idee eines „reinen Shinto“ wurde zwar aus dem Yoshida Shinto über·nommen, radikalisierte sich jedoch. Mitte der Edo-Zeit entstand daraus die sogenannte „Nationale Schule“ (''[[Geschichte:Kokugaku | kokugaku]]''), die sowohl den Buddhismus als auch den Konfuzianismus ablehnte. Unter Gelehrten wie {{glossar:motoorinorinaga}} und {{glossar:hirataatsutane}} wurde die {{glossar:kokugaku}} zu einer führenden intellektuellen Strömung, die namentlich die Führer der {{glossar:meiji}}-Restauration inspirierte. Die Politik der sogenannten „Trennung von ''kami ''und Buddhas“ gleich nach der Restauration im Jahre 1868 kann als ideologisches Kind der ''kokugaku'' bezeichnet werden (s. [[Geschichte:Staatsshinto | Staatsshinto]]). Sie führte zur endgültigen Auflösung des Yoshida Shinto, der nunmehr als synkretistisch verschrien war.<br />
<br />
Diese politisch-religiöse Entwicklung fand auch in der japanischen und schließlich in der westlichen Religionsforschung ihren Niederschlag. Unter der Ideologie des Staatshinto, also während der Meiji, und vor allem der frühen {{Glossar:Shouwa}} Zeit, wurde die Trennung von Buddhismus und Shinto auch rückwirkend vollzogen, alle „synkretistischen“ Richtungen wurden als historische Verirrungen gering geschätzt und in ihrer Bedeutung herunter gespielt. Erst in der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahr·hunderts setzte eine Revision dieses Geschichtbilds ein, die allerdings noch keineswegs abgeschlossen ist.<br />
<br />
{{Linkbox|ue=Literatur|text=<br />
{{Literatur:Kuroda_1981}}<br />
{{Literatur:Scheid_2001}}<br />
{{Literatur:Teeuwen_1996}}<br />
{{Literatur:Teeuwen_Scheid_2002}}<br />
<br />
}}<br />
{{ThisWay|Geschichte: Reichseinigung}}</div>Opaquehttps://religion-in-japan.univie.ac.at/r/index.php?title=Geschichte/Shinto_Mittelalter&diff=15045Geschichte/Shinto Mittelalter2010-09-16T12:03:20Z<p>Opaque: /* Yoshida Shinto */</p>
<hr />
<div>{{Styles}}<br />
=Shinto im Mittelalter=<br />
<br />
Die gegenseitige Durchdringung von Buddhismus und Shinto ist in der {{glossar:kamakura}} und {{glossar:muromachi}}-Zeit (drei·zehntes bis sech·zehntes Jahr·hundert) beinahe total. Es scheint, als könne man über·haupt nur von einer einzigen, mehr oder weniger syn·kre·tis·tischen Religion des ja·pa·nischen Mittel·alters sprechen. Gewisse Unter·schiede zwischen {{glossar:kami}} und Buddhas werden zwar nicht geleugnet, doch letztlich — so die all·ge·meine Auf·fas·sung — sind diese Unter·schiede nur schein·bar, im Grunde sind ''kami'' und Buddhas das Gleiche. Ebenso wie fast jeder ''kami''-Schrein unter der Ver·waltung eines bud·dhis·tischen Tempels steht, werden auch die ''kami'' selbst als „sichtbare Spuren“ ({{glossar:suijaku}}) oder Mani·fes·tati·onen einer bud·dhis·tischen Urform ({{glossar:honji}}) aufgefasst (s. [[Geschichte:Honji_suijaku | ''honji suijaku'' These]]).<br />
<br />
==Ryōbu Shinto==<br />
<br />
Einzelne Mönche gehen sogar noch weiter und betrachten ''kami'' und Buddhas als zwei ''gleichwertige'' Er·schei·nungs·formen ein und der selben gött·lichen Instanz. Ins·be·son·dere kommt es zur Ver·schmel·zung von {{Glossar:Dainichinyorai}}, dem Haupt·buddha des eso·te·rischen Bud·dhis·mus, mit {{Glossar:Amaterasu}}, der Ahnen·gott·heit des Tenno. Amaterasu und Dainichi werden in einem ähnlichen dualen Ver·hältnis zu einander gesehen wie die beiden Mandalas des eso·te·rischen Bud·dhis·mus, [[Ikonographie:Mandala/Ryogai_Mandara | Vajra- und Mutterschoß-Mandala]], die ihrerseits nur zwei Aspekte des kosmischen Buddha Dainichi darstellen. So wie die beiden Mandalas mitunter auch als „zweiteiliges Mandala“ (''ryōbu mandara'') bezeichnet werden, hat man für die Ver·schmel·zung von Dainichi und Amaterasu rück·blickend den Begriff {{glossar:ryoubushintou}}, „Shinto der beiden Teile“, erfunden. Ryōbu Shinto bezeichnet eine lose Gruppe von theo·logischen Spekulationen, die aus heutiger Sicht vor allem deshalb von Bedeutung sind, als aus dieser Richtung der erste Anstoß zu einer eigenständigen Theologie des Shinto entstand.<br />
<br />
Die Fragen, die manche buddhistische Mönche dazu trieben, sich aus theo·logischer Sicht mit den ein·hei·mischen Gott·heiten auseinander zu setzen, resultierten im all·gemeinen aus einzelnen Schrein·traditionen, die sich der Ein·ver·nahme durch den Bud·dhis·mus hart·näckig wider·setzten. Dazu zählten die bereits erwähnten seltsamen [[Geschichte:Kami_Kulte | Tabus]], die ganz besonders im Amaterasu Schrein von [[Bauten:Ise_Izumo | Ise]] gegen den Buddhismus errichtet worden waren. Und noch eine Vor·stellung findet sich allent·halben: Nicht alle ''kami'' sind bud·dhis·tische Er·schei·nungen. Manche — oft als „wirkliche ''kami''“ ({{glossar:jitsunokami}}) bezeichnet — haben keine bud·dhis·tische Urform. Sie gehören ins Reich der {{glossar:tengu}} und der mit Zauber·kraft aus·ge·statteten Füchse und {{glossar:tanuki}} (siehe Kapitel Mythen, [[Mythen:Geister | Geister]] bzw. [[Mythen:Füchse | Füchse]]) und sind tendenziell böse und gefährlich. Gerade diese „wirklichen ''kami''“ zogen nun die Auf·merk·sam·keit der Ryōbu Shinto Denker auf sich und resultierten in er·staun·lichen Theorien, die gerade diese untersten und un·heiligsten aller Götter zu Mani·fes·tati·onen von Amaterasu und Dainichi erklärten.<br />
<br />
Andere buddhistische Richtungen, zumeist radikale [[Geschichte:Amidismus | Amidisten]], lehnten die ''kami'' generell ab. Aber nicht mit dem Argument, dass es sie nicht gibt, sondern weil sie den Buddhas, bzw. {{Glossar:Amida}}, in jedem Fall unter·legen sind, und lediglich eine selbst·süchtige, dies·seits·ver·haftete, irre·ge·leitete Religiosität fordern und fördern.<br />
<br />
Zwischen diesen beiden Extremen gab es einen „religiösen Mainstream“, der grund·sätzlich dem Bud·dhis·mus anhing und zugleich den ''kami'' wohl·wollend gegen·über stand. Auch inner·halb dieses Mainstreams blieb aber ein gewisses Be·wusst·sein vom Unter·schied zwischen ein·hei·mischen und der bud·dhis·tischen Gestalten bestehen, wobei die einheimischen letztlich geringer eingestuft wurden.<br />
<br />
==Götterwind und Götterland==<br />
{{Sidebox|sidepage=Kamikaze|titel=essay|mokoshurai_ekotoba1.jpg|Götterwinde, Religion und Krieg }}<br />
<br />
Der Grund, warum man die ''kami'' trotz Vorherrschen des Bud·dhis·mus nie ganz aus dem Bewusst·sein verlor, mag in ihrer Ver·bunden·heit mit lokalen Ge·geben·heiten gelegen haben. In den ''kami'' suchten und fanden Japaner immer wieder die Be·stäti·gung einer lokalen — um nicht zu sagen „nationalen“ — Identität, die besonders in der emotionalen Positionierung gegenüber China eine Rolle spielte. Dies wird unter anderem am Beispiel der erfolg·reichen Abwehr der Mongolen·angriffe, Ende des drei·zehnten Jahr·hunderts deutlich. Be·kannter·maßen scheiterten die beiden Invasions·versuche der Mongolen unter Kubilai Khan 1274 und 1281 jeweils an Taifunen, durch die die angreifenden Flotten zerstört wurden. Diese Winde wurden in Japan nach·träglich den ''kami'' zu·ge·schrieben und als {{glossar:kamikaze}}, göttliche Winde, bezeichnet, ein Ausdruck, der im 2. WK dann auch auf die Selbst·mord·piloten der Luft·waffe Anwendung fand.<br />
<br />
Es mag kein Zufall sein, dass im Anschluss an die Mongolen·angriffe der Begriff {{glossar:shinkoku}} — „Götterland“, bzw. „Land der ''kami''“ — immer häufiger auf·taucht, und zwar zumeist dann, wenn auf die Aus·er·wählt·heit Japans hingewiesen werden soll. Solche Gedanken spielen vor allem für die „Traditionalisten“ des ja·pa·nischen Mittel·alters eine große Rolle bei ihren Ver·suchen, die Macht des Tenno Hofes wieder her·zu·stellen. Der Krieger {{glossar:kitabatakechikafusa}} (1293-1354) ist dafür ein exemplarisches Beispiel. Er zieht nicht nur an der Seite des Kaisers Go-Daigo in den Krieg gegen das Kamakura-Shogunat, um den Tenno wieder ins Zentrum der Macht zurück·zu·führen, er schreibt auch gelehrte Werke, die den kaiser·lichen Macht·an·spruch historisch begründen. Der erste Satz seines Haupt·werkes {{glossar:jinnoushoutouki}} („Über die Wahre Abfolge der Göttlichen Herrscher“, entstanden um 1340) lautet folge·richtig: „Dieses Land ist ein Götterland.“ Wie im späteren [[Geschichte:Staatsshinto | Staatsshinto]], der den Begriff „Götterland“ ebenfalls gerne verwendete, wurden also bereits im Mittelalter ''kami''-Kult und Tenno-Kult mit einander in Beziehung gesetzt.<br />
<br />
==Watarai Shinto==<br />
<br />
Chikafusa stand mit einer religiösen Bewegung in Verbindung, die von {{glossar:Ise}}, genau genommen vom Äußeren Ise Schrein ({{glossar:gekuu}}) ausging und mit dem oben erwähnten Ryōbu Shinto in enger Ver·bin·dung stand. Der Äußere Schrein von Ise hatte stets damit zu kämpfen, dass Ise zwar insgesamt als heiliger Ort erachtet wurde, dass aber im Grunde nur {{glossar:Amaterasu}}, die Haupt·gott·heit des Inneren Schreins, als Ahnen·gott·heit des Tenno auf·ge·fasst wurde. Die Gott·heit des Äußeren Schreins, {{glossar:toyouke}}, wurde dagegen als Dienerin Amaterasus an·ge·sehen. Der Äußere Schrein war der Priester-Familie {{glossar:watarai}} anheim gestellt. Die Watarai entwarfen nun in einer Generationen über·span·nenden Unter·nehmung eine Theologie, die erstens Toyouke als die Ver·körpe·rung des Urgotts {{glossar:kuninotokotachi}} ansah, und zweitens beide Schreine, Inneren und Äußeren als Ent·spre·chung der beiden [[Ikonographie:Mandala/Ryogai_Mandara | Mandalas]] des Buddhas {{Glossar:Dainichinyorai}}. Im Unter·schied zur klassischen [[Geschichte:Honji_suijaku|''honji-suijaku'' Theorie]] und analog zum Ryōbu Shinto waren die Ise-Gottheiten und Dainichi voll·kommen gleich·wertig, einander wechsel·seitig spiegelnd. Ise wurde zum heiligen Boden Dainichis und der Ursprung Dainichis damit nach Japan verlegt. Dadurch wurde nebenbei auch der Begriff „Götterland“ bud·dhis·tisch begründet und ab·ge·sichert. Das machte den Ise- oder {{glossar:wataraishintou}}, wie diese Richtung heute genannt wird, wahrscheinlich auch besonders attraktiv in den Augen Chikafusas.<br />
<br />
Wie die Einbeziehung von {{glossar:dainichinyorai}} bereits andeutet, wurde der Watarai Shinto nicht von den Watarai Priestern allein, sondern auch von bud·dhis·tischen Mönchen, v.a. aus der esoterischen {{Glossar:Shingonshuu | Shingon}} Schule entwickelt. Damit nahmen Elemente des esoterisch-bud·dhis·tischen Ritus Einzug in diese Form des Shinto. Im Watarai Shinto gibt es demnach Gebets·formeln (Mantra), Hand·zeichen ([[Ikonographie:Mudra | Mudrā]]), die Anbetung von Sanskrit·zeichen, die Anrufung von Buddhas und anderes mehr. Daneben spielt auch der {{Glossar:Yinyang}} Glaube eine wichtige Rolle. Das deshalb, weil zu dieser Zeit auch die Shingon Schule starke Anleihen beim Yin Yang Glauben und der chinesischen Kosmologie machte. Im Mittel·punkt des Watarai Shinto standen allerdings traditionelle Riten des höfischen Shinto, die sozusagen buddhistisch aufbereitet wurden.<br />
<br />
Wie die Shingon Schule, hielten die Watarai ihre Gebets- und Ritualtexte geheim und gaben sie nur Initiierten weiter. Dennoch verbreitete sich der Watarai Shinto recht rasch und wirkte mit, Ise zu einem führenden Zentrum des mittel·alter·lichen Pilger·wesens werden zu lassen. Trotz dieser neuen Bedeutung der Ise Schreine ist es fraglich, inwieweit sich die Vertreter des Watarai Shinto selbst als „Shintoisten“ sahen. Sofern sie Priester in Ise waren, verfügten sie natürlich über eine historisch gewachsene Identität als ''kami''-Priester. Aber ein klares Bewusst·sein, einer vom Bud·dhis·mus verschiedenen Religion zu dienen, lässt sich kaum erkennen. Eher kann man im Watarai Shinto einen besonderen Versuch sehen, den Kult von Ise mit dem vor·herr·schenden bud·dhis·tischen Welt·bild in Einklang zu bringen und dabei dennoch die Besonderheit Ises zu wahren.<br />
<br />
==Yoshida Shinto==<br />
{{sidebox|taigenkyu.jpg|w=200|left=-20|top=-10|Hauptheiligtum des Yoshida Shinto}}<br />
<br />
Die Ideen und Techniken der {{glossar:watarai}} diffundierten in viele Schreine und Tempel des Mittel·alters und wurden im übrigen auch von den Priestern des Inneren Schreins von Ise über·nommen. Es dauerte aller·dings ver·hältnis·mäßig lange, bis auch die Familien des Tenno-Hofs — vor allem die Beamten des kaiser·lichen Götter·amtes ({{glossar:jingikan}}) — davon Gebrauch machten. Erst als die letzten Reste des {{glossar:heian}}-zeit·lichen Hof·staats im Zuge des Ōnin-Krieges (1467-1477) zerstört wurden und die Institution des Tenno den Tief·punkt ihrer politischen Be·deu·tungs·losig·keit erreichte, machte sich ein Ab·kömmling einer höfischen Priester·familie daran, eine Lehre im Stil der Watarai zu formulieren.<br />
<br />
