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Mythen/Symboltiere/Namazu-e
2015-09-25T12:18:28Z
<p>Nicole Janker: </p>
<hr />
<div>{{Styles|sidepage}}{{#css: <br />
td{vertical-align:top} <br />
table.f_left {width:250px;float:left;margin-left:-7px; padding-right:3em;} <br />
h3 {clear:left}<br />
}}<br />
{{titel | ''Namazu-e'' — Erdbeben als Satire}}<br />
<br />
{{fl|I}}m Nordosten Tōkyōs gibt es den altehr·würdigen {{gb|kashimajinguu|Kashima Schrein}}, der dem Schwert·gott {{glossar:takemikazuchi}} geweiht ist. In der {{glossar:Edo}}-Zeit war dieser Gott als {{glossar:kashimadaimyoujin}} bekannt und galt als der Hüter des Erd·bebens. Erdbeben wurden nach einem in dieser Zeit verbrei·teten Glauben von einem großen Wels ({{glossar:namazu}}) hervor·gerufen, der unter der Erde haust. Als es im Jahre 1855 wieder einmal zu einem großen Erd·beben kam, erfreuten sich Bilder dieses Welses binnen kürzester Zeit einer erstaun·lichen Belieb·theit. Sie stellten Wels und Gott in den unter·schied·lichsten Konstel·lationen dar. Anfangs als bildliche Erklärung des Bebens oder als Glücks·bringer gedacht, fand man in den Wels·bildern ({{glossar:namazue|''namazu-e''}}) bald auch ein Mittel, um gesell·schaftliche Um- und Miss·stände darzustellen, was ansonsten bedingt durch strenge Zensur nicht möglich war. <br />
{{H2+3| Motive der ''namazu-e''}}<br />
===Der Stein von Kashima===<br />
{{floatleft<br />
|kanameishi.jpg|rahmen_w=250|rahmen_h=340|w=250|top=-30<br />
|''Wahres Bild des Schlusssteins von Kashima'' <br />
|ref=1<br />
}}<br />
Im Schrein von Kashima gibt es einen runden Stein, der aus der Erde herausragt. Man nennt ihn {{Glossar:Kanameishi|Kaname-ishi}} („Schlussstein“) und meinte früher, dies sei der Stein, den Kashima Daimyōjin fest auf den Kopf des Erdbeben-Welses gedrückt halten müsse, damit dieser die Erde nicht erschüttern könne. Dieser Stein spielt in vielen ''namazu-e'' eine wichtige Rolle.<ref><br />
Der Kaname-Stein galt schon seit alter Zeit als Heiligtum des Kashima Schreins und findet sich u.a. im der frühesten japanischen Gedicht·sammlung {{g|Manyoushuu}} erwähnt. Die Beziehung zum Erd·beben-Wels ist aber sicher erst in der Edo-Zeit entstanden. Im übrigen gibt es auch in anderen Schreinen Kaname-Steine, unter anderem im Katori Schrein, der nur wenige Kilometer vom Kashima Schrein entfernt liegt und als eine Art Zwilling des·selben angesehen werden kann. Auch der Katori Schrein wurde in den Wels-Glauben integriert, doch ganz offen·sichtlich weniger erfolgreich als der Kashima Schrein. <br />
</ref><br />
<br />
Im oberen Teil des Bildes sieht man den „Schlussstein“ des Kashima Schreins umgeben von einem Zaun und einem {{glossar:Torii}}. Im unteren Bildteil sieht man den Gott von Kashima, der den Wels (wieder) in seiner Gewalt hat. <br />
Rund um die beiden sind Werk·zeuge und Geld·münzen zu sehen, welche die Wieder·aufbau·arbeiten nach dem Erd·beben symbo·lisieren.<br />
<br />
===Talisman gegen Erdbeben===<br />
{{floatleft<br />
| jishin omamori.jpg|rahmen_w=250|rahmen_h=360|w=250<br />
| ''Erdbebenschutz'' <br />
| ref=1<br />
}}<br />
Das Bild zeigt den Gott von Kashima, der mit seinem Schwert den Erbeben-Wels im Zaum hält. Ihm zu Seite der Donner·gott, der mit einem Hammer das Schwert wie einen Pflock in den Kopf des Fisches treibt. Auch im Schwanz des Fisches ist ein Schwert zu erkennen. Dies ist vielleicht eine An·spielung auf die Mythe der Schlange {{glossar:yamatanoorochi}}, die in alter Zeit von {{Glossar:susanoo}} zur Strecke gebracht wurde. Die kleinen Welse, die sich ehr·furchts·voll niederwerfen, reprä·sentieren frühere Erd·beben ähnlicher Stärke in Kyōto (1830), Odawara (1853), Shinano (1847) und Ise (1854). Das Siegel·zeichen links oben trägt die Inschrift „Kashima“. Darüber sind Stern·bilder angedeutet. Dadurch reiht sich das Bild in den Kontext der {{glossar:onmyou|Yin-Yang}}-Praktiken ein.<br />
<br />
Wie der Bildtitel andeutet, ist diese Ab·bildung als Talisman ({{glossar:omamori}}) gegen Erdbeben gedacht. Der Bildtext liefert dafür eine deutliche Erklärung:<br />
<br />
{{Zitat|text=<br />
Das Orakel des Kashima Ahnen·schreins besagt: „Solange ich auf diesem Boden weile, soll kein Halm auf den Bergen, Flüssen, Gräsern und Bäumen und kein Sandkorn an den Gestaden der blauen See Schaden nehmen, auch wenn die Erde bebt.“ Wer diesen Spruch morgens und abends sagt, wird ohne Fehl vor allen Übeln und Gefahren, vor Feuer, Wasser und Erd·beben gefeit sein. Und wer den Zettel, wo dies steht, an den Pfeilern in Ost und West, Süd und Nord anbringt, dessen Haus wird nicht einstürzen und nicht zerstört werden. <br />
}}<br />
<br />
===Wels und Donner, Yin und Yang===<br />
{{floatleft<br />
| kanameishi2.jpg|rahmen_w=250|rahmen_h=340|w=250<br />
| ''Der Namazu als Monster'' <br />
| ref=1<br />
}}<br />
Dieses Bild zeigt im Gesicht des Welses die Zer·stö·run·gen, die das Erd·beben angerichtet hat. Man erkennt auch das Feuer, das als Folge·er·schei·nung von Erdbeben sehr gefürch·tet war (und ist). <br />
Unter dem Wels sieht man drei Gott·heiten, die mit der Ursache des Bebens in Ver·bin·dung stehen: Rechts oben reitet der Gott von Kashima eilig herbei. Er war nämlich wie jedes Jahr im Zehnten Monat ({{glossar:kannazuki}}) beim Götter·tref·fen in {{glossar:Izumo}}. Neben ihm der Donner·gott, der mit dem Feuer in Verbin·dung steht. Sein Donnern wird scherz·haft als Furz dargestellt. <br />
An den „Schlussstein“ gelehnt schläft {{glossar:Ebisu}}, der den Gott von Kashima vertreten sollte. <br />
<br />
Das häufige Vor·kommen des [[Ikonographie/Waechtergoetter/Wind und Donner|Donner·gottes]] hängt mit einer Yin Yang-Symbolik zusammen: Abge·sehen vom Wels gab es auch etwas abstrak·tere Er·klä·rungen für Erdbeben, die die Ursachen dafür in einem Un·gleich·ge·wicht von Yin und Yang erblickten: Im speziellen würde das Feuer (Yang) unter·irdisch das Wasser (Yin) an Stärke über·treffen, während es für gewöhn·lich nur im Himmel die Vor·herr·schaft genieße. Aus diesem un·ge·wöhn·lichen Zusam·men·prall von Yin und Yang würde im Himmel Gewitter und auf der Erde ein Beben entstehen.<ref>Smits 2006, S. 1051.</ref> (Diese Erklärungen sind im Grunde nicht allzu weit von der Natur·wissen·schaft entfernt.) Der Erdbeben-Wels wurde also wahr·schein·lich von Gebil·de·teren als Sinnbild für die Kräfte des Yin, der Donner·gott als Sinnbild des Yang angesehen.<ref><br />
Dennoch blieben Zweifel, was es mit dem Wels und dem Stein auf sich habe. 1664 versuchte der gelehrte Daimyō {{g|Tokugawamitsukuni}}, in dessen Domäne der Kashima Schrein damals lag, dem Geheimnis des Kashima Steins auf den Grund zu kommen, und ließ eine Grabung durchführen, die allerdings zu keinem Erfolg führte, weil die Grube sich auf mysteriöse Weise immer wieder mit Erde füllte. ([http://ja.wikipedia.org/wiki/%E8%A6%81%E7%9F%B3 Kanameishi] Wikipedia, jap.)<br />
</ref><br />
<br />
Die Rolle der Gottheiten ist allerdings im Verhältnis zu Yin und Yang nicht ganz eindeutig. Der Wels lässt sich zweifellos leicht als Yin, das sich aufbäumt, oder als über·schüssiges Yin inter·pretieren. Er wird durch {{glossar:raijin}}, den „Donnergott“, und Takemi·kazuchi, den Gott von Kashima, der seinem alten Namen nach ebenfalls ein Gewitter·gott (Kazuchi) ist, im Zaum gehalten. Die Gewitter·götter sind beide „gute“ Yang-Kräfte, die dem Yin-Wels entgegentreten. Es müsste aber im Grunde noch einen „guten“ Yin-Gott geben, der sich um die Brände, den Über·schuss an Yang-Energie, kümmert. Soweit lässt sich das Yin Yang-Schema aber nicht in den Figuren der Volks·religion wieder·finden.<br />
<br />
===Das Beben als Glücksfall===<br />
<br />
Das Beben von 1855 zeichnete sich offenbar dadurch aus, dass in erster Linie die Anwesen von {{g|daimyou|Daimyōs}} und die Lager·häuser von Groß·händlern betroffen waren. In der Folge entstand eine starke Nachfrage nach Tischlern und Zimmer·leuten, was insgesamt den eher einfacheren Schichten der Stadt·bevölkerung zugute kam. Es gab also eine Umver·teilung des Reichtums in Richtung der Armen. Dies wird in den Wels·bildern teilweise mit offener Sympathie für die einfachen Leute dar·gestellt, sodass der Namazu sogar manchmal als Wohl·täter erscheint.<br />
<br />
<div class=largebox ><br />
{| align='center' width=600 style=' border:1px solid #fff; '<br />
|width=180|{{floatleft<br />
|seppuku_namazu.jpg<br />
|''Seppuku des Namazu''<br />
|rahmen_w=180|rahmen_h=260|w=180|style=margin:0<br />
|ref=1<br />
}}<br />
|width=180|{{floatleft<br />
|namazue_daikoku.jpg<br />
|rahmen_w=180|rahmen_h=260|w=185|style=margin:0<br />
|''Daikoku und Namazu''<br />
|ref=1<br />
}}<br />
|width=180|{{floatleft<br />
|namazu_kanemochi.jpg<br />
|''Abtransport des Reichtums''<br />
|rahmen_w=180|rahmen_h=260|w=180|style=margin:0<br />
|ref=1<br />
}}<br />
|}<br />
</div><br />
<br />
''Seppuku des Namazu''<br />
<br />
Der Erdbeben-Wels ist von einem Pfeil des Gottes von Kashima getrof·fen worden und begeht — gleich einem vor·bild·lichen Samurai in aus·sichts·loser Lage — Selbst·mord durch {{g|seppuku}} (Harakiri). Aus dem Bauch des Welses strömen ovale Geld·münzen. Im Hinter·grund, unter·halb des Gottes, sind links die ver·stor·benen Opfer des Bebens, rechts die Ge·schä·digten (Groß·händler, Daimyōs, etc.) zu sehen. Dem Text ist zu ent·nehmen, dass sie ange·sichts des Selbst·opfers des Namazu zur Ver·söhnung bereit sind.<br />
<br />
''Daikoku und Namazu''<br />
<br />
Nachdem der Gott von Kashima (Bildmitte) den Wels wieder unter Kontrolle gebracht hat, tritt der Glücksgott {{glossar:Daikoku}} auf den Plan und lässt Geld regnen, das den einfachen Bauar·beitern zugute kommt. Der Text des Bildes gibt ein „Erdbeben-Abwehr-Lied“, in welchem die Arbeiter sich freuen, dass sie nun ins Bordell gehen können (s.u.). <br />
<br />
''Abtransport des Reichtums''<br />
<br />
Ein Erdbeben-Wels schüttelt einen reichen Kaufmann, bis er Geld erbricht, um das sich Hand·werker und Bauarbeiter raufen. Der Wels mahnt den Kaufmann, in Zukunft mehr Mitleid mit den Arbeitern zu haben. Die Arbeiter wiederum meinen, dass es besser ist, das Geld im Bordell auszu·geben, da sowieso bald wieder ein Erd·beben kommt.<br />
<br />
===Die neuen Freudenviertel===<br />
{{w500|rahmen_h=337<br />
|namazu_bordell.jpg<br />
|''Quartier der Strapazen und Feuersbrünste''<br />
|ref=1<br />
}}<br />
Notdürftig maskierte Erd·beben-Welse besichtigen ein Bordell und werden von den dortigen Damen an den Bärten heran·gezogen. Die Prosti·tuierten sind von den ''namazu'' offen·sichtlich angetan.<br />
<br />
Das Bild trägt den Titel „Unterschlupf der Strapazen und Feuers·brünste“. „Unterschlupf“ oder „Leih·wohnung“ (jap. {{g|karitaku}}) war zu dieser Zeit ein Euphe·mismus für billige Bordelle. Diese waren als Ersatz für das vom Erd·beben zerstörte Nobel-Freuden·viertel {{g|Yoshiwara}} errichtet worden, allerdings waren sie kosten·günstiger. Somit wurde dank des Erd·bebens die Prosti·tution in Edo weiter ver·breitet und allgemein erschwing·licher. Auch das ein „positiver“ Effekt für die ärmere Bevölkerung, der in einem Lied, das auf mehreren ''namazu''-Bildern zu finden ist (s.o.), deutlich hervor·gehoben wird: <br />
<br />
{{Zitat|text=<br />
Der Wassergott hat uns das Leben gerettet // Jetzt gehen wir zu den Huren (Rokubu), wie schön!<br/><br />
''Mizukami no / tsuge ni inochi o / tasukarite // rokubu no uchi ni / iru zo ureshiki''<br />
}}<br />
<br />
===Das Götterpferd von Ise===<br />
{{floatleft |rahmen_w=350|rahmen_h=235|w=350<br />
| Namazue_ise_pferd_1855.jpg<br />
| ''Das Götterpferd des Ise Schreins'' <br />
| ref=1<br />
}}<br />
Dieses Bild zeigt, wie die Gott·heit von {{glossar:isejinguu|Ise}}, hier als Pferd dar·ge·stellt, den Erd·be·ben-Wels be·siegt. <br />
Der dem Bild ein·ge·schrie·bene Text be·rich·tet davon, dass die Gott·heit von Ise im Zuge des Erd·be·bens als weißes Pferd durch die Straßen der Stadt galop·pierte und all jene, die zu ihr bete·ten, vor Unheil be·wahrte. Das Pferd soll zu diesem Zweck ein·zelne Haare ausge·streut haben. <br />
Die Kashima Gottheit spielt hier die ambi·va·lente Rolle eines Kriegers, der sein Pferd nicht im Zaum halten kann. Wie in ande·ren Bil·dern auch ver·kör·pert Kashima hier das Sho·gunat, das mit den Ver·hält·nis·sen nicht mehr zurecht kommt.<br />
<br />
Die kaiser·liche Ahnen·gott·heit aus Ise, {{glossar:amaterasu}}, war im dama·ligen Edo eben·so exo·tisch und unbe·kannt wie der {{g|Tennou}} in Kyōto. Man wusste ein wenig von ihrer Rolle als Ahnen- und Sonnen·gott·heit, doch weder waren ihre Mythen all·gemein be·kannt, noch herrsch·te Einig·keit, ob es sich um eine männ·liche oder weib·liche Gott·heit handelte. Dennoch erfreu·ten sich in dieser Zeit Wall·fahrt·en nach Ise einer wach·sen·den Beliebt·heit. Diese Wall·fahr·ten stan·den im Zusam·men·hang mit dem Schlag·wort {{g|yonaoshi}} („Welt·er·neue·rung“ oder „Welt·gesun·dung“). ''Yonaoshi'' fußte zwar auf keiner so kon·kreten poli·tischen Vision wie etwa die franzö·sische Revolution, beinhaltete aber eine diffuse Kritik an den bestehenden Verhält·nissen, durch die sich das Tokugawa Shōgunat zurecht bedroht fühlte. ''Yonaoshi'' war unter anderm mit Wall·fahr·ten nach Ise verbunden, was sich auch im Glauben an die Wohl·taten des Götter·pferdes ausdrückte. Darin kün·digte sich eine neue Auf·wer·tung des Tennō an, die schließ·lich im Jahr 1868 in Gestalt der {{glossar:Meiji}}-Restau·ration zu einer voll·kom·men neuen poli·tischen Ordnung führen sollte. <br />
<br />
Während in diesem Bild das Pferd bzw. die dadurch sym·bo·lisierte Gottheit Ama·terasu als Gottheit der Welt·er·neue·rung (''yonaoshi no kami'') gedeutet werden kann, gibt es auch Beispiele, in denen der Erd·beben·wels selbst zum Welt·er·neuerer avanciert. Es war also keines·wegs aus·ge·macht, welche Rolle welcher Gottheit in den Wels·bildern zukommt.<br />
<br />
===Das ''ken''-Spiel===<br />
Der Erdbeben-Wels ist oft in eine Gruppe aus drei Figuren ein·gebun·den, die durch seltsame, auffällige Gesten charakterisiert sind. Diese Figuren spielen das soge·nannte {{g|Ken}}-Spiel, das hierzu·lande als „Stein-Schere-Papier“ bekannt ist. Dieses Spiel ist in Japan auch heute noch sehr beliebt, erlebte in der Edo-Zeit aber einen beson·deren Boom. Statt mit den geläu·figen Hand·gesten wurde es auch mit ver·schie·denen Körper·hal·tungen gespielt. Diese drückten alle möglichen allego·rischen Figuren aus, die immer eines gemein·sam hatten: A besiegt B, B besiegt C, C besiegt A. Viele {{g|Ukiyoe}}-Drucke stellen Varianten des Spiels mit immer wech·selnden Figuren dar, deren Kräfte·gleich·gewicht auch als satirischer Kommentar der aktuellen gesell·schaft·lichen Situation gelesen werden kann. Sepp Linhart, der diesem Thema eine umfang·reiche Studie gewidmet hat (Linhart 1998), deutet die ''ken''-Bilder daher als Ausdruck der spezi·fi·schen gesell·schaft·lichen Span·nungen der späten Edo-Zeit, als soziale oder wirt·schaft·liche Interes·sens·gruppen auf allen Ebenen sich gegen·seitig in einer höchst labilen Patt-Situation hielten, bis es schließ·lich zum Umbruch in Form der Meiji-Restau·ration (1868) kam.<br />
<br />
<div class=largebox ><br />
{| align='center' width=600 style=' border:1px solid #fff; '<br />
|width=180|{{floatleft<br />
|namazu ken zenkoji.jpg<br />
|Namazu, Amida und Geisha<br />
|rahmen_w=180|rahmen_h=260|w=180|style=margin:0<br />
|ref=1<br />
}}<br />
|width=180|{{floatleft<br />
|namazu ken.jpg<br />
|rahmen_w=180|rahmen_h=260|w=185|style=margin:0<br />
|Erdbeben Ken<br />
|ref=1<br />
}}<br />
|width=180|{{floatleft<br />
|ryuko sannin.jpg<br />
|Bekannte Figuren im Rausch<br />
|rahmen_w=180|rahmen_h=260|w=185|style=margin:0<br />
|ref=1<br />
}}<br />
|}<br />
</div><br />
<br />
''Namazu, Amida und Geisha''<br />
<br />
Bereits das älteste erhaltene Namazu-Motiv stellt eine ''ken''-Spiel-Situation dar. Hinter·grund ist das Erd·beben im Tempel·komplex {{glossar:zenkouji}} in Nagano (damals Shinano oder Shinshū) im Jahr 1847. Dieses Beben fand genau zu dem Zeit·punkt statt, als der Tempel seine berühmte {{glossar:Amida}} Statue<ref>Diese Statue spielt auch im Zusam·men·hang mit Hideyoshi's [[Ikonographie/Dainichi/Daibutsu#Hideyoshi.27s_Daibutsu|Großem Buddha]] eine Rolle. </ref> aus·stellte und damit zahl·reiche Pilger aus dem ganzen Land anzog. Viele Pilger fielen dem Beben zum Opfer, doch der Tempel selbst blieb weit·gehend unversehrt, was als Wunder des Amida ange·sehen wurde. Das Bild zeigt den {{skt:Buddha}} Amida (der in späteren Bildern durch den Gott von Kashima ersetzt werden wird), den Erdbeben-Wels und eine Geisha. Wie beim ''ken''-Spiel üblich ist jeder von ihnen einem über·legen, dem anderen unter·legen: Amida ist stärker als ''namazu'', ''namazu'' ist stärker als Geisha, Geisha ist stärker als Amida, was vielleicht als Seiten·hieb auf den Buddhis·mus zu verstehen ist. Große bud·dhis·tische Tempel boten nämlich Ende der Edo-Zeit stets auch Vergnü·gungs- und Freuden·vier·teln Platz — so auch der Zenkō-ji in Nagano.<br />
<br />
''Erdbeben''-ken<br />
<br />
Das Bild zeigt den Donner·gott, den Wels und das Feuer, die von einem Wirten mit {{glossar:Sake}} verköstigt werden. Die von den Figuren ein·ge·nom·menen Gesten gehen auf das soge·nannte „Fuchs-''ken''“ ({{g|kitsune}}-''ken'') zurück: Der [[Fuchs]] (erhobene Hände = Ge·spenster·geste) ver·zaubert den Bürger·meister, der Bürger·meister (Hände auf den Ober·schen·keln) komman·diert den Jäger, der Jäger (ange·deu·tetes Gewehr) erschießt den Fuchs. Auf dieser Abbildung entspricht also der Wels dem Fuchs, der Donner dem Bürger·meister und das Feuer dem Jäger: die drei Kräfte heben sich wechsel·seitig auf.<ref>Es gibt von diesem Motiv mehrere Versionen, aus denen deutlich wird, dass das Feuer mit seinen blonden Haaren auch auf die Europäer und Ameri·kaner anspielt, die zu diesem Zeit·punkt als mili·tärische Gefahr empfunden wurden. Andere Namazue enthalten auch explizite Bezüge auf die gewaltsame Öffnung von Japans Häfen durch den ameri·kanischen Admiral {{g|Perrymatthew|Perry}} in den Jahren 1853–54.</ref> Der dem Bild einge·schrie·bene Lied·text schließt mit dem Satz: „Jetzt wird die Welt Stück für Stück wieder heil, kommt und macht Geld!“<ref>''Kore kara dandan yo ga naori, kane mōkete, sā kinasē.'' (Miyata und Takada 1995, S. 324)</ref><br />
<br />
''Drei bekannte Figuren im Rausch''<br />
<br />
Ein Reicher, eine Geisha und ein Hand·werker verzehren zusammen einen Wels. Der Text besagt: „Der Reiche, ein zorniger Trinker; der Hand·werker, ein fröhlicher Trinker; die Geisha, eine weinende Trinkerin.“ Noch einmal wird hier satirisch auf die vom Erd·beben betrof·fenen Berufs·gruppen angespielt. In der Darstellung nehmen die drei Figuren wieder die Hal·tungen des ''ken''-Spiels an.<br />
<br />
==Wieso ein Wels?==<br />
Der Wels ist eine arten·reiche Spezies von Fischen, die eines gemeinsam haben: Sie halten sich vorwiegend am Grund von Gewässern auf und sind daher selten zu sehen. Schon in alter Zeit wurde es als Zeichen von bevor·stehender Gefahr gedeutet, wenn Welse an der Ober·fläche von Gewässern gesichtet wurden. Tatsächlich scheinen Welse besonders sensibel auf seismische, thermische und elektrostatische Verän·derungen ihrer Umgebung zu reagieren. So wurde der Wels zunächst zu einem positiven Künder von Erdbeben. Doch wurde der Prophet offenbar mit der Zeit als Verursacher der Gefahr, die er ankündigte, angesehen. Dabei kam eine klassische chinesische Vorstellung ins Spiel, die einen unterirdischen Drachen ({{g|ryuu}}) als Verursacher von Erdbeben ansah. Dieser Drache wurde offenbar Anfang der Edo-Zeit in der Region um den Biwa See erstmals als Wels umgedeutet. Von dort breitete sich die Vorstellung entlang der Tōkaidō-Route in den Osten des Landes aus.<ref><br />
Siehe [http://www.east-asian-history.net/textbooks/172/ch8_main.htm Yōkai: Monsters, Giant Catfish, & Symbolic Representation in Popular Culture] (Gregory Smits)<br />
</ref> <br />
<br />
Interessanter·weise wird der zum Monster gewordene ''namazu'' in den Erd·beben·bildern von 1855 sehr rasch wieder verniedlicht. Wir sehen hier einen Mechanismus, der bei fast allen Geister·wesen ({{glossar:youkai}}) der Edo-Zeit zu beobachten ist: Sobald sie aufgrund des Schreckens, den sie verbreiten, eine gewisse Popu·larität gewonnen haben, erhalten sie immer humor·vollere Züge, bis sie schließ·lich lediglich als liebens·werte Schlingel erscheinen. Das gleiche lässt sich über {{glossar:Tengu}} und {{glossar:oni}} ebenso sagen, wie über {{glossar:kitsune}} und {{glossar:Tanuki}} oder über den strengen Richter der Unterwelt, {{glossar:enma}}. Eine ähnliche Komik begegnet uns auch in der Darstellung der {{g|gaki}}, Hungergeister. Dieser Hang, dem Schrecklichen durch Humor den Stachel zu nehmen, lässt sich aber noch weiter zurück·ver·folgen, nämlich bis zu den Schrein·festen, die seit der Heian-Zeit zur Besänf·ti·gung grollender Geister {{glossar:onryou}} abgehalten werden. Es geht in allen Fällen darum, sich mit der Gottheit (=Ursache) einer Kata·strophe anzu·freunden, sich vertraut zu machen und die Gottheit von ihren feind·lichen Absichten abzu·bringen, indem sie in eine fröhliche, heile Welt ein·ge·bun·den wird. Die Erd·beben·bilder sind daher nicht (nur) als zynischer Ausdruck von Galgen·humor oder als politische Satire zu verstehen, sondern reihen sich wohl auch in eine lange religiöse Tradition ein, Unheil und Katastro·phen durch rituell insze·nierte Fröh·lich·keit abzuwenden. <br />
<br />
{{w500 |rahmen_h=350<br />
|namazu.jpg<br />
|Die Namazu von Shinano und Edo<br />
<p>Das Bild beinhaltet viele der Motive, die in den voran gegangenen Dar·stellungen einzeln hervorgehoben sind. Es sind hier zwei Namazu zu sehen, die zwei unterschiedliche Beben in der Kantō Region (Shinano 1847 und Edo 1855) versinn·bildlichen. Rechts oben die beiden Gottheiten, die nicht genug aufgepasst haben: Kashima und der Donnergott.</p><br />
| ref=1<br />
}}<br />
{{Verweise<br />
|links_ue=Literatur und Links<br />
|links=<br />
{{Literatur:Miyata Takada 1995}}<br />
{{Literatur:Linhart 1998}}<br />
{{Literatur:Linhart 2005}}<br />
{{Literatur:Smits 2006}}<br />
*Gregory Smits, ''[http://www.east-asian-history.net/earthquakes/index.htm Earthquakes in Japanese History]'' (Übersichtsseite über diverse Online-Materialien des Autors zum Thema Erdbeben)<br />
*''[http://metro.tokyo.opac.jp/tml/tpic/ Kichō shiryō gazō dētabēsu]'' („Datenbank wertvoller Bildmaterialien“) Tokyo Metropolitan Library (Stichwort 鯰 eingeben)<br />
}}<br />
<br />
{{ThisWay}}</div>
Nicole Janker
https://religion-in-japan.univie.ac.at/r/index.php?title=Mythen/Symboltiere/Junishi&diff=59911
Mythen/Symboltiere/Junishi
2015-09-25T12:11:39Z
<p>Nicole Janker: </p>
<hr />
<div>{{Styles}}<br />
{{titel | Tierkreiszeichen in der japanischen Kunst}}<br />
<br />
{{fl|W}}ie auf der Seite [[Texte/Yin und Yang/Kalender|Kalender·wesen]] genauer erläutert, teilte man in Ostasien den 24-Stunden-Tag in zwölf Einheiten („Stunden“) auf und ordnete jeder Stunde ein bestimmtes Tier zu. Jedes dieser Tiere repräsen·tiert zugleich die Himmels·richtung, die die Sonne während der ent·sprechen·den Stunde einnimmt. Die Tiere dienen daher gleich·zeitig als Zeit- und als Richtungsmaß, wes·wegen man auch von zwölf Tierkreis·zeichen ({{glossar:juunishi}}) spricht. Auch Tage, Monate und Jahre wurden jeweils einem Tierkreis·zeichen zugeordnet. Es handelt sich dabei um folgende Tiere: <br />
<br />
{| class= "prettytable centertd" align="center"<br />
! Stunde ||Tier||Japanisch|| Tageszeit||Jahreszeit||Richtung<br />
|-<br />
|1||Ratte/Maus ||{{g|ne}} 子||Mitternacht||Winter||Norden<br />
|-<br />
|2||Ochs/Büffel||{{g|ushi}} 丑 || ||Winter ||<br />
|-<br />
|3|| Tiger|| {{g|tora}} 寅 || || Frühling || <br />
|-<br />
|4|| Hase|| {{g|u1}} 卯 || Morgen||Frühling || Osten<br />
|-<br />
|5|| Drache|| {{g|tatsu}} 辰 || || Frühling || <br />
|-<br />
|6 ||Schlange || {{g|mi}} 巳 || || Sommer ||<br />
|-<br />
|7||Pferd || {{g|uma}} 午 || Mittag ||Sommer || Süden<br />
|-<br />
|8|| Schaf/Ziege || {{g|hitsuji}} 未 || || Sommer || <br />
|-<br />
|9|| Affe|| {{g|saru}} 申 || || Herbst ||<br />
|-<br />
|10|| Hahn|| {{g|tori}} 酉 || Abend ||Herbst || Westen<br />
|-<br />
|11|| Hund|| {{g|inu}} 戌 || ||Herbst ||<br />
|-<br />
|12|| Eber|| {{g|i1}} 亥 || || Winter||<br />
|}<br />
Ihrer wichtigen Rolle im Zeit- und Kalender·wesen verdanken diese Tiere wohl auch eine besondere Beach·tung in Religion und Kunst.<br />
<br />
==Die Tierkreiszeichen als Zwölf Generäle ==<br />
<br />
{{Galerie2|bilder={{Dia2|<br />
ne jionji.jpg|w=120|rahmen_w=120|rahmen_h=160}}{{Dia2|<br />
ushi kannami.jpg|w=123|rahmen_w=120|rahmen_h=160}}{{Dia2|<br />
tora tnm.jpg|w=123|rahmen_w=120|rahmen_h=160}}{{Dia2|<br />
u.jpg|w=120|rahmen_w=120|rahmen_h=160}}<br />
|caption=1. Ratte, 2. Ochse, 3. Tiger, 4. Hase<br />
|ref=1<br />
}}<br />
{{Galerie2|bilder={{Dia2|<br />
tatsu tnm.jpg|w=120|rahmen_w=120|rahmen_h=160}}{{Dia2|<br />
mi tnm.jpg|w=123|rahmen_w=120|rahmen_h=160}}{{Dia2|<br />
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|caption=5. Drache, 6. Schlange, 7. Pferd, 8. Ziege <br />
}}<br />
{{Galerie2|bilder={{Dia2|<br />
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tori kofukuji.jpg|w=123|rahmen_w=120|rahmen_h=160}}{{Dia2|<br />
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|caption=9. Affe, 10. Hahn, 11. Hund, 12. Eber<br />
}}<br />
Die obigen Bilder stellen die soge·nannten Zwölf Göttli·chen Generäle ({{glossar:juunishinshou}}) dar, die jeweils mit einem der Zwölf Tiere in Beziehung stehen. Die Statuen stammen aus verschie·denen Bildergruppen der Zwölf Generäle ab der späten {{glossar:Heian}}-Zeit, doch tragen alle das ihnen ent·sprechende Tier als Kopf·putz (zur Verdeu·tlichung Bilder anklicken). Alle Generäle tragen den Titel {{glossar:ten}}, was sie als indische {{skt:Deva}}-Gott·heiten und damit als buddhis·tische Gott·heiten ausweist. <br />
<br />
Grob ge·sprochen sind die Zwölf Generäle das Ergebnis einer buddhis·tischen Interpre·tation der Zwölf Tier·kreis·zeichen. Ursprünglich handelt es sich bei diesen Figuren jedoch um die Mani·festa·tionen von zwölf Schwüren, die der Buddha der Medizin, {{glossar:Yakushinyorai}}, leistete, und die sinn·gemäß alle, die an ihn glauben, zur Erlösung führen. <br />
Das Yakushi Sutra<ref><br />
''Yakushi-kyō'', mit vollem Titel ''Yakushi rurikō nyorai hongan kudoku kyō'' 薬師瑠璃光如来本願功徳経 (vgl. [http://21dzk.l.u-tokyo.ac.jp/SAT/ddb-sat2.php?mode=detail&useid=0450_ SAT, T0450]), ein relativ kurzes Sutra, das von den Zwölf Schwüren des Yakushi und seinem Reinen Land im Osten handelt. Existiert in der frühesten Fassung als angebliche Über·setzung aus dem Sanskrit durch {{glossar:Xuanzang}} (602–664), doch konnte bisher kein Original·text identi·fiziert werden.<br />
</ref> <br />
erklärt dazu, dass jeder der Generäle über ein Gefolge von sieben·tausend kriegeri·schen Dämonen ({{glossar:yasha}}) verfügt. Dennoch handelt es sich — mit Ausnahme von {{g|Kubiraten}} — um ansonsten weit·gehend unbe·kannte Figuren, die meist nur in Verbindung mit Yakushi genannt werden.<ref><br />
Die Generäle werden im Yakushi Sutra kommen·tarlos in der folgenden Reihen·folge auf·gezählt:<br />
# Kubira Taishō 宮毘羅大將 (Eber)<br />
# Basara Taishō 伐折羅大將 (Hund)<br />
# Mekira Taishō 迷企羅大將 (Hahn)<br />
# Anteira Taishō 安底羅大將 (Affe)<br />
# A'nira Taishō 頞儞羅大將 (Ziege)<br />
# Santeira Taishō 珊底羅大將 (Pferd)<br />
# Indara Taishō 因達羅大將 (Schlange)<br />
# Haira Taishō 波夷羅大將 (Drache) <br />
# Makora Taishō 摩虎羅大將 (Hase)<br />
# Shindara Taishō 眞達羅大將 (Tiger)<br />
# Shōtora Taishō 招杜羅大將 (Ochs)<br />
# Bikara Taishō 毘羯羅大將 (Ratte)<br />
Bezüglich der japani·schen Lautung, s. [http://ja.wikipedia.org/wiki/%E5%8D%81%E4%BA%8C%E7%A5%9E%E5%B0%86 Wikipedia (jp.)]. Die entspre·chenden Sanskrit-Äquivalente sind hier nicht angeführt, da sich dazu unter·schied·liche Inter·preta·tionen finden. Die Tiere werden im Sutra selbst nicht erwähnt und sind hier gemäß der häufigsten japani·schen Konvention in Klammer beigefügt (doch besteht auch hier nicht völlige Überein·stimmung in den Quellen). <br />
<br />
Der Erst·genannte der Gruppe, Kubira-ten (auch Konpira-ten), dürfte mit dem indischen Gott des Reichtums Kubera in Verbin·dung stehen, der auch als Er·scheinungs·form des {{glossar:bishamonten}} (Schutzgott des Nordens) gilt. Er wird allerdings auch auf einen Schüler des Buddha namens Kimbila oder auf ein Wesen namens Kumbhīra zurück geführt (vgl. [http://www.buddhism-dict.net/cgi-bin/xpr-ddb.pl?q=%E5%8D%81%E4%BA%8C%E7%A5%9E Digital Dictionary of Buddhism], Login: guest). <br />
</ref><br />
<br />
Die Zwölf Generäle standen wohl von Anfang an mit den Zwölf Stunden des Tages in Verbindung, ihre Assoziation mit den Tierkreis·zeichen wird aber aus dem Sutra selbst nicht ersichtlich. Auch die ältesten bildlichen Dar·stellun·gen in Japan aus der frühen Heian-Zeit verraten noch nichts von dieser Beziehung.<ref><br />
Die berühm·teste Statuen·gruppe stammt aus der frühen Heian-Zeit und befindet sich im Tempel Shin Yakushi-ji in Nara. Sie sind dort um das Haupt·heilig·tum, eine Statue des sitzenden Yakushi Nyorai, kreisförmig aufgestellt. Während diese Figuren bereits die charakte·ristischen Posen der Zwölf Generäle einnehmen, tragen sie keine Tier·kreis·zeichen als Er·kennungs·merkmale.<br />
</ref> Dennoch liegt die Assozia·tion auf der Hand, sobald die Zwölf Stunden fest mit den Tier·kreis·zeichen assoziiert werden. Dank dieser Verbindung werden die Zwölf Generäle heute fast nur noch mit den ent·sprechen·den Namen der Tier·kreis·zeichen ange·sprochen.<br />
<br />
== Kuniyoshis Serie „Helden als Tierkreiszeichen“ ==<br />
<br />
In der zu·nehmend säkulär geprägten {{glossar:Edo}}-Zeit wurden die Tier·kreis·zeichen ein beliebtes Motiv der {{glossar:ukiyoe}}-Künstler, wobei die Tiere zumeist mit bestimmten Geschichten oder Figuren frei assoziiert wurden. {{glossar:Utagawakuniyoshi}} kombinierte sie zum Beispiel mit Helden·portraits, ein Genre in dem er sich besonders auszeichnete. Die Serie bein·haltet zum einen klassische Helden aus dem japani·schen Mittelalter, aber auch Figuren aus den alten Mythen und aus damals auch in Japan populären chinesi·schen Romanen. In den meisten Bildern suggeriert Kuniyoshi eine charakter·liche Ähnlich·keit zwischen dem Tier und dem darge·stellten Helden. (Zur genaueren Erläuterung die Bilder anklicken.)<!--<br />
--><ref>Kuniyoshi schuf auch eine parallele Serie zu den Zehn Himmels·stämmen ({{g|jikkan}}).<br />
</ref><br />
{{Galerie2|bilder={{Dia2|<br />
01ratte.jpg|w=120|rahmen_w=120|rahmen_h=350}}{{Dia2|<br />
02ochse.jpg|w=123|rahmen_w=120|rahmen_h=350}}{{Dia2|<br />
03tiger.jpg|w=123|rahmen_w=120|rahmen_h=350}}{{Dia2|<br />
04hase.jpg|w=120|rahmen_w=120|rahmen_h=350}}<br />
|caption=1. Ratte, 2. Ochse, 3. Tiger, 4. Hase<br />
}}<br />
{{Galerie2|bilder={{Dia2|<br />
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07pferd.jpg|w=124|rahmen_w=120|rahmen_h=350}}{{Dia2|<br />
08 ziege.jpg|w=120|rahmen_w=120|rahmen_h=350|top=-12}}<br />
|caption=5. Drache, 6. Schlange, 7. Pferd, 8. Ziege <br />
}}<br />
{{Galerie2|bilder={{Dia2|<br />
09affe.jpg|w=120|rahmen_w=120|rahmen_h=350}}{{Dia2|<br />
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12eber.jpg|w=120|rahmen_w=120|rahmen_h=350}}<br />
|caption=9. Affe, 10. Hahn, 11. Hund, 12. Eber<br />
}}<br />
<br />
{{Verweise<br />
|bilder=0<br />
|themen=<br />
* [[Texte/Yin_und_Yang/Kalender|Kalenderwesen]]<br />
* [[Wächter]]götter<br />
* [[Bishamon-ten]]<br />
|update= Jan. 2014<br />
}}<br />
{{ThisWay}}</div>
Nicole Janker
https://religion-in-japan.univie.ac.at/r/index.php?title=Glossar:Koushinshinkou&diff=59910
Glossar:Koushinshinkou
2015-09-25T12:07:48Z
<p>Nicole Janker: </p>
<hr />
<div>{{Glossar| <br />
kanji=庚申信仰| <br />
romaji=''kōshin shinkō''| <br />
text=''Kōshin''-Glauben, ein ursprünglich aus dem Daoismus stammender Kult zur Verlängerung des Lebens| <br />
stichwort ={{{1| }}}| <br />
link=Mythen/Symboltiere/Drei Affen| <br />
tags= schule<br />
}}</div>
Nicole Janker
https://religion-in-japan.univie.ac.at/r/index.php?title=Mythen/Symboltiere/Drei_Affen&diff=59909
Mythen/Symboltiere/Drei Affen
2015-09-25T12:07:05Z
<p>Nicole Janker: </p>
<hr />
<div>{{Styles|sidepage}}<br />
{{titel | Affen, Würmer und durchwachte Nächte}}<br />
<br />
{{fl|N}}ikkō, der Schrein in dem Shōgun {{glossar:Tokugawaieyasu}} ver·göttlicht wurde, zählt zu den berühm·testen Sehens·würdig·keiten Japans und die Drei Weisen Affen zählen zu den be·rühm·testen Sehens·würdig·keiten von {{g|Nikkou}}. Wie aber fanden diese Affen Eingang in das Mauso·leum eines der mäch·tigsten Herr·scher der gesam·ten japa·nischen Ge·schichte? Und aus welchem Grund halten sie sich Augen, Mund und Ohren zu? Und wieso findet man man die Drei Affen bei auf·merk·samer Be·trach·tung auch an zahl·rei·chen volks·tüm·lichen Stein·monu·menten, die kaum beachtet in den Area·len von Tem·peln und Schreinen, am Rande von Fried·höfen oder in der freien Natur an·zu·tref·fen sind? Die Ant·wort auf der·ar·tige Fragen dürfte in einem eigen·arti·gen Kult zu finden sein, der heute selbst in Japan kaum mehr be·kannt ist, in der {{Glossar:Edo}}-Zeit je·doch jedem geläufig war: der {{Glossar:Koushinshinkou | ''kōshin''}}-Glaube. Um diesen Glauben zu erklären, ist ein kurzer Exkurs in die tra·ditio·nelle Medizin- und Kalender·kunde not·wendig.<br />
{{w500|rahmen_h=200<br />
|affen_nikko.jpg<br />
|Die Drei Weisen Affen. Nikkō, Tōshōgū, 17. Jh.<br />
| ref= 1<br />
}}<br />
==Die Drei Würmer==<br />
{{Textbox<br />
|text=<br />
===Sanshi===<br />
„Drei Würmer“ ist die in der west·lichen Lite·ratur gän·gige Über·set·zung für jap. {{Glossar:Sanshi}}. Der Zei·chen·be·deu·tung nach han·delt es sich je·doch um drei Leich·name 尸 oder um drei Leich·nams-Wür·mer (''san·shi no mu·shi''), wobei {{g|mushi}} so·wohl Kriech·tiere als auch In·sek·ten be·zeich·net und daher nicht un·be·dingt „Wurm“, son·dern eher „Ge·würm“ oder „Getier“ be·deu·tet. Die ent·spre·chen·den Geist·we·sen ha·ben aber, so sie über·haupt näher be·schrie·ben wer·den, ganz ei·gen·artige Ge·stal·ten, näm·lich die eines dao·is·ti·schen Wei·sen („Ober·wurm“, sitzt im Kopf), eines Löwen („Mittel·wurm“, im Brust·raum) und eines mensch·li·chen Beins mit Rin·der·kopf („Unter·wurm“, im Unter·leib). Alle drei ha·ben außer·dem je·weils eine Schrift·rolle bei sich, was ihre Funk·tion als Pro·to·koll·füh·rer unter·streicht.<br />
{{w500 | rw=200 | rh=140 | border=transparent<br />
| sanshi.jpg<br />
}}<br />
}}<br />
Gemäß der traditio·nellen chine·si·schen Me·di·zin, die bis zum Be·ginn der Mo·der·ne auch in Japan all·ge·mein prak·ti·ziert wurde, wird der mensch·liche Kör·per von einer Un·zahl an Geis·tern oder „Seelen“ be·völ·kert, die gute oder schlech·te Ein·flüs·se auf das kör·per·liche Befin·den haben. In man·chen Fäl·len schei·nen die·se Geis·ter oder See·len durch·aus eine ei·gen·stän·dige physi·sche Exis·tenz zu ha·ben und sind in·so·fer·ne weni·ger mit trans·zen·den·ten We·sen als zum Bei·spiel mit Bak·te·rien zu ver·glei·chen. Zu die·sen Bak·te·rien-ähn·li·chen Geis·ter·we·sen zäh·len die so·ge·nann·ten „Drei Wür·mer“. Sie ha·ben einen di·rek·ten Ein·fluss auf die dem Men·schen zuge·dachte Le·bens·spanne. <br />
<br />
Nach ursprüng·licher chinesi·scher Auf·fas·sung ver·hal·ten sich die Drei Würmer wie Para·siten, die den Kör·per schwä·chen und so sein Leben ver·kür·zen. Auf der Suche nach dem Ge·heim·nis des ewi·gen Lebens such·ten und fan·den frühe Dao·isten aske·tische Diäten, mit·tels derer sie die Drei Wür·mer in ihrem Kör·per aus·hun·ger·ten. Spätere, eher ethisch-mora·lisch aus·ge·rich·tete Theo·rien er·klär·ten die Wir·kungs·weise der Drei Wür·mer hin·gegen fol·gen·der·maßen: Nachts, wenn der Mensch schläft, stei·gen die Drei Würmer zur Gott·heit des [[Texte/Himmelskunde/Astrologie |Polar·sterns]] (jap. {{Glossar:Tentei}}, wtl. „Him·mels·herr·scher“) empor und be·rich·ten ihm die bösen Taten ihres „Wirts“. Tentei bestraft dann den betref·fen·den Men·schen, und zwar vor·wie·gend mit Krank·heit oder frühem Tod. Die Würmer verlas·sen den Körper ihres Wirts aller·dings (aus mir unbe·kann·ten Gründen) nur einmal in sechzig Tagen, ge·nauer am 57. Tag des tradi·tionel·len [[Texte/Yin und Yang/Tierkreis |Sech·ziger Zyk·lus]] der chine·si·schen Kalen·der·kunde. Die·sem Tag sind die [[Texte/Yin_und_Yang |Wand·lungs·phase]] „Metall“ und das [[Texte/Yin und Yang/Tierkreis |Tier·kreis·zeichen]] „Affe“ zuge·ordnet. Auf Japa·nisch heißt die·ser Tag {{glossar:koushin}}, „Metall-Affe“. Auf·grund der ver·mute·ten Tätig·kei·ten der Drei Würmer wurde nun diesem ''kōshin''-Tag, oder besser, der ''kōshin''-Nacht, eine ganz be·son·dere Auf·merk·sam·keit zuteil.<br />
<br />
===Die ''kōshin'' Nacht=== <br />
<br />
Bereits die Adeligen der {{Glossar:Heian}}-Zeit waren der Über·zeu·gung, dass es mög·lich sei, die Spionage der Wür·mer zu unter·binden, wenn man die ent·spre·chende Nacht durch·wachte und die Würmer so am Ver·las·sen des Kör·pers hin·derte. Aus diesem Grund or·gani·sierten sie in den ''kōshin''-Näch·ten ein gesel·liges Zusam·men·seins und hiel·ten sich mit allerlei Spielen bis zum frühen Morgen wach. Daraus ent·wickelte sich der Brauch der ''kōshin''-Wache ({{glossar:koushinmachi}}), die bis zum Beginn des zwan·zigsten Jahr·hunderts in verschie·denen Formen in immer breiteren Schichten der Bevöl·kerung durch·geführt wurde.<br />
<br />
===Shōmen Kongō===<br />
<br />
{{w502| rh= 440<br />
| shomenkongo_saishoin.jpg | w1= 300 | top1= -40 | left1= -30<br />
| shomen kongo spinner.jpg| top2= -100<br />
| caption= Shōmen Kongō und die Drei Affen<br />
| ref= 1<br />
}}<br />
Während die Heian-zeitlichen Adeligen eine eher seku·läre Form der Wür·mer·kur pfleg·ten, griff auch der japa·nische Buddhis·mus den ''kōshin''-Glau·ben auf und inte·grierte ihn in das {{skt:Karma}}-Konzept. Die drei Würmer wurden so zu miss·güns·tigen Spio·nen im Dienste der kar·mischen Ver·gel·tung. Als strafende Instanz wurde der daoisti·sche Polar·stern·gott Tentei nach und nach von stärker buddhistisch kon·notierten Gestalten abgelöst, u.a. von {{skt:Indra}} (jap. {{Glossar:Taishakuten}}), der ober·sten buddhis·tischen Wächter·gott·heit, später aber auch von {{glossar:enma}}, dem obersten Rich·ter der Toten·welt. Schließlich geriet eine bedroh·liche Gott·heit namens {{Glossar:Shoumenkongou}} (wtl. grün·ge·sich·tiger {{skt:Vajra}}) — urspüng·lich ein Diener des Indra, der äußer·lich den eso·teri·schen {{skt:Mantra}}-Köni·gen ({{g|Myouou}}) nach·empfun·den ist — ins Zentrum des ''kōshin''-Glau·bens. Zu Shōmen Kongō bete·ten die Gläu·bi·gen um Beistand, wenn sie das Tun der Würmer unter·binden und auf diese Weise ihr Leben ver·län·gern wollten.<br />
<br />
==Die Drei Affen==<br />
<br />
Auf bildlichen Darstel·lungen wird Shōmen Kongō zumeist in Beglei·tung der Drei Affen dargestellt. Die Asso·zia·tion entstand mög·licher·weise daraus, dass der Tag bzw. die Nacht, in der die Drei Würmer den Körper ver·lassen, mit dem Tier·kreis·zei·chen des Affen zu tun hat. In einem wei·teren Asso·zia·tions·schritt wurde der Affe mit dem ver·bun·den, was die Drei Würmer NICHT tun sollen: nichts sehen, nichts hören, und vor allem nichts aus·plau·dern. Auf Japa·nisch ist diese Ver·bin·dung leicht her·zustel·len, da {{g|saru}} („Affe“) zu ''-zaru'' („nicht“) umge·formt werden kann: „nichts sehen“, „nichts sagen“, „nichts hören“ ({{g|mizaruiwazarukikazaru}}) kann also auch als „Seh-Affe“, „Sprech-Affe“, und „Hör-Affe“ ver·stan·den werden.<br />
<br />
Das Drei Affen-Motiv verdankt seine Beliebt·heit in Japan also nicht der Tat·sache, dass die Affen sich von allem Bösen fern·hal·ten wollen, wie heute gerne ange·nom·men wird.<!--<br />
--><ref> <br />
In der Tat gibt es ein Zitat aus den Analekten des Konfuzius, das besagt: <br />
{{zitat| text=<br />
Nichts ansehen, was nicht sittlich ist, nichts hören, was nicht sittlich ist, nichts sagen, was nicht sittlich ist, nichts tun, was nicht sittlich ist.<br><br />
非禮勿視、非禮勿聽、非禮勿言、非禮勿動<br />
| quelle= [http://ctext.org/analects/yan-yuan ''The Analects'', Yan Yuan]<br />
}}<br />
Sicher hat dieses Zitat bei der Benennung der Drei Affen auch eine Rolle gespielt, doch ist es nicht der Haupt·grund für ihre Beliebt·heit.<br />
</ref><br />
Sie stehen im Gegen·teil für den Wunsch, dass die Drei Würmer, die jeder in sich trägt, von ihrer ver·räte·rischen Auf·gabe abge·hal·ten werden sollen und der Mensch selbst weiter seinen Lastern frönen kann, ohne sich dabei vor einem frühen Tod fürchten zu müssen. Obwohl dieses Vor·haben auf den ersten Blick gegen buddhis·tische Moral·vorstel·lungen gerich·tet zu sein scheint, wider·sprach es nicht der land·läu·figen buddhis·tischen Praxis. Diese war stets bemüht, Schlupf·lö·cher im Gesetz des Karma aus·findig zu machen, und versprach den Gläu·bigen, mit dem gering·sten mög·lichen Auf·wand ein Maxi·mum an gutem Karma zu er·wirt·schaf·ten. Daher wurde der ''kōshin''-Glauben vom Buddhis·mus geför·dert, ja, es entstan·den sogar eigene Tempel für Shōmen Kongō, die Haupt·gott·heit des ''kōshin''-Glau·bens. Der älteste Tempel dieser Art befin·det sich im Gebäude·kom·plex des {{Glossar:Shitennouji}} in Ōsaka und wurde bereits um das Jahr 700 errichtet.<br />
<br />
{{w500|rahmen_h=200|w=700|left=-100|top=-30<br />
|Drei_affen_chichibu.jpg<br />
| Drei Lebenslustige Affen, Chichibu Schrein<br />
| ref= 1<br />
}}<br />
===Drei Affen Gedenksteine===<br />
{{Float|left|bild=koshinto.gif|style=width:300px; margin-left:-2em|class=bildtext |caption=Schematische Darstellung eines<br/> ''kōshin''-Gedenksteins aus der Edo-Zeit<br /> Bildquelle: [http://www.geocities.jp/mitaka_makita/kaisetu/kosin.html Makita Hidenosuke] [2010/9]}}<br />
<br />
Das erwähnte Ensemble von Shōmen Kongō und den Drei Affen ist aller·dings erst seit der frühen {{glossar:edo}}-Zeit belegt. Es entstand wahr·schein·lich Hand in Hand mit dem Auf·kom·men der so·genann·ten ''kōshin''-Fra·ter·ni·tä·ten ({{Glossar:koushinkou}}) im japa·ni·schen Spät·mittel·alter.<br />
Dabei handelt es sich um gut organisierte Gruppen von Laien·an·hän·gern ({{g|kou2}}) des ''kōshin''-Glaubens, die sich gemein·sam bemüh·ten, eine fest·ge·setzte Anzahl von ''kōshin''-Näch·ten zu durch·wa·chen. Wenn es ihnen bei·spiels·weise gelang, die Drei Würmer drei Jahre lang von ihrem Rapport abzu·hal·ten, errich·te·ten sie Ge·denk·steine oder ''kōshin''-{{skt:Stupa|''stupas''}} ({{glossar:koushintou}}). Typische Bei·spiele sol·cher ''kōshin''-Ge·denk·steine stellen die Drei Affen zu Füßen des Shōmen Kongō dar. Oft sind sie auch mit den Sym·bo·len von Sonne und Mond ver·se·hen, die hier für die Urkräfte des Uni·ver·sums, [[Texte/Yin_und_Yang | Yin und Yang]], stehen. <br />
<br />
Stilistisch haben diese einfachen Steins·kulp·tu·ren Ähnlich·kei·ten mit den volks·tüm·lichen Statuen des {{g|Jizou}}, die in Japan fast übe·rall zu finden sind, oder mit den Wegegöttern ({{g|dousojin}}). Andere Ver·wandte sind Kannon mit dem Pferde·kopf ({{glossar:batoukannon}}), die {{glossar:Komainu}} oder die bud·dhis·tischen Tor·wächter ({{glossar:niou}}), die oft von Laien in sehr indi·vi·duel·ler Art in Stein ge·hauen wurden. Sie alle stehen für eine volks·tüm·liche Laien·reli·gio·sität, die un·vor·ein·ge·nom·men von sämt·lichen Tradi·tio·nen Gebrauch macht. Obwohl die Wur·zeln des ''kōshin''-Glau·bens aus einer Mischung von Buddhis·mus und Daois·mus entstan·den sind, zeigen Beispiele aus der Edo-Zeit, dass Shōmen Kongō auch mit Shintō-Riten verehrt wurde. Der ''kōshin''-Glau·ben stellt inso·fern ein typi·sches Beispiel für die untrenn·bare Ver·flech·tung von Buddhis·mus und Shintō in der vor·mo·der·nen Zeit dar.<br />
<div class="largebox"><br />
{{Galerie2|span=6|caption=''Kōshin''-Gedenksteine (bitte anklicken)|bilder={{Dia2|<br />
koshinto_fuchu.jpg|w=96}}{{Dia2|<br />
koshinto_komagome.jpg|w=96}}{{Dia2|<br />
koshinto_kunisaki2.jpg|w=96}}{{Dia2|<br />
koshinto_kakizawa.jpg|w=96}}{{Dia2|<br />
koshinto_saitama.jpg|w=96}}{{Dia2|<br />
koshinto_omiya.jpg|w=96}}{{Dia2|<br />
koshinto_kitashinjuku.jpg|w=96}}{{Dia2|<br />
koshinto_karuizawa_nagano.jpg|w=96}}{{Dia2|<br />
koshinto_amida.jpg|w=96}}{{Dia2|<br />
koshinto_kamakura.jpg|w=96}}{{Dia2|<br />
koshin_affen.jpg|w=96}}{{Dia2|<br />
odakejinja.jpg|w=x120}}<br />
}}<br />
</div><br />
{{Verweise<br />
| links=<br />
* [http://www.three-monkeys.info/ The Three Monkeys Worldwide], Emil Schuttenhelm (dt., en.)<br/>Ausführliche Informationen und Sammelobjekte zu den Drei Affen.<br />
|update= Aug. 2010|<br />
}}<br />
{{ThisWay}}</div>
Nicole Janker
https://religion-in-japan.univie.ac.at/r/index.php?title=Mythen/Verwandlungskuenstler/Kitsune&diff=59908
Mythen/Verwandlungskuenstler/Kitsune
2015-09-25T11:57:54Z
<p>Nicole Janker: </p>
<hr />
<div>{{Styles|sidepage}}<br />
{{titel | ''Kitsune''-Motive}}<br />
{{floatright|top=-60<br />
|kitsune_koson.jpg<br />
|Tanzender ''kitsune''<br />
|ref=1<br />
}}<br />
{{Zitat|text=<br />
{{fl|M}}it fünfzig Jahren kön·nen sich Füch·se in Frau·en ver·wan·deln, mit hun·dert in Schön·hei·ten oder in Zau·be·rin·nen. Man·che ver·wan·deln sich auch in Män·ner und ha·ben Ver·kehr mit Frau·en. Sie kön·nen Din·ge aus tau·send Mei·len Ent·fer·nung er·ken·nen, be·herr·schen die Ma·gie, täu·schen die Men·schen und ver·wir·ren ihre Sinne. Mit tau·send Jah·ren kom·muni·zieren sie mit dem Him·mel und wer·den zu Himm·lischen Füch·sen.<ref>Zitat aus dem en·zyklo·pädi·schen Werk ''Taiping yulan'' 太平御覧 aus dem 10. Jh., geht aber auf ältere Quellen zurück. Zitiert nach Rania Huntington, ''Alien Kind: Foxes and Late Imperial Chinese Narrative.'' Harvard Univ Asia Center, 2003, S. 1.</ref><br />
}}<br />
Dieses Zitat aus einem chine·si·schen Lexi·kon des zehnten Jahr·hun·derts um·reißt die meisten Eigen·schaf·ten, die Füchsen ({{glossar:kitsune}}) auch in Japan nach·gesagt werden. In beiden Ländern sind Füchse als Meister der magi·schen Ver·wand·lung ein wich·tiger Be·stand·teil der [[Mythen/Geister |Geister·welt]]. Sie können nach Be·lieben in die Gestalt von Men·schen schlüp·fen oder in Men·schen illu·sori·sche Wahr·neh·mun·gen er·zeugen. Der Fuchs auf der Ab·bildung rechts be·deckt etwa seinen Kopf mit einem Blatt und voll·führt einen magi·schen Tanz. Es ist dies ein un·trüg·liches Zeichen, dass er im Begriff ist eine andere Gestalt an·zu·nehmen.<br />
<br />
Die Fuchsbilder und -geschichten auf dieser Seite stammen vor allem aus der {{Glossar:Edo}}-Zeit, gehen aber zumeist auf ältere Vorbilder zurück. Dank der Vor·liebe für das Un·heim·lich-Mysteriös-Ge·spens·tische in der Edo-zeit·lichen Populär·kultur wurden Fuchs·motive besonders im frühen neunzehnten Jahrhundert zu einem beliebten Sujet des {{g|Kabuki}}-Theaters und der {{glossar:ukiyoe}}. Neben dem wohligen Grusel·gefühl, das un·heim·liche Fuchs·ge·schich·ten ver·mitteln können, wurde und wird die magische Macht der Füchse aber auch durch·aus für real gehalten und führte in der Edo-Zeit zu ähn·lichen Extremen wie der euro·päische Hexen·glauben: Ins·beson·dere Frauen konnten ver·folgt oder ver·stoßen werden, weil man sie für ver·wan·delte Füch·sinnen hielt.<br />
<br />
{{w500|rh=250 |w=1050 |left= -20| top=-10<br />
|Tamamo hokusai.jpg<br />
|Neunschwänziger Fuchs <br />
|ref=1<br />
}}<br />
==Zauberische Fuchsfrauen==<br />
<br />
Ähnlich wie in China verwandeln sich auch japanische ''kitsune'' vor·zugs·weise — wenn auch nicht aus·schließ·lich — in schöne Frauen. Le·gen·den solcher Fuchs·frauen tau·chen schon im japa·nischen Alter·tum (z.B. im {{glossar:nihonryouiki}}<ref<br />
<br />
>Vgl. ''Nihon Ryo Wiki'', [http://www.univie.ac.at/rel_jap/ryowiki/I-02 Erzählung I-02]</ref<br />
<br />
>) auf, wurden im Laufe der Zeit mit zahl·reichen Details aus·ge·schmückt und schließ·lich in der Edo-Zeit auch für das Kabuki-Thea·ter adap·tiert. Die beiden be·kann·testen Gestalten sind {{g|Kuzunoha}}, die liebende Mutter und Ehefrau, und {{g|Tamamonomae}}, die ver·ruchte Hofdame. Sie stehen ein·ander cha·rakterlich dia·met·ral gegen·über und zeigen, dass der Fuchs mit seinen Zauber·kräf·ten sowohl positiv als auch negativ in Er·schei·nung treten kann. Den·noch haben beide Legen·den über·raschende Paral·lelen: In beiden Fällen kann die Fuchsfrau nicht lange in der Gesell·schaft der Menschen ver·blei·ben, ja, sie verwandelt sich sogar schlussendlich, als Kon·sequenz ihrer Extra·vagan·zen, in einen Stein. Außer·dem tau·chen in beiden Legen·den Mit·glie·der der Familie Abe auf. Diese waren in der {{Glossar:Heian}}-Zeit die füh·renden [[Texte/Yin_und_Yang | Yin-Yang]] Meister bei Hof und galten als solche — ebenso wie die Füchse selbst — als Meister der Magie.<br />
<br />
===Kuzunoha&shy;, die liebende Fuchsmutter===<br />
{{floatright|rahmen_h=340<br />
|kuzunohana.jpg<br />
|Kuzunoha <br />
|ref=1<br />
}}<br />
Die Grunderzählung dieser Legende lautet in etwa folgendermaßen:<br />
{{zitat|text=<br />
{{Glossar:Abenoyasuna}}, ein Heian-zeitlicher Höfling, der sich in der Kunst der Magie übt, rettet im Wald von Shinoda (in der Umge·bung des heu·tigen Ōsaka) einen weißen Fuchs vor einem Jäger. Er ver·letzt sich dabei, doch es erscheint eine junge Frau namens Kuzunoha (Ran·kenblatt), die ihn gesund pflegt. Die beiden ver·lieben sich, heiraten und be·kommen einen Sohn. Als dieser fünf Jahre ist, kann Kuzu·noha ihre wahre Iden·ti·tät nicht länger ver·bergen. Sie be·sucht ein letztes Mal ihr Kind und schreibt ein zu Herzen ge·hen·des Ab·schieds·ge·dicht, um schließ·lich als Füch·sin in ihren Wald zu·rück·zu·keh·ren. Das Kind des Paares ist {{Glossar:Abenoseimei}} (921?–1005), der in der Folge zum be·rühm·testen Magier der Heian-Zeit heranwächst.<br />
}}{{sidebox|w=140|rahmen_h=200<br />
|kuzunoha_toyokuni.jpg<br />
|Abschiedsgedicht<br />
|ref=1<br />
}}<br />
Diese Geschichte existiert in zahlreichen Varianten.<ref>Die etwas kompli·zier·te Ver·sion des Kabuki-Dramas findet sich etwa bei [http://www.kabuki21.com/kuzunoha.php Kabuki 21]. [2007/1]</ref> Das einzige un·ver·änder·liche Ele·ment ist jeweils das Abschieds·ge·dicht, das auch auf den meisten Bildern zu finden ist:<br />
{{Zitat|text= <br />
Wenn du mich liebst/ so komm und such mich/ in Izumi/<br /> im Wald von Shinoda/ die trauernde Kuzunoha <ref><br />
''Koishikuba/ tazune kite miyo/ Izumi naru// Shinoda no mori no/ urami Kuzu no ha'' <br/>恋しくば / 尋ね来て見よ / 和泉なる / 信太の森の / うらみ葛の葉</ref><br />
}}<br />
{{w502|rahmen_h=345<br />
|kuzunoha_kuniyoshi.jpg<br />
|kuzunoha_kuniyoshi2.jpg<br />
|caption= Kuzunoha im Moment der Verwandlung ({{glossar:Utagawakuniyoshi}})<br />
|ref=1<br />
}}<br />
{{w502|rahmen_h=345<br />
|kuzunoha_hiroshige.jpg<br />
|kuzunoha_yoshitoshi.jpg<br />
|Kuzunoha von Hiroshige<br />
|Kuzunoha von Yoshitoshi<br />
|ref=1<br />
}}<br />
<!--<br />
{{Galerie2|bilder={{Dia2|<br />
kuzunoha_kuniyoshi.jpg| w=161| rahmen_w=161|rahmen_h=230}}{{Dia2|<br />
kuzunoha_kuniyoshi2.jpg| w=161| rahmen_w=161|rahmen_h=230}}{{Dia2|<br />
kuzunoha_yoshitoshi.jpg| w=162| rahmen_w=162|rahmen_h=230}}{{Dia2|<br />
kuzunoha_toyokuni.jpg| w=161| rahmen_w=161|rahmen_h=230}}{{Dia2|<br />
Kuzunoha toyokuni2.jpg| w=162| rahmen_w=162|rahmen_h=230}}{{Dia2|<br />
kuzunoha_hiroshige.jpg| w=161| rahmen_w=161|rahmen_h=230}}<br />
|caption=Kuzunoha Motive<br />
}}--><br />
Im Stadt·gebiet des heutigen Ōsaka, wo sich einst der Wald von Shinoda be·fand, exis·tiert noch heute ein alter Schrein, der Kuzu·noha ge·weiht ist. Er heißt mit vollem Namen {{g|Shinodanomorikuzunohainarijinja}} (etwa Schrein der Kuzunoha im Wald von Shinoda) und ist klarerweise der Fuchsgottheit {{g|Inari}} zugeordnet. In diesem Schrein wird ein Stein auf·be·wahrt, in den sich die Füch·sin schluss·endlich ver·wan·delt haben soll.<br />
<br />
===Tamamo no Mae, die Füchsin als Femme fatale===<br />
{{w500|rahmen_h=330|w=760|left=-253|top=-20<br />
|tamamo_toyokuni3.jpg<br />
|Tamamo no Mae wird als Fuchs entlarvt<br />
|ref=1<br />
}}<br />
Die Geschichte der {{glossar:Tamamonomae}} spielt ebenfalls in der Heian-Zeit und umfasst sogar ein Mitglied der Familie Abe, die auch in der Kuzu·noha-Legende vor·kommt. Doch die Rolle der Füch·sin ist bei·nahe spie·gel·bild·lich ange·legt: <br />
{{zitat|text=<br />
Ein kinderloses Paar zieht ein Waisen·mädchen auf, dessen Schön·heit und Klug·heit so außer·ge·wöhn·lich sind, dass man selbst in der Haupt·stadt davon erfährt. Man ruft sie an den Hof, wo sie den Namen Tamamo no Mae (Hofdame Juwelen·seegras) be·kommt und alle ver·blüfft, da sie selbst die kniffligsten Fragen zum Buddhismus be·ant·worten kann. Als einmal in der Dunkel·heit helles Licht aus ihrem Körper er·strahlt, wird sie für ein bud·dhis·tisches Wesen ge·halten. Der Exkaiser {{glossar:Tobatennou|Toba}}<!--<br />
--><ref>Toba er regierte als sog. Ex- oder Klosterkaiser von 1129–56, während sein Sohn {{glossar:Konoetennou|Konoe}} das Amt des Tenno innehatte.<!--<br />
--></ref> <br />
ver·liebt sich in das Mädchen und macht sie zu seiner Ge·liebten. Doch bald er·krankt er an einem rätsel·haften Leiden, dessen Ursachen sämt·lichen Ärzten rätsel·haft bleiben. Der Astrologe und Yin-Yang Meister {{glossar:abenoyasunari}} (ein Abkömm·ling des oben er·wähnten Abe no Seimei) er·kennt, dass der Exkaiser von Tamamo no Mae ver·hext wird. Diese sei in Wirk·lich·keit ein uralter Fuchsgeist mit zwei (in späteren Versionen neun) Schwänzen, ein Feind des Buddhismus, der es da·rauf ab·ge·sehen habe, fromme Herr·scher zu Fall zu bringen. Yasunari lässt Tamamo zu Test·zwecken selbst ein bud·dhis·tisches Ritual durch·führen, sie aber ist dazu nicht im Stande, zeigt end·lich ihre wahre Gestalt und flieht.<br />
}}<br />
{{w502|rh=320<br />
| tamamo_kaibutsugahon.jpg<br />
| tamamo_chikanobu.jpg<br />
|caption=Tamamo no Mae, die heimtückisch-elegante Fuchsdämonin<br />
|ref=1<br />
}}<br />
{{w502|rh=320<br />
| tamamo_kuniyoshi.jpg <br />
| tamamo_kuniyoshi3.jpg<br />
| Entarnung<br />
| Todesstein<br />
|ref=1<br />
}}<br />
{{zitat|text=<br />
Nach einer lang·wierigen Expedi·tion gelingt es schließlich den tapfersten Bogen·schüt·zen des Landes, Tamamo an ihrem Heimat·ort, der {{g|Nasuno|Nasu}}-Ebene in der heutigen Präfek·tur Tochigi (nördlich von Tōkyō), zur Strecke zu bringen. Von einem Pfeil töd·lich ge·trof·fen ver·wandelt sie sich in einen giftigen „Todes·stein“ ({{glossar:sesshouseki}}), der jeden, der zu nahe kommt, tötet. Erst über zwei·hundert Jahre später gelingt es einem Zen-Mönch namens {{glossar: gennou}}, den Fluch der Tamamo no Mae zu bannen.<br />
}}<br />
In einigen Versionen der Legende heißt es, Tamamo hätte bereits in frühe·ren Er·schei·nungs·for·men die Kaiser von Indien und China ver·hext, sofern sie gläu·bige Buddhis·ten waren, und den Unter·gang ganzer Dyna·stien her·bei·ge·führt. Dieses Motiv findet sich tat·säch·lich auch in chine·sischen Fuchs·le·genden. Es wird bereits in mittel·alter·lichen Versi·onen der Tamamo Legende erwähnt, zu durch·schla·gen·der Popu·larität ge·lang·ten die außer·japa·nischen Fuchs·frauen aber durch den illus·trier·ten Roman {{g|Ehonsankokuyoufuden}} („Gespens·ter·frauen aus den Drei Ländern“) von {{g|Takairanzan}}, mit Bildern von {{g|Teisaihokuba}}, der zwischen 1803 und 1805 erschien.<br />
<br />
{{W503|rh=220<br />
| tamamo_kuniyoshi2.jpg |rahmen_w1=320 |w1= 325<br />
| Kayo_fujin.jpg |rahmen_w2=160 |w2= 160<br />
| Dakki.jpg |rahmen_w3=160 |w3= 160<br />
|caption=Tamamo no Mae in exotischer Form<br />
|ref=1<br />
}}<!--<br />
tamamo_yoshiiku1864.jpg|w=162|rahmen_w=162|rahmen_h=230}}{{Dia2|<br />
tamamo_kuniyoshi3.jpg|w=161|rahmen_w=161|rahmen_h=230}}{{Dia2|--><br />
<br />
==Weitere Fuchsmotive==<br />
{{w502|rh=335<br />
|kitsune_ojiinari_hiroshige.jpg|w1=268 | left1=-20 |top1=-10<br />
|kitsune_kaibutsugahon2.jpg<br />
|caption= Fuchslichter<br />
|ref=1<br />
}}<br />
Neben konkreten Geschichten illustrieren Edo-zeitliche Fuchsbilder auch all·ge·meine Vor·stel·lun·gen über die Zau·berkraft der Füchse. Auf der Ab·bildung oben sind bei genauer Be·trach·tung Lichter über den ein·zel·nen Füchsen zu er·ken·nen, so·ge·nannte „Fuchslichter“ ({{glossar:kitsunebi}}), die nach volks·tüm·lichen Vor·stel·lun·gen die Seelen von Ver·stor·be·nen sein könnten. <br />
<br />
Dass Füchse nicht immer durch·trieben und schlau sind, ist das Thema eines {{glossar:kyougen}}-Stücks: Ein Fuchs nützt seine Ver·wand·lungs·kunst um in Gestalt eines Mönchs einem Jäger ins Gewissen zu reden, doch keine Füchse mehr zu jagen. Er kann den Jäger zwar über·zeugen, wird aber entlarvt, als er auf dem Rück·weg selbst in eine Fuchs·falle tappt. <br />
Auf den fol·gen·den Bildern ist dieser Fuchs in Mönchs·gestalt dar·ge·stellt.<br />
<br />
{{w503b| rh=220<br />
|kitsune_kokan.jpg |w1=160<br />
|fuchsgeist_yoshitoshi.jpg<br />
|kitsune_hokusai.jpg|top3=-20<br />
|caption=Füchse in Mönchsgewand<br />
|ref=1<br />
}}<br />
{{verweise<br />
|themen=<br />
* [[Mythen/Verwandlungskuenstler | Füchse und Tanuki]] (Hauptseite)<br />
* [[Bauten/Bekannte_Schreine/Fushimi | Inari Fuchswächter]] <br />
* [[Mythen/Verwandlungskuenstler/Tanuki | Tanuki]] (Bilderseite)<br />
|links= <br />
* [http://edb.kulib.kyoto-u.ac.jp/exhibit-e/otogi/tamamo/tamamo.html Tamamo no mae], Kyōto University Library (en.). Teil des Web-Archivs [http://edb.kulib.kyoto-u.ac.jp/exhibit-e/otogi/cover/index.html Enjoying Otogi Zoshi].<br />
* ''Nihon Ryo-Wiki'', [http://www.univie.ac.at/rel_jap/ryowiki/Kitsune Kitsune]<br />
|update= Jul. 2011 <br />
}}<br />
{{ThisWay}}</div>
Nicole Janker
https://religion-in-japan.univie.ac.at/r/index.php?title=Mythen/Imaginaere_Tiere/Komainu&diff=59907
Mythen/Imaginaere Tiere/Komainu
2015-09-25T11:52:18Z
<p>Nicole Janker: </p>
<hr />
<div>{{titel | ''Komainu''-Portraits}}<br />
{{w500<br />
|komainu4.jpg<br />
|''Komainu'' von Kobayashi Kazuhira, 1961<br />
}}<br />
{{fl|K}}{{glossar:komainu|''omainu''}} lassen sich sich auf den Löwen zurück·führen, der seinen Weg als herr·schaft·liches Symbol·tier vom Vorderen Orient über Indien nach Ost·asien fand. Da er dort aller·dings nicht heimisch ist, wurde er zu einem legendären Tier und zum Gegen·stand zahl·reicher ikonographischer Variationen. Wie bei vielen einst·mals exotischen Wesen, die durch den Bud·dhis·mus in Ostasien bekannt wurden, lässt sich auch bei den ''komainu'' die Tendenz fest·stellen, dass sie mit zu·nehmender Ver·traut·heit ihre ge·fähr·lichen Züge verlieren und von den Künstlern statt·dessen — freiwillig oder un·frei·willig — mit einer gewissen Komik ausge·stattet werden. <br />
<br />
==Klassische Vorbilder==<br />
{{w500|rahmen_h=285<br />
|komainu_koya.jpg<br />
|Gemalte ''komainu'', 14. Jh.<br />
}}<br />
{{w500<br />
|komainu_ninnaji.jpg<br />
|''Komainu'' des Ninna-ji, Kyōto, 17. Jh.<br />
}}<br />
Ältere Exemplare, wie z.B. die Abbil·dungen oben, lassen sich noch deutlich in einen „Korea-Hund“ (''komainu'', mit Horn und geschlos·senem Maul) und einen „China-Löwen“ ({{glossar:karajishi}} — manchmal auch schlicht als {{glossar:shishi}} bezeichnet — mit Mähne und offenem Maul) unter·scheiden. <br />
{{w500|rahmen_h=350<br />
|komainu_todaiji.jpg<br />
|Chinesische Löwen des Tōdaiji, um 1200<br />
}}<br />
Diese beiden Löwen stammen von chinesi·schen Stein·metzen, die Ende des 12. Jahrhunderts beim Wiederaufbau des {{glossar:toudaiji}} eingesetzt wurden, und sind offen·sichtlich vom damaligen chinesi·schen Löwenstil geprägt. Sie wirken zugleich archaischer und macht·voller als die meisten japanischen ''komainu'' und gehorchen nicht dem A-Un Schema, riefen aber offenbar in Japan einen eigenen Typ von ''komainu'' hervor, der etwa auch im {{glossar:Yasukunijinja|Yasukuni Schrein}} in Tōkyō oder beim {{glossar:Kiyomizudera|Kiyomizu Tempel}} in Kyōto zu finden ist.<br />
<br />
== Edo-zeitlicher Standard ==<br />
<br />
{{w502|rahmen_h=240<br />
|komainu a mak.jpg<br />
|komainu mak.jpg<br />
|caption= ''Komainu'' aus einem Familientempel der Tokugawa<br />
}}<br />
{{sidebox<br />
|w=180|left=-10|rahmen_h=200<br />
|Jingoro_kuniyoshi.jpg<br />
|Lebendige Löwenhunde<br />
}}<br />
Die obigen Beispiele zeigen zwei sehr schön erhaltene Löwen·hunde des Hofmalers {{g|Kanoutsunenobu}} aus der mittleren Edo-Zeit (um 1710). Wie man sieht, gehören diese beiden Tiere der gleichen Spezies an, besitzen kein Horn und unter·scheiden sich lediglich durch ihre Gestik, die Farbe der Mähne und vor allem die Öffnung des Mauls. Auf einem Holz·schnitt von {{g|Utagawakuniyoshi}} (1797–1861) sind ganz ähnliche Exemplare zu erkennen. (Kuniyoshis stellt allerdings ein Exemplar noch mit Horn dar.) Sie wurden der Legende nach vom Meister·bild·hauer {{glossar:Hidarijingorou}} so lebensecht gestaltet, dass sie tatsächlich Räuber in die Flucht schlagen konnten (und sich in diesem Sinne eher wie Hunde als Löwen verhielten).<br />
<br />
==Humorvolle ''komainu''==<br />
Die folgenden Beispiele entstammen zum Großteil einer umfang·reichen Sammlung von ''komainu''-Bildern von Takuki Yoshimitsu. Takuki hebt vor allem die humorvollen Züge der japani·schen Löwen·hunde hervor.<br />
{{Galerie2|bilder={{Dia2|<br />
komainu3.jpg|rahmen_h=140|rahmen_w=120|w=x140|left=-80}}{{Dia2|<br />
komainu2.jpg|rahmen_h=140|rahmen_w=120|w=x140|left=-120}}{{Dia2|<br />
komainu1.jpg|rahmen_h=140|rahmen_w=121|w=x140|left=-180}}{{Dia2|<br />
komainu_aomori.jpg|rahmen_h=140|rahmen_w=121|w=x140|left=-10}}{{Dia2|<br />
komainu_nodajinja.jpg|rahmen_h=140|rahmen_w=120|w=x140|left=-10}}{{Dia2|<br />
komainu5.jpg|rahmen_h=140|rahmen_w=120|w=x140|}}{{Dia2|<br />
komainu_mitsumine.jpg|rahmen_h=140|rahmen_w=121|w=x140|}}{{Dia2|<br />