Dieser Priester namens {{glossar:yoshidakanetomo}} (1435-1511) stammte aus der Familie der {{glossar:urabe}}, die seit der Heian-Zeit als Orakel·leser und Weis·sager bei Hof tätig waren. Sein sog. {{glossar:yoshidashintou}} bezieht Teile dieses Erbes mit ein, geht aber weit über die tra·di·ti·o·nellen Inhalte des höfischen Kults hinaus. Die Moti·vation Kanetomos scheint darin gelegen zu haben, das höfische Götter·amt neu zu errichten und unter die Füh·rung der Urabe Priester zu stellen. Dazu mussten viele Details der ehemals sakrosankten Ordnung des Hofes auf den Kopf gestellt werden, aber das fiel zu Kanetomos Zeit wohl nicht mehr allzu sehr ins Gewicht. Teile der Hof·aristo·kratie mögen in Yoshida Kanetomo und in der neuen esoterisch-religiösen Be·deu·tung, die er dem Tenno und seinen In·sti·tu·ti·onen zu·schrieb, hin·gegen einen neuen Hoffnungs·träger erblickt haben.<br />
<br />
===Die Lehre des Yoshida Shinto===<br />
<br />
Die ideengeschichtliche Bedeutung des Yoshida Shinto liegt aber nicht in der Revitalisierung des Götter·amtes. Vielmehr brachte Yoshida Kanetomo die Techniken und Theorien des Watarai Shinto erstmals in ein ge·schlos·senes System und gab ihm zudem einen Namen: {{glossar:yuiitsushintou}}, der „Eine und Einzige Shinto“. Damit war erstmals eine Richtung des Shinto ent·standen, die sich auch selbst als solche identifizierte und bewusst vom Bud·dhis·mus abhob. Kanetomo war zugleich einer der ersten, die das Verhältnis von ''kami'' und Buddhas, bzw. Shinto und Bud·dhis·mus explizit thema·tisierten. Um dem Shinto zum Vorrang gegen·über dem Bud·dhis·mus zu ver·helfen, drehte er die gängige ''honji suijaku'' These schlicht·weg um und erklärte die ''kami'' zur Urform ({{glossar:honji}}) und die Buddhas zur „Spur“ ({{glossar:suijaku}}). Nach Ansicht des Yoshida Shinto würden sich die ''kami'' nur in Japan, dem Götter·land, in ihrer wahren Gestalt zu erkennen geben, während sie sich in Indien und China in der behelfs·mäßigen Er·scheinungs·form von Buddhas manifestierten.<br />
<br />
Viele Elemente des Yoshida Shinto wirken aus heutiger Sicht derart bud·dhis·tisch, dass man sich kaum vor·stellen kann, wie zu jener Zeit nicht sofort die Idee auf·kommen konnte, der Yoshida Shinto hätte vom eso·te·rischen Bud·dhis·mus „abgekupfert“. Z.B. heißt es, dass es im Shinto „geheime“ und „offene“ Lehren gäbe (in Analogie zur Zwei·teilung in eso·te·rischen und exo·te·rischen Bud·dhis·mus), wobei die geheimen exklusiv im Besitz der Yoshida wären. Es gibt die Über·ein·stim·mung von Gesten, Worten und Gedanken (die „Drei Geheimnisse“ des eso·te·rischen Bud·dhis·mus), die zur Ver·einigung mit der an·ge·rufenen Gott·heit führen. Es gibt Ritual·gegen·stände und Mudrās, die direkt dem Shingon Bud·dhis·mus ent·nommen sind. Dennoch, aus der Sicht des all·gegen·wärtigen Syn·kre·tis·mus seiner Ent·stehungs·zeit wirkt der Yoshida Shinto durchaus puristisch: Es werden keine Buddhas an·ge·rufen. Es werden keine Sutren rezitiert. Es werden keine bud·dhis·tischen Mönche als Ur·heber der Lehre an·ge·geben. Es werden keine bud·dhis·tischen Ziele wie Erleuchtung, Nirvana, etc. proklamiert. Und wenn bestimmte Über·ein·stim·mungen mit dem Bud·dhis·mus an·er·kannt werden, dann nur, um die Ar·gu·men·tation zu stützen, dass auch der Buddhismus letztlich auf die japanischen ''kami'' zurückgeht.<br />
<br />
===Die Verbreitung des Yoshida Shinto===<br />
<br />
Der Yoshida Shinto verbreitete sich im sech·zehnten Jahr·hundert, also in der Zeit der „Kämpfenden Länder“ verhältnis·mäßig weit·läufig in vielen Provinzen. Das liegt nicht nur an seiner über·zeu·genden Doktrin, sondern auch daran, dass die Nachfolger Yoshida Kanetomos in diversen kleineren, regionalen Schreinen, die teilweise von neu ent·standenen Dorf·gemeinschaften getragen wurden, eine Klientel entdeckten, die weder vom Buddhismus noch von den traditionellen Groß·schreinen betreut wurde. Diesen Schreinen bot der Yoshida Shinto eine neue Form der Unter·stützung an, sei es, indem Priester in esoterische Riten des Yoshida Shinto eingeweiht wurden, sei es, dass der betreffende Schrein einfach einen Hofrang erhielt, den die Yoshida in ihrer Eigen·schaft als Priester des Götter·amts verteilten. Diese Funktion des Yoshida Shinto wurde in der {{glossar:edo}}-Zeit sogar offiziell anerkannt. Zum Entsetzen mancher anderer traditioneller Priester·familien, wurden die Yoshida in den ersten „Bestimmungen für Schreinpriester“<br /> des Tokugawa Shogunats (= {{glossar:shoshanegikannushihatto}}, 1665) als zuständig für alle Schreine deklariert, die nicht bereits über traditionelle Bindungen zum Kaiserhof verfügten. Das Shogunat erkannte damit den Tenno Hof als prinzipiell für alle Shinto Angelegenheiten zuständig an, und wählte innerhalb des Tenno Hofs die Yoshida als zuständig für die große Mehr·heit aller Shinto Schreine aus.<br />
<br />
Was das in der Praxis bedeutete, ist heute noch weitgehend ungeklärt. Fest steht zum einen, dass es dem Yoshida Shinto gelang ein weit verzweigtes System von abhängigen Schreinen zu schaffen. Zum anderen bemühten sich viele Familien und Shinto Schulen, u.a. der neu erstarkende {{glossar:wataraishintou}}, mit zunehmendem Erfolg darum, die Vormachtstellung der Yoshida zu brechen. Große Schreine mit traditionellen Bindungen zum Hof fielen im übrigen nicht in den Zuständigkeitsbereich der Yoshida. Dennoch war der Einfluss des Yoshida Shinto in der Edo-Zeit beträchtlich. Er wird heute nach wie vor unterschätzt und bedarf dringend einer historischen Aufarbeitung.<br />
<br />
===Kritik am Yoshida Shinto===<br />
<br />
Ein Grund für die geringe Kenntnis über den Yoshida Shinto soll auch kurz zur Sprache kommen: Bereits Anfang der Edo-Zeit kam es unter Intellektuellen zu einer „konfuzianischen Mode“ (s. [[Geschichte:Neo-Konfuzianismus | Neo-Konfuzianismus]]), die zunächst mit den chi·ne·sischen Vor·stellungen des Yoshida Shinto noch durchaus kompatibel war. Doch entwickelte sich unter konfuzianischer Sicht ein neuer Blick bzw. ein neues Wissen über die Geschichte Japans. Zugleich nahm die Kritik an den mittel·alterlichen Formen der eso·te·rischen Wahr·heits·ver·mitt·lung zu. Beides führte dazu, dass die Ansprüche des Yoshida Shinto immer mehr in Frage gestellt wurden. Die Idee eines „reinen Shinto“ wurde zwar aus dem Yoshida Shinto über·nommen, radikalisierte sich jedoch. Mitte der Edo-Zeit entstand daraus die sogenannte „Nationale Schule“ (''[[Geschichte:Kokugaku | kokugaku]]''), die sowohl den Buddhismus als auch den Konfuzianismus ablehnte. Unter Gelehrten wie {{glossar:motoorinorinaga}} und {{glossar:hirataatsutane}} wurde die {{glossar:kokugaku}} zu einer führenden intellektuellen Strömung, die namentlich die Führer der {{glossar:meiji}}-Restauration inspirierte. Die Politik der sogenannten „Trennung von ''kami ''und Buddhas“ gleich nach der Restauration im Jahre 1868 kann als ideologisches Kind der ''kokugaku'' bezeichnet werden (s. [[Geschichte:Staatsshinto | Staatsshinto]]). Sie führte zur endgültigen Auflösung des Yoshida Shinto, der nunmehr als synkretistisch verschrien war.<br />
<br />
Diese politisch-religiöse Entwicklung fand auch in der japanischen und schließlich in der westlichen Religionsforschung ihren Niederschlag. Unter der Ideologie des Staatshinto, also während der Meiji, und vor allem der frühen {{Glossar:Shouwa}} Zeit, wurde die Trennung von Buddhismus und Shinto auch rückwirkend vollzogen, alle „synkretistischen“ Richtungen wurden als historische Verirrungen gering geschätzt und in ihrer Bedeutung herunter gespielt. Erst in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s setzte eine Revision dieses Geschichtbilds ein, die allerdings noch keineswegs abgeschlossen ist.<br />
<br />
{{Linkbox|ue=Literatur|text=<br />
{{Literatur:Kuroda_1981}}<br />
{{Literatur:Scheid_2001}}<br />
{{Literatur:Teeuwen_1996}}<br />
{{Literatur:Teeuwen_Scheid_2002}}<br />
<br />
}}<br />
{{ThisWay|Geschichte: Reichseinigung}}</div>Opaquehttps://religion-in-japan.univie.ac.at/r/index.php?title=Geschichte/Shinto_Mittelalter&diff=15036Geschichte/Shinto Mittelalter2010-09-16T11:28:17Z<p>Opaque: /* Watarai Shinto */</p>
<hr />
<div>{{Styles}}<br />
=Shinto im Mittelalter=<br />
<br />
Die gegenseitige Durchdringung von Buddhismus und Shinto ist in der {{glossar:kamakura}} und {{glossar:muromachi}}-Zeit (drei·zehntes bis sech·zehntes Jahr·hundert) beinahe total. Es scheint, als könne man über·haupt nur von einer einzigen, mehr oder weniger syn·kre·tis·tischen Religion des ja·pa·nischen Mittel·alters sprechen. Gewisse Unter·schiede zwischen {{glossar:kami}} und Buddhas werden zwar nicht geleugnet, doch letztlich — so die all·ge·meine Auf·fas·sung — sind diese Unter·schiede nur schein·bar, im Grunde sind ''kami'' und Buddhas das Gleiche. Ebenso wie fast jeder ''kami''-Schrein unter der Ver·waltung eines bud·dhis·tischen Tempels steht, werden auch die ''kami'' selbst als „sichtbare Spuren“ ({{glossar:suijaku}}) oder Mani·fes·tati·onen einer bud·dhis·tischen Urform ({{glossar:honji}}) aufgefasst (s. [[Geschichte:Honji_suijaku | ''honji suijaku'' These]]).<br />
<br />
==Ryōbu Shinto==<br />
<br />
Einzelne Mönche gehen sogar noch weiter und betrachten ''kami'' und Buddhas als zwei ''gleichwertige'' Er·schei·nungs·formen ein und der selben gött·lichen Instanz. Ins·be·son·dere kommt es zur Ver·schmel·zung von {{Glossar:Dainichinyorai}}, dem Haupt·buddha des eso·te·rischen Bud·dhis·mus, mit {{Glossar:Amaterasu}}, der Ahnen·gott·heit des Tenno. Amaterasu und Dainichi werden in einem ähnlichen dualen Ver·hältnis zu einander gesehen wie die beiden Mandalas des eso·te·rischen Bud·dhis·mus, [[Ikonographie:Mandala/Ryogai_Mandara | Vajra- und Mutterschoß-Mandala]], die ihrerseits nur zwei Aspekte des kosmischen Buddha Dainichi darstellen. So wie die beiden Mandalas mitunter auch als „zweiteiliges Mandala“ (''ryōbu mandara'') bezeichnet werden, hat man für die Ver·schmel·zung von Dainichi und Amaterasu rück·blickend den Begriff {{glossar:ryoubushintou}}, „Shinto der beiden Teile“, erfunden. Ryōbu Shinto bezeichnet eine lose Gruppe von theo·logischen Spekulationen, die aus heutiger Sicht vor allem deshalb von Bedeutung sind, als aus dieser Richtung der erste Anstoß zu einer eigenständigen Theologie des Shinto entstand.<br />
<br />
Die Fragen, die manche buddhistische Mönche dazu trieben, sich aus theo·logischer Sicht mit den ein·hei·mischen Gott·heiten auseinander zu setzen, resultierten im all·gemeinen aus einzelnen Schrein·traditionen, die sich der Ein·ver·nahme durch den Bud·dhis·mus hart·näckig wider·setzten. Dazu zählten die bereits erwähnten seltsamen [[Geschichte:Kami_Kulte | Tabus]], die ganz besonders im Amaterasu Schrein von [[Bauten:Ise_Izumo | Ise]] gegen den Buddhismus errichtet worden waren. Und noch eine Vor·stellung findet sich allent·halben: Nicht alle ''kami'' sind bud·dhis·tische Er·schei·nungen. Manche — oft als „wirkliche ''kami''“ ({{glossar:jitsunokami}}) bezeichnet — haben keine bud·dhis·tische Urform. Sie gehören ins Reich der {{glossar:tengu}} und der mit Zauber·kraft aus·ge·statteten Füchse und {{glossar:tanuki}} (siehe Kapitel Mythen, [[Mythen:Geister | Geister]] bzw. [[Mythen:Füchse | Füchse]]) und sind tendenziell böse und gefährlich. Gerade diese „wirklichen ''kami''“ zogen nun die Auf·merk·sam·keit der Ryōbu Shinto Denker auf sich und resultierten in er·staun·lichen Theorien, die gerade diese untersten und un·heiligsten aller Götter zu Mani·fes·tati·onen von Amaterasu und Dainichi erklärten.<br />
<br />
Andere buddhistische Richtungen, zumeist radikale [[Geschichte:Amidismus | Amidisten]], lehnten die ''kami'' generell ab. Aber nicht mit dem Argument, dass es sie nicht gibt, sondern weil sie den Buddhas, bzw. {{Glossar:Amida}}, in jedem Fall unter·legen sind, und lediglich eine selbst·süchtige, dies·seits·ver·haftete, irre·ge·leitete Religiosität fordern und fördern.<br />
<br />
Zwischen diesen beiden Extremen gab es einen „religiösen Mainstream“, der grund·sätzlich dem Bud·dhis·mus anhing und zugleich den ''kami'' wohl·wollend gegen·über stand. Auch inner·halb dieses Mainstreams blieb aber ein gewisses Be·wusst·sein vom Unter·schied zwischen ein·hei·mischen und der bud·dhis·tischen Gestalten bestehen, wobei die einheimischen letztlich geringer eingestuft wurden.<br />
<br />
==Götterwind und Götterland==<br />
{{Sidebox|sidepage=Kamikaze|titel=essay|mokoshurai_ekotoba1.jpg|Götterwinde, Religion und Krieg }}<br />
<br />
Der Grund, warum man die ''kami'' trotz Vorherrschen des Bud·dhis·mus nie ganz aus dem Bewusst·sein verlor, mag in ihrer Ver·bunden·heit mit lokalen Ge·geben·heiten gelegen haben. In den ''kami'' suchten und fanden Japaner immer wieder die Be·stäti·gung einer lokalen — um nicht zu sagen „nationalen“ — Identität, die besonders in der emotionalen Positionierung gegenüber China eine Rolle spielte. Dies wird unter anderem am Beispiel der erfolg·reichen Abwehr der Mongolen·angriffe, Ende des drei·zehnten Jahr·hunderts deutlich. Be·kannter·maßen scheiterten die beiden Invasions·versuche der Mongolen unter Kubilai Khan 1274 und 1281 jeweils an Taifunen, durch die die angreifenden Flotten zerstört wurden. Diese Winde wurden in Japan nach·träglich den ''kami'' zu·ge·schrieben und als {{glossar:kamikaze}}, göttliche Winde, bezeichnet, ein Ausdruck, der im 2. WK dann auch auf die Selbst·mord·piloten der Luft·waffe Anwendung fand.<br />
<br />
Es mag kein Zufall sein, dass im Anschluss an die Mongolen·angriffe der Begriff {{glossar:shinkoku}} — „Götterland“, bzw. „Land der ''kami''“ — immer häufiger auf·taucht, und zwar zumeist dann, wenn auf die Aus·er·wählt·heit Japans hingewiesen werden soll. Solche Gedanken spielen vor allem für die „Traditionalisten“ des ja·pa·nischen Mittel·alters eine große Rolle bei ihren Ver·suchen, die Macht des Tenno Hofes wieder her·zu·stellen. Der Krieger {{glossar:kitabatakechikafusa}} (1293-1354) ist dafür ein exemplarisches Beispiel. Er zieht nicht nur an der Seite des Kaisers Go-Daigo in den Krieg gegen das Kamakura-Shogunat, um den Tenno wieder ins Zentrum der Macht zurück·zu·führen, er schreibt auch gelehrte Werke, die den kaiser·lichen Macht·an·spruch historisch begründen. Der erste Satz seines Haupt·werkes {{glossar:jinnoushoutouki}} („Über die Wahre Abfolge der Göttlichen Herrscher“, entstanden um 1340) lautet folge·richtig: „Dieses Land ist ein Götterland.“ Wie im späteren [[Geschichte:Staatsshinto | Staatsshinto]], der den Begriff „Götterland“ ebenfalls gerne verwendete, wurden also bereits im Mittelalter ''kami''-Kult und Tenno-Kult mit einander in Beziehung gesetzt.<br />
<br />
==Watarai Shinto==<br />
<br />
Chikafusa stand mit einer religiösen Bewegung in Verbindung, die von {{glossar:Ise}}, genau genommen vom Äußeren Ise Schrein ({{glossar:gekuu}}) ausging und mit dem oben erwähnten Ryōbu Shinto in enger Ver·bin·dung stand. Der Äußere Schrein von Ise hatte stets damit zu kämpfen, dass Ise zwar insgesamt als heiliger Ort erachtet wurde, dass aber im Grunde nur {{glossar:Amaterasu}}, die Haupt·gott·heit des Inneren Schreins, als Ahnen·gott·heit des Tenno auf·ge·fasst wurde. Die Gott·heit des Äußeren Schreins, {{glossar:toyouke}}, wurde dagegen als Dienerin Amaterasus an·ge·sehen. Der Äußere Schrein war der Priester-Familie {{glossar:watarai}} anheim gestellt. Die Watarai entwarfen nun in einer Generationen über·span·nenden Unter·nehmung eine Theologie, die erstens Toyouke als die Ver·körpe·rung des Urgotts {{glossar:kuninotokotachi}} ansah, und zweitens beide Schreine, Inneren und Äußeren als Ent·spre·chung der beiden [[Ikonographie:Mandala/Ryogai_Mandara | Mandalas]] des Buddhas {{Glossar:Dainichinyorai}}. Im Unter·schied zur klassischen [[Geschichte:Honji_suijaku|''honji-suijaku'' Theorie]] und analog zum Ryōbu Shinto waren die Ise-Gottheiten und Dainichi voll·kommen gleich·wertig, einander wechsel·seitig spiegelnd. Ise wurde zum heiligen Boden Dainichis und der Ursprung Dainichis damit nach Japan verlegt. Dadurch wurde nebenbei auch der Begriff „Götterland“ bud·dhis·tisch begründet und ab·ge·sichert. Das machte den Ise- oder {{glossar:wataraishintou}}, wie diese Richtung heute genannt wird, wahrscheinlich auch besonders attraktiv in den Augen Chikafusas.<br />
<br />
Wie die Einbeziehung von {{glossar:dainichinyorai}} bereits andeutet, wurde der Watarai Shinto nicht von den Watarai Priestern allein, sondern auch von bud·dhis·tischen Mönchen, v.a. aus der esoterischen {{Glossar:Shingonshuu | Shingon}} Schule entwickelt. Damit nahmen Elemente des esoterisch-bud·dhis·tischen Ritus Einzug in diese Form des Shinto. Im Watarai Shinto gibt es demnach Gebets·formeln (Mantra), Hand·zeichen ([[Ikonographie:Mudra | Mudrā]]), die Anbetung von Sanskrit·zeichen, die Anrufung von Buddhas und anderes mehr. Daneben spielt auch der {{Glossar:Yinyang}} Glaube eine wichtige Rolle. Das deshalb, weil zu dieser Zeit auch die Shingon Schule starke Anleihen beim Yin Yang Glauben und der chinesischen Kosmologie machte. Im Mittel·punkt des Watarai Shinto standen allerdings traditionelle Riten des höfischen Shinto, die sozusagen buddhistisch aufbereitet wurden.<br />
<br />
Wie die Shingon Schule, hielten die Watarai ihre Gebets- und Ritualtexte geheim und gaben sie nur Initiierten weiter. Dennoch verbreitete sich der Watarai Shinto recht rasch und wirkte mit, Ise zu einem führenden Zentrum des mittel·alter·lichen Pilger·wesens werden zu lassen. Trotz dieser neuen Bedeutung der Ise Schreine ist es fraglich, inwieweit sich die Vertreter des Watarai Shinto selbst als „Shintoisten“ sahen. Sofern sie Priester in Ise waren, verfügten sie natürlich über eine historisch gewachsene Identität als ''kami''-Priester. Aber ein klares Bewusst·sein, einer vom Bud·dhis·mus verschiedenen Religion zu dienen, lässt sich kaum erkennen. Eher kann man im Watarai Shinto einen besonderen Versuch sehen, den Kult von Ise mit dem vor·herr·schenden bud·dhis·tischen Welt·bild in Einklang zu bringen und dabei dennoch die Besonderheit Ises zu wahren.<br />
<br />
==Yoshida Shinto==<br />
{{sidebox|taigenkyu.jpg|w=200|left=-20|top=-10|Hauptheiligtum des Yoshida Shinto}}<br />
<br />
Die Ideen und Techniken der {{glossar:watarai}} diffundierten in viele Schreine und Tempel des Mittelalters und wurden im übrigen auch von den Priestern des Inneren Schreins von Ise übernommen. Es dauerte allerdings verhältnismäßig lange, bis auch die Familien des Tenno-Hofs — vor allem die Beamten des kaiserlichen Götteramtes ({{glossar:jingikan}}) — davon Gebrauch machten. Erst als die letzten Reste des {{glossar:heian}}-zeitlichen Hofstaats im Zuge des Ōnin-Krieges (1467-1477) zerstört wurden und die Institution des Tenno den Tiefpunkt ihrer politischen Bedeutungslosigkeit erreichte, machte sich ein Abkömmling einer höfischen Priesterfamilie daran, eine Lehre im Stil der Watarai zu formulieren.<br />
<br />
Dieser Priester namens {{glossar:yoshidakanetomo}} (1435-1511) stammte aus der Familie der {{glossar:urabe}}, die seit der Heian-Zeit als Orakelleser und Weissager bei Hof tätig waren. Sein sog. {{glossar:yoshidashintou}} bezieht Teile dieses Erbes mit ein, geht aber weit über die traditionellen Inhalte des höfischen Kults hinaus. Die Motivation Kanetomos scheint darin gelegen zu haben, das höfische Götteramt neu zu errichten und unter die Führung der Urabe Priester zu stellen. Dazu mussten viele Details der ehemals sakrosankten Ordnung des Hofes auf den Kopf gestellt werden, aber das fiel zu Kanetomos Zeit wohl nicht mehr allzu sehr ins Gewicht. Teile der Hofaristokratie mögen in Yoshida Kanetomo und in der neuen esoterisch-religiösen Bedeutung, die er dem Tenno und seinen Institutionen zuschrieb, hingegen einen neuen Hoffnungsträger erblickt haben.<br />
<br />
===Die Lehre des Yoshida Shinto===<br />
<br />
Die ideengeschichtliche Bedeutung des Yoshida Shinto liegt aber nicht in der Revitalisierung des Götteramtes. Vielmehr brachte Yoshida Kanetomo die Techniken und Theorien des Watarai Shinto erstmals in ein geschlossenes System und gab ihm zudem einen Namen: {{glossar:yuiitsushintou}}, der „Eine und Einzige Shinto“. Damit war erstmals eine Richtung des Shinto entstanden, die sich auch selbst als solche identifizierte und bewusst vom Buddhismus abhob. Kanetomo war zugleich einer der ersten, die das Verhältnis von ''kami'' und Buddhas, bzw. Shinto und Buddhimus explizit thematisierten. Um dem Shinto zum Vorrang gegenüber dem Buddhismus zu verhelfen, drehte er die gängige ''honji suijaku'' These schlichtweg um und erklärte die ''kami'' zur Urform ({{glossar:honji}}) und die Buddhas zur „Spur“ ({{glossar:suijaku}}). Nach Ansicht des Yoshida Shinto würden sich die ''kami'' nur in Japan, dem Götterland, in ihrer wahren Gestalt zu erkennen geben, während sie sich in Indien und China in der behelfsmäßigen Erscheinungsform von Buddhas manifestierten.<br />
<br />
Viele Elemente des Yoshida Shinto wirken aus heutiger Sicht derart buddhistisch, dass man sich kaum vorstellen kann, wie zu jener Zeit nicht sofort die Idee aufkommen konnte, der Yoshida Shinto hätte vom esoterischen Buddhismus „abgekupfert“. Z.B. heißt es, dass es im Shinto „geheime“ und „offene“ Lehren gäbe (in Analogie zur Zweiteilung in esoterischen und exoterischen Buddhismus), wobei die geheimen exklusiv im Besitz der Yoshida wären. Es gibt die Übereinstimmung von Gesten, Worten und Gedanken (die „Drei Geheimnisse“ des esoterischen Buddhismus), die zur Vereinigung mit der angerufenen Gottheit führen. Es gibt Ritualgegenstände und Mudrās, die direkt dem Shingon Buddhismus entnommen sind. Dennoch, aus der Sicht des allgegenwärtigen Synkretismus seiner Entstehungszeit wirkt der Yoshida Shinto durchaus puristisch: Es werden keine Buddhas angerufen. Es werden keine Sutren rezitiert. Es werden keine buddhistischen Mönche als Urheber der Lehre angegeben. Es werden keine buddhistischen Ziele wie Erleuchtung, Nirvana, etc. proklamiert. Und wenn bestimmte Übereinstimmungen mit dem Buddhismus anerkannt werden, dann nur, um die Argumentation zu stützen, dass auch der Buddhismus letztlich auf die japanischen ''kami'' zurückgeht.<br />
<br />
===Die Verbreitung des Yoshida Shinto===<br />
<br />
Der Yoshida Shinto verbreitete sich im sechzehnten Jahrhundert, also in der Zeit der „Kämpfenden Länder“ verhältnismäßig weitläufig in vielen Provinzen. Das liegt nicht nur an seiner überzeugenden Doktrin, sondern auch daran, dass die Nachfolger Yoshida Kanetomos in diversen kleineren, regionalen Schreinen, die teilweise von neu entstandenen Dorfgemeinschaften getragen wurden, eine Klientel entdeckten, die weder vom Buddhismus noch von den traditionellen Großschreinen betreut wurde. Diesen Schreinen bot der Yoshida Shinto eine neue Form der Unterstützung an, sei es, indem Priester in esoterische Riten des Yoshida Shinto eingeweiht wurden, sei es, dass der betreffende Schrein einfach einen Hofrang erhielt, den die Yoshida in ihrer Eigenschaft als Priester des Götteramts verteilten. Diese Funktion des Yoshida Shinto wurde in der {{glossar:edo}}-Zeit sogar offiziell anerkannt. Zum Entsetzen mancher anderer traditioneller Priesterfamilien, wurden die Yoshida in den ersten „Bestimmungen für Schreinpriester“<br /> des Tokugawa Shogunats (= {{glossar:shoshanegikannushihatto}}, 1665) als zuständig für alle Schreine deklariert, die nicht bereits über traditionelle Bindungen zum Kaiserhof verfügten. Das Shogunat erkannte damit den Tenno Hof als prinzipiell für alle Shinto Angelegenheiten zuständig an, und wählte innerhalb des Tenno Hofs die Yoshida als zuständig für die große Mehrheit aller Shinto Schreine aus.<br />
<br />
Was das in der Praxis bedeutete, ist heute noch weitgehend ungeklärt. Fest steht zum einen, dass es dem Yoshida Shinto gelang ein weit verzweigtes System von abhängigen Schreinen zu schaffen. Zum anderen bemühten sich viele Familien und Shinto Schulen, u.a. der neu erstarkende {{glossar:wataraishintou}}, mit zunehmendem Erfolg darum, die Vormachtstellung der Yoshida zu brechen. Große Schreine mit traditionellen Bindungen zum Hof fielen im übrigen nicht in den Zuständigkeitsbereich der Yoshida. Dennoch war der Einfluss des Yoshida Shinto in der Edo-Zeit beträchtlich. Er wird heute nach wie vor unterschätzt und bedarf dringend einer historischen Aufarbeitung.<br />
<br />
===Kritik am Yoshida Shinto===<br />
<br />
Ein Grund für die geringe Kenntnis über den Yoshida Shinto soll auch kurz zur Sprache kommen: Bereits Anfang der Edo-Zeit kam es unter Intellektuellen zu einer „konfuzianischen Mode“ (s. [[Geschichte:Neo-Konfuzianismus | Neo-Konfuzianismus]]), die zunächst mit den chinesischen Vorstellungen des Yoshida Shinto noch durchaus kompatibel war. Doch entwickelte sich unter konfuzianischer Sicht ein neuer Blick bzw. ein neues Wissen über die Geschichte Japans. Zugleich nahm die Kritik an den mittelalterlichen Formen der esoterischen Wahrheitsvermittlung zu. Beides führte dazu, dass die Ansprüche des Yoshida Shinto immer mehr in Frage gestellt wurden. Die Idee eines „reinen Shinto“ wurde zwar aus dem Yoshida Shinto übernommen, radikalisierte sich jedoch. Mitte der Edo-Zeit entstand daraus die sogenannte „Nationale Schule“ (''[[Geschichte:Kokugaku | kokugaku]]''), die sowohl den Buddhismus als auch den Konfuzianismus ablehnte. Unter Gelehrten wie {{glossar:motoorinorinaga}} und {{glossar:hirataatsutane}} wurde die {{glossar:kokugaku}} zu einer führenden intellektuellen Strömung, die namentlich die Führer der {{glossar:meiji}}-Restauration inspirierte. Die Politik der sogenannten „Trennung von ''kami ''und Buddhas“ gleich nach der Restauration im Jahre 1868 kann als ideologisches Kind der ''kokugaku'' bezeichnet werden (s. [[Geschichte:Staatsshinto | Staatsshinto]]). Sie führte zur endgültigen Auflösung des Yoshida Shinto, der nunmehr als synkretistisch verschrien war.<br />
<br />
Diese politisch-religiöse Entwicklung fand auch in der japanischen und schließlich in der westlichen Religionsforschung ihren Niederschlag. Unter der Ideologie des Staatshinto, also während der Meiji, und vor allem der frühen {{Glossar:Shouwa}} Zeit, wurde die Trennung von Buddhismus und Shinto auch rückwirkend vollzogen, alle „synkretistischen“ Richtungen wurden als historische Verirrungen gering geschätzt und in ihrer Bedeutung herunter gespielt. Erst in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s setzte eine Revision dieses Geschichtbilds ein, die allerdings noch keineswegs abgeschlossen ist.<br />