komainu_yasukuni.jpg|rahmen_h=140|rahmen_w=121|w=x170|top=-20}}<br />
}}<br />
<br />
==Löwenwächter in China, Korea und Okinawa==<br />
Auch in den Nachbar·ländern Japans findet man Löwen als Wächter, oft ebenso humor·voll gestaltet wie die ''komainu''. Während letztere aller·dings fast aus·schließ·lich vor religiösen Gebäuden zu finden sind, bewachen chinesische und koreani·sche Löwen eher weltliche Paläste.<br />
{{w504| rahmen_h=160<br />
| haetae1.jpg<br />
| haetae2.jpg<br />
| haetae3.jpg | top3 = -50<br />
| haetae5.jpg | w4 = 250<br />
| caption = Koreanische Löwenhunde<br />
}}<br />
{{w502| rahmen_h=160<br />
| komainu_ayuwang.jpg<br />
| stonelions_wuhouci.jpg<br />
| caption = Chinesische Löwenhunde<br />
}}<br />
{{w502| rahmen_h=160<br />
| shisa.jpg<br />
| shisa2.jpg| w2 = 300 | left2 =-30<br />
| caption = Shisa aus Okinawa<br />
}}<br />
{{Linkbox|text=<br />
* [http://www.komainu.net/ Komainu Net], Takuki Yoshimitsu (jap.)<br/>Klassische Komainu-Sammlung und Dokumentation.<br />
* [http://8.pro.tok2.com/~tetsuyosie/index.html Jinja tanbō]<br/>Photoreportagen japanischer Schreine mit einem Komainu-Schwerpunkt.<br />
* [http://photozou.jp/photo/list/213794/672708 Komainu World] (jap.)<br/> Photosammlung.<br />
* [http://www.cjvlang.com/Photos/stonelion/stonelion.html Stone Lions], Greg Pringle<br/>Bilder chinesischer Löwenhunde und Links.<br />
* [http://en.wikipedia.org/wiki/Shisa Shisa] (en.)<br/>Wikipedia-Artikel über die Löwenhunde in Okinawa, die offenbar eine Variante zwischen japanischen und chinesischen Löwenhunden darstellen.<br />
|update= Aug. 2010|<br />
}}<br />
{{Linkbox|ue=Verwandte Themen|text=<br />
* [[Ikonographie/Waechtergoetter | Torwächter]] (Hauptseite)<br />
* [[Mythen/Verwandlungskuenstler/Inari_Kitsune | Fuchswächter]] (Bilderseite)<br />
}}<br />
{{ThisWay}}<br />
{{Styles}}</div>
Nicole Janker
https://religion-in-japan.univie.ac.at/r/index.php?title=Mythen/Imaginaere_Tiere&diff=59906
Mythen/Imaginaere Tiere
2015-09-25T11:49:27Z
<p>Nicole Janker: /* Wani */</p>
<hr />
<div>{{Styles}}<br />
{{titel | <span>Tiergötter und Götterboten, Teil 1 </span>Imaginäre Tiere}}<br />
{{fl|T}}iere können sowohl im japani·schen [[Grundbegriffe/Buddhismus|Buddhismus]] als auch im {{g|Shintou}} religiös ver·ehrt werden. Dabei tauchen in der reli·giösen Vor·stel·lungs·welt Japans neben den realen Tieren auch zahl·reiche mythische Fabelwesen auf. Es sind zumeist aus ver·schie·denen bekannten Tieren zusam·men·gesetzte „Übertiere“, sie werden aber aus religiöser Sicht ebenso als real emp·funden. Imaginäre Tiere, allen voran die Drachen, sind lediglich seltener als die anderen Arten. Diese Selten·heit korres·pondiert mit den besonderen Mächten und Fähigkeiten, die ihnen zuge·sprochen werden. <br />
<br />
{{w502<br />
|drache_kenninji_un.jpg|rahmen_h1=255<br />
|drache_kenninji.jpg|rahmen_h2=255|top2=-10<br />
|caption= Wolkendrachen (''unryū'')<br />
| ref=1<br />
}}<br />
{{Wrapper|__TOC__<br />
{{Sidebox|sidepage=Drachenbilder|w=160|left=-10|top=-90|rahmen_h=140<br />
| drachen_horyuji.jpg<br />
|Drachen und Drachenpaläste<br />
|ref=1<br />
}}<br />
}}<br />
Die imagi·nären Tiere, die auf dieser Seite vorgestellt werden, beruhen zumeist auf chine·sischen Vorbildern. Sie galten in China und in allen chinesisch beein·flussten vormo·dernen Kulturen als die oberste Klasse des Tierreichs und waren den normalen Menschen überlegen. Sie wurden grund·sätzlich als positive Figuren angesehen und als Glücks·bringer verehrt. <br />
<br />
Auch realen Tieren wurden im übrigen über·natürliche Eigen·schaften zuge·schrieben, sodass die Grenzen zwischen imagi·nären und realen Tieren im Grunde genommen fließend sind. So verfügen z.B. [[Mythen/Verwandlungskuenstler|Füchse und ''tanuki'']] über die Fähigkeit, vorüber·gehend eine menschliche Gestalt anzunehmen. <br />
Es gibt natürlich auch andere, eher bedrohliche imaginäre Wesen, die als Gespenster oder {{glossar:youkai}} einzustufen sind. Diese werden aber nicht hier, sondern auf den Seiten [[Mythen/Tengu|''tengu'']] und [[Mythen/Oni und Kappa|''oni'']] genauer behandelt. <br />
<br />
==Drachen und Schlangen==<br />
<br />
Drachen kombinieren äußerlich die anato·mischen Stärken aller möglichen Tiere: Die Schuppen von Fischen und Schlangen, die Klauen und Flügel von Vögeln, die Zähne und Pranken von Tigern, außerdem Hörner, Fühler, usw. Manche Drachen können auch mensch·liche Gestalt annehmen.<br />
Auf dem Meeres·boden steht der Palast ({{glossar:ryuuguu}}) des Drachen·königs. Ein Urenkel der Sonnen·gottheit suchte einst diesen Drachenpalast auf, verliebte sich in eine Tochter des Drachen·königs, heiratete sie und nahm sie mit auf die Erde. Als er sie aber während der Geburt des ge·mein·samen Kindes in Drachen·gestalt er·blickte, zog sich die Drachen·tochter beschämt und ent·rüstet wieder ins Meer zurück. Ihr Sohn aber blieb auf Erden. Einer seiner Enkel war {{glossar:jinmutennou}}, der erste japa·ni·sche „Kaiser“. Die {{glossar:Tennou}}-Familie zählt somit nicht nur die Son·nen·gott·heit, son·dern auch den Dra·chen·gott zu ihren Ahnen (mehr dazu: [[Mythen/Goetter der Erde | Göt·ter·mythen, Teil 2]]).<br />
<br />
=== Chinesische Drachen ===<br />
{{textbox|text=<br />
====Laotse als Drache====<br />
Der Drache wurde im alten China — und wohl auch in Japan — zwar als real exis·tieren·des Tier aufge·fasst, er unter·schied sich aber von „nor·malen“ Tieren. Dies wird z.B. durch eine alte Le·gen·de il·lus·triert, laut der Konfuzius, als er von seinem ersten und ein·zigen Tref·fen mit {{glossar:laozi|Laotse}} zu·rück·kehrte, seinen Ein·druck des mys·te·riö·sen Weisen fol·gen·der·maßen schil·derte: <br />
<br />
:Ich weiß, dass Vögel fliegen, dass Fische schwimmen und Wild laufen kann. Und was rennt, kann man zu·sam·men·trei·ben, was schwimmt, ist mit Netzen zu fan·gen und für das, was fliegt, kann man Pfeile be·nut·zen. Was aber den Drachen be·trifft, der auf Wind und Wolken reitet, so weiß ich nicht, wie ich ihn er·fas·sen soll. Ich habe heute Laotse ge·sehen — und wahr·lich: Er gleicht diesem Drachen!<ref>Matthias Claus (2006), nach {{glossar:Simaqian}}, ''Shiji'' 史記 (um 100 v.u.Z.)</ref><br />
}}<br />
Die Bluts·verwandt·schaft von Kaiserhaus und Drachen ist kein Zufall. <br />
Chine·si·schen Mythen zufolge stellt der Drache seit dem legen·dären Gelben Kaiser (Huang Di, leg.r. 2696–2598 v.u.Z.) das Sym·bol·tier der kaiser·lichen Herr·schaft dar (ähn·lich wie in Europa der Adler). Die Le·gende der drachen·artigen Vor·fahren des Tennō ent·stand also höchst·wahr·schein·lich aus dem Be·dürfnis, dieses be·deu·tungs·volle Sym·bol·tier auch für das japa·nische Herr·scher·haus zu in·stru·men·tali·sieren.<br />
<br />
Der Drache ist außer·dem das be·vor·zugte Tier der [[Texte/Yin und Yang/Tierkreis|Zwölf Tier·kreis·zeichen]] des chine·si·schen Kalen·ders (der auch in Japan Geltung hat). Und auch die vier Himmels·rich·tun·gen werden nach einer chine·sischen Auf·fas·sung von Drachen be·herrscht (nach einer anderen Auf·fas·sung wird aller·dings nur der Osten von einem blauen Drachen re·prä·sen·tiert).<br />
<br />
===Drachen im Buddhismus ===<br />
Auch im Buddhismus ist der Drache als gott·gleiches Wesen aner·kannt. Buddhis·tische Drachen lassen sich auf die indischen {{skt:naga}}s zurück·führen, schlangen·artige Gottheiten, die neben den {{s|Deva}}-Gottheiten eine eigene Kategorie von himmli·schen Wesen dar·stellen. Der legendäre Begründer des {{skt:Mahayana}} Buddhismus, {{skt:Nagarjuna}} (2. Jh. u.Z.), soll seine neu·artigen {{skt:sutra|Sutren}} von den ''nāga'' er·halten haben und trägt daher auch den Namen Nāga[a]rjuna, „Weißer ''nāga''/Drache“ (jap. {{g|ryuuju}}). Auch in Indien sind die ''nāga'' eng mit dem Wasser ver·bunden. Im Unter·schied zu den chinesi·schen Drachen sind sie aber verhältnis·mäßig niedere, un·er·leuch·tete Kreaturen. In Japan lässt sich jedoch kaum ein Unter·schied zwischen buddhisti·schen ''nāga'' und chinesischen Drachen feststellen.<br />
<br />
Die Verbunden·heit mit dem Wasser äußert sich bei manchen Drachen im Besitz eines Edelsteins, mit dem sie Ebbe und Flut be·herrschen. Dieser Edelstein hat eine enge Ver·wandt·schaft mit dem buddhistischen Wunsch·erfüllungs·juwel ({{glossar:nyoinotama}}), das auch von {{skt:Bodhisattva}}s ge·tragen wird ({{glossar:Nyoirinkannon}}). Schließ·lich werden Drachen auch für den Regen (oder das Ausbleiben des Regens) ver·ant·wort·lich gemacht und stehen daher in vielen asiatischen Ländern im Zentrum von rituellen Bitten und Zeremonien, um Regen herbeizu·führen.<br />
<br />
Wasser und Drachen bilden also eine assoziative Einheit, daher auch die häufigen Drachen·figuren bei Brunnen ({{glossar:temizuya}}) am Eingang von Tempeln oder Schreinen. Als Herrscher über das lebens·wichtige Element des Wassers können Drachen natürlich auch be·droh·lich sein bzw. die Gefahr von Natur·kata·strophen in sich bergen. Grund·sätz·lich besteht zu Drachen aber ein positives, von Respekt geprägtes Verhältnis.<br />
<br />
===Drachenartige Schlangen===<br />
{{w500 |rahmen_h=225<br />
|drachen und schlange.jpg<br />
|Drache und Schlange <br />
| ref=1<br />
}}<br />
Die Grenzen zwischen Schlangen ({{g|hebi}}) und Drachen sind fließend, aus ikono·gra·phischer Sicht zählen sie zweifellos zur selben Familie. In den klas·sischen japa·nischen Mythen taucht z.B. die acht·köpfige Schlange {{glossar:Yamatanoorochi}} auf, ein Unge·heuer von riesigen Aus·maßen, das nur mit List vom Kultur·heroen {{glossar:Susanoo}} be·siegt werden kann. Auf bildlichen Dar·stel·lungen aus späterer Zeit wird diese Schlange stets als Drache abgebildet. <br />
<br />
{{w500<br />
|susanoo_toyokuni.jpg|rahmen_h=250|top=-50<br />
|Susanoo kämpft gegen die achtköpfige Schlange<br />
| ref=1<br />
}}<br />
{{sidebox|w=140 | rh=170| top=-140<br />
| schlange izumo.jpg<br />
|Schlangengott von Izumo<br />
| ref=1<br />
}}<br />
Obwohl dieser Mythos an das negative Bild euro·päischer Drachen·geschich·ten erinnert, werden Schlangen in Japan, ähnlich wie Drachen, zumeist mit positivem Respekt und Ehrer·bietung angesehen. Der Gott des uralten {{glossar:oomiwajinja|Miwa Schreins}} taucht in den Mythen mehrfach auf und erscheint einmal in mensch·licher, einmal in Schlangen·gestalt. Noch heute opfert man dieser Gottheit im Miwa Schrein rohe Eier, da diese für Schlangen eine beson·dere Delikatesse darstellen sollen. Die Miwa-Gottheit wird auch mit {{glossar:ookuninushi}}, dem Gott von {{glossar:Izumo}} identifiziert. Auch in Izumo gibt es einen ähnlichen Schlangenkult. <br />
<br />
Das {{g|Hitachifudoki}}, eine alte Chronik der heutigen Präfektur Ibaraki, be·richtet, dass sich in alter Zeit — unweit der Stelle, wo in den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts massive Proteste gegen die Errichtung des Flughafens Narita ausge·fochten wurden — gehörnte Schlangen gegen die Urbar·machung des Landes zur Wehr setzten und die Menschen attackierten. Nach einigem Hin und Her er·richtete man ihnen einen Schrein und brachte sie damit zur Ruhe. Man tauschte also Land·rechte gegen religiöse Verehrung (die Konflikte der 1970er Jahre wurden hingegen vor Gericht entschieden). Aus dieser Er·zählung wird ersichtlich, dass die Schlangen für Gott·heiten ge·halten wurden, denen das Land ursprünglich gehörte. <br />
<br />
In vielen Mythen·kreisen der Welt steht der Schlange als Herrscherin des Wassers der Vogel, bzw. der Adler, als Be·herrscher des Himmels oder des Feuers gegen·über. In Indien ist dieser Gegensatz besonders stark aus·geprägt. Hier gibt es den Vogel·menschen {{skt:Garuda}}, der den erwähnten ''nāga'' — also den Schlangen·wesen — in ewiger Feind·schaft gegen·über·steht. In China und Japan ist dieser Gegen·satz nicht besonders präsent, vielleicht weil die Figur des Drachens zu über·mächtig ist und selbst viele Eigen·schaften von Vögeln besitzt. Der indische Vogel·mensch Garuda scheint jedoch in der Sagen·figur des japanischen {{g|Tengu}} einen Verwandten zu haben.<br />
<br />
=== Schlangen als Sinnbild der Eifersucht ===<br />
{{floatright|rahmen_h=330<br />
|schlange_hokusai.jpg<br />
|Hokusais Schlange<br />
| ref=1<br />
}}<br />
Spätere Schlangen·legenden erzählen davon, dass sich Schlangen — ähnlich wie [[Mythen/Verwandlungskuenstler|Füchse]] — in Menschen verwandeln können und oft unerkannt an der Seite eines menschlichen Ehe·partners leben. Solche Legenden offen·baren meist eine starke erotische Komponente. Umgekehrt führt ent·täuschte Liebe, bzw. Eifersucht, zur Wieder·geburt als Schlange. Von diesem Schicksal sind — buddhistischen Legenden zufolge — vor allem Frauen betroffen. Eine von ihnen, {{glossar:Kiyohime}}, die unglücklich in einen buddhis·tischen Mönch verliebt war, verwandelte sich aus Eifersucht in eine Schlange und verfolgte so ihren Geliebten bis in einen Tempel, wo er sich unter einer Tempelglocke versteckt hatte. Sie aber wand sich um die Glocke, brachte sie zum Glühen und tötete den Mönch auf diese Weise (siehe [[Mythen/Geister/Kaidan|Horrorklassiker]]). <br />
<br />
Schlangen gelten außerdem als die Tier·gefährten der Glücks·göttin {{glossar:Benzaiten}} (s.a. [[Benten| Sidepage Benzaiten]]), die wiederum mit zahl·reichen Drachen·mythen in Ver·bindung steht. Benzaiten war ur·sprüng·lich eine indische Fluss- bzw. Wasser·göttin, daher ihre Assoziation mit Schlangen und Drachen.<br />
Auch Benzaiten wird im übrigen für sehr eifer·süchtig gehalten, sodass es Männern und Frauen geraten wird, ihre Schreine nicht gemeinsam aufzusuchen.<br />
<br />
==Löwen und Löwenhunde==<br />
{{w502|rahmen_h=180<br />
|shishimai.jpg<br />
| Shishi_nishihonganji.jpg<br />
|Löwenmaske<br />
| Chinesischer Löwe<br />
| ref=1<br />
}}<br />
<br />
Die Rolle des Löwen ({{g|shishi}}) als Wächter·figur hat sich wahr·schein·lich von Vorder·asien aus nach Indien und Ostasien einerseits und nach Europa andererseits ausgebreitet. Dabei erwies sich der Löwe als äußerst vielseitig, was seine Symbolik betrifft: Weltliche Paläste bedienten sich seiner genauso wie religiöse Kultstätten, seien es nun Kirchen (der Markusdom in Venedig), buddhistische Tempel oder Shintō-Schreine. <br />
Obwohl Löwen im Gegensatz zu Drachen eine real exis·tierende zoolo·gische Spezies darstellen, kann man sie aus Sicht der (traditionellen) religiösen Ikono·graphie Japans zu den imaginären Tieren zählen, weil sie nicht in Japan heimisch sind und daher von einer ähnlichen exotischen Aura umgeben waren wie die Drachen. Traditionelle ostasiatische „Löwen“ haben sich im übrigen vom Aussehen des realen Tiers einigermaßen weit entfernt und gewisse ikono·graphische Eigen·heiten angenommen, die mehr an einen Hund (vor allem an einen Pekinesen) als an ein katzenartiges Tier erinnern (s.u.).<br />
{{w500<br />
|shishimai_utamaro.jpg|w=630|left=-128|top=-30<br />
|Löwentanz zu Neujahr (Utagawa Utamaro, 1789) <br />
| ref=1<br />
}}<br />
Löwen kommen zwar kaum je in japanischen Geschichten oder Mythen vor, gelten aber offen·sichtlich als bewährte Geister·austreiber. In dieser Funktion findet man sie beispiels·weise, zusammen mit Drachen und Baku (s.u.), im Gebälk von Tempeln, Schreinen und histo·rischen Palästen, aber auch bei den Löwentänzen ({{g|shishimai}}), die unter anderem zu Neujahr aufgeführt werden. Die Tänzer schlüpfen dabei in komisch-groteske Masken, die mit dem Gebiss klappern können, und vollführen lebhafte Tänze. Ähnlich wie bei hiesigen „Krampus“-Auftritten reagieren kleine Kinder üblicherweise ängstlich auf die Löwentänzer, während sich Erwachsene amüsieren. <br />
<br />
===Komainu===<br />
{{Sidebox|sidepage=Komainu|komainu4.jpg|w=x130|left=-30|Komische Löwenhunde<br />
| ref=1 }}<br />
Am häufigsten begegnet man paarweise aufgestellten Löwenwächtern, die ent·weder als {{glossar:karajishi}}, wtl. „chinesischer Löwe“, oder als {{glossar:komainu}}, wtl. „Korea-Hund“, be·zeich·net werden. Letzte·res stellt heute die gän·gigere Be·zeich·nung dar. Wie diese Namen an·deuten, gibt es in China und Korea ähn·liche Statuen. <br />
Die beiden Bilder unten zeigen, dass es in manchen Fällen tat·säch·lich zu einer Dif·feren·zierung von Hund und Löwe kommt: Das linke Exemplar besitzt ein Horn und wird als „Korea-Hund“ an·ge·sehen. Das rechte, der „China-Löwe“, sieht eher wie ein Löwe aus. In der heute gängigen Ikono·graphie ver·mischen sich die beiden Typen jedoch zu einer ein·heit·lichen Spezies, die eben·sosehr einem Hund wie einem Löwen ähn·lich sieht und die man daher wohl am besten als „Löwen·hund“ be·zeichnet.<br />
{{w502|rahmen_w=200|rahmen_h=270<br />
|koma_kamakura1.jpg|w1=230|top1=-35|left1=-15<br />
|koma_kamakura2.jpg|w2=220|top2=-30|left2=-15<br />
|caption= Löwenhunde, Kamakura Zeit<br />
| ref=1<br />
}}<br />
<br />
''Komainu'' sind zumeist in Eingangs·bereichen religiöser Kult·stätten aufgestellt, wo keine mensch·lichen Wächter·figuren ({{glossar:niou}}) Dienst tun, oder in manchen Fällen auch an der Rück·seite von Toren, an deren Vorder·seite ''niō'' stehen. Man findet sie heute zumeist vor [[Bauten/Schreine |Shintō-Schreinen]], sie hatten jedoch ur·sprüng·lich nichts mit shintō·isti·schen {{Glossar:Kami}} zu tun und sind auch kein ein·deu·tiges Er·ken·nungs·merk·mal von Schreinen. In manchen Schreinen und Tempeln werden sie auch durch andere Tiere ersetzt, v.a. in {{Glossar:Inari}} Schreinen durch [[Mythen/Verwandlungskuenstler/Inari_Kitsune |Füchse]].<br />
<br />
Während ältere ''komainu'' durchaus imposant aus·sehen, haben rezentere Bei·spiele oft komische Züge (s. [[{{FULLPAGENAME}}/Komainu|Sidepage]]). Hierarchisch stehen sie in jedem Fall unter den ''niō''-Torwächtern, doch teilen sie mit diesen die Be·sonder·heit, dass sie stets als Paar auftreten, dessen Partner sich vornehmlich in einem Punkt unterscheiden: immer hält einer von beiden den Mund offen ({{glossar:agyou|''a-gyō''}}), der andere den Mund ge·schlos·sen ({{glossar:ungyou|''un-gyō''}}). Die zugrunde liegende Symbolik hat buddhis·tische Wurzeln (s. dazu [[Ikonographie/Waechtergoetter#Torw.C3.A4chter_.28Ni.C5.8D.29 |Wächtergötter]]) und mag ehemals auch in China bekannt gewesen sein, hat sich aber dort nicht bis heute erhalten.<br />
<br />
== Andere imaginäre Tiere ==<br />
<br />
Außer dem Löwen kennt man in Japan noch eine Reihe weiterer imaginärer Kreaturen, in denen sich Reste tatsächlich existierender Wildtiere wieder·finden lassen, die aber mit sagen·haften Eigen·schaften und Kräften ausge·schmückt wurden. Diese exotischen Wesen stammen zumeist aus der chinesischen und/oder buddhistischen Folklore und haben überwiegend positive, glücks·bringende Eigen·schaften. Sie werden als Glücks·bringer auch häufig abgebildet, sind aber wahr·scheinlich weniger tief im kollektiven Bewusst·sein der japanischen Kultur verankert als die potentiell bedrohlichen {{glossar:youkai}}, {{glossar:oni}} oder {{glossar:tengu}}, die auf anderen Seiten dieses Kapitels vorgestellt werden. <br />
<br />
=== Elefanten und Baku ===<br />
{{wrapper|position=right|<br />
{{sidebox|w=166|left=-13|top=-3<br />
|elefant_hokusai.jpg<br />
|Hokusais Elefant<br />
|ref=1<br />
}}<br />
{{sidebox|w=160|rahmen_h=200|top=-10|left=-10<br />
|baku_hokusai.jpg<br />
|Hokusais ''baku''<br />
|ref=1<br />
}}<br />
}}<br />
{{w500<br />
|baku_nikko.jpg<br />
|Zwei „Imaginäre Elefanten“ (Tōshō-gū Schrein, Nikkō)<br />
|ref=1<br />
}}<br />
{{W502<br />
|baku_iwashimizu.jpg |w1=400|left1=-100<br />
|baku2.jpg<br />
|Baku, ein elefantenartiges Fabelwesen<br />
|Elefant (''baku''?) und Löwe bei Buddhas Begräbnis<br />
|ref=1<br />
}}<br />
Als ein Tier, das im [[Ikonographie/Shaka/Buddhas Leben|Leben des historischen Buddha]] eine gewisse Rolle spielte, ist der Elefant auch in Ostasien schon lange bekannt, ohne dass man seine genaue Gestalt je zu Gesicht bekam. Was man von ihm wusste, wurde wohl mit dem Tapir, einem anderen exotischen Tier, das u.a. in Südost·asien heimisch ist, vermischt und zu einem legendären Tier, dem {{glossar:baku}}, neu zusammen·gesetzt. ''Bakus'' erfreuten sich in der {{glossar:Edo}}-Zeit besonderer Beliebtheit und sind heute noch im Verein mit Drachen und Löwen an den Außen·fassaden von Tempeln und Schreinen aus dieser Zeit zu bewundern. Es wird ihnen nachgesagt, dass sie alles verschlucken können — auch und vor allem böse Träume! Das Schriftzeichen ''baku'' ziert daher auch manchmal das Schiff der [[Ikonographie/Gluecksgoetter|Sieben Glücksgötter]], die ja ebenfalls für Träume, vor allem für glücks·bringende Träume zu Jahres·beginn, zuständig sind. <br />
<br />
Der Elefant selbst ist in der religiösen Kunst Japans etwas hinter dem ''baku'' zurück getreten, allerdings gibt es berühmte Darstellungen wie etwa die „Imaginären Elefanten“ in {{glossar:Nikkou}}. Da sowohl Elefant als auch ''baku'' vor allem durch Rüssel und Stoßzähne gekenn·zeichnet sind, ist der Unterschied zwischen ihnen oft kaum auszumachen. In der späteren Edo-Zeit bemühten sich natur·wissen·schaftlich interessierte Künstler wie {{glossar:Katsushikahokusai}} allerdings um eine Differen·zierung.<br />
<br />
=== ''Kirin'' ===<br />
{{sidebox|w=140|top=10<br />
|kirin logo.jpg<br />
|Logo der Bierbrauerei Kirin<br />
}}<br />
{{glossar:kirin|''Kirin''}} ist im modernen Sprach·gebrauch das japanische Wort für Giraffe, doch bekam dieses afrikani·sche Tier in Ostasien einfach den Namen eines traditio·nellen Fabel·tiers verpasst. ''Kirin'' ist daher im vormoder·nen Kontext besser mit „Drachen·pferd“ zu übersetzen, vergleichbar mit dem hierzulande bekannten Einhorn. Das Fabelwesen dürfte seine Ursprünge in China haben, wo es als {{g|qilin}} wesentlich häufiger anzutreffen ist als in Japan. In Japan sorgte vor allem die Biermarke ''Kirin'' für eine gewisse Bekanntheit des gleichnamigen Tiers. Doch schon in der Edo-Zeit wurde das ''kirin'' — zusammen mit anderen Fabeltieren chinesischer Provenienz — ein Glückssymbol, das die Außen·wände vieler Tempel und Schreine zieren durfte. <br />
<br />
{{W502|rahmen_h=155<br />
|qilin_ming_tomb.jpg|top1=-10<br />
|kirin_hoonji.jpg <br />
|Chinesisches Qilin, Qing-Zeit<br />
|Kirin, Holzrelief eines Tempels<br />
|ref=1<br />
}}<br />
Das ''kirin'' hat ein ähnliches Gesicht wie ein Drachen, doch besitzt es oft ein stärker ausgeprägtes Geweih und den Körper eines Pferdes oder Hirschen. „Hirsch“ ist auch ein Element in den Schriftzeichen des ''kirin''. Seine Haut ist jedoch oft mit Schuppen überzogen. ''Kirin'' gelten wie die meisten legendären Tiere als Glücksbringer und kündigen freudige Ereignisse an. Im Vergleich zu den Drachen sollen die chinesi·schen ''kirin'' fried·fertiger sein, doch lässt sich dieser Befund für Japan nicht erhärten, da es kaum Legenden über ''kirin'' gibt. <br />
<br />
=== Phönix ===<br />
{{floatright|rahmen_h=290<br />
|Hoo_byodoin.jpg<br />
|Hōō, Byōdōin<br />
|ref=1<br />
}}<br />
Ostasien kennt einen imaginären Vogel, der analog zum griechischen Sagen·vogel gerne als „Phönix“ bezeichnet wird, auf Chinesisch allerdings {{g|fenghuang}} heißt, was auf Japanisch {{glossar:houou}} ausgesprochen wird. In Japan ist er zumeist auf den Dächern buddhis·tischer Tempel auszumachen, er entstammt aber ebenso wie das ''kirin'' dem chinesischen Sagen- und Legendengut und wird mit der Figur der Kaiserin assoziiert. Seine ikono·graphische Gestalt erinnert an eine Mischung aus Hahn und Pfau, doch besitzt er bei genauer Betrachtung eine ähnliche Schuppen·haut wie ''kirin'' oder Drache, ist also ebenfalls ein aus mehreren Tierarten zusammen·gesetztes „Übertier“.<br />
<br />
=== Wani === <br />
{{W502|rahmen_h=170<br />
|Toyotamahime hokusai.jpg|w1=270|left1=-5|top1=-20<br />
|Okuninushi hokusai.jpg|w2=270|left2=-5|top2=-120<br />
|caption= Verschiedene ''wani'' von Hokusai<br />
|ref=1<br />
}}<br />
{{glossar:Wani|''Wani''}} ist ein Meeresun·geheuer, das in den alten Mythen Japans immer wieder auftaucht. Das Wort bezeichnet heute ein Krokodil. Obwohl Krokodile im alten Japan nicht völlig unbekannt waren, ist doch anzunehmen, dass man sich unterschied·liche Vorstellun·gen machte, wie ein ''wani'' aussehen könnte. In der Mythe des kaiser·lichen Prinzen Hohodemi, der die Tochter des Drachen·königs ehelichte (s.o.), ist z.B. davon die Rede, dass die Meeres·prinzessin die Gestalt eines ''wani'' annahm, als sie ihr Kind zu Welt brachte. Hokusai, der diese Geschichte illustrierte, stellte die Prinzessin in klassischer Drachen·gestalt dar. Andererseits illustrierte Hokusai auch das Märchen des weißen Hasen von Inaba, das ebenfalls in den Mythen des {{glossar:Kojiki}} enthalten ist. Der Hase wird Opfer einer ganzen Sippe von ''wani'', die er leichtsinnig verärgert hat. Hier wählte der Edo-zeitliche Künstler die Form eines Krokodils, um diese ''wani'' darzustellen. Andere alte Quellen deuten an, dass man sich ''wani'' möglicher·weise auch als Haie vorstellte.<ref>Aoki Michiko übersetzt ''wani'' in einer Episode des ''Izumo fudoki'' (8. Jh.) als „Hai“ und weist auf eine Parallel·erzählung aus der malaiischen Mythologie hin, wo es sich bei dem Tier um einen Hai handelt (Aoki 1997, S. 83f.). Klaus Antoni plädiert hingegen für ''wani'' als Krokodil (Antoni 1982, S. 46 und 247).</ref><br />
<br />
=== Shachi ===<br />
{{floatright<br />
|shachi.jpg<br />
|Tigerfisch (''shachi'')<br />
|ref=1<br />
}}<br />
{{glossar:Shachi|''Shachi''}} oder auch ''shachihoko'' sind imaginäre Fische, die angeblich den Kopf eines Tigers besitzen. Auch das Schrift·zeichen für diese Tiere besteht aus einer Kombination von Fisch und Tiger. Außerdem wird der Namen auch auf Orca-Wale angewendet. ''Shachi''-Fische findet man in Japan zumeist als Dachorna·ment auf den Burgen der Edo-Zeit, ein Brauch der von {{glossar:odanobunaga}} eingeführt worden sein soll. Sie gelten als Wächterfiguren gegen Feuersbrünste, von denen man sich erhofft, dass sie im Fall eines Brandes Wasser speien würden. Meist blicken sich zwei ''shachi'' von den beiden Enden des Dachfirsts aus an, wobei sie den First mit ihrem kräftigen Maul scheinbar verschlingen, während die Schwanz·flosse triumphal in den Himmel ragt. Sie sind häufig aus Keramik oder Bronze hergestellt, die mächtigsten Burgherren ließen sie sogar vergolden. <br />
<br />
Japanische Tempel und Schreine bedienen sich dieser Tiere eher selten. Doch gab es sie in etwas abstrakterer Form offenbar schon in der {{glossar:nara}}-Zeit, wie u.a. das Dach des {{glossar:toudaiji}} in Nara beweist. Hier scheint es, als sei nur die Schwanzflosse eines Tiers zu sehen.<!--<br />
--><ref>Das Tier wird in diesem Fall als ''shibi'' bezeichnet. S. [http://www.aisf.or.jp/~jaanus/deta/s/shibi.htm JAANUS].<!--<br />
--></ref> <br />
<br />
{{w502|rh=150<br />
| makara.jpg<br />
| shibi.jpg<br />
| ''Makara'', Kambodscha, 8. Jh.<br />
| ''Shibi'', Tōdaiji, Japan, 8. Jh. <br />
| ref=1<br />
}}<br />
{{sidebox| w= 140| rh= 200<br />
| koinobori.jpg<br />
| Karpfen beim Knabenfest<br />
| ref=1<br />
}}<br />
Als Vorläufer beider Figuren kann möglicher·weise ein indisches Tier namens {{skt:makara}}, jap. ''makera'', angesehen werden, das auf vielen Tempeln ganz ähnlich Form wie die japanischen ''shachi'' dargestellt wird. Dieses Misch·wesen aus Fisch und Landtier ist vor allem in Südasien und China beliebt und soll ebenfalls in erster Linie vor Feuer schützen.<br />
<br />
''Makara'' werden auch mit dem legen·dären Karpfen in Verbindung gebracht, dem es gelang, einen Wasserfall hinauf zu schwimmen, und der zum Lohn den Körper eines Drachen erhielt. Diese Legende begründet wiederum die japanische Symbolik des Karpfens ({{glossar:koi}}) als Inbegriff jugend·licher Kraft und Energie, die vor allem im Kontext des Knaben·festes ({{g|kodomonohi}}) ihren Ausdruck findet. <br />
<br />
{{Verweise<br />
| links_ue=LL<br />
| links=<br />
{{Literatur:Antoni 1982}}<!--<br />
-->{{Literatur:Aoki 1997}}<!--<br />
-->{{Literatur:Devisser_1913}} [Alt, aber gut.]<br />
<br />
* [https://sites.google.com/site/bemsha10/intro ''The Goddess, the Dragon, and the Island''], Robert A. Juhl (en.)<br/>Online-Studie des ''Enoshima Engi'', einer Schrein-Chronik, in der es um den Drachen und die Gottheit Benzaiten auf der heiligen Insel Enoshima geht. <br />
* [http://www.das-klassische-china.de/Tao/Ubersicht%20der%20versch%20Ausgaben/Historie%20Laotse%20+%20TaoTeKing.htm#1 Die alten chinesischen Quellen], Matthias Claus (2006)<br/>Aus: ''[http://www.das-klassische-china.de Das klassische China]'' <br />
* [http://www.blackdrago.com/easterndragons.htm Eastern Dragon Overview], Kylie McCormick (en.)<br/>Teil der Website ''[http://www.blackdrago.com/ The Circle of the Dragon]''.<br />
* [http://www.bestiarium.net/ Das Drachenbestiarium] Georg Friebe<br/>Schwerpunkt Österreich und Deutschland, aber auch ein paar Bilder aus Asien.<br />
* [http://www.onmarkproductions.com/html/baku.html Baku, Eater of Nightmares], Mark Schumacher (en.), ''[http://www.onmarkproductions.com/html/buddhism.shtml A-Z Dictionary]''.<br />
* [http://www.aisf.or.jp/~jaanus/deta/s/shibi.htm Shibi 鴟尾], JAANUS (en.)<br />
|update= Aug. 2012<br />
}}<br />
{{ThisWay|Mythen/Verwandlungskuenstler}}</div>
Nicole Janker
https://religion-in-japan.univie.ac.at/r/index.php?title=Mythen/Imaginaere_Tiere&diff=59905
Mythen/Imaginaere Tiere
2015-09-25T11:47:09Z
<p>Nicole Janker: /* Elefanten und Baku */</p>
<hr />
<div>{{Styles}}<br />
{{titel | <span>Tiergötter und Götterboten, Teil 1 </span>Imaginäre Tiere}}<br />
{{fl|T}}iere können sowohl im japani·schen [[Grundbegriffe/Buddhismus|Buddhismus]] als auch im {{g|Shintou}} religiös ver·ehrt werden. Dabei tauchen in der reli·giösen Vor·stel·lungs·welt Japans neben den realen Tieren auch zahl·reiche mythische Fabelwesen auf. Es sind zumeist aus ver·schie·denen bekannten Tieren zusam·men·gesetzte „Übertiere“, sie werden aber aus religiöser Sicht ebenso als real emp·funden. Imaginäre Tiere, allen voran die Drachen, sind lediglich seltener als die anderen Arten. Diese Selten·heit korres·pondiert mit den besonderen Mächten und Fähigkeiten, die ihnen zuge·sprochen werden. <br />
<br />
{{w502<br />
|drache_kenninji_un.jpg|rahmen_h1=255<br />
|drache_kenninji.jpg|rahmen_h2=255|top2=-10<br />
|caption= Wolkendrachen (''unryū'')<br />
| ref=1<br />
}}<br />
{{Wrapper|__TOC__<br />
{{Sidebox|sidepage=Drachenbilder|w=160|left=-10|top=-90|rahmen_h=140<br />
| drachen_horyuji.jpg<br />
|Drachen und Drachenpaläste<br />
|ref=1<br />
}}<br />
}}<br />
Die imagi·nären Tiere, die auf dieser Seite vorgestellt werden, beruhen zumeist auf chine·sischen Vorbildern. Sie galten in China und in allen chinesisch beein·flussten vormo·dernen Kulturen als die oberste Klasse des Tierreichs und waren den normalen Menschen überlegen. Sie wurden grund·sätzlich als positive Figuren angesehen und als Glücks·bringer verehrt. <br />
<br />
Auch realen Tieren wurden im übrigen über·natürliche Eigen·schaften zuge·schrieben, sodass die Grenzen zwischen imagi·nären und realen Tieren im Grunde genommen fließend sind. So verfügen z.B. [[Mythen/Verwandlungskuenstler|Füchse und ''tanuki'']] über die Fähigkeit, vorüber·gehend eine menschliche Gestalt anzunehmen. <br />
Es gibt natürlich auch andere, eher bedrohliche imaginäre Wesen, die als Gespenster oder {{glossar:youkai}} einzustufen sind. Diese werden aber nicht hier, sondern auf den Seiten [[Mythen/Tengu|''tengu'']] und [[Mythen/Oni und Kappa|''oni'']] genauer behandelt. <br />
<br />
==Drachen und Schlangen==<br />
<br />
Drachen kombinieren äußerlich die anato·mischen Stärken aller möglichen Tiere: Die Schuppen von Fischen und Schlangen, die Klauen und Flügel von Vögeln, die Zähne und Pranken von Tigern, außerdem Hörner, Fühler, usw. Manche Drachen können auch mensch·liche Gestalt annehmen.<br />
Auf dem Meeres·boden steht der Palast ({{glossar:ryuuguu}}) des Drachen·königs. Ein Urenkel der Sonnen·gottheit suchte einst diesen Drachenpalast auf, verliebte sich in eine Tochter des Drachen·königs, heiratete sie und nahm sie mit auf die Erde. Als er sie aber während der Geburt des ge·mein·samen Kindes in Drachen·gestalt er·blickte, zog sich die Drachen·tochter beschämt und ent·rüstet wieder ins Meer zurück. Ihr Sohn aber blieb auf Erden. Einer seiner Enkel war {{glossar:jinmutennou}}, der erste japa·ni·sche „Kaiser“. Die {{glossar:Tennou}}-Familie zählt somit nicht nur die Son·nen·gott·heit, son·dern auch den Dra·chen·gott zu ihren Ahnen (mehr dazu: [[Mythen/Goetter der Erde | Göt·ter·mythen, Teil 2]]).<br />
<br />
=== Chinesische Drachen ===<br />
{{textbox|text=<br />
====Laotse als Drache====<br />
Der Drache wurde im alten China — und wohl auch in Japan — zwar als real exis·tieren·des Tier aufge·fasst, er unter·schied sich aber von „nor·malen“ Tieren. Dies wird z.B. durch eine alte Le·gen·de il·lus·triert, laut der Konfuzius, als er von seinem ersten und ein·zigen Tref·fen mit {{glossar:laozi|Laotse}} zu·rück·kehrte, seinen Ein·druck des mys·te·riö·sen Weisen fol·gen·der·maßen schil·derte: <br />
<br />
:Ich weiß, dass Vögel fliegen, dass Fische schwimmen und Wild laufen kann. Und was rennt, kann man zu·sam·men·trei·ben, was schwimmt, ist mit Netzen zu fan·gen und für das, was fliegt, kann man Pfeile be·nut·zen. Was aber den Drachen be·trifft, der auf Wind und Wolken reitet, so weiß ich nicht, wie ich ihn er·fas·sen soll. Ich habe heute Laotse ge·sehen — und wahr·lich: Er gleicht diesem Drachen!<ref>Matthias Claus (2006), nach {{glossar:Simaqian}}, ''Shiji'' 史記 (um 100 v.u.Z.)</ref><br />
}}<br />
Die Bluts·verwandt·schaft von Kaiserhaus und Drachen ist kein Zufall. <br />
Chine·si·schen Mythen zufolge stellt der Drache seit dem legen·dären Gelben Kaiser (Huang Di, leg.r. 2696–2598 v.u.Z.) das Sym·bol·tier der kaiser·lichen Herr·schaft dar (ähn·lich wie in Europa der Adler). Die Le·gende der drachen·artigen Vor·fahren des Tennō ent·stand also höchst·wahr·schein·lich aus dem Be·dürfnis, dieses be·deu·tungs·volle Sym·bol·tier auch für das japa·nische Herr·scher·haus zu in·stru·men·tali·sieren.<br />
<br />
Der Drache ist außer·dem das be·vor·zugte Tier der [[Texte/Yin und Yang/Tierkreis|Zwölf Tier·kreis·zeichen]] des chine·si·schen Kalen·ders (der auch in Japan Geltung hat). Und auch die vier Himmels·rich·tun·gen werden nach einer chine·sischen Auf·fas·sung von Drachen be·herrscht (nach einer anderen Auf·fas·sung wird aller·dings nur der Osten von einem blauen Drachen re·prä·sen·tiert).<br />
<br />
===Drachen im Buddhismus ===<br />
Auch im Buddhismus ist der Drache als gott·gleiches Wesen aner·kannt. Buddhis·tische Drachen lassen sich auf die indischen {{skt:naga}}s zurück·führen, schlangen·artige Gottheiten, die neben den {{s|Deva}}-Gottheiten eine eigene Kategorie von himmli·schen Wesen dar·stellen. Der legendäre Begründer des {{skt:Mahayana}} Buddhismus, {{skt:Nagarjuna}} (2. Jh. u.Z.), soll seine neu·artigen {{skt:sutra|Sutren}} von den ''nāga'' er·halten haben und trägt daher auch den Namen Nāga[a]rjuna, „Weißer ''nāga''/Drache“ (jap. {{g|ryuuju}}). Auch in Indien sind die ''nāga'' eng mit dem Wasser ver·bunden. Im Unter·schied zu den chinesi·schen Drachen sind sie aber verhältnis·mäßig niedere, un·er·leuch·tete Kreaturen. In Japan lässt sich jedoch kaum ein Unter·schied zwischen buddhisti·schen ''nāga'' und chinesischen Drachen feststellen.<br />
<br />
Die Verbunden·heit mit dem Wasser äußert sich bei manchen Drachen im Besitz eines Edelsteins, mit dem sie Ebbe und Flut be·herrschen. Dieser Edelstein hat eine enge Ver·wandt·schaft mit dem buddhistischen Wunsch·erfüllungs·juwel ({{glossar:nyoinotama}}), das auch von {{skt:Bodhisattva}}s ge·tragen wird ({{glossar:Nyoirinkannon}}). Schließ·lich werden Drachen auch für den Regen (oder das Ausbleiben des Regens) ver·ant·wort·lich gemacht und stehen daher in vielen asiatischen Ländern im Zentrum von rituellen Bitten und Zeremonien, um Regen herbeizu·führen.<br />
<br />
Wasser und Drachen bilden also eine assoziative Einheit, daher auch die häufigen Drachen·figuren bei Brunnen ({{glossar:temizuya}}) am Eingang von Tempeln oder Schreinen. Als Herrscher über das lebens·wichtige Element des Wassers können Drachen natürlich auch be·droh·lich sein bzw. die Gefahr von Natur·kata·strophen in sich bergen. Grund·sätz·lich besteht zu Drachen aber ein positives, von Respekt geprägtes Verhältnis.<br />
<br />
===Drachenartige Schlangen===<br />
{{w500 |rahmen_h=225<br />
|drachen und schlange.jpg<br />
|Drache und Schlange <br />
| ref=1<br />
}}<br />
Die Grenzen zwischen Schlangen ({{g|hebi}}) und Drachen sind fließend, aus ikono·gra·phischer Sicht zählen sie zweifellos zur selben Familie. In den klas·sischen japa·nischen Mythen taucht z.B. die acht·köpfige Schlange {{glossar:Yamatanoorochi}} auf, ein Unge·heuer von riesigen Aus·maßen, das nur mit List vom Kultur·heroen {{glossar:Susanoo}} be·siegt werden kann. Auf bildlichen Dar·stel·lungen aus späterer Zeit wird diese Schlange stets als Drache abgebildet. <br />
<br />
{{w500<br />
|susanoo_toyokuni.jpg|rahmen_h=250|top=-50<br />
|Susanoo kämpft gegen die achtköpfige Schlange<br />
| ref=1<br />
}}<br />
{{sidebox|w=140 | rh=170| top=-140<br />
| schlange izumo.jpg<br />
|Schlangengott von Izumo<br />
| ref=1<br />
}}<br />
Obwohl dieser Mythos an das negative Bild euro·päischer Drachen·geschich·ten erinnert, werden Schlangen in Japan, ähnlich wie Drachen, zumeist mit positivem Respekt und Ehrer·bietung angesehen. Der Gott des uralten {{glossar:oomiwajinja|Miwa Schreins}} taucht in den Mythen mehrfach auf und erscheint einmal in mensch·licher, einmal in Schlangen·gestalt. Noch heute opfert man dieser Gottheit im Miwa Schrein rohe Eier, da diese für Schlangen eine beson·dere Delikatesse darstellen sollen. Die Miwa-Gottheit wird auch mit {{glossar:ookuninushi}}, dem Gott von {{glossar:Izumo}} identifiziert. Auch in Izumo gibt es einen ähnlichen Schlangenkult. <br />
<br />
Das {{g|Hitachifudoki}}, eine alte Chronik der heutigen Präfektur Ibaraki, be·richtet, dass sich in alter Zeit — unweit der Stelle, wo in den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts massive Proteste gegen die Errichtung des Flughafens Narita ausge·fochten wurden — gehörnte Schlangen gegen die Urbar·machung des Landes zur Wehr setzten und die Menschen attackierten. Nach einigem Hin und Her er·richtete man ihnen einen Schrein und brachte sie damit zur Ruhe. Man tauschte also Land·rechte gegen religiöse Verehrung (die Konflikte der 1970er Jahre wurden hingegen vor Gericht entschieden). Aus dieser Er·zählung wird ersichtlich, dass die Schlangen für Gott·heiten ge·halten wurden, denen das Land ursprünglich gehörte. <br />
<br />
In vielen Mythen·kreisen der Welt steht der Schlange als Herrscherin des Wassers der Vogel, bzw. der Adler, als Be·herrscher des Himmels oder des Feuers gegen·über. In Indien ist dieser Gegensatz besonders stark aus·geprägt. Hier gibt es den Vogel·menschen {{skt:Garuda}}, der den erwähnten ''nāga'' — also den Schlangen·wesen — in ewiger Feind·schaft gegen·über·steht. In China und Japan ist dieser Gegen·satz nicht besonders präsent, vielleicht weil die Figur des Drachens zu über·mächtig ist und selbst viele Eigen·schaften von Vögeln besitzt. Der indische Vogel·mensch Garuda scheint jedoch in der Sagen·figur des japanischen {{g|Tengu}} einen Verwandten zu haben.<br />
<br />
=== Schlangen als Sinnbild der Eifersucht ===<br />
{{floatright|rahmen_h=330<br />
|schlange_hokusai.jpg<br />
|Hokusais Schlange<br />
| ref=1<br />
}}<br />
Spätere Schlangen·legenden erzählen davon, dass sich Schlangen — ähnlich wie [[Mythen/Verwandlungskuenstler|Füchse]] — in Menschen verwandeln können und oft unerkannt an der Seite eines menschlichen Ehe·partners leben. Solche Legenden offen·baren meist eine starke erotische Komponente. Umgekehrt führt ent·täuschte Liebe, bzw. Eifersucht, zur Wieder·geburt als Schlange. Von diesem Schicksal sind — buddhistischen Legenden zufolge — vor allem Frauen betroffen. Eine von ihnen, {{glossar:Kiyohime}}, die unglücklich in einen buddhis·tischen Mönch verliebt war, verwandelte sich aus Eifersucht in eine Schlange und verfolgte so ihren Geliebten bis in einen Tempel, wo er sich unter einer Tempelglocke versteckt hatte. Sie aber wand sich um die Glocke, brachte sie zum Glühen und tötete den Mönch auf diese Weise (siehe [[Mythen/Geister/Kaidan|Horrorklassiker]]). <br />
<br />
Schlangen gelten außerdem als die Tier·gefährten der Glücks·göttin {{glossar:Benzaiten}} (s.a. [[Benten| Sidepage Benzaiten]]), die wiederum mit zahl·reichen Drachen·mythen in Ver·bindung steht. Benzaiten war ur·sprüng·lich eine indische Fluss- bzw. Wasser·göttin, daher ihre Assoziation mit Schlangen und Drachen.<br />
Auch Benzaiten wird im übrigen für sehr eifer·süchtig gehalten, sodass es Männern und Frauen geraten wird, ihre Schreine nicht gemeinsam aufzusuchen.<br />
<br />
==Löwen und Löwenhunde==<br />
{{w502|rahmen_h=180<br />
|shishimai.jpg<br />
| Shishi_nishihonganji.jpg<br />
|Löwenmaske<br />
| Chinesischer Löwe<br />
| ref=1<br />
}}<br />
<br />
Die Rolle des Löwen ({{g|shishi}}) als Wächter·figur hat sich wahr·schein·lich von Vorder·asien aus nach Indien und Ostasien einerseits und nach Europa andererseits ausgebreitet. Dabei erwies sich der Löwe als äußerst vielseitig, was seine Symbolik betrifft: Weltliche Paläste bedienten sich seiner genauso wie religiöse Kultstätten, seien es nun Kirchen (der Markusdom in Venedig), buddhistische Tempel oder Shintō-Schreine. <br />
Obwohl Löwen im Gegensatz zu Drachen eine real exis·tierende zoolo·gische Spezies darstellen, kann man sie aus Sicht der (traditionellen) religiösen Ikono·graphie Japans zu den imaginären Tieren zählen, weil sie nicht in Japan heimisch sind und daher von einer ähnlichen exotischen Aura umgeben waren wie die Drachen. Traditionelle ostasiatische „Löwen“ haben sich im übrigen vom Aussehen des realen Tiers einigermaßen weit entfernt und gewisse ikono·graphische Eigen·heiten angenommen, die mehr an einen Hund (vor allem an einen Pekinesen) als an ein katzenartiges Tier erinnern (s.u.).<br />
{{w500<br />
|shishimai_utamaro.jpg|w=630|left=-128|top=-30<br />
|Löwentanz zu Neujahr (Utagawa Utamaro, 1789) <br />
| ref=1<br />
}}<br />
Löwen kommen zwar kaum je in japanischen Geschichten oder Mythen vor, gelten aber offen·sichtlich als bewährte Geister·austreiber. In dieser Funktion findet man sie beispiels·weise, zusammen mit Drachen und Baku (s.u.), im Gebälk von Tempeln, Schreinen und histo·rischen Palästen, aber auch bei den Löwentänzen ({{g|shishimai}}), die unter anderem zu Neujahr aufgeführt werden. Die Tänzer schlüpfen dabei in komisch-groteske Masken, die mit dem Gebiss klappern können, und vollführen lebhafte Tänze. Ähnlich wie bei hiesigen „Krampus“-Auftritten reagieren kleine Kinder üblicherweise ängstlich auf die Löwentänzer, während sich Erwachsene amüsieren. <br />
<br />
===Komainu===<br />
{{Sidebox|sidepage=Komainu|komainu4.jpg|w=x130|left=-30|Komische Löwenhunde<br />
| ref=1 }}<br />
Am häufigsten begegnet man paarweise aufgestellten Löwenwächtern, die ent·weder als {{glossar:karajishi}}, wtl. „chinesischer Löwe“, oder als {{glossar:komainu}}, wtl. „Korea-Hund“, be·zeich·net werden. Letzte·res stellt heute die gän·gigere Be·zeich·nung dar. Wie diese Namen an·deuten, gibt es in China und Korea ähn·liche Statuen. <br />
Die beiden Bilder unten zeigen, dass es in manchen Fällen tat·säch·lich zu einer Dif·feren·zierung von Hund und Löwe kommt: Das linke Exemplar besitzt ein Horn und wird als „Korea-Hund“ an·ge·sehen. Das rechte, der „China-Löwe“, sieht eher wie ein Löwe aus. In der heute gängigen Ikono·graphie ver·mischen sich die beiden Typen jedoch zu einer ein·heit·lichen Spezies, die eben·sosehr einem Hund wie einem Löwen ähn·lich sieht und die man daher wohl am besten als „Löwen·hund“ be·zeichnet.<br />
{{w502|rahmen_w=200|rahmen_h=270<br />
|koma_kamakura1.jpg|w1=230|top1=-35|left1=-15<br />
|koma_kamakura2.jpg|w2=220|top2=-30|left2=-15<br />
|caption= Löwenhunde, Kamakura Zeit<br />
| ref=1<br />
}}<br />
<br />
''Komainu'' sind zumeist in Eingangs·bereichen religiöser Kult·stätten aufgestellt, wo keine mensch·lichen Wächter·figuren ({{glossar:niou}}) Dienst tun, oder in manchen Fällen auch an der Rück·seite von Toren, an deren Vorder·seite ''niō'' stehen. Man findet sie heute zumeist vor [[Bauten/Schreine |Shintō-Schreinen]], sie hatten jedoch ur·sprüng·lich nichts mit shintō·isti·schen {{Glossar:Kami}} zu tun und sind auch kein ein·deu·tiges Er·ken·nungs·merk·mal von Schreinen. In manchen Schreinen und Tempeln werden sie auch durch andere Tiere ersetzt, v.a. in {{Glossar:Inari}} Schreinen durch [[Mythen/Verwandlungskuenstler/Inari_Kitsune |Füchse]].<br />
<br />
Während ältere ''komainu'' durchaus imposant aus·sehen, haben rezentere Bei·spiele oft komische Züge (s. [[{{FULLPAGENAME}}/Komainu|Sidepage]]). Hierarchisch stehen sie in jedem Fall unter den ''niō''-Torwächtern, doch teilen sie mit diesen die Be·sonder·heit, dass sie stets als Paar auftreten, dessen Partner sich vornehmlich in einem Punkt unterscheiden: immer hält einer von beiden den Mund offen ({{glossar:agyou|''a-gyō''}}), der andere den Mund ge·schlos·sen ({{glossar:ungyou|''un-gyō''}}). Die zugrunde liegende Symbolik hat buddhis·tische Wurzeln (s. dazu [[Ikonographie/Waechtergoetter#Torw.C3.A4chter_.28Ni.C5.8D.29 |Wächtergötter]]) und mag ehemals auch in China bekannt gewesen sein, hat sich aber dort nicht bis heute erhalten.<br />
<br />
== Andere imaginäre Tiere ==<br />
<br />
Außer dem Löwen kennt man in Japan noch eine Reihe weiterer imaginärer Kreaturen, in denen sich Reste tatsächlich existierender Wildtiere wieder·finden lassen, die aber mit sagen·haften Eigen·schaften und Kräften ausge·schmückt wurden. Diese exotischen Wesen stammen zumeist aus der chinesischen und/oder buddhistischen Folklore und haben überwiegend positive, glücks·bringende Eigen·schaften. Sie werden als Glücks·bringer auch häufig abgebildet, sind aber wahr·scheinlich weniger tief im kollektiven Bewusst·sein der japanischen Kultur verankert als die potentiell bedrohlichen {{glossar:youkai}}, {{glossar:oni}} oder {{glossar:tengu}}, die auf anderen Seiten dieses Kapitels vorgestellt werden. <br />
<br />
=== Elefanten und Baku ===<br />
{{wrapper|position=right|<br />
{{sidebox|w=166|left=-13|top=-3<br />
|elefant_hokusai.jpg<br />
|Hokusais Elefant<br />
|ref=1<br />
}}<br />
{{sidebox|w=160|rahmen_h=200|top=-10|left=-10<br />
|baku_hokusai.jpg<br />
|Hokusais ''baku''<br />
|ref=1<br />
}}<br />
}}<br />
{{w500<br />
|baku_nikko.jpg<br />
|Zwei „Imaginäre Elefanten“ (Tōshō-gū Schrein, Nikkō)<br />
|ref=1<br />
}}<br />
{{W502<br />
|baku_iwashimizu.jpg |w1=400|left1=-100<br />
|baku2.jpg<br />
|Baku, ein elefantenartiges Fabelwesen<br />
|Elefant (''baku''?) und Löwe bei Buddhas Begräbnis<br />
|ref=1<br />
}}<br />
Als ein Tier, das im [[Ikonographie/Shaka/Buddhas Leben|Leben des historischen Buddha]] eine gewisse Rolle spielte, ist der Elefant auch in Ostasien schon lange bekannt, ohne dass man seine genaue Gestalt je zu Gesicht bekam. Was man von ihm wusste, wurde wohl mit dem Tapir, einem anderen exotischen Tier, das u.a. in Südost·asien heimisch ist, vermischt und zu einem legendären Tier, dem {{glossar:baku}}, neu zusammen·gesetzt. ''Bakus'' erfreuten sich in der {{glossar:Edo}}-Zeit besonderer Beliebtheit und sind heute noch im Verein mit Drachen und Löwen an den Außen·fassaden von Tempeln und Schreinen aus dieser Zeit zu bewundern. Es wird ihnen nachgesagt, dass sie alles verschlucken können — auch und vor allem böse Träume! Das Schriftzeichen ''baku'' ziert daher auch manchmal das Schiff der [[Ikonographie/Gluecksgoetter|Sieben Glücksgötter]], die ja ebenfalls für Träume, vor allem für glücks·bringende Träume zu Jahres·beginn, zuständig sind. <br />
<br />
Der Elefant selbst ist in der religiösen Kunst Japans etwas hinter dem ''baku'' zurück getreten, allerdings gibt es berühmte Darstellungen wie etwa die „Imaginären Elefanten“ in {{glossar:Nikkou}}. Da sowohl Elefant als auch ''baku'' vor allem durch Rüssel und Stoßzähne gekenn·zeichnet sind, ist der Unterschied zwischen ihnen oft kaum auszumachen. In der späteren Edo-Zeit bemühten sich natur·wissen·schaftlich interessierte Künstler wie {{glossar:Katsushikahokusai}} allerdings um eine Differen·zierung.<br />
<br />
=== ''Kirin'' ===<br />
{{sidebox|w=140|top=10<br />
|kirin logo.jpg<br />
|Logo der Bierbrauerei Kirin<br />
}}<br />
{{glossar:kirin|''Kirin''}} ist im modernen Sprach·gebrauch das japanische Wort für Giraffe, doch bekam dieses afrikani·sche Tier in Ostasien einfach den Namen eines traditio·nellen Fabel·tiers verpasst. ''Kirin'' ist daher im vormoder·nen Kontext besser mit „Drachen·pferd“ zu übersetzen, vergleichbar mit dem hierzulande bekannten Einhorn. Das Fabelwesen dürfte seine Ursprünge in China haben, wo es als {{g|qilin}} wesentlich häufiger anzutreffen ist als in Japan. In Japan sorgte vor allem die Biermarke ''Kirin'' für eine gewisse Bekanntheit des gleichnamigen Tiers. Doch schon in der Edo-Zeit wurde das ''kirin'' — zusammen mit anderen Fabeltieren chinesischer Provenienz — ein Glückssymbol, das die Außen·wände vieler Tempel und Schreine zieren durfte. <br />
<br />
{{W502|rahmen_h=155<br />
|qilin_ming_tomb.jpg|top1=-10<br />
|kirin_hoonji.jpg <br />
|Chinesisches Qilin, Qing-Zeit<br />
|Kirin, Holzrelief eines Tempels<br />
|ref=1<br />
}}<br />
Das ''kirin'' hat ein ähnliches Gesicht wie ein Drachen, doch besitzt es oft ein stärker ausgeprägtes Geweih und den Körper eines Pferdes oder Hirschen. „Hirsch“ ist auch ein Element in den Schriftzeichen des ''kirin''. Seine Haut ist jedoch oft mit Schuppen überzogen. ''Kirin'' gelten wie die meisten legendären Tiere als Glücksbringer und kündigen freudige Ereignisse an. Im Vergleich zu den Drachen sollen die chinesi·schen ''kirin'' fried·fertiger sein, doch lässt sich dieser Befund für Japan nicht erhärten, da es kaum Legenden über ''kirin'' gibt. <br />
<br />
=== Phönix ===<br />
{{floatright|rahmen_h=290<br />
|Hoo_byodoin.jpg<br />
|Hōō, Byōdōin<br />
|ref=1<br />
}}<br />
Ostasien kennt einen imaginären Vogel, der analog zum griechischen Sagen·vogel gerne als „Phönix“ bezeichnet wird, auf Chinesisch allerdings {{g|fenghuang}} heißt, was auf Japanisch {{glossar:houou}} ausgesprochen wird. In Japan ist er zumeist auf den Dächern buddhis·tischer Tempel auszumachen, er entstammt aber ebenso wie das ''kirin'' dem chinesischen Sagen- und Legendengut und wird mit der Figur der Kaiserin assoziiert. Seine ikono·graphische Gestalt erinnert an eine Mischung aus Hahn und Pfau, doch besitzt er bei genauer Betrachtung eine ähnliche Schuppen·haut wie ''kirin'' oder Drache, ist also ebenfalls ein aus mehreren Tierarten zusammen·gesetztes „Übertier“.<br />
<br />
=== Wani === <br />
{{W502|rahmen_h=170<br />
|Toyotamahime hokusai.jpg|w1=270|left1=-5|top1=-20<br />
|Okuninushi hokusai.jpg|w2=270|left2=-5|top2=-120<br />
|caption= Verschiedene Wani von Hokusai<br />
|ref=1<br />
}}<br />
{{glossar:Wani|Wani}} ist ein Meeresun·geheuer, das in den alten Mythen Japans immer wieder auftaucht. Das Wort bezeichnet heute ein Krokodil. Obwohl Krokodile im alten Japan nicht völlig unbekannt waren, ist doch anzunehmen, dass man sich unterschied·liche Vorstellun·gen machte, wie ein Wani aussehen könnte. In der Mythe des kaiser·lichen Prinzen Hohodemi, der die Tochter des Drachen·königs ehelichte (s.o.), ist z.B. davon die Rede, dass die Meeres·prinzessin die Gestalt eines Wani annahm, als sie ihr Kind zu Welt brachte. Hokusai, der diese Geschichte illustrierte, stellte die Prinzessin in klassischer Drachen·gestalt dar. Andererseits illustrierte Hokusai auch das Märchen des weißen Hasen von Inaba, das ebenfalls in den Mythen des {{glossar:Kojiki}} enthalten ist. Der Hase wird Opfer einer ganzen Sippe von Wani, die er leichtsinnig verärgert hat. Hier wählte der Edo-zeitliche Künstler die Form eines Krokodils, um diese Wani darzustellen. Andere alte Quellen deuten an, dass man sich Wani möglicher·weise auch als Haie vorstellte.<ref>Aoki Michiko übersetzt ''wani'' in einer Episode des ''Izumo fudoki'' (8. Jh.) als „Hai“ und weist auf eine Parallel·erzählung aus der malaiischen Mythologie hin, wo es sich bei dem Tier um einen Hai handelt (Aoki 1997, S. 83f.). Klaus Antoni plädiert hingegen für ''wani'' als Krokodil (Antoni 1982, S. 46 und 247).</ref><br />
<br />
=== Shachi ===<br />
{{floatright<br />
|shachi.jpg<br />
|Tigerfisch (''shachi'')<br />
|ref=1<br />
}}<br />
{{glossar:Shachi|''Shachi''}} oder auch ''shachihoko'' sind imaginäre Fische, die angeblich den Kopf eines Tigers besitzen. Auch das Schrift·zeichen für diese Tiere besteht aus einer Kombination von Fisch und Tiger. Außerdem wird der Namen auch auf Orca-Wale angewendet. ''Shachi''-Fische findet man in Japan zumeist als Dachorna·ment auf den Burgen der Edo-Zeit, ein Brauch der von {{glossar:odanobunaga}} eingeführt worden sein soll. Sie gelten als Wächterfiguren gegen Feuersbrünste, von denen man sich erhofft, dass sie im Fall eines Brandes Wasser speien würden. Meist blicken sich zwei ''shachi'' von den beiden Enden des Dachfirsts aus an, wobei sie den First mit ihrem kräftigen Maul scheinbar verschlingen, während die Schwanz·flosse triumphal in den Himmel ragt. Sie sind häufig aus Keramik oder Bronze hergestellt, die mächtigsten Burgherren ließen sie sogar vergolden. <br />
<br />
Japanische Tempel und Schreine bedienen sich dieser Tiere eher selten. Doch gab es sie in etwas abstrakterer Form offenbar schon in der {{glossar:nara}}-Zeit, wie u.a. das Dach des {{glossar:toudaiji}} in Nara beweist. Hier scheint es, als sei nur die Schwanzflosse eines Tiers zu sehen.<!--<br />
--><ref>Das Tier wird in diesem Fall als ''shibi'' bezeichnet. S. [http://www.aisf.or.jp/~jaanus/deta/s/shibi.htm JAANUS].<!--<br />
--></ref> <br />
<br />
{{w502|rh=150<br />
| makara.jpg<br />
| shibi.jpg<br />
| ''Makara'', Kambodscha, 8. Jh.<br />
| ''Shibi'', Tōdaiji, Japan, 8. Jh. <br />
| ref=1<br />
}}<br />
{{sidebox| w= 140| rh= 200<br />
| koinobori.jpg<br />
| Karpfen beim Knabenfest<br />
| ref=1<br />
}}<br />
Als Vorläufer beider Figuren kann möglicher·weise ein indisches Tier namens {{skt:makara}}, jap. ''makera'', angesehen werden, das auf vielen Tempeln ganz ähnlich Form wie die japanischen ''shachi'' dargestellt wird. Dieses Misch·wesen aus Fisch und Landtier ist vor allem in Südasien und China beliebt und soll ebenfalls in erster Linie vor Feuer schützen.<br />
<br />
''Makara'' werden auch mit dem legen·dären Karpfen in Verbindung gebracht, dem es gelang, einen Wasserfall hinauf zu schwimmen, und der zum Lohn den Körper eines Drachen erhielt. Diese Legende begründet wiederum die japanische Symbolik des Karpfens ({{glossar:koi}}) als Inbegriff jugend·licher Kraft und Energie, die vor allem im Kontext des Knaben·festes ({{g|kodomonohi}}) ihren Ausdruck findet. <br />
<br />
{{Verweise<br />
| links_ue=LL<br />
| links=<br />
{{Literatur:Antoni 1982}}<!--<br />
-->{{Literatur:Aoki 1997}}<!--<br />
-->{{Literatur:Devisser_1913}} [Alt, aber gut.]<br />
<br />
* [https://sites.google.com/site/bemsha10/intro ''The Goddess, the Dragon, and the Island''], Robert A. Juhl (en.)<br/>Online-Studie des ''Enoshima Engi'', einer Schrein-Chronik, in der es um den Drachen und die Gottheit Benzaiten auf der heiligen Insel Enoshima geht. <br />
* [http://www.das-klassische-china.de/Tao/Ubersicht%20der%20versch%20Ausgaben/Historie%20Laotse%20+%20TaoTeKing.htm#1 Die alten chinesischen Quellen], Matthias Claus (2006)<br/>Aus: ''[http://www.das-klassische-china.de Das klassische China]'' <br />
* [http://www.blackdrago.com/easterndragons.htm Eastern Dragon Overview], Kylie McCormick (en.)<br/>Teil der Website ''[http://www.blackdrago.com/ The Circle of the Dragon]''.<br />
* [http://www.bestiarium.net/ Das Drachenbestiarium] Georg Friebe<br/>Schwerpunkt Österreich und Deutschland, aber auch ein paar Bilder aus Asien.<br />
* [http://www.onmarkproductions.com/html/baku.html Baku, Eater of Nightmares], Mark Schumacher (en.), ''[http://www.onmarkproductions.com/html/buddhism.shtml A-Z Dictionary]''.<br />
* [http://www.aisf.or.jp/~jaanus/deta/s/shibi.htm Shibi 鴟尾], JAANUS (en.)<br />
|update= Aug. 2012<br />
}}<br />
{{ThisWay|Mythen/Verwandlungskuenstler}}</div>
Nicole Janker
https://religion-in-japan.univie.ac.at/r/index.php?title=Mythen/Imaginaere_Tiere&diff=59904
Mythen/Imaginaere Tiere
2015-09-25T11:45:31Z
<p>Nicole Janker: /* Komainu */</p>
<hr />
<div>{{Styles}}<br />
{{titel | <span>Tiergötter und Götterboten, Teil 1 </span>Imaginäre Tiere}}<br />
{{fl|T}}iere können sowohl im japani·schen [[Grundbegriffe/Buddhismus|Buddhismus]] als auch im {{g|Shintou}} religiös ver·ehrt werden. Dabei tauchen in der reli·giösen Vor·stel·lungs·welt Japans neben den realen Tieren auch zahl·reiche mythische Fabelwesen auf. Es sind zumeist aus ver·schie·denen bekannten Tieren zusam·men·gesetzte „Übertiere“, sie werden aber aus religiöser Sicht ebenso als real emp·funden. Imaginäre Tiere, allen voran die Drachen, sind lediglich seltener als die anderen Arten. Diese Selten·heit korres·pondiert mit den besonderen Mächten und Fähigkeiten, die ihnen zuge·sprochen werden. <br />
<br />
{{w502<br />
|drache_kenninji_un.jpg|rahmen_h1=255<br />
|drache_kenninji.jpg|rahmen_h2=255|top2=-10<br />
|caption= Wolkendrachen (''unryū'')<br />
| ref=1<br />
}}<br />
{{Wrapper|__TOC__<br />
{{Sidebox|sidepage=Drachenbilder|w=160|left=-10|top=-90|rahmen_h=140<br />
| drachen_horyuji.jpg<br />
|Drachen und Drachenpaläste<br />
|ref=1<br />
}}<br />
}}<br />
Die imagi·nären Tiere, die auf dieser Seite vorgestellt werden, beruhen zumeist auf chine·sischen Vorbildern. Sie galten in China und in allen chinesisch beein·flussten vormo·dernen Kulturen als die oberste Klasse des Tierreichs und waren den normalen Menschen überlegen. Sie wurden grund·sätzlich als positive Figuren angesehen und als Glücks·bringer verehrt. <br />
<br />
Auch realen Tieren wurden im übrigen über·natürliche Eigen·schaften zuge·schrieben, sodass die Grenzen zwischen imagi·nären und realen Tieren im Grunde genommen fließend sind. So verfügen z.B. [[Mythen/Verwandlungskuenstler|Füchse und ''tanuki'']] über die Fähigkeit, vorüber·gehend eine menschliche Gestalt anzunehmen. <br />
Es gibt natürlich auch andere, eher bedrohliche imaginäre Wesen, die als Gespenster oder {{glossar:youkai}} einzustufen sind. Diese werden aber nicht hier, sondern auf den Seiten [[Mythen/Tengu|''tengu'']] und [[Mythen/Oni und Kappa|''oni'']] genauer behandelt. <br />
<br />
==Drachen und Schlangen==<br />
<br />
Drachen kombinieren äußerlich die anato·mischen Stärken aller möglichen Tiere: Die Schuppen von Fischen und Schlangen, die Klauen und Flügel von Vögeln, die Zähne und Pranken von Tigern, außerdem Hörner, Fühler, usw. Manche Drachen können auch mensch·liche Gestalt annehmen.<br />
Auf dem Meeres·boden steht der Palast ({{glossar:ryuuguu}}) des Drachen·königs. Ein Urenkel der Sonnen·gottheit suchte einst diesen Drachenpalast auf, verliebte sich in eine Tochter des Drachen·königs, heiratete sie und nahm sie mit auf die Erde. Als er sie aber während der Geburt des ge·mein·samen Kindes in Drachen·gestalt er·blickte, zog sich die Drachen·tochter beschämt und ent·rüstet wieder ins Meer zurück. Ihr Sohn aber blieb auf Erden. Einer seiner Enkel war {{glossar:jinmutennou}}, der erste japa·ni·sche „Kaiser“. Die {{glossar:Tennou}}-Familie zählt somit nicht nur die Son·nen·gott·heit, son·dern auch den Dra·chen·gott zu ihren Ahnen (mehr dazu: [[Mythen/Goetter der Erde | Göt·ter·mythen, Teil 2]]).<br />
<br />
=== Chinesische Drachen ===<br />
{{textbox|text=<br />
====Laotse als Drache====<br />
Der Drache wurde im alten China — und wohl auch in Japan — zwar als real exis·tieren·des Tier aufge·fasst, er unter·schied sich aber von „nor·malen“ Tieren. Dies wird z.B. durch eine alte Le·gen·de il·lus·triert, laut der Konfuzius, als er von seinem ersten und ein·zigen Tref·fen mit {{glossar:laozi|Laotse}} zu·rück·kehrte, seinen Ein·druck des mys·te·riö·sen Weisen fol·gen·der·maßen schil·derte: <br />
<br />
:Ich weiß, dass Vögel fliegen, dass Fische schwimmen und Wild laufen kann. Und was rennt, kann man zu·sam·men·trei·ben, was schwimmt, ist mit Netzen zu fan·gen und für das, was fliegt, kann man Pfeile be·nut·zen. Was aber den Drachen be·trifft, der auf Wind und Wolken reitet, so weiß ich nicht, wie ich ihn er·fas·sen soll. Ich habe heute Laotse ge·sehen — und wahr·lich: Er gleicht diesem Drachen!<ref>Matthias Claus (2006), nach {{glossar:Simaqian}}, ''Shiji'' 史記 (um 100 v.u.Z.)</ref><br />
}}<br />
Die Bluts·verwandt·schaft von Kaiserhaus und Drachen ist kein Zufall. <br />
Chine·si·schen Mythen zufolge stellt der Drache seit dem legen·dären Gelben Kaiser (Huang Di, leg.r. 2696–2598 v.u.Z.) das Sym·bol·tier der kaiser·lichen Herr·schaft dar (ähn·lich wie in Europa der Adler). Die Le·gende der drachen·artigen Vor·fahren des Tennō ent·stand also höchst·wahr·schein·lich aus dem Be·dürfnis, dieses be·deu·tungs·volle Sym·bol·tier auch für das japa·nische Herr·scher·haus zu in·stru·men·tali·sieren.<br />
<br />
Der Drache ist außer·dem das be·vor·zugte Tier der [[Texte/Yin und Yang/Tierkreis|Zwölf Tier·kreis·zeichen]] des chine·si·schen Kalen·ders (der auch in Japan Geltung hat). Und auch die vier Himmels·rich·tun·gen werden nach einer chine·sischen Auf·fas·sung von Drachen be·herrscht (nach einer anderen Auf·fas·sung wird aller·dings nur der Osten von einem blauen Drachen re·prä·sen·tiert).<br />
<br />
===Drachen im Buddhismus ===<br />
Auch im Buddhismus ist der Drache als gott·gleiches Wesen aner·kannt. Buddhis·tische Drachen lassen sich auf die indischen {{skt:naga}}s zurück·führen, schlangen·artige Gottheiten, die neben den {{s|Deva}}-Gottheiten eine eigene Kategorie von himmli·schen Wesen dar·stellen. Der legendäre Begründer des {{skt:Mahayana}} Buddhismus, {{skt:Nagarjuna}} (2. Jh. u.Z.), soll seine neu·artigen {{skt:sutra|Sutren}} von den ''nāga'' er·halten haben und trägt daher auch den Namen Nāga[a]rjuna, „Weißer ''nāga''/Drache“ (jap. {{g|ryuuju}}). Auch in Indien sind die ''nāga'' eng mit dem Wasser ver·bunden. Im Unter·schied zu den chinesi·schen Drachen sind sie aber verhältnis·mäßig niedere, un·er·leuch·tete Kreaturen. In Japan lässt sich jedoch kaum ein Unter·schied zwischen buddhisti·schen ''nāga'' und chinesischen Drachen feststellen.<br />
<br />
Die Verbunden·heit mit dem Wasser äußert sich bei manchen Drachen im Besitz eines Edelsteins, mit dem sie Ebbe und Flut be·herrschen. Dieser Edelstein hat eine enge Ver·wandt·schaft mit dem buddhistischen Wunsch·erfüllungs·juwel ({{glossar:nyoinotama}}), das auch von {{skt:Bodhisattva}}s ge·tragen wird ({{glossar:Nyoirinkannon}}). Schließ·lich werden Drachen auch für den Regen (oder das Ausbleiben des Regens) ver·ant·wort·lich gemacht und stehen daher in vielen asiatischen Ländern im Zentrum von rituellen Bitten und Zeremonien, um Regen herbeizu·führen.<br />
<br />
Wasser und Drachen bilden also eine assoziative Einheit, daher auch die häufigen Drachen·figuren bei Brunnen ({{glossar:temizuya}}) am Eingang von Tempeln oder Schreinen. Als Herrscher über das lebens·wichtige Element des Wassers können Drachen natürlich auch be·droh·lich sein bzw. die Gefahr von Natur·kata·strophen in sich bergen. Grund·sätz·lich besteht zu Drachen aber ein positives, von Respekt geprägtes Verhältnis.<br />
<br />
===Drachenartige Schlangen===<br />
{{w500 |rahmen_h=225<br />
|drachen und schlange.jpg<br />
|Drache und Schlange <br />
| ref=1<br />
}}<br />
Die Grenzen zwischen Schlangen ({{g|hebi}}) und Drachen sind fließend, aus ikono·gra·phischer Sicht zählen sie zweifellos zur selben Familie. In den klas·sischen japa·nischen Mythen taucht z.B. die acht·köpfige Schlange {{glossar:Yamatanoorochi}} auf, ein Unge·heuer von riesigen Aus·maßen, das nur mit List vom Kultur·heroen {{glossar:Susanoo}} be·siegt werden kann. Auf bildlichen Dar·stel·lungen aus späterer Zeit wird diese Schlange stets als Drache abgebildet. <br />
<br />
{{w500<br />
|susanoo_toyokuni.jpg|rahmen_h=250|top=-50<br />
|Susanoo kämpft gegen die achtköpfige Schlange<br />
| ref=1<br />
}}<br />
{{sidebox|w=140 | rh=170| top=-140<br />
| schlange izumo.jpg<br />
|Schlangengott von Izumo<br />
| ref=1<br />
}}<br />
Obwohl dieser Mythos an das negative Bild euro·päischer Drachen·geschich·ten erinnert, werden Schlangen in Japan, ähnlich wie Drachen, zumeist mit positivem Respekt und Ehrer·bietung angesehen. Der Gott des uralten {{glossar:oomiwajinja|Miwa Schreins}} taucht in den Mythen mehrfach auf und erscheint einmal in mensch·licher, einmal in Schlangen·gestalt. Noch heute opfert man dieser Gottheit im Miwa Schrein rohe Eier, da diese für Schlangen eine beson·dere Delikatesse darstellen sollen. Die Miwa-Gottheit wird auch mit {{glossar:ookuninushi}}, dem Gott von {{glossar:Izumo}} identifiziert. Auch in Izumo gibt es einen ähnlichen Schlangenkult. <br />
<br />
Das {{g|Hitachifudoki}}, eine alte Chronik der heutigen Präfektur Ibaraki, be·richtet, dass sich in alter Zeit — unweit der Stelle, wo in den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts massive Proteste gegen die Errichtung des Flughafens Narita ausge·fochten wurden — gehörnte Schlangen gegen die Urbar·machung des Landes zur Wehr setzten und die Menschen attackierten. Nach einigem Hin und Her er·richtete man ihnen einen Schrein und brachte sie damit zur Ruhe. Man tauschte also Land·rechte gegen religiöse Verehrung (die Konflikte der 1970er Jahre wurden hingegen vor Gericht entschieden). Aus dieser Er·zählung wird ersichtlich, dass die Schlangen für Gott·heiten ge·halten wurden, denen das Land ursprünglich gehörte. <br />
<br />
In vielen Mythen·kreisen der Welt steht der Schlange als Herrscherin des Wassers der Vogel, bzw. der Adler, als Be·herrscher des Himmels oder des Feuers gegen·über. In Indien ist dieser Gegensatz besonders stark aus·geprägt. Hier gibt es den Vogel·menschen {{skt:Garuda}}, der den erwähnten ''nāga'' — also den Schlangen·wesen — in ewiger Feind·schaft gegen·über·steht. In China und Japan ist dieser Gegen·satz nicht besonders präsent, vielleicht weil die Figur des Drachens zu über·mächtig ist und selbst viele Eigen·schaften von Vögeln besitzt. Der indische Vogel·mensch Garuda scheint jedoch in der Sagen·figur des japanischen {{g|Tengu}} einen Verwandten zu haben.<br />
<br />
=== Schlangen als Sinnbild der Eifersucht ===<br />
{{floatright|rahmen_h=330<br />
|schlange_hokusai.jpg<br />
|Hokusais Schlange<br />
| ref=1<br />
}}<br />
Spätere Schlangen·legenden erzählen davon, dass sich Schlangen — ähnlich wie [[Mythen/Verwandlungskuenstler|Füchse]] — in Menschen verwandeln können und oft unerkannt an der Seite eines menschlichen Ehe·partners leben. Solche Legenden offen·baren meist eine starke erotische Komponente. Umgekehrt führt ent·täuschte Liebe, bzw. Eifersucht, zur Wieder·geburt als Schlange. Von diesem Schicksal sind — buddhistischen Legenden zufolge — vor allem Frauen betroffen. Eine von ihnen, {{glossar:Kiyohime}}, die unglücklich in einen buddhis·tischen Mönch verliebt war, verwandelte sich aus Eifersucht in eine Schlange und verfolgte so ihren Geliebten bis in einen Tempel, wo er sich unter einer Tempelglocke versteckt hatte. Sie aber wand sich um die Glocke, brachte sie zum Glühen und tötete den Mönch auf diese Weise (siehe [[Mythen/Geister/Kaidan|Horrorklassiker]]). <br />
<br />
Schlangen gelten außerdem als die Tier·gefährten der Glücks·göttin {{glossar:Benzaiten}} (s.a. [[Benten| Sidepage Benzaiten]]), die wiederum mit zahl·reichen Drachen·mythen in Ver·bindung steht. Benzaiten war ur·sprüng·lich eine indische Fluss- bzw. Wasser·göttin, daher ihre Assoziation mit Schlangen und Drachen.<br />
Auch Benzaiten wird im übrigen für sehr eifer·süchtig gehalten, sodass es Männern und Frauen geraten wird, ihre Schreine nicht gemeinsam aufzusuchen.<br />
<br />
==Löwen und Löwenhunde==<br />
{{w502|rahmen_h=180<br />
|shishimai.jpg<br />
| Shishi_nishihonganji.jpg<br />
|Löwenmaske<br />
| Chinesischer Löwe<br />
| ref=1<br />
}}<br />
<br />
Die Rolle des Löwen ({{g|shishi}}) als Wächter·figur hat sich wahr·schein·lich von Vorder·asien aus nach Indien und Ostasien einerseits und nach Europa andererseits ausgebreitet. Dabei erwies sich der Löwe als äußerst vielseitig, was seine Symbolik betrifft: Weltliche Paläste bedienten sich seiner genauso wie religiöse Kultstätten, seien es nun Kirchen (der Markusdom in Venedig), buddhistische Tempel oder Shintō-Schreine. <br />
Obwohl Löwen im Gegensatz zu Drachen eine real exis·tierende zoolo·gische Spezies darstellen, kann man sie aus Sicht der (traditionellen) religiösen Ikono·graphie Japans zu den imaginären Tieren zählen, weil sie nicht in Japan heimisch sind und daher von einer ähnlichen exotischen Aura umgeben waren wie die Drachen. Traditionelle ostasiatische „Löwen“ haben sich im übrigen vom Aussehen des realen Tiers einigermaßen weit entfernt und gewisse ikono·graphische Eigen·heiten angenommen, die mehr an einen Hund (vor allem an einen Pekinesen) als an ein katzenartiges Tier erinnern (s.u.).<br />
{{w500<br />
|shishimai_utamaro.jpg|w=630|left=-128|top=-30<br />
|Löwentanz zu Neujahr (Utagawa Utamaro, 1789) <br />
| ref=1<br />
}}<br />
Löwen kommen zwar kaum je in japanischen Geschichten oder Mythen vor, gelten aber offen·sichtlich als bewährte Geister·austreiber. In dieser Funktion findet man sie beispiels·weise, zusammen mit Drachen und Baku (s.u.), im Gebälk von Tempeln, Schreinen und histo·rischen Palästen, aber auch bei den Löwentänzen ({{g|shishimai}}), die unter anderem zu Neujahr aufgeführt werden. Die Tänzer schlüpfen dabei in komisch-groteske Masken, die mit dem Gebiss klappern können, und vollführen lebhafte Tänze. Ähnlich wie bei hiesigen „Krampus“-Auftritten reagieren kleine Kinder üblicherweise ängstlich auf die Löwentänzer, während sich Erwachsene amüsieren. <br />
<br />
===Komainu===<br />
{{Sidebox|sidepage=Komainu|komainu4.jpg|w=x130|left=-30|Komische Löwenhunde<br />
| ref=1 }}<br />
Am häufigsten begegnet man paarweise aufgestellten Löwenwächtern, die ent·weder als {{glossar:karajishi}}, wtl. „chinesischer Löwe“, oder als {{glossar:komainu}}, wtl. „Korea-Hund“, be·zeich·net werden. Letzte·res stellt heute die gän·gigere Be·zeich·nung dar. Wie diese Namen an·deuten, gibt es in China und Korea ähn·liche Statuen. <br />
Die beiden Bilder unten zeigen, dass es in manchen Fällen tat·säch·lich zu einer Dif·feren·zierung von Hund und Löwe kommt: Das linke Exemplar besitzt ein Horn und wird als „Korea-Hund“ an·ge·sehen. Das rechte, der „China-Löwe“, sieht eher wie ein Löwe aus. In der heute gängigen Ikono·graphie ver·mischen sich die beiden Typen jedoch zu einer ein·heit·lichen Spezies, die eben·sosehr einem Hund wie einem Löwen ähn·lich sieht und die man daher wohl am besten als „Löwen·hund“ be·zeichnet.<br />
{{w502|rahmen_w=200|rahmen_h=270<br />
|koma_kamakura1.jpg|w1=230|top1=-35|left1=-15<br />
|koma_kamakura2.jpg|w2=220|top2=-30|left2=-15<br />
|caption= Löwenhunde, Kamakura Zeit<br />
| ref=1<br />
}}<br />
<br />
''Komainu'' sind zumeist in Eingangs·bereichen religiöser Kult·stätten aufgestellt, wo keine mensch·lichen Wächter·figuren ({{glossar:niou}}) Dienst tun, oder in manchen Fällen auch an der Rück·seite von Toren, an deren Vorder·seite ''niō'' stehen. Man findet sie heute zumeist vor [[Bauten/Schreine |Shintō-Schreinen]], sie hatten jedoch ur·sprüng·lich nichts mit shintō·isti·schen {{Glossar:Kami}} zu tun und sind auch kein ein·deu·tiges Er·ken·nungs·merk·mal von Schreinen. In manchen Schreinen und Tempeln werden sie auch durch andere Tiere ersetzt, v.a. in {{Glossar:Inari}} Schreinen durch [[Mythen/Verwandlungskuenstler/Inari_Kitsune |Füchse]].<br />
<br />
Während ältere ''komainu'' durchaus imposant aus·sehen, haben rezentere Bei·spiele oft komische Züge (s. [[{{FULLPAGENAME}}/Komainu|Sidepage]]). Hierarchisch stehen sie in jedem Fall unter den ''niō''-Torwächtern, doch teilen sie mit diesen die Be·sonder·heit, dass sie stets als Paar auftreten, dessen Partner sich vornehmlich in einem Punkt unterscheiden: immer hält einer von beiden den Mund offen ({{glossar:agyou|''a-gyō''}}), der andere den Mund ge·schlos·sen ({{glossar:ungyou|''un-gyō''}}). Die zugrunde liegende Symbolik hat buddhis·tische Wurzeln (s. dazu [[Ikonographie/Waechtergoetter#Torw.C3.A4chter_.28Ni.C5.8D.29 |Wächtergötter]]) und mag ehemals auch in China bekannt gewesen sein, hat sich aber dort nicht bis heute erhalten.<br />
<br />
== Andere imaginäre Tiere ==<br />
<br />
Außer dem Löwen kennt man in Japan noch eine Reihe weiterer imaginärer Kreaturen, in denen sich Reste tatsächlich existierender Wildtiere wieder·finden lassen, die aber mit sagen·haften Eigen·schaften und Kräften ausge·schmückt wurden. Diese exotischen Wesen stammen zumeist aus der chinesischen und/oder buddhistischen Folklore und haben überwiegend positive, glücks·bringende Eigen·schaften. Sie werden als Glücks·bringer auch häufig abgebildet, sind aber wahr·scheinlich weniger tief im kollektiven Bewusst·sein der japanischen Kultur verankert als die potentiell bedrohlichen {{glossar:youkai}}, {{glossar:oni}} oder {{glossar:tengu}}, die auf anderen Seiten dieses Kapitels vorgestellt werden. <br />
<br />
=== Elefanten und Baku ===<br />
{{wrapper|position=right|<br />
{{sidebox|w=166|left=-13|top=-3<br />
|elefant_hokusai.jpg<br />
|Hokusais Elefant<br />
|ref=1<br />
}}<br />
{{sidebox|w=160|rahmen_h=200|top=-10|left=-10<br />
|baku_hokusai.jpg<br />
|Hokusais Baku<br />
|ref=1<br />
}}<br />
}}<br />
{{w500<br />
|baku_nikko.jpg<br />
|Zwei „Imaginäre Elefanten“ (Tōshō-gū Schrein, Nikkō)<br />
|ref=1<br />
}}<br />
{{W502<br />
|baku_iwashimizu.jpg |w1=400|left1=-100<br />
|baku2.jpg<br />
|Baku, ein elefantenartiges Fabelwesen<br />
|Elefant (Baku?) und Löwe bei Buddhas Begräbnis<br />
|ref=1<br />
}}<br />
Als ein Tier, das im [[Ikonographie/Shaka/Buddhas Leben|Leben des historischen Buddha]] eine gewisse Rolle spielte, ist der Elefant auch in Ostasien schon lange bekannt, ohne dass man seine genaue Gestalt je zu Gesicht bekam. Was man von ihm wusste, wurde wohl mit dem Tapir, einem anderen exotischen Tier, das u.a. in Südost·asien heimisch ist, vermischt und zu einem legendären Tier, dem {{glossar:baku}}, neu zusammen·gesetzt. Bakus erfreuten sich in der {{glossar:Edo}}-Zeit besonderer Beliebtheit und sind heute noch im Verein mit Drachen und Löwen an den Außen·fassaden von Tempeln und Schreinen aus dieser Zeit zu bewundern. Es wird ihnen nachgesagt, dass sie alles verschlucken können — auch und vor allem böse Träume! Das Schriftzeichen ''baku'' ziert daher auch manchmal das Schiff der [[Ikonographie/Gluecksgoetter|Sieben Glücksgötter]], die ja ebenfalls für Träume, vor allem für glücks·bringende Träume zu Jahres·beginn, zuständig sind. <br />
<br />
Der Elefant selbst ist in der religiösen Kunst Japans etwas hinter dem Baku zurück getreten, allerdings gibt es berühmte Darstellungen wie etwa die „Imaginären Elefanten“ in {{glossar:Nikkou}}. Da sowohl Elefant als auch Baku vor allem durch Rüssel und Stoßzähne gekenn·zeichnet sind, ist der Unterschied zwischen ihnen oft kaum auszumachen. In der späteren Edo-Zeit bemühten sich natur·wissen·schaftlich interessierte Künstler wie {{glossar:Katsushikahokusai}} allerdings um eine Differen·zierung.<br />
<br />
=== ''Kirin'' ===<br />
{{sidebox|w=140|top=10<br />
|kirin logo.jpg<br />
|Logo der Bierbrauerei Kirin<br />
}}<br />
{{glossar:kirin|''Kirin''}} ist im modernen Sprach·gebrauch das japanische Wort für Giraffe, doch bekam dieses afrikani·sche Tier in Ostasien einfach den Namen eines traditio·nellen Fabel·tiers verpasst. ''Kirin'' ist daher im vormoder·nen Kontext besser mit „Drachen·pferd“ zu übersetzen, vergleichbar mit dem hierzulande bekannten Einhorn. Das Fabelwesen dürfte seine Ursprünge in China haben, wo es als {{g|qilin}} wesentlich häufiger anzutreffen ist als in Japan. In Japan sorgte vor allem die Biermarke ''Kirin'' für eine gewisse Bekanntheit des gleichnamigen Tiers. Doch schon in der Edo-Zeit wurde das ''kirin'' — zusammen mit anderen Fabeltieren chinesischer Provenienz — ein Glückssymbol, das die Außen·wände vieler Tempel und Schreine zieren durfte. <br />
<br />
{{W502|rahmen_h=155<br />
|qilin_ming_tomb.jpg|top1=-10<br />
|kirin_hoonji.jpg <br />
|Chinesisches Qilin, Qing-Zeit<br />
|Kirin, Holzrelief eines Tempels<br />
|ref=1<br />
}}<br />
Das ''kirin'' hat ein ähnliches Gesicht wie ein Drachen, doch besitzt es oft ein stärker ausgeprägtes Geweih und den Körper eines Pferdes oder Hirschen. „Hirsch“ ist auch ein Element in den Schriftzeichen des ''kirin''. Seine Haut ist jedoch oft mit Schuppen überzogen. ''Kirin'' gelten wie die meisten legendären Tiere als Glücksbringer und kündigen freudige Ereignisse an. Im Vergleich zu den Drachen sollen die chinesi·schen ''kirin'' fried·fertiger sein, doch lässt sich dieser Befund für Japan nicht erhärten, da es kaum Legenden über ''kirin'' gibt. <br />
<br />
=== Phönix ===<br />
{{floatright|rahmen_h=290<br />
|Hoo_byodoin.jpg<br />
|Hōō, Byōdōin<br />
|ref=1<br />
}}<br />
Ostasien kennt einen imaginären Vogel, der analog zum griechischen Sagen·vogel gerne als „Phönix“ bezeichnet wird, auf Chinesisch allerdings {{g|fenghuang}} heißt, was auf Japanisch {{glossar:houou}} ausgesprochen wird. In Japan ist er zumeist auf den Dächern buddhis·tischer Tempel auszumachen, er entstammt aber ebenso wie das ''kirin'' dem chinesischen Sagen- und Legendengut und wird mit der Figur der Kaiserin assoziiert. Seine ikono·graphische Gestalt erinnert an eine Mischung aus Hahn und Pfau, doch besitzt er bei genauer Betrachtung eine ähnliche Schuppen·haut wie ''kirin'' oder Drache, ist also ebenfalls ein aus mehreren Tierarten zusammen·gesetztes „Übertier“.<br />
<br />
=== Wani === <br />
{{W502|rahmen_h=170<br />
|Toyotamahime hokusai.jpg|w1=270|left1=-5|top1=-20<br />
|Okuninushi hokusai.jpg|w2=270|left2=-5|top2=-120<br />
|caption= Verschiedene Wani von Hokusai<br />
|ref=1<br />
}}<br />
{{glossar:Wani|Wani}} ist ein Meeresun·geheuer, das in den alten Mythen Japans immer wieder auftaucht. Das Wort bezeichnet heute ein Krokodil. Obwohl Krokodile im alten Japan nicht völlig unbekannt waren, ist doch anzunehmen, dass man sich unterschied·liche Vorstellun·gen machte, wie ein Wani aussehen könnte. In der Mythe des kaiser·lichen Prinzen Hohodemi, der die Tochter des Drachen·königs ehelichte (s.o.), ist z.B. davon die Rede, dass die Meeres·prinzessin die Gestalt eines Wani annahm, als sie ihr Kind zu Welt brachte. Hokusai, der diese Geschichte illustrierte, stellte die Prinzessin in klassischer Drachen·gestalt dar. Andererseits illustrierte Hokusai auch das Märchen des weißen Hasen von Inaba, das ebenfalls in den Mythen des {{glossar:Kojiki}} enthalten ist. Der Hase wird Opfer einer ganzen Sippe von Wani, die er leichtsinnig verärgert hat. Hier wählte der Edo-zeitliche Künstler die Form eines Krokodils, um diese Wani darzustellen. Andere alte Quellen deuten an, dass man sich Wani möglicher·weise auch als Haie vorstellte.<ref>Aoki Michiko übersetzt ''wani'' in einer Episode des ''Izumo fudoki'' (8. Jh.) als „Hai“ und weist auf eine Parallel·erzählung aus der malaiischen Mythologie hin, wo es sich bei dem Tier um einen Hai handelt (Aoki 1997, S. 83f.). Klaus Antoni plädiert hingegen für ''wani'' als Krokodil (Antoni 1982, S. 46 und 247).</ref><br />
<br />
=== Shachi ===<br />
{{floatright<br />
|shachi.jpg<br />
|Tigerfisch (''shachi'')<br />
|ref=1<br />
}}<br />
{{glossar:Shachi|''Shachi''}} oder auch ''shachihoko'' sind imaginäre Fische, die angeblich den Kopf eines Tigers besitzen. Auch das Schrift·zeichen für diese Tiere besteht aus einer Kombination von Fisch und Tiger. Außerdem wird der Namen auch auf Orca-Wale angewendet. ''Shachi''-Fische findet man in Japan zumeist als Dachorna·ment auf den Burgen der Edo-Zeit, ein Brauch der von {{glossar:odanobunaga}} eingeführt worden sein soll. Sie gelten als Wächterfiguren gegen Feuersbrünste, von denen man sich erhofft, dass sie im Fall eines Brandes Wasser speien würden. Meist blicken sich zwei ''shachi'' von den beiden Enden des Dachfirsts aus an, wobei sie den First mit ihrem kräftigen Maul scheinbar verschlingen, während die Schwanz·flosse triumphal in den Himmel ragt. Sie sind häufig aus Keramik oder Bronze hergestellt, die mächtigsten Burgherren ließen sie sogar vergolden. <br />
<br />
Japanische Tempel und Schreine bedienen sich dieser Tiere eher selten. Doch gab es sie in etwas abstrakterer Form offenbar schon in der {{glossar:nara}}-Zeit, wie u.a. das Dach des {{glossar:toudaiji}} in Nara beweist. Hier scheint es, als sei nur die Schwanzflosse eines Tiers zu sehen.<!--<br />
--><ref>Das Tier wird in diesem Fall als ''shibi'' bezeichnet. S. [http://www.aisf.or.jp/~jaanus/deta/s/shibi.htm JAANUS].<!--<br />
--></ref> <br />
<br />
{{w502|rh=150<br />
| makara.jpg<br />
| shibi.jpg<br />
| ''Makara'', Kambodscha, 8. Jh.<br />
| ''Shibi'', Tōdaiji, Japan, 8. Jh. <br />
| ref=1<br />
}}<br />
{{sidebox| w= 140| rh= 200<br />
| koinobori.jpg<br />
| Karpfen beim Knabenfest<br />
| ref=1<br />
}}<br />
Als Vorläufer beider Figuren kann möglicher·weise ein indisches Tier namens {{skt:makara}}, jap. ''makera'', angesehen werden, das auf vielen Tempeln ganz ähnlich Form wie die japanischen ''shachi'' dargestellt wird. Dieses Misch·wesen aus Fisch und Landtier ist vor allem in Südasien und China beliebt und soll ebenfalls in erster Linie vor Feuer schützen.<br />
<br />
''Makara'' werden auch mit dem legen·dären Karpfen in Verbindung gebracht, dem es gelang, einen Wasserfall hinauf zu schwimmen, und der zum Lohn den Körper eines Drachen erhielt. Diese Legende begründet wiederum die japanische Symbolik des Karpfens ({{glossar:koi}}) als Inbegriff jugend·licher Kraft und Energie, die vor allem im Kontext des Knaben·festes ({{g|kodomonohi}}) ihren Ausdruck findet. <br />
<br />
{{Verweise<br />
| links_ue=LL<br />
| links=<br />
{{Literatur:Antoni 1982}}<!--<br />
-->{{Literatur:Aoki 1997}}<!--<br />
-->{{Literatur:Devisser_1913}} [Alt, aber gut.]<br />
<br />
* [https://sites.google.com/site/bemsha10/intro ''The Goddess, the Dragon, and the Island''], Robert A. Juhl (en.)<br/>Online-Studie des ''Enoshima Engi'', einer Schrein-Chronik, in der es um den Drachen und die Gottheit Benzaiten auf der heiligen Insel Enoshima geht. <br />
* [http://www.das-klassische-china.de/Tao/Ubersicht%20der%20versch%20Ausgaben/Historie%20Laotse%20+%20TaoTeKing.htm#1 Die alten chinesischen Quellen], Matthias Claus (2006)<br/>Aus: ''[http://www.das-klassische-china.de Das klassische China]'' <br />
* [http://www.blackdrago.com/easterndragons.htm Eastern Dragon Overview], Kylie McCormick (en.)<br/>Teil der Website ''[http://www.blackdrago.com/ The Circle of the Dragon]''.<br />
* [http://www.bestiarium.net/ Das Drachenbestiarium] Georg Friebe<br/>Schwerpunkt Österreich und Deutschland, aber auch ein paar Bilder aus Asien.<br />
* [http://www.onmarkproductions.com/html/baku.html Baku, Eater of Nightmares], Mark Schumacher (en.), ''[http://www.onmarkproductions.com/html/buddhism.shtml A-Z Dictionary]''.<br />
* [http://www.aisf.or.jp/~jaanus/deta/s/shibi.htm Shibi 鴟尾], JAANUS (en.)<br />
|update= Aug. 2012<br />
}}<br />
{{ThisWay|Mythen/Verwandlungskuenstler}}</div>
Nicole Janker
https://religion-in-japan.univie.ac.at/r/index.php?title=Mythen/Daemonen&diff=59903
Mythen/Daemonen
2015-09-25T11:39:49Z
<p>Nicole Janker: </p>
<hr />
<div>{{titel | ''Oni'' und ''kappa''}}<br />
<br />
{{fl|S}}eit altersher gibt es in Japan eine Unzahl von Fabel·wesen ({{glossar:youkai}}), die früher auch als {{glossar:hyakki}}, wtl. „hundert Geister“, bekannt waren. Das Zeichen ''ki'' 鬼 steht hier, in seiner sino-japa·nischen Aus·sprache, für Geister·wesen aller Art.<ref>Nach einer etymologischen Erklärung soll sich das Zeichen 鬼 von einem Leichnam herleiten. Somit wären ''ki'' im Grunde Totengeister oder umgekehrt, alle Menschen würden nach dem Tod zu ''ki'' werden. Laut Kikuchi Noritaka entspricht dies tatsächlich der ursprüng·lichen chinesischen Auf·fassung. Kikuchi 2011, S. 19.</ref> <br />
In der Lesung {{glossar:oni}} bezeich·net das·selbe Zeichen eine kon·kre·tere Figur, die auf dieser Seite zusammen mit dem Wasser·geist {{glossar:kappa}} als Reprä·sentant der ''yōkai'' genauer vorgestellt werden soll. ''Yōkai'' sind in der moder·nen Popu·lär·kultur Japans stark präsent und werden heute oft niedlich und putzig (jap. {{g|kawaii}}) dar·ge·stellt. Wenn man aber ein wenig in der Ge·schichte zu·rück·blickt, er·weisen sie sich oft als äußerst un·heim·liche Gestalten, die aus der Verschmel·zung einhei·mischer und fremder, meist buddhis·tischer, Figuren entstanden sind.<br />
{{w500<br />
|hyakkiyako.jpg|rahmen_h=220<br />
|Parade der Hundert Geister<br />
| ref=1<br />
}}<br />
==''Oni'', japanische Teufel?==<br />
{{floatleft| w=300| rw=170| left=-25| top=-20| rh=260<br />
| oni_shohaku.jpg<br />
| Blauer ''oni''<br />
| ref=1<br />
}}<br />
''Oni'' sind von men·schen·ähn·licher Gestalt, tragen jedoch Hörner, raub·tier·ar·tige Zähne und Krallen. Ihre Haut ist manch·mal feuer·rot, manchmal aber auch grün oder blau. Der typische ''oni'' ist außer·dem mit einem eisen·be·schla·genen Knüppel ({{g|kanabou}}) und einem Len·den·schurz aus Tiger·fell aus·ge·stattet.<br />
<br />
Diese Ikono·graphie geht auf buddhis·tische Dämonen zurück, die sich bis zu den indischen {{skt:Rakshasa}} (jap. {{glossar:rasetsu}}) zurück·verfolgen lassen. Manche dieser Dämonen sind Gegen·spieler des Buddhismus und haben z.B. die un·dank·bare Auf·gabe, den Vier Him·melswäch·tern ({{glossar:shitennou}}) als Podest zu dienen ({{glossar:amanojaku}}). Andere verdingen sich als Fol·ter·knech·te ({{glossar:gokusotsu}}) in der bud·dhis·tischen [[Mythen/Hoellen/Hoellenbilder|Hölle]]. Parallelen zu christ·lichen Teufeln sind daher nicht von der Hand zu weisen. <br />
<br />
===„Böse“ ''oni''===<br />
<br />
Die religiöse Ideologie hin·ter den Dar·stel·lun·gen der buddhis·tischen Dämonen ist zweifellos verschieden vom Christentum: Während christliche Teufel „böse“ sind und dem Willen Gottes zu·wider·handeln, sind die bud·dhis·tischen Fol·ter·knechte ein „not·wen·diges Übel“ und tun nichts anderes als ihre Pflicht (zumin·dest solange sie ihren Dienst in der Hölle ver·richten). Psycho·logisch macht das aber kaum einen Unterschied: ''Oni'' sind, wie Teufel, Gegen·spieler der Menschen und werden dement·sprechend als Menschen mit tierischen De·forma·tionen (Hörner, Reißzähne, Klauen) dar·gestellt.<br />
{{w500<br />
| sutendoji_kyosai.jpg|rahmen_h=200<br />
| Shuten Dōji<br />
| ref=1<br />
}}<br />
In der japa·nischen Sagenwelt begegnet man tatsächlich auch wirklich „bösen“ ''oni''. Besonders in den Märchen und Legenden der {{glossar:Heian}}-Zeit ist immer wieder davon die Rede, dass Menschen (in erster Linie Frauen) von ''oni'' „mit einem Biss“ verschlungen werden. Die berühm·teste dieser Menschen·fresser-Geschichten handelt von einem ''oni'' namens {{glossar:Shutendouji}}. Er haust in den Bergen und raubt vor·zugs·weise schöne Frauen, die er ver·sklavt, miss·braucht und schließ·lich auf·frisst. Erst einem unge·wöhn·lich tap·feren Krieger und seinen vier Vasal·len gelingt es nach vielen Aben·teuern, Shuten Dōji zur Strecke zu bringen. Diese Geschichte existiert in un·zäh·ligen Varian·ten. Sie präsen·tiert den ''oni'' als einen Dämon, der absolut böse und gefähr·lich, jedoch — im Gegensatz zum Teufel — nicht un·sterb·lich ist.<br />
<br />
{{Wrapper|position=right|<br />
{{sidebox|kobutori.jpg|w=280|left=-138|top=-70|Der Alte mit der Beule|sidepage=Beule}}<br />
}}<br />
Anderer·seits gibt es bereits im dreizehnten Jahrhundert Dar·stellun·gen von ''oni'', die eher tölpelhaft als dämonisch wirken und in dieser Hinsicht stark an den Teufel in deutschen Märchen erinnern. So erzählt ein Märchen von einem alten Holz·sammler mit einem entstel·lenden Geschwulst, der zufällig Zeuge eines nächtlichen Festes der ''oni'' wird. Sie feiern, tinken und tanzen „ganz wie wir Menschen“. Nur ihr ästhetischer Geschmack ist ein anderer: Als die ''oni'' den Holz·sammler entdecken, nehmen sie seine Beule als Pfand, damit er wieder zu ihnen zurückkommen muss. Auf diese Weise wird der Alte von seiner Beule befreit. (s. die [[{{FULLPAGENAME}}/Beule|Übersetzung]] der Geschichte.) <br />
<br />
Wie sich in diesem Märchen bereits andeutet, haben sich die furcht·ein·flößen·den Züge der ''oni'' mit der Zeit immer mehr ab·ge·nützt, sie werden zu·neh·mend eher als ruppige Bar·baren denn als schreck·liche Monster dar·gestellt. Auf Edo-zeit·lichen {{g|ukiyoe}} wirken die ''oni'' daher meist eher komisch als dämonisch.<br />
<br />
===„Gute“ ''oni''=== <br />
Neben ihrer unfreiwilligen Komik gibt es auch das Phänomen, dass ''oni'' — wie im übrigen fast alle japanischen Monster — zu echten Sym·pathie·trägern werden können. Oder anders aus·gedrückt:<br />
Es gibt Gestal·ten, die genauso wie ''oni'' aus·sehen, aber keines·wegs böse oder feindselig sind. Dazu zählen zunächst einmal die [[Ikonographie/Waechtergoetter/Wind_und_Donner |Wind- und Donner·götter]]. Sie stehen für respekt·ein·flößende Natur·kräfte, die den Men·schen ebenso Heil wie Unheil bringen können. <br />
<br />
{{w502|rh=350<br />
| tsuno daishi.jpg | top1=-80<br />
| tsunodaishi.jpg|w2=500|left2=-250|top2= -75<br />
| Tsuno Daishi<br />
| Talisman gegen Krankheiten<br />
| ref=1<br />
}}<br />
Darüber hinaus gibt es einzelne ''oni''-Gestalten, die es mit den Men·schen ein·deutig gut meinen. So erzählt etwa eine Legende, dass der emi·nente Mönch {{glossar:Ryougen}} (912–985) — einer der wich·tigsten Patriar·chen des {{glossar:Tendaishuu|Tendai Buddhismus}} — die Hörner eines ''oni'' gehabt haben soll. Ryōgen wird daher im Volksmund auch als Tsuno Daishi, „Groß·meister Horn“ oder „gehörn·ter Groß·meister“ bezeichnet. Eine weitere Legende berichtet, dass Ryōgen einen Seuchen·gott in Gestalt eines ''oni'' bekämpfte, indem er sein Aussehen annahm. Von da an diente die Abbildung dieses ''oni'' (Abb. oben) als Talisman ({{glossar:ofuda}}), um Krankheiten und ähnliches zu verhindern — gleichsam eine homöopathische Bekämpfung von Seuchengöttern. Noch heute werden ''o-fuda'' mit dem Bild des Tsuno Daishi in diversen Tendai Tempeln verkauft. Man soll sie zu [[Alltag/Jahr|Neujahr]] an der Eingangs·tür oder im Flur seines Hauses aufkleben. <ref>Auch in moder·ner Zeit hat sich ein reli·giöser Führer in gewisser Weise mit den ''oni'' iden·ti·fiziert, indem er sich den selt·samen Vor·namen ''oni''-saburō zulegte: Deguchi Onisaburō, 1871–1948, Mit·be·gründer der [[Geschichte/Neue Religionen |neu·reli·giösen Rich·tung]] Ōmoto-kyō.</ref><br />
<br />
{{w500| top= -80<br />
| onigawara.jpg<br />
| ''oni''-Dachdekor<br />
| ref=1<br />
}}<br />
Auch auf den prächtig verzierten Dach·schin·deln bud·dhis·tischer Tempel grinst einem häufig eine ''oni''-Maske entgegen. Diese ver·kör·pert wohl keine bös·willige Kraft, sondern dient eher dem Schutz vor einer solchen. Wie schon bei den Wäch·ter·göt·tern begeg·net man hier dem Glauben, dass böse Geister am effek·tivsten von ebenso gestal·teten Wächtern im eigenen Lager ver·trie·ben werden können. <br />
<br />
Das Aussehen allein sagt also noch nicht, ob es sich wirklich um einen böswilligen ''oni'' handelt oder nicht. Diese Ambivalenz im Auftreten der ''oni'' lässt es ratsam erscheinen, anstelle von „Teufel“ den neutraleren Begriff „Dämon“ für die Übersetzung von ''oni'' zu wählen.<br />
<br />
===Das Dämonentor===<br />
<br />
Einer alten chine·sischen Vor·stel·lung zufolge kommen böse Geister oder Dämonen üblicher·weise aus dem Nord·osten. Diese Himmels·richtung wird daher auch als „Dämonen·tor“ ({{glossar:kimon}}) be·zeich·net. Im japanischen Altertum wurde diese Vorstellung so ernst genommen, dass man sich bemühte, den Nordosten von Städten und Palästen mit religiösen Institu·tionen zu besetzen. In Kyōto erhielt etwa der Kloster·berg {{glossar:hieizan|Hiei}} im Nord·osten der Stadt die Funktion zuge·sprochen, böse Geister abzu·wehren.<br />
{{floatright|rh=320<br />
|oni_sekien.jpg<br />
|Toriyamas ''oni''<br />
| ref=1<br />
}}<br />
Der Edo-zeit·liche Maler und Ge·spen·ster·for·scher {{g|Toriyamasekien}} leitete aus dieser Tatsache auch eine durch·aus ein·leuchtende Begrün·dung für das spezifische Aussehen der ''oni'' ab. Er wies darauf hin, dass die tieri·schen Ele·mente der ''oni'' vor allem dem Rind und dem Tiger ent·nom·men sind. Zugleich be·zeich·net man den Nord·osten im [[Texte/Yin und Yang/Tierkreis|System der Tierkreiszeichen]], das auch in der tradi·tionel·len Kalender·kunde ange·wendet wird, als {{g|ushitora}}, also wörtlich als „Rind-Tiger“. Insofern ist es nach Toriyama nur natür·lich, dass die Dämonen, die aus der „Rind-Tiger“ Rich·tung kommen, auch das Aus·sehen von „Rind-Tigern“ haben. <br />
<br />
Tatsäch·lich finden sich Rinder·hörner und Tigerfell-Tangas auch bei hinduis·tischen und buddhis·tischen Dämonen (s. Anmerkungen zum Höllenfürst [[Mythen/Jenseits/Enma|Enma]]). Doch enthält Toriyamas Begrün·dung, unab·hängig von ihrer histo·rischen Stichhaltig·keit, einen Hinweis auf die Vermischung von buddhis·tischen und nicht-buddhis·tischen Traditionen. Man kann daher davon ausgehen, dass der charak·teris·tische japa·nische ''oni'' nicht nur buddhistische, sondern auch chine·sische Ele·men·te in sich aufge·nommen hat.<br />
<br />
===''Oni'' wa soto===<br />
<br />
Noch heute findet man in Japan ländliche Volks·fes·te ({{glossar:matsuri}}), die er·staun·lich stark an „Perchten·läufe“ und ähn·liche Prozes·sionen teufel·artiger Gestalten im alpinen Raum erinnern. Meist finden diese Feiern zu Beginn des [[Alltag/Jahr|Neuen Jahres]] statt. Im Schutz von ''oni''-Masken richten Gruppen von Burschen Schaber·nack an, der in manchen Fällen ziemlich auf·dring·lich und unan·genehm werden kann, aber nur auf den Festtag beschränkt ist. In Japan wie in Europa ver·körpern diese Masken den Winter, der rituell ver·trieben werden soll. <br />
<br />
{{W500| top= -40 | rh=380<br />
| oni_shibata.jpg<br />
| „''Oni wa soto, fuku wa uchi''...“<br />
| ref=1<br />
}}<br />
Während derartige, archaisch wirkende, Bräuche in Mittel·europa auf den länd·lichen Raum beschränkt sind, gibt es die Winter-Dämonen-Austreibung in abgeschwächter Form auch im modernen urbanen Leben Japans. So weiß in Japan jedes Kind, dass man die ''oni'' an einem bestimmten Tag mit getrock·neten Soja·bohnen aus dem Haus treiben muss. Dazu ruft man: „''Oni wa soto, fuku wa uchi''“ („Raus mit den ''oni'', rein mit dem Glück“). Dieser Tag fällt nach dem modernen Kalender auf den 3. Februar und heißt {{glossar:setsubun}}, was nichts anderes als „Trennung der Jahres·zeiten“ bedeutet. Nach dem traditionellen Kalender handelt es sich dabei um den letzten Tag des Winters. <br />
<br />
Im urbanen Raum hat diese „Teufels·aus·trei·bung“ allerdings nur noch den Charakter eines lustigen Kinder·festes. Liebevolle Väter setzen dann eine selbst·ge·bastelte ''oni''-Maske auf und lassen sich von den bohnen·werfenden Kindern aus der Wohnung scheuchen.<br />
<br />
==''Kappa'', die Flussgeister==<br />
<br />
{{glossar:kappa|''Kappa''}} sind Kobolde, die an den Ufern von Gewäs·sern hausen. Ihre Gestalt scheint aus einer Kombi·nation von Affe und Schild·kröte ent·standen zu sein. Auf vielen Ab·bil·dungen tragen sie eine Art Schild·kröten·panzer auf dem Rücken. Ihr eigen·tüm·lichs·tes Merkmal ist jedoch eine Delle in ihrer Schädel·decke, die zugleich die größte Schwach·stelle der ''kappa'' darstellt, denn sie muss stets mit Wasser gefüllt sein. Gelingt es also, einen ''kappa'' umzu·drehen, verliert er seine Kraft. Auch soll man ihn über·tölpeln können, indem man sich tief vor ihm verneigt. Erwidert er die Verbeu·gung, leert sich seine Delle ...<br />
<br />
{{w502| rh= 315<br />
| kappa.jpg<br />
| kappa hokusai.jpg<br />
| Toriyamas ''kappa''<br />
| Hokusais ''kappa''-Fangmethode <br />
| ref= 1<!-- 1 (Bildtext als Fußnote) --><br />
}}<br />
{{w500 <!-- oder floatleft, floatright, ... --> <br />
| Kappa_und_Donner.jpg<br />
| Ein ''kappa'' attackiert einen Donnergott<br />
| top= -350 | w= 550 |left= -35<br />
| ref= 1<!-- 1 (Bildtext als Fußnote) --><br />
}}<br />
{{floatleft<br />
|Kappa_kawaii.jpg|w=75|rahmen_w=75|rahmen_h=95|border=fff<br />
|style=margin:0 0 1em -120px<br />
}}<br />
''Kappa'' werden oft mit kindlich-freundlichen Zügen dargestellt, aber sie sind heim·tückisch und ziehen ins·beson·dere Kinder gerne ins Wasser, wo diese ertrinken. Andere Quellen wissen zu berichten, dass es die ''kappa'' auf einen magischen Edelstein abgesehen haben, den sie im Anus ihrer Opfer vermuten, und diese daher nach Möglichkeit von hinten her aussaugen. Schließlich gibt es ein berühm·tes „Früh·lings·bild“ ({{glossar:shunga}}), auf dem eine Perlen·taucherin ({{g|ama}}) von mehreren ''kappa''s unter Wasser ver·ge·waltigt wird. Wie viele andere {{glossar:youkai}} eigenen sich also auch ''kappa'' gut für die Pro·jektion sexueller Phantasien. <br />
<br />
{{w500 |rh=320 |w= 506 | top=-20| left= -3 <br />
| kappa shunga.jpg<br />
| Utamaros ''kappa''<br />
| ref= 1<!-- 1 (Bildtext als Fußnote) --><br />
}}<br />
Trotz ihres unheim·lichen Charakters werden ''kappa'' auch in länd·lichen Schreinen oder Volks·festen verehrt Um sie günstig zu stimmen und die von ihnen ausgehen·den Gefahren abzuwehren, werden den ''kappa'' gerne Gurken dargeboten, denn Gurken gelten als ihre Lieb·lings·speise. Aus diesem Grund nennt man auch Sushi aus Reis und Gurken „''kappa''-Röllchen“ (''kappa maki'').<br />
<br />
{{Verweise<br />
| links=<br />
* [http://en.wikipedia.org/wiki/Otoroshi#First_Volume_-_.E9.99.B0 Gazu hyakki yakō] (jap.)<br/>Gespenster-Enzyklopädie von Toriyama Sekien auf Wikipedia. Über ''[http://ja.wikipedia.org/wiki/%E9%B3%A5%E5%B1%B1%E7%9F%B3%E7%87%95 Wikipedia Japan]'' sind die Illustrationen aller vier Bände zu betrachten.<br />
* [https://web.archive.org/web/20131112053912/http://www.obakemono.com/ The Obakemono Project] (Web-Archive), S.H. Morgan (en.)<br/>Gut recherchierte japanische Gespensterkunde, teilweise im Manga-Stil illustriert.<br />
| literatur= <br />
{{Literatur:Kikuchi 2011}}<br />
{{Literatur:Reider 2010}}<br />
{{Literatur:Tyler 1987}}<br />
|update= Mai 2015<br />
}}<br />
{{ThisWay|Mythen/Imaginaere Tiere}}<br />
{{Styles}}</div>
Nicole Janker
https://religion-in-japan.univie.ac.at/r/index.php?title=Glossar:Shutendouji&diff=59902
Glossar:Shutendouji
2015-09-25T11:34:57Z
<p>Nicole Janker: </p>
<hr />
<div>{{Glossar<br />
| kanji = 酒顛童子<br />
| romaji = Shuten Dōji<br />
| text= wtl. etwa Sauf-Knabe; berüchtigter Dämon der Heian-Zeit<br />
| stichwort ={{{1| }}}<br />
| link=Mythen/Oni_und_Kappa<br />
| tags= wesen<br />
}}</div>
Nicole Janker
https://religion-in-japan.univie.ac.at/r/index.php?title=Mythen/Daemonen/Tengu/Tengu_Motive&diff=59900
Mythen/Daemonen/Tengu/Tengu Motive
2015-09-25T11:31:23Z
<p>Nicole Janker: </p>
<hr />
<div>{{titel | ''Tengu''-Motive}}<br />
{{w500| rw= 449 | w= 449<br />
| ema_tengu.jpg<br />
| Votivbild ({{gb|ema}}) mit ''tengu''<br />
| ref= 1<br />
}}<br />
{{fl|B}}ildliche Dar·stellun·gen von {{glossar:Tengu}} findet man in Japan vor allem in Schrei·nen und Tem·peln, die mit den Berg·aske·ten ({{glossar:yamabushi}}) in Ver·bin·dung stehen, sowie in Schreinen, die dem mytholo·gischen Gott {{glossar:sarutahiko}} geweiht sind. ''Tengu'' treten aber außerdem in zahl·losen Legenden auf und daher auch ein be·lieb·tes Motiv der {{g|Ukiyoe}}-Künst·ler. So·wohl Krähen-''tengu'' ({{g|karasutengu}}) als auch Lang·nasen-''tengu'' (''daitengu'') finden sich dar·ge·stellt. Darüber hinaus gab es in der {{glossar:Edo}}-Zeit auch quasi-wissen·schaftliche, enzyklo·pädische Abbil·dungen. <br />
<br />
An ein·zel·nen unten ab·gebil·de·ten Bei·spie·len ist zu er·ken·nen, dass die phal·lische Form der ''tengu''-Nase durch·aus sexu·elle As·sozia·tio·nen weckte. Der·artige As·sozia·tio·nen wurden aller·dings im vor·mo·der·nen Japan nicht un·be·dingt als „obszön“ emp·fun·den, son·dern konn·ten auch in reli·giös-ritu·el·len Zu·sam·men·hän·gen eine Rol·le spielen (s. [[Phallus]]kulte). <br />
<br />
== ''Tengu''-Masken == <br />
<br />
{{w502| w1=300| left1= -50<br />
| tengu_miyajima.jpg <br />
| karasu_tegu_takao.jpg<br />
| Langnasen-''tengu'' in {{gb|Miyajima}}<br />
| Krähen-''tengu'', Berg Takao, Tōkyō<br />
}} <br />
{{w500<br />
|tengu_shimokitazawa_2012.jpg<br />
|Schreinumzug mit ''tengu''-Maske, Tōkyō<br />
}}<br />
== ''Tengu'' in Edo-zeitlichen ''ukiyo-e'' und Buchdrucken ==<br />
<br />
{{w502| rh= 330<br />
|yoshitoshi_iganotsubone.jpg |top1= -15<br />
|yoshinaka_tengu.jpg | w2= 245<br />
| Die unerschrockene Iga no Tsubone<br />
| Yoshinakas Kampf mit einem ''tengu''<br />
| ref= 1<br />
}}<br />
{{w502| rh= 330<br />
| tengu_sekien.jpg | w1= 250<br />
| kongobo_tengu_konpira.jpg <br />
| Enzykopädische Darstellung<br />
| ''Tengu'' rettet ein Kind<br />
| ref= 1<br />
}}<br />
{{w500| rh= 740<br />
| akiba_tengu_kyosai.jpg<br />
| ''Tengu''-Party bei Berg Akiba<br />
| ref= 1<br />
}}<br />
<br />
== Phallische ''tengu'' ==<br />
<br />
{{w503<br />
| Tengu_boy.jpg<br />
| tengu_phallus.jpg<br />
| tengu_shunga.jpg<br />
| caption= ''Tengu'' als Phallus-Attrappe<br />
| ref=1<br />
}}<br />
{{Verweise<br />
|FN = 0<br />
}}<br />
{{ThisWay}}<br />
{{Styles}}</div>
Nicole Janker
https://religion-in-japan.univie.ac.at/r/index.php?title=Mythen/Daemonen/Tengu&diff=59899
Mythen/Daemonen/Tengu
2015-09-25T11:28:58Z
<p>Nicole Janker: /* Tengu-artige Gottheiten */</p>
<hr />
<div>{{Styles}}<br />
{{titel | ''tengu''}}<br />
{{fl|A}}uf dieser Seite werden {{glossar:Tengu}} als die vielleicht prominen·testen Vertreter der {{glossar:youkai}} vorgestellt. Der Begriff ''yōkai'' entspricht in etwa dem deutschen „Fabelwesen“, doch werden manch·mal auch real existie·rende Tierarten, denen magische Fähig·keiten zuge·sprochen werden — etwa die [[Mythen/Verwandlungskuenstler|Füchse]] oder die {{glossar:tanuki}} — zu den ''yōkai'' gezählt. Während die tieri·schen ''yōkai'' auf anderen Seiten dieses Kapitels bespro·chen werden, geht es auf dieser Seite um den ''tengu'' als ein Fabel·wesen mit sehr men·schen·ähn·lichen Zügen, das die gesamte Band·breite dieser Geister·kategorie ver·an·schau·licht: Vom gefürch·teten Monster bis zum Ver·ehrungs·gegen·stand von [[Tempel]]n und [[Schreine]]n.<br />
<br />
{{w500|rahmen_h=300| top=-40| w= 520<br />
| tengu_kurama_wada.jpg<br />
| ''Tengu''-Kopf, Kurama-dera<br />
| ref= 1<br />
}}<br />
== Wortbedeutung ==<br />
<br />
''Tengu'' bedeutet wtl. „Himmelshund“, doch mit Hunden haben diese geflügel·ten Wesen wenig zu tun. Die Be·zeich·nung leitet sich vom Chine·si·schen {{g|tiangou}} ab und bezog sich ur·sprüng·lich auf uner·klär·liche Him·mels·er·schei·nun·gen wie z.B. Kometen oder Sonnen·fin·ster·nisse, die einem schwar·zen „Him·melshund“ zu·ge·schrieben wur·den. In dieser Bedeu·tung findet sich der Begriff ''tengu'' auch schon im japa·nischen {{glossar:nihonshoki}} (720). ''Tengu'' mit den heute bekannten Charak·teris·tika treten aller·dings erst Ende der {{glossar:heian}}-Zeit in Er·schei·nung. Wie sich die Transfor·mation des chinesi·schen Him·melshun·des in diese spezi·fisch ja·pa·nische Gestalt vollzog, ist weit·gehend un·klar. Zweifel·los haben auch Mythen- und Sagen·motive, die ur·sprüng·lich nichts mit dem chine·si·schen ''tiangou'' zu tun hatten, zu seiner Ent·stehung bei·getragen.<br />
<br />
==Äußerliche Merkmale==<br />
<br />
{{Sidebox|sidepage=Tengu Motive|titel=bilder|ema_tengu.jpg|left=-10|Tengu Motive}}<br />
Japanische ''tengu'' treten in zwei Haupt·varian·ten auf: Lang·nasen-''tengu'' und Krähen-''tengu''. Beide besit·zen einen men·schlichen Körper und können fliegen bzw. sich augen·blick·lich von einem Ort zum anderen „beamen“. Für ge·wöhn·lich tragen auch beide Arten von ''tengu'' die traditio·nelle Tracht der Berg·as·keten ({{glossar:yamabushi}}), mit denen sie eine ge·mein·same Begabung für magische Künste ver·bin·det. Ähnlich wie die ''yamabushi'' sind ''tengu'' immer eher un·heim·lich, dabei aber nicht not·wen·diger·weise böse oder arglistig.<br />
<br />
===Langnasen ''tengu''===<br />
{{w502|rahmen_h=220<br />
|tengu33.jpg|w1=x220|left1=-60<br />
|sarutahiko_takachiho.jpg|top2=-20<br />
|Geflügelter ''tengu''<br />
|Sarutahiko-Maske<br />
| ref= 1<br />
}}<br />
Langnasen-''tengu'' werden auf Japanisch oft als Groß-''tengu'', Krähen-''tengu'' da·gegen als Klein-''tengu'' be·zeich·net. Lang·nasen-''tengu'' scheinen dem·nach eine höhere Kaste inner·halb der ''tengu''-Gesellschaft zu bilden. Was als erstes an ihnen auf·fällt, ist die phal·lische Form ihrer Nase. Dass diese in der Tat sexu·elle Asso·zia·tionen weckte, lässt sich u.a. an {{g|Shunga}}-Bildern (siehe [[Mythen/Tengu/Tengu Motive|''tengu'' Motive]]) der Edo-Zeit erken·nen, doch wird diese Asso·zia·tion im ja·pa·nischen Kontext nicht als obszön empfun·den. Ähnlich wie im Fall des Glücks·got·tes {{glossar:fukurokuju}} wird der Phallus eher als Symbol der Frucht·bar·keit oder all·gemein des Glücks ver·stan·den. Auf·grund dieser Logik waren [[Alltag/Matsuri/Phalluskulte| Phallus-Kulte]] und phal·lische reli·giöse Sym·bolis·men im vor·moder·nen Japan weit verbreitet.<br />
<br />
{{Sidebox|top=-110|w=150|left=-10<br />
| tengu-ron.jpg<br />
| ''tengu''<br />
| ref= 1}}<br />
Die lange Nase und das rote Gesicht des ''tengu'' legen weiter die Ver·mu·tung nahe, dass sich seine Ge·stalt auf das Bild der Europäer in Japan zurück·füh·ren lässt. Doch gab es den lang·nasigen ''tengu'' bereits vor dem 16. Jh., als es in Japan zur inten·siven Kon·takt·nahme mit europä·ischen Händlern und Mis·sionaren kam. Mög·licher·weise wurden die Langnasen-''tengu'' aber dem Er·schei·nungs·bild der „südlichen Barbaren“ (wie die Europäer in der {{glossar:edo}}-Zeit genannt wurden) angepasst.<br />
<br />
Schließlich könnte die Nase der ''tengu'' auch einfach aus dem Schnabel ent·stan·den sein, mit dem die frühes·ten ''tengu''-Ge·stal·ten aus·gestat·tet sind und der wiede·rum mit ihren Flug·kün·sten in Ver·bin·dung steht.<br />
<br />
===Krähen-''tengu''===<br />
<br />
{{w502|rahmen_h=270<br />
| tengu_sairinji.jpg|w1=285|rahmen_w1=285|top1=-10 <br />
| karasutengu3.jpg|w2=196|rahmen_w2=196 <br />
| caption = Alte und neue Krähen-Tengu<br />
| ref= 1<br />
}}<br />
{{sidebox|w=140|rahmen_h=165|top=-10<br />
|garuda_gigaku.jpg<br />
|Garuda Maske<br />
| ref= 1<br />
}}<br />
In Indien gibt es die Gestalt des Vogel·menschen {{skt:Garuda}}, die mit dem Bud·dhis·mus auch in Japan bekannt wurde. Garudas sind halb gött·liche, halb tierische Wesen mit großen Zauber·kräf·ten, ähnlich den [[Mythen/Imaginaere Tiere | Schlan·gen]] (in Indien als {{skt:Naga}}-Gott·heiten verehrt), mit denen sie eine er·bit·terte Feindschaft ver·bin·det.<br />
<br />
In der ältesten Theater·kunst Japans, dem höfischen {{g|Gigaku}}, werden u.a. Garuda Masken (jap. {{glossar:karura}}) ver·wen·det. Nach·dem diese durch·aus Ähn·lich·keiten mit späteren ''tengu''-Dar·stel·lun·gen haben, ist es denkbar, dass zwischen diesen Fabel·wesen ein Zu·sam·men·hang besteht. Frühe bildliche ''tengu''-Dar·stel·lun·gen (etwa die des diabolischen Zegai-bō, s.u.) zeigen jeden·falls einen Krähen-''tengu''. Erst später setzte sich die Auf·fas·sung durch, dass nur die min·deren ''tengu'' vogel·gestal·tig seien. Gleich·zeitig sollen alle ''tengu'' aus Eiern schlüp·fen.<br />
<br />
==''Tengu'' und Mönche==<br />
{{w500<br />
|tenguzoshi.jpg|rahmen_h=260|w=600|left=-100|top=-10<br />
|Versammlung hochrangiger Mönche, die zu ''tengu'' geworden sind<br />
| ref= 1<br />
}}<br />
{{w500|rahmen_h=250<br />
| zegaibo_emaki.jpg<br />
| Zegaibō, ein chinesischer Krähen-''tengu'' in Mönchsgewand<br />
| ref= 1<br />
}}<br />
''Tengu'' gehören nicht allein ins Reich der Märchen und Sagen, son·dern spielen auch in religiösen Legen·den eine wich·tige Rolle. Die frühes·ten ''tengu''-Legen·den aus dem {{glossar:konjakumonogatarishuu}} han·deln zumeist von bud·dhis·tischen Mönchen, die vom rechten Weg ab·kom·men um schließ·lich zu ''tengu'' zu werden, oder von ''tengu'', die ver·suchen Mönche vom rich·tigen Weg ab·zu·brin·gen. In anderen Quel·len, etwa dem ''Tengu zōshi'' (1296), er·scheint die Exis·tenz eines ''tengu'' als kar·mische Kon·sequenz über·mäßiger klerikaler Arroganz. ''Tengu'' reflek·tieren somit ein ambivalen·tes Bild des bud·dhis·tischen Klerus und bilden beson·ders in der Blüte·zeit des japanischen Buddhis·mus, im Mit·telal·ter, eine Projek·tions·fläche für die Kritik am buddhis·tischen Mönchs·stand. Es gibt aber auch Legen·den von Adeligen und Kaisern, die auf·grund ihres Hoch·muts als ''tengu'' enden. Vor allem das Kriegerepos {{glossar:taiheiki}} weiß zahlreiche Episoden zu berichten, laut denen insbesondere der ambitionierte, aber letztlich erfolglose Tennō {{g|Godaigo}} und viele Krieger und Mönche um ihn zu ''tengu'' wurden und in dieser Form nach ihrem Tod für Unruhe im Land sorgten. <br />
<br />
{{w500|rahmen_h= 240<br />
|sojobo.jpg<br />
|Yoshitsunes Schaukampf vor ''tengu''-Meister Sōjōbō<br />
| ref= 1}}<br />
Im Lauf der Zeit festigte sich die Assozia·tiation der ''tengu'' mit den be·reits erwähn·ten {{glossar:yamabushi}}. In vielen Legen·den ist die Trenn·linie zwischen diesen stets ein wenig un·heim·lichen Bergas·keten und den ''tengu'' kaum zu ziehen. Seit der Edo-Zeit werden die ''tengu'' üb·licher·weise auch in der Tracht der ''yamabushi'', er·kenn·bar an der charak·teris·tischen Kopf·be·deckung, dar·ge·stellt. Durch die Assoziation mit den ''yamabushi'' rückte offen·bar die Iden·tifikation von ''tengu'' und hoch·ran·gigen Klerikern in den Hin·ter·grund. Dagegen können ''yamabushi''-artige ''tengu'' auch positive Züge an·neh·men, vor allem dann, wenn sie analog zu den Bergas·keten als tüch·tige Käm·pfer und Meister der Kriegs·künste auf·treten. So soll etwa einer der be·rühm·tes·ten japanischen Helden, {{g|Minamotonoyoshitsune}}, in seiner Jugend die Kunst des Schwertkam·pfes von einem ''tengu'' namens Sōjōbō er·lernt haben. Der Namen bedeutet wörtlich nichts anderes als „Abt-Mönch“ und es mag sein, dass eine Art ''yamabushi'' den his·torischen Kern dieser Legende bildet.<br />
<br />
==''Tengu''-artige Gottheiten==<br />
<br />
Immer wieder stößt man in Tempeln und Schreinen auf ''tengu''-Abbildungen. Im All·ge·meinen han·delt es sich bei der·artigen religiösen Gebäuden um Kult·stät·ten des {{glossar:shugendou}}, des spezifischen Kults der ''yamabushi''. Die ''yamabushi'' wurden also nicht nur mit ''tengu'' assoziiert, sie ver·ehrten ihrer·seits auch Gottheiten in ''tengu''-Gestalt.<br />
<br />
===Izuna Gongen===<br />
{{sidebox|akiba_gongen_lee_institute2.jpg|w=140|rahmen_h=245| Akiba Gongen<br />
| ref= 1}}<br />
<br />
Der {{glossar:takaosan}}, ein Berg am östlichen Stadtrand Tōkyōs, ist eines dieser tradi·tionel·len Zentren des Shugendō. Es gibt hier sowohl einen Tempel als auch einen Schrein, in dem die Gottheit {{glossar:izunagongen}} verehrt wird.<br />
<br />
<div class="bildtext bildbox ">[[Image:izuna2.gif|link=|izuna gongen]] [[Image:izuna3.gif|link=]]<div> Izuna Gongen, ''tengu'' Gottheit des Shugendō Heilig·tums Takao-san.<br /> Bildquelle: Informationsbroschüre des Takao-san </div></div><br />
<br />
Izuna Gongen erscheint auf den Talismanen ({{glossar:ofuda}}) von Takao in Gestalt eines ''karasu tengu'', der auf einem weißen [[Mythen/Verwandlungskuenstler| Fuchs]] reitet. Schwert, Schild und Flam·men·nim·bus erin·nern an {{glossar:fudoumyouou}}, der ja tat·säch·lich auch im Shugendō eine zen·trale Rolle spielt. Zu·dem deutet das fuchs·artige Reit·tier (das in der japanischen Folklore übrigens auch unter dem Namen Izuna auf·taucht) auf eine Ver·bin·dung mit [[Bauten/Bekannte_Schreine/Fushimi| Inari/Dakini]] hin. Ver·schiedene esoterische Gott·heiten wurden also mit der Ges·talt des ''tengu'' zu einer neuen Gottheit ver·schmol·zen. Ganz ähnliche kombi·nierte Gott·heiten finden sich im Shugendō auch unter anderen Namen, etwa unter der Be·zeich·nung Akiba Gongen (s. Abb. rechts). Viele dieser Shugen·dō-Götter standen im übrigen mit Schulen der Kriegs·künste und magischen Kampf·tech·niken in Ver·bin·dung, die wiederum von den ''yamabushi'' betrieben wurden.<br />
<br />
===Sarutahiko===<br />
{{floatright|w=310|rw=300|rh=345|left=-5|top=-5<br />
|style=margin-right:-5em<br />
|sarutahiko_hokkei.jpg <br />
|Sarutahiko<br />
| ref= 1<br />
}}<br />
In den alten Mythen begegnen wir der Gottheit {{glossar:sarutahiko}}, einem wilden Gesel·len, der dem Tross des vom Himmel herab·steigen·den Enkels der Son·nen·gottheit ({{glossar:ninigi}}) einigen Respekt einflößt, sich aber schließ·lich als Führer anbietet und dafür die Göt·tin {{glossar:Amenouzume}} zur Gattin erhält. Er ist laut Be·schrei·bung des ''Nihon shoki'' von hühnen·haf·ter Gestalt und hat eine sieben-Hand-lange Nase. Auf rezen·ten Ab·bil·dun·gen (z.B. Abb. rechts) wird er meist in ''tengu''-Gestalt dar·ge·stellt. Auch in Schrein·festen zu Ehren Sarutahikos wird er durch Tänzer mit ''tengu''-Masken repräsen·tiert. Durch seine mytho·logische Rolle als wege·kun·diger Führer bot sich Sarutahiko über·dies als Iden·tifikations·figur für die zahl·reichen lokalen „Wegegöt·ter“ ({{glossar:dousojin}}) an, die es vor allem in vor·moder·ner Zeit gab. Diese Wege·göt·ter stehen wiederum häufig im Zentrum von [[Alltag/Matsuri/Phalluskulte|Phalluskulten]], was viel·leicht wieder Sarutahikos lange Nase erklärt. Es gibt, mit einem Wort, ein Viel·zahl von mög·lichen Bezie·hun·gen zwischen Bergkul·ten, Wegegöt·tern und Frucht·bar·keits·riten und sogar Kriegskün·sten einer·seits sowie Saru·tahiko und den ''tengu'' anderer·seits. Dass all diese Figuren und Kulte im Laufe der Zeit mit·ein·ander assoziiert wurden, steht außer Zweifel. Es besteht jedoch keine Über·ein·stim·mung darüber, wie sich diese Asso·ziationen his·torisch ent·wickel·ten.<br />
<br />
{{verweise<br />
|FN=0<br />
|themen= <br />
* [[Mythen/Tengu/Tengu_Motive |''tengu'' Motive]]<br />
* [[Mythen/Goetter_der_Erde|Irdische Götter]]<br />
*[[Alltag/Yamabushi| Yamabushi]]<br />
*[[Alltag/Matsuri/Phalluskulte|Phalluskulte]]<br />
| links=<br />
* [http://en.wikipedia.org/wiki/Tengu Tengu] (en.)<br/>Ausführliche Darstellung auf Wikipedia. <br />
* [http://www.onmarkproductions.com/html/tengu.shtml Tengu, the Slayer of Vanity], Mark Schumacher (en.)<br/>Tengu - Seite von ''[http://www.onmarkproductions.com/html/buddhism.shtml A-Z Dictionary of Japanese Buddhist Statuary]''.<br />
* [http://eos.kokugakuin.ac.jp/modules/xwords/entry.php?entryID=193 Izuna Gongen], Itō Satoshi (en.)<br/>Artikel zu Izuna Gongen in der ''[http://eos.kokugakuin.ac.jp/modules/xwords/ Encyclodedia of Shinto]''.<br />
* [http://en.wikipedia.org/wiki/Otoroshi#First_Volume_-_.E9.99.B0 Gazu hyakki yakō] (jap.)<br/>Gespenster-Enzyklopädie von Toriyama Sekien auf Wikipedia. Über ''[http://ja.wikipedia.org/wiki/%E9%B3%A5%E5%B1%B1%E7%9F%B3%E7%87%95 Wikipedia Japan]'' sind die Illustrationen aller vier Bände zu betrachten.<br />
* [http://www.obakemono.com/index.php The Obakemono Project], S.H. Morgan (en.)<br/>Gut recherchierte japanische Gespensterkunde, teilweise im Manga-Stil illustriert.<br />
| update= März 2011<br />
}}<br />
{{ThisWay|Mythen/Oni und Kappa}}</div>
Nicole Janker
https://religion-in-japan.univie.ac.at/r/index.php?title=Mythen/Daemonen/Tengu&diff=59898
Mythen/Daemonen/Tengu
2015-09-25T11:27:17Z
<p>Nicole Janker: /* Tengu und Mönche */</p>
<hr />
<div>{{Styles}}<br />
{{titel | ''tengu''}}<br />
{{fl|A}}uf dieser Seite werden {{glossar:Tengu}} als die vielleicht prominen·testen Vertreter der {{glossar:youkai}} vorgestellt. Der Begriff ''yōkai'' entspricht in etwa dem deutschen „Fabelwesen“, doch werden manch·mal auch real existie·rende Tierarten, denen magische Fähig·keiten zuge·sprochen werden — etwa die [[Mythen/Verwandlungskuenstler|Füchse]] oder die {{glossar:tanuki}} — zu den ''yōkai'' gezählt. Während die tieri·schen ''yōkai'' auf anderen Seiten dieses Kapitels bespro·chen werden, geht es auf dieser Seite um den ''tengu'' als ein Fabel·wesen mit sehr men·schen·ähn·lichen Zügen, das die gesamte Band·breite dieser Geister·kategorie ver·an·schau·licht: Vom gefürch·teten Monster bis zum Ver·ehrungs·gegen·stand von [[Tempel]]n und [[Schreine]]n.<br />
<br />
{{w500|rahmen_h=300| top=-40| w= 520<br />
| tengu_kurama_wada.jpg<br />
| ''Tengu''-Kopf, Kurama-dera<br />
| ref= 1<br />
}}<br />
== Wortbedeutung ==<br />
<br />
''Tengu'' bedeutet wtl. „Himmelshund“, doch mit Hunden haben diese geflügel·ten Wesen wenig zu tun. Die Be·zeich·nung leitet sich vom Chine·si·schen {{g|tiangou}} ab und bezog sich ur·sprüng·lich auf uner·klär·liche Him·mels·er·schei·nun·gen wie z.B. Kometen oder Sonnen·fin·ster·nisse, die einem schwar·zen „Him·melshund“ zu·ge·schrieben wur·den. In dieser Bedeu·tung findet sich der Begriff ''tengu'' auch schon im japa·nischen {{glossar:nihonshoki}} (720). ''Tengu'' mit den heute bekannten Charak·teris·tika treten aller·dings erst Ende der {{glossar:heian}}-Zeit in Er·schei·nung. Wie sich die Transfor·mation des chinesi·schen Him·melshun·des in diese spezi·fisch ja·pa·nische Gestalt vollzog, ist weit·gehend un·klar. Zweifel·los haben auch Mythen- und Sagen·motive, die ur·sprüng·lich nichts mit dem chine·si·schen ''tiangou'' zu tun hatten, zu seiner Ent·stehung bei·getragen.<br />
<br />
==Äußerliche Merkmale==<br />
<br />
{{Sidebox|sidepage=Tengu Motive|titel=bilder|ema_tengu.jpg|left=-10|Tengu Motive}}<br />
Japanische ''tengu'' treten in zwei Haupt·varian·ten auf: Lang·nasen-''tengu'' und Krähen-''tengu''. Beide besit·zen einen men·schlichen Körper und können fliegen bzw. sich augen·blick·lich von einem Ort zum anderen „beamen“. Für ge·wöhn·lich tragen auch beide Arten von ''tengu'' die traditio·nelle Tracht der Berg·as·keten ({{glossar:yamabushi}}), mit denen sie eine ge·mein·same Begabung für magische Künste ver·bin·det. Ähnlich wie die ''yamabushi'' sind ''tengu'' immer eher un·heim·lich, dabei aber nicht not·wen·diger·weise böse oder arglistig.<br />
<br />
===Langnasen ''tengu''===<br />
{{w502|rahmen_h=220<br />
|tengu33.jpg|w1=x220|left1=-60<br />
|sarutahiko_takachiho.jpg|top2=-20<br />
|Geflügelter ''tengu''<br />
|Sarutahiko-Maske<br />
| ref= 1<br />
}}<br />
Langnasen-''tengu'' werden auf Japanisch oft als Groß-''tengu'', Krähen-''tengu'' da·gegen als Klein-''tengu'' be·zeich·net. Lang·nasen-''tengu'' scheinen dem·nach eine höhere Kaste inner·halb der ''tengu''-Gesellschaft zu bilden. Was als erstes an ihnen auf·fällt, ist die phal·lische Form ihrer Nase. Dass diese in der Tat sexu·elle Asso·zia·tionen weckte, lässt sich u.a. an {{g|Shunga}}-Bildern (siehe [[Mythen/Tengu/Tengu Motive|''tengu'' Motive]]) der Edo-Zeit erken·nen, doch wird diese Asso·zia·tion im ja·pa·nischen Kontext nicht als obszön empfun·den. Ähnlich wie im Fall des Glücks·got·tes {{glossar:fukurokuju}} wird der Phallus eher als Symbol der Frucht·bar·keit oder all·gemein des Glücks ver·stan·den. Auf·grund dieser Logik waren [[Alltag/Matsuri/Phalluskulte| Phallus-Kulte]] und phal·lische reli·giöse Sym·bolis·men im vor·moder·nen Japan weit verbreitet.<br />
<br />
{{Sidebox|top=-110|w=150|left=-10<br />
| tengu-ron.jpg<br />
| ''tengu''<br />
| ref= 1}}<br />
Die lange Nase und das rote Gesicht des ''tengu'' legen weiter die Ver·mu·tung nahe, dass sich seine Ge·stalt auf das Bild der Europäer in Japan zurück·füh·ren lässt. Doch gab es den lang·nasigen ''tengu'' bereits vor dem 16. Jh., als es in Japan zur inten·siven Kon·takt·nahme mit europä·ischen Händlern und Mis·sionaren kam. Mög·licher·weise wurden die Langnasen-''tengu'' aber dem Er·schei·nungs·bild der „südlichen Barbaren“ (wie die Europäer in der {{glossar:edo}}-Zeit genannt wurden) angepasst.<br />
<br />
Schließlich könnte die Nase der ''tengu'' auch einfach aus dem Schnabel ent·stan·den sein, mit dem die frühes·ten ''tengu''-Ge·stal·ten aus·gestat·tet sind und der wiede·rum mit ihren Flug·kün·sten in Ver·bin·dung steht.<br />
<br />
===Krähen-''tengu''===<br />
<br />
{{w502|rahmen_h=270<br />
| tengu_sairinji.jpg|w1=285|rahmen_w1=285|top1=-10 <br />
| karasutengu3.jpg|w2=196|rahmen_w2=196 <br />
| caption = Alte und neue Krähen-Tengu<br />
| ref= 1<br />
}}<br />
{{sidebox|w=140|rahmen_h=165|top=-10<br />
|garuda_gigaku.jpg<br />
|Garuda Maske<br />
| ref= 1<br />
}}<br />
In Indien gibt es die Gestalt des Vogel·menschen {{skt:Garuda}}, die mit dem Bud·dhis·mus auch in Japan bekannt wurde. Garudas sind halb gött·liche, halb tierische Wesen mit großen Zauber·kräf·ten, ähnlich den [[Mythen/Imaginaere Tiere | Schlan·gen]] (in Indien als {{skt:Naga}}-Gott·heiten verehrt), mit denen sie eine er·bit·terte Feindschaft ver·bin·det.<br />
<br />
In der ältesten Theater·kunst Japans, dem höfischen {{g|Gigaku}}, werden u.a. Garuda Masken (jap. {{glossar:karura}}) ver·wen·det. Nach·dem diese durch·aus Ähn·lich·keiten mit späteren ''tengu''-Dar·stel·lun·gen haben, ist es denkbar, dass zwischen diesen Fabel·wesen ein Zu·sam·men·hang besteht. Frühe bildliche ''tengu''-Dar·stel·lun·gen (etwa die des diabolischen Zegai-bō, s.u.) zeigen jeden·falls einen Krähen-''tengu''. Erst später setzte sich die Auf·fas·sung durch, dass nur die min·deren ''tengu'' vogel·gestal·tig seien. Gleich·zeitig sollen alle ''tengu'' aus Eiern schlüp·fen.<br />
<br />
==''Tengu'' und Mönche==<br />
{{w500<br />
|tenguzoshi.jpg|rahmen_h=260|w=600|left=-100|top=-10<br />
|Versammlung hochrangiger Mönche, die zu ''tengu'' geworden sind<br />
| ref= 1<br />
}}<br />
{{w500|rahmen_h=250<br />
| zegaibo_emaki.jpg<br />
| Zegaibō, ein chinesischer Krähen-''tengu'' in Mönchsgewand<br />
| ref= 1<br />
}}<br />
''Tengu'' gehören nicht allein ins Reich der Märchen und Sagen, son·dern spielen auch in religiösen Legen·den eine wich·tige Rolle. Die frühes·ten ''tengu''-Legen·den aus dem {{glossar:konjakumonogatarishuu}} han·deln zumeist von bud·dhis·tischen Mönchen, die vom rechten Weg ab·kom·men um schließ·lich zu ''tengu'' zu werden, oder von ''tengu'', die ver·suchen Mönche vom rich·tigen Weg ab·zu·brin·gen. In anderen Quel·len, etwa dem ''Tengu zōshi'' (1296), er·scheint die Exis·tenz eines ''tengu'' als kar·mische Kon·sequenz über·mäßiger klerikaler Arroganz. ''Tengu'' reflek·tieren somit ein ambivalen·tes Bild des bud·dhis·tischen Klerus und bilden beson·ders in der Blüte·zeit des japanischen Buddhis·mus, im Mit·telal·ter, eine Projek·tions·fläche für die Kritik am buddhis·tischen Mönchs·stand. Es gibt aber auch Legen·den von Adeligen und Kaisern, die auf·grund ihres Hoch·muts als ''tengu'' enden. Vor allem das Kriegerepos {{glossar:taiheiki}} weiß zahlreiche Episoden zu berichten, laut denen insbesondere der ambitionierte, aber letztlich erfolglose Tennō {{g|Godaigo}} und viele Krieger und Mönche um ihn zu ''tengu'' wurden und in dieser Form nach ihrem Tod für Unruhe im Land sorgten. <br />
<br />
{{w500|rahmen_h= 240<br />