<br />
{{Linkbox|ue=Literatur|text=<br />
{{Literatur:Kuroda_1981}}<br />
{{Literatur:Scheid_2001}}<br />
{{Literatur:Teeuwen_1996}}<br />
{{Literatur:Teeuwen_Scheid_2002}}<br />
<br />
}}<br />
{{ThisWay|Geschichte: Reichseinigung}}</div>Opaquehttps://religion-in-japan.univie.ac.at/r/index.php?title=Geschichte/Shinto_Mittelalter&diff=15035Geschichte/Shinto Mittelalter2010-09-16T11:24:21Z<p>Opaque: </p>
<hr />
<div>{{Styles}}<br />
=Shinto im Mittelalter=<br />
<br />
Die gegenseitige Durchdringung von Buddhismus und Shinto ist in der {{glossar:kamakura}} und {{glossar:muromachi}}-Zeit (drei·zehntes bis sech·zehntes Jahr·hundert) beinahe total. Es scheint, als könne man über·haupt nur von einer einzigen, mehr oder weniger syn·kre·tis·tischen Religion des ja·pa·nischen Mittel·alters sprechen. Gewisse Unter·schiede zwischen {{glossar:kami}} und Buddhas werden zwar nicht geleugnet, doch letztlich — so die all·ge·meine Auf·fas·sung — sind diese Unter·schiede nur schein·bar, im Grunde sind ''kami'' und Buddhas das Gleiche. Ebenso wie fast jeder ''kami''-Schrein unter der Ver·waltung eines bud·dhis·tischen Tempels steht, werden auch die ''kami'' selbst als „sichtbare Spuren“ ({{glossar:suijaku}}) oder Mani·fes·tati·onen einer bud·dhis·tischen Urform ({{glossar:honji}}) aufgefasst (s. [[Geschichte:Honji_suijaku | ''honji suijaku'' These]]).<br />
<br />
==Ryōbu Shinto==<br />
<br />
Einzelne Mönche gehen sogar noch weiter und betrachten ''kami'' und Buddhas als zwei ''gleichwertige'' Er·schei·nungs·formen ein und der selben gött·lichen Instanz. Ins·be·son·dere kommt es zur Ver·schmel·zung von {{Glossar:Dainichinyorai}}, dem Haupt·buddha des eso·te·rischen Bud·dhis·mus, mit {{Glossar:Amaterasu}}, der Ahnen·gott·heit des Tenno. Amaterasu und Dainichi werden in einem ähnlichen dualen Ver·hältnis zu einander gesehen wie die beiden Mandalas des eso·te·rischen Bud·dhis·mus, [[Ikonographie:Mandala/Ryogai_Mandara | Vajra- und Mutterschoß-Mandala]], die ihrerseits nur zwei Aspekte des kosmischen Buddha Dainichi darstellen. So wie die beiden Mandalas mitunter auch als „zweiteiliges Mandala“ (''ryōbu mandara'') bezeichnet werden, hat man für die Ver·schmel·zung von Dainichi und Amaterasu rück·blickend den Begriff {{glossar:ryoubushintou}}, „Shinto der beiden Teile“, erfunden. Ryōbu Shinto bezeichnet eine lose Gruppe von theo·logischen Spekulationen, die aus heutiger Sicht vor allem deshalb von Bedeutung sind, als aus dieser Richtung der erste Anstoß zu einer eigenständigen Theologie des Shinto entstand.<br />
<br />
Die Fragen, die manche buddhistische Mönche dazu trieben, sich aus theo·logischer Sicht mit den ein·hei·mischen Gott·heiten auseinander zu setzen, resultierten im all·gemeinen aus einzelnen Schrein·traditionen, die sich der Ein·ver·nahme durch den Bud·dhis·mus hart·näckig wider·setzten. Dazu zählten die bereits erwähnten seltsamen [[Geschichte:Kami_Kulte | Tabus]], die ganz besonders im Amaterasu Schrein von [[Bauten:Ise_Izumo | Ise]] gegen den Buddhismus errichtet worden waren. Und noch eine Vor·stellung findet sich allent·halben: Nicht alle ''kami'' sind bud·dhis·tische Er·schei·nungen. Manche — oft als „wirkliche ''kami''“ ({{glossar:jitsunokami}}) bezeichnet — haben keine bud·dhis·tische Urform. Sie gehören ins Reich der {{glossar:tengu}} und der mit Zauber·kraft aus·ge·statteten Füchse und {{glossar:tanuki}} (siehe Kapitel Mythen, [[Mythen:Geister | Geister]] bzw. [[Mythen:Füchse | Füchse]]) und sind tendenziell böse und gefährlich. Gerade diese „wirklichen ''kami''“ zogen nun die Auf·merk·sam·keit der Ryōbu Shinto Denker auf sich und resultierten in er·staun·lichen Theorien, die gerade diese untersten und un·heiligsten aller Götter zu Mani·fes·tati·onen von Amaterasu und Dainichi erklärten.<br />
<br />
Andere buddhistische Richtungen, zumeist radikale [[Geschichte:Amidismus | Amidisten]], lehnten die ''kami'' generell ab. Aber nicht mit dem Argument, dass es sie nicht gibt, sondern weil sie den Buddhas, bzw. {{Glossar:Amida}}, in jedem Fall unter·legen sind, und lediglich eine selbst·süchtige, dies·seits·ver·haftete, irre·ge·leitete Religiosität fordern und fördern.<br />
<br />
Zwischen diesen beiden Extremen gab es einen „religiösen Mainstream“, der grund·sätzlich dem Bud·dhis·mus anhing und zugleich den ''kami'' wohl·wollend gegen·über stand. Auch inner·halb dieses Mainstreams blieb aber ein gewisses Be·wusst·sein vom Unter·schied zwischen ein·hei·mischen und der bud·dhis·tischen Gestalten bestehen, wobei die einheimischen letztlich geringer eingestuft wurden.<br />
<br />
==Götterwind und Götterland==<br />
{{Sidebox|sidepage=Kamikaze|titel=essay|mokoshurai_ekotoba1.jpg|Götterwinde, Religion und Krieg }}<br />
<br />
Der Grund, warum man die ''kami'' trotz Vorherrschen des Bud·dhis·mus nie ganz aus dem Bewusst·sein verlor, mag in ihrer Ver·bunden·heit mit lokalen Ge·geben·heiten gelegen haben. In den ''kami'' suchten und fanden Japaner immer wieder die Be·stäti·gung einer lokalen — um nicht zu sagen „nationalen“ — Identität, die besonders in der emotionalen Positionierung gegenüber China eine Rolle spielte. Dies wird unter anderem am Beispiel der erfolg·reichen Abwehr der Mongolen·angriffe, Ende des drei·zehnten Jahr·hunderts deutlich. Be·kannter·maßen scheiterten die beiden Invasions·versuche der Mongolen unter Kubilai Khan 1274 und 1281 jeweils an Taifunen, durch die die angreifenden Flotten zerstört wurden. Diese Winde wurden in Japan nach·träglich den ''kami'' zu·ge·schrieben und als {{glossar:kamikaze}}, göttliche Winde, bezeichnet, ein Ausdruck, der im 2. WK dann auch auf die Selbst·mord·piloten der Luft·waffe Anwendung fand.<br />
<br />
Es mag kein Zufall sein, dass im Anschluss an die Mongolen·angriffe der Begriff {{glossar:shinkoku}} — „Götterland“, bzw. „Land der ''kami''“ — immer häufiger auf·taucht, und zwar zumeist dann, wenn auf die Aus·er·wählt·heit Japans hingewiesen werden soll. Solche Gedanken spielen vor allem für die „Traditionalisten“ des ja·pa·nischen Mittel·alters eine große Rolle bei ihren Ver·suchen, die Macht des Tenno Hofes wieder her·zu·stellen. Der Krieger {{glossar:kitabatakechikafusa}} (1293-1354) ist dafür ein exemplarisches Beispiel. Er zieht nicht nur an der Seite des Kaisers Go-Daigo in den Krieg gegen das Kamakura-Shogunat, um den Tenno wieder ins Zentrum der Macht zurück·zu·führen, er schreibt auch gelehrte Werke, die den kaiser·lichen Macht·an·spruch historisch begründen. Der erste Satz seines Haupt·werkes {{glossar:jinnoushoutouki}} („Über die Wahre Abfolge der Göttlichen Herrscher“, entstanden um 1340) lautet folge·richtig: „Dieses Land ist ein Götterland.“ Wie im späteren [[Geschichte:Staatsshinto | Staatsshinto]], der den Begriff „Götterland“ ebenfalls gerne verwendete, wurden also bereits im Mittelalter ''kami''-Kult und Tenno-Kult mit einander in Beziehung gesetzt.<br />
<br />
==Watarai Shinto==<br />
<br />
Chikafusa stand mit einer religiösen Bewegung in Verbindung, die von {{glossar:Ise}}, genau genommen vom Äußeren Ise Schrein ({{glossar:gekuu}}) ausging und mit dem oben erwähnten Ryōbu Shinto in enger Verbindung stand. Der Äußere Schrein von Ise hatte stets damit zu kämpfen, dass Ise zwar insgesamt als heiliger Ort erachtet wurde, dass aber im Grunde nur {{glossar:Amaterasu}}, die Hauptgottheit des Inneren Schreins, als Ahnengottheit des Tenno aufgefasst wurde. Die Gottheit des Äußeren Schreins, {{glossar:toyouke}}, wurde dagegen als Dienerin Amaterasus angesehen. Der Äußere Schrein war der Priester-Familie {{glossar:watarai}} anheim gestellt. Die Watarai entwarfen nun in einer Generationen überspannenden Unternehmung eine Theologie, die erstens Toyouke als die Verkörperung des Urgotts {{glossar:kuninotokotachi}} ansah, und zweitens beide Schreine, Inneren und Äußeren als Entsprechung der beiden [[Ikonographie:Mandala/Ryogai_Mandara | Mandalas]] des Buddhas {{Glossar:Dainichinyorai}}. Im Unterschied zur klassischen [[Geschichte:Honji_suijaku|''honji-suijaku'' Theorie]] und analog zum Ryōbu Shinto waren die Ise-Gottheiten und Dainichi vollkommen gleichwertig, einander wechselseitig spiegelnd. Ise wurde zum heiligen Boden Dainichis und der Ursprung Dainichis damit nach Japan verlegt. Dadurch wurde nebenbei auch der Begriff „Götterland“ buddhistisch begründet und abgesichert. Das machte den Ise- oder {{glossar:wataraishintou}}, wie diese Richtung heute genannt wird, wahrscheinlich auch besonders attraktiv in den Augen Chikafusas.<br />
<br />
Wie die Einbeziehung von {{glossar:dainichinyorai}} bereits andeutet, wurde der Watarai Shinto nicht von den Watarai Priestern allein, sondern auch von buddhistischen Mönchen, v.a. aus der esoterischen {{Glossar:Shingonshuu | Shingon}} Schule entwickelt. Damit nahmen Elemente des esoterisch-buddhistischen Ritus Einzug in diese Form des Shinto. Im Watarai Shinto gibt es demnach Gebetsformeln (Mantra), Handzeichen ([[Ikonographie:Mudra | Mudrā]]), die Anbetung von Sanskritzeichen, die Anrufung von Buddhas und anderes mehr. Daneben spielt auch der {{Glossar:Yinyang}} Glaube eine wichtige Rolle. Das deshalb, weil zu dieser Zeit auch die Shingon Schule starke Anleihen beim Yin Yang Glauben und der chinesischen Kosmologie machte. Im Mittelpunkt des Watarai Shinto standen allerdings traditionelle Riten des höfischen Shinto, die sozusagen buddhistisch aufbereitet wurden.<br />
<br />
Wie die Shingon Schule, hielten die Watarai ihre Gebets- und Ritualtexte geheim und gaben sie nur Initiierten weiter. Dennoch verbreitete sich der Watarai Shinto recht rasch und wirkte mit, Ise zu einem führenden Zentrum des mittelalterlichen Pilgerwesens werden zu lassen. Trotz dieser neuen Bedeutung der Ise Schreine ist es fraglich, inwieweit sich die Vertreter des Watarai Shinto selbst als „Shintoisten“ sahen. Sofern sie Priester in Ise waren, verfügten sie natürlich über eine historisch gewachsene Identität als ''kami''-Priester. Aber ein klares Bewusstsein, einer vom Buddhismus verschiedenen Religion zu dienen, lässt sich kaum erkennen. Eher kann man im Watarai Shinto einen besonderen Versuch sehen, den Kult von Ise mit dem vorherrschenden buddhistischen Weltbild in Einklang zu bringen und dabei dennoch die Besonderheit Ises zu wahren.<br />
<br />
==Yoshida Shinto==<br />
{{sidebox|taigenkyu.jpg|w=200|left=-20|top=-10|Hauptheiligtum des Yoshida Shinto}}<br />
<br />
Die Ideen und Techniken der {{glossar:watarai}} diffundierten in viele Schreine und Tempel des Mittelalters und wurden im übrigen auch von den Priestern des Inneren Schreins von Ise übernommen. Es dauerte allerdings verhältnismäßig lange, bis auch die Familien des Tenno-Hofs — vor allem die Beamten des kaiserlichen Götteramtes ({{glossar:jingikan}}) — davon Gebrauch machten. Erst als die letzten Reste des {{glossar:heian}}-zeitlichen Hofstaats im Zuge des Ōnin-Krieges (1467-1477) zerstört wurden und die Institution des Tenno den Tiefpunkt ihrer politischen Bedeutungslosigkeit erreichte, machte sich ein Abkömmling einer höfischen Priesterfamilie daran, eine Lehre im Stil der Watarai zu formulieren.<br />
<br />
Dieser Priester namens {{glossar:yoshidakanetomo}} (1435-1511) stammte aus der Familie der {{glossar:urabe}}, die seit der Heian-Zeit als Orakelleser und Weissager bei Hof tätig waren. Sein sog. {{glossar:yoshidashintou}} bezieht Teile dieses Erbes mit ein, geht aber weit über die traditionellen Inhalte des höfischen Kults hinaus. Die Motivation Kanetomos scheint darin gelegen zu haben, das höfische Götteramt neu zu errichten und unter die Führung der Urabe Priester zu stellen. Dazu mussten viele Details der ehemals sakrosankten Ordnung des Hofes auf den Kopf gestellt werden, aber das fiel zu Kanetomos Zeit wohl nicht mehr allzu sehr ins Gewicht. Teile der Hofaristokratie mögen in Yoshida Kanetomo und in der neuen esoterisch-religiösen Bedeutung, die er dem Tenno und seinen Institutionen zuschrieb, hingegen einen neuen Hoffnungsträger erblickt haben.<br />
<br />
===Die Lehre des Yoshida Shinto===<br />
<br />
Die ideengeschichtliche Bedeutung des Yoshida Shinto liegt aber nicht in der Revitalisierung des Götteramtes. Vielmehr brachte Yoshida Kanetomo die Techniken und Theorien des Watarai Shinto erstmals in ein geschlossenes System und gab ihm zudem einen Namen: {{glossar:yuiitsushintou}}, der „Eine und Einzige Shinto“. Damit war erstmals eine Richtung des Shinto entstanden, die sich auch selbst als solche identifizierte und bewusst vom Buddhismus abhob. Kanetomo war zugleich einer der ersten, die das Verhältnis von ''kami'' und Buddhas, bzw. Shinto und Buddhimus explizit thematisierten. Um dem Shinto zum Vorrang gegenüber dem Buddhismus zu verhelfen, drehte er die gängige ''honji suijaku'' These schlichtweg um und erklärte die ''kami'' zur Urform ({{glossar:honji}}) und die Buddhas zur „Spur“ ({{glossar:suijaku}}). Nach Ansicht des Yoshida Shinto würden sich die ''kami'' nur in Japan, dem Götterland, in ihrer wahren Gestalt zu erkennen geben, während sie sich in Indien und China in der behelfsmäßigen Erscheinungsform von Buddhas manifestierten.<br />
<br />
Viele Elemente des Yoshida Shinto wirken aus heutiger Sicht derart buddhistisch, dass man sich kaum vorstellen kann, wie zu jener Zeit nicht sofort die Idee aufkommen konnte, der Yoshida Shinto hätte vom esoterischen Buddhismus „abgekupfert“. Z.B. heißt es, dass es im Shinto „geheime“ und „offene“ Lehren gäbe (in Analogie zur Zweiteilung in esoterischen und exoterischen Buddhismus), wobei die geheimen exklusiv im Besitz der Yoshida wären. Es gibt die Übereinstimmung von Gesten, Worten und Gedanken (die „Drei Geheimnisse“ des esoterischen Buddhismus), die zur Vereinigung mit der angerufenen Gottheit führen. Es gibt Ritualgegenstände und Mudrās, die direkt dem Shingon Buddhismus entnommen sind. Dennoch, aus der Sicht des allgegenwärtigen Synkretismus seiner Entstehungszeit wirkt der Yoshida Shinto durchaus puristisch: Es werden keine Buddhas angerufen. Es werden keine Sutren rezitiert. Es werden keine buddhistischen Mönche als Urheber der Lehre angegeben. Es werden keine buddhistischen Ziele wie Erleuchtung, Nirvana, etc. proklamiert. Und wenn bestimmte Übereinstimmungen mit dem Buddhismus anerkannt werden, dann nur, um die Argumentation zu stützen, dass auch der Buddhismus letztlich auf die japanischen ''kami'' zurückgeht.<br />
<br />
===Die Verbreitung des Yoshida Shinto===<br />
<br />
Der Yoshida Shinto verbreitete sich im sechzehnten Jahrhundert, also in der Zeit der „Kämpfenden Länder“ verhältnismäßig weitläufig in vielen Provinzen. Das liegt nicht nur an seiner überzeugenden Doktrin, sondern auch daran, dass die Nachfolger Yoshida Kanetomos in diversen kleineren, regionalen Schreinen, die teilweise von neu entstandenen Dorfgemeinschaften getragen wurden, eine Klientel entdeckten, die weder vom Buddhismus noch von den traditionellen Großschreinen betreut wurde. Diesen Schreinen bot der Yoshida Shinto eine neue Form der Unterstützung an, sei es, indem Priester in esoterische Riten des Yoshida Shinto eingeweiht wurden, sei es, dass der betreffende Schrein einfach einen Hofrang erhielt, den die Yoshida in ihrer Eigenschaft als Priester des Götteramts verteilten. Diese Funktion des Yoshida Shinto wurde in der {{glossar:edo}}-Zeit sogar offiziell anerkannt. Zum Entsetzen mancher anderer traditioneller Priesterfamilien, wurden die Yoshida in den ersten „Bestimmungen für Schreinpriester“<br /> des Tokugawa Shogunats (= {{glossar:shoshanegikannushihatto}}, 1665) als zuständig für alle Schreine deklariert, die nicht bereits über traditionelle Bindungen zum Kaiserhof verfügten. Das Shogunat erkannte damit den Tenno Hof als prinzipiell für alle Shinto Angelegenheiten zuständig an, und wählte innerhalb des Tenno Hofs die Yoshida als zuständig für die große Mehrheit aller Shinto Schreine aus.<br />
<br />
Was das in der Praxis bedeutete, ist heute noch weitgehend ungeklärt. Fest steht zum einen, dass es dem Yoshida Shinto gelang ein weit verzweigtes System von abhängigen Schreinen zu schaffen. Zum anderen bemühten sich viele Familien und Shinto Schulen, u.a. der neu erstarkende {{glossar:wataraishintou}}, mit zunehmendem Erfolg darum, die Vormachtstellung der Yoshida zu brechen. Große Schreine mit traditionellen Bindungen zum Hof fielen im übrigen nicht in den Zuständigkeitsbereich der Yoshida. Dennoch war der Einfluss des Yoshida Shinto in der Edo-Zeit beträchtlich. Er wird heute nach wie vor unterschätzt und bedarf dringend einer historischen Aufarbeitung.<br />
<br />
===Kritik am Yoshida Shinto===<br />
<br />
Ein Grund für die geringe Kenntnis über den Yoshida Shinto soll auch kurz zur Sprache kommen: Bereits Anfang der Edo-Zeit kam es unter Intellektuellen zu einer „konfuzianischen Mode“ (s. [[Geschichte:Neo-Konfuzianismus | Neo-Konfuzianismus]]), die zunächst mit den chinesischen Vorstellungen des Yoshida Shinto noch durchaus kompatibel war. Doch entwickelte sich unter konfuzianischer Sicht ein neuer Blick bzw. ein neues Wissen über die Geschichte Japans. Zugleich nahm die Kritik an den mittelalterlichen Formen der esoterischen Wahrheitsvermittlung zu. Beides führte dazu, dass die Ansprüche des Yoshida Shinto immer mehr in Frage gestellt wurden. Die Idee eines „reinen Shinto“ wurde zwar aus dem Yoshida Shinto übernommen, radikalisierte sich jedoch. Mitte der Edo-Zeit entstand daraus die sogenannte „Nationale Schule“ (''[[Geschichte:Kokugaku | kokugaku]]''), die sowohl den Buddhismus als auch den Konfuzianismus ablehnte. Unter Gelehrten wie {{glossar:motoorinorinaga}} und {{glossar:hirataatsutane}} wurde die {{glossar:kokugaku}} zu einer führenden intellektuellen Strömung, die namentlich die Führer der {{glossar:meiji}}-Restauration inspirierte. Die Politik der sogenannten „Trennung von ''kami ''und Buddhas“ gleich nach der Restauration im Jahre 1868 kann als ideologisches Kind der ''kokugaku'' bezeichnet werden (s. [[Geschichte:Staatsshinto | Staatsshinto]]). Sie führte zur endgültigen Auflösung des Yoshida Shinto, der nunmehr als synkretistisch verschrien war.<br />
<br />
Diese politisch-religiöse Entwicklung fand auch in der japanischen und schließlich in der westlichen Religionsforschung ihren Niederschlag. Unter der Ideologie des Staatshinto, also während der Meiji, und vor allem der frühen {{Glossar:Shouwa}} Zeit, wurde die Trennung von Buddhismus und Shinto auch rückwirkend vollzogen, alle „synkretistischen“ Richtungen wurden als historische Verirrungen gering geschätzt und in ihrer Bedeutung herunter gespielt. Erst in der zweiten Hälfte des 20. Jh.s setzte eine Revision dieses Geschichtbilds ein, die allerdings noch keineswegs abgeschlossen ist.<br />
<br />
{{Linkbox|ue=Literatur|text=<br />
{{Literatur:Kuroda_1981}}<br />
{{Literatur:Scheid_2001}}<br />
{{Literatur:Teeuwen_1996}}<br />
{{Literatur:Teeuwen_Scheid_2002}}<br />
<br />
}}<br />
{{ThisWay|Geschichte: Reichseinigung}}</div>Opaquehttps://religion-in-japan.univie.ac.at/r/index.php?title=Geschichte/Nichiren&diff=15031Geschichte/Nichiren2010-09-16T11:02:39Z<p>Opaque: </p>
<hr />
<div>{{Styles}}<br />
=Nichirens Lotos-Fundamentalismus=<br />
{{Wrapper|<br />
{{sidebox|nichiren_seichoji.jpg|w=180|left=-30|top=-15|Nichiren}}<br />
{{sidebox|nichiren_exile.jpg|w=360|top=-110|Nichirens Weg insExil }}<br />
}}<br />
Der {{glossar:nichirenshuu|Nichiren Buddhismus}} ist nach seinem Begründer {{glossar:nichiren}} (1222-1282) benannt, taucht in älteren Quellen aber auch unter dem Namen Lotos Sekte ({{glossar:hokkeshuu}}) auf. Nichirens Lehre ist struk·tu·rell den Amida-Sekten durchaus ver·gleich·bar. Aller·dings steht nicht {{Glossar:Amida}} im Zentrum des Glaubens, sondern {{Glossar:Shakanyorai}}, der histo·rische Buddha, bzw. das ''Lotos Sutra''. Dies ent·spricht der orthoxen Position der [[Geschichte:Saicho | Tendai Lehre]], als deren kon·sequenten Ver·treter Nichiren sich selbst ansah. Tat·sächlich ver·ein·fachte er jedoch die religiöse Praxis des Tendai Buddhismus nach dem Muster der Amidisten: So wie diese glauben, durch die An·rufung Amidas ({{glossar:nenbutsu}}) bereits von diesem errettet zu werden, vertritt Nichiren die Auf·fas·sung, das bloße Rezitieren des '''Titels''' des ''Lotos Sutra'' (in der Formel {{glossar:namumyouhourengekyou}}) genüge, um alle Vorzüge dieses Sutra auf sich herab zu rufen. Als Vorstufe des Nirvana gibt es auch im Nichiren-Glauben ein Reines Land (Ryōzen Jōdo). Und wie der Amidismus rechtfertigt auch Nichiren seine Ver·ein·fachung der Tendai Lehre mit dem [[Geschichte:Heian_Zeit | ''mappō'']] (Endzeit) Gedanken.<br />
<br />
Vielleicht wegen dieser grundsätzlich ähnlichen Ausgangsposition sah Nichiren in den Amidisten nicht nur seine persönlichen Gegner, er machte sie auch für alle Kata·stro·phen der Zeit ver·ant·wort·lich. Wie sein Motto „brechen und unterwerfen“ ({{glossar:shakubuku}}) aus·drückt, nahm er eine radikale Position gegen Anders·gläubige ein und war auf·grund dieser funda·men·talis·tischen Haltung selbst harten Re·pres·sionen ausgesetzt. So wurde ein Todes·urteil gegen ihn verhängt, das erst in letzter Minute in Ver·bannung um·ge·wandelt wurde. Diese Er·fahrungen führten zu seiner (Selbst-)Dar·stellung als Märtyrer. Seine düsteren Prophe·zei·hungen im Zu·sammen·hang mit der End·zeit des Dharma sah Nichiren durch die Angriffe der Mongolen auf Japan (1274 und 1281) bestätigt und versuchte die Auto·ri·täten des {{glossar:kamakura}} Shogunats zu überzeugen, nur seine Gebete könnten die endgültige Niederlage Japans verhindern.<br />
<br />
<div class="bildtext">[[Image:nichiren_mandala.jpg|left=|nichiren mandala]]<div>Mandala des Nichiren Buddhismus.<br /> Der Lobpreis des Lotos-Sutra: „namu myōhō renge kyō“ nimmt die zentrale Position dieses kalligraphischen Mandalas ein. <br /> Bild: [http://nichirenscoffeehouse.net/GohonzonShu/037.html Nichiren's Coffeehouse] [2010/8]</div></div><br />
<br />
Schon kurz nach Nichirens Tod spaltete sich seine An·hänger·schaft in ver·schiedene Unter·gruppen auf. Den stärksten Zulauf fand die Sekte schließlich in Kyoto, wo sich um die Mitte des fünf·zehnten Jahr·hunderts etwa die Hälfte der Ein·wohner (vor allem aus den Vierteln der Händler und Hand·werker = {{Glossar:Machishuu}}) zu ihr bekannte. Das verschaffte ihr eine ähnliche politische Macht wie der amidistischen {{glossar:ikkoushuu}}. Im sech·zehnten Jahr·hundert wurde die Sekte aller·dings militärisch zunächst durch die Krieger·mönche der Tendai-Klöster, dann durch {{Glossar:Odanobunaga}} niedergerungen.<br />
<br />
Nichirens Lehre folgt nicht nur ähnlichen Prinzipien wie der Bud·dhis·mus vom Reinen Land, sie resultiert auch aus einer ähnlichen Hin·wendung zur einfachen Be·völke·rung und be·in·haltete zur Zeit ihrer Ent·stehung eine ähnliche sozial-revolutionäre Spreng·kraft. Nichiren selbst nahm zu den poli·tischen Ver·hält·nissen seiner Zeit explizit Stellung und wurde dafür politisch verfolgt. Zugleich findet man aber auch den Glauben an die Aus·er·wählt·heit und Über·legen·heit Japans im Nichiren Bud·dhis·mus stark vertreten. Vor allem in der jüngeren und jüngsten Geschichte tendierten Nichiren Anhänger daher mitunter zu natio·nalis·tischen Positionen. Man findet aus diesem Grund sowohl unter linken als auch unter rechten politischen Gruppierungen Japans Anhänger und Gegner Nichirens. Eine moderne Laien·organisation, die aus der Nichiren-shū hervorging, ist die {{glossar:soukagakkai}}. Die {{glossar:koumeitou}}, Japans erfolg·reichste religiöse politische Partei, ist wiederum aus Sōka Gakkai hervorgegangen (s.a. [[Geschichte:Neue_Religionen | Neue Religionen]]). Beide gehören eher zum rechten Spektrum der japanischen Gesellschaft.<br />
<br />
{{Linkbox|ue=Literatur|text=<br />
{{Literatur:Habito_Stone_1999}}<br />
{{Literatur:Matsudo_2004}}<br />
}}<br />
{{Linkbox|text=<br />
* [http://nichirenscoffeehouse.net/home.html Nichiren's Coffeehouse] (en.)<br/>Etwas chaotisch, z.t. aber recht brauchbare Website zu Nichiren und Nichiren-relevanten Themen. U.a. Informationen und Links zu Primärtexten.<br />
* [http://www2s.biglobe.ne.jp/%7Eshibuken/Nichiren/index.htm A Life Story of Nichiren Daishonin] (en.)<br/>Nichirens Biografie in modernen Bildern.<br />
|update= Aug. 2010|<br />
}}<br />
{{ThisWay|Geschichte: Shinto Mittelalter}}</div>Opaquehttps://religion-in-japan.univie.ac.at/r/index.php?title=Geschichte/Nichiren&diff=15030Geschichte/Nichiren2010-09-16T10:59:51Z<p>Opaque: </p>
<hr />
<div>{{Styles}}<br />
=Nichirens Lotos-Fundamentalismus=<br />
{{Wrapper|<br />
{{sidebox|nichiren_seichoji.jpg|w=180|left=-30|top=-15|Nichiren}}<br />
{{sidebox|nichiren_exile.jpg|w=360|top=-110|Nichirens Weg insExil }}<br />
}}<br />
Der {{glossar:nichirenshuu|Nichiren Buddhismus}} ist nach seinem Begründer {{glossar:nichiren}} (1222-1282) benannt, taucht in älteren Quellen aber auch unter dem Namen Lotos Sekte ({{glossar:hokkeshuu}}) auf. Nichirens Lehre ist struk·tu·rell den Amida-Sekten durchaus ver·gleich·bar. Aller·dings steht nicht {{Glossar:Amida}} im Zentrum des Glaubens, sondern {{Glossar:Shakanyorai}}, der histo·rische Buddha, bzw. das ''Lotos Sutra''. Dies ent·spricht der orthoxen Position der [[Geschichte:Saicho | Tendai Lehre]], als deren kon·sequenten Ver·treter Nichiren sich selbst ansah. Tat·sächlich ver·ein·fachte er jedoch die religiöse Praxis des Tendai Buddhismus nach dem Muster der Amidisten: So wie diese glauben, durch die An·rufung Amidas ({{glossar:nenbutsu}}) bereits von diesem errettet zu werden, vertritt Nichiren die Auf·fas·sung, das bloße Rezitieren des '''Titels''' des ''Lotos Sutra'' (in der Formel {{glossar:namumyouhourengekyou}}) genüge, um alle Vorzüge dieses Sutra auf sich herab zu rufen. Als Vorstufe des Nirvana gibt es auch im Nichiren-Glauben ein Reines Land (Ryōzen Jōdo). Und wie der Amidismus rechtfertigt auch Nichiren seine Ver·ein·fachung der Tendai Lehre mit dem [[Geschichte:Heian_Zeit | ''mappō'']] (Endzeit) Gedanken.<br />