|sojobo.jpg<br />
|Yoshitsunes Schaukampf vor ''tengu''-Meister Sōjōbō<br />
| ref= 1}}<br />
Im Lauf der Zeit festigte sich die Assozia·tiation der ''tengu'' mit den be·reits erwähn·ten {{glossar:yamabushi}}. In vielen Legen·den ist die Trenn·linie zwischen diesen stets ein wenig un·heim·lichen Bergas·keten und den ''tengu'' kaum zu ziehen. Seit der Edo-Zeit werden die ''tengu'' üb·licher·weise auch in der Tracht der ''yamabushi'', er·kenn·bar an der charak·teris·tischen Kopf·be·deckung, dar·ge·stellt. Durch die Assoziation mit den ''yamabushi'' rückte offen·bar die Iden·tifikation von ''tengu'' und hoch·ran·gigen Klerikern in den Hin·ter·grund. Dagegen können ''yamabushi''-artige ''tengu'' auch positive Züge an·neh·men, vor allem dann, wenn sie analog zu den Bergas·keten als tüch·tige Käm·pfer und Meister der Kriegs·künste auf·treten. So soll etwa einer der be·rühm·tes·ten japanischen Helden, {{g|Minamotonoyoshitsune}}, in seiner Jugend die Kunst des Schwertkam·pfes von einem ''tengu'' namens Sōjōbō er·lernt haben. Der Namen bedeutet wörtlich nichts anderes als „Abt-Mönch“ und es mag sein, dass eine Art ''yamabushi'' den his·torischen Kern dieser Legende bildet.<br />
<br />
==''Tengu''-artige Gottheiten==<br />
<br />
Immer wieder stößt man in Tempeln und Schreinen auf ''tengu''-Abbildungen. Im all·ge·meinen han·delt es sich bei der·artigen religiösen Gebäuden um Kult·stät·ten des {{glossar:shugendou}}, des spezifischen Kults der ''yamabushi''. Die ''yamabushi'' wurden also nicht nur mit ''tengu'' assoziiert, sie ver·ehrten ihrer·seits auch Gottheiten in ''tengu''-Gestalt.<br />
<br />
===Izuna Gongen===<br />
{{sidebox|akiba_gongen_lee_institute2.jpg|w=140|rahmen_h=245| Akiba Gongen<br />
| ref= 1}}<br />
<br />
Der {{glossar:takaosan}}, ein Berg am östlichen Stadtrand Tōkyōs, ist eines dieser tradi·tionel·len Zentren des Shugendō. Es gibt hier sowohl einen Tempel als auch einen Schrein, in dem die Gottheit {{glossar:izunagongen}} verehrt wird.<br />
<br />
<div class="bildtext bildbox ">[[Image:izuna2.gif|link=|izuna gongen]] [[Image:izuna3.gif|link=]]<div> Izuna Gongen, ''tengu'' Gottheit des Shugendō Heilig·tums Takao-san.<br /> Bildquelle: Informationsbroschüre des Takao-san </div></div><br />
<br />
Izuna Gongen erscheint auf den Talismanen ({{glossar:ofuda}}) von Takao in Gestalt eines ''karasu tengu'', der auf einem weißen [[Mythen/Verwandlungskuenstler| Fuchs]] reitet. Schwert, Schild und Flam·men·nim·bus erin·nern an {{glossar:fudoumyouou}}, der ja tat·säch·lich auch im Shugendō eine zen·trale Rolle spielt. Zu·dem deutet das fuchs·artige Reit·tier (das in der japanischen Folklore übrigens auch unter dem Namen Izuna auf·taucht) auf eine Ver·bin·dung mit [[Bauten/Bekannte_Schreine/Fushimi| Inari/Dakini]] hin. Ver·schiedene esoterische Gott·heiten wurden also mit der Ges·talt des ''tengu'' zu einer neuen Gottheit ver·schmol·zen. Ganz ähnliche kombi·nierte Gott·heiten finden sich im Shugendō auch unter anderen Namen, etwa unter der Be·zeich·nung Akiba Gongen (s. Abb. rechts). Viele dieser Shugen·dō-Götter standen im übrigen mit Schulen der Kriegs·künste und magischen Kampf·tech·niken in Ver·bin·dung, die wiederum von den ''yamabushi'' betrieben wurden.<br />
<br />
===Sarutahiko===<br />
{{floatright|w=310|rw=300|rh=345|left=-5|top=-5<br />
|style=margin-right:-5em<br />
|sarutahiko_hokkei.jpg <br />
|Sarutahiko<br />
| ref= 1<br />
}}<br />
In den alten Mythen begegnen wir der Gottheit {{glossar:sarutahiko}}, einem wilden Gesel·len, der dem Tross des vom Himmel herab·steigen·den Enkels der Son·nen·gottheit ({{glossar:ninigi}}) einigen Respekt einflößt, sich aber schließ·lich als Führer anbietet und dafür die Göt·tin {{glossar:Amenouzume}} zur Gattin erhält. Er ist laut Be·schrei·bung des ''Nihon shoki'' von hühnen·haf·ter Gestalt und hat eine sieben-Hand-lange Nase. Auf rezen·ten Ab·bil·dun·gen (z.B. Abb. rechts) wird er meist in ''tengu''-Gestalt dar·ge·stellt. Auch in Schrein·festen zu Ehren Sarutahikos wird er durch Tänzer mit ''tengu''-Masken repräsen·tiert. Durch seine mytho·logische Rolle als wege·kun·diger Führer bot sich Sarutahiko über·dies als Iden·tifikations·figur für die zahl·reichen lokalen „Wegegöt·ter“ ({{glossar:dousojin}}) an, die es vor allem in vor·moder·ner Zeit gab. Diese Wege·göt·ter stehen wiederum häufig im Zentrum von [[Alltag/Matsuri/Phalluskulte|Phalluskulten]], was viel·leicht wieder Sarutahikos lange Nase erklärt. Es gibt, mit einem Wort, ein Viel·zahl von mög·lichen Bezie·hun·gen zwischen Bergkul·ten, Wegegöt·tern und Frucht·bar·keits·riten und sogar Kriegskün·sten einer·seits sowie Saru·tahiko und den ''tengu'' anderer·seits. Dass all diese Figuren und Kulte im Laufe der Zeit mit·ein·ander assoziiert wurden, steht außer Zweifel. Es besteht jedoch keine Über·ein·stim·mung darüber, wie sich diese Asso·ziationen his·torisch ent·wickel·ten.<br />
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{{verweise<br />
|FN=0<br />
|themen= <br />
* [[Mythen/Tengu/Tengu_Motive |''tengu'' Motive]]<br />
* [[Mythen/Goetter_der_Erde|Irdische Götter]]<br />
*[[Alltag/Yamabushi| Yamabushi]]<br />
*[[Alltag/Matsuri/Phalluskulte|Phalluskulte]]<br />
| links=<br />
* [http://en.wikipedia.org/wiki/Tengu Tengu] (en.)<br/>Ausführliche Darstellung auf Wikipedia. <br />
* [http://www.onmarkproductions.com/html/tengu.shtml Tengu, the Slayer of Vanity], Mark Schumacher (en.)<br/>Tengu - Seite von ''[http://www.onmarkproductions.com/html/buddhism.shtml A-Z Dictionary of Japanese Buddhist Statuary]''.<br />
* [http://eos.kokugakuin.ac.jp/modules/xwords/entry.php?entryID=193 Izuna Gongen], Itō Satoshi (en.)<br/>Artikel zu Izuna Gongen in der ''[http://eos.kokugakuin.ac.jp/modules/xwords/ Encyclodedia of Shinto]''.<br />
* [http://en.wikipedia.org/wiki/Otoroshi#First_Volume_-_.E9.99.B0 Gazu hyakki yakō] (jap.)<br/>Gespenster-Enzyklopädie von Toriyama Sekien auf Wikipedia. Über ''[http://ja.wikipedia.org/wiki/%E9%B3%A5%E5%B1%B1%E7%9F%B3%E7%87%95 Wikipedia Japan]'' sind die Illustrationen aller vier Bände zu betrachten.<br />
* [http://www.obakemono.com/index.php The Obakemono Project], S.H. Morgan (en.)<br/>Gut recherchierte japanische Gespensterkunde, teilweise im Manga-Stil illustriert.<br />
| update= März 2011<br />
}}<br />
{{ThisWay|Mythen/Oni und Kappa}}</div>
Nicole Janker
https://religion-in-japan.univie.ac.at/r/index.php?title=Mythen/Daemonen/Tengu&diff=59897
Mythen/Daemonen/Tengu
2015-09-25T11:25:03Z
<p>Nicole Janker: /* Äußerliche Merkmale */</p>
<hr />
<div>{{Styles}}<br />
{{titel | ''tengu''}}<br />
{{fl|A}}uf dieser Seite werden {{glossar:Tengu}} als die vielleicht prominen·testen Vertreter der {{glossar:youkai}} vorgestellt. Der Begriff ''yōkai'' entspricht in etwa dem deutschen „Fabelwesen“, doch werden manch·mal auch real existie·rende Tierarten, denen magische Fähig·keiten zuge·sprochen werden — etwa die [[Mythen/Verwandlungskuenstler|Füchse]] oder die {{glossar:tanuki}} — zu den ''yōkai'' gezählt. Während die tieri·schen ''yōkai'' auf anderen Seiten dieses Kapitels bespro·chen werden, geht es auf dieser Seite um den ''tengu'' als ein Fabel·wesen mit sehr men·schen·ähn·lichen Zügen, das die gesamte Band·breite dieser Geister·kategorie ver·an·schau·licht: Vom gefürch·teten Monster bis zum Ver·ehrungs·gegen·stand von [[Tempel]]n und [[Schreine]]n.<br />
<br />
{{w500|rahmen_h=300| top=-40| w= 520<br />
| tengu_kurama_wada.jpg<br />
| ''Tengu''-Kopf, Kurama-dera<br />
| ref= 1<br />
}}<br />
== Wortbedeutung ==<br />
<br />
''Tengu'' bedeutet wtl. „Himmelshund“, doch mit Hunden haben diese geflügel·ten Wesen wenig zu tun. Die Be·zeich·nung leitet sich vom Chine·si·schen {{g|tiangou}} ab und bezog sich ur·sprüng·lich auf uner·klär·liche Him·mels·er·schei·nun·gen wie z.B. Kometen oder Sonnen·fin·ster·nisse, die einem schwar·zen „Him·melshund“ zu·ge·schrieben wur·den. In dieser Bedeu·tung findet sich der Begriff ''tengu'' auch schon im japa·nischen {{glossar:nihonshoki}} (720). ''Tengu'' mit den heute bekannten Charak·teris·tika treten aller·dings erst Ende der {{glossar:heian}}-Zeit in Er·schei·nung. Wie sich die Transfor·mation des chinesi·schen Him·melshun·des in diese spezi·fisch ja·pa·nische Gestalt vollzog, ist weit·gehend un·klar. Zweifel·los haben auch Mythen- und Sagen·motive, die ur·sprüng·lich nichts mit dem chine·si·schen ''tiangou'' zu tun hatten, zu seiner Ent·stehung bei·getragen.<br />
<br />
==Äußerliche Merkmale==<br />
<br />
{{Sidebox|sidepage=Tengu Motive|titel=bilder|ema_tengu.jpg|left=-10|Tengu Motive}}<br />
Japanische ''tengu'' treten in zwei Haupt·varian·ten auf: Lang·nasen-''tengu'' und Krähen-''tengu''. Beide besit·zen einen men·schlichen Körper und können fliegen bzw. sich augen·blick·lich von einem Ort zum anderen „beamen“. Für ge·wöhn·lich tragen auch beide Arten von ''tengu'' die traditio·nelle Tracht der Berg·as·keten ({{glossar:yamabushi}}), mit denen sie eine ge·mein·same Begabung für magische Künste ver·bin·det. Ähnlich wie die ''yamabushi'' sind ''tengu'' immer eher un·heim·lich, dabei aber nicht not·wen·diger·weise böse oder arglistig.<br />
<br />
===Langnasen ''tengu''===<br />
{{w502|rahmen_h=220<br />
|tengu33.jpg|w1=x220|left1=-60<br />
|sarutahiko_takachiho.jpg|top2=-20<br />
|Geflügelter ''tengu''<br />
|Sarutahiko-Maske<br />
| ref= 1<br />
}}<br />
Langnasen-''tengu'' werden auf Japanisch oft als Groß-''tengu'', Krähen-''tengu'' da·gegen als Klein-''tengu'' be·zeich·net. Lang·nasen-''tengu'' scheinen dem·nach eine höhere Kaste inner·halb der ''tengu''-Gesellschaft zu bilden. Was als erstes an ihnen auf·fällt, ist die phal·lische Form ihrer Nase. Dass diese in der Tat sexu·elle Asso·zia·tionen weckte, lässt sich u.a. an {{g|Shunga}}-Bildern (siehe [[Mythen/Tengu/Tengu Motive|''tengu'' Motive]]) der Edo-Zeit erken·nen, doch wird diese Asso·zia·tion im ja·pa·nischen Kontext nicht als obszön empfun·den. Ähnlich wie im Fall des Glücks·got·tes {{glossar:fukurokuju}} wird der Phallus eher als Symbol der Frucht·bar·keit oder all·gemein des Glücks ver·stan·den. Auf·grund dieser Logik waren [[Alltag/Matsuri/Phalluskulte| Phallus-Kulte]] und phal·lische reli·giöse Sym·bolis·men im vor·moder·nen Japan weit verbreitet.<br />
<br />
{{Sidebox|top=-110|w=150|left=-10<br />
| tengu-ron.jpg<br />
| ''tengu''<br />
| ref= 1}}<br />
Die lange Nase und das rote Gesicht des ''tengu'' legen weiter die Ver·mu·tung nahe, dass sich seine Ge·stalt auf das Bild der Europäer in Japan zurück·füh·ren lässt. Doch gab es den lang·nasigen ''tengu'' bereits vor dem 16. Jh., als es in Japan zur inten·siven Kon·takt·nahme mit europä·ischen Händlern und Mis·sionaren kam. Mög·licher·weise wurden die Langnasen-''tengu'' aber dem Er·schei·nungs·bild der „südlichen Barbaren“ (wie die Europäer in der {{glossar:edo}}-Zeit genannt wurden) angepasst.<br />
<br />
Schließlich könnte die Nase der ''tengu'' auch einfach aus dem Schnabel ent·stan·den sein, mit dem die frühes·ten ''tengu''-Ge·stal·ten aus·gestat·tet sind und der wiede·rum mit ihren Flug·kün·sten in Ver·bin·dung steht.<br />
<br />
===Krähen-''tengu''===<br />
<br />
{{w502|rahmen_h=270<br />
| tengu_sairinji.jpg|w1=285|rahmen_w1=285|top1=-10 <br />
| karasutengu3.jpg|w2=196|rahmen_w2=196 <br />
| caption = Alte und neue Krähen-Tengu<br />
| ref= 1<br />
}}<br />
{{sidebox|w=140|rahmen_h=165|top=-10<br />
|garuda_gigaku.jpg<br />
|Garuda Maske<br />
| ref= 1<br />
}}<br />
In Indien gibt es die Gestalt des Vogel·menschen {{skt:Garuda}}, die mit dem Bud·dhis·mus auch in Japan bekannt wurde. Garudas sind halb gött·liche, halb tierische Wesen mit großen Zauber·kräf·ten, ähnlich den [[Mythen/Imaginaere Tiere | Schlan·gen]] (in Indien als {{skt:Naga}}-Gott·heiten verehrt), mit denen sie eine er·bit·terte Feindschaft ver·bin·det.<br />
<br />
In der ältesten Theater·kunst Japans, dem höfischen {{g|Gigaku}}, werden u.a. Garuda Masken (jap. {{glossar:karura}}) ver·wen·det. Nach·dem diese durch·aus Ähn·lich·keiten mit späteren ''tengu''-Dar·stel·lun·gen haben, ist es denkbar, dass zwischen diesen Fabel·wesen ein Zu·sam·men·hang besteht. Frühe bildliche ''tengu''-Dar·stel·lun·gen (etwa die des diabolischen Zegai-bō, s.u.) zeigen jeden·falls einen Krähen-''tengu''. Erst später setzte sich die Auf·fas·sung durch, dass nur die min·deren ''tengu'' vogel·gestal·tig seien. Gleich·zeitig sollen alle ''tengu'' aus Eiern schlüp·fen.<br />
<br />
==''Tengu'' und Mönche==<br />
{{w500<br />
|tenguzoshi.jpg|rahmen_h=260|w=600|left=-100|top=-10<br />
|Versammlung hochrangiger Mönche, die zu ''tengu'' geworden sind<br />
| ref= 1<br />
}}<br />
{{w500|rahmen_h=250<br />
| zegaibo_emaki.jpg<br />
| Zegaibō, ein chinesischer Krähen-''tengu'' in Mönchsgewand<br />
| ref= 1<br />
}}<br />
''Tengu'' gehören nicht allein ins Reich der Märchen und Sagen, son·dern spielen auch in religiösen Legen·den eine wich·tige Rolle. Die frühes·ten ''tengu''-Legen·den aus dem {{glossar:konjakumonogatarishuu}} han·deln zumeist von bud·dhis·tischen Mönchen, die vom rechten Weg ab·kom·men um schließ·lich zu ''tengu'' zu werden, oder von ''tengu'', die ver·suchen Mönche vom rich·tigen Weg ab·zu·brin·gen. In anderen Quel·len, etwa dem ''Tengu zōshi'' (1296), er·scheint die Exis·tenz eines ''tengu'' als kar·mische Kon·sequenz über·mäßiger klerikaler Arroganz. ''tengu'' reflek·tieren somit ein ambivalen·tes Bild des bud·dhis·tischen Klerus und bilden beson·ders in der Blüte·zeit des japanischen Buddhis·mus, im Mit·telal·ter, eine Projek·tions·fläche für die Kritik am buddhis·tischen Mönchs·stand. Es gibt aber auch Legen·den von Adeligen und Kaisern, die auf·grund ihres Hoch·muts als ''tengu'' enden. Vor allem das Kriegerepos {{glossar:taiheiki}} weiß zahlreiche Episoden zu berichten, laut denen insbesondere der ambitionierte, aber letztlich erfolglose Tennō {{g|Godaigo}} und viele Krieger und Mönche um ihn zu ''tengu'' wurden und in dieser Form nach ihrem Tod für Unruhe im Land sorgten. <br />
<br />
{{w500|rahmen_h= 240<br />
|sojobo.jpg<br />
|Yoshitsunes Schaukampf vor ''tengu''-Meister Sōjōbō<br />
| ref= 1}}<br />
Im Lauf der Zeit festigte sich die Assozia·tiation der ''tengu'' mit den be·reits erwähn·ten {{glossar:yamabushi}}. In vielen Legen·den ist die Trenn·linie zwischen diesen stets ein wenig un·heim·lichen Bergas·keten und den Tengu kaum zu ziehen. Seit der Edo-Zeit werden die ''tengu'' üb·licher·weise auch in der Tracht der ''yamabushi'', er·kenn·bar an der charak·teris·tischen Kopf·be·deckung, dar·ge·stellt. Durch die Assoziation mit den ''yamabushi'' rückte offen·bar die Iden·tifikation von ''tengu'' und hoch·ran·gigen Klerikern in den Hin·ter·grund. Dagegen können ''yamabushi''-artige ''tengu'' auch positive Züge an·neh·men, vor allem dann, wenn sie analog zu den Bergas·keten als tüch·tige Käm·pfer und Meister der Kriegs·künste auf·treten. So soll etwa einer der be·rühm·tes·ten japanischen Helden, {{g|Minamotonoyoshitsune}}, in seiner Jugend die Kunst des Schwertkam·pfes von einem ''tengu'' namens Sōjōbō er·lernt haben. Der Namen bedeutet wörtlich nichts anderes als „Abt-Mönch“ und es mag sein, dass eine Art ''yamabushi'' den his·torischen Kern dieser Legende bildet.<br />
<br />
==''Tengu''-artige Gottheiten==<br />
<br />
Immer wieder stößt man in Tempeln und Schreinen auf ''tengu''-Abbildungen. Im all·ge·meinen han·delt es sich bei der·artigen religiösen Gebäuden um Kult·stät·ten des {{glossar:shugendou}}, des spezifischen Kults der ''yamabushi''. Die ''yamabushi'' wurden also nicht nur mit ''tengu'' assoziiert, sie ver·ehrten ihrer·seits auch Gottheiten in ''tengu''-Gestalt.<br />
<br />
===Izuna Gongen===<br />
{{sidebox|akiba_gongen_lee_institute2.jpg|w=140|rahmen_h=245| Akiba Gongen<br />
| ref= 1}}<br />
<br />
Der {{glossar:takaosan}}, ein Berg am östlichen Stadtrand Tōkyōs, ist eines dieser tradi·tionel·len Zentren des Shugendō. Es gibt hier sowohl einen Tempel als auch einen Schrein, in dem die Gottheit {{glossar:izunagongen}} verehrt wird.<br />
<br />
<div class="bildtext bildbox ">[[Image:izuna2.gif|link=|izuna gongen]] [[Image:izuna3.gif|link=]]<div> Izuna Gongen, ''tengu'' Gottheit des Shugendō Heilig·tums Takao-san.<br /> Bildquelle: Informationsbroschüre des Takao-san </div></div><br />
<br />
Izuna Gongen erscheint auf den Talismanen ({{glossar:ofuda}}) von Takao in Gestalt eines ''karasu tengu'', der auf einem weißen [[Mythen/Verwandlungskuenstler| Fuchs]] reitet. Schwert, Schild und Flam·men·nim·bus erin·nern an {{glossar:fudoumyouou}}, der ja tat·säch·lich auch im Shugendō eine zen·trale Rolle spielt. Zu·dem deutet das fuchs·artige Reit·tier (das in der japanischen Folklore übrigens auch unter dem Namen Izuna auf·taucht) auf eine Ver·bin·dung mit [[Bauten/Bekannte_Schreine/Fushimi| Inari/Dakini]] hin. Ver·schiedene esoterische Gott·heiten wurden also mit der Ges·talt des ''tengu'' zu einer neuen Gottheit ver·schmol·zen. Ganz ähnliche kombi·nierte Gott·heiten finden sich im Shugendō auch unter anderen Namen, etwa unter der Be·zeich·nung Akiba Gongen (s. Abb. rechts). Viele dieser Shugen·dō-Götter standen im übrigen mit Schulen der Kriegs·künste und magischen Kampf·tech·niken in Ver·bin·dung, die wiederum von den ''yamabushi'' betrieben wurden.<br />
<br />
===Sarutahiko===<br />
{{floatright|w=310|rw=300|rh=345|left=-5|top=-5<br />
|style=margin-right:-5em<br />
|sarutahiko_hokkei.jpg <br />
|Sarutahiko<br />
| ref= 1<br />
}}<br />
In den alten Mythen begegnen wir der Gottheit {{glossar:sarutahiko}}, einem wilden Gesel·len, der dem Tross des vom Himmel herab·steigen·den Enkels der Son·nen·gottheit ({{glossar:ninigi}}) einigen Respekt einflößt, sich aber schließ·lich als Führer anbietet und dafür die Göt·tin {{glossar:Amenouzume}} zur Gattin erhält. Er ist laut Be·schrei·bung des ''Nihon shoki'' von hühnen·haf·ter Gestalt und hat eine sieben-Hand-lange Nase. Auf rezen·ten Ab·bil·dun·gen (z.B. Abb. rechts) wird er meist in ''tengu''-Gestalt dar·ge·stellt. Auch in Schrein·festen zu Ehren Sarutahikos wird er durch Tänzer mit ''tengu''-Masken repräsen·tiert. Durch seine mytho·logische Rolle als wege·kun·diger Führer bot sich Sarutahiko über·dies als Iden·tifikations·figur für die zahl·reichen lokalen „Wegegöt·ter“ ({{glossar:dousojin}}) an, die es vor allem in vor·moder·ner Zeit gab. Diese Wege·göt·ter stehen wiederum häufig im Zentrum von [[Alltag/Matsuri/Phalluskulte|Phalluskulten]], was viel·leicht wieder Sarutahikos lange Nase erklärt. Es gibt, mit einem Wort, ein Viel·zahl von mög·lichen Bezie·hun·gen zwischen Bergkul·ten, Wegegöt·tern und Frucht·bar·keits·riten und sogar Kriegskün·sten einer·seits sowie Saru·tahiko und den ''tengu'' anderer·seits. Dass all diese Figuren und Kulte im Laufe der Zeit mit·ein·ander assoziiert wurden, steht außer Zweifel. Es besteht jedoch keine Über·ein·stim·mung darüber, wie sich diese Asso·ziationen his·torisch ent·wickel·ten.<br />
<br />
{{verweise<br />
|FN=0<br />
|themen= <br />
* [[Mythen/Tengu/Tengu_Motive |''tengu'' Motive]]<br />
* [[Mythen/Goetter_der_Erde|Irdische Götter]]<br />
*[[Alltag/Yamabushi| Yamabushi]]<br />
*[[Alltag/Matsuri/Phalluskulte|Phalluskulte]]<br />
| links=<br />
* [http://en.wikipedia.org/wiki/Tengu Tengu] (en.)<br/>Ausführliche Darstellung auf Wikipedia. <br />
* [http://www.onmarkproductions.com/html/tengu.shtml Tengu, the Slayer of Vanity], Mark Schumacher (en.)<br/>Tengu - Seite von ''[http://www.onmarkproductions.com/html/buddhism.shtml A-Z Dictionary of Japanese Buddhist Statuary]''.<br />
* [http://eos.kokugakuin.ac.jp/modules/xwords/entry.php?entryID=193 Izuna Gongen], Itō Satoshi (en.)<br/>Artikel zu Izuna Gongen in der ''[http://eos.kokugakuin.ac.jp/modules/xwords/ Encyclodedia of Shinto]''.<br />
* [http://en.wikipedia.org/wiki/Otoroshi#First_Volume_-_.E9.99.B0 Gazu hyakki yakō] (jap.)<br/>Gespenster-Enzyklopädie von Toriyama Sekien auf Wikipedia. Über ''[http://ja.wikipedia.org/wiki/%E9%B3%A5%E5%B1%B1%E7%9F%B3%E7%87%95 Wikipedia Japan]'' sind die Illustrationen aller vier Bände zu betrachten.<br />
* [http://www.obakemono.com/index.php The Obakemono Project], S.H. Morgan (en.)<br/>Gut recherchierte japanische Gespensterkunde, teilweise im Manga-Stil illustriert.<br />
| update= März 2011<br />
}}<br />
{{ThisWay|Mythen/Oni und Kappa}}</div>
Nicole Janker
https://religion-in-japan.univie.ac.at/r/index.php?title=Essays/Horrorklassiker&diff=59896
Essays/Horrorklassiker
2015-09-25T11:22:19Z
<p>Nicole Janker: </p>
<hr />
<div>{{Styles}}{{#css:<br />
td {<br />
vertical-align:top; <br />
} <br />
table.f_left {<br />
width:220px;<br />
float:left;<br />
margin-left:-7px;<br />
padding-right:3em;<br />
} <br />
h3, h4 {<br />
clear:left;<br />
}<br />
div#content h4 {<br />
margin:0; <br />
color: #829082;<br />
font-size: 1.1em;<br />
} <br />
}}<br />
{{titel | Horror-Klassiker aus der Edo-Zeit}}<br />
<br />
{{fl|I}}n der {{Glossar:Edo}}-Zeit gab es ein Gesell·schafts·spiel namens „Hundert Geschichten“ ({{g|Hyakumonogatari}}), bei dem man sich gegen·seitig Grusel·ge·schich·ten erzählte. Grusel·geschich·ten ({{Glossar:Kaidan}}) dienen in Japan vor allem in heißen Sommer·nächten der „Abkühlung“, weil sie den Zuhörern wohlige Schauer über den Rücken jagen. Der Grusel·effekt bei den Hundert Geschichten wurde dadurch gesteigert, dass nach jeder Geschichte eine Lampe gelöscht wurde, bis die ganze Gesell·schaft im Dunkeln saß. Man munkelte, dass dann tat·sächlich ein Geist erschei·nen würde.<br />
<br />
{{w500| rahmen_h= 270| top= -50<br />
| kyosai_hyakki_gadan.jpg<br />
| Beginn einer Runde Geistergeschichten (''hyaku monogatari'')<br />
| ref= 1<br />
}}<br />
„Hundert Geschich·ten“ ist auch der Titel einer Serie von „Ge·spens·ter·portaits“, in denen der be·rühmte ''ukiyo-e''-Künstler {{glossar:Katsushikahokusai}} (1760–1849) die be·kann·testen Grusel·motive seiner Zeit festhielt. Da die Serie nur aus fünf Bildern besteht, ist der Titel wohl eine Anspie·lung auf das gleich·namige Gesell·schafts·spiel und diente eben·falls zur Erzeu·gung von Gänse·haut in heißen Sommer·nächten. Wie der Vergleich mit anderen „Bildern der fließenden Welt“ ({{glossar:ukiyoe}}) zeigt, waren die dar·ge·stell·ten Geister zur da·ma·ligen Zeit weithin bekannt, sodass Hokusai eine An·deu·tung genügte, um dem Be·trach·ter ihre Ge·schichte in Erin·nerung zu rufen. <br />
<br />
Diese Geschichten wiederum stammen zumeist aus dem {{g|Kabuki}}-Theater. Fast immer geht es dabei um Liebe, Eifer·sucht und Mord, die letzt·lich dazu führen, dass eine Person nach dem Tod nicht zur Ruhe kommt und sich in einen Rache·geist ver·wandelt. Inso·ferne werden in den Ge·schich·ten und Bildern auch religiöse Vor·stel·lun·gen trans·por·tiert, auf die im fol·gen·den näher ein·ge·gan·gen werden soll.<br />
<br />
{{H2+3| Hokusais Gespensterserie }}<br />
=== Okiku, das Tellergespenst ===<br />
<br />
{{floatleft| rw= 260| rh= 350| w= 270| left= -5<br />
| hokusai_okiku.jpg<br />
| Tellergespenst Okiku <br/>aus Hokusais „Hundert Geschichten“ <br />
| ref= 1<br />
}}<br />
{{Sidebox|w=210|top=-1<br />
|hiroshige_okiku.jpg<br />
|Okiku von Hiroshige<br />
| ref= 1<br />
}}<br />
Okiku ist eine Magd, die ihrem Herrn die Liebe verweigert und darauf·hin von ihm in einen Brunnen ge·stürzt wird. Der Vor·wand für seine Tat: Sie habe einen Teller ent·wendet, den er in Wirk·lich·keit selbst ver·steckte. Daher ihre Er·scheinung als Teller zählendes bzw. teller·förmiges Gespenst. Sie zählt dabei immer nur bis neun und bricht dann ab, um neuerlich bei eins zu beginnen. Dem Spuk wird durch einen Exorzisten ein Ende bereitet, der im richtigen Moment „zehn“ ruft. <br />
<br />
Die tragische Geschichte der Okiku existierte wahr·schein·lich schon vor Beginn der Edo-Zeit. 1741 wurde sie unter dem Titel ''Banchō sarayashiki'' (Das Tellerhaus in Banchō) für die Bühne adaptiert. Zahlreiche Varianten verlegten die Geschichte u.a. in die Burg Himeji und inter·pre·tierten das Liebes·ver·hältnis zwischen Magd und Herren auf unter·schied·liche Weise. Immer blieben jedoch der Brunnen und die Teller zentrale Bestand·teile der Geschichte. In scherz·hafter Weise wird das Motiv auch auf einem Bild von {{g|Utagawahiroshige}} dargestellt (Abb. re.).<br />
<br />
=== Oiwa, der Lampiongeist ===<br />
<br />
{{floatleft| w= 260| rh= 350 <br />
| hokusai_oiwa.jpg<br />
| Lampiongeist Oiwa <br/>aus Hokusais „Hundert Geschichten“<br />
| ref= 1<br />
}}<br />
{{Sidebox |w=165|left=-15|top=-60<br />
|oiwa_kuniyoshi.jpg<br />
|Oiwa von Kuniyoshi (1836)<br />
| ref= 1<br />
}}<br />
Oiwa wird von Iemon, ihrem grau·sa·men Ehe·mann, be·trogen und ver·giftet, sodass sie eines qual·vollen Todes stirbt. Sie er·scheint je·doch als Geist wieder und zwar mit ihrem durch Gift ent·stell·ten Gesicht. Dieses zeigt sich dem Iemon nicht nur in einem zer·schlis·se·nen Fried·hofs·lam·pion, wie bei Hokusai, son·dern auch an·stelle seiner neuen Ehe·frau. Als Iemon den Geist ver·nich·ten will, tötet er stattdessen seine frisch·ver·mähl·te Braut, um der·ent·wil·len er den Mord an Oiwa voll·führt hat.<br />
<br />
Auch {{g|Utagawakuniyoshi}} bringt in seiner Darstellung der Oiwa (Abb. re.) den Lampion ins Spiel. An Stelle von Hokusais sub·ti·lem Spiel von Ein·bil·dung (Gesicht) und Reali·tät (zer·schlis·sener Lam·pion) geht es Kuni·yoshi mehr um die schau·rigen Grusel·ef·fekte der Erzäh·lung. Ins·beson·dere betont er das vom Gift ent·stellte Gesicht der Oiwa. <br />
<br />
Oiwa ist heute einer der bekann·testen Rache·geister des Kabuki-Theaters. Die Ge·schich·te wurde erst·mals 1825 in einem Stück namens ''Yotsuya kaidan'' auf die Bühne ge·bracht und ist seither in immer neuen Ver·sio·nen dra·ma·tisiert bzw. für das Kino adap·tiert worden.<br />
<br />
=== Kohada Koheiji, der nächtliche Rächer ===<br />
<br />
{{floatleft| rw= 260| rh= 350| w= 271| left= -5| top= -10<br />
| hokusai_koheiji.jpg<br />
|Totengeist des Kohada Koheiji<br/>aus Hokusais „Hundert Geschichten“<br />
| ref= 1<br />
}}<br />
{{wrapper | position= right|<br />
{{Sidebox| w= 145| top= -20<br />
| Koheiji_kuniyoshi.jpg<br />
| Koheiji von Kunitoshi<br />
| ref= 1<br />
}}<br />
{{sidebox| w= 160| left= -20<br />
| Koheiji_toyokuni.jpg<br />
| Koheiji von Toyokuni<br />
| ref= 1<br />
}} }}<br />
Schwache Frauen, die sich gegen Unter·drückung und Aus·beu·tung nur weh·ren kön·nen, in·dem sie sich nach ihrem Tod in Rache·geister ver·wan·deln, stehen ein·deu·tig im Zen·trum ja·pani·scher Ge·spens·ter·ge·schich·ten. Es gibt je·doch auch ein paar männ·liche Ver·tre·ter die·ses Typs. Einer da·von ist Kohada Koheiji, der als tra·gi·scher Held in einer Ge·schich·te des Autors und Malers {{g|Santoukyouden}} erst·mals im Jahr 1803 auf·tauch·te und bald auch auf der Kabuki Bühne zu sehen war: Koheiji wird von seiner Frau und seinem Neben·buhler er·mor·det, rückt ihnen aber des Nachts als Rache·geist zu Leibe und treibt sie in den Wahn·sinn. Auf Hoku·sais Bild grinst er gerade über den Rand des Mos·kito·netzes.<br />
<br />
==== Asa·kura Tōgo ====<br />
<br />
{{Floatright| w= 140| rh= 200<br />
| Asakura_togo_kuniyoshi.jpg<br />
| Asakura Tōgo<br />
| ref= 1<br />
}}<br />
Der von Kuniyoshi portraitierte Toten·geist des Asa·kura Tōgo (Abb. re.) ist ein weiteres Beispiel eines bekannten männ·lichen Rachegeists. Tōgo war einst ein Dorf·vor·steher, der sich der aus·beu·teri·schen Be·steue·rung seines Lan·des·her·ren wider·setzte, dafür brutal hin·ge·rich·tet wurde, in der Folge aber als Rache·geist wiederkehrte und den Lan·des·her·ren mit seiner Fami·lie in Wahn·sinn und Tod trieb.<br />
Die Geschichte beruht auf einer historischen Begebenheit, wobei der Dorfvorsteher in Wirklichkeit Kiura Sōgorō hieß und 1653 hingerichtet worden sein soll.<ref> <br />
Abgesehen von der Darstellung als Rache·geist, erfreut sich auch eine zu Herzen gehende Szene, in der Tōgo/Sōgorō Abschied von seiner Familie nimmt, um in den sicheren Tod zu ziehen, großer Beliebtheit im ''ukiyo-e''-Genre. Die verschie·denen Namen der Figur waren wohl ein Mittel, der Zensur zu entgehen, da der Fall ein hohes aufrührerisches Potential besaß.<br />
</ref><br />
<br />
=== Hannya, die lachende Menschenfresserin ===<br />
<br />
{{floatleft| rw= 260| rh= 350| w= 270| left= -5| top=-5<br />
| hokusai_hannya.jpg<br />
| Lachende ''hannya'' <br/>aus Hokusais „Hundert Geschichten“<br />
| ref= 1<br />
}}<br />
{{sidebox| w=140| rh=180 <br />
| hannya.jpg<br />
| Hannya Maske des Nō<br />
| ref= 1<br />
}}<br />
{{glossar:Hannya|''Hannya''}} sind gehörnte [[Mythen/Oni und Kappa|Dämo·innen]], die eine wich·tige Rolle in den Ge·spens·ter·stücken des Nō Thea·ters spielen. Der Name Hannya soll auf den Schöpfer der ent·spre·chen·den Maske im Nō zurück·gehen. Ironi·scher·weise entlieh dieser Meister seinen Namen einem durchaus positiven Begriff: ''hannya'' leitet sich von Sanskrit ''prajna'' her und bedeutet soviel wie „Weisheit“.<ref>Vgl. {{glossar:Hannyashingyou}}, das [[Texte/Sutra/Hannya_shingyo|Herz Sutra]].</ref><br />
<br />
Hokusais Motiv der lachen·den ''Hannya'', die offen·bar drauf und dran ist, einen Säug·ling zu ver·spei·sen, soll sich von einer Le·gen·de aus Naga·saki her·lei·ten. Der Ver·zehr von Men·schen ist je·doch ganz all·ge·mein eine Vor·liebe der japa·ni·schen {{glossar:Oni}} (Dämo·nen), zu denen auch die ''Han·nya''-Figu·ren zu rech·nen sind. <br />
<br />
==== Die Dämonin des Rajō-mon ====<br />
<br />
{{floatright|w=140|rh=205<br />
|rashomon_kuniyoshi.jpg<br />
|Hannya von Kuniyoshi<br />
| ref= 1<br />
}}<br />
Am häufigsten findet man die ''Hannya''-Figur in den Illustra·tionen eines klas·si·schen Ge·spens·tes aus der {{Glossar:Heian}}-Zeit: der Dämo·nin Ibaraki aus dem Rajō-mon. Das Rajō-mon (auch Rashō-mon) war eines der Stadt·tore Kyōtos. Die Dämo·nin fand aus·ge·rechnet in den geräu·migen Ober·ge·schoßen dieses Gebäu·des ihren Unter·schlupf und machte von hier aus die Stadt un·sicher. Der un·er·schroc·kene Krieger Wata·nabe Tsuna stellt sich ihr im Kampf, doch es gelingt ihm ledig·lich, ihr mit dem Schwert einen Arm ab·zu·hacken (den sie schluss·end·lich wieder in ihren Besitz bringt). Die Attacke der Dämo·nin und Tsunas geis·tes·gegen·wärtiger Schwert·hieb sind ein be·liebtes ''ukiyo-e''-Motiv. Meist ver·lieh man dabei der Dämonin das Gesicht einer ''Hannya''-Maske (s. Kuniyoshis Abb. re.).<br />
<br />
=== Die Schlange, Sinnbild obsessiver Liebe ===<br />
<br />
{{floatleft| w= 261| rh= 350| top= -7<br />
| schlange_hokusai.jpg<br />
| „Obsession“ (''shūnen'') <br/>aus Hokusais „Hundert Geschichten“<br />
| ref= 1<br />
}}<br />
{{Sidebox| w= 145| rh= 200<br />
| Jatai.jpg<br />
| Schlangen-Gürtel<br />
| ref= 1<br />
}}<br />
Das letzte Bild in Hokusais Serie wirkt auf den ersten Blick fried·lich, ist aber voller un·heim·licher An·spie·lungen. Zu·nächst illus·triert das Bild eine offen·bar gän·gige Rede·wen·dung, näm·lich „Wer mit {{g|Obi}} schläft, träumt von Schlangen“. (Siehe ne·ben·ste·hende Il·lustra·tion des Ge·spens·ter·for·schers {{glossar:toriyamasekien|Tori·yama Sekien}}.) Auch in Hokusais Bild <br />
ver·schmilzt das Muster der Schlan·gen·haut mit den Kleiderstoffen, durch die sie hin·durch·kriecht. Ähliche Effekte, in denen das Gewand einer Frau in ein Schlangenmuster übergeht, sind auf fast allen Dar·stel·lungen von Schlan·gen·geistern aus der Edo-Zeit zu finden.<br />
<br />
Hokusais Bild trägt den Titel „Obses·sion“ ({{g|shuunen}}), denn [[Mythen/Imaginaere Tiere | Schlangen]] gelten nach einem ver·brei·teten Glauben als Sinn·bild der Eifer·sucht oder der ob·ses·siven Umkehr von Liebe in Hass. Seit dem Alter·tum herr·schte in Japan die Auf·fas·sung, dass ins·be·son·dere eifer·süch·tige Frauen, die aus ent·täusch·ter Liebe ster·ben, als Schlan·gen wie·der·ge·boren werden würden. <br />
<br />
Auf Hokusais Bild ist zwar kein Mann zu sehen, wohl aber das To·ten·tä·fel·chen ({{glossar:ihai}}) eines Mannes. Auch die Schale mit Duft·wasser und buddhistischem {{s|svastika}} gehört zu den Toten·riten am bud·dhis·tischen Haus·altar ({{glossar:butsudan}}).<!--<br />
--><ref> <br />
Auch das Blatt in der Duft·wasser·schale ist Teil der rituellen Opfergabe. Es handelt sich um ein Blatt des japanischen Sternanis (''shikimi''), einer giftigen Pflanze, die allerdings schon seit {{g|kuukai}} als Opfergabe für Verstorbene dient. <br />
</ref><br />
Es ist also jemand gestor·ben. Viel·leicht waren auch die Ge·wänder, durch die sie sich windet, in einer früheren Existenz ihre eigenen. In diesem Fall mag es gut sein, dass die Schlange der eifer·süch·tige Rache·geist einer an gebro·che·nem Herzen ver·stor·benen Ehefrau ist, die ihren un·treuen Mann nun ihrer·seits in den Tod getrie·ben hat.<br />
<br />
==== Kiyo-hime ====<br />
<br />
{{W502<br />
| Dojojiengi.jpg | w1= x300 | left1= -80<br />
| Kuniyoshi kiyohime1.jpg |top2=-40<br />
| Kiyohime und Tempelglocke (um 1400)<br />
| Kiyohime von Kuniyoshi (1845)<br />
| ref= 1<br />
}}<br />
Hokusais Schlangenbild erinnerte Zeitgenossen sicher auch an die Legende der {{Glossar:Kiyohime}}, die u.a. auch von Kuni·yoshi illus·triert wurde. Kiyo-hime hat ein Ver·hältnis mit einem jungen Pilger·mönch. Als dieser sich seiner reli·giösen Gelübde be·sinnt und sie ver·las·sen will, ver·folgt sie ihn und ver·wan·delt sich dabei, ge·trieben von ihrer Eifer·sucht, in eine Schlange. Schluss·end·lich ver·steckt sich der Mönch unter einer Tempel·glocke, doch die Schlange windet sich um die Glocke und ent·wickelt eine der·artige Hitze, dass der Mönch darin zu Tode kommt. <br />
<br />
Die Legende stammt aus dem japani·schen Altertum und findet sich unter anderem in den „Ge·schich·ten aus alter und neuer Zeit“ ({{glossar:Konjakumonogatarishuu}}), wurde aber auch im Nō und im Kabuki-Theater auf·gegriffen.<br />
<br />
{{H2+3| Meiji-Epigonen }}<br />
<br />
=== Tsukioka Yoshitoshi ===<br />
<br />
{{w502| top1=-45| top2=-40<br />
| okiku_yoshitoshi.jpg<br />
| botandoro.jpg<br />
| Okiku<br />
| Pfingstrosen-Laterne<br />
| ref= 1<br />
}}<br />
{{glossar:Tsukiokayoshitoshi}} (1839–1892) wird oft als der letzte ''ukiyo-e''-Meister apostrophiert. Gegen Ende seines Lebens schuf er eine Serie von Geister·bildern, die heute zu seinen be·kann·testen Werken zählen. Während sich viele ''ukiyo-e'' Yoshi·toshis durch beson·ders dras·tisch zur Schau ge·stellte „sex-and-crime“ Szenen aus·zeichnen, rückt er in dieser Serie Figuren in dem Mittelpunkt, die ruhig und gefasst wirken und meist gar nicht un·mittel·bar als Geister zu erken·nen sind. Kennt man aber den Hinter·grund ihrer Ge·schich·ten, prägen sich Yoshi·toshis Geister um so nach·haltiger ein.<br />
<br />
{{w502| top2= -40<br />
| otani_yoshitsugu.jpg<br />
| rashomon_yoshitoshi.jpg<br />
| Totengeist<br />
| Hannya<br />
| ref= 1<br />
}}<br />
{{sidebox| w= 140| rh= 200<br />
| kiyohime_yoshitoshi.jpg <br />
| Kiyo-hime <br />
| ref= 1<br />
}}<br />
Auch Yoshitoshi illustriert Motive, die schon bei Hokusai und seinen Zeit·genos·sen zu finden sind. Alle vor·der·gründig-ge·spens·tischen Ele·mente fehlen hier aller·dings: Okiku, das Teller·ge·spenst (Abb. 17), steigt ohne Teller aus ihrem Brunnen und erregt Mitleid, nicht Furcht. Die Frau mit der Päo·nien·la·terne (18) wird mit den Augen ihres Lieb·habers be·trach·tet, der nicht er·kennt, dass sie ein Geist ist. Die Ver·wand·lung der Schlan·gen·frau Kiyo-hime (21) deutet sich ledig·lich durch die merk·würdige Sil·houette der Figur und durch das Muster des Kimonos an. Das Ver·hält·nis zwi·schen Toten·geist und Krieger (19) scheint auf einer lang er·prob·ten Routine zu beruhen. Einzig die Dämonin des Rashō-mon (20) bringt Bewe·gung in Spiel. Sie hat eben ihren ab·ge·hack·ten Arm wieder erbeu·tet. Aber auch in ihrem Ge·sicht deuten sich die Züge der ''Hannya''-Maske nur schwach an. <br />
<br />
In diesem neuen Realis·mus, der eine gewisse Roman·tisie·rung der weiblichen Rache·geister ermög·licht, nimmt Yoshitoshi Ent·wick·lungen des „Neuen Kabuki-Theaters“ der Meiji-Zeit vorweg. Unter dem Einfluss west·licher Theater·stoffe ver·suchte man auch hier, die alten Geschich·ten psycho·logisch einfühl·sam und mit einer roman·tischen Note versehen neu zu erzählen.<br />
<br />
=== Kawanabe Kyōsai ===<br />
{{w503b| rh= 400<br />
| obake_kyosai_muian.jpg<br />
| kyosai_yurei3.jpg |top2= -30<br />
| yurei_kyosai1.jpg |top3= -30<br />
| caption= Kyōsais rächende Totengeister <br />
| ref= 1<br />
}}<br />
{{g|Kawanabekyousai}} (1831–1889), von dem auch das Bild am Seiten·anfang stammt, fertigte meh·rere Por·traits von un·heim·lichen Toten·geistern ({{Glossar:Yuurei}}) an, ohne konkret an·zu·geben, auf welche Geschich·ten sich seine Dar·stel·lungen bezogen. Die Motive lassen sich zwar auf Vorlagen aus der Edo-Zeit zurück führen, doch scheint es Kyosai nicht um die Geschichten zu gehen, aus denen sie entstammen. In beinahe psycho·ana·lyti·scher Weise betont er stattdessen die ob·ses·siven psychi·schen Kräfte, die sich in den Toten·geistern ver·körpern.<br />
<br />
==Von Kaidan zu J-Horror==<br />
<br />
{{w500<br />
| onibaba.jpg<br />
| ''Onibaba''<br />
| ref= 1<br />
}}<br />
Die Edo-Zeit gilt allgemein als eine Blütezeit des Horror·genres, sowohl auf liter·ari·schem als auch auf bild·neri·schem Gebiet. Beson·ders im neun·zehnten Jahr·hundert scheint die Be·geiste·rung für das Über·sinn·liche einen Höhe·punkt erfahren zu haben. Wie die Ab·bil·dungen in diesem Abschnitt zeigen, haben viele der heute noch be·kannten Gespenster·geschich·ten ({{Glossar:Kaidan}}) ihre Wurzeln in dieser Zeit. <br />
<br />
Geister·ge·schich·ten und -dar·stel·lungen erfreuten sich in der aus·gehen·den Edo-Zeit unter anderem deshalb großer Be·liebt·heit, weil eine zu·neh·mend strengere Zensur fast alle anderen gegen·warts·bezo·genen Themen unter·sagte. Allein die Welt des Über·sinn·lichen — ob sie nun für real gehalten wurde oder nicht — galt als poli·tisch un·ver·dächtig und wurde daher zu·nehmend als Projek·tions·fläche für die Dar·stel·lung aller mög·lichen ge·sell·schaft·lichen Miss·stände heran·gezogen. In der {{Glossar:Meiji}}-Zeit verlor die Welt der Geister und Fabel·wesen ihre politische Brisanz und erhielt stattdessen einen nostal·gischen Touch. Kawa·nabe Kyōsai oder Tsukioka Yoshi·toshi griffen u.a. auch das Horror-Genre der Edo-Zeit auf und adaptierten es für die neue Zeit. Zugleich führten sie zu einer letzten Blüte. <br />
<br />
Obwohl die ''ukiyo-e'' nicht mehr ihr bevorzugtes visuelles Medium sind, leben die Motive, die wir ausgehend von Hokusais fünf Gespensterportraits auf dieser Seite untersucht haben, nach wie vor im kollektiven Gedächtnis Japans weiter. Heute werden sie vor allem in japa·ni·schen Hor·ror·filmen und Mangas visualisiert. Besonders in den Figuren der rach·süchtigen Frauen·geister lassen sich die Spuren der Edo-Zeit noch heute erkennen.<ref> <br />
Den Hinweis auf die vielen Über·ein·stim·mungen zwischen Edo-zeit·lichen Grusel·ge·schich·ten und dem modernen J-Horror verdanke ich einer Semi·nar·ar·beit von Sarah-Allegra Schön·berger, Studen·tin der Japa·no·logie an der Uni·ver·sität Wien (Som·mer·semes·ter 2009). Die Litera·tur·an·gaben dieser Seite ent·stam·men eben·falls ihrer Arbeit.<br />
</ref> <br />
<br />
{{w502|rh=210<br />
| kaidan.jpg <br />
| sadako_ringu.jpg |w2= 320| left2= -40<br />
| ''Kaidan'' <br />
| ''Ring''<br />
| ref= 1<br />
}}<br />
{{w502|rh=210<br />
| kuchisake.jpg <br />
| kayako_juon.jpg <br />
| ''Kuchisake'' <br />
| ''Juon''<br />
| ref= 1<br />
}}<br />
{{Verweise<br />
|literatur=<br />
{{Literatur:Balmain_2008}}<br />
{{Literatur:Reider_2000}}<br />
{{Literatur:Reider_2001}}<br />
|links=<br />
* [http://www.muian.com/index.htm Muian]<br/>Dieser ausgezeichneten japanischen Website entstammen viele Bildbeispiele.<br />
* [http://ja.wikipedia.org/wiki/%E6%96%B0%E5%BD%A2%E4%B8%89%E5%8D%81%E5%85%AD%E6%80%AA%E6%92%B0 ''Shinkei sanjūrokkaisen''] (Wikipedia, ja.). Sämtliche Exemplare aus Yoshitoshis Serie „36 Geister“. <br />
|update= Aug. 2010<br />
}}<br />
{{ThisWay}}</div>
Nicole Janker
https://religion-in-japan.univie.ac.at/r/index.php?title=Mythen/Geister&diff=59895
Mythen/Geister
2015-09-25T11:10:22Z
<p>Nicole Janker: </p>
<hr />
<div>{{Styles}}<br />
{{titel | Gespenster und Totengeister}}<br />
{{Wrapper|<br />
__TOC__<br />
{{sidebox<br />
| sidepage=Kaidan|w=140|rahmen_h=190<br />
| hokusai_oiwa.jpg<br />
| Horrorklassiker der Edo-Zeit<br />
}}<br />
}}<br />
{{fl|A}}n der Schnitt·stelle von volks·tümlicher Religion und Erzähl·kunst begeg·nen wir in Japan einer gestal·ten·rei·chen Welt von Fabel·wesen und Gespens·tern. Da ihre Handlungen zumeist unbe·rechen·bar sind, gelten sie grund·sätzlich als unheimlich, obwohl manche bei genauer Betrachtung auch in freund·licher Absicht mit den Menschen kommu·nizieren können. Im Unterschied zu den etab·lier·ten Ver·ehrungs·wesen der japani·schen Religion ({{glossar:kami}}-Gott·heiten oder bud·dhis·tische Manifes·tatio·nen) werden diese Geister für gewöhn·lich nicht als über·geord·nete Auto·ritäten ima·giniert, sondern befin·den sich gegen·über der mensch·lichen Ge·sell·schaft sozu·sagen „auf Augen·höhe“. Geister besitzen zwar Fähig·keiten, die Men·schen nicht haben, treten aber nicht als Herr·scher über die Men·schen, son·dern eher als Kon·kur·ren·ten auf: Sie begeh·ren men·schliche Güter und hegen oft Neid, Hass oder Groll gegen die Menschen, füh·len sich aber auch von mensch·licher Schön·heit kör·per·lich ange·zogen und sind in manchen Fällen sogar bereit, be·stim·mten Men·schen zu dienen. <br />
<br />
Aller·dings sind die Gren·zen zur Welt der Götter fließend. Beson·ders mäch·tige Fabel·wesen und Gespens·ter können gott·ähn·liche Ver·ehrung genießen oder, wie die unten erwähnten {{glossar:goryou}}, zu Göttern aufsteigen; andere, etwa die mit magischen Fähig·keiten begabten [[Füchse]], können auch als Boten zwischen Göttern und Men·schen fun·gieren. <br />
<br />
Beson·ders in der {{glossar:edo}}-Zeit (1600–1867) erfuhren Geschich·ten aus dieser Geister·welt ({{glossar:kaidan}}), etwa die „Geschich·ten unter dem Regen·mond“ ({{g|ugetsumonogatari}}) von {{glossar:Uedaakinari}}, einen regel·rechten Boom. Aber auch zahl·reiche {{glossar:ukiyoe}}-Holz·schnitte von über·natürl·ichen Wesen legen Zeugnis von der Faszi·nation dieser Welt des Überna·türlichen ab ([[{{FULLPAGENAME}}/Kaidan|mehr dazu...]]). In dieser Zeit ent·wickelten Gelehrte wie {{glossar:toriyamasekien}}, die auch als Künstler tätig waren, eine Ge·spens·ter·typo·logie, die noch heute bekannt ist und in modernen Filmen oder Manga immer wieder auf·ge·grif·fen wird. Dabei lassen sich im Wesent·lichen zwei Arten von über·natür·lichen Wesen unter·scheiden: <br />
<br />
:# die Fabel·wesen ({{glossar:youkai}}), die perma·nente Gemein·schaften am Rande der mensch·lichen Gesell·schaft bilden. Zu ihnen zählen z.B. die {{g|Tengu}}, die {{g|Oni}} und andere geister·hafte Wesen, aber auch Tiere mit magischer Begabung wie [[Mythen/Verwandlungskuenstler |Füchse]], [[Mythen/Imaginaere Tiere| Schlangen]] und andere. <br />
:# die Seelen der Verstorbenen ({{glossar:yuurei}}), die noch nicht vollständig ins Jenseits (bzw. in eine neue Wieder·geburts·form) hinüber·ge·wechselt sind. (Natürlich gibt es auch einige Grenz·fälle zwischen den beiden Gruppen.) <br />
<br />
Während auf den folgenden Seiten von ''yōkai'' die Rede ist, befasst sich diese Seite mit dem Glauben an die Toten·geister.<br />
<br />
==Totengeister (''yūrei'')==<br />
{{floatright<br />
|yurei.jpg|w=200|rahmen_w=180|left=-18|rahmen_h=280<br />
|Totengeist<br />
|ref=1<br />
}}<br />
In der Edo-Zeit etablierte sich die heute noch geläufige Form der Toten·geister (''yūrei''), welche bemer·kens·werte Ähn·lich·kei·ten mit euro·päi·schen Ge·spens·tern auf·weisen: Mit weißem Toten·gewand ({{glossar:shinishouzoku}}, zu dem auch eine drei·eckige Stirn·kappe — {{g|hitaikakushi}} — ge·hört) und lan·gen auf·ge·lösten Haa·ren schwe·ben die ''yūrei'' nebel·haft über dem Boden. Ihre Arme sind meist zur Brust hoch·ge·zo·gen, wäh·rend die Hände häufig schlapp herun··ter·hängen. <br />
<br />
Die Vorstellungen, die dieser Ge·spen·ster·ikono·graphie zu·grun·de liegen, reichen weit in die ja·pani·sche Ge·schich·te zu·rück. Schon in der {{glossar:Heian}}-Zeit war man der Auf·fas·sung, dass jeder Mensch nach seinem Tod zum Ge·spenst wer·den kann, wenn er nicht or·dent·lich be·stat·tet wird, oder anders aus·ge·drückt, wenn ihm der [[Mythen/Jenseits| Weg ins Jenseits]] ver·sperrt ist, weil sich nie·mand seines Leich·nams annimmt. Dieser Weg ist in jedem Fall eine be·schwer·liche Reise, die rituell be·gleitet werden muss. Und immer, wenn bei diesen Riten etwas schief geht, kann es sein, dass der Geist des Ver·stor·benen seine Hinter·blie·benen in Träumen oder in realen Erschei·nungen heim·sucht. Solche Toten·geister sind a priori un·heim·lich, doch werden sie erst dann wirklich gefährlich, wenn es sich um Rache·geister ({{glossar:onryou}}) handelt. Zu solchen Rache·geistern werden jene Ver·stor·benen, die im Leben beson·deres Unrecht erlitten haben und/oder unter großen Qualen gestorben sind. Hier helfen selbst ord·nungs·gemäß durch·ge·führte Be·gräb·nisse nicht immer, ihren Groll zu be·sänftigen. <br />
<br />
=== Der Kult um „erhabene Geister“ ===<br />
{{Textbox<br />
|text=<br />
===Vokabel===<br />
*{{glossar:bakemono}} oder {{glossar:obake}}: wtl. „verwandelte Wesen“; geläufigste Ausdrücke für Gespenster und andere übernatürliche Erscheinungen. <br />
*{{glossar:youkai}}: Fabelwesen, auch magisch begabte Tiere. <br />
*{{glossar:yuurei}}: wtl. „dunkle Geister“; Totengeister.<br />
*{{glossar:onryou}}: Rachegeister.<br />
*{{glossar:goryou}}: Hochgestellte Rachegeister.<br />
*{{glossar:goryoushinkou}}: Glaube an, bzw. Kult für ''goryō''.<br />
*{{glossar:sorei}}: Ahnengeist, Ahnenseele.<br />
*{{glossar:reikon}} oder {{glossar:tamashii}}: Seele, Totenseele. Neutraler Ausdruck.<br />
*{{glossar:oni}}: Dämon, Teufel. <br />
}}<br />
Die etablierten religiösen Institu·tionen haben den Glauben an rächen·de Toten·geis·ter nicht etwa als Aber·glaube ab·ge·tan, son·dern ihn im Gegen·teil immer schon ge·för·dert. Dem Reli·gions·histo·riker Bernard Faure zufolge hat sich der Bud·dhis·mus unter ande·rem des·halb in Ost·asien eta·blieren kön·nen, weil er die vorbud·dhis·tische Vor·stellung der grol·lenden Toten·geister absor·bierte und beson·ders erfolg·ver·spre·chende Rituale für die Re·inte·gration dieser Seelen ent·wickelte (Faure, ''The red thread'', ch. 1).<br />
<br />
Bereits im frühen Buddhis·mus finden wir Zere·monien, die bei·spiels·wei·se nach krie·ge·ri·schen Schlach·ten durch·ge·führt wurden, um die Geister der Ge·fal·le·nen (vor allem die der Gegner!) von Rache·akten abzu·halten. Auch im [[Geschichte/Kami_Kulte| höfischen Shintō]] gibt es seit dem Alter·tum eine Zere·mo·nie zur Be·sänf·tigung der Geister ({{glossar:chinkonsai}}), die aller·dings nicht ex·plizit an To·ten·geis·ter gerich·tet ist. Wenn sich Un·glücks·fälle trotz solcher Zere·mo·nien häuften, so suchte und fand man die Ursache in den Rache·geis·tern von be·son·ders ein·fluss·rei·chen Per·sonen, die in diesem Fall als „erha·bene Geister“ ({{glossar:goryou}}) bezei·chnet wurden. Erha·bene Geister unter·schei·den sich laut Kuroda Toshio (1996) insofern von ge·wöhn·lichen Rache·geistern ({{glossar:onryou}}), als es möglich ist, sie zu besänftigen, indem man sie in den Status einer Gottheit ({{glossar:kami}}) versetzt und ihnen einen eige·nen Schrein errichtet. Genau dieses Phänomen ist vor allem in der {{glossar:Heian}}-Zeit häufig zu beobachten. <br />
<br />
{{w500|rahmen_w=500|w=850|left=-200<br />
|kitanotenjin_engi_metny.jpg<br />
|Sugawara no Michizanes Geist in Gestalt eines zürnenden [[Ikonographie/Waechtergoetter/Wind_und_Donner|Donnergottes]]<br />
|ref=1<br />
}}<br />
Das berühm·teste Beispiel eines solchen Schreins stellt der {{glossar:kitanotenmanguu}} in Kyōto dar. Er wurde im Jahr 959 zu Ehren des Hof·ade·ligen {{glossar:sugawaranomichizane}} (845–903) errichtet. Michizane, ein über·ragen·der Staats·mann und Gelehr·ter, war einer Hofin·trige wegen in die Ver·bannung ge·schickt worden und verstarb, bevor das Fehl·urteil rück·gängig gemacht werden konnte. In den folgen·den Jahr·zehn·ten kam es zu aller·lei Natur·katas·tro·phen und un·ge·wöhn·lichen Todes·fällen bei Hof und in der Fami·lie des Tennō, welche die Hof·astro·logen schließ·lich Michi·zanes Wirken zuschrie·ben. Auf mittel·alter·lichen Quer·bild·rollen, die diese Gescheh·nisse anschau·lich darstellen, erkennt man, dass Michi·zanes Rache·geist als gehörnter Donnergott ({{g|raijin}}), der Blitze in den kaiser·lichen Palast schleudert, ima·giniert wurde. Um diesen gefähr·lichen ''goryō'' zu besänf·tigen, wurde er zum ''kami'' erklärt und in einem Schrein „verortet“. Zusätz·lich erhielt er alle Ehrun·gen inklu·sive der höchs·ten Hof·ränge, die ihm zu Leb·zeiten versagt blieben.<br />
<br />
Heute ist Michizane vor allem unter dem Beinamen {{glossar:Tenjin}} bekannt. Er gilt als Gott der Gelehr·sam·keit und der Dich·tung und verfügt neben seinen zwei Haupt·schrei·nen in Kyōto und Kyūshū über ein aus·ge·dehn·tes Netz von Tenjin-Zweig·schrei·nen in ganz Japan. (Mehr dazu auf der Sidepage [[tenjin| Gott·heit und Schreine des Tenjin-Glaubens]].)<br />
Abgesehen von Michizane wurden auch zahlreiche Tennō, denen übel mit·gespielt worden war, als ''goryō'' ange·sehen. Für sie gibt es in Kyōto seit dem Alter·tum einen Goryō Schrein, in dem sie kollek·tiv ver·ehrt werden.<br />
<br />
{{w500<br />
|tomomori.jpg<br />
| Geist des Taira no Tomomori<br />
|ref= 1<br />
}} <br />
Mit·glieder des Schwert·adels (Samurai) wurden seltener Gegen·stand eines ''goryō''-Kultes, kommen aber vor allem in Erzählungen und Bildern immer wieder als Rachegeister vor. Ein häufig illustriertes Beispiel ist Taira no Tomomori (1152–1185), dessen Attacke auf den Helden Minamoto no Yoshitsune (1159–1189) im {{g|Heikemonogatari}} geschildert wird.<br />
Auch ein weitläufiger Vorfahre des Tomomori, {{glossar:Tairanomasakado}} (?–940), wurde als rächender Geist imaginiert und sogar religiös verehrt. Masakado war ein Krieger·ade·liger der Heian-Zeit, der versuchte, das politische Ruder zugunsten seiner Zunft zu wenden und zu diesem Zweck eine Rebellion anzettelte, die jedoch scheiterte. Er blieb jedoch in den Augen späterer Samurai ein Vor·bild und wurde auch als Schrein·gott·heit verehrt, z.B. im heutigen Kanda Schrein in Tōkyō. Die Ent·stehung dieses Kultes trägt ähn·liche Züge wie der Goryō-Kult, mischte sich doch Furcht vor dem rächen·den Geist mit Be·wun·de·rung für kriege·rische Helden·taten.<ref ><br />
Masakados Schicksal und Nachleben werden im Heldenepos ''Shōmonki'' (Bericht über Masakado, 11. Jh.?) beschrieben. Hier wird ange·deutet, dass der ''goryō'' des Sugawara no Michizane (s.o.) gemeinsame Sache mit Masakado machte. (Kuroda 1996, S. 329–330) <br />
</ref><br />
<br />
==Totengeister in Literatur und Kunst==<br />
{{Wrapper|position=right|<br />
}}<br />
Neben monster·artigen Fabelwesen ({{glossar:youkai}}) und Dämonen ({{glossar:oni}}) tauchen Toten·geister schon in der bud·dhisti·schen Erzähl·literatur der Heian Zeit auf (v.a. im {{glossar:konjakumonogatari}}). Im Mittel·alter stießen Geister·geschich·ten vor allem im {{g|Nou}}-Theater auf großes Inter·esse. Zwei von fünf Haupt·genres des Nō sind ruhe·losen Geistern gewidmet, nämlich die Krieger- und die Wahn·sinns·stücke. Erstere behan·deln meist tragische Helden aus den klas·sischen Krieger·epen wie {{glossar:heikemonogatari}} oder {{glossar:Taiheiki}}, die auf der Nō-Bühne als Geister wieder·kehren. Letztere widmen sich vor allem Frauen, die aufgrund eines schweren Schick·sals·schlages oder aus ent·täusch·ter Liebe auch nach dem Tod nicht zur Ruhe kommen. Nachdem die Geister die Schlüs·sel·szenen ihres Lebens in Tanz und Gesang vorge·tragen haben, enden die Stücke zumeist mit ihrer erfolg·reichen Befrie·dung durch einen bud·dhis·tischen Mönch.<br />
{{w502<br />
| hannya edo.jpg<br />
| oyuki_okyo.jpg<br />
| Hannya Maske<br />
| ''Yūrei''<br />
| ref=1<br />
}}<br />
<br />
Auch im Edo-zeitlichen {{g|Bunraku}}- und {{g|Kabuki}}-Theater treten zahlreiche Toten·geister auf, allerdings geht es hier wesent·lich action·reicher zu als im Nō. Im Vorder·grund stehen die schauer·lichen Aspek·te der Geschich·ten, welche mit Hilfe von aus·ge·tüftel·ten Bühnen·tricks in Szene gesetzt wurden. ''Yūrei'' und ''yōkai'' wurden aber auch in illus·trier·ten Büchern und Einzel·drucken bildlich darge·stellt (s. dazu die Sidepage „[[Mythen/Geister/Kaidan|Horror Klassiker]]“) und sogar in eigenen Enzyklo·pädien erfasst. Beson·ders gegen Ende der Edo-Zeit, im neun·zehnten Jahr·hun·dert scheinen die grol·lenden Rache·geister ({{glossar:onryou}}) eine enorme Anzie·hungs·kraft auf das Publikum aus·geübt zu haben.<br />
<br />
==Heutige Praktiken==<br />
<br />
Beim japani·schen [[Alltag/Jahr|Bon-Fest]], das jährlich im August abgehalten wird, ist der Glaube an die Rückkehr der Toten nach wie vor präsent. Aller·dings handelt es sich hier um Ahnen·seelen ({{glossar:sorei}}), die bereits fest im Jenseits ver·ankert sind und zur Bon-Zeit wohl·wollend im Dies·seits nach dem Rechten sehen. Vor diesen Geistern braucht man sich also nicht zu fürchten. Dennoch ist zu beachten, dass auch das Bonfest ur·sprüng·lich ein Ritus war, durch den ver·stor·bene Ver·wandte, die als [[Mythen/Hoellen/Hungergeister|Hungergeister]] wieder·geboren wurden, aus diesem Zustand befreit werden sollten. Man sieht also, dass positiv und angstvoll besetzte Vor·stel·lungen von Toten·geistern recht eng bei einander liegen.<br />
<br />
{{floatleft<br />
|itako.jpg<br />
|''Itako'' Shamanin<br />
|ref=1<br />
}}<br />
Der Glaube an real existie·rende und in diese Welt zurück·kehrende Toten·seelen spielt außer·dem in Riten der Geister·beschwö·rung eine Rolle. In manchen länd·lichen Gebieten, insbe·son·dere in Nord-Japan, gibt es nach wie vor religi·öse Spezia·listen, die bei Bedarf eine Kom·muni·kation mit den Seelen der Toten her·stel·len. Es handelt sich um die sog. {{glossar:itako}}, meist blinde Frauen, die davon leben, dass sie in privaten, häus·lichen Ritualen die Seelen der Ver·stor·benen einer Familie durch sich sprechen lassen. Mit Hilfe der ''itako'' kann man Fragen an die Toten stellen und Ant·worten bekom·men. Solche Riten nennt man {{glossar:kuchiyose}}. Es handelt sich dabei wohl·gemerkt um alt·ein·geses·sene Praktiken, nicht um modernen Spiritismus. ([[Alltag/Yamabushi/Itako|Mehr dazu...]])<br />
<br />
{{Verweise<br />
|links=<br />
* [http://www.mangajin.com/mangajin/samplemj/ghosts/ghosts.htm Japanese Ghosts], Tim Screech (en.)<br />Ein informativer und schön illustrierter Aufsatz des ''[http://www.mangajin.com/mangajin/index.htm Mangajin Magazine]''#40.<br />
* [http://www.loc.gov/exhibits/ukiyo-e/images.html The Floating World of Ukiyoe]<br/>Sehr schöne und informative Website, die auch das Thema Geister in den Ukiyo-e Bildern behandelt.<br />
* [http://www.asianart.com/articles/rubin/ Ghosts, Demons and Spirits in Japanese Lore], Norman A. Rubin (en.)<br/>Artikel über Geister, Dämonen und andere Wesen auf ''[http://www.asianart.com/ Asian Art]''.<br />
* [http://www.nichibun.ac.jp/YoukaiDB/index.html Kaii-yōkai denshō Database], Komatsu Kazuhiko (Nichibunken) (jap.)<br/>Datenbank der japanischen Geistersagen und Gespenstermotive. Kurze Erklärungen und ausführliche bibliografische Informationen zu etwa 20.000 Schlagworten. Hervorragendes Tool für wissenschaftliche Forschungen zu dem Thema.<br />
* [http://kikyo.nichibun.ac.jp/emakimono/ Emakimono database], International Research Center for Japanese Studies (Nichibunken) - Kyoto (jap.)<br/>Sehr attraktiv gestaltete Website, auf der mehrere Edo-zeitliche Bildrollen (''emaki'') zu Themen wie Jenseits oder Gespenster vollständig zu betrachten sind. Leider keine genauen bibliographischen Angaben.<br />
|update= Aug 2010<br />
|literatur=<br />
{{Literatur:Addiss_1986}}<br />
{{Literatur:Faure_1998b}}<br />
{{Literatur:Kuroda_1996}}<br />
{{Literatur:Maisondelaculturedujapon_2005}}<br />
}}<br />
{{ThisWay|Mythen/Tengu}}</div>
Nicole Janker
https://religion-in-japan.univie.ac.at/r/index.php?title=Glossar:Urabon&diff=59894
Glossar:Urabon
2015-09-25T10:54:18Z
<p>Nicole Janker: </p>
<hr />
<div>{{Glossar| <br />
kanji=盂蘭盆| <br />
romaji=Urabon| <br />
text=Ursprünglicher Name des →{{gb|Bon}}-Fests| <br />
stichwort ={{{1| }}}| <br />
link=Mythen/Hoellen| <br />
tags= praxis<br />
}}</div>
Nicole Janker
https://religion-in-japan.univie.ac.at/r/index.php?title=Mythen/Jenseits/Hoellen&diff=59893
Mythen/Jenseits/Hoellen
2015-09-25T10:52:56Z
<p>Nicole Janker: </p>
<hr />
<div>{{titel | Höllenbilder}}<br />
<br />
{{fl|D}}ie Bilder auf dieser Seite zeigen Aus·schnitte aus der weitläufigen Topo·graphie der Hölle ({{g|jigoku}}), wie sie sich in der buddhis·tischen Welt ganz ähnlich wie im Christen·tum heraus·gebildet hat. Zumeist entsprechen die darge·stellten Foltern den Sünden, die an den jeweiligen Orten gesühnt werden sollen. <br />
<br />
{{h2+3| Höllenbereiche}}<br />
=== Hölle des Maßnehmens ===<br />
<br />
{{w500|rahmen_h=270<br />
| jigokuzoshi_nara1.jpg<br />
| Die Hölle des Maßnehmens. Abb. aus den ''Jigoku zōshi'', 12. Jh <br />
}}<br />
Die „Hölle des Maßnehmens“ ist Betrügern vorbe·halten, die mit gefälschten Maßen arbeiten. Die oben dar·ge·stellte Szene beruht auf dem {{g|Qishijing}} und wurde wahr·schein·lich im zwölften Jahr·hundert von {{glossar:Goshirakawatennou}} in Auftrag gegeben (s.u.).<br />
<br />
=== Hölle des Eisernen Mörsers ===<br />
<br />
{{w500|rahmen_h=260<br />
| jigokuzoshi_nara2.jpg<br />
| Die „Hölle des Eisernen Mörsers“; Abb. aus den ''Jigoku zōshi'', 12. Jh <br />
}}<br />
Eine weitere Szene aus der zuvor gezeigten Höllen-Bildrolle. Die Folterknechte der Hölle zer·mahlen hier Diebe in einem Mörser. In dieser frühen Dar·stellung sind die Folter·knechte noch viel individueller und ge·stalten·reicher als auf späteren Höllen·bildern. Auch eine alte Frau (vielleicht {{glossar:datsueba}}?) ist darunter.<br />
<br />
=== Zermalmen, Kochen und Braten ===<br />
<br />
{{w500|rahmen_h=270<br />
|kasugagongen_kenki1.jpg<br />
|Abb. aus dem ''Kasuga gongen kenki'' von Takashina Takakane, 1309<br />
}}<br />
Das Zermalmen, Kochen und Braten gehört zu den Standard-Folter·methoden der japanischen Höllen·bilder. Auf diesem Bild aus der {{g|Kamakura}}-Zeit sind auch die Höllen-Dämonen bereits so ähnlich dar·ge·stellt wie die in Japan all·seits bekannten {{glossar:oni}}, die sich auch außerhalb der Hölle herumtreiben.<br />
<br />
{{w500<br />
|ojoyoshu1790.jpg<br />
|Abb. aus einer illustrierten Ausgabe von Genshins ''Ōjōyōshū'', Edo-Zeit, 1790<br />
}}<br />
Die Höllen·motive aus dem Mittelalter wurden auch in der {{glossar:Edo}}-Zeit getreulich reproduziert.<br />
<br />
=== Blutteich ===<br />
<br />
{{w500<br />
|jigokusoshi_chinoike.jpg<br />
|Blutteich, Abb. aus den ''Jigoku zōshi'', späte Heian-Zeit, 12. Jh.<br />
}}<br />
Eine der frühesten Abbildungen des „Blutteichs“ ({{glossar:chinoike}}), eines Teils der Hölle, der speziell den Frauen vor·be·halten ist. In vielen vulkani·schen Gegenden Japans kann es vorkommen, dass röt·liches Wasser aus dem Felsen kommt. Wo das der Fall ist, findet man zu·meist auch einen „Blutteich“ (s. [[Ikonographie/Jizo/Osorezan|Osore-zan]]).<br />
<br />
=== Hölle als unmittelbare Strafe ===<br />
<br />
Ähnlich wie in christlichen Legenden gibt es auch im japanischen Buddhismus das Motiv der unmittelbaren Bestrafung durch die Hölle, vor allem in populären Nacherzählungen älterer Geschichten. Das folgende Beispiel zeigt dies anhand eines klassischen buddhistischen Bösewichts, {{s|devadatta}}.<br />
{{w500 <br />
| Devadatta_hokusai.jpg<br />
| Devadattas Höllenfahrt<br />
| rw= 500 | rh= 720 | w= 540 <br />
| top= -20 | left= -20<br />
| ref= <!-- 1 (Bildtext als Fußnote) --><br />
}}<br />
Devadatta unternahm der Legende nach mehrere Mordanschläge auf den Buddha, da er selbst die Führung innerhalb der buddhistischen Gemeinde übernehmen wollte. Er war also ähnlich wie der Buddha ein Mönch, der dem weltlichen Leben entsagt hatte. Der {{g|ukiyoe}}-Künstler {{g|katsushikahokusai}} konnte es sich allerdings nicht verkneifen, Devadatta als dämonischen Krieger zu portraitieren.<br />
<br />
== Textquellen ==<br />
<br />
Die frühesten Beschrei·bungen der Hölle aus Sicht japanischer Autoren finden sich im {{glossar:nihonryouiki}} aus dem frühen neunten Jahrhundert. Im Unter·schied zu späteren Quellen ist hier die Lage und räumliche Struktur der Hölle noch weit·gehend unbestimmt, auch die Höllen·qualen (Ertrinken, Verbrennen) werden nur kurz angedeutet. <br />
Die konkreten japanischen Höllen·darstellun·gen aus späterer Zeit hängen meist direkt oder indirekt mit einem Werk namens {{glossar:oujouyoushuu}} („Über die Wieder·geburt im Reinen Land“) zu·sammen. Es wurde 985 von {{Glossar:Genshin}}, einem Mönch der {{Glossar:Tendaishuu}} verfasst und gilt als einer der einfluss·reichs·ten Texte über buddhis·tische Jenseits·vor·stel·lungen in Japan. Obwohl im Titel das Reine Land des {{Glossar:Amidanyorai | Amida}} an·ge·sprochen ist, beginnt der Text mit einer Beschrei·bung der [[Mythen/Jenseits | Sechs Bereiche der Wiedergeburt]] und widmet sich aus·führlich den acht Ab·teilungen der buddhis·tischen Hölle, um im Anschluss daran das Reine Land zu schildern. Die an·schließen·den Kapitel behandeln die Techniken, um im Reinen Land wieder·geboren zu werden, im be·sonderen die Anrufung von Amidas Namen ({{Glossar:Nenbutsu}}). Den stärksten Ein·druck — zumindest in der Ikono·graphie — hinter·ließen aber nicht die im ''Ōjōyōshū'' in Aussicht gestell·ten Be·lohnun·gen, sondern die Bestra·fungen in der Hölle.<br />