<br />
Vielleicht wegen dieser grundsätzlich ähnlichen Ausgangsposition sah Nichiren in den Amidisten nicht nur seine persönlichen Gegner, er machte sie auch für alle Kata·stro·phen der Zeit ver·ant·wort·lich. Wie sein Motto „brechen und unterwerfen“ ({{glossar:shakubuku}}) aus·drückt, nahm er eine radikale Position gegen Anders·gläubige ein und war auf·grund dieser funda·men·talis·tischen Haltung selbst harten Re·pres·sionen ausgesetzt. So wurde ein Todes·urteil gegen ihn verhängt, das erst in letzter Minute in Ver·bannung um·ge·wandelt wurde. Diese Er·fahrungen führten zu seiner (Selbst-)Dar·stellung als Märtyrer. Seine düsteren Prophe·zei·hungen im Zu·sammen·hang mit der End·zeit des Dharma sah Nichiren durch die Angriffe der Mongolen auf Japan (1274 und 1281) bestätigt und versuchte die Auto·ri·täten des {{glossar:kamakura}} Shogunats zu überzeugen, nur seine Gebete könnten die endgültige Niederlage Japans verhindern.<br />
<br />
<div class="bildtext">[[Image:nichiren_mandala.jpg|left=|nichiren mandala]]<div>Mandala des Nichiren Buddhismus.<br /> Der Lobpreis des Lotos-Sutra: „namu myōhō renge kyō“ nimmt die zentrale Position dieses kalligraphischen Mandalas ein. <br /> Bild: [http://nichirenscoffeehouse.net/GohonzonShu/037.html Nichiren's Coffeehouse] [2010/8]</div></div><br />
<br />
Schon kurz nach Nichirens Tod spaltete sich seine An·hänger·schaft in ver·schiedene Unter·gruppen auf. Den stärksten Zulauf fand die Sekte schließlich in Kyoto, wo sich um die Mitte des fünf·zehnten Jahr·hunderts etwa die Hälfte der Ein·wohner (vor allem aus den Vierteln der Händler und Hand·werker = ''machishū'') zu ihr bekannte. Das verschaffte ihr eine ähnliche politische Macht wie der amidistischen {{glossar:ikkoushuu}}. Im sech·zehnten Jahr·hundert wurde die Sekte aller·dings militärisch zunächst durch die Krieger·mönche der Tendai-Klöster, dann durch {{Glossar:Odanobunaga}} niedergerungen.<br />
<br />
Nichirens Lehre folgt nicht nur ähnlichen Prinzipien wie der Bud·dhis·mus vom Reinen Land, sie resultiert auch aus einer ähnlichen Hin·wendung zur einfachen Be·völke·rung und be·in·haltete zur Zeit ihrer Ent·stehung eine ähnliche sozial-revolutionäre Spreng·kraft. Nichiren selbst nahm zu den poli·tischen Ver·hält·nissen seiner Zeit explizit Stellung und wurde dafür politisch verfolgt. Zugleich findet man aber auch den Glauben an die Aus·er·wählt·heit und Über·legen·heit Japans im Nichiren Bud·dhis·mus stark vertreten. Vor allem in der jüngeren und jüngsten Geschichte tendierten Nichiren Anhänger daher mitunter zu natio·nalis·tischen Positionen. Man findet aus diesem Grund sowohl unter linken als auch unter rechten politischen Gruppierungen Japans Anhänger und Gegner Nichirens. Eine moderne Laien·organisation, die aus der Nichiren-shū hervorging, ist die {{glossar:soukagakkai}}. Die {{glossar:koumeitou}}, Japans erfolg·reichste religiöse politische Partei, ist wiederum aus Sōka Gakkai hervorgegangen (s.a. [[Geschichte:Neue_Religionen | Neue Religionen]]). Beide gehören eher zum rechten Spektrum der japanischen Gesellschaft.<br />
<br />
{{Linkbox|ue=Literatur|text=<br />
{{Literatur:Habito_Stone_1999}}<br />
{{Literatur:Matsudo_2004}}<br />
}}<br />
{{Linkbox|text=<br />
* [http://nichirenscoffeehouse.net/home.html Nichiren's Coffeehouse] (en.)<br/>Etwas chaotisch, z.t. aber recht brauchbare Website zu Nichiren und Nichiren-relevanten Themen. U.a. Informationen und Links zu Primärtexten.<br />
* [http://www2s.biglobe.ne.jp/%7Eshibuken/Nichiren/index.htm A Life Story of Nichiren Daishonin] (en.)<br/>Nichirens Biografie in modernen Bildern.<br />
|update= Aug. 2010|<br />
}}<br />
{{ThisWay|Geschichte: Shinto Mittelalter}}</div>Opaquehttps://religion-in-japan.univie.ac.at/r/index.php?title=Geschichte/Zen/Bodhidharma&diff=15028Geschichte/Zen/Bodhidharma2010-09-16T10:40:46Z<p>Opaque: </p>
<hr />
<div>{{styles|sidepage}}<br />
=Bodhidharma <span class="bottom"> der erste Patriarch des Zen</span>=<br />
{{Galerie2|bilder={{Dia2|<br />
daruma_shokokuji.jpg|w=96|top=-30}}{{Dia2|<br />
daruma_armoffering.jpg|w=96|top=-30}}{{Dia2|<br />
daruma2.jpg|w=96}}{{Dia2|<br />
daruma4.jpg|w=96}}{{Dia2|<br />
daruma_shohaku.jpg|w=96}}{{Dia2|<br />
daruma_hokusai.jpg|w=96}}{{Dia2|<br />
daruma_kyosai.jpg|w=x120|left=-50}}{{Dia2|<br />
daruma_takayama.jpg}}{{Dia2|<br />
darumaichi.jpg|w=96}}{{Dia2|<br />
daruma3.jpg|w=96}}<br />
}}<br />
Bodhidharma (jap. {{glossar:daruma}}), der legendenumwobene Gründer des {{glossar:chan}}, bzw. {{Glossar:Zen}} Buddhismus, ist ein beliebtes ikono·gra·phisches Motiv. In seiner Dar·stellung lässt sich über die Jahr·hunderte hinweg eine deutliche Tendenz vom asketisch-strengen Rollen·vor·bild zum ver·nied·lichten Mas·kottchen, bzw. zur Karikatur feststellen.<br />
{{ThisWay}}</div>Opaquehttps://religion-in-japan.univie.ac.at/r/index.php?title=Geschichte/Zen&diff=14750Geschichte/Zen2010-09-15T14:47:04Z<p>Opaque: /* Zen und der Westen */</p>
<hr />
<div>{{Styles}} <br />
=Zen Buddhismus=<br />
{{Wrapper|__TOC__<br />
{{Sidebox|sidepage=Bodhidharma|titel=bilder|daruma2.jpg|w=140|top=-5| Daruma Portraits}}<br />
}}<br />
{{glossar:zen}} wurde ebenso wie die meisten anderen Richtungen des japanischen Bud·dhis·mus aus China über·nommen, wo man ihn Chan nennt. Der Begriff selbst bedeutet im Grunde „Meditation“, und zwar genau genommen ''dhyāna''-Meditation, eine Methode, die auf die Er·langung besonderer Einsichten Wert legt. Diese Methode wurde und wird von vielen Buddhisten praktiziert, auch schon bevor sich Zen als eigene Richtung etablierte. Im Zen wird aber auf diese Methode besonderer Wert gelegt. Die Betonung der Meditation spiegelt sich auch in den Legenden, die sich um den Stamm·vater des Zen-Buddhismus, Bodhidharma, ranken.<br />
<br />
==Die legendäre Gestalt des Bodhidharma==<br />
<br />
Bodhidharma (jap. Bodaidaruma oder schlicht {{glossar:daruma}}) soll im Jahr 520 von Indien nach China gekommen sein, wo er allein durch sein phy·sisches Er·schei·nungs·bild Aufsehen erregte. Die Ikonographie des Zen zeichnet ihn jedenfalls als stark behaartes, bärtiges Raubein mit her·vor·quel·lenden Augen, der stark an die Dar·stel·lungen von [[Ikonographie:Wächtergötter | Wächtergottheiten]] oder {{glossar:oni}} erinnert. Dieser unheimliche Mönch soll nun neun Jahre lang gegen eine Mauer gewandt im Meditations·sitz ({{glossar:zazen}}) verharrt haben, ohne sich durch Mitmönche, die sich ihm als Schüler andienten, aus der Ruhe bringen zu lassen. Erst {{glossar:huike}}, der erste chinesische Chan-Patriarch, soll seine Auf·merk·sam·keit auf sich gelenkt haben, indem er sich selbst einen Arm abhackte. Bodhidharma wiederum soll sich die Augen·lider ab·ge·schnitten haben, um während der Meditation nicht ein·zu·schlafen. Außer dieser besonderen Neigung zur Meditation ist von Bodhidharma wenig bekannt, doch scheint es gerade seine Rätsel·haftig·keit zu sein, die ihn als Gründer·figur des Chan/Zen attraktiv machte.<br />
<br />
In Japan weiß die Legende von Bodhidharma außerdem noch zu berichten, dass sich infolge seiner Meditation seine Arme und Beine rück·gebildet hätten. Die japanische Volks·religion hat daraus schließlich die glücks·bringende Daruma-Puppe gemacht, ein Steh·auf·männchen, das nur aus Kopf und Rumpf besteht (s. dazu auch [[Alltag:Glücksbringer | Glücksbringer]]).<br />
<br />
==Chinesische Chan-Patriarchen==<br />
{{Wrapper|position=right|<br />
{{sidebox|rinzai.jpg|w=180|left=-10|Linji/Rinzai }}<br />
{{sidebox|sidepage=Koan|titel=zitat|hotei2_hakuin.jpg|Ein Kōan}}<br />
}}<br />
<br />
Auf Bodhidharma folgte in China eine Reihe berühmter Patriarchen, die jeder ihren eigenen, individuellen Stil hatten, um ihre Schüler zur Erleuchtung zu führen. Besonders berühmt ist Meister {{glossar:linji}} (jap. Rinzai), der seine Schüler durch Stock·schläge und Schelt·schreie („katsu!“) zur Erleuchtung führte. Die Anekdoten dieser Patriarchen bilden so etwas wie den Kanon der Zen-Sekte. In ihnen offenbart sich ein im Zen funda·mentales Prinzip: Erleuchtung kann nicht durch Studium vermittelt werden, sondern nur durch un·mittel·bare Er·leuch·tungs·erfah·rung (jap. {{glossar:satori}}). Diese Erfahrung steht in voll·kommenen Gegen·satz zum All·tags·be·wusst·sein und über·kommt einen überfalls·artig. Um das All·tags·be·wusst·sein außer Kraft zu setzen, hat der Zen Bud·dhis·mus auch jene paradoxen „Zen-Rätsel“ ({{glossar:kouan}}) entwickelt, in die sich die Schüler während der Meditation vertiefen sollen. Die ''kōan'' mögen spiele·rischen Charakter haben. Zugleich drücken sie aber auch aus, dass die Suche nach der Er·leuch·tung nur dann erfolg·reich ist, wenn sie mit dem Ernst einer Ent·scheidung auf Leben und Tod verbunden ist. Daher auch das häufige Motiv der physischen Gewalt in den Zen-Geschichten. Daher auch ein möglicher Appeal, den Zen für die japanische Kriegerklasse hatte.<br />
<br />
Hinsichtlich seiner privilegierten Mittel, zur Erleuchtung zu gelangen, lässt sich Zen als das genaue Gegen·teil des [[Geschichte:Amidismus | Amidismus]] auffassen. Im Mittel·punkt steht die eigene An·stren·gung, das eigene Wollen, das ein absolutes Aus·maß erreichen muss: {{glossar:jiriki}}, nicht {{glossar:tariki}}. Die Be·herr·schung des eigenen Willens, die Selbst·disziplin schiebt sich dabei im Zen gegenüber dem Glauben in den Vorder·grund. Was man glaubt, scheint oft gar nicht mehr von Bedeutung. Vor allem darf man sich durch den Gegen·stand seiner Glaubens·vereh·rung nicht von seinem Weg der Übung ab·bringen lassen. Ein berühmter ''kōan'' sagt sogar: „Wenn du den Buddha triffst, töte den Buddha!“<br />
<br />
==Zen in Japan==<br />
{{Wrapper|position=right|<br />
{{sidebox|dogen.jpg|w=140|Dōgen}}<br />
{{sidebox|eisai_kenninji.jpg|w=140|Eisai}}<br />
}}<br />
In der {{glossar:kamakura}}-Zeit entwickelten sich zwei Haupt·strö·mungen des japanischen Zen, {{glossar:soutoushuu}} und {{glossar:rinzaishuu}}. Sōtō Zen war ursprünglich die asketischere und strengere Richtung. Ihr Begründer, {{glossar:dougenkigen}} (1200–1253), ist heute der vielleicht bekannteste Vertreter des japanischen Zen überhaupt. Dōgen war jedoch zu seinen Lebzeiten nicht mehr als der Abt eines sek·tie·rerischen Klosters in einer ab·ge·legenen Provinz. Auch unter seinen Nach·folgern blieb Sōtō Zen weit hinter der Bedeutung von Rinzai Zen zurück und verbreitete sich vor allem in ländlichen Gebieten.<br />
<br />
Die Rinzai-Schule erfuhr hingegen eine massive Förde·rung durch das neu gegründete Shogunat in Kamakura. Die historische Rolle des Zen ist daher eng mit der Etablierung einer neuen Herr·schafts·ordnung durch den Krieger·adel in der Kamakura Zeit verknüpft.<br />
<br />
===Gozan-Klöster in Kamakura===<br />
<br />
Als buddhistischer Orden wurde Zen in Japan durch {{glossar:myouaneisai}} (oder {{glossar:yousai}}, 1141–1215) begründet, nachdem er selbst in China in den Chan-Orden eingeweiht worden war. Eisai verdankte die rasche Akzeptanz seiner neuen Richtung zum einen der Tatsache, dass man von chinesischen Chan Meistern wusste, aber noch niemand vor ihm in den Besitz einer formalen Weiter·gabe·be·rechtigung gekommen war. Zum anderen kooperierte Eisai eng mit den etablierten japanischen Schulen, vor allem mit der {{glossar:Shingonshuu}}, und bestand nicht auf einer puristischen, kom·pro·miss·losen Linie, wie sie für den Sōtō Zen charakte·ristisch werden sollte (Dōgen kritisiert die gleiche Kom·pro·miss·bereit·schaft bereits bei den Linji-Kollegen in China). Andererseits hatte auch Eisai mit Gegnern, vor allem inner·halb der {{glossar:tendaishuu|Tendai}} Schule zu kämpfen. Das führte dazu, dass er Kyoto verließ und im neu errichteten Shogunat von Kamakura einen wichtigen Gönner fand. Das Shogunat unterstützte Eisai dabei, ein Kloster·system, wie es bereits im chinesischen Chan bestand, zu errichten. Dieses bestand aus fünf Haupt·tempeln und wurde dem·ent·sprechend {{glossar:gozan}} (Fünf Berge) System genannt. Mit der Errichtung dieser Klöster erhielt Eisais Richtung (Rinzai Zen) in Kamakura eine ähnliche Funktion, wie sie Tendai, Shingon und die [[Geschichte:Nara | Nara Schulen]] für den Kaiserhof in Kyoto hatten.<br />
<br />
Es ist fraglich, ob diese Förderung der neuen bud·dhis·tischen Richtung wirklich aufgrund einer besonderen Affinität zwischen der Strenge des Zen und dem Ethos der Krieger erfolgte, wie häufig behauptet wird. Eher scheint es der historischen Koinzidenz von der Gründung des Kamakura-Shogunats (1185) und der Einführung einer neuen bud·dhis·tischen Lehre zuzu·schreiben, dass die noch nicht vom Hof „besetzte“ Richtung des Zen nun von den Minamoto Shogunen favorisiert wurde.<br />
<br />
===Zen unter den Ashikaga Shogunen===<br />
{{Wrapper|position=right|<br />
{{Sidebox|ashikaga_yoshimitsu.jpg|w=280|left=-70|top=-80| Shogun Yoshimitsu }}<br />
{{Sidebox|kinkakuji.jpg|w=240|left=-50|top=-30| Kinkaku-ji}}<br />
}}<br />