<br />
Die Höllen·beschreibun·gen des ''Ōjō yōshū'' beruhen ihrerseits auf diversen chinesi·schen Werken, u.a. dem {{glossar:Qishijing}} (jap. ''Kise-kyō''), ein Sutra, das bereits um 600 in China be·kannt war. Manche der obigen Ab·bildungen aus dem zwölften Jahrhundert sind Illustra·tionen zu diesem Werk. Man nimmt an, dass sie von {{Glossar:Goshirakawatennou}} (1127–1192, r. 1155–58) in Auftrag gegeben wurden. Von diesem einfluss·reichen Herrscher aus der Zeit der Kämpfe zwischen Minamoto und Taira ({{glossar:genpeigassen|Genpei Krieg}}) weiß man, dass er eine ganze Reihen von Jenseits-Bildrollen (''rokudō-e'') herstellen ließ, zu denen auch die [[Mythen/Hoellen/Hungergeister | Bilder der Hunger·geister]] ({{glossar:Gakizoushi}}) zählen.<br />
<br />
{{ThisWay}}<br />
{{Styles}}</div>
Nicole Janker
https://religion-in-japan.univie.ac.at/r/index.php?title=Mythen/Jenseits/Totenreich&diff=59892
Mythen/Jenseits/Totenreich
2015-09-25T10:30:51Z
<p>Nicole Janker: /* Topographie des Totenreichs */</p>
<hr />
<div>{{Styles}}<br />
{{titel | Das buddhistische Totenreich<span class{{=}}bottom>und seine Zehn Könige </span>}}<br />
<br />
{{fl|W}}enn ein Mensch stirbt, folgt laut gängigen buddhistischen Vorstellungen eine bestimmte Zeit, in der Lohn und Strafe seiner irdischen Existenz nach den Gesetzen des {{skt:karma}} festgestellt werden. Diese Übergangs·periode, die u.a. als das „mittlere Dunkel“ ({{glossar:chuuin}}) bezeichnet wird, entscheidet über Ort und Form der zukünftigen Wieder·geburt. <br />
Sie bildet also das eigentliche Totenreich und wird in den meisten buddhis·tischen Richtungen mit besonderer ritueller Aufmerk·samkeit bedacht. Im chinesischen Buddhismus entstand zudem die Vorstellung von einer Art Karma-Gerichts·hof. Er wurde von zehn Richter·königen ({{glossar:juuou}}) beherrscht, die das Totenreich regierten und — zu mindestens in den Anfängen dieser Konzeption — ihrerseits entweder von Buddha {{skt:Shakyamuni}} oder von Bodhi·sattva {{glossar:jizou}} angeführt wurden. <br />
<br />
{{w500<br />
|jizo dunhuang.jpg<br />
|Jizō und die Zehn Könige (China, 9. Jh.) <br />
|ref=1<br />
}}<br />
{{w500|rahmen_h=290|w=560|left=-30<br />
|jizo usuki.jpg<br />
|Jizō und die Zehn Könige (Japan, 12. Jh.)<br />
|ref=1<br />
}}<br />
Die Vorstellung von den Zehn Königen wurde vor allem durch einen in vielen Ver·sionen über·lieferten Text ver·breitet, der land·läufig als ''Sutra der Zehn Könige'' (jap. {{glossar:juuoukyou}}) bekannt ist. Die Urform des Textes entstand in der chine·sischen {{g|Tang}}-Zeit, wahr·schein·lich im 8. oder 9. Jahrhundert. Die ältesten Kopien des Textes und der begleitenden Abbildungen finden sich in {{glossar:dunhuang}}, also im Nordwesten Chinas, wo über die Seiden·straße auch der Buddhismus in China Eingang fand.<!--<br />
--><ref><br />
Teiser, ''The Scripture on the Ten Kings'', S. 9. Chinesische Vorläufer lassen sich bis in das Jahr 664 zurück verfolgen (idid., S. 48).<br />
</ref><br />
Die Zehn Könige sind demnach eindeutig in China entstanden. In Japan wurde die Toten·welt schließlich in Werken wie dem {{glossar:oujouyoushuu}} (985) oder dem {{g|Jizoujuuoukyou}} (um 1200?) weiter aus·differen·ziert. <br />
<br />
== Furcht und Terror ==<br />
<br />
{{w504| rh= 180<br />
| Shoko-o_2.jpg| w1= 290| left1= -40<br />
| Datsueba_mak.jpg<br />
| Folterszene_2.jpg| w3= 300| left3= -40<br />
| Folterszene_8.jpg<br />
| caption= Folterszenen am Gericht der Zehn Könige, Edo-Zeit<br />
| ref=1<br />
}} <br />
Die Zehn Könige herrschten je·weils über einen eige·nen Gerichts·hof und wurden be·reits auf den frühes·ten Dar·stel·lungen in chine·sischen Amts·roben dar·ge·stellt. Ihnen zur Seite standen Kerker·ge·hilfen, die als Misch·wesen von Mensch und Tier er·schie·nen und jeder·zeit zu sadis·tischen Foltern auf·gelegt waren. Das karmische Gericht wurde mit der Zeit mit immer grausameren Schrecken ausgestattet. Die Seelen der Ver·stor·be·nen, um nicht zu sagen „die armen Sünder“, schienen vor diesem Gericht beinahe chancen·los. Ihre Behand·lung unter·schied sich nur gering·fügig von den Qualen der Hölle, wo sie mit größter Wahr·schein·lich·keit landen würden. Betrachtet man insbesondere die Darstellungen aus späterer Zeit, so ist von Nirvana, Barm·herzig·keit und Er·ret·tung aller Lebe·wesen keine Rede mehr. Mit barocker Lust an schaurigen Details schildern buddhistische Künstler das Totengericht als einen Ort, wo es nur noch darum geht, dem schlimms·ten Terror zu ent·kommen. Nicht die Hoffnung auf ein Ende des Leids, sondern die Furcht vor schlimmen Strafen soll die Gläubigen motivieren, die buddhistischen Gebote zu befolgen.<br />
<br />
Die Jenseits·vor·stel·lungen des tradi·tionel·len sino-japani·schen Buddhis·mus scheinen daher ebenso angst·besetzt zu sein wie christ·liche Höllen·darstel·lungen. Barm·herzig·keit ist ledig·lich von Bodhi·sattva {{glossar:jizou}} zu erhof·fen, der ursprünglich als eine Art Vor·gesetz·ter, mehr und mehr aber auch als ein Gegen·spieler der Zehn Könige (nach dem ''good cop/bad cop''-Prinzip) in Er·schei·nung tritt. Die Popu·lari·tät Jizōs in China und Japan ist also eng mit der Furcht vor den Zehn Königen ver·bunden.<br />
<br />
== Topographie des Totenreichs ==<br />
<br />
{{floatleft| rahmen_h= 280<br />
| 10kings_dunhuang.jpg<br />
| Der zweite König und der Fluss der Unterwelt (China)<br />
| ref= 1<br />
}}<br />
Das {{g|juuoukyou|''Sutra der Zehn Könige''}}<ref><br />
Für eine englische Übersetzung aus dem Chinesischen s. Teiser 2003, S. 197–219.<br />
</ref> <br />
gibt nicht nur über die in der Totenwelt verbrachte Zeit Auskunft, sondern enthält auch bestimmte räumliche Vorstellungen über das „mittlere Dunkel“. Der Hof des ersten Königs dient einer Art Sammlung der Toten in der Art eines Gefangenen·transports. Von dort werden die Delinquenten durch den Fluss Nai getrieben, wobei gehörnte Dämonen die Menge im Zaum halten. Nur einige Privilegierte (Verstorbene mit gutem Karma) dürfen eine Brücke verwenden. Danach erreichen sie den „König des ersten Flusses“. Im Hof des vierten Königs gibt es eine Karma-Waage, die gute und schlechte Taten gegen einander abwiegt. Vor dem fünften König, {{glossar:Enma}}, werden Delinquenten, die ihre Taten abstreiten, mit einem Spiegel konfrontiert, der ihre Sünden zeigt. Am Hof des Siebenten Königs wird besonderes Augenmerk auf die Spenden der Hinterbliebenen gelegt. Nach hundert Tagen, am Hof des achten Königes werden die Toten noch einmal ausge·peitscht. Nach einem Jahr wird überprüft, ob die Hinter·bliebenen nicht vielleicht eine Sutrenkopie oder ein Bildwerk gestiftet haben. Am Hof des zehnten Königs, dem „König, der das Rad der Geburten dreht“ (nach drei Jahren oder im dritten Jahr) entscheidet sich schließlich endgültig, wo die Wieder·geburt stattfinden soll. <br />
<br />
Im Unterschied zur bedrohlichen Beschreibung der Jenseits·reise, vermittelt die Rahmen·handlung des Sutras eine etwas andere Nuance. Hier tritt Enma stell·vertretend für das gesamte karmische Gericht auf und leistet gegenüber Buddha Shakyamuni verschiedene Schwüre. Aus diesen wird klar, dass es besonders auf die rituelle Aktivität der Hinter·bliebenen ankommt und dass zumindest die schlimmsten Formen der Wieder·geburt vermieden werden können, wenn die Hinter·bliebenen nur alle Totenriten richtig vollziehen und Spenden an buddhis·tische Institu·tionen richten. Umgekehrt wird angedeutet, dass die schlimmsten Vergehen nicht Vatermord oder ähnliches sind, sondern Aneignung von Tempelgut. <br />
<br />
In den frühesten Illustrationen, die dem Sutra beigefügt sind, erscheint die Hölle als schwarz ummauertes, deutlich abgegrenztes Gefängnis. Erst später weitet sie sich zu einer scheinbar grenzen·losen, unwirtlichen Land·schaft aus. Zweifellos war sie stets ein Ort unter der Erde, da es sich wörtlich um einen „Erdkerker“ ({{glossar:jigoku}}) handelt. Auch der Name Jizō bedeutet wörtlich „Erdbunker“ — ein Hinweis auf die lange Verbindung dieses Bodhisattvas mit dem unterirdischen Reich der Toten.<br />
<br />
Unter den Königen ist neben Enma-ō, der im ''Sutra der Zehn Könige'' als Reprä·sentant der ganzen Gruppe auftritt und daher auch als Einzelfigur verehrt wurde (s. [[Enma]]), vor allem Taizan-ō, der König des Taishan (siebenter Hof) hervor·zuheben.<br />
Der Berg Taishan existiert tatsächlich in China und gilt als wichtigster der fünf heiligen Berge des {{g|doukyou2|Daoismus}}. Er ist u.a. Sitz einer Gottheit, die die Toten·welt beherrscht. Die beiden Figuren Enma und Taizan-ō sind somit ein klarer Hinweis auf die Über·blendung von chinesischen und indischen Jenseits·vorstel·lungen in der Ausge·staltung des karmischen Gerichts. <br />
<br />
In Japan kam schließlich noch die „Alte, die [den Toten] die Kleider auszieht“ ({{glossar:datsueba}}) hinzu. Sie bestimmte die Schuld der Toten, indem sie ihre Kleider abwog, und vermittelte ihnen dabei bereits einen Vor·geschmack auf die kommenden Torturen.<br />
<br />
== Totengericht und Totenriten ==<br />
<br />
Das buddhis·tische Totenreich ist wie gesagt eine Art Fegefeuer, in dem der endgültige Ort der Wieder·geburt noch nicht fixiert ist. Während die Totenseele das Totenreich durchwandert, haben die Hinter·bliebenen die Möglichkeit und in gewisser Weise sogar die religiöse Pflicht, die Entscheidung des karmischen Gerichts durch Riten und Opfergaben zu beeinflussen.<br />
<br />
Es ist also kein Zufall, dass die Vorstellung der Zehn Könige eng an das [[Alltag/Totenriten|Ritual·wesen für die Toten]] gekop·pelt ist. Die Rituale im Diesseits finden näm·lich immer dann statt, wenn die Verstor·benen im Jenseits vor einen neuen Richter treten. Dies geschieht zunächst alle sieben Tage nach dem Ableben, bis sieben mal sieben Tage herum sind.<!--<br />
--><ref><br />
Diese sieben mal sieben Tage finden sich schon in Indien. Eine indi·sche Erklä·rung besagt, dass sich den Wesen im Toten·reich nur alle sieben Tage die Chance bietet, in eine neue irdische Exis·tenz zu schlüpfen. Man kann also dieser Erklä·rung zu Folge auch schon nach den ersten sieben Tagen wieder·ge·boren werden (Teiser 2003, S. 24). <br />
</ref><br />
Auch in heutigen bud·dhis·tischen Toten·riten wird diese Folge von Toten·ge·denken berück·sichtigt. Insbe·son·dere die Periode von sieben mal sieben Tagen gilt als die eigent·liche bud·dhis·tische Trauer·zeit. <br />
Dann ver·lang·samt sich der Rhyth·mus und die Toten treten nur noch einmal nach hundert Tagen und dann nach einem Jahr vor einen neuen Richter. Im dritten Jahr nach dem Tod ab·sol·viert man das letzte Gericht und wird danach in ein neues Leben (in einem der Sechs Wege der Wieder·ge·burt, {{glossar:rokudou}}) entlassen.<!--<br />
--><ref><br />
Die letzten drei Feiern — zum hun·dertsten Tag, zum ersten und zum zweiten Jahres·tag des Ablebens — scheinen auf vor·bud·dhis·tische chine·sische Bräuche zurück zu gehen: Ein Hin·weis auf die Über·blen·dung von vor·bud·dhistisch-chinesischen und indischen Bräuchen im Kult der Zehn Könige. (Vgl. Teiser, S. 25–26.)<br />
</ref> <br />
Wie das ''Sutra der Zehn Könige'' mehrfach betont, kann man das Urteil der Richter vom Dies·seits aus min·des·tens zwei Jahre lang be·ein·flus·sen. Ja, man kann sogar für das eigene Seelen·heil Vor·sorge treffen, indem man bereits zu Leb·zeiten in eigener Sache rituelle Opfer an die Zehn Könige richtet. Kurz gesagt: Je mehr rituellen Auf·wand man betreibt, umso besser sieht es im nächsten Leben aus. Negativ formu·liert könnte man auch sagen, dass die Richter·könige mit dem dies·seiti·gen Klerus paktieren und sich durch Wohl·taten, die man diesem erweist, in·direkt be·stechen lassen. <br />
<br />
Fairerweise muss ein·schränkend dazu gesagt werden, dass das ''Sutra der Zehn Könige'' und ähn·liche Schriften in keiner bud·dhis·tischen Schule kano·nischen Status erlang·ten. Das heißt, dass die diver·sen Sutren der Zehn Könige nie in eine {{skt:tripitaka}}-Samm·lung auf·genom·men wurden, also nicht unbe·dingt als authen·tische Worte Buddhas galten. Zweifel·los waren sich die meisten gebil·deten Mönche bewusst, dass das chine·sische Gepräge der jen·seitigen Gerichts·höfe der indischen Her·kunft von Buddhas Lehren wider·sprach. <br />
Das hinderte sie jedoch nicht daran, den Kult der Zehn Könige bzw. des Richter·königs {{glossar:Enma}} tatkräftig zu verbreiten. Lediglich die japanische {{glossar:joudoshinshuu}} war stets der Meinung, dass man das Nach·leben seiner Ahnen nicht be·einflus·sen könne und lehnte schon aus diesem Grund den Glauben an die Zehn Könige kate·gorisch ab. <br />
<br />
=== Dreizehn Buddhas ===<br />
<br />
{{floatleft<br />
| jusanbutsu.jpg<br />
| Grabmonument der 13 Buddhas<br />
| ref= 1<br />
}}<br />
In der japanischen {{glossar:Muromachi}}-Zeit fügte man den chine·si·schen Grund·mustern schließ·lich noch wei·tere Toten·ge·denk·feiern hinzu, näm·lich den sieben·ten Gedenk·tag (sechs Jahre nach dem Tod), den drei·zehnten Gedenk·tag und den drei·und·dreißigs·ten Gedenk·tag. Dies ergab die Not·wendig·keit, drei weitere Gerichts·höfe im Toten·reich zu kon·struie·ren, sodass sich ein Set von Drei·zehn Königen ergab. Diese Könige erhiel·ten über·dies jeweils eine ent·spre·chende Urform, also einen {{glossar:honji}}-Buddha, woraus sich wiede·rum ein Set von Dreizehn Buddhas ergab, das eben·falls rituell ver·ehrt werden konnte. Dar·stel·lungen dieser Dreizehn Buddhas sind noch heute ver·einzelt auf Fried·höfen zu finden. <br />
<br />
Der 33. Todestag wird zwar meist nicht mehr mit dem gleichen Aufwand ge·feiert, wie die frü·he·ren Todes·gedenk·tage, in vielen japani·schen Haus·halten wird er jedoch zum Anlass genom·men, die Toten·täfel·chen ({{glossar:ihai}}) der ent·sprechen·den Ahnen aus dem Haus·altar zu ent·fernen (da die Verstor·benen ja spä·testens jetzt eine neue Exis·tenz·form gefun·den haben).<br />
<br />
{{verweise<br />
|themen =<br />
* [[Mythen/Jenseits|Jenseitsvorstellungen]]<br />
* [[Mythen/Jenseits/Enma| König Enma]]<br />
* [[Mythen/Hoellen| Höllen und Hungergeister]]<br />
* [[Mythen/Hoellen/Hoellenbilder| Höllenbilder]]<br />
| literatur =<br />
{{Literatur:Teiser 2003}}<br />
}}<br />
{{ThisWay}}</div>
Nicole Janker
https://religion-in-japan.univie.ac.at/r/index.php?title=Mythen/Jenseits/Totenreich&diff=59891
Mythen/Jenseits/Totenreich
2015-09-25T10:29:40Z
<p>Nicole Janker: </p>
<hr />
<div>{{Styles}}<br />
{{titel | Das buddhistische Totenreich<span class{{=}}bottom>und seine Zehn Könige </span>}}<br />
<br />
{{fl|W}}enn ein Mensch stirbt, folgt laut gängigen buddhistischen Vorstellungen eine bestimmte Zeit, in der Lohn und Strafe seiner irdischen Existenz nach den Gesetzen des {{skt:karma}} festgestellt werden. Diese Übergangs·periode, die u.a. als das „mittlere Dunkel“ ({{glossar:chuuin}}) bezeichnet wird, entscheidet über Ort und Form der zukünftigen Wieder·geburt. <br />
Sie bildet also das eigentliche Totenreich und wird in den meisten buddhis·tischen Richtungen mit besonderer ritueller Aufmerk·samkeit bedacht. Im chinesischen Buddhismus entstand zudem die Vorstellung von einer Art Karma-Gerichts·hof. Er wurde von zehn Richter·königen ({{glossar:juuou}}) beherrscht, die das Totenreich regierten und — zu mindestens in den Anfängen dieser Konzeption — ihrerseits entweder von Buddha {{skt:Shakyamuni}} oder von Bodhi·sattva {{glossar:jizou}} angeführt wurden. <br />
<br />
{{w500<br />
|jizo dunhuang.jpg<br />
|Jizō und die Zehn Könige (China, 9. Jh.) <br />
|ref=1<br />
}}<br />
{{w500|rahmen_h=290|w=560|left=-30<br />
|jizo usuki.jpg<br />
|Jizō und die Zehn Könige (Japan, 12. Jh.)<br />
|ref=1<br />
}}<br />
Die Vorstellung von den Zehn Königen wurde vor allem durch einen in vielen Ver·sionen über·lieferten Text ver·breitet, der land·läufig als ''Sutra der Zehn Könige'' (jap. {{glossar:juuoukyou}}) bekannt ist. Die Urform des Textes entstand in der chine·sischen {{g|Tang}}-Zeit, wahr·schein·lich im 8. oder 9. Jahrhundert. Die ältesten Kopien des Textes und der begleitenden Abbildungen finden sich in {{glossar:dunhuang}}, also im Nordwesten Chinas, wo über die Seiden·straße auch der Buddhismus in China Eingang fand.<!--<br />
--><ref><br />
Teiser, ''The Scripture on the Ten Kings'', S. 9. Chinesische Vorläufer lassen sich bis in das Jahr 664 zurück verfolgen (idid., S. 48).<br />
</ref><br />
Die Zehn Könige sind demnach eindeutig in China entstanden. In Japan wurde die Toten·welt schließlich in Werken wie dem {{glossar:oujouyoushuu}} (985) oder dem {{g|Jizoujuuoukyou}} (um 1200?) weiter aus·differen·ziert. <br />
<br />
== Furcht und Terror ==<br />
<br />
{{w504| rh= 180<br />
| Shoko-o_2.jpg| w1= 290| left1= -40<br />
| Datsueba_mak.jpg<br />
| Folterszene_2.jpg| w3= 300| left3= -40<br />
| Folterszene_8.jpg<br />
| caption= Folterszenen am Gericht der Zehn Könige, Edo-Zeit<br />
| ref=1<br />
}} <br />
Die Zehn Könige herrschten je·weils über einen eige·nen Gerichts·hof und wurden be·reits auf den frühes·ten Dar·stel·lungen in chine·sischen Amts·roben dar·ge·stellt. Ihnen zur Seite standen Kerker·ge·hilfen, die als Misch·wesen von Mensch und Tier er·schie·nen und jeder·zeit zu sadis·tischen Foltern auf·gelegt waren. Das karmische Gericht wurde mit der Zeit mit immer grausameren Schrecken ausgestattet. Die Seelen der Ver·stor·be·nen, um nicht zu sagen „die armen Sünder“, schienen vor diesem Gericht beinahe chancen·los. Ihre Behand·lung unter·schied sich nur gering·fügig von den Qualen der Hölle, wo sie mit größter Wahr·schein·lich·keit landen würden. Betrachtet man insbesondere die Darstellungen aus späterer Zeit, so ist von Nirvana, Barm·herzig·keit und Er·ret·tung aller Lebe·wesen keine Rede mehr. Mit barocker Lust an schaurigen Details schildern buddhistische Künstler das Totengericht als einen Ort, wo es nur noch darum geht, dem schlimms·ten Terror zu ent·kommen. Nicht die Hoffnung auf ein Ende des Leids, sondern die Furcht vor schlimmen Strafen soll die Gläubigen motivieren, die buddhistischen Gebote zu befolgen.<br />
<br />
Die Jenseits·vor·stel·lungen des tradi·tionel·len sino-japani·schen Buddhis·mus scheinen daher ebenso angst·besetzt zu sein wie christ·liche Höllen·darstel·lungen. Barm·herzig·keit ist ledig·lich von Bodhi·sattva {{glossar:jizou}} zu erhof·fen, der ursprünglich als eine Art Vor·gesetz·ter, mehr und mehr aber auch als ein Gegen·spieler der Zehn Könige (nach dem ''good cop/bad cop''-Prinzip) in Er·schei·nung tritt. Die Popu·lari·tät Jizōs in China und Japan ist also eng mit der Furcht vor den Zehn Königen ver·bunden.<br />
<br />
== Topographie des Totenreichs ==<br />
<br />
{{floatleft| rahmen_h= 280<br />
| 10kings_dunhuang.jpg<br />
| Der zweite König und der Fluss der Unterwelt (China)<br />
| ref= 1<br />
}}<br />
Das ''Sutra der Zehn Könige''<ref><br />
Für eine englische Übersetzung aus dem Chinesischen s. Teiser 2003, S. 197–219.<br />
</ref> <br />
gibt nicht nur über die in der Totenwelt verbrachte Zeit Auskunft, sondern enthält auch bestimmte räumliche Vorstellungen über das „mittlere Dunkel“. Der Hof des ersten Königs dient einer Art Sammlung der Toten in der Art eines Gefangenen·transports. Von dort werden die Delinquenten durch den Fluss Nai getrieben, wobei gehörnte Dämonen die Menge im Zaum halten. Nur einige Privilegierte (Verstorbene mit gutem Karma) dürfen eine Brücke verwenden. Danach erreichen sie den „König des ersten Flusses“. Im Hof des vierten Königs gibt es eine Karma-Waage, die gute und schlechte Taten gegen einander abwiegt. Vor dem fünften König, {{glossar:Enma}}, werden Delinquenten, die ihre Taten abstreiten, mit einem Spiegel konfrontiert, der ihre Sünden zeigt. Am Hof des Siebenten Königs wird besonderes Augenmerk auf die Spenden der Hinterbliebenen gelegt. Nach hundert Tagen, am Hof des achten Königes werden die Toten noch einmal ausge·peitscht. Nach einem Jahr wird überprüft, ob die Hinter·bliebenen nicht vielleicht eine Sutrenkopie oder ein Bildwerk gestiftet haben. Am Hof des zehnten Königs, dem „König, der das Rad der Geburten dreht“ (nach drei Jahren oder im dritten Jahr) entscheidet sich schließlich endgültig, wo die Wieder·geburt stattfinden soll. <br />
<br />
Im Unterschied zur bedrohlichen Beschreibung der Jenseits·reise, vermittelt die Rahmen·handlung des Sutras eine etwas andere Nuance. Hier tritt Enma stell·vertretend für das gesamte karmische Gericht auf und leistet gegenüber Buddha Shakyamuni verschiedene Schwüre. Aus diesen wird klar, dass es besonders auf die rituelle Aktivität der Hinter·bliebenen ankommt und dass zumindest die schlimmsten Formen der Wieder·geburt vermieden werden können, wenn die Hinter·bliebenen nur alle Totenriten richtig vollziehen und Spenden an buddhis·tische Institu·tionen richten. Umgekehrt wird angedeutet, dass die schlimmsten Vergehen nicht Vatermord oder ähnliches sind, sondern Aneignung von Tempelgut. <br />
<br />
In den frühesten Illustrationen, die dem Sutra beigefügt sind, erscheint die Hölle als schwarz ummauertes, deutlich abgegrenztes Gefängnis. Erst später weitet sie sich zu einer scheinbar grenzen·losen, unwirtlichen Land·schaft aus. Zweifellos war sie stets ein Ort unter der Erde, da es sich wörtlich um einen „Erdkerker“ ({{glossar:jigoku}}) handelt. Auch der Name Jizō bedeutet wörtlich „Erdbunker“ — ein Hinweis auf die lange Verbindung dieses Bodhisattvas mit dem unterirdischen Reich der Toten.<br />
<br />
Unter den Königen ist neben Enma-ō, der im ''Sutra der Zehn Könige'' als Reprä·sentant der ganzen Gruppe auftritt und daher auch als Einzelfigur verehrt wurde (s. [[Enma]]), vor allem Taizan-ō, der König des Taishan (siebenter Hof) hervor·zuheben.<br />
Der Berg Taishan existiert tatsächlich in China und gilt als wichtigster der fünf heiligen Berge des {{g|doukyou2|Daoismus}}. Er ist u.a. Sitz einer Gottheit, die die Toten·welt beherrscht. Die beiden Figuren Enma und Taizan-ō sind somit ein klarer Hinweis auf die Über·blendung von chinesischen und indischen Jenseits·vorstel·lungen in der Ausge·staltung des karmischen Gerichts. <br />
<br />
In Japan kam schließlich noch die „Alte, die [den Toten] die Kleider auszieht“ ({{glossar:datsueba}}) hinzu. Sie bestimmte die Schuld der Toten, indem sie ihre Kleider abwog, und vermittelte ihnen dabei bereits einen Vor·geschmack auf die kommenden Torturen.<br />
<br />
== Totengericht und Totenriten ==<br />
<br />
Das buddhis·tische Totenreich ist wie gesagt eine Art Fegefeuer, in dem der endgültige Ort der Wieder·geburt noch nicht fixiert ist. Während die Totenseele das Totenreich durchwandert, haben die Hinter·bliebenen die Möglichkeit und in gewisser Weise sogar die religiöse Pflicht, die Entscheidung des karmischen Gerichts durch Riten und Opfergaben zu beeinflussen.<br />
<br />
Es ist also kein Zufall, dass die Vorstellung der Zehn Könige eng an das [[Alltag/Totenriten|Ritual·wesen für die Toten]] gekop·pelt ist. Die Rituale im Diesseits finden näm·lich immer dann statt, wenn die Verstor·benen im Jenseits vor einen neuen Richter treten. Dies geschieht zunächst alle sieben Tage nach dem Ableben, bis sieben mal sieben Tage herum sind.<!--<br />
--><ref><br />
Diese sieben mal sieben Tage finden sich schon in Indien. Eine indi·sche Erklä·rung besagt, dass sich den Wesen im Toten·reich nur alle sieben Tage die Chance bietet, in eine neue irdische Exis·tenz zu schlüpfen. Man kann also dieser Erklä·rung zu Folge auch schon nach den ersten sieben Tagen wieder·ge·boren werden (Teiser 2003, S. 24). <br />
</ref><br />
Auch in heutigen bud·dhis·tischen Toten·riten wird diese Folge von Toten·ge·denken berück·sichtigt. Insbe·son·dere die Periode von sieben mal sieben Tagen gilt als die eigent·liche bud·dhis·tische Trauer·zeit. <br />
Dann ver·lang·samt sich der Rhyth·mus und die Toten treten nur noch einmal nach hundert Tagen und dann nach einem Jahr vor einen neuen Richter. Im dritten Jahr nach dem Tod ab·sol·viert man das letzte Gericht und wird danach in ein neues Leben (in einem der Sechs Wege der Wieder·ge·burt, {{glossar:rokudou}}) entlassen.<!--<br />
--><ref><br />
Die letzten drei Feiern — zum hun·dertsten Tag, zum ersten und zum zweiten Jahres·tag des Ablebens — scheinen auf vor·bud·dhis·tische chine·sische Bräuche zurück zu gehen: Ein Hin·weis auf die Über·blen·dung von vor·bud·dhistisch-chinesischen und indischen Bräuchen im Kult der Zehn Könige. (Vgl. Teiser, S. 25–26.)<br />
</ref> <br />
Wie das ''Sutra der Zehn Könige'' mehrfach betont, kann man das Urteil der Richter vom Dies·seits aus min·des·tens zwei Jahre lang be·ein·flus·sen. Ja, man kann sogar für das eigene Seelen·heil Vor·sorge treffen, indem man bereits zu Leb·zeiten in eigener Sache rituelle Opfer an die Zehn Könige richtet. Kurz gesagt: Je mehr rituellen Auf·wand man betreibt, umso besser sieht es im nächsten Leben aus. Negativ formu·liert könnte man auch sagen, dass die Richter·könige mit dem dies·seiti·gen Klerus paktieren und sich durch Wohl·taten, die man diesem erweist, in·direkt be·stechen lassen. <br />
<br />
Fairerweise muss ein·schränkend dazu gesagt werden, dass das ''Sutra der Zehn Könige'' und ähn·liche Schriften in keiner bud·dhis·tischen Schule kano·nischen Status erlang·ten. Das heißt, dass die diver·sen Sutren der Zehn Könige nie in eine {{skt:tripitaka}}-Samm·lung auf·genom·men wurden, also nicht unbe·dingt als authen·tische Worte Buddhas galten. Zweifel·los waren sich die meisten gebil·deten Mönche bewusst, dass das chine·sische Gepräge der jen·seitigen Gerichts·höfe der indischen Her·kunft von Buddhas Lehren wider·sprach. <br />
Das hinderte sie jedoch nicht daran, den Kult der Zehn Könige bzw. des Richter·königs {{glossar:Enma}} tatkräftig zu verbreiten. Lediglich die japanische {{glossar:joudoshinshuu}} war stets der Meinung, dass man das Nach·leben seiner Ahnen nicht be·einflus·sen könne und lehnte schon aus diesem Grund den Glauben an die Zehn Könige kate·gorisch ab. <br />
<br />
=== Dreizehn Buddhas ===<br />
<br />
{{floatleft<br />
| jusanbutsu.jpg<br />
| Grabmonument der 13 Buddhas<br />
| ref= 1<br />
}}<br />
In der japanischen {{glossar:Muromachi}}-Zeit fügte man den chine·si·schen Grund·mustern schließ·lich noch wei·tere Toten·ge·denk·feiern hinzu, näm·lich den sieben·ten Gedenk·tag (sechs Jahre nach dem Tod), den drei·zehnten Gedenk·tag und den drei·und·dreißigs·ten Gedenk·tag. Dies ergab die Not·wendig·keit, drei weitere Gerichts·höfe im Toten·reich zu kon·struie·ren, sodass sich ein Set von Drei·zehn Königen ergab. Diese Könige erhiel·ten über·dies jeweils eine ent·spre·chende Urform, also einen {{glossar:honji}}-Buddha, woraus sich wiede·rum ein Set von Dreizehn Buddhas ergab, das eben·falls rituell ver·ehrt werden konnte. Dar·stel·lungen dieser Dreizehn Buddhas sind noch heute ver·einzelt auf Fried·höfen zu finden. <br />
<br />
Der 33. Todestag wird zwar meist nicht mehr mit dem gleichen Aufwand ge·feiert, wie die frü·he·ren Todes·gedenk·tage, in vielen japani·schen Haus·halten wird er jedoch zum Anlass genom·men, die Toten·täfel·chen ({{glossar:ihai}}) der ent·sprechen·den Ahnen aus dem Haus·altar zu ent·fernen (da die Verstor·benen ja spä·testens jetzt eine neue Exis·tenz·form gefun·den haben).<br />
<br />
{{verweise<br />
|themen =<br />
* [[Mythen/Jenseits|Jenseitsvorstellungen]]<br />
* [[Mythen/Jenseits/Enma| König Enma]]<br />
* [[Mythen/Hoellen| Höllen und Hungergeister]]<br />
* [[Mythen/Hoellen/Hoellenbilder| Höllenbilder]]<br />
| literatur =<br />
{{Literatur:Teiser 2003}}<br />
}}<br />
{{ThisWay}}</div>
Nicole Janker
https://religion-in-japan.univie.ac.at/r/index.php?title=Mythen/Jenseits/Totengericht&diff=59890
Mythen/Jenseits/Totengericht
2015-09-25T10:08:14Z
<p>Nicole Janker: </p>
<hr />
<div>{{Styles}}<br />
{{titel |König Enma, Richter und Wächter der Toten}}<br />
<br />
{{fl|E}}{{glossar:enma|nma}}, der Beherrscher des buddhis·tischen Toten·reichs, kann in der klas·sischen bud·dhistischen Ikono·graphie Japans unter·schied·liche Erschei·nungen anneh·men. Gele·gent·lich sieht man ihn, auf einem Büffel reitend, als eine Art Wächter·gott. Wesent·lich bekannter ist er jedoch als strenger Richter der Unter·welt. Beide Er·schei·nungs·formen lassen sich auf die indischen Ursprungs·mythen dieser Gestalt zurück·führen. <br />
<br />
{{w500|rahmen_h=550<br />
|enmaten_tnm.jpg<br />
|Enma mit Gefolge auf einem Büffel <br />
|ref=1<br />
}}<br />
Die obige Abbildung zeigt König Enma und einige Figuren aus seinem Gefolge. Die Darstel·lung aus der {{g|Kamakura}}-Zeit vereint seine Rolle als Wächter·gott — erkennbar vor allem an der wehr·haften Rüstung — mit seiner Richter·funktion, die vor allem in den Figuren im Vorder·grund vergegen·ständlicht ist. Es handelt sich um gericht·liche Beamte, die An·klage·schriften verlesen, Protokolle auf·zeichnen und Ange·klagte (Totenseelen) vor- und abführen. Aber auch der Stab, den Enma in der Hand hält, gehört zu seinen Uten·silien als Richter. Die Heraus·bildung der Figur des Enma ist ziem·lich komplex und offen·bart einen typischen Mix aus indischen und chinesi·schen Elemen·ten, die im Folgen·den einge·hen·der be·spro·chen werden sollen.<br />
<br />
== Yama in Indien und Tibet ==<br />
<br />
{{sidebox<br />
|Yama_und_savitri.jpg| w=160| rahmen_h= 215| left=-5|top=-5<br />
|Yama als indischer Totengott<br />
|ref=1<br />
}}<br />
Der Name Enma leitet sich von der indischen Gottheit {{skt:Yama}} her. Yama gilt in Indien auch außer·halb des Buddhis·mus als Gott·heit der Hölle bzw. der Toten·welt, vergleichbar mit dem Unterwelt·gott Hades bzw. Pluto in der euro·päischen Antike. In den Veden, den ältesten indischen Schriften, tritt Yama jedoch zunächst als Entdecker einer Art von Paradies in Erscheinung. Er ist zwar sterblich, doch sein Tod führt ihn in eine bessere Welt. Erst später wird er zu einer Art König in einem Palast, der mehr und mehr den Charakter eines Straflagers annimmt.<br />
Schon in dieser indischen Urform erscheint Yama zumeist als Reiter auf einem Büffel oder als Figur mit Büffel·kopf.<br />
<br />
Der Buddhismus hat Yama schon in frühester Zeit als Herrscher der Unterwelt in das buddhis·tische Pantheon inte·griert. Dabei scheint er sich vor allem als Ver·gelter böser Taten bewährt zu haben. <br />
Nach und nach festigten sich Erklärungs·muster, die ihn quasi zum notwendigen Übel des buddhis·tischen {{skt:Dharma}} werden lassen. Er wird zur Personifi·kation des unerbittlichen {{skt:Karma}}-Gesetzes und erhält bisweilen sogar den Namen Dharma.<br />
In einer Tradition, die sich vor allem im tibe·tischen Bud·dhis·mus durch·gesetzt hat, tritt Yama in Gestalt eines Büffel·dämonen auf, der nichts anderes als der personi·fizierte Tod ist. Dieser Büffel·dämon erhält in {{skt: Manjushri}}, dem {{skt:Bodhisattva}} der Weisheit, einen Gegen·spieler, der ihn unter·wirft. Zu diesem Zweck ver·wan·delt sich Manjushri in {{skt:Yamantaka}}, den „Bezwinger des Yama“, der eine noch schreck·lichere Büffel·gestalt als Yama selbst hat und in manchen tantris·tischen Traditionen als die macht·vollste aller kriege·rischen Gott·heiten gilt.<!--<br />
--><ref><br />
[http://www.exoticindiaart.com/wrathful.htm Nitin Kumar] 2001. In Japan existiert Yamantaka in Form des {{glossar:daiitokumyouou}} als einer der Fünf Myōō, meist reitet er auf einem Büffel. Seine direkte Verbindung zu Enma scheint aber in den Hintergrund getreten zu sein.<br />
</ref> <br />
Charak·teris·tischer·weise ver·mischen sich die Gestalten des Bezwingers (Yamantaka) und des zu Bezwin·genden (Yama) zu einer einheit·lichen Figur, die bis auf den Rinder·kopf ganz den üblichen {{skt:tantra|tantristischen}} Wächter·gott·heiten entspricht, mit all ihren schreck·lichen Para·phernalien wie Ketten aus geköpf·ten Häuptern, Toten·schädeln im lodernden Haar, einer nackte Gespielin, die ihnen Blut zu trinken reicht, etc., etc. ... <br />
<br />
{{w500|rahmen_h=520|top=-50<br />
|yama dharmaraja.jpg<br />
|Yama Dharmaraja, Tibet, 19. Jh.<br />
|ref=1<br />
}}<br />
Eines der interes·santesten ikono·graphischen Motive des tantris·tischen Yama wird als „Äußerer Yama, der Dharma·könig“ bezeichnet (Abb. oben). Es zeigt einen ochsen·köpfigen Dämon, der seinen Sieges·tanz auf einem Büffel vollführt, welcher seiner·seits eine mensch·liche Gestalt ver·ge·waltigt. Ohne alle möglichen Inter·pre·ta·tionen dieses Motivs zu kennen, gehe ich davon aus, dass der mittlere Büffel den Tod verkörpert, der den Menschen in seiner Gewalt hat, während der Büffel·köpfige den Sieg über diesen Tod darstellt. Das Motiv soll übri·gens einer Traum·vision des tibetischen Mönchs Tsongkhapa, 1347–1419, ent·wachsen sein.<ref>''The Sacred Art of Tibet'', S. 290.</ref> Der Büffel·dämon diente tantris·tischen Yogis als Identi·fikations·figur, um sich auf die Begegnung mit dem Tod vorzu·bereiten.<br />
<br />
== Enmas Gerichtshof ==<br />
<br />
{{w500|top=-270<br />
| rokudoe_enma1.jpg<br />
| Enma, Japan, Edo-Zeit <br />
| ref=1<br />
}}<br />
{{sidebox|w=140<br />
| Enma_china13jh.jpg<br />
| Yanlou, China, 13. Jh.<br />
| ref=1<br />
}}<br />
Im ostasia·tischen Buddhismus hat sich eine etwas andere Narration durchgesetzt: Yama ist hier kein impul·siver Dämon, sondern ein strenger Bürokrat, der als not·wendiges Übel, als Personi·fikation des uner·bitt·lichen {{skt:karma}}s angesehen werden kann. Obwohl als „König“ tituliert, entspricht seine Funktion der eines Richters, der darüber zu entschei·den hat, in welchen der sechs Lebens·bereiche ({{glossar:rokudou}}) eine Toten·seele wieder·ge·boren zu werden hat. König Yan oder {{glossar:Yanlou}}, wie er auf chinesisch heißt, bekommt in China ein komplexes Gefolge, das chinesi·schen Gerichts·höfen nach·emp·funden ist. Er wird von neun weiteren Königen/Richtern assistiert bzw. mit diesen zusam·men in das Ensemble der „Zehn Könige“ ({{glossar:juuou}}) der Unter·welt integriert. Dass die Toten·welt als solche in China mit einem Gerichts·hof assoziiert wird, passt im übrigen gut zu der Tatsache, dass die schlimmste Form der Wieder·geburt, die „Hölle“, ihrer chinesi·schen Wort·be·deu·tung nach ein „unterirdischer Kerker“ (jap. {{glossar: jigoku}}) ist. <br />
<br />
{{sidebox<br />
|gozu.jpg<br />
|Höllenknecht|w=180|left=-20|top=-45<br />
|ref=1<br />
}}<br />
Obwohl sich die Darstellung von König Enma auf das ''Sutra der Zehn Könige'' ({{glossar:juuoukyou}}) zurück·führen lässt, sind die anderen Richter — zumindest in Japan — im Laufe der Zeit etwas in den Hintergrund getreten. Die häufigsten Dar·stel·lungen zeigen Enma als einzigen Richter und je mehr seine Figur ins Zentrum rückt, umso bedroh·licher wird sie. In den frühesten japa·nischen Quellen, die von ihm erzählen, etwa im {{glossar: nihonryouiki}} (um 800), erscheint Enma noch relativ umgäng·lich.<!--<br />
--><ref><br />
Enma kommt in einigen Traum·visionen des ''Ryōiki'' vor. Interessanter·weise bleibt er immer hinter einem Vorhang verborgen, sein genaues Aussehen bleibt unbestimmt (s. [http://www.univie.ac.at/rel_jap/ryowiki/Enra Enra] (''Nihon Ryo-Wiki'').<br />
</ref><br />
In späteren bild·lichen Darstel·lungen wird er hin·gegen grund·sätzlich als schreiend und mit wut·ver·zerrten Zügen dargestellt. Vor allem bekommt er aber auch Gehilfen zur Seite gestellt, die sug·gerieren, dass die Qualen der Hölle im Grunde schon vor Enmas Gericht beginnen. Das mag mit vor·modernen gericht·lichen Praxis·formen zusam·men·hängen, in denen Foltern zu den üblichen Methoden der Urteils·findung gehörten, wie sich im übrigen schon anhand der ältesten chinesi·schen Darstel·lungen verifizieren lässt. Das Foltern obliegt dabei Kerker·meistern, die häufig (aller·dings nicht immer) einen Büffel·kopf besitzen. Ob sich dies aus Yamas ursprüng·licher Büffel·gestalt erklärt? Jeden·falls hat sich die Figur dieser rinder·köpfigen Kerker·meister in Form der {{glossar:Oni}} auch außer·halb der Toten·welt verbreitet. <br />
<br />
{{w500<br />
|enmas spiegel.jpg<br />
|Enmas magischer Spiegel<br />
|ref=1<br />
}}<br />
Schließlich verfügt Enma auch über zahlreiche andere Hilfsmittel, um die Übeltaten der Verstor·benen ausfindig zu machen, etwa den Karma-Spiegel, in dem sich Szenen der Ver·gangen·heit wie auf einem Bildschirm abrufen lassen. Außerdem hat er zwei Informanten, die den Verstor·benen das ganze Leben lang begleitet haben und nun seine guten und schlechten Taten berichten. Diese „Knaben des Guten und des Schlechten“ sind auf japani·schen Darstel·lungen mannig·fach variiert worden, zumeist sind es zwei Köpfe, die auf hohen Stäben thronen, einer mit finsterem einer mit mildem Gesichts·ausdruck. Diese im Körper eingenisteten Spione einer jenseitigen moralischen Autorität begegnen uns auch in Gestalt der [[Mythen/Symboltiere/Drei_Affen|Drei Würmer]] des sogenannten {{glossar:koushinshinkou|''kōshin''}}-Glaubens. Sie sind eindeutig daoistischen Ursprungs und insoferne eine chinesische Innovation des buddhis·tischen Jenseits·glaubens. <br />
<br />
{{w500|w=560|left=-30<br />
|enma_kyosai.jpg<br />
|Enmas Gerichtshof in einer satirischen Darstellung von Kawanabe Kyōsai<br />
|ref=1<br />
}}<br />
Enma zählte zu den beliebtesten Sujets des {{g|meiji|Meiji-zeitlichen}} Künstlers Kawanabe Kyōsai. Die obige Abbildung kann als eine Zusammen·fassung sämtlicher mit Enma assoziierten Merk·male angesehen werden, auch wenn manches davon satirisch über·zeichnet ist. Hier ist Enma klar der unbarm·herzige Herrscher der Unterwelt, der durchaus für sadistische Methoden zu haben ist. Im Hinter·grund sieht man dagegen {{g|Jizou}}, der quasi im Verborgenen ein paar Sünder wieder aus der Hölle herausholt. Von einer Identität der beiden Figuren ist in Kawanabes Dar·stellung nichts zu erkennen.<br />
<br />
==Enma als Himmelswächter ==<br />
{{floatright|top=-20<br />
|enmaten_enmao.jpg<br />
|Enma-ten <br />
|ref=1<br />
}}<br />
Eine weitere Funktion, die Yama vom Buddhimus zuge·spro·chen wurde, ist die einer Rich·tungs·gottheit, die als Wächter einer Him·mels·rich·tung fungiert. Derartige Ensem·bles exis·tieren mit acht oder zwölf Gott·heiten, wobei Enma meist den Süden re·präsen·tiert. Sein Titel ist in diesem Fall dann nicht ''ō'', „König“, sondern ''ten'', „Himmel“ bzw. {{glossar:tenbu}}-Gottheit (skt. {{skt:deva}}). Sein Aus·sehen gemahnt — zumin·dest in frühen Ensem·bles dieser Art — <br />
eher an einen Bodhi·sattva denn an einen bedroh·lichen Höllen·richter. An den Enma der Unter·welt erin·nert lediglich ein Stab, auf dem einer der Köpfe sitzt, welche Enma die Sün·den der An·ge·klag·ten zuflüs·tern. In der Kama·kura-Zeit findet man dann Misch·for·men wie das Bild am An·fang dieser Seite, wo Enma die Physio·gnomie des Rich·ters behält, aber auf einem Büffel reitet und über ein Gefolge von himm·lischen Wesen ''und'' Wesen aus der Toten·welt gebietet. <br />
<br />
Zu guterletzt findet man den Büffel·reiter auch auf astro·logischen Dar·stel·lun·gen des Ster·nen·him·mels und zwar an zen·traler Stelle, direkt unter Bodhi·sattva Manjushri ({{glossar:monju}}), der als Bodhi·sattva der Weis·heit unter anderem für Astro·logie zuständig ist. Die Bezie·hung zwischen diesen beiden Figuren ist mir der·zeit noch unklar, aber eine Paral·lele mit der tibe·tischen Iden·tifi·zierung von Yama und Manjushri drängt sich auf. <br />
{{verweise<br />
|themen =<br />
* [[Mythen/Jenseits|Jenseitsvorstellungen]]<br />
* [[Mythen/Jenseits/10 Koenige| Zehn Könige]]<br />
* [[Mythen/Hoellen| Höllen und Hungergeister]]<br />
* [[Mythen/Hoellen/Hoellenbilder| Höllenbilder]]<br />
|links_ue= Literatur und Links<br />
|links=<br />
{{Literatur:Rhie_1996}}<br />
{{Literatur:Teiser 2003}}<br />
*[http://www.himalayanart.org/ Himalayan Art]<br />
*[http://www.exoticindiaart.com/wrathful.htm Wrathful Guardians of Buddhism] (Nitin Kumar 2001)<br />
*[http://www.univie.ac.at/rel_jap/ryowiki/Hauptseite Nihon Ryo-Wiki] (Universität Wien 2011)<br />
|update = Mai 2011<br />
}}<br />
{{ThisWay}}</div>
Nicole Janker
https://religion-in-japan.univie.ac.at/r/index.php?title=Mythen/Jenseits/Ashura&diff=59889
Mythen/Jenseits/Ashura
2015-09-25T09:45:35Z
<p>Nicole Janker: </p>
<hr />
<div>{{Styles}}<br />
{{titel | Kriegerische Geister}}<!--<br />
<br />
-->{{w502<br />
|ashura1.jpg<br />
|ashura2.jpg<br />
|caption=Ashura aus der Nara-Zeit (734) im Eigentum des Kōfuku-ji, Nara. <br />
}}<br />
{{fl|D}}ie Welt der kriege·rischen Geister (skt. {{skt:asura}}, jap. {{glossar:ashura}}) stammt aus dem indischen Erbe des Buddhismus. Die indischen ''Asuras'' sind eigent·lich eine Dynastie himm·lischer Wesen, die von den {{s|Deva|Devas}}, den bekannteren Göttern Indiens, namentlich vom kriege·rischen {{skt:Indra}} ({{glossar:taishakuten}}), zurück·gedrängt wurden. Sie sind insofern mit den griechi·schen Titanen ver·gleich·bar. Tat·säch·lich dürften die jeweiligen Mythen ge·mein·same Ursprünge haben. Wie die Titanen stellten die ''Asuras'' eine Ge·fahr für die regierende Götter·dynastie dar und wurden daher in eine un·zu·gäng·liche Welt am Fuße des Weltenbergs {{skt:Sumeru}} verbannt.<br />
<br />
Als fixer Bestandteil des indischen Pantheons wurden die ''Asuras'' auch in den Buddhismus mit auf·ge·nommen. Die konventionelle bud·dhis·tische Erklärung besagt, es handle sich um Ge·stalten, die von starken ag·gres·siven Impulsen be·herrscht sind. Im ost·asiatischen Kontext gelten sie als Krieger·geister, die hier·archisch unter den Menschen stehen, obwohl es sich um göttliche Wesen handelt. Sie kommen aller·dings kaum je in Er·zählungen vor und sind auch sonst von keiner besonderen Relevanz im ja·pa·nischen Buddhismus. Nur auf späteren bildlichen Darstellungen werden die ''ashura'' in der Gestalt japanischer Samurai dargestellt.<br />
<br />
Besonders in der Frühzeit des japanischen Buddhismus wurde Ashura-ō (König Asura) aber auch als Beschützer des {{skt:Dharma}} angesehen und als dreiköpfige, sechs·armige Figur dargestellt. Das beein·druckendste Beispiel stammt aus der {{g|Nara}}-Zeit (Abb. oben). Bis auf die über·langen Arme ähnelt diese androgyne Figur einem {{s|bodhisattva}} und evoziert keiner·lei kriegerische Assozia·tionen. <br />
<br />
<div class="bild bildtext">[[Image:ashura_kumano.jpg|link=|ashura]]<div> Die Welt der Ashura <br />''Kumano kanshin jukkai mandara'' (Detail)<br /> Rollbild, Edo-Zeit, 17. Jh. (s. [[Mythen/Hoellen|Höllen]]) </div></div><br />
{{ThisWay}}</div>
Nicole Janker
https://religion-in-japan.univie.ac.at/r/index.php?title=Mythen/Jenseits&diff=59888
Mythen/Jenseits
2015-09-25T09:37:47Z
<p>Nicole Janker: /* Die Zehn Könige */</p>
<hr />
<div>{{Styles}}<br />
{{titel | Jenseitsvorstellungen}}<br />
<br />
{{fl|W}}as die gegen·wärtige japanische Ge·sell·schaft betrifft, ist es kaum möglich, ver·bindliche, von der gesamten Be·völkerung geteilte Auf·fassungen über das Jenseits in Kürze zusammenzufassen: Neben buddhis·tischen und volks·reli·giösen Vor·stellungen mischen sich sowohl christliche Ideen als auch ''science fiction''-Motive in die Jenseits·bilder der modernen Japaner. So wie die Religion als Ganzes haben sich auch die Bilder des Jenseits privatisiert: Jeder hat seine eigene Vorstellung vom Jenseits. <br />
<br />
{{w500<br />
| jigokusoshi_emaki1.jpg<br />
| Totenseelen auf der Reise ins Jenseits (späte Edo-Zeit)<br />
| ref=1<br />
}}<br />
Es gibt jedoch altein·gesessene traditio·nelle Vorstellungen, die noch heute wirksam sind. Sie stellen ein un·er·schöpf·liches Reservoir für die soge·nannten [[Geschichte/Neue Religionen|Neuen Religionen]] dar und erhalten darüber hinaus in der Welt der Manga und Anime immer wieder neue Aktualität. <br />
Diese traditionellen Jenseitsbilder sind überwiegend vom Bud·dhis·mus geprägt. Das hängt u.a. mit dem bereits er·wähnten „arbeits·teiligen“ Ver·hältnis von Buddhismus (jap. {{g|bukkyou}}) und {{g|Shintou}} zu·sam·men, nach dem die Götter des Shintō vor·rangig für den Bereich des Dies·seits und das unmit·telbare Wohler·gehen, die buddhis·tischen Heils·gestal·ten dagegen eher für den Tod und das Jen·seits zuständig sind (s. Grundbegriffe, [[Grundbegriffe/Shinto | Shintō]]). <br />
<br />
== Topographie des Jenseits ==<br />
<br />
Philosophisch gesehen gibt es im Buddhismus nur ein ab·solutes Jenseits — das {{skt:Nirvana}}, das in der voll·ständigen Aus·löschung alles Dies·seitigen besteht. Alles andere, auch die Wege der Toten·seelen von einer Wieder·geburt zur nächsten, gehört zum Dies·seits ({{skt:Samsara}} = Kreislauf der Wiedergeburten) und führt letzt·lich zu neuen, leid·vollen Existenzen (s. Grundbegriffe, [[Grundbegriffe/Buddhismus | Buddhismus]]). In der Praxis kennt jedoch auch der Bud·dhis·mus ein sichtbares, unmittelbar erfahrbares Diesseits und ein unsichtbares Jenseits, in dem sich Geister und Totenseelen aufhalten. Es gibt darüber hinaus ein Paradies ({{glossar:gokuraku}}), das die Vorstufe zum Nirvana darstellt, und es gibt eine Hölle ({{glossar:jigoku}}). <br />
<br />
=== Die Sechs Bereiche der Wiedergeburt ===<br />
<br />
Das Gesetz des {{skt:Karma}} regelt genau genommen nur jenen Bereich des Samsara, den man die Welt der Begierden (skt. Kamadhatu) nennt. Dieser Bereich unterteilt sich weiter in die so·ge·nannten Sechs Wege ({{glossar:rokudou}}). Das sind sechs Existenz·formen, in die man hin·ein·geboren werden kann, je nachdem, ob man in ver·gangenen Leben gutes oder schlechtes Karma angehäuft hat. Diese Existenz·formen sind:<br />
<br />
:# Götter ({{s|Deva|''devas''}}), die im Buddhismus sterblich sind<br />
:# Kriegergeister (jap. {{glossar:ashura|''(a)shura''}} von skt. ''asura'')<br />
:# Menschen<br />
:# Tiere<br />
:# Hungergeister (jap. {{glossar:gaki}}, skt. ''preta'')<br />
:# Hölle, die sich wiederum in acht Einzelhöllen unterteilt<br />
<br />
{{Sidebox| w= 140<br />
| sidepage=Ashura<br />
| ashura2.jpg<br />
| ''Ashura''<br />
}}<br />
Wie anhand der Sanskrit·termini zu erkennen, stammen die Bereiche der Wieder·geburt aus dem indischen Bud·dhis·mus und reflek·tieren dort gängige reli·giöse Vor·stel·lungen. Diese haben sich in China und Japan unter·schied·lich stark ein·ge·heimatet. Von den Krieger·geistern ist relativ wenig zu hören und zu sehen. Auch die Mög·lich·keit, als (hinduistischer) Gott wieder·geboren zu werden, exis·tiert in erster Linie in der Theo·rie.<br />
Die Menschen erleben das Leid, das im Grunde alle sechs Existenz·formen prägt, zwar inten·siver als Götter und Krie·ger·geister, doch ist das Poten·tial, aus dem Gebur·ten·kreis·lauf aus·zu·treten, in der Welt der Menschen höher. Insofern ist die Hierarchie zwischen den oberen drei Berei·chen der Wieder·geburt auch nicht ein·deutig zu be·stimmen. <br />
<br />
Tiere, Hunger·geister und Höllen·wesen sind hingegen als direkte Konse·quenz der karmi·schen Bestra·fung anzu·sehen und zwar in zuneh·mend nega·tiver Form. ([[Mythen/Imaginaere Tiere|Imaginäre Tiere]], die den Menschen ja grund·sätzlich über·legen sind, scheinen im übri·gen eher dem Weg der Gott·heiten anzugehören.) Obwohl Hunger·geis·ter und Höllen·we·sen den Menschen nicht sichtbar sind, machte man sich in China und Japan sehr kon·krete Vor·stel·lungen von ihnen und wid·mete ihnen sowohl rituell als auch ikono·graphisch große Auf·merk·sam·keit. Ähn·lich wie in den christ·lichen Höllen·darstel·lungen galt dabei den Schrecken der Hölle das Haupt·augenmerk.<br />
<br />
=== Die Zehn Welten ===<br />
<br />
Über den Sechs Wegen gibt es noch Vier Stufen der Buddha·schaft, sodass man das bud·dhis·tische Universum auch in Zehn Welten (jap. {{glossar:jukkai}}) unterteilt findet. Das folgende Bild, das dieses Universum zur Gänze repräsentiert, nennt sich daher auch Mandala der Zehn Welten (''jukkai mandara'').<br />
<br />
{{w500| rh= 600<br />
| kumano_sankei_mandara.jpg<br />
| Die Zehn Welten (''Kumano kanshin jukkai mandara'') <br /> Hängerollbild, Edo-Zeit, 17. Jh.<br />
| ref=1<br />
}}<br />
Auf diesem Bild sind die positiveren Bereiche der Wiedergeburt, einschließ·lich {{glossar:Amida|Amidas}} Paradies, in der oberen Bild·hälfte zu sehen, während die nega·ti·ven Be·reiche im unteren Teil zu finden sind. Die Welt der Menschen ist durch eine Lebens·treppe ver·sinn·bild·licht, die von der Geburt bis zum Tod reicht. In der Mitte des Bildes ist ein Toten·ritual dar·ge·stellt. Das Bild ver·deut·licht somit den Einfluss, den bud·dhis·tische Rituale auf das Schick·sal der Ver·stor·benen im Jen·seits haben können. <br />
<br />
{{floatright| top= -35 |rh= 300 |style= jumpright<br />
| zehn welten.jpg<br />
| Die Zehn Welten, schematisch<br />
| ref= 1<br />
}}<br />
In der unteren Bildhälfte mischen sich die Welt der Krie·ger·geis·ter (''ashura''), der Gerichts·hof Enmas (s.u.), die Welt der Tiere und der Hun·ger·geister. Die Be·reiche der Hölle (''jigoku'') nehmen einen be·son·ders pro·minen·ten Platz ein. Als klei·nen Hoff·nungs·schim·mer er·kennt man unter allen grauen·vollen Mons·tern aber auch den Bodhi·sattva {{glossar:jizou}} in der Vor·hölle der Kinder ({{glossar:sainokawara}}), denn zu Kin·dern hat dieser Bodhi·sattva ein be·son·deres Nahe·ver·hält·nis (s. [[Ikonographie/Jizo| Jizō]] im Kapitel „Ikono·graphie“). Links unten kann man ihn ein zweites Mal erken·nen, wie er zwei Ver·stor·bene aus der Hölle hinaus ge·leitet. <br />
Ein interes·san·tes Detail am Rande: Die ein·zel·nen Wel·ten in der obigen Ab·bil·dung sind mit {{glossar:torii}} mar·kiert, wie sie heute nur vor Shintō-Schrei·nen zu finden sind. Die ''torii'' stellen gleichsam die Ein·gänge zu den je·wei·ligen Welten dar.<br />
<br />
Auf dem Bild rechts sind die gleichen Zehn Welten etwas schema·tischer dar·ge·stellt. Ein·zel·ne ikono·graphi·sche Details, wie etwa der Mönch {{glossar:Mokuren}} bei sei·nem Besuch der Toten·welt, sind aber hier wie dort zu finden. Auch hier steht im Zent·rum das Schrift·zei·chen für „Herz“ (auch „Seele“ oder „Bewusst·sein“), von dem die Zehn Welten aus·zu·gehen scheinen.<br />
<br />
== Die buddhistische Totenwelt ==<br />
<br />
{{Float|left|style=margin-left:-2em|bild=enma_schreiber.gif}}<br />
Im Augen·blick des Todes gibt es nach gängigen buddhis·tischen Vor·stel·lungen zunächst zwei Möglich·keiten: Die erste besteht darin, direkt ins Nirvana oder in eine seiner Vorstufen, etwa das sogenannte Reine Land ein·zu·gehen und damit aus dem Zyklus der Wieder·geburten aus·zu·treten. Dieser Fall ist zwar eher un·wahr·schein·lich, die meisten Richtungen des japanischen Buddhismus erachten ihn aber prinzipiell für jeden, Mönch oder Laien, als möglich. (s. dazu [[Mythen/Paradiese | Paradiese]].)<br />
<br />
Die Mehrheit der Verstorbenen wird jedoch „wiedergeboren“, d.h. sie muss sich erneut den Leiden der irdischen Existenz aus·setzen. Zu·nächst muss aber geprüft werden in welchen Bereich der Wieder·geburt der Ver·storbene nun kommen soll. Dies wird von einem eigenen Gerichts·hof entschieden, der sich in einer Art Zwischen·welt innerhalb der Sechs Wege der Wiedergeburt befindet. Oberster Richter bzw. König dieser Unterwelt ist {{glossar:enma}} (skt. {{skt:Yama}}).<br />
<br />
=== Enma, Richter der Unterwelt ===<br />
<!--{{Sidebox| w=140|top=-30<br />
| enma_o.jpg<br />
| König Enma<br />
| ref=1<br />
}}<br />
-->{{Sidebox| w= 280| left= -70| top= -40<br />
| sidepage= Enma<br />
| enmaten_tnm.jpg<br />
| Enma, Richter und Wächter<br />
}}<br />
Enma, der zumeist von diversen furcht·ein·flößenden Schergen assistiert wird, repräsentiert, wenn man so will, den Gesetzes- und Polizei·apparat im buddhis·tischen Universum. Er besitzt einen Spiegel, der ihm über die Taten des „Angeklagten“ Aus·kunft gibt, oder er befragt zwei Geister, die jeden Sterblichen auf seinem Lebens·weg begleiten und Protokolle seiner guten und schlechten Taten an·legen. Enma ist nicht böse, aber er ist streng. Versucht man, ihn mit den buddhistischen Grund-Dogmen zu erklären, so könnte man in ihm die un·er·bittliche Konsequenz des {{skt:Karma}} erblicken.<br />
{{w500<br />
| enma gericht1.jpg<br />
| Gerichtshof des Enma<br />
| ref=1<br />
}}<br />
Enmas Ikono·graphie stammt aus China, obwohl die Figur selbst indische Wurzeln hat. In Japan lässt sich über die Jahrhunderte eine gewisse Tendenz erkennen, Enma immer stärker zu dämonisieren. Sein strafender Aspekt wird dadurch ver·stärkt, dass er die Gesichtszüge indischer [[Ikonographie/Waechtergoetter | Wächtergötter]] bekommt, doch richtet sich sein Zorn nicht gegen äußere Feinde des Buddhismus, sondern gegen gewöhnliche Sterbliche, die vom Pfad buddhistischer Tugenden abgewichen sind.<br />
<br />
=== Die Zehn Könige ===<br />
{{sidebox| left= -30<br />
| sidepage= Totenreich<br />
| jizo usuki.jpg<br />
| Die Könige des Totenreichs<br />
}}<br />
{{floatleft| rahmen_h= 280 |w=250|top=-10<br />
| 10kings_dunhuang.jpg<br />
| Totengericht (China)<br />
| ref=1<br />
}}<br />
Einer etwas anderen Vorstellung zufolge ist Enma lediglich einer von Zehn Königen bzw. Richtern, die jeweils über einen eigenen Gerichts·hof des Toten·reichs herrschen und vor denen die Ver·storbenen der Reihe nach Rede und Antwort stehen müssen. <br />
Die Einzel·heiten der Zehn Richter·könige sind in China ent·wickelt worden und auch auf japa·nischen Ab·bildungen tragen die Richter meist ein chine·sisches Gewand und eine cha·rak·teris·tische Kappe mit zwei seitwärts abste·henden „Ohren“, die sie als Ange·hörige des chine·sischen Beam·tenap·para·tes charak·terisiert.<br />
Die Ab·bildung links zeigt ein Detail aus dem chinesi·schen ''Sutra der Zehn Könige'' (jap. {{glossar:juuoukyou}}), in dem der Ge·richts·hof im bud·dhis·tischen Jen·seits in vielen Ein·zel·hei·ten gemäß der {{g|Tang}}-zeit·lichen chine·si·schen Rechts·praxis dar·ge·stellt wird. Das Bild ent·stammt einer Schrift·rolle aus dem zehnten Jahr·hundert, die in den Höh·len·tem·peln von {{glossar:Dunhuang}} ge·funden wurde.<br />
<br />
=== Datsueba ===<br />
{{sidebox| w= 140| rahmen_h= 180 <br />
| datsueba_gofukuji.jpg<br />
| Datsueba<br />
| ref=1<br />
}}<br />
Eine weitere Gestalt, die über das Schicksal der Totenseele ent·scheidet, ist die {{glossar:datsueba}}, die „Alte, die den Toten das Gewand aus·zieht“. Sie sitzt am Ufer der „Drei Furten“ (Sanzu), die auf dem Weg zur Totenwelt über·schritten werden müssen. Wenn die Toten diese Furten durch·schritten haben, zieht sie ihnen ihre nassen Kleider aus und hängt sie neben sich an einen Baum, der als eine Art Waage fungiert. Je tiefer die Äste durch das Gewand der Toten herab·gebogen werden, umso schwerer die Sünden und umso schreck·licher die Foltern, die den Verstorbenen erwarten.<br />
<br />
Die Vorstellung der Datsueba dürfte in Japan entstanden sein. Sie findet sich jeden·falls nicht in chinesischen Unter·welt·dar·stel·lungen, während sie in Japan ab der {{g|Kamakura}}-Zeit ein gängiges Motiv des Jenseits·glaubens darstellt.<br />
<br />
==Außerbuddhistische Vorstellungen==<br />
<br />
Neben buddhistischen Vorstellungen findet sich in japanischen Geschichten und Legenden auch die daoistische Insel der Un·sterb·lich·keit, die irgendwo weit draußen auf dem Meer zu finden sein soll. Dieser Glaube hat in vielen volks·religiösen Bräuchen Ein·gang gefunden. Auch das Schatz·schiff der [[Ikonographie/Gluecksgoetter | Sieben Glücksgötter]] ({{g|shichifukujin}}) und der Palast des [[Mythen/Imaginaere Tiere/Drachenbilder | Drachenkönigs]] stehen wohl irgendwie mit diesem über·seeischen Paradies in Verbindung.<br />
<br />
In den alten Mythen begegnen wir vor allem dem Schattenreich {{glossar:yomi}}, das {{Glossar:Izanami}} nach ihrem Tod be·herrscht. Ähnlich wie bei den Griechen und Römern gibt es im ja·pa·nischen Mythos zwar die strahlende Welt der Götter, doch ist diese den ge·wöhn·lichen Sterblichen un·zu·gäng·lich. Inwieweit im vorbuddhistischen Japan auch positive Jenseits·vor·stel·lungen vorhanden waren, wurde schon inner·halb der [[Geschichte/Kokugaku | Kokugaku-Schule]] im ach·zehnten und neun·zehnten Jahr·hundert heftig diskutiert. {{glossar:motoorinorinaga}} (1730–1801) wies darauf·hin, dass die Mythen nur ein pessimistisches Jenseits kennen. Dem·gegen·über suchte {{Glossar:Hirataatsutane}} (1776–1843) nach positiven Jenseits·bildern im Volks·glauben und vertrat die Ansicht, dass diese den ursprünglichen Shintō wider·spiegeln würden. Heute neigen viele Gelehrte eher zu Norinagas Auf·fassung und sehen in Atsutanes Position einen pro·pa·gan·dis·tischen Versuch, den Shinto gegenüber dem Buddhismus auf·zu·werten. Wahrscheinlich gab es aber auch hier, ebenso wie in anderen Bereichen, starke regionale Unter·schiede innerhalb der vor·bud·dhis·tischen Religion.<br />
<br />
{{Verweise<br />
| FN=0<br />
| literatur=<br />
{{Literatur:Formanek_Lafleur_2004|Siehe insbesondere die ikonographischen Beschreibungen der Hölle.}}<br />
| links=<br />
* [http://kikyo.nichibun.ac.jp/emakimono/ Emakimono database], International Research Center for Japanese Studies (Nichibunken) - Kyoto (jap.)<br/>Sehr attraktiv gestaltete Website, auf der mehrere Edo-zeitliche Bildrollen (''emaki'') zu Themen wie Jenseits oder Gespenster vollständig zu betrachten sind. Leider keine genauen bibliographischen Angaben.<br />
| update= Aug. 2010<br />
}}<br />
{{ThisWay|Mythen/Paradiese}}</div>
Nicole Janker
https://religion-in-japan.univie.ac.at/r/index.php?title=Mythen/Jenseits&diff=59887
Mythen/Jenseits
2015-09-25T09:37:05Z
<p>Nicole Janker: /* Datsueba */</p>
<hr />
<div>{{Styles}}<br />
{{titel | Jenseitsvorstellungen}}<br />
<br />
{{fl|W}}as die gegen·wärtige japanische Ge·sell·schaft betrifft, ist es kaum möglich, ver·bindliche, von der gesamten Be·völkerung geteilte Auf·fassungen über das Jenseits in Kürze zusammenzufassen: Neben buddhis·tischen und volks·reli·giösen Vor·stellungen mischen sich sowohl christliche Ideen als auch ''science fiction''-Motive in die Jenseits·bilder der modernen Japaner. So wie die Religion als Ganzes haben sich auch die Bilder des Jenseits privatisiert: Jeder hat seine eigene Vorstellung vom Jenseits. <br />
<br />
{{w500<br />
| jigokusoshi_emaki1.jpg<br />
| Totenseelen auf der Reise ins Jenseits (späte Edo-Zeit)<br />
| ref=1<br />
}}<br />
Es gibt jedoch altein·gesessene traditio·nelle Vorstellungen, die noch heute wirksam sind. Sie stellen ein un·er·schöpf·liches Reservoir für die soge·nannten [[Geschichte/Neue Religionen|Neuen Religionen]] dar und erhalten darüber hinaus in der Welt der Manga und Anime immer wieder neue Aktualität. <br />
Diese traditionellen Jenseitsbilder sind überwiegend vom Bud·dhis·mus geprägt. Das hängt u.a. mit dem bereits er·wähnten „arbeits·teiligen“ Ver·hältnis von Buddhismus (jap. {{g|bukkyou}}) und {{g|Shintou}} zu·sam·men, nach dem die Götter des Shintō vor·rangig für den Bereich des Dies·seits und das unmit·telbare Wohler·gehen, die buddhis·tischen Heils·gestal·ten dagegen eher für den Tod und das Jen·seits zuständig sind (s. Grundbegriffe, [[Grundbegriffe/Shinto | Shintō]]). <br />
<br />
== Topographie des Jenseits ==<br />
<br />
Philosophisch gesehen gibt es im Buddhismus nur ein ab·solutes Jenseits — das {{skt:Nirvana}}, das in der voll·ständigen Aus·löschung alles Dies·seitigen besteht. Alles andere, auch die Wege der Toten·seelen von einer Wieder·geburt zur nächsten, gehört zum Dies·seits ({{skt:Samsara}} = Kreislauf der Wiedergeburten) und führt letzt·lich zu neuen, leid·vollen Existenzen (s. Grundbegriffe, [[Grundbegriffe/Buddhismus | Buddhismus]]). In der Praxis kennt jedoch auch der Bud·dhis·mus ein sichtbares, unmittelbar erfahrbares Diesseits und ein unsichtbares Jenseits, in dem sich Geister und Totenseelen aufhalten. Es gibt darüber hinaus ein Paradies ({{glossar:gokuraku}}), das die Vorstufe zum Nirvana darstellt, und es gibt eine Hölle ({{glossar:jigoku}}). <br />
<br />
=== Die Sechs Bereiche der Wiedergeburt ===<br />
<br />
Das Gesetz des {{skt:Karma}} regelt genau genommen nur jenen Bereich des Samsara, den man die Welt der Begierden (skt. Kamadhatu) nennt. Dieser Bereich unterteilt sich weiter in die so·ge·nannten Sechs Wege ({{glossar:rokudou}}). Das sind sechs Existenz·formen, in die man hin·ein·geboren werden kann, je nachdem, ob man in ver·gangenen Leben gutes oder schlechtes Karma angehäuft hat. Diese Existenz·formen sind:<br />
<br />
:# Götter ({{s|Deva|''devas''}}), die im Buddhismus sterblich sind<br />
:# Kriegergeister (jap. {{glossar:ashura|''(a)shura''}} von skt. ''asura'')<br />
:# Menschen<br />
:# Tiere<br />
:# Hungergeister (jap. {{glossar:gaki}}, skt. ''preta'')<br />
:# Hölle, die sich wiederum in acht Einzelhöllen unterteilt<br />
<br />
{{Sidebox| w= 140<br />
| sidepage=Ashura<br />
| ashura2.jpg<br />
| ''Ashura''<br />
}}<br />
Wie anhand der Sanskrit·termini zu erkennen, stammen die Bereiche der Wieder·geburt aus dem indischen Bud·dhis·mus und reflek·tieren dort gängige reli·giöse Vor·stel·lungen. Diese haben sich in China und Japan unter·schied·lich stark ein·ge·heimatet. Von den Krieger·geistern ist relativ wenig zu hören und zu sehen. Auch die Mög·lich·keit, als (hinduistischer) Gott wieder·geboren zu werden, exis·tiert in erster Linie in der Theo·rie.<br />
Die Menschen erleben das Leid, das im Grunde alle sechs Existenz·formen prägt, zwar inten·siver als Götter und Krie·ger·geister, doch ist das Poten·tial, aus dem Gebur·ten·kreis·lauf aus·zu·treten, in der Welt der Menschen höher. Insofern ist die Hierarchie zwischen den oberen drei Berei·chen der Wieder·geburt auch nicht ein·deutig zu be·stimmen. <br />
<br />
Tiere, Hunger·geister und Höllen·wesen sind hingegen als direkte Konse·quenz der karmi·schen Bestra·fung anzu·sehen und zwar in zuneh·mend nega·tiver Form. ([[Mythen/Imaginaere Tiere|Imaginäre Tiere]], die den Menschen ja grund·sätzlich über·legen sind, scheinen im übri·gen eher dem Weg der Gott·heiten anzugehören.) Obwohl Hunger·geis·ter und Höllen·we·sen den Menschen nicht sichtbar sind, machte man sich in China und Japan sehr kon·krete Vor·stel·lungen von ihnen und wid·mete ihnen sowohl rituell als auch ikono·graphisch große Auf·merk·sam·keit. Ähn·lich wie in den christ·lichen Höllen·darstel·lungen galt dabei den Schrecken der Hölle das Haupt·augenmerk.<br />
<br />
=== Die Zehn Welten ===<br />
<br />
Über den Sechs Wegen gibt es noch Vier Stufen der Buddha·schaft, sodass man das bud·dhis·tische Universum auch in Zehn Welten (jap. {{glossar:jukkai}}) unterteilt findet. Das folgende Bild, das dieses Universum zur Gänze repräsentiert, nennt sich daher auch Mandala der Zehn Welten (''jukkai mandara'').<br />
<br />
{{w500| rh= 600<br />
| kumano_sankei_mandara.jpg<br />
| Die Zehn Welten (''Kumano kanshin jukkai mandara'') <br /> Hängerollbild, Edo-Zeit, 17. Jh.<br />
| ref=1<br />
}}<br />
Auf diesem Bild sind die positiveren Bereiche der Wiedergeburt, einschließ·lich {{glossar:Amida|Amidas}} Paradies, in der oberen Bild·hälfte zu sehen, während die nega·ti·ven Be·reiche im unteren Teil zu finden sind. Die Welt der Menschen ist durch eine Lebens·treppe ver·sinn·bild·licht, die von der Geburt bis zum Tod reicht. In der Mitte des Bildes ist ein Toten·ritual dar·ge·stellt. Das Bild ver·deut·licht somit den Einfluss, den bud·dhis·tische Rituale auf das Schick·sal der Ver·stor·benen im Jen·seits haben können. <br />
<br />
{{floatright| top= -35 |rh= 300 |style= jumpright<br />
| zehn welten.jpg<br />
| Die Zehn Welten, schematisch<br />
| ref= 1<br />
}}<br />
In der unteren Bildhälfte mischen sich die Welt der Krie·ger·geis·ter (''ashura''), der Gerichts·hof Enmas (s.u.), die Welt der Tiere und der Hun·ger·geister. Die Be·reiche der Hölle (''jigoku'') nehmen einen be·son·ders pro·minen·ten Platz ein. Als klei·nen Hoff·nungs·schim·mer er·kennt man unter allen grauen·vollen Mons·tern aber auch den Bodhi·sattva {{glossar:jizou}} in der Vor·hölle der Kinder ({{glossar:sainokawara}}), denn zu Kin·dern hat dieser Bodhi·sattva ein be·son·deres Nahe·ver·hält·nis (s. [[Ikonographie/Jizo| Jizō]] im Kapitel „Ikono·graphie“). Links unten kann man ihn ein zweites Mal erken·nen, wie er zwei Ver·stor·bene aus der Hölle hinaus ge·leitet. <br />
Ein interes·san·tes Detail am Rande: Die ein·zel·nen Wel·ten in der obigen Ab·bil·dung sind mit {{glossar:torii}} mar·kiert, wie sie heute nur vor Shintō-Schrei·nen zu finden sind. Die ''torii'' stellen gleichsam die Ein·gänge zu den je·wei·ligen Welten dar.<br />
<br />
Auf dem Bild rechts sind die gleichen Zehn Welten etwas schema·tischer dar·ge·stellt. Ein·zel·ne ikono·graphi·sche Details, wie etwa der Mönch {{glossar:Mokuren}} bei sei·nem Besuch der Toten·welt, sind aber hier wie dort zu finden. Auch hier steht im Zent·rum das Schrift·zei·chen für „Herz“ (auch „Seele“ oder „Bewusst·sein“), von dem die Zehn Welten aus·zu·gehen scheinen.<br />
<br />
== Die buddhistische Totenwelt ==<br />
<br />
{{Float|left|style=margin-left:-2em|bild=enma_schreiber.gif}}<br />
Im Augen·blick des Todes gibt es nach gängigen buddhis·tischen Vor·stel·lungen zunächst zwei Möglich·keiten: Die erste besteht darin, direkt ins Nirvana oder in eine seiner Vorstufen, etwa das sogenannte Reine Land ein·zu·gehen und damit aus dem Zyklus der Wieder·geburten aus·zu·treten. Dieser Fall ist zwar eher un·wahr·schein·lich, die meisten Richtungen des japanischen Buddhismus erachten ihn aber prinzipiell für jeden, Mönch oder Laien, als möglich. (s. dazu [[Mythen/Paradiese | Paradiese]].)<br />
<br />
Die Mehrheit der Verstorbenen wird jedoch „wiedergeboren“, d.h. sie muss sich erneut den Leiden der irdischen Existenz aus·setzen. Zu·nächst muss aber geprüft werden in welchen Bereich der Wieder·geburt der Ver·storbene nun kommen soll. Dies wird von einem eigenen Gerichts·hof entschieden, der sich in einer Art Zwischen·welt innerhalb der Sechs Wege der Wiedergeburt befindet. Oberster Richter bzw. König dieser Unterwelt ist {{glossar:enma}} (skt. {{skt:Yama}}).<br />
<br />
=== Enma, Richter der Unterwelt ===<br />
<!--{{Sidebox| w=140|top=-30<br />
| enma_o.jpg<br />
| König Enma<br />
| ref=1<br />
}}<br />
-->{{Sidebox| w= 280| left= -70| top= -40<br />
| sidepage= Enma<br />
| enmaten_tnm.jpg<br />
| Enma, Richter und Wächter<br />
}}<br />
Enma, der zumeist von diversen furcht·ein·flößenden Schergen assistiert wird, repräsentiert, wenn man so will, den Gesetzes- und Polizei·apparat im buddhis·tischen Universum. Er besitzt einen Spiegel, der ihm über die Taten des „Angeklagten“ Aus·kunft gibt, oder er befragt zwei Geister, die jeden Sterblichen auf seinem Lebens·weg begleiten und Protokolle seiner guten und schlechten Taten an·legen. Enma ist nicht böse, aber er ist streng. Versucht man, ihn mit den buddhistischen Grund-Dogmen zu erklären, so könnte man in ihm die un·er·bittliche Konsequenz des {{skt:Karma}} erblicken.<br />
{{w500<br />
| enma gericht1.jpg<br />
| Gerichtshof des Enma<br />
| ref=1<br />
}}<br />
Enmas Ikono·graphie stammt aus China, obwohl die Figur selbst indische Wurzeln hat. In Japan lässt sich über die Jahrhunderte eine gewisse Tendenz erkennen, Enma immer stärker zu dämonisieren. Sein strafender Aspekt wird dadurch ver·stärkt, dass er die Gesichtszüge indischer [[Ikonographie/Waechtergoetter | Wächtergötter]] bekommt, doch richtet sich sein Zorn nicht gegen äußere Feinde des Buddhismus, sondern gegen gewöhnliche Sterbliche, die vom Pfad buddhistischer Tugenden abgewichen sind.<br />
<br />
=== Die Zehn Könige ===<br />
{{sidebox| left= -30<br />
| sidepage= Totenreich<br />
| jizo usuki.jpg<br />
| Die Könige des Totenreichs<br />
}}<br />
{{floatleft| rahmen_h= 280 |w=250|top=-10<br />
| 10kings_dunhuang.jpg<br />
| Totengericht (China)<br />
| ref=1<br />
}}<br />
Einer etwas anderen Vorstellung zufolge ist Enma lediglich einer von Zehn Königen bzw. Richtern, die jeweils über einen eigenen Gerichts·hof des Toten·reichs herrschen und vor denen die Ver·storbenen der Reihe nach Rede und Antwort stehen müssen. <br />
Die Einzel·heiten der Zehn Richter·könige sind in China ent·wickelt worden und auch auf japa·nischen Ab·bildungen tragen die Richter meist ein chine·sisches Gewand und eine cha·rak·teris·tische Kappe mit zwei seitwärts abste·henden „Ohren“, die sie als Ange·hörige des chine·sischen Beam·tenap·para·tes charak·terisiert.<br />
Die Ab·bildung links zeigt ein Detail aus dem chinesi·schen ''Sutra der Zehn Könige'' (jap. {{glossar:juuoukyou}}), in dem der Ge·richts·hof im bud·dhis·tischen Jen·seits in vielen Ein·zel·hei·ten gemäß der Tang-zeit·lichen chine·si·schen Rechts·praxis dar·ge·stellt wird. Das Bild ent·stammt einer Schrift·rolle aus dem zehnten Jahr·hundert, die in den Höh·len·tem·peln von {{glossar:Dunhuang}} ge·funden wurde.<br />
<br />
=== Datsueba ===<br />
{{sidebox| w= 140| rahmen_h= 180 <br />
| datsueba_gofukuji.jpg<br />
| Datsueba<br />
| ref=1<br />
}}<br />
Eine weitere Gestalt, die über das Schicksal der Totenseele ent·scheidet, ist die {{glossar:datsueba}}, die „Alte, die den Toten das Gewand aus·zieht“. Sie sitzt am Ufer der „Drei Furten“ (Sanzu), die auf dem Weg zur Totenwelt über·schritten werden müssen. Wenn die Toten diese Furten durch·schritten haben, zieht sie ihnen ihre nassen Kleider aus und hängt sie neben sich an einen Baum, der als eine Art Waage fungiert. Je tiefer die Äste durch das Gewand der Toten herab·gebogen werden, umso schwerer die Sünden und umso schreck·licher die Foltern, die den Verstorbenen erwarten.<br />
<br />
Die Vorstellung der Datsueba dürfte in Japan entstanden sein. Sie findet sich jeden·falls nicht in chinesischen Unter·welt·dar·stel·lungen, während sie in Japan ab der {{g|Kamakura}}-Zeit ein gängiges Motiv des Jenseits·glaubens darstellt.<br />
<br />
==Außerbuddhistische Vorstellungen==<br />
<br />
Neben buddhistischen Vorstellungen findet sich in japanischen Geschichten und Legenden auch die daoistische Insel der Un·sterb·lich·keit, die irgendwo weit draußen auf dem Meer zu finden sein soll. Dieser Glaube hat in vielen volks·religiösen Bräuchen Ein·gang gefunden. Auch das Schatz·schiff der [[Ikonographie/Gluecksgoetter | Sieben Glücksgötter]] ({{g|shichifukujin}}) und der Palast des [[Mythen/Imaginaere Tiere/Drachenbilder | Drachenkönigs]] stehen wohl irgendwie mit diesem über·seeischen Paradies in Verbindung.<br />
<br />
In den alten Mythen begegnen wir vor allem dem Schattenreich {{glossar:yomi}}, das {{Glossar:Izanami}} nach ihrem Tod be·herrscht. Ähnlich wie bei den Griechen und Römern gibt es im ja·pa·nischen Mythos zwar die strahlende Welt der Götter, doch ist diese den ge·wöhn·lichen Sterblichen un·zu·gäng·lich. Inwieweit im vorbuddhistischen Japan auch positive Jenseits·vor·stel·lungen vorhanden waren, wurde schon inner·halb der [[Geschichte/Kokugaku | Kokugaku-Schule]] im ach·zehnten und neun·zehnten Jahr·hundert heftig diskutiert. {{glossar:motoorinorinaga}} (1730–1801) wies darauf·hin, dass die Mythen nur ein pessimistisches Jenseits kennen. Dem·gegen·über suchte {{Glossar:Hirataatsutane}} (1776–1843) nach positiven Jenseits·bildern im Volks·glauben und vertrat die Ansicht, dass diese den ursprünglichen Shintō wider·spiegeln würden. Heute neigen viele Gelehrte eher zu Norinagas Auf·fassung und sehen in Atsutanes Position einen pro·pa·gan·dis·tischen Versuch, den Shinto gegenüber dem Buddhismus auf·zu·werten. Wahrscheinlich gab es aber auch hier, ebenso wie in anderen Bereichen, starke regionale Unter·schiede innerhalb der vor·bud·dhis·tischen Religion.<br />
<br />
{{Verweise<br />
| FN=0<br />
| literatur=<br />
{{Literatur:Formanek_Lafleur_2004|Siehe insbesondere die ikonographischen Beschreibungen der Hölle.}}<br />
| links=<br />
* [http://kikyo.nichibun.ac.jp/emakimono/ Emakimono database], International Research Center for Japanese Studies (Nichibunken) - Kyoto (jap.)<br/>Sehr attraktiv gestaltete Website, auf der mehrere Edo-zeitliche Bildrollen (''emaki'') zu Themen wie Jenseits oder Gespenster vollständig zu betrachten sind. Leider keine genauen bibliographischen Angaben.<br />
| update= Aug. 2010<br />
}}<br />
{{ThisWay|Mythen/Paradiese}}</div>
Nicole Janker
https://religion-in-japan.univie.ac.at/r/index.php?title=Mythen/Jenseits&diff=59886
Mythen/Jenseits
2015-09-25T09:34:37Z
<p>Nicole Janker: </p>
<hr />
<div>{{Styles}}<br />
{{titel | Jenseitsvorstellungen}}<br />
<br />
{{fl|W}}as die gegen·wärtige japanische Ge·sell·schaft betrifft, ist es kaum möglich, ver·bindliche, von der gesamten Be·völkerung geteilte Auf·fassungen über das Jenseits in Kürze zusammenzufassen: Neben buddhis·tischen und volks·reli·giösen Vor·stellungen mischen sich sowohl christliche Ideen als auch ''science fiction''-Motive in die Jenseits·bilder der modernen Japaner. So wie die Religion als Ganzes haben sich auch die Bilder des Jenseits privatisiert: Jeder hat seine eigene Vorstellung vom Jenseits. <br />
<br />
{{w500<br />
| jigokusoshi_emaki1.jpg<br />
| Totenseelen auf der Reise ins Jenseits (späte Edo-Zeit)<br />
| ref=1<br />
}}<br />
Es gibt jedoch altein·gesessene traditio·nelle Vorstellungen, die noch heute wirksam sind. Sie stellen ein un·er·schöpf·liches Reservoir für die soge·nannten [[Geschichte/Neue Religionen|Neuen Religionen]] dar und erhalten darüber hinaus in der Welt der Manga und Anime immer wieder neue Aktualität. <br />
Diese traditionellen Jenseitsbilder sind überwiegend vom Bud·dhis·mus geprägt. Das hängt u.a. mit dem bereits er·wähnten „arbeits·teiligen“ Ver·hältnis von Buddhismus (jap. {{g|bukkyou}}) und {{g|Shintou}} zu·sam·men, nach dem die Götter des Shintō vor·rangig für den Bereich des Dies·seits und das unmit·telbare Wohler·gehen, die buddhis·tischen Heils·gestal·ten dagegen eher für den Tod und das Jen·seits zuständig sind (s. Grundbegriffe, [[Grundbegriffe/Shinto | Shintō]]). <br />
<br />
== Topographie des Jenseits ==<br />
<br />
Philosophisch gesehen gibt es im Buddhismus nur ein ab·solutes Jenseits — das {{skt:Nirvana}}, das in der voll·ständigen Aus·löschung alles Dies·seitigen besteht. Alles andere, auch die Wege der Toten·seelen von einer Wieder·geburt zur nächsten, gehört zum Dies·seits ({{skt:Samsara}} = Kreislauf der Wiedergeburten) und führt letzt·lich zu neuen, leid·vollen Existenzen (s. Grundbegriffe, [[Grundbegriffe/Buddhismus | Buddhismus]]). In der Praxis kennt jedoch auch der Bud·dhis·mus ein sichtbares, unmittelbar erfahrbares Diesseits und ein unsichtbares Jenseits, in dem sich Geister und Totenseelen aufhalten. Es gibt darüber hinaus ein Paradies ({{glossar:gokuraku}}), das die Vorstufe zum Nirvana darstellt, und es gibt eine Hölle ({{glossar:jigoku}}). <br />
<br />
=== Die Sechs Bereiche der Wiedergeburt ===<br />
<br />
Das Gesetz des {{skt:Karma}} regelt genau genommen nur jenen Bereich des Samsara, den man die Welt der Begierden (skt. Kamadhatu) nennt. Dieser Bereich unterteilt sich weiter in die so·ge·nannten Sechs Wege ({{glossar:rokudou}}). Das sind sechs Existenz·formen, in die man hin·ein·geboren werden kann, je nachdem, ob man in ver·gangenen Leben gutes oder schlechtes Karma angehäuft hat. Diese Existenz·formen sind:<br />
<br />
:# Götter ({{s|Deva|''devas''}}), die im Buddhismus sterblich sind<br />
:# Kriegergeister (jap. {{glossar:ashura|''(a)shura''}} von skt. ''asura'')<br />
:# Menschen<br />
:# Tiere<br />
:# Hungergeister (jap. {{glossar:gaki}}, skt. ''preta'')<br />
:# Hölle, die sich wiederum in acht Einzelhöllen unterteilt<br />
<br />
{{Sidebox| w= 140<br />
| sidepage=Ashura<br />
| ashura2.jpg<br />
| ''Ashura''<br />
}}<br />
Wie anhand der Sanskrit·termini zu erkennen, stammen die Bereiche der Wieder·geburt aus dem indischen Bud·dhis·mus und reflek·tieren dort gängige reli·giöse Vor·stel·lungen. Diese haben sich in China und Japan unter·schied·lich stark ein·ge·heimatet. Von den Krieger·geistern ist relativ wenig zu hören und zu sehen. Auch die Mög·lich·keit, als (hinduistischer) Gott wieder·geboren zu werden, exis·tiert in erster Linie in der Theo·rie.<br />
Die Menschen erleben das Leid, das im Grunde alle sechs Existenz·formen prägt, zwar inten·siver als Götter und Krie·ger·geister, doch ist das Poten·tial, aus dem Gebur·ten·kreis·lauf aus·zu·treten, in der Welt der Menschen höher. Insofern ist die Hierarchie zwischen den oberen drei Berei·chen der Wieder·geburt auch nicht ein·deutig zu be·stimmen. <br />
<br />
Tiere, Hunger·geister und Höllen·wesen sind hingegen als direkte Konse·quenz der karmi·schen Bestra·fung anzu·sehen und zwar in zuneh·mend nega·tiver Form. ([[Mythen/Imaginaere Tiere|Imaginäre Tiere]], die den Menschen ja grund·sätzlich über·legen sind, scheinen im übri·gen eher dem Weg der Gott·heiten anzugehören.) Obwohl Hunger·geis·ter und Höllen·we·sen den Menschen nicht sichtbar sind, machte man sich in China und Japan sehr kon·krete Vor·stel·lungen von ihnen und wid·mete ihnen sowohl rituell als auch ikono·graphisch große Auf·merk·sam·keit. Ähn·lich wie in den christ·lichen Höllen·darstel·lungen galt dabei den Schrecken der Hölle das Haupt·augenmerk.<br />
<br />
=== Die Zehn Welten ===<br />
<br />
Über den Sechs Wegen gibt es noch Vier Stufen der Buddha·schaft, sodass man das bud·dhis·tische Universum auch in Zehn Welten (jap. {{glossar:jukkai}}) unterteilt findet. Das folgende Bild, das dieses Universum zur Gänze repräsentiert, nennt sich daher auch Mandala der Zehn Welten (''jukkai mandara'').<br />
<br />
{{w500| rh= 600<br />
| kumano_sankei_mandara.jpg<br />
| Die Zehn Welten (''Kumano kanshin jukkai mandara'') <br /> Hängerollbild, Edo-Zeit, 17. Jh.<br />
| ref=1<br />
}}<br />
Auf diesem Bild sind die positiveren Bereiche der Wiedergeburt, einschließ·lich {{glossar:Amida|Amidas}} Paradies, in der oberen Bild·hälfte zu sehen, während die nega·ti·ven Be·reiche im unteren Teil zu finden sind. Die Welt der Menschen ist durch eine Lebens·treppe ver·sinn·bild·licht, die von der Geburt bis zum Tod reicht. In der Mitte des Bildes ist ein Toten·ritual dar·ge·stellt. Das Bild ver·deut·licht somit den Einfluss, den bud·dhis·tische Rituale auf das Schick·sal der Ver·stor·benen im Jen·seits haben können. <br />
<br />
{{floatright| top= -35 |rh= 300 |style= jumpright<br />
| zehn welten.jpg<br />
| Die Zehn Welten, schematisch<br />
| ref= 1<br />
}}<br />
In der unteren Bildhälfte mischen sich die Welt der Krie·ger·geis·ter (''ashura''), der Gerichts·hof Enmas (s.u.), die Welt der Tiere und der Hun·ger·geister. Die Be·reiche der Hölle (''jigoku'') nehmen einen be·son·ders pro·minen·ten Platz ein. Als klei·nen Hoff·nungs·schim·mer er·kennt man unter allen grauen·vollen Mons·tern aber auch den Bodhi·sattva {{glossar:jizou}} in der Vor·hölle der Kinder ({{glossar:sainokawara}}), denn zu Kin·dern hat dieser Bodhi·sattva ein be·son·deres Nahe·ver·hält·nis (s. [[Ikonographie/Jizo| Jizō]] im Kapitel „Ikono·graphie“). Links unten kann man ihn ein zweites Mal erken·nen, wie er zwei Ver·stor·bene aus der Hölle hinaus ge·leitet. <br />
Ein interes·san·tes Detail am Rande: Die ein·zel·nen Wel·ten in der obigen Ab·bil·dung sind mit {{glossar:torii}} mar·kiert, wie sie heute nur vor Shintō-Schrei·nen zu finden sind. Die ''torii'' stellen gleichsam die Ein·gänge zu den je·wei·ligen Welten dar.<br />
<br />
Auf dem Bild rechts sind die gleichen Zehn Welten etwas schema·tischer dar·ge·stellt. Ein·zel·ne ikono·graphi·sche Details, wie etwa der Mönch {{glossar:Mokuren}} bei sei·nem Besuch der Toten·welt, sind aber hier wie dort zu finden. Auch hier steht im Zent·rum das Schrift·zei·chen für „Herz“ (auch „Seele“ oder „Bewusst·sein“), von dem die Zehn Welten aus·zu·gehen scheinen.<br />
<br />
== Die buddhistische Totenwelt ==<br />
<br />
{{Float|left|style=margin-left:-2em|bild=enma_schreiber.gif}}<br />
Im Augen·blick des Todes gibt es nach gängigen buddhis·tischen Vor·stel·lungen zunächst zwei Möglich·keiten: Die erste besteht darin, direkt ins Nirvana oder in eine seiner Vorstufen, etwa das sogenannte Reine Land ein·zu·gehen und damit aus dem Zyklus der Wieder·geburten aus·zu·treten. Dieser Fall ist zwar eher un·wahr·schein·lich, die meisten Richtungen des japanischen Buddhismus erachten ihn aber prinzipiell für jeden, Mönch oder Laien, als möglich. (s. dazu [[Mythen/Paradiese | Paradiese]].)<br />
<br />
Die Mehrheit der Verstorbenen wird jedoch „wiedergeboren“, d.h. sie muss sich erneut den Leiden der irdischen Existenz aus·setzen. Zu·nächst muss aber geprüft werden in welchen Bereich der Wieder·geburt der Ver·storbene nun kommen soll. Dies wird von einem eigenen Gerichts·hof entschieden, der sich in einer Art Zwischen·welt innerhalb der Sechs Wege der Wiedergeburt befindet. Oberster Richter bzw. König dieser Unterwelt ist {{glossar:enma}} (skt. {{skt:Yama}}).<br />
<br />
=== Enma, Richter der Unterwelt ===<br />
<!--{{Sidebox| w=140|top=-30<br />
| enma_o.jpg<br />
| König Enma<br />
| ref=1<br />
}}<br />
-->{{Sidebox| w= 280| left= -70| top= -40<br />
| sidepage= Enma<br />
| enmaten_tnm.jpg<br />
| Enma, Richter und Wächter<br />
}}<br />
Enma, der zumeist von diversen furcht·ein·flößenden Schergen assistiert wird, repräsentiert, wenn man so will, den Gesetzes- und Polizei·apparat im buddhis·tischen Universum. Er besitzt einen Spiegel, der ihm über die Taten des „Angeklagten“ Aus·kunft gibt, oder er befragt zwei Geister, die jeden Sterblichen auf seinem Lebens·weg begleiten und Protokolle seiner guten und schlechten Taten an·legen. Enma ist nicht böse, aber er ist streng. Versucht man, ihn mit den buddhistischen Grund-Dogmen zu erklären, so könnte man in ihm die un·er·bittliche Konsequenz des {{skt:Karma}} erblicken.<br />
{{w500<br />
| enma gericht1.jpg<br />
| Gerichtshof des Enma<br />
| ref=1<br />
}}<br />
Enmas Ikono·graphie stammt aus China, obwohl die Figur selbst indische Wurzeln hat. In Japan lässt sich über die Jahrhunderte eine gewisse Tendenz erkennen, Enma immer stärker zu dämonisieren. Sein strafender Aspekt wird dadurch ver·stärkt, dass er die Gesichtszüge indischer [[Ikonographie/Waechtergoetter | Wächtergötter]] bekommt, doch richtet sich sein Zorn nicht gegen äußere Feinde des Buddhismus, sondern gegen gewöhnliche Sterbliche, die vom Pfad buddhistischer Tugenden abgewichen sind.<br />
<br />
=== Die Zehn Könige ===<br />
{{sidebox| left= -30<br />
| sidepage= Totenreich<br />
| jizo usuki.jpg<br />
| Die Könige des Totenreichs<br />
}}<br />
{{floatleft| rahmen_h= 280 |w=250|top=-10<br />
| 10kings_dunhuang.jpg<br />
| Totengericht (China)<br />
| ref=1<br />
}}<br />
Einer etwas anderen Vorstellung zufolge ist Enma lediglich einer von Zehn Königen bzw. Richtern, die jeweils über einen eigenen Gerichts·hof des Toten·reichs herrschen und vor denen die Ver·storbenen der Reihe nach Rede und Antwort stehen müssen. <br />
Die Einzel·heiten der Zehn Richter·könige sind in China ent·wickelt worden und auch auf japa·nischen Ab·bildungen tragen die Richter meist ein chine·sisches Gewand und eine cha·rak·teris·tische Kappe mit zwei seitwärts abste·henden „Ohren“, die sie als Ange·hörige des chine·sischen Beam·tenap·para·tes charak·terisiert.<br />
Die Ab·bildung links zeigt ein Detail aus dem chinesi·schen ''Sutra der Zehn Könige'' (jap. {{glossar:juuoukyou}}), in dem der Ge·richts·hof im bud·dhis·tischen Jen·seits in vielen Ein·zel·hei·ten gemäß der Tang-zeit·lichen chine·si·schen Rechts·praxis dar·ge·stellt wird. Das Bild ent·stammt einer Schrift·rolle aus dem zehnten Jahr·hundert, die in den Höh·len·tem·peln von {{glossar:Dunhuang}} ge·funden wurde.<br />
<br />
=== Datsueba ===<br />
{{sidebox| w= 140| rahmen_h= 180 <br />
| datsueba_gofukuji.jpg<br />
| Datsueba<br />
| ref=1<br />
}}<br />
Eine weitere Gestalt, die über das Schicksal der Totenseele ent·scheidet, ist die {{glossar:datsueba}}, die „Alte, die den Toten das Gewand aus·zieht“. Sie sitzt am Ufer der „Drei Furten“ (Sanzu), die auf dem Weg zur Totenwelt über·schritten werden müssen. Wenn die Toten diese Furten durch·schritten haben, zieht sie ihnen ihre nassen Kleider aus und hängt sie neben sich an einen Baum, der als eine Art Waage fungiert. Je tiefer die Äste durch das Gewand der Toten herab·gebogen werden, umso schwerer die Sünden und umso schreck·licher die Foltern, die den Verstorbenen erwarten.<br />
<br />
Die Vorstellung der Datsueba dürfte in Japan entstanden sein. Sie findet sich jeden·falls nicht in chinesischen Unter·welt·dar·stel·lungen, während sie in Japan ab der Kamakura-Zeit ein gängiges Motiv des Jenseits·glaubens darstellt.<br />
<br />
==Außerbuddhistische Vorstellungen==<br />
<br />
Neben buddhistischen Vorstellungen findet sich in japanischen Geschichten und Legenden auch die daoistische Insel der Un·sterb·lich·keit, die irgendwo weit draußen auf dem Meer zu finden sein soll. Dieser Glaube hat in vielen volks·religiösen Bräuchen Ein·gang gefunden. Auch das Schatz·schiff der [[Ikonographie/Gluecksgoetter | Sieben Glücksgötter]] ({{g|shichifukujin}}) und der Palast des [[Mythen/Imaginaere Tiere/Drachenbilder | Drachenkönigs]] stehen wohl irgendwie mit diesem über·seeischen Paradies in Verbindung.<br />
<br />
In den alten Mythen begegnen wir vor allem dem Schattenreich {{glossar:yomi}}, das {{Glossar:Izanami}} nach ihrem Tod be·herrscht. Ähnlich wie bei den Griechen und Römern gibt es im ja·pa·nischen Mythos zwar die strahlende Welt der Götter, doch ist diese den ge·wöhn·lichen Sterblichen un·zu·gäng·lich. Inwieweit im vorbuddhistischen Japan auch positive Jenseits·vor·stel·lungen vorhanden waren, wurde schon inner·halb der [[Geschichte/Kokugaku | Kokugaku-Schule]] im ach·zehnten und neun·zehnten Jahr·hundert heftig diskutiert. {{glossar:motoorinorinaga}} (1730–1801) wies darauf·hin, dass die Mythen nur ein pessimistisches Jenseits kennen. Dem·gegen·über suchte {{Glossar:Hirataatsutane}} (1776–1843) nach positiven Jenseits·bildern im Volks·glauben und vertrat die Ansicht, dass diese den ursprünglichen Shintō wider·spiegeln würden. Heute neigen viele Gelehrte eher zu Norinagas Auf·fassung und sehen in Atsutanes Position einen pro·pa·gan·dis·tischen Versuch, den Shinto gegenüber dem Buddhismus auf·zu·werten. Wahrscheinlich gab es aber auch hier, ebenso wie in anderen Bereichen, starke regionale Unter·schiede innerhalb der vor·bud·dhis·tischen Religion.<br />
<br />
{{Verweise<br />
| FN=0<br />
| literatur=<br />
{{Literatur:Formanek_Lafleur_2004|Siehe insbesondere die ikonographischen Beschreibungen der Hölle.}}<br />
| links=<br />
* [http://kikyo.nichibun.ac.jp/emakimono/ Emakimono database], International Research Center for Japanese Studies (Nichibunken) - Kyoto (jap.)<br/>Sehr attraktiv gestaltete Website, auf der mehrere Edo-zeitliche Bildrollen (''emaki'') zu Themen wie Jenseits oder Gespenster vollständig zu betrachten sind. Leider keine genauen bibliographischen Angaben.<br />
| update= Aug. 2010<br />
}}<br />
{{ThisWay|Mythen/Paradiese}}</div>
Nicole Janker
https://religion-in-japan.univie.ac.at/r/index.php?title=Essays/Okuninushi&diff=59884
Essays/Okuninushi
2015-09-24T16:28:45Z
<p>Nicole Janker: </p>
<hr />
<div>{{Styles|sidepage}}{{#css:<br />
#firstHeading > span {font-size:.84em;}<br />
}}<br />
{{titel | Die gewundenen Pfade des Großen Landesherren<span class{{=}}"hide">:</span><span class{{=}}"bottom"> Ōkuninushi als heimlicher Gegenspieler der Himmlischen Götter</span>}}<br />
{{floatright<br />
|okuninushi_hokusai.jpg|rh=270<br />
|Ōkuninushi von Hokusai<br />
|ref = 1<br />
}}<br />
{{fl|Ō}}{{Glossar:Ookuninushi|kuninushi}}, wtl. der „Große Landes·herr“, ist eine der rätsel·haftes·ten und facet·ten·reichs·ten Gestal·ten des japa·nischen {{Glossar:Kami}}-Pan·theons. Er taucht in den Mythen zu·nächst als legi·timer Nach·folger von {{glossar:susanoo}} und Haupt·gott der „irdi·schen Götter“ auf. Damit stellt er das Gegen·stück zu den Nach·kommen von Susanoos Schwester {{Glossar:Amaterasu}}, der Haupt·gottheit der „himm·lischen Götter“, dar. Obwohl er sich gemäß offizieller Lesart dem Herr·schafts·an·spruch der himm·lischen Götter kampf·los unter·wirft, bleibt er als eine Art Gegen·modell zum kaiser·lichen Ahnen·kult der Sonnen·gottheit die gesamte japanische Religions·geschichte hindurch in Erinne·rung. Dabei kommt es aller·dings zu er·staun·lichen Ände·rungen in Funktion und Er·schei·nungs·bild dieses Gottes. Diese Ver·ände·rungen werden im fol·genden anhand der wichtig·sten Schreine, in denen er heute verehrt wird, über·blick·sartig dar·gestellt.<br />
<br />
{{H2+3|Steckbrief}}<br />
===Namen===<br />
Das erste Rätsel dieses Gottes stellen seine vielen Namen dar. Möglicher·weise hieß er ur·sprüng·lich Ōna·muchi oder Ōna·muji, was nach einer geläufigen Auslegung als „Träger großer/ vie·ler Namen“ über·setzt werden kann. Anderen Inter·preta·tionen zufolge bedeutet Ōna·muchi nicht viel mehr als „Großer Herr“. Ōkuni·nushi, „Großer Lan·des·herr“ oder „Herr des Großen Landes“, ist heute sein be·kann·tester Namen bzw. Titel, doch wird er außer·dem noch als „Geist des Großen Landes“ (Ōkuni·tama), „Geist des Sicht·ba·ren Landes“ (Utsushi kunitama) oder als „Großer Herr der Dinge“ (Ōmono·nushi) be·zeich·net.<ref>''Mono'', „Ding“, in Ōmono·nushi könnte auch auch die Be·deu·tun·gen „Person“, „Wesen“, „Geist“ be·sitzen (→ ''mono no ke'', ''bake-mono'' „Gespenst“).</ref> Der Ein·fach·heit halber be·schrän·ken ich mich hier weit·gehend auf Ōkuninushi.<br />
<br />
===Herkunft und Identität===<br />
<br />
Ōkuninushi ist den Mythen zufolge ein Nachkomme des {{glossar:Susanoo}}.<ref><br />
Laut der Haupt·variante des {{glossar:Nihonshoki}} sein Sohn, laut {{glossar:Kojiki}} und den Neben·varianten des ''Nihon shoki'' ein Nach·fahre des Susanoo in der fünften oder sechsten Generation.<br />
</ref> <br />
Einige Episoden des {{glossar:Kojiki}}, die von der Jugend des Ōkuninushi erzählen (s.u.), spielen in der Gegend von {{glossar:Izumo}} (heute Präfektur Shimane), sodass man dort auch den Ursprung der mytholo·gischen Gestalt vermuten könnte. Doch findet sich Ōkuninushi auch in regionalen Quellen ({{glossar:fudoki}}), die ihn aus in anderen Regionen, ja sogar aus dem koreanischen Festland herleiten. Was diese Gestalten in jedem Fall eint, ist ihre Funktion als mächtige „irdische“ Gottheit ({{glossar:kunitsukami}}). Ōkuninushi repräsentiert daher aus meiner Sicht eine prototypische Lokal·gott·heit, die nicht der mytho·logi·schen Genea·logie des {{Glossar:Tennou}}-Hauses ent·stammt. Dieser Gottheit verlieh man, wie im fol·genden gezeigt wird, in Izumo, Miwa und schließ·lich im Yamato-Mythos von der Herab·kunft des Himm·lischen Enkels spezi·fische Cha·rak·teris·tika. Es blieb aber nicht bei diesen mytho·logi·schen Rollen, Ōkuni·nushi ent·wickelte sich auch unter bud·dhis·tischem Einfluss bis in die Mo·derne hinein weiter. <br />
<br />
{{H2+3| Izumo Sagenkreis}}<br />
<br />
=== Aufstieg zum „Herren des Landes“ ===<br />
{{floatleft|rh=310 <br />
|inaba_shirousagi_jishujinja.jpg<br />
|Ōkuninushi und der Hase von Inaba<br />
|ref = 1<br />
}}<br />
Der Name „Großer Landesherr“ ist laut ''Kojiki'' eine Aus·zeich·nung, die sich Ōkuni·nushi erst nach einer Viel·zahl von Qualen und Prü·fun·gen durch Geschick, Glück und Grau·sam·keit erwirbt. Wir be·geg·nen dem noch ju·gend·lichen Gott, als er sich mit seinen 80 älte·ren Halb·brü·dern auf dem Weg von Izumo in die Nach·bar·pro·vinz {{glossar:Inaba}} befin·det. Seine Brü·der wollen die Prin·zes·sin von Inaba freien und neh·men Ōkuni·nushi als Diener und Lauf·bur·schen mit. Unter·wegs heilt Ōkuni·nushi einen Ha·sen, wel·cher von See·un·ge·heu·ern (jap. {{glossar:wani}} = Kroko·dil? Dra·chen?) sei·nes Pelzes beraubt worden ist. Der dank·bare Hase pro·phe·zeiht (bzw. bewirkt), dass die Prin·zessin Ōkuni·nushi zum Gatten er·wäh·len wird.<ref> <br />
Diese Geschichte hat sich als Märchen ver·selb·ständigt und ist heute in Japan die be·kann·teste Erzäh·lung von Ōkuninushi.<br />
</ref> <br />
Als die Prin·zes·sin tat·sächlich Ōkuni·nushi den Vorzug vor seinen Brüdern gibt, locken sie ihn zwei·mal in eine Falle, um ihn zu töten. Beide Male gelingt der An·schlag, doch beide Male wird Ōkuni·nushi mit Hilfe seiner Mutter und der Götter des Himmels wieder zum Leben erweckt.<br />
<br />
Um seinen eifer·süchtigen Brüdern zu entkommen, begibt sich Ōkuni·nushi in die Unter·welt ({{glossar:Nenokuni}}, wtl. „Wurzelland“), wo sein Vorfahre/Vater Susanoo mittler·weile die Herr·schaft über·nommen hat. Doch damit haben seine Schwie·rig·keiten immer noch kein Ende. Wieder führt Ōkuni·nushis Sex·appeal zu einem Zwist mit einem männ·lichen Ver·wandten: diesmal geht es um {{glossar:Suserihime}}, ihrer·seits eine Tochter des Susanoo und damit Halb·schwester oder Cousine von Ōkuninushi. Die beiden verlieben sich, doch bevor sie unge·stört zu·sammen sein können, unter·wirft der eifer·süch·tige Susanoo seinen Nach·kommen einer Reihe von brutalen (Initiations-?)Auf·gaben, in denen sich dieser gegen Schlangen, Bienen und schließ·lich gegen einen Busch·brand be·haupten muss. All diese Aufgaben meistert Ōkuni·nushi dank Suseri-hime und einer Maus. Schluss·endlich muss Ōkuninushi Susanoo lausen, lullt ihn dabei in den Schlaf, stiehlt seine Waffen und flieht mit Suseri-hime aus der Unterwelt. Susanoo erwacht jedoch und ruft den Flüchtenden erstmals mit dem Namen Ōkuninushi, „Großer Herr des Landes“. Offenbar erkennt er damit die Herr·schafts·an·sprüche an, die sich Ōkuni·nushi durch List und Tücke erwor·ben hat.<br />
<br />
===Schöpfungsakte===<br />
<br />
Zurück auf der Erde tötet Ōkuninushi zunächst seine Halb·brüder mit den Waffen des Susanoo, und zeugt dann mit den ver·schiedensten Prinzessinnen jede Menge von Kindern (180 laut ''Kojiki'', 181 laut ''Nihon shoki''). Schließ·lich bekommt er einen Gefährten zur Seite gestellt, einen winzigen Gott namens {{glossar:Sukunabikona}}<ref>''suku'' = "klein", ''biko/hiko'' = "Prinz"</ref>, laut einer Version ein verloren ge·glaubter Sohn des himmlischen Ahnen·gottes {{glossar:Takamimusubi}}, laut einer anderen eine Art ''alter ego'' von Ōkuninushi selbst. Mit Sukunabikona führt Ōkuninushi das von {{glossar:Izanami}} und {{glossar:Izanagi}} begonnene Werk der Welten·schöpfung zu Ende. Inwiefern die Welt nach Ōkuninushi anders aus·sieht als zuvor, wird nicht genau spezifiziert. Laut dem {{glossar:Izumofudoki}}, einer frag·mentarischen Lokal·chronik aus dem Jahr 733, ver·größert allerdings ein Alias des Ōkuninushi die Provinz Izumo, indem er einen Teil des koreanischen König·reichs Silla mit Hilfe eines Seils über das Meer nach Japan zieht. <ref>Diese Tat wird genau genommen einem Gott namens Omizunu zu·ge·schrieben.</ref><br />
<br />
===Heilkraft===<br />
<br />
Ein hervor·stechender Aspekt des Paares Ōkuninushi und Sukunabikona ist ihre Fähigkeit Krank·heiten zu heilen. Schon im ''Nihon shoki'' werden sie als Erfinder der Heilkunst und des Abwehr·zaubers gegen schädliche Tiere dargestellt. In vielen Lokal·chroniken werden sie für die Ent·deckung der ältesten Heilquellen Japans ver·ant·wortlich gemacht. In der Heian-Zeit wurde Ōkuninushi aus diesem Grund auch mit {{Glossar:Yakushinyorai}}, dem {{skt:Buddha}} der Medizin, identifiziert, bzw. von diesem als Gott der Heilkunst über·schattet (Antoni 1982, S. 30–31). <ref>Auch von den Gelehrten der {{glossar:Kokugaku}}, die sich im 18. und 19. Jh. der Exegese japanischer Mythen widmeten, wird die Heilkraft des Götter·paares aus Izumo besonders her·vor·gehoben.</ref> Wie wir noch sehen werden, tritt Ōkuninushi außer·dem als Ver·ur·sacher einer schreck·lichen Epidemie prominent in Erscheinung.<br />
<br />
=== Mythologische Deutungen ===<br />
{{Floatleft | rh = 355|rw=250|w=316|left=-33|top=-80<br />
|Okuninushi_kuniyoshi.jpg<br />
|Ōkuninushi von Kuniyoshi<br />
|ref = 1<br />
}}<br />
Bis hier her folgt die Geschichte des Ōkuninushi einem Muster, das aus vielen Märchen bekannt ist: der Held, der jüngste einer Reihe von Geschwistern, wird zahl·reichen Gefahren und Demütigungen aus·ge·setzt, über·windet diese mit viel List und dank der Sympathie weib·licher Unter·stützer und triumphiert schluss·endlich über seine Peiniger. In der Art, wie er sich mehr durch Glück und Schläue als durch Stärke gegen seine Wider·sacher durch·setzt, kann er, ähnlich wie Susanoo, als [[Mythen/Goetter des Himmels/Trickster | Trickster-Figur]] angesehen werden. <br />
<br />
Auch andere mythologische Deutungen sind möglich. Klaus Antoni (1982) deutet etwa die Geschichte des wieder·belebten „Weißen (= nackten) Hasen von Inaba“ als Mythos vom ab·nehmenden und zu·nehmenden Mond. Mir geht es aber an dieser Stelle vor allem um den Stellen·wert, den Ōkuninushi in den ver·schiedenen Schreinen, in denen er ver·ehrt wurde, zugesprochen bekam. <br />
<br />
In Ōkuninushis komplizierten Familien·verhält·nissen deutet sich an, dass eine ur·sprüng·lich eigen·ständige Erzählung aus Izumo über die Figur des Susanoo mit der Yamato-Mythologie ver·bunden wurde. Susanoos Kampf mit der Schlange und Ōkuninushis Kampf gegen seine Brüder gehörten ur·sprüng·lich wahrscheinlich ganz unter·schied·lichen Erzählungen an. Auch der Akt der Welten·schöpfung in Kooperation mit Sukunabikona passt weder mit den Welt·ent·stehungs·mythen von Izanagi und Izanami noch mit der Vor·geschichte des Ōkuninushi wirklich zusammen. Im übrigen ver·zichtet das ''Nihon shoki'' weit·gehend auf die Details dieser Geschichte. Die Episode der achtzig Brüder und des „Hasen von Inaba“ findet sich nur im ''Kojiki''. Das ''Nihon shoki'' wiederum konzentriert sich mehr auf das Ende von Ōkuninushis Herr·schaft, in Japan als {{glossar:kuniyuzuri}} („Übergabe des Landes“) bekannt. Aus dieser Perspektive vertritt Ōkuninushi all jene bar·barischen „Götter der Erde“, die durch die Her·ab·kunft des himmlischen Enkels einer höheren Ordnung zugeführt werden sollen.<br />
<br />
{{H2+3|Yamato-Mythos}}<br />
<br />
=== Unterwerfung des Ōkuninushi ===<br />
{{Floatright|w=300|rh=200<br />
|style=margin-right:-8em<br />
|izumo_yamato.jpg<br />
}} <br />
Offenbar herrschen unter Ōkuninushi, trotz seiner schöpferischen Qualitäten anarchistische Zu·stände, die sich unter anderem da·durch äußern, dass Felsen, Bäume und Gräser sprechen können und un·unter·brochen durch·ein·ander·quasseln. Die „Befriedung“ dieser unbot·mäßigen Götter wird erst erreicht, als die himmlischen Götter ({{glossar:amatsukami}}) Ōkuninushis Herrschaft auf Erden über·nehmen.<ref> Noch in den Gebetstexten (''norito'') der {{Glossar:Engishiki}} (10. Jh.) wird dieser Um·stand mehr·fach betont: „They silenced to the last leaf/The rocks and stumps of the trees/ Which had been able to speak...“ (Philippi 1990, S. 41, 45, 69.) </ref><br />
<br />
Ōkuninushis Abdankung ist ''Kojiki'' und ''Nihon shoki'' zufolge das Ergebnis diplomatischer Ver·hand·lungen: Zwei Ab·ge·sandte des Himmels <ref> Es handelt sich um die „Schwertgottheiten“ {{Glossar:Takemikazuchi}} und {{Glossar:Futsunushi}}, die in jener mythologischen Episode ent·stehen, als Göttervater Izanagi das Feuerkind, an welchem die Götter·mutter stirbt, in Stücke schlägt. Takemikazuchi und Futsunushi sind dem·nach das Produkt von Izanagis Schwert und dem „Blut“ des Feuers. Sie wurden später als Haupt·gott·heiten der mächtigen Adelsfamilie {{Glossar:Fujiwara}} in deren Ahnen·schrein {{glossar:Kasugataisha}} installiert.</ref> erscheinen an den Gestaden von Izumo, stellen ihre Schwerter aufrecht auf die Wellen·kämme und nehmen darauf Platz. Durch diese Demonstration ihrer über·legenen Fähigkeiten überzeugen sie Ōkuninushi und seinen Sohn und Thronfolger {{glossar:Kotoshironushi}}, dass es wohl das Klügste wäre, das Feld kampf·los zu räumen. Zuvor handelt Ōkuninushi aber noch die Er·richtung eines Palastes für sich aus, dessen Giebelhölzer (nach der Version des ''Kojiki'') bis zum Himmel emporreichen. In diesen Palast, an dessen Stelle sich heute der {{Glossar:Izumotaisha|Großschrein von Izumo}} be·findet, will er sich zurück·ziehen, um von nun an die „ver·borgenen Dinge“ zu leiten. Auch heißt es, dass er sich auf die „nicht hundert, sondern achtzig ge·wundenen Pfade“ (''momo tarazu yaso kumade'') begeben wird, möglicher·weise eine Metapher für die Unter·welt. Damit verlässt Ōkuninushi zu·nächst einmal die Bühne der Geschichte. Ein paar auf·müpfige irdische Götter aus seinem Gefolge, u.a. die vor·lauten Steine und Bäume, werden noch schnell un·schäd·lich gemacht, dann steht dem triumphalen Ein·zug von Amaterasus Enkel {{Glossar:Ninigi}} nichts mehr im Wege.<br />
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{{w500 |top= -30<br />
|inasa.jpg<br />
|Der Strand von Inasa<br />
|ref = 1<br />
}}<br />
=== Yamato und Izumo ===<br />
Der mythologische Gegensatz von „irdischen“ und „himmlischen“ Gottheiten kann als Metapher für unter·schiedliche Herrschaftsgebiete aufgefasst werden. {{Glossar:Yamato}}, das Kernland der Tennō-Dynastie, wird dem·nach von den himmlischen Göttern (''ama-tsu-kami'') be·herrscht, die anderen Territorien, allen voran Izumo, von den irdischen Göttern (''kuni-tsu-kami''). Die Schilderung von Ōkuninushis Ab·dankung re·präsentiert somit den Prozess, im Zuge dessen sich die ver·schie·denen Lokalreiche der Oberhoheit Yamatos unter·warfen. Obwohl diese Ereignisse teil·weise hinter rätsel·haften Bildern und Aus·drücken ver·schleiert werden, fällt auf, dass Gewalt·aspekte dabei soweit als möglich her·unter ge·spielt werden. Ōkuninushi „zieht sich zurück“, ein himmlischer Gott <ref> {{Glossar:Amenohohi}}. Dieser Gott ent·stammt ur·sprüng·lich einem eigen·tüm·lichen Wett·streit zwischen Amaterasu und Susanoo, bei dem Amaterasu Susanoos Schwert und Susanoo Amaterasus Edelsteine zer·kaute. Ame-no-Hohi ent·stand zusammen mit vier weiteren Brüdern aus den zer·kauten Edelsteinen. Der älteste Bruder ist der Vater des Ninigi. Ame-no-Hohi ist also ein Onkel des neuen Machthabers auf Erden. </ref> tritt in seinen „Dienst“, was aber wohl bedeutet, dass er als eine Art Regent die Herrschaft über Izumo über·nimmt. Neuere archäologische Forschungen setzen diese Ent·wicklung relativ spät, nämlich erst im siebenten und achten Jahr·hundert an (Piggott 1989). Tatsächlich dürfte die Entwicklung weit·gehend friedlich ver·laufen sein. Offen·bar brachte erst die Union mit Yamato interne Rivalitäten in Izumo zum Er·liegen und sicherte so den Yamato-treuen Lokal·herrn eine größere Autorität über Izumo, wenn auch um den Preis, dass sie die Hegemonie Yamatos anerkannten.<br />
<br />
Die neuen Lokalherren, die laut den Chroniken durch die „himmlischen Götter“ (= Yamato) ein·ge·setzt wurden, sind im übrigen die Ahnen der späteren Priester von Izumo, die ihr Amt bis heute erblich weiter·geben. Sie schmücken sich mit der Amts·bezeichnung ''kokuzō'', ein Titel, der ur·sprüng·lich {{glossar:kuninomiyatsuko}} aus·ge·sprochen wurde und soviel wie „Gouverneur“ bedeutete. Dass dieses Priester·geschlecht sich tat·säch·lich aus einer frühen weltlichen Dynastie, nämlich dem Klan der Ou, ent·wickelte, gilt heute als historisch gesichert. Erst langsam wurde aus dem Palast von Izumo ein Schrein und aus den Landes·herren ein aus·schließ·lich auf religiöse Aufgaben beschränktes Priester·geschlecht. Diese Dynastie, die im Mittelalter den Namen {{glossar:Senge}} angenommen hat, ist somit historisch wie mythologisch mindestens ebenso alt wie die Tennō-Dynastie (der gegen·wärtige Oberpriester ist das 84. Oberhaupt der Familie seit ihrer mythologischen Gründung). Obwohl ur·sprüng·lich von Yamato ein·ge·setzt, gilt ihr religiöser Dienst den „irdischen Göttern“ und Ōkuninushi. Auf diese Weise ist bis heute die Erinnerung an ein ''kami''-Pantheon lebendig, das nicht von den Vorfahren des Tennō regiert wurde. Nach „offizieller“ Lesart ist der Komplex Izumo-Ōkuninushi-Senge dem Komplex Ise-Amaterasu-Tennō hier·archisch unter·geordnet. Dass diese offizielle Lesart aber selbst erst das Produkt einer wechsel·haften Geschichte ist, die bis in historische Zeiten (also die Zeit der Ab·fassung der frühesten Schrift·quellen) hin·ein·reicht, zeigt die folgende Geschichte des Miwa Schreins.<br />
<br />
{{H2+3|Miwa Sagenkreis}}<br />
=== Ōkuninushis Zweitwohnsitz ===<br />
<br />
{{w500|rahmen_h= 200<br />
|miwayama.jpg<br />
|Berg Miwa<br />
|ref = 1<br />
}}<br />
Als mächtige Gottheit außerhalb des ursprünglichen Herrschafts·gebietes von Yamato blieb Ōkuni·nushi wohl auch nach der Anne·xion Izumos ein Faktor der Unsicher·heit für den frühen japa·nischen Staat. Dies würde jeden·falls erklä·ren, warum man sich offen·bar schon früh be·mühte, Ōkuni·nushi eine Ver·ehrungs·stätte in Yamato zu er·rich·ten, näm·lich den Schrein von {{glossar:oomiwajinja|(Ō)Miwa}}. Es ist dies das erste expli·zit für religiöse Zwecke vor·be·hal·tene Ge·bäude, das in den mytho-his·tori·schen Chroni·ken ''Kojiki'' und ''Nihon shoki'' erwähnt wird (im Fall von Izumo bleibt offen, ob es sich um einen Palast für einen leben·den Herr·scher oder um ein Ge·bäude für eine un·sicht·bare Gott·heit han·delt). Inso·fern lässt sich argu·men·tie·ren, der Schrein von Miwa, der noch heute exis·tiert und sich süd·lich der alten Haupt·stadt {{Glossar:Nara}} be·fin·det, stelle den ältes·ten Schrein Japans dar. <ref> In einer der oben der erwähn·ten Sukunabikona Episo·den des ''Nihon shoki'' wird Miwa als „Wohnort“ des Sukunabikona bereits vor dem Izumo Schrein genannt.</ref><br />
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{{w500|rw=448|w=448<br />
|omiwa.jpg<br />
|Zeremonienhalle (''haiden'') des Ōmiwa Schreins<br />
|ref = 1<br />
}}<br />
<br />
===Sujins religiöse Reformen===<br />
<br />
Die Chroniken verorten die Gründung des Miwa Schreins in der Regierungs·zeit {{Glossar:Sujintennou | Sujins}}, des 10. Tennō (mythol. Regie·rungszeit 97–30 v.u.Z.), die von heu·ti·gen His·tori·kern in der Zeit um 300 u.Z. an·ge·sie·delt wird (Kidder 2007). Sujins Herr·schaft ist an·fäng·lich von einer schreck·lichen Epide·mie geprägt, welche die Hälfte der Be·völ·ke·rung hin·weg·rafft. Sujin ver·mutet die Ursache dieser Epide·mie in der Krän·kung einer Gott·heit und unter·nimmt alle erdenk·lichen Ver·suche um her·aus·zu·be·kom·men, um welche Gott·heit es sich han·delt. Schließ·lich offen·bart sich ihm {{glossar:oomononushi}} (also Ōkuninushi unter einem seiner Zweit·na·men, s.o.) im Traum und ver·spricht, dass die Epide·mie ein Ende haben werde, wenn der Tennō seinen Nach·kom·men, einen ge·wis·sen {{Glossar:Ootataneko}} an seinen Hof riefe, um den Kult für Ōmono·nushi zu über·neh·men. Besag·ter Ōtata·neko wird in einer Nach·bar·pro·vinz tat·säch·lich gefunden. Als er in der Resi·denz des Tennō den Dienst für die Gott·heit auf·nimmt, endet die Epide·mie wie vor·her·gesagt.<br />
<br />
Ōtataneko gilt als der Ahnherr der Priester von Miwa (ein weiteres ural·tes Pries·ter·ge·schlecht). Es war also zu Sujins Zeiten not·wen·dig, für die neu·artige Gott·heit einen männ·lichen Priester aus einer Nach·bar·pro·vinz einzu·bür·gern. Ōmono·nushi alias Ōkuni·nushi wurde aber auch von einer Yamato-Pries·terin betreut, einer Tante des Tennō, die diesem als eine Art Priester-Shamanin zur Seite stand. Laut den Chroni·ken wird diese Pries·terin mit Ōkuni·nushi „ver·hei·ra·tet“. (Man erin·nere sich an die sagen·hafte sexuelle Potenz dieses Gottes.) Die Ehe ver·läuft anfangs glück·lich, doch leidet die Pries·terin darun·ter, dass sie ihren Gatten unter Tags nicht sehen kann. Auf ihr Flehen ver·spricht Ōkuni·nushi, sich ihr in seiner wahren Gestalt zu offen·ba·ren, wenn sie ver·spricht, nicht zu er·schrecken. Sie willigt ein, worauf er sie an·weist, am näch·sten Morgen ihr Kamm·kästchen zu öffnen. Sie tut wie ihr geheißen und findet in ihrem Kamm·kästchen „eine hübsche weiße Schlange“, deren Anblick sie zu einem un·will·kür·lichen Schrei des Entset·zens nötigt. Ōkuni·nushi nimmt da·rauf·hin menschliche Gestalt an und ver·kün·det, dass er sich infolge dieser Beschä·mung auf den Berg Mimoro zurück·zie·hen wird.<ref> Dieses be·kannte Motiv findet sich im japa·ni·schen Mythos mehr·fach (s. z.B. Izanagi und Izanami oder Hiko-Hohodemi und die Drachen·prin·zes·sin Toyo·tama-hime), wobei stets „Scham“ für die Ent·frem·dung der Lie·ben·den ver·ant·wort·lich gemacht wird.</ref> Die Prin·zes·sin aber begeht Selbst·mord, indem sie sich ihre Vagina mit Ess·stäbchen durch·bohrt. <ref> Eine nüch·terne Inter·pre·ta·tion könnte hier eine miss·lun·gene Ab·trei·bung erken·nen, doch findet man dieses Motiv auch im „Zeital·ter der Götter“: Als Susanoo das ge·häu·tete Pferd in die Webe·halle der Amaterasu wirft, erschrickt laut einer Version eine Webe·rin, sticht sich die Spin·del in die Scham und stirbt daran.</ref> Sie erhält da·rauf·hin ein mäch·tiges Hügelgrab namens {{glossar:Hashihaka}} (das „Essstäbchen-Grab“), das heute noch in der Nähe von Berg {{glossar:Mimuro}} (= Berg Miwa) exis·tiert. Dem Gott Ōmono-(bzw. Ōkuni-)nushi aber wird am Fuße dieses Berges besag·ter Schrein von Miwa er·rich·tet. Erst eine Gene·ra·tion später, unter {{glossar:Suinintennou}}, wird die kai·ser·liche Prin·zes·sin {{glossar:Yamatohime}} damit beauf·tragt, einen per·ma·nen·ten Wohn·sitz (Schrein) für Amaterasu aus·fin·dig zu machen und findet schließ·lich einen geeigne·ten Platz in Ise. Suinin hat (laut ''Kojiki'') auch einen Sohn, der auf·grund eines Fluches des Gottes von Izumo stumm ist. Erst als dieser Sohn nach Izumo pilgert, wird der Fluch von ihm genom·men und er spricht von einem Moment zum ande·ren. Als Dank lässt Suinin den heuti·gen Izumo Schrein für den Gott von Izumo errich·ten. Dieser Über·lie·fer·ung zu·folge gab es also vor Suinin noch keinen Izumo Schrein.<br />
<br />
===Hierogamie===<br />
<br />
Zwischen dem Ende von Ōkuninushis irdischer Herrschaft mit dem Zentrum in Izumo und der Errich·tung eines Schreins für ihn, alias Ōmono·nushi, in Miwa liegen laut mytholo·gi·scher Chro·nik drei·zehn Herr·schaft·perio·den von Nach·kom·men der Amaterasu: am Anfang steht Ninigi, der „himm·lische Enkel“, auf den vier Gene·ra·tio·nen später {{Glossar:jinmutennou | Jinmu}}, der erste „mensch·liche Herr·scher“, und wei·tere Tennō folgen. Ōkuni·nushi/Ōmono·nushi treibt sich in dieser Zeit·spanne offen·bar in unsicht·ba·rer Form weiter auf Erden umher und zeugt ge·le·gent·lich immer noch Nach·kom·men. So auch die Haupt·frau des Jinmu Tennō, also die „erste Kai·se·rin“ Japans. Ōkuni·nushi soll ihre Mutter laut ''Kojiki'' in Form eines roten Pfeils ge·schwän·gert haben und zwar als diese in einem Bach ihren Darm ent·leerte. Auch die Mutter des Ōtata·neko (des ersten Miwa-Pries·ters) soll dem ''Kojiki'' zufolge näch·tens von einem Unbe·kann·ten geschwän·gert worden sein, der schließ·lich als der Gott von Miwa iden·tifi·ziert wird (Philippi 1969, ch. 66). Wir begeg·nen also in den Legen·den des Ōkuni·nushi mehr·fach dem Motiv der Hieroga·mie, also der Heirat zwischen Gott·heit (in der phal·li·schen Gestalt eines Pfeils oder einer Schlange) und Pries·terin. Viele japa·nische Volks·kund·ler erblicken in dieser Hieroga·mie eine Form des frühen weib·lichen Shama·nis·mus in Japan.<br />
<br />
===Sake===<br />
<br />
Die Identität des „Großen Herren der Dinge/Geister“ (Ōmononushi) von Miwa und des „Großen Lan·des·her·ren“ (Ōkuni·nushi) von Izumo erscheint aufgrund wider·sprüch·licher Berichte in ''Kojiki'' und ''Nihon shoki'' mitun·ter frag·lich und wird, wie oben erwähnt, bis·wei·len in Zwei·fel gezo·gen (obwohl sie von den heu·ti·gen Schrei·nen durchaus aner·kannt wird). Wie Klaus Antoni gezeigt hat, gibt es jedoch noch ein wei·te·res Binde·glied zwi·schen Izumo und Miwa, näm·lich die Pro·duk·tion von alkoho·li·schen Geträn·ken ({{glossar:sake}}). Heute wird vor allem {{g|Miwa}} (neben den Schrei·nen Matsunoo und Umeno·miwa) mit Sake asso·ziiert und stellt eine Art Schutz·schrein der japa·ni·schen Sake-Brauer dar. Das Wort {{glossar:miwa2}} selbst ist — mit ande·ren Zeichen als der Schrein geschrie·ben — laut Klaus Antoni (1988, S. 76) eine respekt·volle alter·tüm·liche Be·zeich·nung für Alko·hol. Gleich·zei·tig macht Antoni darauf auf·merk·sam, dass die frü·heste Erwäh·nung von Sake in den Mythen in der Izumo-Mythe von Susannoos Kampf mit der Schlange zu finden ist: Susanoo macht die Schlange mit Hilfe von Sake betrun·ken, und kann sie dadurch ge·fahr·los töten. Für Antoni ist daher der „Heilige Trank“ ein wei·teres Indiz für die Ver·bin·dung zwi·schen Miwa und Izumo.<br />
<br />
===Berg Miwa und die Schlange===<br />
<br />
Die Gottheit von Miwa wurde in späterer Zeit meist schlicht als Miwa Daimyōjin (Große Gott·heit von Miwa) be·zeich·net. Als {{Glossar:Shintai}} (Wohnort der Gott·heit, Vereh·rungsge·genstand) des Miwa Schreins gilt bis heute der Berg, in den sich der be·schämte Ōkuni·nushi zurück ge·zo·gen haben soll. Darü·ber hinaus wird die Gott·heit sowohl in den Mythen als auch in heu·ti·gen Schrein·le·gen·den und Riten als reale Schlange gedacht. Offen·bar gibt es tat·säch·lich beson·ders viele Schlan·gen auf und rund um den Berg, die auch heute noch regel·mäßig zu bestimm·ten rituel·len An·läs·sen mit rohen Eiern ver·kös·tigt werden. Sie gelten dabei als die Gott·heit selbst.<br />
<br />
{{h2+3|Buddhistische Interpretationen}}<br />
=== Ōkuninushi, Hie und Daikoku ===<br />
{{Floatleft|w=250|rh=350<br />
|japan_provinces_kinai.gif<br />
}}<br />
Zu Izumo und Miwa trat in späterer Zeit eine weitere Kult·stätte des Ōkuni·nushi am Biwa See, öst·lich von Kyōto hinzu. Es han·delt sich um den {{Glossar:Hietaisha | Hie}} (=Hiyoshi) Schrein, dessen ur·sprüng·liche Gott·heit Ōyama·kui (der „Große Berg-Pfahl“) bereits im ''Kojiki'' flüch·tig erw·ähnt wird (Philippi 1969, S. 47). Ōkuni·nushi (hier: Ōna·muji) gesellte sich wahr·schein·lich unter {{glossar:Tenjitennou}} (r. 661–671) zu dieser Gott·heit hinzu. Tenji er·rich·tete näm·lich seinen Palast am Süd·ufer des Biwa Sees. Es wird an·ge·nom·men, dass er bei dieser Gele·gen·heit den Gott von Miwa als Schutz·gott der Tennō-Resi·denz aus der Yamato-Region mit·brachte und im Hie Schrein ein·setzte.<br />
<br />
Über hundert Jahre danach, im Jahr 788, gründete {{glossar:Saichou}} (767–822), der spä·tere Begrün·der des {{Glossar:Tendaishuu | Tendai}} Buddhis·mus, auf dem Berg hinter dem Hie Schrein einen Tempel namens {{glossar:Enryakuji}}. Für Saichō war der Ort von be·son·de·rer Bedeu·tung, denn er wurde hier gebo·ren, und zwar erst nach·dem sein Vater lange und inbrüns·tig zu den Göttern des Hie Schreins ge·betet hatte. Darüber hinaus war aber wohl weder der Berg, der von Saichō (in Ablei·tung des Schrein-Namens) ''Hiei'' ge·nannt wurde, noch der Schrein selbst über·re·gio·nal bekannt. Auch Saichō selbst war zu·nächst nicht mehr als ein eigen·wil·liger Asket, der sich mit einer Hand·voll Gleich·ge·sinn·ter zwölf Jahre lang in die Ein·sam·keit seines Hei·mat·ber·ges zurück·zog. Im Jahr 794 wurde die gesamte Region jedoch erneut zum poli·ti·schen Zentrum des Landes, als Kanmu Tennō im Süd·wes·ten von Berg Hiei seine neue Haupt·stadt {{glossar:Heian|Heian-kyō}} errich·ten ließ: das heutige Kyōto. Aus Sicht dieser neuen Haupt·stadt war Saichōs Kloster nicht nur die nächste bud·dhis·tische Institu·tion, es befand sich noch dazu im Nord·osten und bewachte somit das „[[Mythen/Affen/Tierkreis|Dämonentor]]“, aus dem den chine·si·schen und japa·ni·schen Geo·man·ti·kern zufolge alle unheil·vol·len Einflüsse kommen. Damit erhielt Saichō plötz·lich die ganze Auf·merk·sam·keit des Kai·sers: er stieg rasch zu den höch·sten buddhis·ti·schen Ämtern auf, wurde im Jahr 804 nach China entsandt und kam von dort mit den Wei·hen der Tien·tai (= Ten·dai) Schule wieder. Der Klos·ter·berg Hiei ent·wickelte sich unter Saichōs Nach·fol·gern mehr und mehr zur mäch·tigsten buddhis·ti·schen Institu·tion des Landes.<br />
<br />
Mit dem expandie·renden Kloster wuchs auch der Schrein zu einem riesigen Komplex von Ein·zel·schrei·nen heran. Neben Ōyama·kui und Ōkuni·nushi ge·sell·ten sich weitere fünf Haupt·gott·hei·ten hinzu, die der Buddhis·mus aus China oder Indien mit·ge·bracht hatte. Gemäß dem Vor·bild des Tientai Klos·ters in China, stülpte Saichō außer·dem eine Art Super-Gott·heit über alle in dem Schrein·komplex vor·han·de·nen Ein·zel·göt·ter und nannte sie {{Glossar:Sannou}}, „König des Ber·ges“. Die beiden loka·len Gott·heiten Ōyamakui und Ōkuni·nushi fun·gie·ren jedoch bis heute als Stamm-Schreine (''hongū'') des Komple·xes. Indi·rekt über·nahm so der Gott von Izumo/Miwa ein wei·te·res Mal die Schutz·funk·tion für die japa·nische Haupt·stadt, auch wenn seine Rolle im Hie-Sannō Schrein·komplex nicht mehr beson·ders her·vorstach.<br />
<br />
===Saichōs Daikoku===<br />
<br />
Die Verbin·dungen zwischen Ōkuninushi und dem Buddhismus gehen aber noch weiter. Eine Legende weiß zu be·rich·ten, dass Saichō, als er noch un·schlüs·sig war, welchen ein·hei·mi·schen Gott er als Beschüt·zer seines Klos·ters aus·wählen sollte, die Pro·vinz Yamato be·reiste und so nach Miwa kam. Nach·dem er zu Miwa Daimyōjin (Ōkuni·nushi) ge·be·tet hatte, offen·barte sich ihm dieser „in der Gestalt des Daikoku Tenshin“ und wil·ligte ein, ihn zu be·glei·ten. Er gab ihm auch ein Stück Holz, aus dem Saichō das erste Ab·bild des {{Glossar:Daikoku}} her·stellte (Iyanaga 2002, S. 547–48). Saichō wäre dem·nach der Urhe·ber des popu·lä·ren Glücksgot·tes Daikoku und seiner Identi·fizie·rung mit Ōkuni·nushi. Die Sta·tue soll im übri·gen heute noch exis·tie·ren, ist aber nicht im Hie Schrein son·dern in der Daikoku Halle auf Berg Hiei auf·gestellt. Diese Halle diente dem Klos·ter ehe·mals als Ver·wal·tungsge·bäude (''mandokoro'').<br />
<br />
Der Umstand, dass Daikoku nicht im Hie Schrein selbst, sondern im buddhis·ti·schen Klos·ter·komplex verehrt wurde, sowie die Tat·sache, dass die früheste Quelle dieser Legende, das ''Miwa Daimyōjin engi'' (Chro·nik vom Ur·sprung des Miwa Daimyōjin), erst lange Zeit nach Saichō (1318) ver·fasst wurde, lassen Zwei·fel an einer tat·säch·lichen Iden·tifi·ka·tion von Ōkuni·nushi und Daikoku zu Leb·zei·ten Saichōs auf·kom·men. Es steht jedoch fest, dass Daikoku zu·nächst als Gott·heit der Tem·pel·küche inner·halb buddhis·ti·scher Klös·ter an Be·deu·tung gewann und im Zuge dessen irgend·wann einmal auch mit Ōkuni·nushi in Ver·bin·dung gebracht wurde. Über die weite·ren Ver·zwei·gun·gen der Gestalt des Daikoku und seine Ver·bin·dun·gen zu der esote·ri·schen Gott·heit {{skt:Mahakala}} ist auf der Spezialseite „[[Ikonographie/Gluecksgoetter/Daikoku |Daikoku]]“ Genaue·res nachzulesen.<br />
<br />
===Ōkuninushi als Daikoku im Kanda Schrein===<br />
{{Floatright |rh=310<br />
|kanda_daikoku.jpg<br />
|Rezente Daikoku Statue des Kanda Schreins<br />
|ref = 1<br />
}}<br />
Der Kanda Schrein in Tōkyō war in der {{Glossar:Edo}}-Zeit der wahr·schein·lich popu·lärste Schrein von Edo, das damals das poli·tische Zentrum des Landes und mit etwa einer Million Ein·woh·nern eine der be·völ·ke·rungs·reich·sten Metropo·len welt·weit war. Der Schrein ver·dankte seine Be·liebt·heit vor allem seinem spek·taku·lären {{Glossar:Matsuri}}, das heute noch eines der größ·ten religiö·sen Events in Tōkyō darstellt. Laut Schrein·legende geht die Grün·dung des Schreins auf das Jahr 730 zurück, als Emigran·ten aus Izumo in der damals noch länd·lichen Kantō-Region einen Zweig·schrein für ihren Ahnen·gott Ōkuni·nushi er·rich·te·ten. Zu über·regio·na·ler Bedeu·tung gelangte der Schrein, als im Jahr 1309 der zür·nende [[Mythen/Geister|Rache·geist]] des {{glossar:Tairanomasakado}} (?–940) einen Sitz in diesem Schrein erhielt und dadurch fried·lich gestimmt wurde.<ref><br />
Der Kanda Schrein kam bereits kurz nach Masakado's Tod mit diesem in Berührung, da der Kopf des Ent·haupte·ten in der Nähe des Schreins beigesetzt wurde. Zur Errichtung einer eigenen Schrein·halle kam es allerdings erst, nachdem eine Epidemie in den Jahren 1303–1306 dem Toten·geist Masakados zu·geschrie·ben wurde. Als diese sich endlich legte, wurde der Kanda Schrein renoviert und um eine Schrein·halle für Masakado erweitert. (''Shintō jiten'' 1994, S. 627)<br />
</ref> <br />
Taira no Masakado war ein {{Glossar:Heian}}-zeit·licher Rebell der Kantō-Region gewe·sen, dessen Unge·hor·sam gegenüber der Zentral·re·gie·rung ge·walt·sam nieder·ge·schla·gen wurde. Obwohl in den offi·ziel·len Geschichts·quel·len nega·tiv dar·gestellt, galt er in der Kantō-Region doch auch als Held und Vor·reiter der späte·ren Samu·rai Herr·schaft. Dem ent·sprechend wurde der Schrein auch von den in der Kantō-Region ansäs·si·gen Samurai wohl·wol·lend gefördert.<br />
<br />
1590 verlegte der „Reichseiniger“ {{Glossar:Tokugawaieyasu}} (1543–1616) seine Residenz nach Edo, ein anfangs un·be·deu·ten·des Fischer·dorf in der Gegend des Kanda Schreins. 1616 ließ Ieyasus Sohn, Shōgun Toku·gawa Hide·tada, den Kanda Schrein in den Nord·osten der neu errich·teten Burg von Edo (heute der Kai·ser·pa·last in Tōkyō) ver·legen. Ob Hide·tada damit bewusst einem ge·schicht·lichen Vor·bild folgte, ist mir nicht bekannt, auf jeden Fall kam Ōkuni·nushi so ein wei·te·res Mal in die Lage, das „Dämo·nen·tor“ einer Haupt·stadt zu bewachen. Die beiden ''kami'', Ōkuni·nushi und Masa·kado, wurden in Edo vor allem unter dem gemein·sa·men Namen {{g|Kandamyoujin}} verehrt. Auf popu·lä·rer Ebene wurde Ōkuni·nushi jedoch auch in Gestalt des Glücks·got·tes Daikoku wahr·ge·nom·men. Kanda Myōjin war also in gewis·ser Weise auch Daikoku und ist es bis heute geblieben.<br />
<br />
Als aus Edo Tōkyō wurde und die Burg der Tokugawa {{Glossar:Shougun | Shōgune}} in den neuen Pa·last des {{Glossar:Meijitennou}} umfunk·tio·niert wurde (1868), war der einstige Rebell Taira no Masa·kado keine oppor·tune Gott·heit mehr. Er wurde kur·zer·hand aus dem Kanda Schrein entfernt und durch die Gott·heit {{g|Sukunabikona}}, Okuni·nushis ''alter ego'' aus der Izumo Legende, ersetzt. Da Suku·nabikona aber der All·ge·mein·heit nicht bekannt war, erhielt er das Aus·sehen des {{g|Ebisu}}, der im Ensemble der sieben Glücks·göt·ter zu·meist Hand in Hand mit Daikoku auftritt. Heute ist Taira no Masa·kado reha·bili·tiert und der Kanda Schrein be·her·bergt somit drei Gott·hei·ten: Ōkuni·nushi, Sukunabikona und Taira no Masa·kado. Nach außen hin sicht·bar ist jedoch vor allem Daikoku, dem eine große Statue errich·tet wurde (s. Abb.) und der im Kanda Schrein als „Gott der guten [Ehe-]Be·zie·hun·gen“ ({{glossar:enmusubinokami}}) apo·stro·phiert wird, um mög·lichst viele hei·rats·wil·lige Paare anzu·locken. <ref> Die Rolle eines „Gottes der guten Bezie·hun·gen“, die an·ge·sichts der vielen Hei·ra·ten des Ōkuni·nushi eigent·lich als zwei·fel·haf·tes Omen für eine gute Ehe angese·hen werden muss, hat Ōkuni·nushi/ Daikoku im übri·gen auch im Jishu Schrein in Kyōto, wo er als Gott der Ver·lieb·ten verehrt wird. (s. Abb. oben)</ref><br />
<br />
An dieser Stelle sei nur noch angemerkt, dass Daikoku und Ebisu auch in ande·ren Schrei·nen gemein·sam auf·tre·ten, wobei Ebisu mitun·ter auch auf Kotoshiro·nushi, den Sohn und Thron·fol·ger Ōkuni·nushis aus der Epi·sode seiner Ab·dan·kung zurück·ge·führt wird. Es ist durchaus wahr·schein·lich, dass es sich auch in diesen Fällen um „invented traditions“ aus der Meiji-Zeit handelt, dass also zu·sam·men mit dem Tennō mytholo·gische Götter für die Schrein·kulte der Meiji-Zeit reak·ti·viert wurden, auch wenn sie ur·sprüng·lich gar nichts mit ihren neuen Schrein-Wohn·orten zu tun hatten.<br />
<br />
==Zusammenfassung==<br />
<br />