Das Kamakura Shogunat wurde bekanntlich von der Dynastie der Ashikaga verdrängt, die das politische Zentrum Japans 1336 wieder nach Kyoto verlegte. Damit verlagerte sich auch der Schwer·punkt der ''gozan''-Klöster in die alte Haupt·stadt, wo ein neues Set von „Fünf Bergen“ entstand. Die Regierungs·zeit der Ashikaga Shogune ({{glossar:muromachi}}-Zeit 1333–1573) gilt die Blütezeit der ''gozan''-Kloster·kultur. Tusch·malerei und Tee-Kultur bildeten zusammen mit chinesischer und japanischer Dichtung die wichtigsten Künste, die in den Klöstern gepflegt und mit dem Adel geteilt wurden. Zen-Mönche, die nicht das Privileg hatten, Mit·glieder der „Fünf Berge“ zu sein, waren jedoch von dieser Kultur weit·gehend aus·ge·schlossen und geißelten ihre Mit·brüder, sich ganz in welt·lichen Ver·irrungen verloren zu haben. Für sie war Zen keineswegs gleichbedeutend mit Tee, Kalligraphie und Dichtung.<br />
<br />
In der künstlerisch überhöhten ''gozan'' Kultur zur Zeit der Ashikaga stellte im übrigen China das große Vorbild dar. Da in den ''gozan'' Klöstern die chinesischen Chan-Patriarchen und ihre Texte einen hohen Stellenwert hatten, waren Zen-Mönche die besten „Sinologen“ der damaligen Zeit und vor allem in dieser Funktion waren sie für die Kultur der Elite wichtig. Das führte unter anderem dazu, dass auch nicht-buddhistische Denk·traditionen des Kon·fuzianis·mus und Taoismus gerade in Zen-Klöstern gepflegt wurden. Es ist daher auch kein Wunder, dass die [[Geschichte:Neo-Konfuzianismus | Neo-Konfuzianer]] der frühen {{glossar:edo}}-Zeit (17. Jh.) wie Fujiwara Seika oder Hayashi Razan ausgebildete Zen-Mönche waren. Es ist also notwendig, die Entwicklung des Zen in Japan historisch differenziert zu betrachten und zu bedenken, dass nicht alles, was unter Beteiligung von Zen Mönchen in Japan entstand, zwangsläufig Zen ist.<br />
<br />
==Die geschichtliche Rolle des Zen==<br />
<br />
Es gehört zu den von der japanischen Geschichtstradition selbst geschaffenen Mythen, dass alle sogenannten „Krieger“ (''bushi'', ''samurai'') vom Shōgun bis zum letzten kleinen Vasall Träger einer gemeinsamen Krieger-Kultur waren, die im Kern vom Zen geprägt war. Tatsächlich war aber Krieger nicht gleich Krieger, Samurai nicht gleich Samurai. Zen war vor allem eine Religion der Krieger·elite, die sich zugleich an der Kultur des Hofes orientierte. Ab·kömmlinge des so·ge·nannten „Schwertadels“ (''buke'') und des alten Hofadels (''kuge'') bildeten während der Ashikaga Herr·schaft zusammen die Kultur der Haupt·stadt und ließen sich dabei ge·mein·sam von Zen-Mönchen in exotischen Vergnügen wie dem Tee·trinken beraten. In den Provinzen schlossen sich Krieger und Bauern dagegen zu rebellischen Gruppen zusammen, die als {{glossar:ikkoushuu}} bekannt wurden. Sie stellen die Vorläufer des heute noch weit verbreiteten {{glossar:joudoshinshuu}} Buddhismus dar (s. dazu [[Geschichte:Amidismus | Amidismus]]). Die nieder·rangigen Kämpfer in den Provinzen waren also eher für die Lehren des Reinen Landes ({{glossar:joudo}}) empfänglich. Zwischen ihnen und der ''gozan''-Kultur in Kyoto herrschte wohl eine ähnliche Kluft, wie zwischen Kriegern und Hof·adeligen zur Zeit des ''Genji monogatari''.<br />
<br />
Gab es also überhaupt einen Unterschied zwischen Zen Mönchen und den Angehörigen anderer bud·dhis·tischer Richtungen? Einen guten Einblick gibt hier die Ge·schichten·sammlung {{glossar:Shasekishuu}}, deren Autor, {{glossar:mujuuichien}} (1226–1312), selbst dem Zen nahe stand. Seine Bewunderung für die neue Richtung äußert sich beispielsweise in der Art, wie er über den Tod damals berühmter Zen Meister berichtet. Sie sollen nicht nur jeweils ein Todes·gedicht im chinesischen Stil gedichtet haben, das sie vor ihrem Ableben rezitierten, sie waren auch in der Lage, den Zeit·punkt ihres Todes vor·her·zu·sagen und verschieden dann in auf·rechter Meditations·haltung. Mujū berichtet mit ähnlicher Anerkennung aber auch von Amida Buddhisten, die bis zu ihrem Tod unverwandt das {{glossar:nenbutsu}} rezitierten. Mujū selbst hat sicher sowohl von Zen- als auch von Jōdo-Techniken Gebrauch gemacht. Er zeigt Be·wunde·rung für eine Art von kon·sequenter Strenge im Lebens·stil der Zen-Mönche, die anderen Buddhisten seiner Zeit oft abhanden gekommen war, er verrät aber gleichzeitig, dass sie sehr wohl auch mit den etablierten Schulen ({{glossar:tendaishuu|Tendai}} und {{glossar:shingonshuu|Shingon}}) kooperierten, bzw. deren Praktiken in ihre eigene Liturgie integrierten. In dieser Hinsicht war Zen wahr·schein·lich weniger radikal als einzelne Vertreter des [[Geschichte:Amidismus | Amidismus]] oder des {{glossar:nichirenshuu|Nichiren}} Buddhismus, die funda·men·ta·listische Positionen vertraten und sich nicht in das Paradigma des Pluralismus, das vom Mainstream-Buddhismus vertreten wurde, einordnen ließen.<br />
<br />
===Spätere Entwicklungen===<br />
{{Wrapper|position=right|<br />
{{sidebox|ikkyu.jpg|w=180|left=-20|top=-200|Ikkyū}}<br />
{{sidebox|hakuin.jpg|w=140|top=-30|Hakuin}}<br />
{{Sidebox|Awa_kenzo.jpg| w=140|top=-40|Zen und Bogenschießen}}<br />
}}<br />
Ein Bild vom Leben der Zen Mönche im späten Mittel·alter gibt der exzentrische Dichter-Mönch {{glossar:ikkyuusoujun}} (1394–1481), der unter anderem für seine erotische Liebes·lyrik bekannt ist. Bei ihm ist zu erkennen, wie die rätsel·hafte Strenge, für die die alten Patriarchen bekannt sind, im Denken der Zen-Mönche immer wieder aufscheint. In der Praxis beweist jedoch Ikkyūs eigener Lebens·wandel, dass von dieser Strenge wohl im allgemeinen nicht viel zu spüren war.<br />
<br />
In der frühen Edo-Zeit kam es zur Gründung der dritten Haupt·richtung des japanischen Zen, der {{glossar:oubakushuu}}, durch den chinesischen Mönch {{glossar:yinyuanlongqi}} (1592–1673). Die Richtung ist nach einem chinesischen Kloster benannt und gilt als noch eklektizistischer als die beiden anderen Haupt·richtungen, Rinzai-shū und Sōtō-shū.<br />
<br />
Auch innerhalb des Rinzai Zen kam es zu Reformen, u.a. durch {{glossar:hakuinekaku}} (1685–1768), der mit seinen humor·vollen Tusch·zeich·nungen ein eigenes Genre der „Zen-Malerei“ ({{glossar:zenga}}) begründete. Er schuf aber auch eine Reihe von schriftlichen Werken in ähnlich unmittelbar-persönlichem Stil.<br />
<br />
==Zen und der Westen==<br />
<br />
Zen bietet historisch betrachtet ein sehr wider·sprüch·liches Bild und ist auch als Religion die am schwierigsten zu klas·sifi·zie·rende Strömung des ja·pa·nischen Bud·dhis·mus. Zweifel·los liegt aber gerade darin seine besondere An·ziehungs·kraft im Westen. Zen ist vielleicht ebenso aus dem Taoismus zu erklären, wie aus dem Bud·dhis·mus, und ist daher auch Anhängern anderer Religionen zugänglicher als jene Varianten des ja·pa·nischen Bud·dhis·mus, die stärker an konkrete Bilder und Vor·stel·lungen gebunden sind. Daher finden selbst Christen keine allzu großen Schwierig·keiten, Zen mit Jesus in Einklang zu bringen. Besonders um die Mitte des zwanzigsten Jahr·hunderts hat sich ein Nahe·ver·hältnis zwischen dem Jesuiten·orden und der japanischen Zen Sekte entwickelt, aus dem sich ein Bild des Zen entwickelte, das die Zen Begeisterung der westlichen Welt ent·scheidend prägte. In diese Zeit fiel auch die Ab·fassung von Eugen Herrigels ''[[Grundbegriffe:Stereotype/Zen-Bogenschießen|Zen und die Kunst des Bogenschießens'']] (1948), das bis heute den Mythos vom todes·ver·achtenden Zen-Mönch, bzw. vom Zen-inspirierten Samurai mit beeinflusst. (S. dazu auch [[Grundbegriffe:Stereotype | Stereotype Ansichten über Religion in Japan]].)<br />
<br />
{{Linkbox|ue=Weiterführende Informationen|text=<br />
Über Zen findet sich im Netz massenweise Information in westlichen Sprachen. Zur Orientierung empfiehlt sich:<br />
* [http://www.ciolek.com/WWWVL-Zen.html Zen Buddhism WWW Virtual Library] (en.)<br/>Ausführliche Linksammlung zum Thema Zen.<br />
<br />
Literatur:<br />
{{Literatur:Bodiford_1993}}<br/>Bodiford gilt als führender westlicher Experte der institutionellen Geschichte des Zen in Japan.<br />
{{Literatur:Faure_1993}} <br/> Entmythologisierende Studie des chinesischen und japanischen Zen, bzw. Chan Buddhismus.<br />
{{Literatur:Dumoulin_1985}}<br />
{{Literatur:Dumoulin_1986}}<br/> Dumoulin gilt auch im englischen Sprachraum als exzellenter Kenner sowohl der japanischen als auch der chinesischen Geschichte des Zen. Seine Sicht ist jedoch nicht ganz unbeeinflusst von seinem Bemühen, Zen und Christentum einander anzunähern. Dumoulin war Jesuitenpater und Missionar.<br />
{{Literatur:Suzuki_1957}}<br/> {{glossar:suzukidaisetsu|Daisetz T. Suzuki}} ist der vielleicht berühmteste Zen-Autor des 20. Jahrhunderts und verantwortlich für viele moderne Mythen, die rund um Zen entstanden sind. Dank seiner populären Schriften sind chinesische Chan-Mönche wie Linzi oder Chan-Klassiker wie das {{glossar:Wumenguan}} im Westen unter der japanischen Aussprache „Rinzai“ und ''„Mumonkan“'' viel besser bekannt.<br />
|update= Aug. 2010|<br />
}}<br />
{{ThisWay|Geschichte: Nichiren}}</div>Opaquehttps://religion-in-japan.univie.ac.at/r/index.php?title=Geschichte/Zen&diff=14749Geschichte/Zen2010-09-15T14:45:00Z<p>Opaque: /* Spätere Entwicklungen */</p>
<hr />
<div>{{Styles}} <br />
=Zen Buddhismus=<br />
{{Wrapper|__TOC__<br />
{{Sidebox|sidepage=Bodhidharma|titel=bilder|daruma2.jpg|w=140|top=-5| Daruma Portraits}}<br />
}}<br />
{{glossar:zen}} wurde ebenso wie die meisten anderen Richtungen des japanischen Bud·dhis·mus aus China über·nommen, wo man ihn Chan nennt. Der Begriff selbst bedeutet im Grunde „Meditation“, und zwar genau genommen ''dhyāna''-Meditation, eine Methode, die auf die Er·langung besonderer Einsichten Wert legt. Diese Methode wurde und wird von vielen Buddhisten praktiziert, auch schon bevor sich Zen als eigene Richtung etablierte. Im Zen wird aber auf diese Methode besonderer Wert gelegt. Die Betonung der Meditation spiegelt sich auch in den Legenden, die sich um den Stamm·vater des Zen-Buddhismus, Bodhidharma, ranken.<br />
<br />
==Die legendäre Gestalt des Bodhidharma==<br />
<br />
Bodhidharma (jap. Bodaidaruma oder schlicht {{glossar:daruma}}) soll im Jahr 520 von Indien nach China gekommen sein, wo er allein durch sein phy·sisches Er·schei·nungs·bild Aufsehen erregte. Die Ikonographie des Zen zeichnet ihn jedenfalls als stark behaartes, bärtiges Raubein mit her·vor·quel·lenden Augen, der stark an die Dar·stel·lungen von [[Ikonographie:Wächtergötter | Wächtergottheiten]] oder {{glossar:oni}} erinnert. Dieser unheimliche Mönch soll nun neun Jahre lang gegen eine Mauer gewandt im Meditations·sitz ({{glossar:zazen}}) verharrt haben, ohne sich durch Mitmönche, die sich ihm als Schüler andienten, aus der Ruhe bringen zu lassen. Erst {{glossar:huike}}, der erste chinesische Chan-Patriarch, soll seine Auf·merk·sam·keit auf sich gelenkt haben, indem er sich selbst einen Arm abhackte. Bodhidharma wiederum soll sich die Augen·lider ab·ge·schnitten haben, um während der Meditation nicht ein·zu·schlafen. Außer dieser besonderen Neigung zur Meditation ist von Bodhidharma wenig bekannt, doch scheint es gerade seine Rätsel·haftig·keit zu sein, die ihn als Gründer·figur des Chan/Zen attraktiv machte.<br />
<br />
In Japan weiß die Legende von Bodhidharma außerdem noch zu berichten, dass sich infolge seiner Meditation seine Arme und Beine rück·gebildet hätten. Die japanische Volks·religion hat daraus schließlich die glücks·bringende Daruma-Puppe gemacht, ein Steh·auf·männchen, das nur aus Kopf und Rumpf besteht (s. dazu auch [[Alltag:Glücksbringer | Glücksbringer]]).<br />
<br />
==Chinesische Chan-Patriarchen==<br />
{{Wrapper|position=right|<br />
{{sidebox|rinzai.jpg|w=180|left=-10|Linji/Rinzai }}<br />
{{sidebox|sidepage=Koan|titel=zitat|hotei2_hakuin.jpg|Ein Kōan}}<br />
}}<br />
<br />
Auf Bodhidharma folgte in China eine Reihe berühmter Patriarchen, die jeder ihren eigenen, individuellen Stil hatten, um ihre Schüler zur Erleuchtung zu führen. Besonders berühmt ist Meister {{glossar:linji}} (jap. Rinzai), der seine Schüler durch Stock·schläge und Schelt·schreie („katsu!“) zur Erleuchtung führte. Die Anekdoten dieser Patriarchen bilden so etwas wie den Kanon der Zen-Sekte. In ihnen offenbart sich ein im Zen funda·mentales Prinzip: Erleuchtung kann nicht durch Studium vermittelt werden, sondern nur durch un·mittel·bare Er·leuch·tungs·erfah·rung (jap. {{glossar:satori}}). Diese Erfahrung steht in voll·kommenen Gegen·satz zum All·tags·be·wusst·sein und über·kommt einen überfalls·artig. Um das All·tags·be·wusst·sein außer Kraft zu setzen, hat der Zen Bud·dhis·mus auch jene paradoxen „Zen-Rätsel“ ({{glossar:kouan}}) entwickelt, in die sich die Schüler während der Meditation vertiefen sollen. Die ''kōan'' mögen spiele·rischen Charakter haben. Zugleich drücken sie aber auch aus, dass die Suche nach der Er·leuch·tung nur dann erfolg·reich ist, wenn sie mit dem Ernst einer Ent·scheidung auf Leben und Tod verbunden ist. Daher auch das häufige Motiv der physischen Gewalt in den Zen-Geschichten. Daher auch ein möglicher Appeal, den Zen für die japanische Kriegerklasse hatte.<br />