Die Vielzahl von Er·scheinungs·formen des Ōkuninushi sind in der japani·schen Reli·gions·ge·schichte keines·wegs ein·zigar·tig, Ōkuni·nushi kann viel·mehr als beispiel·haft für die Flexibi·li·tät japa·ni·scher ''kami''-Iden·ti·tä·ten angese·hen werden. Was ihn darü·ber hinaus aber beson·ders inte·res·sant macht, ist die Tat·sache, dass er immer wieder — wenn auch unter ver·schie·de·nen Bezeich·nun·gen — an der Schwelle großer politisch-religiö·ser Ein·schnitte auf·taucht, um als Schutz·gott des poli·ti·schen Zentrums zu fun·gieren.<br />
<br />
Die Geschichte von Ōkuninushis Abdankung zugunsten des „himmlischen Enkels“ ist zweifel·los die heute bekann·teste Epi·sode in der Biographie dieses Gottes, min·dest ebenso inte·res·sant ist aber die Grün·dung des Miwa Schreins, die in vieler Hin·sicht als die Grund·stein·le·gung einer völlig neu·artigen Form von Reli·gion erscheint. Der Tennō, der zu·nächst den Kult für seine gött·lichen Ahnen in eigener Person leitet, fühlt sich ange·sichts einer landes·wei·ten Kata·strophe schul·dig und ver·un·sichert, weil er die Ursache des Unglücks in einer Fehl·hand·lung bei der Aus·übung seiner religiö·sen Pflich·ten sieht. Er über·ant·wor·tet die Götter (= seine Pries·ter·rolle) bestimm·ten Spe·zia·listen und ver·lagert ihren „Wohnort“ an sepa·rate Orte außer·halb des kai·ser·lichen Palastes. Auf diese Weise entste·hen die ersten Schreine. Manche For·scher erken·nen in dieser Epi·sode auch den Über·gang von einer weib·lich domi·nier·ten reli·gö·sen Praxis zu einer männ·lich-patri·archali·schen (Elwood 1990). Zwar spielt auch in dieser Epi·sode eine Shama·nen-Pries·terin — eine Tante des Sujin, die mehr·fach als enge Bera·te·rin auftritt — eine wich·tige Rolle, doch ihre Hieroga·mie mit Ōkuni·nushi schei·tert. Letzt·lich gelingt es nur dem männ·lichen Pries·ter aus dem Ge·schlecht Ōkuni·nushis, die leicht er·reg·bare Gott·heit zu be·schwich·ti·gen und damit den Katastro·phen ein Ende zu bereiten.<br />
<br />
Interessant ist in diesem Zusammen·hang auch die hier nur am Rande erwähnte „Aus·lage·rung“ Amaterasus in das weitab der Yamato-Region gele·gene Ise. Unter den fol·gen·den Tennō bleibt die mäch·tige „irdische Gott·heit“ Ōkuni·nushi wich·ti·ger als die „himm·lische Gott·heit“ Amaterasu. J. E. Kidder mut·maßt, dass Amaterasu erst unter {{Glossar:Tenmutennou}} (r. 672–86) und die auf ihn fol·gende Kai·se·rin {{Glossar:Jitoutennou}} (r. 690–97) ihr klas·si·sches Profil als wich·tigste Ahnen·gott·heit der kai·ser·lichen Dynastie erhält. <ref>Die Instal·lie·rung der klas·sische Hofaris·tokra·tie inklu·sive der Errich·tung einer per·ma·nen·ten Haupt·stadt und der Abfas·sung einer kai·ser·lichen Chro·nik/Mytholo·gie wird heute als Werk der sog. Tenmu Dynastie angese·hen, die von Tenmu Tennō 672 begon·nen und von Kanmu Tennō (r. 781–806), einem Nach·fah·ren von Tenmus Bruder Tenji, abge·löst wurde. S. dazu Ooms 2008.</ref> Wäh·rend die „Kapi·tel des Göt·ter·zeit·alters“ von ''Kojiki'' (712) und ''Nihon shoki'' (720) dieser neuen Bedeu·tung Amaterasus ent·sprechend aus·gestal·tet werden, verab·säu·men es die Chroni·ken, auch die zeit·lich nähe·ren Kapi·tel der neuen Ideo·lo·gie anzu·glei·chen und offen·ba·ren somit eine Dis·kon·ti·nui·tät in der Vereh·rung der Son·nen·gott·heit (Kidder 2007).<br />
<br />
In jedem Fall geht die Aufwertung der [[Bauten/Ise_Izumo | Ise Schreine]] mit einer Abwer·tung von Ōkuni·nushis Schrei·nen in Izumo und Miwa einher. Ōkuni·nushi findet jedoch auf dem Um·weg über den Buddhis·mus zu einer neuen Iden·tität, um sich schließ·lich erneut als Glücksgott Daikoku im religiö·sen Pantheon Japans zu behaup·ten. Zu·gleich scheint es, als ob er seine Rolle als Be·schüt·zer des poli·ti·schen Zentrums (Hüter des „Dämo·nen·tores“), die er unter Sujin erstmals über·tra·gen bekommt, auf stille, un·spek·taku·läre Weise auch in Kyōto und Edo wahr·nimmt.<br />
<br />
{{verweise<br />
|literatur=<br />
{{Literatur:Antoni_1982}}<br />
{{Literatur:Antoni_1988}}<br />
{{Literatur:Aoki_1999}}<br />
{{Literatur:Aston_1972}}<br />
{{Literatur:Ellwood_1990}}<br />
{{Literatur:Iyanaga_2002}}<br />
{{Literatur:Ooms_2008}}<br />
{{Literatur:Philippi_1977}}<br />
{{Literatur:Philippi_1990}}<br />
{{Literatur:Sonoda_1974| Informationen zum Kanda Schrein.}} <br />
}}<br />
{{ThisWay}}</div>
Nicole Janker
https://religion-in-japan.univie.ac.at/r/index.php?title=Bild:Urashima_tr2.gif&diff=59883
Bild:Urashima tr2.gif
2015-09-24T15:42:22Z
<p>Nicole Janker: </p>
<hr />
<div>{{bild <br />
|titel=''Urushima Tarō'' <!--freigewählter Titel oder: --><br />
|titel_j= <!--Originaltitel jap. --><br />
|titel_d= <!--Originaltitel übersetzt--><br />
|detail=0 <!-- 0 oder 1 (= „Detail“) --><br />
|form= Malerei, sw<br />
|inhalt= Person, Tier<br />
|genre= <!--Schreinhalle Tempelhalle Farbholzschnitt Hängerollbild Querbildrolle Statue Relief Photographie Zeremonie...--><br />
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|maße= <!-- 25,5 x 19,1 cm ... Höhe: 30,2 cm --><br />
|artist=<br />
|artist_dates=<br />
|periode= <!--Heian-Zeit Kamakura-Zeit Edo-Zeit ... oder China, Indien, Tibet ...--><br />
|jahr= <!--1432 15. Jh. ...--><br />
|serie= <!--''japanisch'' (Ü)--><br />
|buch= <!--''japanisch'' (Ü)--><br />
|serie_j= <!--1831–32--><br />
|besitz= <!--im Besitz des ... oder Ortsangabe--> <br />
|treasure=0 <!-- 0 oder 1 (= „Nationalschatz“) --><br />
|q_link= <!--Link zur Quelle: http://... --><br />
|q_text= <!-- Text zur Quelle --><br />
|quelle_b= <!-- Zusatztext zur Quelle--><br />
|c = © <!-- © oder 0 (wenn Copyright unklar)--><br />
|quelle_d= <!-- retrieved, 2011/7 --><br />
|collection=<br />
|<!-- Beschreibung -->Held einer berühmten Sage, der eine Schildkröte rettet, dafür die Tochter des Drachenkönigs am Grunde des Meeres heiratet, schließlich aber aus Sehnsucht zurück in sein Heimatdorf will. Während seiner Abwesenheit sind aber hunderte Jahre vergangen, und am Ende verliert er auch die Gabe der ewigen Jugend und stirbt.<br />
}}</div>
Nicole Janker
https://religion-in-japan.univie.ac.at/r/index.php?title=Glossar:Takachiho&diff=59882
Glossar:Takachiho
2015-09-24T15:32:59Z
<p>Nicole Janker: </p>
<hr />
<div>{{Glossar| <br />
kanji=高千穂| <br />
romaji=Takachiho| <br />
text= Hochland im heutigen Kyūshū, wo der Himmelsenkel {{gb|Ninigi}} herabgestiegen sein soll| <br />
stichwort ={{{1| }}}| <br />
link=Mythen/Goetter der Erde| <br />
tags=ort<br />
}}</div>
Nicole Janker
https://religion-in-japan.univie.ac.at/r/index.php?title=Mythen/Goetter_der_Erde&diff=59881
Mythen/Goetter der Erde
2015-09-24T15:31:15Z
<p>Nicole Janker: </p>
<hr />
<div>{{Styles}}<br />
{{titel | <span>Zeitalter der Götter, Teil 2 </span>Die Götter der Erde}}<br />
<br />
{{fl|D}}ie Begriffe Götter des Himmels und Götter der Erde ({{glossar:amatsukami}}, bzw. {{glossar:kunitsukami}}) spielten zur Zeit der schrift·lichen Fixierung der Mythen (um 700) offenbar eine wichtige Rolle. Im All·gemei·nen vers·tehen die frühen Chroni·ken darunter einer·seits die gött·lichen Vor·fahren des {{Glossar:Tennou}} und seiner un·mittel·baren Vasal·len, die im Himmel ({{glossar:takamanohara|Takama no hara}}) residieren, ande·rer·seits die gött·lichen Vor·fahren der meisten ande·ren terri·toria·len Klans der Frühzeit. Die Mythen von den Göttern der Erde schildern (und begrün·den), wie die Hierar·chie zwischen diesen Gruppen zu·stande kommt, und be·handeln damit letzlich nichts anderes als das Zu·stande·kommen des frühen japa·ni·schen Staates und der ihn regierenden Eliten.<br />
<br />
==Susanoo und Ōkuninushi==<br />
{{Sidebox|okuninushi_hokusai.jpg|top=-70|w=180|rahmen_h=130|left=-25<br />
|sidepage=Okuninushi|titel=essay|caption=Ōkuninushi {{credits2|mfa|bottom=0}} }}<br />
{{floatleft|susanoo_kyosai.jpg|rahmen_h=450|Susanoo und die Schlange {{credits2|bm|width=260px}}|top=-280}}<br />
Nachdem {{glossar:amaterasu}} dank des Zu·sam·men·wir·kens der gesam·ten Götter·schar wieder aus ihrer Höhle heraus·ge·lockt wor·den ist, wird {{glossar:susanoo}} einer Reihe von Strafen und Foltern unter·wor·fen und schließ·lich end·gül·tig in die Unter·welt ver·bannt. Als er·zie·heri·sche Maß·nahme hat die Ver·ban·nung offen·sicht·lich Erfolg. Auf dem Weg in die Unter·welt kommt Susanoo auch auf die Erde (genauer: in das Land {{g|izumo}}) und nimmt dort, ganz der [[Mythen/Goetter des Himmels/Trickster | Trickster-Definition]] von Mircea Eliade fol·gend, die Rolle eines Kultur·heroen an. So rettet er etwa ein Mädchen vor der acht·köp·figen Schlan·ge {{glossar:yamatanoorochi}}, welche die Men·schen terro·risiert. Der Mythos erwähnt aber auch, dass aus seinen Haaren nütz·liche Bäume ent·stehen, und bringt ihn außer·dem mit der Er·fin·dung des {{glossar:Sake}} in Verbindung.<br />
<br />
Mit dem geretteten Mädchen, der Prinzessin {{glossar:kushinadahime}}, zeugt Susanoo eine neue Herr·scher·dynas·tie auf Erden. Die Ge·schich·ten dieser Nach·kom·men sind vor allem im {{Glossar:Kojiki}} zu finden. Vieles deutet darauf·hin, dass sie einem eige·nen Mythen·kreis ent·stam·men und in den Erzäh·lungen rund um die Sonnen·gott·heit ur·sprüng·lich gar nicht vor·kamen. Denn in gewis·ser Weise wird die Welt durch diese Nach·kommen des Susanoo ein wei·teres Mal neu ge·schaf·fen. Die Haupt·götter dieser Episode werden vor allem im {{g|izumotaisha|Großschrein von Izumo}} verehrt und sind auch in den Mythen eng mit dieser Region nord·westlich von Kyōto verbunden. Man kann daher an·nehmen, dass es in Izumo ur·sprüng·lich einen eigenen Sagen·kreis gab, der in ''Kojiki'' und {{Glossar:Nihonshoki}} nur not·dürftig mit dem Amaterasu-Sagen·kreis ver·bunden wurde. Susanoo stellt sozu·sagen das Binde·glied zwischen diesen Erzäh·lungen dar.<br />
<br />
Der Hauptheld des Izumo Sagen·kreises heißt aller·dings nicht Susanoo, sondern {{glossar:ookuninushi}} — der „Große Landesherr“. Er ist der Sohn des Susanoo (nach einer anderen Version ein Ab·kömm·ling in der fünften oder sechsten Generation) und muss — selbst eine Art Trickster-Gott·heit — erst eine Reihe von Qualen und De·müti·gungen durch·stehen, bevor er schließ·lich Herr des Landes wird und zu·sam·men mit einer weiteren Schöpfer·gott·heit, dem winzigen {{Glossar:Sukunabikona}}, die Erde in ihren nun·meh·rigen Zustand bringt. Wie auf der [[Mythen/Goetter der Erde/Okuninushi | Sidepage]] zu Ōkuni·nushi genauer be·schrieben, steht Ōkuni·nushi stell·ver·tre·tend für eine ganze Reihe von Terri·torial·gott·heiten, die noch in den späteren Er·zählungen einzelner Tennō immer wieder auf·tauchen und die Ge·schicke des Landes maß·geblich mit·gestalten.<br />
<br />
===Die Entmachtung des Ōkuninushi===<br />
<br />
Die Verbindung zwischen den Mythen der „Himmlischen Götter“ und den Erzählungen von Ōkuni·nushis Gestal·tung der Welt stellt die Episode von Ōkuninushis Ent·machtung dar. Es ist die Geschichte einer Kolo·nisa·tion, die den Chroniken zufolge lediglich mit sanfter Gewalt durch·geführt wird: Zunächst entsenden die Himmli·schen Götter Boten aus ihren eigenen Reihen, die Ōkuninushi über·zeugen sollen, dass es das Beste für ihn sei, den Nach·kommen der Sonnen·gottheit kampf·los die Herr·schaft zu über·lassen. Ōkuni·nushi gelingt es zwar, die ersten Boten von ihrer Mission abzu·bringen, indem er sie mit Luxus über·häuft und zum Bleiben überredet, doch schließ·lich sendet der Himmel seine bewähr·testen Haudegen, {{glossar:takemikazuchi}} und {{glossar:futsunushi}}. (Die beiden sind aus Feuer und Schwert her·vor·ge·gan·gen und zwar in genau jener Epi·sode, als Götter·vater {{glossar:izanagi}} das Feuer·kind in Stücke schlug, das den Tod der Götter·mutter {{glossar:izanami}} ver·ur·sacht hatte.) Als diese beiden „Feuer-Schwert-Götter“ dem Ōkuni·nushi ihre Schwert·künste demon·strieren, ist er schließ·lich bereit ab·zu·dan·ken und zieht sich an einen myste·riösen Ort (die Unterwelt?) zurück. Statt ihm soll nun {{glossar:ninigi}}, der Enkel der Sonnen·gott·heit, die Welt (bzw. Japan) regieren.<br />
<br />
In dieser Episode zeichnet sich ein politischer Gegensatz zwischen einem Herrscher·ge·schlecht in der Gegend des Izumo Schreins (wo Susanoo und Ōkuninushi verehrt werden) und dem Tennō-Geschlecht ab. Die Erzählung trägt deutlich pro·pagan·distische Züge, indem sie den Anschluss Izumos an das „Reich der Himmlischen Götter“ als frei·wil·ligen Herr·schafts·verzicht einer Lokal·dynastie darstellt und all·fällige Gewalt·anwen·dungen fast voll·kommen übergeht. Nur am Rande ist davon die Rede, dass einige auf·müp·fige Götter im Gefolge des Ōkuni·nushi bestraft werden mussten. Ein mehr·fach wieder·holter Stehsatz lautet, dass Bäume und Gräser, die zur Zeit Ōkuni·nushis vor·laut durch·ein·ander·quasselten, nun endlich zum Schweigen gebracht wurden. Trotz·dem deutet sich an, dass die Ent·mach·tung Ōkuni·nushis nicht ganz ohne Wider·stand erfolgte. Wie der weitere Verlauf der Erzählung ausführt, ist die Etablie·rung der Sonnen·dynastie auch mit Ninigi noch lange nicht abge·schlos·sen. (Siehe dazu auch den Essay zu [[Mythen/Goetter der Erde/Okuninushi | Ōkuninushi]].)<br />
<br />
==Die Dynastie des „Himmlischen Enkelsohns“==<br />
<br />
Ninigi, der Himmlische Enkel·sohn, wählt als Ort seines Abstiegs interes·santer·weise weder Izumo, noch die zentral·japanische Kansai Region, sondern das von zahl·reichen Vulkanen zerklüftete Hochland {{glossar:Takachiho}} im Zentrum der Insel Kyūshū. Auf diese Weise bezieht die mythische Erzählung von der Staats·gründung Japans eine weitere Groß·landschaft mit ein, nämlich Kyūshū, das seit alters her eine Brücke zwischen der Hauptinsel Honshū und der koreanischen Halbinsel bildet.<br />
{{floatright|sarutahiko.jpg|rahmen_h=400|Sarutahiko}}<br />
Der ideologische Charakter der Ninigi-Episode äußert sich meines Er·achtens u.a. darin, dass seine Figur merk·würdig flach und farb·los bleibt. Die ein·zigen Gestal·ten, die bei seinem Abstieg augen·fällig in Er·schei·nung treten, sind ein lang·nasi·ger Berg·gott namens {{glossar:sarutahiko}}, eine Art {{Glossar:Tengu}}, der den himm·lischen Göt·tern mit zwei·fel·haf·ten Droh·ge·bär·den ent·gegen tritt, und die be·reits er·wähnte tem·pera·ment·volle {{glossar:amenouzume}}. Diese Ahn·herrin des ja·pani·schen Thea·ters ent·blößt ein wei·teres Mal ihre Brüste und drängt damit den un·heim·lichen Saruta·hiko in die Defen·sive, sodass er sich bereit er·klärt, Ninigi sicher zur Erde zu ge·leiten. Ame no Uzume und Saruta·hiko werden schließ·lich ein Paar.<br />
<br />
Von Ninigi wird nur noch berichtet, dass er mit der Tochter eines lokalen Gottes drei Söhne zeugt, die myste·riöser·weise nach eintägiger Schwan·ger·schaft zur Welt kommen. Die Geschich·te dieser Nach·kom·men eröffnet ein weiteres mytho·logi·sches Kapitel, das geo·graphisch in Kyūshū an·ge·siedelt ist und mit den vor·her·ge·gangen Erzäh·lungen kaum etwas gemein hat. Es beginnt mit einer Art Kain-und-Abel Geschichte von der Kon·kurrenz zweier Brüder (der dritte Sohn Ninigis fällt unter den Tisch). Der gute jüngere wird vom bösen älteren Bruder ge·zwun·gen, einen ver·lorenen Angel·haken zu suchen, gerät dabei zum Palast des Mee·res·gottes, der in Gestalt eines [[Mythen/Imaginaere Tiere |Drachens]] am Grunde des Meeres resi·diert, und ver·mählt sich mit seiner Tochter. Mit Hilfe seines mäch·tigen Schwie·ger·vaters gelingt es dem jün·geren Bruder letzt·lich, den bösen älteren Bruder zu be·siegen.<br />
{{floatleft|jinmu_yoshitoshi.jpg|rahmen_h=360|Jinmu Tennō}}<br />
Ein Urenkel Ninigis und zugleich Urenkel des Drachen/ Meeres·gottes ist {{glossar:jinmutennou}}, der den Chroni·ken zufolge der erste ''mensch·liche'' Herr·scher des Sonnen·geschlechts ist und daher als der erste Tennō ge·handelt wird. Worin er sich kon·kret von den Göt·tern unter·scheidet, bleibt aller·dings weit·gehend unklar. Jinmu Tennō steht aber auch inso·fern an der Schwelle von Mythos und Ge·schichte, als er als sieg·reicher An·führer eines histo·risch bis zu einem gewis·sen Grad nach·voll·zieh·baren Feld·zugs ge·schildert wird. Von Kyūshū aus erobert er die zentral·japa·nischen Provinzen der Kansai Region, die mit den spä·teren Haupt·städ·ten {{glossar:nara}} und Kyōto zum Aus·gangs·punkt eines zentra·lisier·ten landes·weiten Staats·gebildes werden. Es ist dieser Feld·zug, von dem die Tennō-Dynastie ihren Macht·an·spruch über ganz Japan ableitet.<br />
<br />
Mit Jinmu Tennō endet das Zeitalter der Götter. In den beiden ältesten Chroniken ''Kojiki'' und ''Nihonshoki'' folgt nun eine Chrono·logie der nach·folgen·den Tennō, die immer stärker die Züge einer histo·rio·graphi·schen Auf·zeich·nung an·nimmt. Dennoch ist heute offen·kun·dig, dass die Re·kon·struk·tion der Tennō-Genea·logie ein Werk des sieben·ten und achten Jahr·hun·derts ist und trotz einiger histo·risch ernst zu nehmen·der Details auch viele nach·trägliche Geschichts·mani·pula·tionen be·inhal·tet. Neben trocken-sach·lichen Auf·zäh·lungen von Namen und Daten ent·halten auch die Chroni·ken der spä·teren Tennō viele mytho·logi·sche Epi·soden. <br />
<br />
Die viel·leicht inte·res·san·teste Erzählung der Tennō-Dynastie handelt vom Erobe·rungs·feldzug der Kaiserin {{glossar:jinguukougou}} nach Korea. Nachdem sie für die Dauer der Schlacht ihre Schwan·ger·schaft hinaus·gezögert hat, bringt die Kaiserin schließ·lich einen Sohn zur Welt, den späte·ren {{glossar:oujintennou}}, der sich in einem ande·ren Sagen·kreis als der Gott {{glossar:hachiman}} rein·karniert und neben Ama·terasu zum wichtig·sten Ahnen·gott des Tennō-Hauses avan·ciert.<br />
<br />
==Mythologische Motive in Märchen und Legenden==<br />
{{float|left|bild=urashima_tr2.gif|}} <br />
Neben den hier geschilderten „offiziellen Mythen“ gibt es noch eine Vielzahl von Märchen und Legenden, die ebenfalls mythische Züge tragen und in zahl·rei·chen Varianten erzählt werden. Am bekann·testen ist vielleicht die Geschichte von {{glossar:urashimatarou}}, dem Fischer, der eine Schild·kröte rettet, dafür die Tochter des Drachen·königs am Grunde des Meeres heiratet, schließlich aber aus Sehn·sucht zurück in sein Heimat·dorf will. Dort an·ge·kommen stellt er fest, dass während seines Auf·ent·halts im Drachen·palast viele hundert Jahre vergangen sind. Als er in seiner Ver·zweiflung das Schatz·käst·chen öffnet, das ihm seine Frau mit·ge·geben hat, verliert er auch noch die Gabe der ewigen Jugend und stirbt.<br />
<br />
Dem Drachen·könig am Grunde des Meeres begegnet man also bereits in den ältesten Mythen. Dieses Motiv ist in ganz Asien ver·breitet und auch in buddhis·tischen Legenden präsent. Aus diesen gemein·sa·men Motiven in Mythen und Legenden lässt sich ermessen, wie groß die Einflüsse des Fest·lands auf die japanische Kultur schon vor der Über·nahme der chinesi·schen Schrift·kultur gewesen sein müssen. (s.a. [[Drachenbilder]])<br />
{{Linkbox|ue=Literatur und Links|text=<br />
{{Literatur:Mori_2003}}<br />
* [http://eos.kokugakuin.ac.jp/modules/xwords/entry.php?entryID=2 Amatsukami, Kunitsukami], Endō Jun (en.)<br/>Artikel in der ''[http://eos.kokugakuin.ac.jp/modules/xwords Encyclopedia of Shinto]''.<br />
|update= Aug. 2010|<br />
}}<br />
{{ThisWay|Mythen/Jenseits}}</div>
Nicole Janker
https://religion-in-japan.univie.ac.at/r/index.php?title=Mythen/Goetter_des_Himmels/Uzume&diff=59880
Mythen/Goetter des Himmels/Uzume
2015-09-24T14:49:39Z
<p>Nicole Janker: /* Otafuku, Okame, Oto Goze: Uzume als Glücksgöttin */</p>
<hr />
<div>{{Styles}}<br />
{{titel | Ame no Uzume<span class{{=}}"hide">,</span> <span class{{=}}"bottom">die Ahnherrin von Ritus, Tanz und Theater</span>}}<br />
<br />
{{fl|A}}{{glossar:Amenouzume|me no Uzume}} tritt in den Mythen in zwei ent·schei·den·den Episo·den auf: Im Mythos von [[Mythen/Goetter des Himmels | Amaterasu in der Felsen·höhle]], wo sie die Sonnen·gottheit durch ihren Tanz aus der Höhle hervor·lockt, und im Mythos von der [[Mythen/Goetter der Erde | Her·ab·kunft des Himm·li·schen Enkels]]. In beiden Fällen ent·blößt sie sich und bewirkt dadurch einen Sinnes·wandel ihres Gegen·übers.<br />
<br />
{{w502<br />
|uzume-hokusai.jpg|rahmen_h1=330|w1=x340<br />
|Uzume Taki Katei.jpg|rahmen_h2=330|w2=x332<br />
|Ame no Uzume<br /> Buchillustration von Hokusai, 1816<br />
|Ame no Uzume<br /> Buchillustration von Taki Katei, 1866<br />
|ref=1<br />
}} <br />
Uzumes Ent·blößun·gen sind allerdings kein schnöder Strip·tease, sondern tragen gewisse rituelle Züge. Gleich·zeitig wird ihr Tanz vor der Felsen·höhle auch als Ur·szene des japa·nischen Theaters an·gesehen. Die Gestalt der Uzume macht somit deut·lich, dass Tanz, Theater und Ritus in alter Zeit wohl nicht von ein·ander zu trennen waren, und verrät zudem, dass Spaß und Erotik im alten Ritual·wesen durchaus ihren Platz hatten. <br />
<br />
== Die mythologische Gestalt der Uzume ==<br />
<br />
{{floatright| top=-20<br />
|uzume spinner.jpg<br />
| Ame no Uzume, Meiji-Zeit<br />
| ref=1<br />
}}<br />
Uzumes bekann·teste mytholo·gische Episode handelt von ihrem Tanz vor der Felsen·höhle, in die sich die Sonnen·gottheit {{glossar:Amaterasu}} zurück gezogen hat. Während das {{glossar:Nihonshoki}} Uzumes Tanz lediglich als heiter und aus·gelassen schildert, spezifiziert das {{glossar:Kojiki}}, dass Uzume dabei ihre Brüste entblößt, was die versam·melten Götter zu lautem Lachen reizt.<br />
In beiden Mythen·varianten erregt Uzume auf diese Weise die Neugier der Sonnen·gottheit, die daraufhin ihre freiwillige Isolation beendet und die Welt wieder in ihrem Licht er·strahlen lässt.<br />
<br />
{{zitat| text= <br />
Während·dessen befestigte Amé-nó-uzume-nó-mikótó die Ranken vom himm·lischen Schatten·gewächs (''hikage'') des [Berges] Amé-no-kagu-yama als Ärmel·band, machte die himmlischen ''masaki''-Ranken zum Haar·schmuck, nahm die Blätter des Kleinen Bambus vom [Berg] Amé-no-kagu-yama zu einem Strauß gebunden in die Hand, stellte neben der Tür des Himm·lischen Felsen·hauses einen Kübel auf, trat dröhnend darauf und vollzog eine göttliche Beses·senheit. Sie ließ die Brüste heraus·hängen und zog das Saum·band ihres Gewandes hinab bis zur Scheide. Da geriet das Hohe Himmels·gefilde in Aufruhr, und die acht Millionen Gott·heiten brachen alle vereint in Lachen aus.<ref>''Kojiki'' 1, Antoni 2012, S. 39–40. Für die ''Nihon shoki'' Variante s. Aston 1972 I, S. 44–45; Florenz 1919, S. 155–56.</ref><br />
}} <br />
<br />
Man kann sich diese tanzende Uzume also am ehesten als eine wilde, mit Beses·sen·heits·kulten in Verbin·dung stehende Shamanin vor·stellen, die sich aus Ranken, Gräsern und Baum·zweigen Arm- und Kopf·schmuck fertigt. Laut dem ''Nihon shoki'' hält sie außer·dem einen Speer in der Hand. So angetan steigt sie auf einen um·ge·stürzten Zuber, der als Reso·nanz·boden ihres stamp·fenden Tanzes dient, und verfällt in einen eksta·tischen Trance-Zustand.<ref>Während das Stampfen in der japanischen Tradition, namentlich im Nō, durchaus erhalten blieb, ist die Entblößung kein Element des klassi·schen japanischen Theaters. Im ''butoh'' (wtl. Stampftanz) des 20. Jahr·hunderts wurden beide Elemente aller·dings erneut mit einander verbunden.</ref> <br />
<br />
In der zweiten Episode gehört Uzume zum Ge·folge des „Himmli·schen Enkel·sohns“ {{glossar:Ninigi}}, der die Herr·schaft auf der Erde an·treten soll. Im Zuge seines Ab·stiegs zur Erde stellt sich ihm und seinen Begleitern eine unheim·liche Gott·heit namens {{glossar:Sarutahiko}} (wtl. „Prinz des Affenfelds“) in den Weg. Saruta·hiko besitzt eine „sieben-Hand-lange“ Nase, ist zudem von un·ge·wöhn·lich hohem Wuchs und emittiert Licht·strahlen aus Mund und After. Die himm·lischen Götter wissen nicht, ob er feind·lich oder freund·lich ge·son·nen ist. Ame no Uzume ergreift die Ini·tiative, um die Sache zu klären, und ent·blößt vor dem selt·samen Gott ein weiteres Mal ihre Brüste, wobei sie in ver·ächt·liches Lachen ausbricht. Saruta·hiko erklärt darauf·hin, dass er gekommen sei, um dem Himmli·schen Enkel den Weg zu weisen. Ob dies sein ur·sprüng·liches Vor·haben war, oder ob Uzume ihn durch ihr Ver·halten dazu brachte, bleibt offen. Auffallend ist jedoch, dass sich Uzume in beiden Szenen einer Art Strip·tease bedient, um andere Gott·heiten zu mani·pulieren.<br />
<br />
{{w500<br />
|uzume_sarutahiko.jpg<br />
|rahmen_h=315<br />
|Ame no Uzume und Sarutahiko<br /> Buchillustration aus ''Nakatomi ōbarai ezu'', einem Werk der späten Edo-Zeit<br />
|ref=1<br />
}}<br />
{{w500<br />
|Uzume_Sarutahiko_ningyo.jpeg<br />
|rahmen_h=315|w= 510|left=-5|top=-35<br />
|Ame no Uzume und Sarutahiko<br /> Werbeplakat für eine Puppenausstellung, 1856<br />
|ref=1<br />
}}<br />
Uzume und Saruta·hiko werden schluss·endlich ein Paar und Uzume übernimmt von ihm den Namens·teil „Affe“ ({{g|saru}}). Sie wird nun als {{glossar:sarume|Sarume}} no kimi — wtl. „Herrin der Affen·frauen“ tituliert. [[Affe]] ist dabei nicht als Schimpf·wort zu ver·stehen, sondern steht meta·phorisch für Schau·spieler, wie sich auch in einem alten Namen des Nō-Theaters andeutet: {{glossar:sarugaku}}, wtl. „Affenmusik“. Die „Affen·frauen“ wiederum waren Priester-Tänze·rinnen des frühen Tennō-Hofes, die in Ame no Uzume ihre Ahn·herrin erblickten. Uzumes Hand·lungen, ihr eroti·scher Tanz vor der Felsen·höhle und ihr provo·kantes Techtel·mechtel mit Saruta·hiko, stehen also mit dem Ritual·wesen bei Hof in enger Bezie·hung und dienen als Grün·dungs·mythen für bestimmte, regel·mäßig praktizierte Zere·monien. Laut dem {{Glossar:Kogoshuui}} (verfasst 807) leitet sich insbe·sondere der „Ritus zur Besänf·ti·gung der Geister“ ({{glossar:chinkonsai}}) auf den Tanz der Ame no Uzume zurück. Damit wird indirekt klar, dass die von Uzume adres·sierten Gott·heiten, Amaterasu und Sarutahiko, in einem ent·rückten, übel·wollen·den Zustand waren, der mitunter auch als {{glossar:aramitama}}, als wilder, bösartiger Seelen·zu·stand bezeichnet wird. Uzumes Aufgabe bestand also darin, die jewei·ligen Gott·heiten durch thea·tra·lische Mittel in einen milden Seelen·zustand ({{glossar:nigimitama}}) zu ver·setzen.<br />
<br />
== Uzume in ''kagura'' und ''ukiyoe'' ==<br />
<br />
Die heute gängige ikono·graphische Form der Uzume hat mit der provo·kanten Shamanin auf den ersten Blick wenig zu tun. Sie zeigt die Göttin im Gewand einer modernen Schrein·dienerin ({{glossar:miko}}). Auch die Gegen·stände, die sie in den Händen hält, sind meist dem neu·zeit·lichen Schrein·ritual ent·nommen. <br />
<br />
{{w502<br />
| uzume_toyokuni.jpg|rahmen_h1=400|w1=300|left1=-55|top1=-5<br />
| uzume_kagura.jpg|rahmen_h2=400|w2=300|left2=-25<br />
| Ame no Uzume<br /> repräsentiert durch einen Kabuki-Schauspieler<br />
| Ame no Uzume <br/>in einem rezenten ''kagura''<br />
|ref=1<br />
}}<br />
{{W500|rahmen_h=200|top=-110|w=530|left=-15<br />
|iwado_hiroshige.jpg<br />
|Uzume und Sarutahiko vor der Felsenhöhle<br />
|ref=1<br />
}}<br />
Diese Charakte·ristika stammen nicht direkt aus den Mythen, sondern aller Wahr·scheinlich·keit nach aus den soge·nannten {{glossar:kagura}}-Tänzen. Dies sind rituelle Tänze, die zumeist in Shintō-Schreinen auf·geführt werden. Während die frühesten bekannten Formen keine drama·tische Handlung besaßen, haben sich seit der {{glossar:Edo}}-Zeit ''kagura'' in Form von drama·tisierten mytholo·gischen Themen mehr und mehr verbreitet. Die Hervor·lockung der Sonnen·gottheit stellt dabei — neben dem [[Mythen/Goetter_der_Erde|Kampf Susanoos]] mit der acht·köpfigen Schlange {{glossar:Yamatanoorochi}} — eines der popu·lärsten Sujets dar. Selt·samer·weise tritt in den ''kagura'' neben Uzume stets auch Sarutahiko auf, das Tanz·theater verschmilzt also die beiden mytholo·gischen Episoden vom Tanz vor der Felsen·höhle und dem Abstieg des Himm·lischen Enkels. Auch auf den ent·sprechen·den {{glossar:Ukiyoe}} ist zumeist Saruta·hiko neben Uzume vor der Felsen·höhle zu erkennen.<br />
<br />
==Otafuku, Okame, Oto Goze: Uzume als Glücksgöttin==<br />
<br />
Die erotische Rolle, die Uzume in den Mythen inne hat, kommt in späteren Illu·stra·tionen zwar allent·halben zum Aus·druck, doch ist Uzume alles andere als ein Vamp oder eine ''femme fatale''. Stattdessen wurde ihre Gestalt ironisiert und erhielt das Aussehen einer komischen, bisweilen auch dezidiert hässlichen weiblichen Gestalt. Angeblich soll auch ihr Name auf diese Häss·lichkeit hin·deuten (wobei die Ety·molo·gie allerdings nicht über jeden Zweifel erhaben ist): Aston (1896) übersetzt Uzume mit „terrible female“, Florenz (1919) mit „ab·schrecken·des Weib“.<ref>Beide Über·setzer beziehen sich dabei auf eine Erklärung des Namens Uzume im {{glossar:Kogoshuui}} (807), das einen Zusammen·hang mit ''ozoshi'', „furchtbar“, herstellt. S. z.B. Florenz 1919, S. 421–22.</ref> Jedenfalls wurde Uzume in einer wenig attrak·tiven, aber komischen Gestalt schließlich sogar zu einer [[Ikonographie/Gluecksgoetter|Glücks·göttin]], wobei gerade ihr hässliches Aussehen dem Vertreiben von Unglück förderlich sein soll. <br />
{{w502<br />
|otogoze.jpg|top1=-20<br />
|Oni_shibata.jpg|w2=x380|left2=-200<br />
|Maske der Oto-goze, 15./16. Jh.<br />
|Otafuku, 19. Jh.<br />
|ref=1<br />
}}<br />
{{W500<br />
|Uzume Izu-no-Chohachi.jpg|w=498|rahmen_h=335<br />
|Uzume von Irie Chōhachi (1815–1889)<br />
|ref=1<br />
}}<br />
{{sidebox<br />
|Daikoku_Uzume.jpg|rahmen_h=300|top=-100|w=x430<br />
|Otafuku und Daikoku<br />
|ref=1<br />
}}<br />
Als volks·tümlich komö·dianti·sche Glücks·bringerin ist Uzume auch unter Namen wie {{glossar:Otafuku}} oder Okame bekannt ist. Jedes Kind in Japan kennt Otafuku als dicke, kleine Frau mit birnen·förmi·gem Gesicht, einer hohen Stirn und kleinen lachen·den Augen. Diese äußer·lichen Merk·male lassen sich auf eine Figur des komö·dianti·schen {{glossar:kyougen}}-Theaters namens {{glossar:Otogoze}} zurück·führen. Diese eher derbe Gestalt gehört zur Kate·gorie der „häss·lichen Frauen“ ({{glossar:shikome}}) im Kyōgen und stellt einen be·wussten Kontrast zur ätheri·schen Schön·heit der weib·lichen Nō-Masken dar. <br />
<br />
Ob die Figur der Oto-goze von Anfang an mit Uzume identi·fiziert wurde, oder ob dies erst eine sekun·däre Entwick·lung darstellt, ist unklar. Jedenfalls ist die ent·spre·chende Maske seit der {{glossar:Muromachi}}-Zeit bekannt und prägt nicht nur die bis heute popu·lären Otafuku-Darstel·lungen, sondern auch die Dar·stel·lungen der mytho·logi·schen Uzume. In dieser Form trat Ame no Uzume einst sogar als einzige Frau im Ensemble der Sieben Glücks·götter ({{glossar:shichifukujin}}) auf, wurde Anfang der {{glossar:Edo}}-Zeit aller·dings von {{glossar:Benzaiten}} ver·drängt.<ref> Kita Sadakichi, „Shichifukujin no seiritsu“ (Die Entstehung der Sieben Glücksgötter) 1935, nach Miyata 1998, S. 304–305</ref><br />
<br />
Wie man an den Ab·bildun·gen des 19. Jahr·hunderts erkennt, haben manche Illustra·toren die an·geb·liche Häss·lich·keit der Uzume/ Otafuku sehr wört·lich genom·men, viel·leicht auch, um die ero·tische Kompo·nente der mytho·logi·schen Erzäh·lung ab·zuschwä·chen. Im Allge·meinen hat sich aber ein hu·moris·tischer, durchaus nicht un·attrak·tiver Er·schei·nungs·typ der Uzume durch·gesetzt, der bei·spiel·haft in Hokusais Dar·stellung am Anfang dieser Seite wieder·ge·geben ist (s.o.).<br />
<br />
{{w502<br />
| uzume_ekin.jpg<br />
| uzume_hokkei.jpg|w2=320|left2=-40|top2=-25<br />
| Ame no Uzume <br/>parodistische Darstellung von Ekin (1812-1876) <br />
| Ame no Uzume<br /> Holzschnitt von Hokkei<br />
|ref=1<br />
}}<br />
{{w500 |rahmen_h=200<br />
|Uzume_kosugi.jpg<br />
|Moderne Version der Uzume (1951)<br />
|ref=1<br />
}}<br />
{{Verweise<br />
| links_ue=LL<br />
| links=<br />
* [http://www.uwec.edu/philrel/shimbutsudo/uzume.html Ame-no-Uzume no Mikoto], Joseph Ziehr and Edward Beach (en.)<br/>Artikel der Website ''[http://www.uwec.edu/philrel/shimbutsudo/ Shimbutsudo]''.<br />
{{Literatur: Aston 1972}} {{Literatur: Florenz 1919}} {{Literatur: Miyata 1998}}<br />
<br />
| update= Mai 2013<br />
}}<br />
{{ThisWay}}</div>
Nicole Janker
https://religion-in-japan.univie.ac.at/r/index.php?title=Bild:Iwado_hiroshige.jpg&diff=59879
Bild:Iwado hiroshige.jpg
2015-09-24T14:39:54Z
<p>Nicole Janker: </p>
<hr />
<div>{{bild <!-- Alle Parameter sind optional ---><br />
|titel= Die ''kami'' locken die Gottheit des Lichts mit Musik aus der Höhle<br />
|titel_j= <br />
|titel_d= <br />
|detail=0 <!-- 0 = default-Wert; 1 = „Detail“ --><br />
|form= Holzschnitt<br />
|inhalt= Gottheit<br />
|genre= Farbholzschnitt<!--Ukiyoe Hängerollbild Querbildrolle Wandschirmmalerei Skulptur Statue Photographie ...--><br />
|genre2= kami <br />
|material= Papier, Farbe<br />
|maße=22,2 x 34,7 cm<br />
|artist=Utagawa Hiroshige<br />
|artist_dates=1797–1858<br />
|periode= <!--Heian-Zeit Kamakura-Zeit Muromachi-Zeit Edo-Zeit Meiji-Zeit ...--><br />
|jahr= um 1850<!--1432 15. Jh. ...--><br />
|serie= ''Honchō nenreki zue'' (Illustrierte Chronologie Japans)<!--''japanisch'' (Ü)--><br />
|serie_j= <!--1831–32--><br />
|besitz= <!--im Besitz des ...--> <br />
|treasure=0 <!-- 0 = default-Wert; 1 = „Nationalschatz“ --><br />
|q_link= http://www.britishmuseum.org/research/collection_online/collection_object_details/collection_image_gallery.aspx?assetId=517806&objectId=784627&partId=1<br />
|q_text=British Museum<br />
|quelle_b= <!-- mehr zur Quelle--><br />
|c = © <!-- © oder 0 (wenn Copyright unklar)--><br />
|quelle_d= <!--2011/4 -->2013/7<br />
|collection=<br />
|beschreibung= Im Vordergrund Tajikara, der die Aufgabe hat, einen Felsen vom Eingang der Höhle zu entfernen, damit die Sonnengottheit — hier durch Strahlen angedeutet — wieder herauskommen kann. Dahinter einige Musiker und {{gb|Amenouzume}} bei ihrem Tanz, begleitet von {{gb|Sarutahiko}}. <br />
}}</div>
Nicole Janker
https://religion-in-japan.univie.ac.at/r/index.php?title=Glossar:Sarutahiko&diff=59878
Glossar:Sarutahiko
2015-09-24T14:34:43Z
<p>Nicole Janker: </p>
<hr />
<div>{{Glossar<br />
| kanji= 猿田彦<br />
| romaji= Sarutahiko<br />
| text= Mythologische Gottheit in {{gb|tengu}}-ähnlicher Gestalt<br />
| stichwort= {{{1| }}}<br />
| link= Mythen/Goetter der Erde<br />
| tags= gottheit<br />
}}</div>
Nicole Janker
https://religion-in-japan.univie.ac.at/r/index.php?title=Mythen/Goetter_des_Himmels&diff=59877
Mythen/Goetter des Himmels
2015-09-24T14:26:50Z
<p>Nicole Janker: /* Mythenvergleichende Anmerkungen */</p>
<hr />
<div>{{Styles}}<br />
{{titel | <span>Zeitalter der Götter, Teil 1 </span>Die Götter des Himmels }}<br />
<br />
{{fl|D}}as „Zeitalter der Götter“ erscheint in den Mythen als ver·hält·nis·mäßig klar ab·ge·grenzte Zeit·spanne zwischen der Ent·stehung der Welt und dem Beginn der Herr·schaft der {{Glossar:Tennou}}-Dynastie. In dieser Zeit bevölkern Menschen, Götter und Fabel·wesen eine ge·mein·same Sphäre, ähnlich wie in den Mythen der griechi·schen Antike oder anderen mytholo·gischen Tradi·tionen. Die Mythen dieser Götter·zeit sind uns vor allem aus zwei staat·lich kom·mis·sionier·ten Chroniken aus dem 8. Jh., {{glossar:kojiki}} und {{glossar:nihonshoki}}, bekannt. Die einze·lnen Epi·soden sind zwar in eine fort·lau·fende Er·zählung gegossen, anhand ihrer Prota·gonisten und ihrer regio·nalen Schwer·punkte lassen sich aber mehrere unter·schied·liche Haupt·er·zäh·lungen identi·fizieren. Dies deutet darauf hin, dass es sich ur·sprüng·lich um von einander un·ab·hängige Erzähl·tradi·tionen handelt. Aus meiner per·sön·lichen Sicht lassen sich vier Haupt·episoden identi·fizieren, die mög·licher·weise aus jeweils eigenen Sagen·kreisen stammen, näm·lich: a) die Erschaffung der Welt, b) der Zwist zwischen {{Glossar:Amaterasu}} und {{Glossar: Susanoo}}, c) die Herr·schaft der Nach·kommen des Susanoo auf der Erde, und d) die Eroberung der Erde durch die Nach·kommen der Sonnen·gottheit — die spätere Tennō-Dynastie. Auf dieser Seite werden die Episoden a) und b) behandelt, auf der [[Mythen/Goetter der Erde | nächsten Seite]] c) und d).<br />
<br />
==Izanagi und Izanami==<br />
<br />
{{w500| rahmen_h= 220| w= 520| left= -10| top= -10<br />
| Izanami_izanagi_hiroshige.jpg<br />
| Izanagi und Izanami<br />
| ref= 1<br />
}}<br />
{{Textbox<br />
|text=<br />
===Vokabel===<br />
Götternamen:<br />
* {{glossar:Izanagi}} - Göttervater<br />
* {{glossar:izanami}} - Göttermutter<br />
* {{glossar:amaterasu}} - Sonnengottheit<br />
* {{glossar:susanoo}} - Sturmgott, „enfant terrible“, Trickster<br />
* {{glossar:ookuninushi}} - Weltbeherrscher von Izumo<br />
* {{glossar:ninigi}} - Enkel der Sonnengottheit<br />
* {{glossar:jinmutennou}} - Erster „menschlicher“ Herrscher<br />
<br />
Mythische Orte:<br />
* {{glossar:onogoroshima}} - die erste Insel<br />
* {{glossar:takamanohara}} - Die himmlischen Gefilde, der Himmel<br />
* {{glossar:yomi}} - die Unterwelt<br />
}}<br />
Sowohl das ''Kojiki'' als auch das ''Nihon shoki'' beginnen mit der Ent·stehung des Univer·sums und greifen dabei auf chinesische Vor·stel·lungen zurück. Sie er·wäh·nen die Teilung der Ur·materie in Himmel und Erde ({{glossar:yinyang|Yang und Yin}}) und listen an·schließend eine Reihe von Ur·göttern auf, die den [[Texte/Yin_und_Yang | Fünf Wand·lungs·phasen]] ent·sprechen. Diese Gott·heiten besitzen kaum eine narrative Funktion für die folgende mythische Er·zählung und fanden daher ver·mutlich erst relativ spät und unter dem Einfluss Chinas Eingang in die japanische Mytholo·gie.<br />
<br />
Den eigent·lichen Beginn des Mythos von der Er·schaf·fung der Welt bildet die Er·zählung von den Ur·göttern {{glossar:izanagi}} und {{glossar:izanami}},<!--<br />
--><ref> Die Silben ''-ki'' und ''-mi'' stehen für „Mann“ bzw. „Frau“. ''Izana-'' ist schwierig zu deuten. Eine traditio·nelle Erklärung, die auf {{glossar:motoorinorinaga}} zurückgeht, leitet den Namen von ''izanau'' „einladen“ ab, was mit dem geschil·derten Hoch·zeits·ritus in Beziehung stehen könnte. Dem·gegen·über plädiert der Linguist Alexander Vovin für eine Verwandtschaft mit Koreanisch ''yenc'' („setzen, stellen“), woraus sich eine Bedeutung wie „[auf die Erde] gesetzte(r) Mann/Frau“ ergeben würde. <br />
</ref> <br />
die sowohl als Ge·schwis·ter als auch als Ehepaar auf·treten. Izanagi und Izanami befinden sich zunächst in einem Raum, der bloß aus Wasser, Luft und einer frei schwe·benden Brücke zu be·stehen scheint. Auf dieser Brücke stehen sie jeden·falls, wobei der Mann, Izanagi, mit einem Speer unten im Wasser herum·stochert. Als er den Speer aus dem Wasser zieht, bilden sich an seiner Spitze salzige Klumpen, die zurück ins Wasser fallen und dort die erste Insel ({{Glossar:Onogoroshima}}, wtl. „die von selbst geron·nene Insel“) bilden. Auf diese Insel steigen Izanagi und Izanami nun herab. Sie er·richten auf der Insel einen „Himmels·pfeiler“ (oder einen Palast) und um·runden ihn in einer Art Hoch·zeits·ritus. Es folgt ihre ge·schlecht·liche Ver·einigung, aus der auf nicht näher be·schrie·bene Weise „Kinder“ in Form der ja·pa·nischen Inseln entstehen. Mit jeder Be·wegung erzeugen sie zudem, fast wie nebenbei, eine Un·menge von Gott·heiten, z.B. Wind·götter, Nahrungs·götter und andere mehr.<br />
<br />
{{floatright | rw= 300 | w= 330| rh= 220 |top= -10| left= -5<br />
| style= jumpright<br />
| Izanagi_kagutsuchi.jpg<br />
| Izanagi erschlägt sein Kind, den Feuergott<br />
| ref= 1<br />
}}<br />
Der drama·tische Höhepunkt: Izanami gebiert den Feuer·gott, der ihren Schoß ver·brennt. Sie „stirbt“ an den Folgen dieser Geburt, d.h. sie wird in die Toten·welt ({{glossar:yomi}}) ver·setzt. Der ent·setzte Vater Izanagi hin·gegen schlägt das Feuerkind mit seinem Schwert in Stücke, aus denen wieder·um neue „Schwert-Feuer-Gottheiten“ entstehen, die später noch eine Rolle spielen werden.<br />
Dann macht sich Izanagi in seinem Schmerz auf die Suche nach Izanami. Er findet sie schließ·lich in der Toten·welt, kann sie aller·dings in der Dunkel·heit nicht sehen. Gegen Izanamis aus·drück·liche Bitte ent·zündet er ein Licht (wtl. einen Span aus seinem Kamm) und erkennt ihre Schrecken erre·gende Ver·wand·lung in einen ver·westen Leichnam. Götter·mutter Izanami fühlt sich durch diese Zur·schau·stellung zu·tiefst entehrt und ver·wandelt sich in eine Furie. Zusammen mit einer Reihe von Gehil·finnen ({{glossar:shikome}}) jagt sie Izanagi bis zum Tor der Toten·welt, wo dieser die Verfolge·rinnen ab·schüttelt, indem er das Tor mit einem großen Fels ver·rammelt. Diese Geste be·siegelt die end·gültige Trennung der Welt der Lebenden und der Toten. Izanami, die Herrin der Toten·welt, tut einen schreck·lichen Schwur, täglich ein·tausend Leben zu ver·nichten; Izanagi, der Gott des Lebens, schwört da·gegen, täglich ein·tausend Gebär·hütten zu er·richten. Damit ist der ewige Zyklus von Geburt, Leben und Tod in Gang gesetzt.<br />
<br />
Ab·schließend voll·zieht Izanagi eine rituelle Waschung ({{glossar:misogi}}) in einem Fluss, um sich von den Ver·un·rei·nigungen ({{glossar:kegare}}) der Welt des Todes zu be·freien. Dabei ent·stehen wieder mehrere Gott·heiten: Amaterasu, die Sonnen·gottheit (bei der Waschung des linken Auges), {{g|Tsukiyomi}}, der Mond (bei der Waschung des rechten Auges) und Susanoo, der etwas miss·ratene Sohn (bei der Waschung der Nase). Vater Izanagi teilt sein Erbe unter diesen Kindern auf. Nachdem die Nachfolge end·gültig geregelt ist, zieht er sich aus dem Welt·ge·schehen zurück und wird nicht mehr weiter erwähnt. Auch Izanami ent·schwindet sang- und klanglos aus der Erzählung.<br />
<br />
==Amaterasu und Susanoo==<br />
<br />
{{w500| w= 750| top=-5<br />
| Iwado_kagura2.jpg<br />
| Amaterasu tritt aus der Höhle<br />
| ref= 1<br />
}}<br />
Amaterasu besitzt als Nach·folgerin Izanagis die höchste Auto·rität in den Himm·lischen Gefilden ({{glossar:takamanohara|Takama no hara}}) und reprä·sen·tiert zugleich die Sonne. Ama·terasus wich·tigster Partner und zugleich Wider·sacher ist ihr jün·gerer Bruder Susanoo. Ihm wird nach man·chen Vari·anten des Mythos zu·nächst die Herr·schaft über die Erde oder das Meer zu·ge·teilt, letzt·lich führt sein Weg aber in allen Mythen·vari·anten in eine Art Unterwelt, die als „Wurzel·land“ ({{g|Nenokuni}}, Ne no Katasukuni) bezeichnet wird.<ref>Obwohl zunächst von drei Ge·schwis·tern die Rede ist, wird der Mond·gott kaum näher be·schrie·ben. Nur in einer Neben·vari·ante ist von einem Zerwürf·nis von Sonne und Mond die Rede, während ansonsten stets Susanoo die Rolle eines Anta·gonis·ten der Sonne einnimmt. Susanoos letzt·endlicher Aufent·halt wird meist mit dem Totenreich seiner „Mutter“ Izanami gleich·gesetzt. Kōnoshi Takamitsu argumentiert jedoch, dass zumindest das ''Kojiki'' dahin gehend inter·pretiert werden muss, dass es sich um unter·schied·liche Reiche am Rande der sicht·baren Welt handelt. (Kōnoshi 1984)</ref><br />
<br />
{{floatright| w=160 |top= -120<br />
| 05drache.jpg<br />
| Susanoo<br />
| ref= 1<br />
}}<br />
Susanoo benimmt sich zu·nächst sehr wider·sprüch·lich, wie ein un·ge·zogenes kleines Kind. Einer·seits wird er als wild und un·ge·stüm be·zeich·net, anderer·seits streunt er die meiste Zeit weinend umher, stets auf der Suche nach seiner Mutter (eigentlich ein Wider·spruch, denn er wurde ja von Izanagi allein ge·zeugt und ge·boren, doch der Mythos hält sich mit solchen Details nicht auf). Als Izanagi ihn da·rauf·hin in die Unter·welt schickt (verbannt), möchte Susanoo noch einmal von seiner Schwester Abschied nehmen und ver·schafft sich Eingang in den Himmel. Amaterasu ahnt zwar Böses, kann ihm aber den Zutritt nicht ver·wehren. Tat·säch·lich voll·führt Susanoo im Himmel alle nur er·denk·lichen Misse·taten, die ganz offen·sicht·lich als Provo·kation oder Rebellion gegen die Sonnen·gottheit zu verstehen sind.<br />
<br />
Die meisten dieser Misse·taten er·scheinen uns heute als archaisch-un·ver·ständ·liche Tabu·brüche: Susanoo zerstört zum einen die Be·wässe·rungs·kanäle von Reis·feldern (wohl·gemerkt, Reis·felder der Götter) und sabotiert damit die land·wirt·schaft·liche Pro·duk·tion, zum anderen ver·un·reinigt er Amaterasus Palast mit Exkre·menten und wirft schließ·lich — völlig mysteriös — „ein rück·wärts ge·häutetes Pferd“ in Ama·terasus Webe·halle, wobei eine Dienerin oder Schwester von Amaterasu zu Tode kommt. Amaterasu aber zieht sich, durch diese Untat ihres Bruders zu·tiefst ver·letzt, in die berühmte Felsen·höhle zurück, wo·durch sich das Uni·versum verdunkelt.<br />
<br />
{{Sidebox| w= 160| rh= 200| top= -10| left= -10<br />
| sidepage=Uzume<br />
| uzume-hokusai.jpg<br />
| Ame no Uzume, Ahnherrin des Theaters<br />
}}<br />
An dieser Stelle kommt plötzlich eine Unzahl weiterer Götter ins Spiel, die bislang un·er·wähnt ge·blieben waren. (Es sind zumeist die Ahnen·götter der wich·tigsten Familien am Hof der antiken Tennō.) Diese Götter ver·suchen mit den ver·schie·densten Mitteln, Amaterasu wieder aus der Höhle her·vor·zulocken: Sie lassen Hähne krähen um den Morgen an·zu·kündigen, hängen einen Spiegel an einen heiligen Baum vor der Höhle und be·dienen sich sogar ver·schie·dener religiöser Rituale und Orakel·techniken.<br />
<br />
Schließlich veran·stalten sie ein aus·gelas·senes Fest, bei dem die Göttin {{glossar:amenouzume}} (die [[Mythen/Goetter des Himmels/Uzume | Ahn·herrin des japa·nischen Theaters]]) eine Art Strip·tease hin·legt (wtl. Brüste und Geni·talien entblößt) und auf einem um·ge·stürzten Zuber tanzt, bis daraus Stimmen zu hören sind wie bei einem Geister·be·schwö·rungs·ritual. Die ver·sammel·ten Götter brechen da·rauf·hin in schal·lendes Gelächter aus, das den ge·wünsch·ten Erfolg zeitigt: Amaterasu ist neu·gierig ge·worden und öffnet die Höhle einen Spalt. Ihr eigener An·blick im Spiegel ver·an·lasst sie, aus der Höhle her·vor·zu·treten, worauf die anderen Götter ihren neuer·lichen Rückzug mittels eines Götter·seils ({{glossar:shimenawa}}) blockieren: Die Welt wird wieder hell. Susanoo aber wird aus dem Himmel verbannt.<br />
<br />
=== Amaterasus „jungfräuliche Empfängnis“ ===<br />
<br />
{{floatleft<br />
| amaterasu_gakutei.jpg<br />
| Amaterasu<br />
| ref= 1<br />
}}<br />
Amaterasu erscheint in der gesamten Erzählung ge·heimnis·voll, priester·lich und un·nah·bar. Sie hat in dieser Hinsicht durch·aus Ähn·lich·keit mit der alt·ja·pa·nischen Priester·königin {{Glossar:Himiko}} aus dem dritten Jahr·hundert, von der eine chinesi·sche Quelle be·richtet, sie lebe in einem Palast, den Männer nicht be·treten dürfen, und habe ledig·lich einen jüngeren Bruder, der für sie gewisse Re·gierungs·aufgaben über·nehme.<!--<br />
--><ref>Vgl. Sidepage [[Himiko]].</ref> <br />
Auch Amatersu bleibt un·ver·heiratet. Ihre einzigen „Kinder“ ent·stehen aus einem selt·samen Wett·streit mit ihrem jüngeren Bruder Susanoo, als dieser Ein·gang in das von Amaterasu regierte Reich des Himmels begehrt: Beide Ge·schwister sind voll von gegen·seitigem Miss·trauen. Um dieses Miss·trauen aus der Welt zu schaffen, über·geben sie ein·ander ihre Waffen (ein Schwert im Fall Susanoos, magische Edelsteine, {{glossar:magatama}}, im Fall der Amaterasu), zerkauen diese und spucken die Über·reste wieder aus. Daraus ent·stehen fünf männ·liche und drei weib·liche Kinder. Gemäß ihrer zuvor getroffenen Ab·machung werden die Kinder als „Beweis“ gedeutet, dass Susanoo „reinen Herzens“ ist (was sich in der Folge als falsch heraus·stellt).<br />
<br />
Einer der männ·lichen Spröss·linge dieses Wett·streits ist jene Gottheit, über den sich die Tennō-Linie von Amaterasu ab·leitet (es handelt sich dabei um Ame no Oshihomimi, den Vater des {{glossar:ninigi}}). Er könnte aber genau so gut als Sohn des Susanoo an·ge·sehen werden, da er seine Geburt der Tatsache ver·dankt, dass Susanoo die Edel·steine seiner Schwester zer·kaut. Obwohl das ''Nihon shoki'' gerade zu dieser Episode eine Viel·zahl von Varianten an·führt, die sehr unter·schied·liche Inter·pre·ta·tionen zu·lassen, wird die Abkunft der Tennō-Linie von Amaterasu (und zwar nur von Amaterasu) in der Folge nicht mehr weiter in Frage gestellt.<br />
<br />
==Mythenvergleichende Anmerkungen==<br />
<br />
In den japa·nischen Welt·entstehungs·mythen sind zahl·reiche Motive ent·halten, die auch aus anderen Mytholo·gien auf der ganzen Welt be·kannt sind. Izanamis Tod bei der Geburt des Feuer·gottes reflektiert das Motiv „Tod der Urmutter“, ein Sinn·bild der Erde, die im Laufe eines Jahres er·blüht und „stirbt“, da·durch aber erst das Leben ihrer „Kinder“ ermöglicht. In einer Variante des Mythos wird aus·ge·führt, dass aus Izanamis Leiche sämtliche Getreide·sorten entstehen, die den Menschen als Nahrung dienen. Auch dies ist ein Motiv, das in vielen Kulturen mit dem Tod der Ur·mutter verknüpft ist.<br />
<br />
Die Toten·welt-Episode, in der Izanagi Izanami ver·botener·weise anblickt, er·innert wiederum an die Orpheus-Sage, die ihrer·seits ein uni·verselles Mythen·motiv darstellt. Hervorzu·heben ist in diesem Fall, dass das Verbot des Schauens von der Frau selbst formuliert wird, nicht von sonstigen Auto·ritäten der Unterwelt, und dass die Frau selbst, durch den männlichen Blick verletzt, die Trennung vollzieht.<!--<br />
--><ref>Das Motiv wieder·holt sich in der japa·nischen Mytholo·gie in einer späteren Episode, in der ein Mensch ver·botener·weise in die Gebär·hütte seiner Frau, einer Drachen·prinzessin, lugt und diese dabei in ihrer Drachen- bzw. Meer·unge·heuer-Gestalt erblickt. Auch hier ist es die Frau, die daraufhin aus gekränkter Ehre den ehelichen Kontakt endgültig abbricht. S. dazu Grapard 1991.</ref> <br />
<br />
Der Rückzug der Sonne ist ein weiteres mytholo·gisches Motiv, das mit dem jahres·zeit·lich zu- bzw. ab·nehmenden Sonnen·stand in Verbindung steht und sich eben·falls in zahl·reichen Mythen·kreisen findet. Die Tatsache, dass die Sonnen·gottheit Ama·terasu in Japan als Frau dar·ge·stellt wird, er·scheint da·gegen rätsel·haft, ist doch die Sonne in den meisten Mytho·logien männ·lich. Daher gibt es auch die Theorie, dass die Sonnen·gott·heit erst in Anlehnung an Kaiserin {{Glossar:Jitoutennou | Jitō}} als Frau dar·ge·stellt wurde. Unter Kaiserin Jitō begann man nämlich mit den Auf·zeich·nungen der Mythen, die schließ·lich in Form von {{glossar:kojiki}} (712) und {{glossar:nihonshoki}} (720) fertig gestellt wurden. (s.a. [[Texte/Mythentexte | Mythentexte]].)<br />
<br />
Gegen diese These spricht, dass die Rolle der Frau als Priesterin offenbar in prähis·torischer Zeit besonders aus·ge·prägt war, wie dies auch die be·reits er·wähnte chinesische Chronik aus dem dritten Jahr·hundert anhand der ja·pa·nischen Priesterkönigin {{glossar:Himiko}} berichtet. Diese promi·nente Rolle der Frau in der ja·pa·nischen Früh·zeit könnte eben·falls er·klären, warum die wichtigste Himmels·gott·heit als weiblich ge·dacht wurde. Amaterasus Gestalt inspiriert daher auch immer wieder Hypothesen über ein ur·ge·schicht·liches Matriarchat in Japan.<br />
<br />
Anderer·seits darf man nicht übersehen, dass in der Izanagi/Izanami Episode ein pa·tri·archalisches Rollen·modell vor·herrscht, das mit dem Amaterasu/Susanoo Mythos geradezu spiegel·bild·lich ver·flochten ist: Im ersten Fall repräsen·tiert der Mann den Himmel, das Licht und das Leben, während die Frau die Erde, die Dunkel·heit und den Tod ver·körpert; im zweiten Fall ist das Ge·schlechter·ver·hältnis genau um·ge·kehrt. Diese Kon·struktion wirkt nicht zu·fällig, sondern entspricht eher der [[Texte/Yin_und_Yang | Lehre von Yin und Yang]], nach der aus einem Über·maß an Yang (Himmel, Sonne) letzlich wieder ein Yin (weibliche Göttin) ent·steht und um·ge·kehrt. In weiterer Folge produziert Amatersu einen männ·lichen (Yang) Nachfolger, der die Erde (Yin) beherrscht. Insofern wäre das Ge·schlecht der Amaterasu auch aus den „Gesetzen“ von Yin und Yang zu erklären, die irgend·wann auf den japa·nischen Mythos über·tragen wurden.<br />
<br />
Dieses {{Glossar:Yinyang}}-Schema wird natürlich nicht immer konsequent durch·gehalten, sondern mehr·fach durch erzählerische Elemente konter·kariert, die möglicher·weise aus älteren mytho·logi·schen Schichten stammen. Diese ''bricolage'', also das be·helfs·mäßige Zu·sammen·stückeln augen·schein·lich wider·sprüch·licher narrativer Elemente, zeigt sich auch deutlich anhand der Geschwister von Amaterasu, Tsukiyomi und Susanoo: Tsukiyomi, der Mondgott, hat über·haupt keine narrative Funktion und scheint wie eine Verlegen·heits·lösung — ein·gescho·ben, damit der Mythos auch als Fundament der Astrono·mie und Astrolo·gie her·halten kann. Der eigent·liche Partner Amaterasus ist Susanoo, der wie diese Yin und Yang Elemente in seinem Wesen ver·eint. Der Mythen·forscherin {{g|naumannnelly|Nelly Naumann}} zufolge ver·schmilzt Tsukiyomi mit Susanoo, der seiner·seits Züge eines archaischen Mond·gottes innehat.<br />
<br />
{{Sidebox| left= -20<br />
| sidepage=Trickster<br />
| Susanoo_toyokuni.jpg<br />
| Japanische Trickster<br />
}}<br />
Susanoo kann aber daneben (oder zugleich) auch als ein „Trickster-Gott“ charakteri·siert werden. Trickster (engl. „Gauner, Schelm, Halunke“) wurden von der Ethnologie in nord·amerika·nischen Indianer·märchen aus·findig gemacht, von der ver·gleichenden Mythen·forschung werden sie aber auch mit Ge·stalten wie dem griechi·schen Prometheus gleich·gesetzt. Zu den allge·meinen Merkmalen von Trickstern gehört, dass sie gegen die in der Welt der Götter herr·schen·den Gesetze ver·stoßen, mit den Menschen paktieren und sie in den Besitz aller möglichen kultu·rellen Errun·gen·schaften, z.B. des Feuers, der Land·wirt·schaft, u.a.m. bringen. Wie auf der folgenden Seite zu erkennen, ent·spricht dies durch·aus der Rolle, die Susanoo im weiteren Verlauf der Erzählung annimmt (siehe dazu auch die Sidepage [[Mythen/Goetter des Himmels/Trickster|Trickster]]).<br />
<br />
{{verweise<br />
| literatur= <br />
{{Literatur:Aston_1972}}<br />
{{Literatur: Grapard 1991}}<br />
{{Literatur:Kōnoshi 1984}}<br />
{{Literatur:Naumann_1996}}<br />
{{Literatur:Philippi_1977}}<br />
| links=<br />
* [http://www.uwec.edu/philrel/shimbutsudo/ Shimbutsudo], Edward A. Beach (en.)<br/>Web-Essays zur japanischen Religion. Dept. of Philosophy and Religious Studies, Univ. of Wisconsin Eau Claire.<br />
| update= Aug. 2010<br />
}}<br />
{{ThisWay|Mythen/Goetter der Erde}}</div>
Nicole Janker
https://religion-in-japan.univie.ac.at/r/index.php?title=Mythen/Goetter_des_Himmels&diff=59876
Mythen/Goetter des Himmels
2015-09-24T14:12:34Z
<p>Nicole Janker: /* Amaterasus „jungfräuliche Empfängnis“ */</p>
<hr />
<div>{{Styles}}<br />
{{titel | <span>Zeitalter der Götter, Teil 1 </span>Die Götter des Himmels }}<br />
<br />
{{fl|D}}as „Zeitalter der Götter“ erscheint in den Mythen als ver·hält·nis·mäßig klar ab·ge·grenzte Zeit·spanne zwischen der Ent·stehung der Welt und dem Beginn der Herr·schaft der {{Glossar:Tennou}}-Dynastie. In dieser Zeit bevölkern Menschen, Götter und Fabel·wesen eine ge·mein·same Sphäre, ähnlich wie in den Mythen der griechi·schen Antike oder anderen mytholo·gischen Tradi·tionen. Die Mythen dieser Götter·zeit sind uns vor allem aus zwei staat·lich kom·mis·sionier·ten Chroniken aus dem 8. Jh., {{glossar:kojiki}} und {{glossar:nihonshoki}}, bekannt. Die einze·lnen Epi·soden sind zwar in eine fort·lau·fende Er·zählung gegossen, anhand ihrer Prota·gonisten und ihrer regio·nalen Schwer·punkte lassen sich aber mehrere unter·schied·liche Haupt·er·zäh·lungen identi·fizieren. Dies deutet darauf hin, dass es sich ur·sprüng·lich um von einander un·ab·hängige Erzähl·tradi·tionen handelt. Aus meiner per·sön·lichen Sicht lassen sich vier Haupt·episoden identi·fizieren, die mög·licher·weise aus jeweils eigenen Sagen·kreisen stammen, näm·lich: a) die Erschaffung der Welt, b) der Zwist zwischen {{Glossar:Amaterasu}} und {{Glossar: Susanoo}}, c) die Herr·schaft der Nach·kommen des Susanoo auf der Erde, und d) die Eroberung der Erde durch die Nach·kommen der Sonnen·gottheit — die spätere Tennō-Dynastie. Auf dieser Seite werden die Episoden a) und b) behandelt, auf der [[Mythen/Goetter der Erde | nächsten Seite]] c) und d).<br />
<br />
==Izanagi und Izanami==<br />
<br />
{{w500| rahmen_h= 220| w= 520| left= -10| top= -10<br />
| Izanami_izanagi_hiroshige.jpg<br />
| Izanagi und Izanami<br />
| ref= 1<br />
}}<br />
{{Textbox<br />
|text=<br />
===Vokabel===<br />
Götternamen:<br />
* {{glossar:Izanagi}} - Göttervater<br />
* {{glossar:izanami}} - Göttermutter<br />
* {{glossar:amaterasu}} - Sonnengottheit<br />
* {{glossar:susanoo}} - Sturmgott, „enfant terrible“, Trickster<br />
* {{glossar:ookuninushi}} - Weltbeherrscher von Izumo<br />
* {{glossar:ninigi}} - Enkel der Sonnengottheit<br />
* {{glossar:jinmutennou}} - Erster „menschlicher“ Herrscher<br />
<br />
Mythische Orte:<br />
* {{glossar:onogoroshima}} - die erste Insel<br />
* {{glossar:takamanohara}} - Die himmlischen Gefilde, der Himmel<br />
* {{glossar:yomi}} - die Unterwelt<br />
}}<br />
Sowohl das ''Kojiki'' als auch das ''Nihon shoki'' beginnen mit der Ent·stehung des Univer·sums und greifen dabei auf chinesische Vor·stel·lungen zurück. Sie er·wäh·nen die Teilung der Ur·materie in Himmel und Erde ({{glossar:yinyang|Yang und Yin}}) und listen an·schließend eine Reihe von Ur·göttern auf, die den [[Texte/Yin_und_Yang | Fünf Wand·lungs·phasen]] ent·sprechen. Diese Gott·heiten besitzen kaum eine narrative Funktion für die folgende mythische Er·zählung und fanden daher ver·mutlich erst relativ spät und unter dem Einfluss Chinas Eingang in die japanische Mytholo·gie.<br />
<br />
Den eigent·lichen Beginn des Mythos von der Er·schaf·fung der Welt bildet die Er·zählung von den Ur·göttern {{glossar:izanagi}} und {{glossar:izanami}},<!--<br />
--><ref> Die Silben ''-ki'' und ''-mi'' stehen für „Mann“ bzw. „Frau“. ''Izana-'' ist schwierig zu deuten. Eine traditio·nelle Erklärung, die auf {{glossar:motoorinorinaga}} zurückgeht, leitet den Namen von ''izanau'' „einladen“ ab, was mit dem geschil·derten Hoch·zeits·ritus in Beziehung stehen könnte. Dem·gegen·über plädiert der Linguist Alexander Vovin für eine Verwandtschaft mit Koreanisch ''yenc'' („setzen, stellen“), woraus sich eine Bedeutung wie „[auf die Erde] gesetzte(r) Mann/Frau“ ergeben würde. <br />
</ref> <br />
die sowohl als Ge·schwis·ter als auch als Ehepaar auf·treten. Izanagi und Izanami befinden sich zunächst in einem Raum, der bloß aus Wasser, Luft und einer frei schwe·benden Brücke zu be·stehen scheint. Auf dieser Brücke stehen sie jeden·falls, wobei der Mann, Izanagi, mit einem Speer unten im Wasser herum·stochert. Als er den Speer aus dem Wasser zieht, bilden sich an seiner Spitze salzige Klumpen, die zurück ins Wasser fallen und dort die erste Insel ({{Glossar:Onogoroshima}}, wtl. „die von selbst geron·nene Insel“) bilden. Auf diese Insel steigen Izanagi und Izanami nun herab. Sie er·richten auf der Insel einen „Himmels·pfeiler“ (oder einen Palast) und um·runden ihn in einer Art Hoch·zeits·ritus. Es folgt ihre ge·schlecht·liche Ver·einigung, aus der auf nicht näher be·schrie·bene Weise „Kinder“ in Form der ja·pa·nischen Inseln entstehen. Mit jeder Be·wegung erzeugen sie zudem, fast wie nebenbei, eine Un·menge von Gott·heiten, z.B. Wind·götter, Nahrungs·götter und andere mehr.<br />
<br />
{{floatright | rw= 300 | w= 330| rh= 220 |top= -10| left= -5<br />
| style= jumpright<br />
| Izanagi_kagutsuchi.jpg<br />
| Izanagi erschlägt sein Kind, den Feuergott<br />
| ref= 1<br />
}}<br />
Der drama·tische Höhepunkt: Izanami gebiert den Feuer·gott, der ihren Schoß ver·brennt. Sie „stirbt“ an den Folgen dieser Geburt, d.h. sie wird in die Toten·welt ({{glossar:yomi}}) ver·setzt. Der ent·setzte Vater Izanagi hin·gegen schlägt das Feuerkind mit seinem Schwert in Stücke, aus denen wieder·um neue „Schwert-Feuer-Gottheiten“ entstehen, die später noch eine Rolle spielen werden.<br />
Dann macht sich Izanagi in seinem Schmerz auf die Suche nach Izanami. Er findet sie schließ·lich in der Toten·welt, kann sie aller·dings in der Dunkel·heit nicht sehen. Gegen Izanamis aus·drück·liche Bitte ent·zündet er ein Licht (wtl. einen Span aus seinem Kamm) und erkennt ihre Schrecken erre·gende Ver·wand·lung in einen ver·westen Leichnam. Götter·mutter Izanami fühlt sich durch diese Zur·schau·stellung zu·tiefst entehrt und ver·wandelt sich in eine Furie. Zusammen mit einer Reihe von Gehil·finnen ({{glossar:shikome}}) jagt sie Izanagi bis zum Tor der Toten·welt, wo dieser die Verfolge·rinnen ab·schüttelt, indem er das Tor mit einem großen Fels ver·rammelt. Diese Geste be·siegelt die end·gültige Trennung der Welt der Lebenden und der Toten. Izanami, die Herrin der Toten·welt, tut einen schreck·lichen Schwur, täglich ein·tausend Leben zu ver·nichten; Izanagi, der Gott des Lebens, schwört da·gegen, täglich ein·tausend Gebär·hütten zu er·richten. Damit ist der ewige Zyklus von Geburt, Leben und Tod in Gang gesetzt.<br />
<br />
Ab·schließend voll·zieht Izanagi eine rituelle Waschung ({{glossar:misogi}}) in einem Fluss, um sich von den Ver·un·rei·nigungen ({{glossar:kegare}}) der Welt des Todes zu be·freien. Dabei ent·stehen wieder mehrere Gott·heiten: Amaterasu, die Sonnen·gottheit (bei der Waschung des linken Auges), {{g|Tsukiyomi}}, der Mond (bei der Waschung des rechten Auges) und Susanoo, der etwas miss·ratene Sohn (bei der Waschung der Nase). Vater Izanagi teilt sein Erbe unter diesen Kindern auf. Nachdem die Nachfolge end·gültig geregelt ist, zieht er sich aus dem Welt·ge·schehen zurück und wird nicht mehr weiter erwähnt. Auch Izanami ent·schwindet sang- und klanglos aus der Erzählung.<br />
<br />
==Amaterasu und Susanoo==<br />
<br />
{{w500| w= 750| top=-5<br />
| Iwado_kagura2.jpg<br />
| Amaterasu tritt aus der Höhle<br />
| ref= 1<br />
}}<br />