<br />
Hinsichtlich seiner privilegierten Mittel, zur Erleuchtung zu gelangen, lässt sich Zen als das genaue Gegen·teil des [[Geschichte:Amidismus | Amidismus]] auffassen. Im Mittel·punkt steht die eigene An·stren·gung, das eigene Wollen, das ein absolutes Aus·maß erreichen muss: {{glossar:jiriki}}, nicht {{glossar:tariki}}. Die Be·herr·schung des eigenen Willens, die Selbst·disziplin schiebt sich dabei im Zen gegenüber dem Glauben in den Vorder·grund. Was man glaubt, scheint oft gar nicht mehr von Bedeutung. Vor allem darf man sich durch den Gegen·stand seiner Glaubens·vereh·rung nicht von seinem Weg der Übung ab·bringen lassen. Ein berühmter ''kōan'' sagt sogar: „Wenn du den Buddha triffst, töte den Buddha!“<br />
<br />
==Zen in Japan==<br />
{{Wrapper|position=right|<br />
{{sidebox|dogen.jpg|w=140|Dōgen}}<br />
{{sidebox|eisai_kenninji.jpg|w=140|Eisai}}<br />
}}<br />
In der {{glossar:kamakura}}-Zeit entwickelten sich zwei Haupt·strö·mungen des japanischen Zen, {{glossar:soutoushuu}} und {{glossar:rinzaishuu}}. Sōtō Zen war ursprünglich die asketischere und strengere Richtung. Ihr Begründer, {{glossar:dougenkigen}} (1200–1253), ist heute der vielleicht bekannteste Vertreter des japanischen Zen überhaupt. Dōgen war jedoch zu seinen Lebzeiten nicht mehr als der Abt eines sek·tie·rerischen Klosters in einer ab·ge·legenen Provinz. Auch unter seinen Nach·folgern blieb Sōtō Zen weit hinter der Bedeutung von Rinzai Zen zurück und verbreitete sich vor allem in ländlichen Gebieten.<br />
<br />
Die Rinzai-Schule erfuhr hingegen eine massive Förde·rung durch das neu gegründete Shogunat in Kamakura. Die historische Rolle des Zen ist daher eng mit der Etablierung einer neuen Herr·schafts·ordnung durch den Krieger·adel in der Kamakura Zeit verknüpft.<br />
<br />
===Gozan-Klöster in Kamakura===<br />
<br />
Als buddhistischer Orden wurde Zen in Japan durch {{glossar:myouaneisai}} (oder {{glossar:yousai}}, 1141–1215) begründet, nachdem er selbst in China in den Chan-Orden eingeweiht worden war. Eisai verdankte die rasche Akzeptanz seiner neuen Richtung zum einen der Tatsache, dass man von chinesischen Chan Meistern wusste, aber noch niemand vor ihm in den Besitz einer formalen Weiter·gabe·be·rechtigung gekommen war. Zum anderen kooperierte Eisai eng mit den etablierten japanischen Schulen, vor allem mit der {{glossar:Shingonshuu}}, und bestand nicht auf einer puristischen, kom·pro·miss·losen Linie, wie sie für den Sōtō Zen charakte·ristisch werden sollte (Dōgen kritisiert die gleiche Kom·pro·miss·bereit·schaft bereits bei den Linji-Kollegen in China). Andererseits hatte auch Eisai mit Gegnern, vor allem inner·halb der {{glossar:tendaishuu|Tendai}} Schule zu kämpfen. Das führte dazu, dass er Kyoto verließ und im neu errichteten Shogunat von Kamakura einen wichtigen Gönner fand. Das Shogunat unterstützte Eisai dabei, ein Kloster·system, wie es bereits im chinesischen Chan bestand, zu errichten. Dieses bestand aus fünf Haupt·tempeln und wurde dem·ent·sprechend {{glossar:gozan}} (Fünf Berge) System genannt. Mit der Errichtung dieser Klöster erhielt Eisais Richtung (Rinzai Zen) in Kamakura eine ähnliche Funktion, wie sie Tendai, Shingon und die [[Geschichte:Nara | Nara Schulen]] für den Kaiserhof in Kyoto hatten.<br />
<br />
Es ist fraglich, ob diese Förderung der neuen bud·dhis·tischen Richtung wirklich aufgrund einer besonderen Affinität zwischen der Strenge des Zen und dem Ethos der Krieger erfolgte, wie häufig behauptet wird. Eher scheint es der historischen Koinzidenz von der Gründung des Kamakura-Shogunats (1185) und der Einführung einer neuen bud·dhis·tischen Lehre zuzu·schreiben, dass die noch nicht vom Hof „besetzte“ Richtung des Zen nun von den Minamoto Shogunen favorisiert wurde.<br />
<br />
===Zen unter den Ashikaga Shogunen===<br />
{{Wrapper|position=right|<br />
{{Sidebox|ashikaga_yoshimitsu.jpg|w=280|left=-70|top=-80| Shogun Yoshimitsu }}<br />
{{Sidebox|kinkakuji.jpg|w=240|left=-50|top=-30| Kinkaku-ji}}<br />
}}<br />
Das Kamakura Shogunat wurde bekanntlich von der Dynastie der Ashikaga verdrängt, die das politische Zentrum Japans 1336 wieder nach Kyoto verlegte. Damit verlagerte sich auch der Schwer·punkt der ''gozan''-Klöster in die alte Haupt·stadt, wo ein neues Set von „Fünf Bergen“ entstand. Die Regierungs·zeit der Ashikaga Shogune ({{glossar:muromachi}}-Zeit 1333–1573) gilt die Blütezeit der ''gozan''-Kloster·kultur. Tusch·malerei und Tee-Kultur bildeten zusammen mit chinesischer und japanischer Dichtung die wichtigsten Künste, die in den Klöstern gepflegt und mit dem Adel geteilt wurden. Zen-Mönche, die nicht das Privileg hatten, Mit·glieder der „Fünf Berge“ zu sein, waren jedoch von dieser Kultur weit·gehend aus·ge·schlossen und geißelten ihre Mit·brüder, sich ganz in welt·lichen Ver·irrungen verloren zu haben. Für sie war Zen keineswegs gleichbedeutend mit Tee, Kalligraphie und Dichtung.<br />
<br />
In der künstlerisch überhöhten ''gozan'' Kultur zur Zeit der Ashikaga stellte im übrigen China das große Vorbild dar. Da in den ''gozan'' Klöstern die chinesischen Chan-Patriarchen und ihre Texte einen hohen Stellenwert hatten, waren Zen-Mönche die besten „Sinologen“ der damaligen Zeit und vor allem in dieser Funktion waren sie für die Kultur der Elite wichtig. Das führte unter anderem dazu, dass auch nicht-buddhistische Denk·traditionen des Kon·fuzianis·mus und Taoismus gerade in Zen-Klöstern gepflegt wurden. Es ist daher auch kein Wunder, dass die [[Geschichte:Neo-Konfuzianismus | Neo-Konfuzianer]] der frühen {{glossar:edo}}-Zeit (17. Jh.) wie Fujiwara Seika oder Hayashi Razan ausgebildete Zen-Mönche waren. Es ist also notwendig, die Entwicklung des Zen in Japan historisch differenziert zu betrachten und zu bedenken, dass nicht alles, was unter Beteiligung von Zen Mönchen in Japan entstand, zwangsläufig Zen ist.<br />
<br />
==Die geschichtliche Rolle des Zen==<br />
<br />
Es gehört zu den von der japanischen Geschichtstradition selbst geschaffenen Mythen, dass alle sogenannten „Krieger“ (''bushi'', ''samurai'') vom Shōgun bis zum letzten kleinen Vasall Träger einer gemeinsamen Krieger-Kultur waren, die im Kern vom Zen geprägt war. Tatsächlich war aber Krieger nicht gleich Krieger, Samurai nicht gleich Samurai. Zen war vor allem eine Religion der Krieger·elite, die sich zugleich an der Kultur des Hofes orientierte. Ab·kömmlinge des so·ge·nannten „Schwertadels“ (''buke'') und des alten Hofadels (''kuge'') bildeten während der Ashikaga Herr·schaft zusammen die Kultur der Haupt·stadt und ließen sich dabei ge·mein·sam von Zen-Mönchen in exotischen Vergnügen wie dem Tee·trinken beraten. In den Provinzen schlossen sich Krieger und Bauern dagegen zu rebellischen Gruppen zusammen, die als {{glossar:ikkoushuu}} bekannt wurden. Sie stellen die Vorläufer des heute noch weit verbreiteten {{glossar:joudoshinshuu}} Buddhismus dar (s. dazu [[Geschichte:Amidismus | Amidismus]]). Die nieder·rangigen Kämpfer in den Provinzen waren also eher für die Lehren des Reinen Landes ({{glossar:joudo}}) empfänglich. Zwischen ihnen und der ''gozan''-Kultur in Kyoto herrschte wohl eine ähnliche Kluft, wie zwischen Kriegern und Hof·adeligen zur Zeit des ''Genji monogatari''.<br />
<br />
Gab es also überhaupt einen Unterschied zwischen Zen Mönchen und den Angehörigen anderer bud·dhis·tischer Richtungen? Einen guten Einblick gibt hier die Ge·schichten·sammlung {{glossar:Shasekishuu}}, deren Autor, {{glossar:mujuuichien}} (1226–1312), selbst dem Zen nahe stand. Seine Bewunderung für die neue Richtung äußert sich beispielsweise in der Art, wie er über den Tod damals berühmter Zen Meister berichtet. Sie sollen nicht nur jeweils ein Todes·gedicht im chinesischen Stil gedichtet haben, das sie vor ihrem Ableben rezitierten, sie waren auch in der Lage, den Zeit·punkt ihres Todes vor·her·zu·sagen und verschieden dann in auf·rechter Meditations·haltung. Mujū berichtet mit ähnlicher Anerkennung aber auch von Amida Buddhisten, die bis zu ihrem Tod unverwandt das {{glossar:nenbutsu}} rezitierten. Mujū selbst hat sicher sowohl von Zen- als auch von Jōdo-Techniken Gebrauch gemacht. Er zeigt Be·wunde·rung für eine Art von kon·sequenter Strenge im Lebens·stil der Zen-Mönche, die anderen Buddhisten seiner Zeit oft abhanden gekommen war, er verrät aber gleichzeitig, dass sie sehr wohl auch mit den etablierten Schulen ({{glossar:tendaishuu|Tendai}} und {{glossar:shingonshuu|Shingon}}) kooperierten, bzw. deren Praktiken in ihre eigene Liturgie integrierten. In dieser Hinsicht war Zen wahr·schein·lich weniger radikal als einzelne Vertreter des [[Geschichte:Amidismus | Amidismus]] oder des {{glossar:nichirenshuu|Nichiren}} Buddhismus, die funda·men·ta·listische Positionen vertraten und sich nicht in das Paradigma des Pluralismus, das vom Mainstream-Buddhismus vertreten wurde, einordnen ließen.<br />
<br />
===Spätere Entwicklungen===<br />
{{Wrapper|position=right|<br />
{{sidebox|ikkyu.jpg|w=180|left=-20|top=-200|Ikkyū}}<br />
{{sidebox|hakuin.jpg|w=140|top=-30|Hakuin}}<br />
{{Sidebox|Awa_kenzo.jpg| w=140|top=-40|Zen und Bogenschießen}}<br />
}}<br />
Ein Bild vom Leben der Zen Mönche im späten Mittel·alter gibt der exzentrische Dichter-Mönch {{glossar:ikkyuusoujun}} (1394–1481), der unter anderem für seine erotische Liebes·lyrik bekannt ist. Bei ihm ist zu erkennen, wie die rätsel·hafte Strenge, für die die alten Patriarchen bekannt sind, im Denken der Zen-Mönche immer wieder aufscheint. In der Praxis beweist jedoch Ikkyūs eigener Lebens·wandel, dass von dieser Strenge wohl im allgemeinen nicht viel zu spüren war.<br />
<br />
In der frühen Edo-Zeit kam es zur Gründung der dritten Haupt·richtung des japanischen Zen, der {{glossar:oubakushuu}}, durch den chinesischen Mönch {{glossar:yinyuanlongqi}} (1592–1673). Die Richtung ist nach einem chinesischen Kloster benannt und gilt als noch eklektizistischer als die beiden anderen Haupt·richtungen, Rinzai-shū und Sōtō-shū.<br />
<br />
Auch innerhalb des Rinzai Zen kam es zu Reformen, u.a. durch {{glossar:hakuinekaku}} (1685–1768), der mit seinen humor·vollen Tusch·zeich·nungen ein eigenes Genre der „Zen-Malerei“ ({{glossar:zenga}}) begründete. Er schuf aber auch eine Reihe von schriftlichen Werken in ähnlich unmittelbar-persönlichem Stil.<br />
<br />
==Zen und der Westen==<br />
<br />
Zen bietet historisch betrachtet ein sehr widersprüchliches Bild und ist auch als Religion die am schwierigsten zu klassifizierende Strömung des japanischen Buddhismus. Zweifellos liegt aber gerade darin seine besondere Anziehungskraft im Westen. Zen ist vielleicht ebenso aus dem Taoismus zu erklären, wie aus dem Buddhismus, und ist daher auch Anhängern anderer Religionen zugänglicher als jene Varianten des japanischen Buddhismus, die stärker an konkrete Bilder und Vorstellungen gebunden sind. Daher finden selbst Christen keine allzu großen Schwierigkeiten, Zen mit Jesus in Einklang zu bringen. Besonders um die Mitte des 20. Jh. hat sich ein Naheverhältnis zwischen dem Jesuitenorden und der japanischen Zen Sekte entwickelt, aus dem sich ein Bild des Zen entwickelte, das die Zen Begeisterung der westlichen Welt entscheidend prägte. In diese Zeit fiel auch die Abfassung von Eugen Herrigels ''[[Grundbegriffe:Stereotype/Zen-Bogenschießen|Zen und die Kunst des Bogenschießens'']] (1948), das bis heute den Mythos vom todesverachtenden Zen-Mönch, bzw. vom Zen-inspirierten Samurai mit beeinflusst. (S. dazu auch [[Grundbegriffe:Stereotype | Stereotype Ansichten über Religion in Japan]].)<br />
<br />
{{Linkbox|ue=Weiterführende Informationen|text=<br />
Über Zen findet sich im Netz massenweise Information in westlichen Sprachen. Zur Orientierung empfiehlt sich:<br />
* [http://www.ciolek.com/WWWVL-Zen.html Zen Buddhism WWW Virtual Library] (en.)<br/>Ausführliche Linksammlung zum Thema Zen.<br />
<br />
Literatur:<br />
{{Literatur:Bodiford_1993}}<br/>Bodiford gilt als führender westlicher Experte der institutionellen Geschichte des Zen in Japan.<br />
{{Literatur:Faure_1993}} <br/> Entmythologisierende Studie des chinesischen und japanischen Zen, bzw. Chan Buddhismus.<br />
{{Literatur:Dumoulin_1985}}<br />
{{Literatur:Dumoulin_1986}}<br/> Dumoulin gilt auch im englischen Sprachraum als exzellenter Kenner sowohl der japanischen als auch der chinesischen Geschichte des Zen. Seine Sicht ist jedoch nicht ganz unbeeinflusst von seinem Bemühen, Zen und Christentum einander anzunähern. Dumoulin war Jesuitenpater und Missionar.<br />
{{Literatur:Suzuki_1957}}<br/> {{glossar:suzukidaisetsu|Daisetz T. Suzuki}} ist der vielleicht berühmteste Zen-Autor des 20. Jahrhunderts und verantwortlich für viele moderne Mythen, die rund um Zen entstanden sind. Dank seiner populären Schriften sind chinesische Chan-Mönche wie Linzi oder Chan-Klassiker wie das {{glossar:Wumenguan}} im Westen unter der japanischen Aussprache „Rinzai“ und ''„Mumonkan“'' viel besser bekannt.<br />
|update= Aug. 2010|<br />
}}<br />
{{ThisWay|Geschichte: Nichiren}}</div>Opaque