Amaterasu besitzt als Nach·folgerin Izanagis die höchste Auto·rität in den Himm·lischen Gefilden ({{glossar:takamanohara|Takama no hara}}) und reprä·sen·tiert zugleich die Sonne. Ama·terasus wich·tigster Partner und zugleich Wider·sacher ist ihr jün·gerer Bruder Susanoo. Ihm wird nach man·chen Vari·anten des Mythos zu·nächst die Herr·schaft über die Erde oder das Meer zu·ge·teilt, letzt·lich führt sein Weg aber in allen Mythen·vari·anten in eine Art Unterwelt, die als „Wurzel·land“ ({{g|Nenokuni}}, Ne no Katasukuni) bezeichnet wird.<ref>Obwohl zunächst von drei Ge·schwis·tern die Rede ist, wird der Mond·gott kaum näher be·schrie·ben. Nur in einer Neben·vari·ante ist von einem Zerwürf·nis von Sonne und Mond die Rede, während ansonsten stets Susanoo die Rolle eines Anta·gonis·ten der Sonne einnimmt. Susanoos letzt·endlicher Aufent·halt wird meist mit dem Totenreich seiner „Mutter“ Izanami gleich·gesetzt. Kōnoshi Takamitsu argumentiert jedoch, dass zumindest das ''Kojiki'' dahin gehend inter·pretiert werden muss, dass es sich um unter·schied·liche Reiche am Rande der sicht·baren Welt handelt. (Kōnoshi 1984)</ref><br />
<br />
{{floatright| w=160 |top= -120<br />
| 05drache.jpg<br />
| Susanoo<br />
| ref= 1<br />
}}<br />
Susanoo benimmt sich zu·nächst sehr wider·sprüch·lich, wie ein un·ge·zogenes kleines Kind. Einer·seits wird er als wild und un·ge·stüm be·zeich·net, anderer·seits streunt er die meiste Zeit weinend umher, stets auf der Suche nach seiner Mutter (eigentlich ein Wider·spruch, denn er wurde ja von Izanagi allein ge·zeugt und ge·boren, doch der Mythos hält sich mit solchen Details nicht auf). Als Izanagi ihn da·rauf·hin in die Unter·welt schickt (verbannt), möchte Susanoo noch einmal von seiner Schwester Abschied nehmen und ver·schafft sich Eingang in den Himmel. Amaterasu ahnt zwar Böses, kann ihm aber den Zutritt nicht ver·wehren. Tat·säch·lich voll·führt Susanoo im Himmel alle nur er·denk·lichen Misse·taten, die ganz offen·sicht·lich als Provo·kation oder Rebellion gegen die Sonnen·gottheit zu verstehen sind.<br />
<br />
Die meisten dieser Misse·taten er·scheinen uns heute als archaisch-un·ver·ständ·liche Tabu·brüche: Susanoo zerstört zum einen die Be·wässe·rungs·kanäle von Reis·feldern (wohl·gemerkt, Reis·felder der Götter) und sabotiert damit die land·wirt·schaft·liche Pro·duk·tion, zum anderen ver·un·reinigt er Amaterasus Palast mit Exkre·menten und wirft schließ·lich — völlig mysteriös — „ein rück·wärts ge·häutetes Pferd“ in Ama·terasus Webe·halle, wobei eine Dienerin oder Schwester von Amaterasu zu Tode kommt. Amaterasu aber zieht sich, durch diese Untat ihres Bruders zu·tiefst ver·letzt, in die berühmte Felsen·höhle zurück, wo·durch sich das Uni·versum verdunkelt.<br />
<br />
{{Sidebox| w= 160| rh= 200| top= -10| left= -10<br />
| sidepage=Uzume<br />
| uzume-hokusai.jpg<br />
| Ame no Uzume, Ahnherrin des Theaters<br />
}}<br />
An dieser Stelle kommt plötzlich eine Unzahl weiterer Götter ins Spiel, die bislang un·er·wähnt ge·blieben waren. (Es sind zumeist die Ahnen·götter der wich·tigsten Familien am Hof der antiken Tennō.) Diese Götter ver·suchen mit den ver·schie·densten Mitteln, Amaterasu wieder aus der Höhle her·vor·zulocken: Sie lassen Hähne krähen um den Morgen an·zu·kündigen, hängen einen Spiegel an einen heiligen Baum vor der Höhle und be·dienen sich sogar ver·schie·dener religiöser Rituale und Orakel·techniken.<br />
<br />
Schließlich veran·stalten sie ein aus·gelas·senes Fest, bei dem die Göttin {{glossar:amenouzume}} (die [[Mythen/Goetter des Himmels/Uzume | Ahn·herrin des japa·nischen Theaters]]) eine Art Strip·tease hin·legt (wtl. Brüste und Geni·talien entblößt) und auf einem um·ge·stürzten Zuber tanzt, bis daraus Stimmen zu hören sind wie bei einem Geister·be·schwö·rungs·ritual. Die ver·sammel·ten Götter brechen da·rauf·hin in schal·lendes Gelächter aus, das den ge·wünsch·ten Erfolg zeitigt: Amaterasu ist neu·gierig ge·worden und öffnet die Höhle einen Spalt. Ihr eigener An·blick im Spiegel ver·an·lasst sie, aus der Höhle her·vor·zu·treten, worauf die anderen Götter ihren neuer·lichen Rückzug mittels eines Götter·seils ({{glossar:shimenawa}}) blockieren: Die Welt wird wieder hell. Susanoo aber wird aus dem Himmel verbannt.<br />
<br />
=== Amaterasus „jungfräuliche Empfängnis“ ===<br />
<br />
{{floatleft<br />
| amaterasu_gakutei.jpg<br />
| Amaterasu<br />
| ref= 1<br />
}}<br />
Amaterasu erscheint in der gesamten Erzählung ge·heimnis·voll, priester·lich und un·nah·bar. Sie hat in dieser Hinsicht durch·aus Ähn·lich·keit mit der alt·ja·pa·nischen Priester·königin {{Glossar:Himiko}} aus dem dritten Jahr·hundert, von der eine chinesi·sche Quelle be·richtet, sie lebe in einem Palast, den Männer nicht be·treten dürfen, und habe ledig·lich einen jüngeren Bruder, der für sie gewisse Re·gierungs·aufgaben über·nehme.<!--<br />
--><ref>Vgl. Sidepage [[Himiko]].</ref> <br />
Auch Amatersu bleibt un·ver·heiratet. Ihre einzigen „Kinder“ ent·stehen aus einem selt·samen Wett·streit mit ihrem jüngeren Bruder Susanoo, als dieser Ein·gang in das von Amaterasu regierte Reich des Himmels begehrt: Beide Ge·schwister sind voll von gegen·seitigem Miss·trauen. Um dieses Miss·trauen aus der Welt zu schaffen, über·geben sie ein·ander ihre Waffen (ein Schwert im Fall Susanoos, magische Edelsteine, {{glossar:magatama}}, im Fall der Amaterasu), zerkauen diese und spucken die Über·reste wieder aus. Daraus ent·stehen fünf männ·liche und drei weib·liche Kinder. Gemäß ihrer zuvor getroffenen Ab·machung werden die Kinder als „Beweis“ gedeutet, dass Susanoo „reinen Herzens“ ist (was sich in der Folge als falsch heraus·stellt).<br />
<br />
Einer der männ·lichen Spröss·linge dieses Wett·streits ist jene Gottheit, über den sich die Tennō-Linie von Amaterasu ab·leitet (es handelt sich dabei um Ame no Oshihomimi, den Vater des {{glossar:ninigi}}). Er könnte aber genau so gut als Sohn des Susanoo an·ge·sehen werden, da er seine Geburt der Tatsache ver·dankt, dass Susanoo die Edel·steine seiner Schwester zer·kaut. Obwohl das ''Nihon shoki'' gerade zu dieser Episode eine Viel·zahl von Varianten an·führt, die sehr unter·schied·liche Inter·pre·ta·tionen zu·lassen, wird die Abkunft der Tennō-Linie von Amaterasu (und zwar nur von Amaterasu) in der Folge nicht mehr weiter in Frage gestellt.<br />
<br />
==Mythenvergleichende Anmerkungen==<br />
<br />
In den japa·nischen Welt·entstehungs·mythen sind zahl·reiche Motive ent·halten, die auch aus anderen Mytholo·gien auf der ganzen Welt be·kannt sind. Izanamis Tod bei der Geburt des Feuer·gottes reflektiert das Motiv „Tod der Urmutter“, ein Sinn·bild der Erde, die im Laufe eines Jahres er·blüht und „stirbt“, da·durch aber erst das Leben ihrer „Kinder“ ermöglicht. In einer Variante des Mythos wird aus·ge·führt, dass aus Izanamis Leiche sämtliche Getreide·sorten entstehen, die den Menschen als Nahrung dienen. Auch dies ist ein Motiv, das in vielen Kulturen mit dem Tod der Ur·mutter verknüpft ist.<br />
<br />
Die Toten·welt-Episode, in der Izanagi Izanami ver·botener·weise anblickt, er·innert wiederum an die Orpheus-Sage, die ihrer·seits ein uni·verselles Mythen·motiv darstellt. Hervorzu·heben ist in diesem Fall, dass das Verbot des Schauens von der Frau selbst formuliert wird, nicht von sonstigen Auto·ritäten der Unterwelt, und dass die Frau selbst, durch den männlichen Blick verletzt, die Trennung vollzieht.<!--<br />
--><ref>Das Motiv wieder·holt sich in der japa·nischen Mytholo·gie in einer späteren Episode, in der ein Mensch ver·botener·weise in die Gebär·hütte seiner Frau, einer Drachen·prinzessin, lugt und diese dabei in ihrer Drachen- bzw. Meer·unge·heuer-Gestalt erblickt. Auch hier ist es die Frau, die daraufhin aus gekränkter Ehre den ehelichen Kontakt endgültig abbricht. S. dazu Grapard 1991.</ref> <br />
<br />
Der Rückzug der Sonne ist ein weiteres mytholo·gisches Motiv, das mit dem jahres·zeit·lich zu- bzw. ab·nehmenden Sonnen·stand in Verbindung steht und sich eben·falls in zahl·reichen Mythen·kreisen findet. Die Tatsache, dass die Sonnen·gottheit Ama·terasu in Japan als Frau dar·ge·stellt wird, er·scheint da·gegen rätsel·haft, ist doch die Sonne in den meisten Mytho·logien männ·lich. Daher gibt es auch die Theorie, dass die Sonnen·gott·heit erst in Anlehnung an Kaiserin {{Glossar:Jitoutennou | Jitō}} als Frau dar·ge·stellt wurde. Unter Kaiserin Jitō begann man nämlich mit den Auf·zeich·nungen der Mythen, die schließ·lich in Form von {{glossar:kojiki}} (712) und {{glossar:nihonshoki}} (720) fertig gestellt wurden. (S.a. [[Texte/Mythentexte | Mythentexte]].)<br />
<br />
Gegen diese These spricht, dass die Rolle der Frau als Priesterin offenbar in prähis·torischer Zeit besonders aus·ge·prägt war, wie dies auch die be·reits er·wähnte chinesische Chronik aus dem dritten Jahr·hundert anhand der ja·pa·nischen Priesterkönigin {{glossar:Himiko}} berichtet. Diese promi·nente Rolle der Frau in der ja·pa·nischen Früh·zeit könnte eben·falls er·klären, warum die wichtigste Himmels·gott·heit weiblich ge·dacht wurde. Amaterasus Gestalt inspiriert daher auch immer wieder Hypothesen über ein ur·ge·schicht·liches Matriarchat in Japan.<br />
<br />
Anderer·seits darf man nicht übersehen, dass in der Izanagi/Izanami Episode ein pa·tri·archalisches Rollen·modell vor·herrscht, das mit dem Amaterasu/Susanoo Mythos geradezu spiegel·bild·lich ver·flochten ist: Im ersten Fall repräsen·tiert der Mann den Himmel, das Licht und das Leben, während die Frau die Erde, die Dunkel·heit und den Tod ver·körpert; im zweiten Fall ist das Ge·schlechter·ver·hältnis genau um·ge·kehrt. Diese Kon·struktion wirkt nicht zu·fällig, sondern entspricht eher der [[Texte/Yin_und_Yang | Lehre von Yin und Yang]], nach der aus einem Über·maß an Yang (Himmel, Sonne) letzlich wieder ein Yin (weibliche Göttin) ent·steht und um·ge·kehrt. In weiterer Folge produziert Amatersu einen männ·lichen (Yang) Nachfolger, der die Erde (Yin) beherrscht. Insofern wäre das Ge·schlecht der Amaterasu auch aus den „Gesetzen“ von Yin und Yang zu erklären, die irgend·wann auf den japa·nischen Mythos über·tragen wurden.<br />
<br />
Dieses {{Glossar:Yinyang}} Schema wird natürlich nicht immer konsequent durch·gehalten, sondern mehr·fach durch erzählerische Elemente konter·kariert, die möglicher·weise aus älteren mytho·logi·schen Schichten stammen. Diese ''bricolage'', also das be·helfs·mäßige Zu·sammen·stückeln augen·schein·lich wider·sprüch·licher narrativer Elemente, zeigt sich auch deutlich anhand der Geschwister von Amaterasu, Tsukiyomi und Susanoo: Tsukiyomi, der Mondgott, hat über·haupt keine narrative Funktion und scheint wie eine Verlegen·heits·lösung — ein·gescho·ben, damit der Mythos auch als Fundament der Astrono·mie und Astrolo·gie her·halten kann. Der eigent·liche Partner Amaterasus ist Susanoo, der wie diese Yin und Yang Elemente in seinem Wesen ver·eint. Der Mythen·forscherin {{g|naumannnelly|Nelly Naumann}} zufolge ver·schmilzt Tsukiyomi mit Susanoo, der seiner·seits Züge eines archaischen Mond·gottes innehat.<br />
<br />
{{Sidebox| left= -20<br />
| sidepage=Trickster<br />
| Susanoo_toyokuni.jpg<br />
| Japanische Trickster<br />
}}<br />
Susanoo kann aber daneben (oder zugleich) auch als ein „Trickster-Gott“ charakteri·siert werden. Trickster (engl. „Gauner, Schelm, Halunke“) wurden von der Ethnologie in nord·amerika·nischen Indianer·märchen aus·findig gemacht, von der ver·gleichenden Mythen·forschung werden sie aber auch mit Ge·stalten wie dem griechi·schen Prometheus gleich·gesetzt. Zu den allge·meinen Merkmalen von Trickstern gehört, dass sie gegen die in der Welt der Götter herr·schen·den Gesetze ver·stoßen, mit den Menschen paktieren und sie in den Besitz aller möglichen kultu·rellen Errun·gen·schaften, z.B. des Feuers, der Land·wirt·schaft, u.a.m. bringen. Wie auf der folgenden Seite zu erkennen, ent·spricht dies durch·aus der Rolle, die Susanoo im weiteren Verlauf der Erzählung annimmt (siehe dazu auch die Sidepage [[Mythen/Goetter des Himmels/Trickster|Trickster]]).<br />
<br />
{{verweise<br />
| literatur= <br />
{{Literatur:Aston_1972}}<br />
{{Literatur: Grapard 1991}}<br />
{{Literatur:Kōnoshi 1984}}<br />
{{Literatur:Naumann_1996}}<br />
{{Literatur:Philippi_1977}}<br />
| links=<br />
* [http://www.uwec.edu/philrel/shimbutsudo/ Shimbutsudo], Edward A. Beach (en.)<br/>Web-Essays zur japanischen Religion. Dept. of Philosophy and Religious Studies, Univ. of Wisconsin Eau Claire.<br />
| update= Aug. 2010<br />
}}<br />
{{ThisWay|Mythen/Goetter der Erde}}</div>
Nicole Janker
https://religion-in-japan.univie.ac.at/r/index.php?title=Bild:Iwado_kagura2.jpg&diff=59875
Bild:Iwado kagura2.jpg
2015-09-24T13:59:31Z
<p>Nicole Janker: </p>
<hr />
<div>{{bild <br />
| titel = Amaterasu tritt aus der Felsenhöhle<br />
| titel_j = <!--Originaltitel jap. --><br />
| titel_d = <!--Originaltitel übersetzt--><br />
| detail = 0<!-- 0 oder 1 (= „Detail“) --><br />
| form= Holzschnitt<!-- Foto, Zeichnung, Malerei, Druck, Karte, Skulptur, Künstler --> <br />
| inhalt= Gottheit<!-- Person, Portrait, Fest, Gottheit, Fabelwesen, Tier, Architektur, Objekt, Natur --> <br />
| genre = Farbholzschnitt<!--Schreinhalle Tempelhalle Farbholzschnitt Hängerollbild Querbildrolle Statue Relief Photographie Zeremonie, ...--><br />
| genre2 = kami<!-- nishiki-e surimono shunga ... --> <br />
| material = Papier, Farbe<!-- Seide, Farbe, Tusche, Holz, Metall, Papier, Bronze, bemalt ...--><br />
| maße = <!-- 25,5 x 19,1 cm ... Höhe: 30,2 cm -->3 Blatt a 38 x 26 cm<br />
|artist= Utagawa Kunisada<br />
|artist_dates= 1786–1865<br />
| periode = <!--Heian-Zeit Kamakura-Zeit Edo-Zeit ... oder China, Indien, Tibet ...--><br />
|jahr= 1857<br />
| serie = <!--''japanisch'' (Ü)--><br />
| buch = <!--''japanisch'' (Ü)--><br />
| serie_j = <!--1831–32--><br />
| besitz = <!--im Besitz des ...--><br />
| treasure = 0 <!-- 0 oder 1 (= „Nationalschatz“) --><br />
| q_link = http://shinku.nichibun.ac.jp/esoshi/picture_info.php?id=188&from=bl&disp=EN<br />
| q_text = Database of Folklore Illustrations<br />
| quelle_b = Nichibunken, Kyōto<br />
| c = © <!-- © oder 0 (wenn Copyright unklar) --><br />
| quelle_d = <!-- abgerufen -->2015/7/13<br />
| collection = <br />
| beschreibung= Ukiyoe-Tryptichon mit dem Titel „Ursprung des Tanzes vor der Felsenhöhle“ (''Iwato kagura no kigen''). Dieser Tanz stellt die mythologische Szene nach, in der {{gb|Amaterasu}} durch den Tanz von {{gb|Amenouzume}} aus ihrer Felsenhöhle gelockt wird. Solche {{gb|Kagura}}-Tänze werden auch heute noch häufig aufgeführt. In der Darstellung ist deutlich die Kabuki-artige Schminke der Darsteller zu erkennen. Siehe auch [[:Bild:Iwado_kagura.jpg|Iwado_kagura.jpg]].<br />
<br />
}}</div>
Nicole Janker
https://religion-in-japan.univie.ac.at/r/index.php?title=Bild:Chogen_kopf.jpg&diff=59874
Bild:Chogen kopf.jpg
2015-09-24T12:49:42Z
<p>Nicole Janker: </p>
<hr />
<div>{{bild <!-- Alle Parameter sind optional ---><br />
|titel= Shunjōbō Chōgen<br />
|titel_j= <br />
|titel_d= <!--Originaltitel übersetzt--><br />
|detail=1 <!-- 0 = default-Wert; 1 = „Detail“ --><br />
|form= Skulptur<br />
|inhalt= Portrait<br />
|genre= Skulptur <!--Ukiyoe Hängerollbild Querbildrolle Wandschirmmalerei Skulptur Statue Photographie ...--><br />
|material= Holz, bemalt<br />
|maße= Höhe: 81,8cm<br />
|artist= Künstler der Kei-Schule<br />
|artist_dates=<br />
|periode= Kamakura-Zeit<!--Heian-Zeit Kamakura-Zeit Muromachi-Zeit Edo-Zeit Meiji-Zeit ...--><br />
|jahr= 1206<br />
|serie= <br />
|serie_j= <!--1831–32--><br />
|besitz= Shunjō-dō, Tōdaiji, Nara<br />
|treasure=1 <!-- 0 = default-Wert; 1 = „Nationalschatz“ --><br />
|q_link=<br />
|q_text= John M. Rosenfield, ''Portraits of Chōgen: The Transformation of Buddhist Art in Early Medieval Japan.'' Leiden und Boston: Brill, 2011, S. 76.<br />
|quelle_b= <br />
|c = © <!-- © oder 0 (wenn Copyright unklar)--><br />
|quelle_d= <br />
|Portrait des buddhistischen Abts Shunjōbō {{gb|Chougen}} (1121–1206), wahrscheinlich aus 1206, dem Jahr seines Todes mit 85 Jahren. Chōgen bemühte sich energisch um den Wiederaufbau des Tōdaiji und förderte in diesem Zusammenhang auch ganz besonders die Künstler der Kei-Schule ({{gb|Unkei}}, Kaikei, u.a.), die dank seiner Unterstützung die japanische Bildhauerkunst zu einem ihrer Höhepunkte führten. Zu diesen Höhepunkten zählt auch das realistische Portrait ihres Mentors, Chōgen. Wie bei anderen Portraitskulpturen auch, besteht der Kopf aus zwei zusammengeleimten, innen ausgehöhlten Holzteilen, die wie ein Flaschenkorken in den Torso der Figur eingefügt sind. Das Holz wurde mit einer dünnen Schicht aus Hanf und weißem Ton grundiert und dann bemalt. Die Bemalung war wahrscheinlich recht einfach und einheitlich gehalten. Wie Rosenfield feststellt, hat sich der realistische Ausdruck des Portraits durch die natürliche Abnützung der Farbschicht verstärkt. <br />
Die Augen sind, im Gegensatz zu vielen anderen Skulpturen dieser Zeit, nicht aus Glas, sondern wurden lediglich geschnitzt und bemalt. (Rosenfield 2011, S. 83–85.)<br />
}}</div>
Nicole Janker
https://religion-in-japan.univie.ac.at/r/index.php?title=Ikonographie/Heilige&diff=59873
Ikonographie/Heilige
2015-09-24T12:46:34Z
<p>Nicole Janker: </p>
<hr />
<div>{{titel| Buddhistische Heiligenfiguren}}<br />
__TOC__<br />
{{fl|H}}eilige im Sinne des (katholischen) Christen·tums könnte man viel·leicht als Menschen definieren, die kraft ihres Glaubens und ihrer Fröm·mig·keit 1) ande·ren als Rollen·vor·bild dienen, 2) diese Vor·bild·funktion durch beson·dere gott·ähn·liche Fähig·kei·ten bestätigt be·kommen haben, 3) dank dieser be·son·deren Fähig·kei·ten auch heute noch in be·stimm·ten Situa·tionen um Hilfe an·gerufen werden können und 4) zu diesem Zweck durch Geschich·ten und Bilder (Hei·ligen·bilder, Altäre, Kirchen) in Erin·nerung gehalten werden. <br />
{{w502|rahmen_h=450<br />
|seshin.jpg<br />
|mujaku.jpg|w2=330|left2=-50|top2=-30<br />
|Seshin (Vasubandhu)<br />
|Mujaku (Asanga)<br />
|caption= Portraits indischer „Heiliger“ von {{g|Unkei}} (1208)<br />
}}<br />
<br />
Im {{g|Shintou}} wird man außerhalb shintōis·tischer [[Geschichte/Neue Religionen|Neu·religio·nen]] kaum auf der·artige Heilige stoßen, da ja auch die Idee eines Erlösungs·weges, wie ihn das Christen·tum kennt, nicht vorhanden ist. Im [[Grundbegriffe/Buddhismus|Bud·dhismus]] dagegen könnte man theo·retisch sämt·liche {{skt:Buddha|Buddhas}} und {{skt:Bodhisattva|Bodhisattvas}}s als Heilige bezeich·nen. Mög·licher·weise ist das für den frühen indi·schen Buddhis·mus sogar gerecht·fertigt, für die spä·tere Ent·wicklung, und insbe·sondere für den {{skt:Mahayana}} Buddhis·mus, macht eine solche Charak·terisie·rung aber wenig Sinn. Buddhas und Bodhi·sattvas stehen hier über den [[Ikonographie/Waechtergoetter|Göttern]] (deren Existenz zumindest im vor·moder·nen Bud·dhis·mus all·ge·mein akzep·tiert wurde). Sie sind fast immer könig·lichen Geblüts und haben ihre Er·leuch·tung oft in ande·ren Welt·zeit·altern als dem unsrigen, also vor un·vor·stell·bar langer Zeit, erfahren. Sie unter·schei·den sich darüber hinaus durch be·son·dere kör·per·liche [[Ikonographie/Shaka/32 Merkmale|Merk·male]] von ge·wöhn·lichen Menschen. Buddhas und Bodhi·sattvas sind daher zu abge·hoben, um als Heilige im Sinne all·täg·licher Rollen·vor·bilder zu fun·gieren. <br />
<br />
Andererseits gibt es im Buddhis·mus Figuren, die sich durchaus mit christ·lichen Heiligen ver·glei·chen lassen. Die also einer·seits wunder·tätig begabt sind, ande·rer·seits aber auf·grund gewis·ser Schwä·chen oder Eigen·heiten den Menschen näher sind als die Buddhas. Diese Nähe macht sie dann sowohl als Rollen·modelle für fromme Bud·dhisten als auch als Adres·saten für ver·gleichs·weise triviale, dies·seitige Anlie·gen beson·ders geeignet. Zu dieser Gruppe zählen im Bud·dhis·mus fast aus·schließ·lich Schüler des Buddha oder andere namhafte Mönche, etwa die so·genann·ten „Patriar·chen“, also Grün·der·figuren der einzel·nen Schulen. Unter den wenigen bud·dhisti·schen Laien, die sich als Heilige be·zeichnen lassen, befin·den sich vor allem Könige und reiche Kauf·leute, die den Buddhis·mus förderten. Während sich also unter den bud·dhis·tischen Hilfs- und Wächter-Gott·heiten durchaus promi·nente weibliche Gestalten wie {{glossar:benzaiten}}, {{glossar:kichijouten}} oder {{glossar:dakini}} finden lassen, sind weibliche Heilige mensch·lichen Ur·sprungs zumindest im japa·ni·schen Bud·dhis·mus kaum bekannt. <br />
<br />
== Arhats==<br />
{{floatleft|rahmen_h=450<br />
|Arhat8_ryozen.jpg<br />
|Arhat mit Drachen<br />
}}<br />
{{sidebox|sidepage =16_Rakan|w=170|left=-20<br />
|Butsuzozui_rakan5-6.jpg<br />
|16 Arhats<br />
}}<br />
Zu den Heiligen in diesem engeren Sinne zählen als oberste Gruppe die Arhats (jap. {{glossar:arakan}} bzw. {{glossar:rakan}}). Der Begriff {{skt:Arhat}} (oder auch ''arhant'') ist schlicht ein Ehren·titel („Fähiger“, „Würdiger“), der im Bud·dhismus jeman·den bezeichnet, der unter Anleitung des Buddha die Er·leuch·tung erfahren hat und auch als ''shravaka buddha'', „Schüler-Buddha“, bezeich·net wird. Im älteren Bud·dhis·mus ({{skt:shravakayana}} oder {{skt:theravada}}) war dies im Grunde die einzige denkbare Form, die Buddha·schaft zu erlangen. Der Mahayana Buddhis·mus setzte dieser Auf·fassung das Bodhi·sattva Ideal entgegen, dem zufolge ein Bodhi·sattva eine höhere Form der Er·leuchtung erreicht, da er nicht nur auf die eigene Erleuchtung bedacht ist und seinen Eintritt ins Nirvana verzögert, um allen anderen Wesen auf dem Er·leuch·tungs·weg behilflich zu sein. Die Arhat·schaft wurde aber im Mahayana nicht geleugnet, sondern sozu·sagen auf den zweiten Rang ver·wiesen. <br />
<br />
Arhats werden zumeist in be·stimmten Gruppen verehrt. Neben einer frühen Vierer·gruppe, die in Japan kaum eine Rolle spielt, kennt der ost·asiati·sche Bud·dhis·mus seit der {{glossar:Tang}}-Zeit die Gruppe der [[{{FULLPAGENAME}}/16 Rakan|Sechzehn Arhats]], die in Japan bis heute verehrt wird, während sie in China später zumeist auf achtzehn erweitert wurde. Diese Figuren sollen alle Schüler des Buddha gewesen sein, die sich seit seinem Ableben in dieser Welt aufhalten. Sie besitzen beson·dere spiri·tuelle Fähig·keiten und Kräfte (u.a. sind sie zumeist unsichtbar) und wachen darüber, dass Buddhas Lehren korrekt verbreitet und die Kloster·regeln einge·halten werden. Exem·plarisch wird diese Gruppe durch ihren „Anführer“ Pindola (jap. {{glossar:Binzuru}}) vertre·ten, der in unzäh·ligen japa·ni·schen Tempeln als wunder·tätiger „Streichel·buddha“ ({{glossar:nadebotoke}}) — das heißt als Statue, die man zur Errei·chung bestimm·ter Wünsche berühren soll — eine von Touristen kaum beachtete Existenz als Glücks·bringer führt. <br />
<br />
Darüber hinaus gibt es die Gruppe von Fünf·hundert Arhats, die manchmal auch zu tausend oder 1.500 Arhats erweitert wird. Auch ihnen sind in Japan zahl·reiche Tempel gewidmet, die dann oft tat·sächlich Figuren in der ent·spre·chen·den Anzahl enthalten.<br />
<br />
== Die Zehn Großen Schüler des Buddha ==<br />
<br />
Eng verwandt mit den Sechzehn Arhats ist die Gruppe der Zehn Großen Schüler, die man auch als Aposteln des Buddha bezeichnen könnte. Sie treten häufig in Sutren als Gesprächs·partner des Buddha auf, sind aber in der allge·meinen Wahr·nehmung Japans weniger präsent als die Sechzehn oder die Fünf·hundert. Einzige Aus·nahme ist vielleicht Maulda·gana ({{glossar:Mokuren}}), der seine Mutter aus der Hölle er·rettet haben soll und aus diesem Grund stark in den japa·nischen Toten- und Ahnen·kult einge·bunden ist. Mehr dazu auf der Seite „[[Ikonographie/Shaka/Buddhas Leben|Das Leben des Buddha]]“.<br />
<br />
== Historische Mönche ==<br />
{{floatright <br />
|chogen_kopf.jpg<br />
|Portrait Chōgens, 1206<br />
}}<br />
Eine starke ikono·graphi·sche Verwandt·schaft besteht zwischen der Dar·stel·lung der Arhats und den Portraits histori·scher Mönche. In beiden Fällen wird keine ideali·sierte Form der Dar·stel·lung angestrebt. Statt dessen werden in·divi·duelle Charak·ter·merk·male oder Zeichen des körper·lichen Verfalls oft in sehr realis·tischer und keines·falls immer schmei·chel·hafter Weise heraus·ge·arbeitet. Die Kunst des ostasia·tischen Buddhis·mus betont also sowohl bei Arhats als auch bei histori·schen Mönchen deren mensch·liche Schwächen, was aber keines·falls aus·schließt, dass die dar·gestellten Mönche mit einer Vielzahl von wunder·samen Legenden umgeben sind und daher auch als Heilige bezeichnet werden können. <br />
Ein Beispiel für die scho·nungs·los realistische Dar·stellung eines alten Mönchs stellt ein Portrait des Mönchs {{glossar:chougen}} dar. Chōgen spielte Ende des 12. Jahr·hun·derts im Zu·sammen·hang mit dem Wieder·aufbau des {{glossar:toudaiji}} und seines Großen Buddhas auch eine wichtige Rolle als Förderer der Künste. <br />
<br />
Zu den Heiligen·gestalten, die auf anderen Seiten dieses Web·hand·buchs bereits besprochen werden, zählen: <br />
* {{glossar:shoutokutaishi}}, ein früherer Förderer des japa·nischen Buddhis·mus;<br />
* {{glossar:ennogyouja}}, der legendäre Begrün·der des Kults der Berg·asketen ({{glossar:shugendou}});<br />
* {{glossar:gyouki}}, der mithalf den [[Ikonographie/Dainichi/Daibutsu|Großen Buddhas]] von Nara zu errichten:<br />
* {{glossar:kouboudaishi}} {{glossar:kuukai}}, der Be·gründer des Shingon Buddhis·mus;<br />
* {{glossar:dengyoudaishi}} {{glossar:saichou}}, der Be·gründer des japa·nischen Tendai Buddhis·mus;<br />
* und andere mehr. <br />
<br />
<div class='bildbox'> ''Ende des Kapitels „Ikonographie“'' </div><br />
{{ThisWay|Mythen}}<br />
{{styles}}</div>
Nicole Janker
https://religion-in-japan.univie.ac.at/r/index.php?title=Bild:Kasugamandala_2.jpg&diff=59872
Bild:Kasugamandala 2.jpg
2015-09-24T12:23:49Z
<p>Nicole Janker: </p>
<hr />
<div>{{bild <br />
|titel=Kasuga <!--freigewählter Titel oder: --><br />
|titel_j= <!--Originaltitel jap. --><br />
|titel_d= <!--Originaltitel übersetzt--><br />
|detail=1 <!-- 0 oder 1 (= „Detail“) --><br />
|form= Malerei<br />
|inhalt= Tier<br />
|genre= Mandala<!--Schreinhalle Tempelhalle Farbholzschnitt Hängerollbild Querbildrolle Statue Relief Photographie Zeremonie...--><br />
|genre2= <!-- nishiki-e surimono shunga ... (jap.)--><br />
|material=Seide <!-- Seide, Papier, Holz, Metall, Stein, Bronze, bemalt, vergoldet, Farbe, Tusche ...--><br />
|maße= <!-- 25,5 x 19,1 cm ... Höhe: 30,2 cm --><br />
|artist=<br />
|artist_dates=<br />
|periode= <!--Heian-Zeit Kamakura-Zeit Edo-Zeit ... oder China, Indien, Tibet ...--><br />
|jahr= <!--1432 15. Jh. ...--><br />
|serie= <!--''japanisch'' (Ü)--><br />
|buch= <!--''japanisch'' (Ü)--><br />
|serie_j= <!--1831–32--><br />
|besitz= <!--im Besitz des ... oder Ortsangabe--> <br />
|treasure=0 <!-- 0 oder 1 (= „Nationalschatz“) --><br />
|q_link= <!--Link zur Quelle: http://... --><br />
|q_text= <!-- Text zur Quelle --><br />
|quelle_b= <!-- Zusatztext zur Quelle--><br />
|c = © <!-- © oder 0 (wenn Copyright unklar)--><br />
|quelle_d= <!-- retrieved, 2011/7 --><br />
|collection=<br />
|<!-- Beschreibung -->Detaildarstellung des Heiligen Hirschs.<br />
}}</div>
Nicole Janker
https://religion-in-japan.univie.ac.at/r/index.php?title=Ikonographie/Shinto-Goetter/Kasuga_Mandala&diff=59871
Ikonographie/Shinto-Goetter/Kasuga Mandala
2015-09-24T12:19:17Z
<p>Nicole Janker: </p>
<hr />
<div>{{Styles|sidepage}}<br />
{{titel | Das Kasuga Mandala <span class{{=}}"bottom">und die Götter des Kasuga Schreins</span>}}<!--<br />
<br />
-->{{w500<br />
|kasugamandala_1.jpg|rahmen_h=350|top=-15<br />
|''Kasuga Mandara'' (Detail), 14. Jh.<br />
}}<br />
{{sidebox <br />
|kasugamandala_4.jpg |rahmen_h=330|w=140<br />
|''Kasuga Mandara'', Gesamtansicht<br />
}}<br />
{{fl|D}}ieses Schrein-{{skt:Mandala|Mandala}} zeigt die Haupt- und Neben·götter des {{glossar:kasugataisha|Kasuga}} Schreins in Nara zusam·men mit den ihnen ent·sprech·enden Ur-Buddhas. Die ver·gleichs·weise realis·tischen Figuren reprä·sentieren die Er·schei·nungs·formen einer Gott·heit als ''kami'' ({{glossar:suijaku}}), die darüber schwe·benden {{skt:Buddha}}-Figuren sind die jewei·ligen buddhis·tischen Urformen ({{glossar:honji}}). Die Haupt·gott·heit des Schreins ist in der obersten Reihe zu er·kennen. Sie ist hier ledig·lich als „Erster Schrein“ (Ichi-no-miya) aus·ge·wiesen, ihr Eigen·name ({{glossar:Takemikazuchi|Take·mi·kazuchi}}) wird nicht ge·nannt. Die Figur „Erster Schrein“ wird von zwei ''honji'' Buddhas flankiert, nämlich {{glossar:Shaka}} und {{glossar:Kannon}}. Direkt darunter — von der Mitte nach außen in ab·nehmen·der Rang·folge — erkennt man die Götter der weiteren Teil·schreine von Kasuga (inklusive diverser Neben·schreine), jeweils mit den zu·stän·digen Buddhas oder {{skt:Bodhisattva|Bodhisattvas}} darüber.<br />
<br />
Im Mittel·teil des Mandalas nimmt die rea·listische Ab·bil·dung des Kasuga Schreins den promi·nentesten Platz ein. Zwischen der Götter·welt und dem Schrein erkennt man den heiligen Berg Mikasa, auf dessen Gipfel, etwas her·aus·ver·größert, ein Hirsch zu sehen ist (s. Detailabb. unten). Er ist Bote ({{glossar:otsukai}}) und Sinn·bild des Kasuga Schreins. Auf ihm sollen einst die Ahnen·götter der {{Glossar:Fujiwara}}-Dynastie aus dem Osten Japans hierher ge·ritten sein, nachdem die Fujiwara in {{Glossar:Nara}} eine neue Residenz er·richtet hatten. Unter·halb der Schrein·anlage, teilweise von Wolken verdeckt, ist die Tempel·anlage des {{glossar:koufukuji}} zu sehen, von dem vor allem die Pagode zu erkennen ist. Der Kōfuku-ji diente ur·sprüng·lich eben·falls dem Ahnen·kult der Fujiwara, ent·wickelte sich aber in der Nara und {{Glossar:Heian}}-Zeit zum mächtigsten Einzel·kloster Japans und fungierte als eine Art Supervisor des Kasuga Schreins.<br />
<div class="bildbox bildtext">[[Image:kasugamandala_3b.jpg|link=|kasuga schrein]]<br />
<div>''Kasuga Mandara'', weitere Details</div>[[Image:kasugamandala_2.jpg|link=]]<br />
</div><br />
Kasuga Mandalas existieren in ver·schie·denen Versionen, die frühesten stammen aus der {{Glossar:Kamakura}}-Zeit. Die Fujiwara verloren damals an Macht und Ein·fluss. Der Schrein war dadurch gezwungen, nach neuen Unter·stützern zu suchen und tat dies, indem er die Ver·ehrung seiner Götter mit der Ver·ehrung der ent·sprechen·den ''honji'' Buddhas gleich·setzte und sie in Form vom Mandalas populari·sierte. Ein solcher Über·gang vom Ahnen·kult zur ''kami''-Ver·ehrung im Dienst des Bud·dhis·mus ist allerdings kein ver·einzeltes Phänomen sondern lässt sich bereits in der Heian-Zeit häufig feststellen.<br />
{{Linkbox|ue=Literatur|text=<br />
{{Literatur:Grapard 1992}}<br />
{{Literatur:Harris 2001}}<br />
{{Literatur:Tyler 1990}}<br />
{{Literatur:Tyler 1992}}<br />
}}<br />
{{Linkbox|ue=Verwandte Themen|text=<br />
* [[Ikonographie/Mandala | Mandalas]] (Hauptseite)<br />
* [[Ikonographie/Shinto-Götter | Einheimische ''kami'']] (Hauptseite)<br />
* [[Geschichte/Honji_suijaku | ''Honji suijaku'': Die Angleichung von Buddhas und ''kami'']] (Hauptseite)<br />
* [[Bauten/Bekannte_Schreine/Kasuga | Bilder des Kasuga Schreins]] (Sidepage)<br />
}}<br />
{{ThisWay}}</div>
Nicole Janker
https://religion-in-japan.univie.ac.at/r/index.php?title=Ikonographie/Shinto-Goetter/Kasuga_Mandala&diff=59870
Ikonographie/Shinto-Goetter/Kasuga Mandala
2015-09-24T12:17:59Z
<p>Nicole Janker: </p>
<hr />
<div>{{Styles|sidepage}}<br />
{{titel | Das Kasuga Mandala <span class{{=}}"bottom">und die Götter des Kasuga Schreins</span>}}<!--<br />
<br />
-->{{w500<br />
|kasugamandala_1.jpg|rahmen_h=350|top=-15<br />
|''Kasuga Mandara'' (Detail), 14. Jh.<br />
}}<br />
{{sidebox <br />
|kasugamandala_4.jpg |rahmen_h=330|w=140<br />
|''Kasuga Mandara'', Gesamtansicht<br />
}}<br />
{{fl|D}}ieses Schrein-{{skt:Mandala|Mandala}} zeigt die Haupt- und Neben·götter des {{glossar:kasugataisha|Kasuga}} Schreins in Nara zusam·men mit den ihnen ent·sprech·enden Ur-Buddhas. Die ver·gleichs·weise realis·tischen Figuren reprä·sentieren die Er·schei·nungs·formen einer Gott·heit als ''kami'' ({{glossar:suijaku}}), die darüber schwe·benden {{skt:Buddha}}-Figuren sind die jewei·ligen buddhis·tischen Urformen ({{glossar:honji}}). Die Haupt·gott·heit des Schreins ist in der obersten Reihe zu er·kennen. Sie ist hier ledig·lich als „Erster Schrein“ (Ichi-no-miya) aus·ge·wiesen, ihr Eigen·name ({{glossar:Takemikazuchi|Take·mi·kazuchi}}) wird nicht ge·nannt. Die Figur „Erster Schrein“ wird von zwei ''honji'' Buddhas flankiert, nämlich {{glossar:Shaka}} und {{glossar:Kannon}}. Direkt darunter — von der Mitte nach außen in ab·nehmen·der Rang·folge — erkennt man die Götter der weiteren Teil·schreine von Kasuga (inklusive diverser Neben·schreine), jeweils mit den zu·stän·digen Buddhas oder {{skt:Bodhisattva|Bodhisattvas}} darüber.<br />
<br />
Im Mittel·teil des Mandalas nimmt die rea·listische Ab·bil·dung des Kasuga Schreins den promi·nentesten Platz ein. Zwischen der Götter·welt und dem Schrein erkennt man den heiligen Berg Mikasa, auf dessen Gipfel, etwas her·aus·ver·größert, ein Hirsch zu sehen ist (s. Detailabb. unten). Er ist Bote ({{glossar:otsukai}}) und Sinn·bild des Kasuga Schreins. Auf ihm sollen einst die Ahnen·götter der {{Glossar:Fujiwara}}-Dynastie aus dem Osten Japans hierher ge·ritten sein, nachdem die Fujiwara in {{Glossar:Nara}} eine neue Residenz er·richtet hatten. Unter·halb der Schrein·anlage, teilweise von Wolken verdeckt, ist die Tempel·anlage des {{glossar:koufukuji}} zu sehen, von dem vor allem die Pagode zu erkennen ist. Der Kōfuku-ji diente ur·sprüng·lich eben·falls dem Ahnen·kult der Fujiwara, ent·wickelte sich aber in der Nara und {{Glossar:Heian}}-Zeit zum mächtigsten Einzel·kloster Japans und fungierte als eine Art Supervisor des Kasuga Schreins.<br />
<div class="bildbox bildtext">[[Image:kasugamandala_3b.jpg|link=|kasuga schrein]]<br />
<div>''Kasuga Mandara'', weitere Details</div>[[Image:kasugamandala_2.jpg|link=]]<br />
</div><br />
Kasuga Mandalas existieren in ver·schie·denen Versionen, die frühesten stammen aus der {{Glossar:Kamakura}}-Zeit. Die Fujiwara verloren damals an Macht und Ein·fluss. Der Schrein war dadurch gezwungen, nach neuen Unter·stützern zu suchen und tat dies, indem er die Ver·ehrung seiner Götter mit der Ver·ehrung der ent·sprechen·den ''honji'' Buddhas gleich·setzte und sie in Form vom Mandalas populari·sierte. Ein solcher Über·gang vom Ahnen·kult zur ''kami''-Ver·ehrung im Dienst des Bud·dhis·mus ist allerdings kein ver·einzeltes Phänomen sondern lässt sich bereits in der Heian-Zeit häufig feststellen.<br />
{{Linkbox|ue=Literatur|text=<br />
{{Literatur:Grapard 1992}}<br />
{{Literatur:Harris 2001}}<br />
{{Literatur:Tyler 1990}}<br />
{{Literatur:Tyler 1992}}<br />
}}<br />
{{Linkbox|ue=Verwandte Themen|text=<br />
* [[Ikonographie/Mandala | Mandalas]] (Hauptseite)<br />
* [[Ikonographie/Shinto-Götter | Einheimische Kami]] (Hauptseite)<br />
* [[Geschichte/Honji_suijaku | Honji suijaku: Die Angleichung von Buddhas und Kami]] (Hauptseite)<br />
* [[Bauten/Bekannte_Schreine/Kasuga | Bilder des Kasuga Schreins]] (Sidepage)<br />
}}<br />
{{ThisWay}}</div>
Nicole Janker
https://religion-in-japan.univie.ac.at/r/index.php?title=Ikonographie/Shinto-Goetter&diff=59864
Ikonographie/Shinto-Goetter
2015-09-23T19:25:08Z
<p>Nicole Janker: </p>
<hr />
<div>{{Styles}}<br />
{{titel | Die Ikonographie der ''kami''}}<br />
<br />
{{fl|S}}eit jeher nennt man die ein·heimi·schen Götter in Japan {{glossar:kami}}. Doch was ''kami'' bewirken, wo sie sich auf·halten und wie sie aus·sehen, darüber lassen sich im Unter·schied zu bud·dhis·tischen Ge·stalten kaum ver·bindliche Aus·sagen fest·machen. <br />
Bildliche Dar·stel·lungen von ''kami'' in mensch·licher Gestalt sind aus alter Zeit allenfalls in stark stili·sierter Form bekannt. Erst der Ein·fluss der buddhisti·schen Kunst brachte es mit sich, dass ''kami'' als rea·listische Menschen dar·ge·stellt wurden. Aller·dings gab und gibt es viel weniger Bilder von ''kamis'' als von Buddhas.<br />
<br />
==Frühe Darstellungen==<br />
<br />
Einige ur- und früh·geschicht·liche Grab·bei·gaben (so z.B. einige {{glossar:haniwa}}-Tonfiguren der Kofun-Zeit, 3.–6.Jh.) können als Götter·dar·stel·lungen gedeutet werden, doch scheint diese alter·tümliche Ikono·graphie mit dem [[Geschichte/Frühzeit | Aufkommen des Buddhismus]] so voll·kommen ab·ge·schafft worden zu sein, dass heute nur noch speku·lative Inter·preta·tionen über die Ver·bindung von ''haniwa'' und ''kami'' möglich sind. Das einzige, was sich in Ver·bindung mit Götter·dar·stel·lungen aus vor-bud·dhisti·scher Zeit bis heute er·halten hat, sind spezifisch ge·formte {{glossar:shintai}} (Gottkörper). ''Shintai'' stellen die Haupt·heilig·tümer shintō·istischer [[Bauten/Schreine | Schreine]] dar. Sie re·präsen·tieren jedoch streng ge·nommen nicht die Gott·heit selbst, sondern stellen ihren Aufent·halts·ort in dem jewei·ligen Schrein dar.<br />
<br />
===Shintai===<br />
{{sidebox|3jingi.jpg|left=17|''Shintai''}}<br />
Typische ''shintai'' sind Spiegel, Schwert und Krumm·juwelen ({{glossar:magatama}}). Sie bilden auch die „drei göttlichen Schätze“, die — vor allem in früheren Zeiten — als Insignien der kaiserlichen Macht galten und so den Herr·schafts·an·spruch des {{Glossar:Tennou}} legiti·mierten. ''Shintai'' können aber auch ganz andere Formen an·nehmen, z.B. Papier·opfer·gaben ({{g|gohei}}) oder figurative Dar·stellungen. Doch auch in diesem Fall handelt es sich streng·genommen nicht um die tat·säch·liche Gestalt der ''kami'' sondern um ihren Wohnort.<br />
{{Galerie1<br />
| bild1={{Dia|matsunoo_josei.jpg|w=120}}<br />
| bild2={{Dia|matsunoo_dansei.jpg|w=120}}<br />
}}<br />
Wenn ''shintai '' in mensch·licher Form dar·gestellt werden, so sind sie zumeist wie Hof·adelige ge·kleidet. Das trifft schon auf die archaisch wirken·den Gott·heiten des {{glossar:matsunootaisha|Matsuno Taisha}} zu, die als die ältesten Beispiele figurativer ''kami''-Dar·stel·lungen gelten. Die männliche Figur (u.r.) hält eine Art Szepter ({{glossar:shaku}}) in der Hand, das noch heute in Shintō-Zere·monien zum Einsatz kommt, ursprüng·lich aber ein Insignium welt·licher Herrscher war.<br />
<br />
==Multiple Identitäten==<br />
<br />
Was die ''kami''-Ikono·graphie verwirrend macht, ist unter anderem die Tatsache, dass es oft gar nicht leicht zu er·kennen ist, welcher Gott in einem bestimmten Schrein verehrt wird. Größere Schrein·an·lagen bestehen immer aus mehreren Einzel·schreinen, die ver·schiedenen Gott·heiten geweiht sind. Selbst in der Haupt·halle eines Schrein können mehrere Gott·heiten zu Hause sein oder es existieren mehrere gleich·rangige Haupt·hallen nebeneinander. Dies ist wohl mit ein Grund, warum Schreine in Japan häufig unter ihrem Orts·namen, nicht unter dem Namen ihrer Gott·heit bekannt sind. In früherer Zeit wurde dieser Orts·name sogar mit eigenen Gottes-Titeln versehen. Die ver·schiedenen Gott·heiten eines Schreins wurden also auch als eine einzige multiple Gott·heit aufgefasst.<br />
<br />
===Beispiel Kasuga===<br />
<br />
{{floatright|w=150|rh= 470<br />
|kasuga hirschmandala.jpg <br />
|Kasuga ''kami'' <br />
}}<br />
Der {{glossar:Kasugataisha|Kasuga}} Schrein in {{glossar:nara}} ist ein besonders an·schau·liches Beispiel für multiple Gott·heiten. Er wurde als Ahnen·schrein der mächtigen Adels·familie {{Glossar:Fujiwara}} gegründet und birgt vier Haupt·gott·heiten, die von den Fujiwara als ihre Vor·fahren erachtet wurden. Im Mittel·alter taucht neben den vier einzelnen Namen aber auch die Gott·heit Kasuga {{glossar:daimyoujin}} auf. Kasuga Daimyōjin wird zwar als Einzel·gott·heit verstanden und sogar ab·gebildet, ersetzt die ein·zelnen ''kami'' in Kasuga aber nicht rest·los, sondern fasst sie zu einer Art kollektiven Super·gottheit zusammen.<br />
<br />
Es gibt darüber hinaus auch einige nam·hafte Zweig·schreine des Kasuga Schreins, etwa den {{glossar:yoshidajinja|Yoshida Schrein}} in Kyōto. Auch er war ur·sprüng·lich ein Ahnen·schrein der Fujiwara und diente der Ver·ehrung des gleichen Ensembles von vier Göttern. Später wurden auch diese Gott·heiten zu einer einzigen ver·schmolzen, die diesmal den Namen Yoshida Daimyōjin erhielt. Die einzelnen Ahnen·götter waren zwar die gleichen wie im Kasuga Schrein, als Ensemble an einem anderen Ort bildeten sie aber eine neue Gottheit.<br />
<br />
Der mühelose Wechsel von Einzahl und Mehrzahl und das Ver·schmelzen von mehreren Einzel·figuren zu einer einzigen wird wahr·schein·lich jedem, der mit japa·nischen Manga vertraut ist, bekannt vor·kommen. Auch hier vereinigen sich Einzel·figuren zu einem Superhelden, um sich nach ge·mein·samen Kampf wieder zu individua·lisieren. Kann es sein, dass dieser fließende Über·gang von einzel·per·sön·lichen und kollek·tiven Identi·täten etwas mit der Be·deutung der Gruppe in der japa·nischen Ge·sell·schaft zu tun hat? Oder erleichtert die Tat·sache, dass es im Japa·nischen keinen gramma·tikalischen Unter·schied zwischen Singular und Plural gibt, derartige Vor·stellungen?<br />
<br />
===Amaterasu===<br />
In der japa·nischen Mytholo·gie fällt auf, dass weib·lichen Figuren eine wichtige, manch·mal sogar führende Rolle zukommt. Prominen·testes Bei·spiel ist natürlich die Sonnen·gott·heit {{glossar:Amaterasu}}, aber auch die mythische Kaiserin {{Glossar:Jinguukougou | Jingū}} führt zu ihrer Zeit das Zepter über eine ganze Nation. Zur Zeit der Ab·fassung der Mythen waren weibliche Tennō tat·säch·lich keine Selten·heit. Im Laufe des japanischen Alter·tums scheint die Stellung der Frau jedoch schwächer ge·worden zu sein. Das wirkte sich auch in der Welt der Götter aus. Offen·bar tat man sich immer schwerer damit, die wichtigste Ahnen·gott·heit des Tennō in weiblicher Gestalt zu ver·ehren. Auf den seltenen Dar·stel·lungen aus dem Mittel·alter erscheint Amaterasu daher meist als Mann. Noch in der frühen {{glossar:edo}}-Zeit herrschte die Dar·stel·lung von Amaterasu als Jüngling vor. In dieser Zeit wurde der Name Amaterasu Ōmikami im übrigen sino-japanisch {{glossar:Tenshoudaijin}} aus·ge·sprochen. Erst später, als unter dem Einfluss der {{glossar:Kokugaku}}-Gelehrten der ein·heimische Mythos wieder deutlicher ins all·gemeine Bewusst·sein trat, etablierte sich die heute gängige Form, wie sie etwa auf dem Holz·schnitt rechts zu sehen ist.<br />
<br />
{{W502<br />
| tenshodaijin_mnl.jpg |w1=150|rahmen_w1=150<br />
| amaterasu_kunisada.jpg |w2=335|rahmen_w2=335<br />
| Amaterasu als Mann <br />
| Amaterasu als Frau<br />
}}<br />
Ganz all·gemein kann man aus diesen Beispielen schließen, dass die persönliche Identität einer Schrein·gott·heit wesentlich variabler ist als man aus der Sicht einer mono·theistischen Religion vermuten würde. In vielen Fällen werden Schreine daher mit ihrem Orts·namen identifiziert. Selbst der Haupt·schrein von Amaterasu, der Ahnen·schrein des Tennō in {{glossar: Ise}} wird nicht als „Amaterasu Schrein“ sondern als „Götter·palast von Ise“ ({{glossar:isejinguu}}) bezeichnet. Dass die verehrte Gott·heit Amaterasu heißt, mag in diesem Fall noch all·ge·mein bekannt sein. Aber welche Gott·heit ihren Sitz im eben·so populären {{Glossar:Izumotaisha| Izumo Schrein}} hat, ist selbst in Japan weithin un·bekannt. Man besucht die be·rühmten Schreine von {{Glossar:Nikkou}} oder {{Glossar:Miyajima}} und bringt ihren Gott·heiten den ge·bührenden Respekt ent·gegen, aber man spricht immer nur vom Orts·namen dieser Schreine, kaum je von der dort ver·ehrten Gott·heit. Aus·nahmen stellen {{glossar:hachiman}}-, {{glossar:inari}}- und {{glossar:tenjin}}-Schreine (s. [[Bauten/Bekannte_Schreine | Bekannte Schreine]]) dar. Interes·santer·weise sind all dies Gott·heiten, die erst in histori·scher Zeit und unter bud·dhis·tischem Einfluss ent·standen sind.<br />
<br />
==Buddhistische ''kami''==<br />
{{w502|rahmen_h=330<br />
|hachiman_1326.jpg|w1=310|left1=-30<br />
|hachiman01.jpg<br />
|Hachiman als Herrscher<br />
|Hachiman als Mönch<br />
}}<br />
Obwohl wie ein bud·dhisti·scher Mönch gekleidet, ist auch die Figur rechts ein ''kami''. Es ist {{glossar:hachiman}}, ein Gott, der ur·sprüng·lich von der West·insel Kyūshū stammt aber bereits seit der {{Glossar:Nara}}-Zeit (710–784) landes·weit ver·ehrt wurde. Der Hachiman-Glaube wurde be·sonders vom Buddhis·mus gefördert, denn Hachiman wurde als einer der ersten ''kami'' in das buddhis·tische Pantheon integriert und als zum Bud·dhis·mus bekehrte Gott·heit angesehen. Um das Jahr 800 erhielt Hachiman den Titel {{glossar:bosatsu|Bosatsu}} ({{skt:Bodhisattva}}) und wurde ab da meist in Mönchs·tracht dar·ge·stellt. In späterer Zeit wurde Hachiman aber auch als Schutz·patron des Krieger·standes verehrt. In dieser Funktion wird er als weltlicher Herrscher gezeigt. Somit scheint es, als ob Hachiman rück·wirkend wieder in den Laien·stand ver·setzt worden wäre. Tatsächlich weiß die Hachiman Legende jedoch von ver·schie·denen Exis·tenzen dieser Gottheit im (buddhistischen) Zyklus der Wieder·geburten zu berichten. Daher bezieht sich die weltliche Dar·stellung auf jene Existenz, als Hachiman in Gestalt des {{glossar:oujintennou}} auf Erden wandelte. Dieser Gestalten·reich·tum erklärt wahr·scheinlich auch Hachi·mans flexible Ein·satz·fähigkeit. Noch heute ist er einer der popu·lärsten ''kami'' Japans. (Siehe auch: [[Bauten/Bekannte_Schreine/Hachiman | Hachiman Schreine]].)<br />
<br />
Hachi·man war jedoch nicht der einzige einhei·mische Gott, der im Laufe der japa·nischen Religions·ge·schichte in den Dienst des Bud·dhis·mus trat. Viel·mehr wurden im Grunde sämt·liche ''kami'' früher oder später in das bud·dhis·tische Pantheon integriert und als Schutz·gott·heit des Buddhis·mus oder als Inkarna·tion einzelner Buddhas oder Bodhi·sattvas aufgefasst. (Mehr dazu im Kapitel „Geschichte“, [[Geschichte/Honji_suijaku | Honji-suijaku]].) Besonders deutlich ist dies auf den Mandalas von ''kami''-Schreinen zu erkennen.<br />
<br />
===Schrein Mandalas===<br />
{{Sidebox|sidepage=Kasuga Mandala|kasugamandala_4.jpg| w=140|Kasuga Mandala}}<br />
<br />
Ab der {{Glossar:Kamakura}}-Zeit (13. Jh.) findet man japa·nische Gott·heiten auch auf sog. [[Ikonographie/Mandala | Mandalas]] (jp. {{glossar:mandara}}) dar·ge·stellt. Es handelt sich dabei aber meist nicht um die abstrakten geo·metrischen Strukturen, die wir von den klassischen {{skt:mandala|Mandalas}} des Buddhis·mus kennen. Vielmehr scheinen die ver·gleichs·weise freien Dar·stel·lungen buddhisti·scher [[Mythen/Paradiese | Paradiese]], die ebenfalls als Mandalas be·zeichnet wurden, für die Schrein Mandalas Pate gestanden zu haben.<br />
<br />
Auf den Mandalas berühmter Schreine sieht man ''kami'' häufig paarweise mit {{skt:buddha|Buddhas}} abgebildet. Diese Dar·stel·lung ist Aus·druck einer be·stimmten Auf·fassung vom Ver·hältnis zwischen Buddhas und ''kami'', die von der {{glossar:heian}}-Zeit bis zum Beginn der {{glossar:meiji}}-Zeit gängig war: Buddhas wurden als „Urform“ (jap. {{glossar:honji}}), ''kami'' als deren „Spur“ ({{glossar:suijaku}}), d.h. als sekundäre Er·scheinungs·form angesehen. Jede einzelne Gott·heit war demnach die Inkarna·tion eines bestimmten Buddhas. Diese Ver·mischung von bud·dhis·tischer und ein·heimischer Ikono·graphie stellte bis zur Meiji-Zeit kaum ein Problem dar. Man war lediglich unter·schied·licher An·sicht, welcher ''kami'' zu welchem Buddha ge·hörte. Die Schrein Mandalas dienten u.a. dazu, die spezifi·sche Inter·pre·ta·tion be·stimmter ''kami'' und ihrer Urformen zu illustrierten.<br />
{{Linkbox|ue=Literatur|text=<br />
{{Literatur:Tengrotenhuis_1999}}<br />
{{Literatur:Harris_2001}}<br />
}}<br />
{{ThisWay|Ikonographie/Heilige}}</div>
Nicole Janker
https://religion-in-japan.univie.ac.at/r/index.php?title=Ikonographie/Gluecksgoetter/Hotei&diff=59863
Ikonographie/Gluecksgoetter/Hotei
2015-09-23T19:08:01Z
<p>Nicole Janker: </p>
<hr />
<div>{{Styles|sidepage}}<br />
{{titel | Hotei (Budai), der Lachende Buddha }}<br />
{{w500 <br />
|budai.jpg <br />
|Budai (Hotei), chinesische Felsskulptur, Hangzhou<br />
| ref=1 }}<br />
{{sidebox|w=200|left=-20<br />
| butai_lingyin_closeup.jpg<br />
| Budai von Hangzhou (Detail)<br />
| ref=1<br />
}}<br />
{{fl|I}}m China der Sung-Zeit lebte der sagen·um·wobene Bettel·mönch Qici, besser bekannt unter seinem Spitz·namen {{glossar:Budai}} („Jutesack“; auch Pu-tai; jap. {{Glossar:Hotei}}). Budai war miss·ge·staltet und dick·bäuchig, stotterte und schlief ein, wo immer er hin·fiel. Aber er war auch magisch be·gabt. Auf seinem Körper blieb der Schnee nicht liegen und er konnte den Regen und andere Dinge vor·her·sagen. Er war mit jeder Nahrung zu·frie·den, nahm dankbar alle Spen·den, die man ihm gab, und hortete sie in seinem Sack. Er soll 916, nach einer anderen Version zwischen 901 und 904, ge·stor·ben sein.<ref name=ddb>''Digital Dictionary of Buddhism'', [http://www.buddhism-dict.net/cgi-bin/xpr-ddb.pl?q=%E5%B8%83%E8%A2%8B 布袋 (Budai)] (2012-08-21)</ref><br />
<br />
== Budai und Maitreya ==<br />
<br />
Von Budai ist folgender Vers überliefert:<br />
<br />
{{Zitat<br />
|quelle=Zitiert nach ''Digital Dictionary of Buddhism'' <ref name=ddb /><br />
|text=<br />
Oh Maitreya, wahrer Maitreya! Du besitzt unzählige Formen. <br /> Du zeigst Dich beständig den Menschen, aber die Menschen erkennen Dich nicht. <br />
}}<br />
<br />
{{w500|rahmen_h=500<br />
|miroku_kamakura_obama.jpg<br />
|Bodhisattva Maitreya (jap. Miroku) in orthodoxer Erscheinungsform (Kamakura Zeit)<br />
| ref=1<br />
}}<br />
<br />
Der von Budai ange·sprochene {{skt:Maitreya}} (jap. {{Glossar:Miroku}}) war schon im indischen, vor allem aber im chine·sischen Buddhis·mus eine Art Messias-Figur (vgl. [[Ikonographie/Dainichi/Daibutsu| Der Große Buddha von Leshan]]). Als {{skt:Bodhisattva}} der neunten Stufe residiert er im {{skt:Tushita}}-Himmel, dem vierten und höchsten Himmel der [[Ikonographie/Waechtergoetter | Devas]], in dem alle {{skt:buddha|Buddhas}} vor ihrer letzten Wieder·geburt leben. Am Ende des gegen·wärtigen Welt·zeit·alters soll er die 10. Stufe, also die voll·endete Bud·dha·schaft erlangen und dabei alle, die an ihn glauben, er·retten. Deshalb wird er auch als „Buddha der Zukunft“ apostro·phiert.<br />
<br />
Budai verspricht aber die Hoffnung, dass es gar nicht nötig ist, so lange zu warten, da Maitreya im Grunde schon über·all zu·ge·gen ist. Es kommt nur darauf an, dies auch zu er·kennen. Viel·leicht ist dieser dem Budai zu·ge·schrie·bene Gedanke auch der Grund, warum man ihn selbst im Lauf der Zeit als Inkarna·tion des Bodhi·sattva Maitreya ansah. In jedem Fall mahnt die Legende des Budai, nicht vor·schnell nach dem äußeren An·schein zu ur·teilen und weist da·rauf·hin, dass gerade die ein·fachsten Mönche am ehesten dem Ideal des Buddha ent·sprechen. Diese Idee findet man auch im chinesi·schen [[Ikonographie/Heilige/16 Rakan|Arhat-Kult]], der viele Be·rührungs·punkte mit der Budai-Legende aufweist.<br />
<br />
== Budai/ Hotei im Zen Buddhismus== <br />
<br />
Der Kult des Budai wurde vor allem durch den [[Geschichte/Zen | Chan/Zen]] Bud·dhis·mus maß·geb·lich vor·an ge·trieben. Er fand in Budai jene „aus·ge·flippte“, welt·ab·ge·wandte Exzentrik, die auch im {{g|doukyou2|Daoismus}} ver·ehrt wird und die uns in ver·schie·denen legen·dären Figuren des Chan/Zen be·gegnet. {{g|Katsushikahokusai}} hat in seinen Manga diese Verehrung satirisch überspitzt dar·gestellt, indem er Hotei als ver·fetteten Tempel·gott auf dem Stuhl eines Zen-Abtes portraitiert.<br />
<br />
{{w500|rahmen_h=345<br />
|hotei_manpukuji.jpg<br />
|Hotei Statue des Zen Tempels Manpuku-ji, Kyōto<br />
| ref=1<br />
}}<br />
{{w500|rahmen_h=345<br />
|zenshu no garanjin.jpg<br />
|Hotei als Tempelgott des Zen (''Zen-shū no garan-jin'').<br/> Satirische Darstellung von Katsushika Hokusai, ''Hokusai manga'', Band 5 (1816) <br />
| ref=1<br />
}}<br />
<br />
== Lachender Buddha ==<br />
Die Figur des dick·bäuchigen „Lachenden Buddhas“ ist aber weit über den {{g|Zen}} hinaus Be·stand·teil der Volks·religion in China und Japan ge·worden. In China wirbt Budai in Restau·rants um Kunden, in Japan hat Hotei die kon·fessio·nellen Grenzen zum Shintō über·schritten, und wird im Ensemble der Sieben Glücks·götter ({{g|shichifukujin}}) auch als eine Art {{Glossar:Kami}} verehrt.<br />
<br />
=== Graphische Darstellungen ===<br />
{{w500|w=660|left=-80|top=-10<br />
| hotei_hokusai_ca1810.jpg<br />
| Hotei auf einem Fächerbild von Hokusai, um 1810<br />
| ref=1<br />
}}<br />
{{w502 |top2=-30<br />
| hotei_muromachi.jpg<br />
| hotei_yoshitoshi.jpg<br />
| Hotei mit chinesischen Knaben (''karako'')<br />
| Hotei deutet auf den Mond (Yoshitoshi)<br />
| ref=1<br />
}}<br />
{{w500|top=-30<br />
| hotei_hakuin.jpg<br />
| Zen-Tuschemalerei von Hakuin (18. Jh.)<br />
| ref=1<br />
}}<br />
<br />
===Statuen ===<br />
{{w502 |top2=-10|rahmen_h=320<br />
| happy-hotei_2070.jpg <br />
| putai.jpg <br />
| Hotei aus Elfenbein (frühes 20. Jh.)<br />
| Chinesischer Budai (20. Jh.)<br />
| ref=1<br />
}}<br />
{{w502 |rahmen_h=190<br />
| hotei_kamakura.jpg |w1=260<br />
| hotei_yamadera.jpg|w2=290|left2=-20<br />
| Hotei Skulptur aus Stein, Kamakura<br />
| Hotei als „Streichelbuddha“<br />
| ref=1<br />
}}<br />
<br />
{{ Verweise<br />
|links_ue= Quellen<br />
| links=<br />
* Charles Muller (Hg.) [http://www.buddhism-dict.net/ddb/ ''Digital Dictionary of Buddhism''] (seit 1995) [login als „guest“]<br />
}}<br />
<br />
{{ThisWay}}</div>
Nicole Janker
https://religion-in-japan.univie.ac.at/r/index.php?title=Essays/Bishamon-ten&diff=59862
Essays/Bishamon-ten
2015-09-23T19:01:10Z
<p>Nicole Janker: /* Die Gruppendynamik unter den Glüksgöttern */</p>
<hr />
<div>{{styles}}<br />
{{titel|Bishamon-ten, Wächter und Glücksgott}}<br />
{{w500|rahmen_h=330|w=600|left=-20|top=-15<br />
|Tamon todaiji detail.jpg <br />
|Bishamon-ten als Beschützer des Buddhismus<br />
|ref=1<br />
}}<br />
{{fl|B}}{{glossar:Bishamonten|ishamon-ten}} ist im heutigen Japan in erster Linie als eine Art Samurai unter den Sieben Glücksgötter ({{g|shichifukujin}}) präsent.<ref> <br />
Dieser Artikel beruht zum Teil auf den Recherchen von Sarah-Allegra Schönberger für die Material·sammlung [http://www.univie.ac.at/rel_jap/kami/Bishamon-ten Kamigraphie], 2012. Herzlichen Dank! <br />
</ref> <br />
Er ent·stammt jedoch dem Bud·dhis·mus, genauer der Kate·gorie der {{skt:Deva}}-Gott·heiten ({{glossar:tenbu}}), die eigent·lich auf indi·sche (meist vedische) Götter zurück·gehen und als Wächter·gott·heiten ins bud·dhis·tische Pan·theon inte·griert wurden. Unter diesen bud·dhis·tischen Devas ist Bisha·mon-ten einer der ersten, die Japan er·reichten, nämlich bereits im sechs·ten Jahr·hun·dert. Im Laufe seiner Ent·wick·lung über·nahm er unter·schied·liche Funk·tionen, vor allem die eines Kriegs- bzw. mili·täri·schen Schutz·gottes, aber auch die Funktion einer Gott·heit des Reich·tums. Umso er·staun·licher ist es, dass seine ikono·gra·phische Grund·form dabei weit·gehend unver·ändert blieb: Eine sehr mas·kuline Er·schei·nung in einer impo·nie·ren·den Rüs·tung, in einer Hand eine Waffe, in der anderen (fast immer) eine Pagode. Diese Pagode re·präsen·tiert die Lehre des Buddha, was auf seine ur·sprüng·liche Funktion ver·weist: den Bud·dhis·mus wehrhaft zu ver·teidi·gen.<br />
<br />
Im Gegen·satz zu anderen Glücks·göttern, etwa {{glossar:Daikoku}} oder {{glossar:Benzaiten}}, lassen sich bei Bishamon keine As·sozia·tionen mit lokalen japa·nischen Gott·heiten aus·machen. Was diese Figur aber interes·sant und viel·schich·tig macht, sind die unter·schied·lichen Legen·den, die Bishamon-ten sozu·sagen im Gepäck aus Asien mit·ge·bracht hat. Diese er·klären auch, warum Bishamon nicht nur als kriege·rischer Wächter, sondern auch als Gott des Reich·tums ver·ehrt wurde. Der Reich·tums·aspekt war es wohl auch, warum Bishamon-ten aus seiner kano·nischen bud·dhisti·schen Form heraus·gelöst und in das syn·kretis·tische Ensemble der Glücks·götter inte·griert wurde. <br />
<br />
==Phase 1: Bishamon als Hüter des Nordens==<br />
<br />
{{sidebox|w=160|left=-10 |rahmen_h= 377<br />
|tamonten horyuji.jpg<br />
|Bishamon-ten, 7. Jh.<br />
|ref=1<br />
}}<br />
Bishamon ist zunächst in mehreren Forma·tionen von Richtungs·gott·heiten vertreten, vor allem als einer der Vier Himmels·könige ({{glossar:shitennou}}) und einer der Zwölf Gött·lichen Generäle ({{glossar:juunishinshou}}). Beide Forma·tionen bestehen aus krie·ge·rischen Figuren und sind analog zu den vier Himmels·rich·tungen bzw. den Zwölf Himmels·stämmen ({{glossar:juunishi}}) organi·siert (siehe [[Ikonographie/Waechtergoetter|Wächter·götter]]). Bishamon-ten steht jeweils für den Norden und reprä·sen·tiert so etwas wie den Gruppen·führer, aller·dings nicht in einer klar von den ande·ren abge·setzten Position. Seine pri·vile·gierte Stel·lung resul·tiert ledig·lich daraus, dass der Norden gemäß tra·ditio·nellen chinesi·schen Vor·stel·lungen der Ort des Kaiser·palas·tes war. Auch [[Bauten/Tempel|bud·dhis·tische Tempel]] sind zu·meist so aus·ge·richtet, dass der Haupt·ein·gang im Süden liegt, während sich die Haupt·halle im nörd·lichen Teil der Anlage befindet. Der Norden ist also sowohl im welt·lichen als auch im geist·li·chen Bereich der Sitz der Auto·rität. Insofern ist der Wächter des Nordens von größerer Bedeu·tung und höhe·rem Rang als alle anderen Wächter.<ref>Die Zuge·hörigkeit Bishamon-tens zum Norden wird auch oft durch seine Haut·farbe, schwarz oder blau·schwarz, unter·strichen. Diese Symbolik ist nicht-bud·dhis·tischer Her·kunft und daher offen·bar in China ent·standen.</ref><br />
===Staatsschutz===<br />
Die Vier Himmels·könige spielten vor allem in der Frühzeit des japa·nischen Buddhis·mus eine wichtige Rolle. Damals versprach sich der japa·nische Staat kon·krete mili·tärische und poli·tische Vor·teile aus der Ver·ehrung des Bud·dhis·mus, wie dies in einigen bud·dhis·tischen Sutren, vor allem dem Gold·glanz Sutra (jap. {{glossar:Konkoumyoukyou}}) auch ganz explizit ver·sprochen wird.<ref><br />
Das Gold·glanz Sutra (skt. ''Suvarṇa·prabhāsa·sottama sūtra'') wurde bereits 414–421 ins Chine·si·sche über·setzt. In diesem Text treten die Him·mels·könige persön·lich auf und erklä·ren in einem Dialog mit dem Buddha, wie sie Könige, die eben dieses Sutra hoch·halten, beschüt·zen und andere, die dem Sutra im spe·ziellen und dem Bud·dhis·mus im allge·meinen abhold sind, bestra·fen werden. In Japan wurde das Gold·glanz Sutra zusammen mit dem Lotus Sutra ({{glossar:Hokekyou}}) und dem Sutra für Barm·herzige Könige (''Ninnō-kyō'') zu den soge·nann·ten Drei Staats·schutz-Sutren gezählt. <br />
</ref><br />
Die erste offizielle Chronik Japans, das {{glossar:Nihonshoki}}, berichtet dazu Folgendes: <br />
{{zitat|text=<br />
Nachdem der Buddhis·mus im 6. Jh. bei Hof bekannt geworden ist, formiert sich eine Partei für und eine gegen den Buddhis·mus. 587 kommt es zu einer Schlacht zwischen dem Lager der {{glossar:Mononobe}}, die den Bud·dhismus ablehnen, und dem Lager der {{glossar:Soganouji|Soga}}, die ihn fördern. Obwohl noch ein Knabe von drei·zehn Jahren, zieht auch der Kaiser·sohn {{glossar:Shoutokutaishi}} (574–622) in diese Schlacht, und zwar auf Seiten der Soga. Zuvor schnitzt er vier Miniatur·sta·tuen der Himmels·könige, steckt sie in sein Haar und schwört, dass er den Himmels·köni·gen einen Tempel und eine Pagode stiften werde, wenn die Feinde des Bud·dhis·mus in dieser Schlacht besiegt werden sollten. Dank der Unterstützung der Himmels·könige trägt die Partei der Soga den Sieg davon. Einige Jahre später lässt Shōtoku Taishi, mittler·weile zum kaiser·lichen Regenten avanciert, tat·säch·lich einen Tempel für die Vier Himmels·könige errichten.<ref>Dieser {{glossar:Shitennouji}} befindet sich im heu·tigen Osaka und gilt als ältes·ter staat·lich gegrün·deter Tempel Japans.</ref> <br />
|quelle=Zusammengefasst nach ''Nihon shoki'', Kap. Sujun Tennō (Aston, Teil 2, S. 113–115)<br />
}}<br />
Der ent·schei·dende Durch·bruch des frühen japa·nischen Bud·dhis·mus erfolgte also laut ''Nihon shoki'' auf mili·täri·schem Wege und war nur dank des Eingreifens der Vier Him·mels·köni·ge möglich.<br />
<br />
{{w502|rahmen_h1=325|rahmen_h2=325<br />
|w2=300|left2=-25|top2=-10<br />
|Tamonten todaiji.jpg<br />
|Tamonten_nara.jpg<br />
|Tamon-ten im Tōdaiji (Edo-Zeit)<br />
|Tamon-ten im Tōdaiji (Nara-Zeit)<br />
|ref=1<br />
}}<br />
Noch in der {{glossar:Nara}}-Zeit stellten die Himmels·könige eine zentrale Instanz dar, als es darum ging, Bud·dhis·mus und staat·liche Verwal·tung Hand in Hand im ganzen Land zu insti·tutio·na·lisieren. Zu diesem Zweck schuf {{glossar:shoumutennou}} in der ersten Hälfte des achten Jahr·hun·derts das Netz·werk der soge·nann·ten Provinzial·tempel ({{glossar:kokubunji}}), die offi·ziell fol·gende Bezeich·nung trugen: „Tempel für den Schutz des Staates durch die Vier Himmels·könige des Gold·glanz [Sutra]s“.<ref>''Konkōmyō shitennō gokoku no tera'' 金光明四天王護国之寺. Provinzial·tempel für Nonnen hießen im übrigen ''hokke metsuzai no tera'' 法華滅罪之寺 (Tempel des Lotos [Sutras], das das Böse besiegt)</ref> Daher tauchen die Vier Himmels·wächter auch in der Halle des Großen Buddha im {{glossar:Toudaiji}} von Nara auf. Dieser Tempel war schließ·lich das Zentrum des Provin·zial·tempel·systems. Aller·dings sind heute dort nur noch zwei der ur·sprüng·lichen Himmels·könige zu sehen, nämlich {{glossar:Tamonten}} (= Bishamon-ten) und {{g|Koumokuten}}. Der Größe des {{glossar:Daibutsu}} ent·spre·chend sind aber auch sie von enormen Aus·maßen. Ähnlich wie im Tōdaiji sind die Himmels·könige in vielen anderen Tempeln als Wächter des Haupt·heilig·tums im Einsatz, aller·dings werden sie mehr und mehr auf diese unter·geord·nete Funktion reduziert. Als Gruppe erlebten die Vier Himmels·könige also einen Abstieg, der mit der all·mählichen Entwicklung des japa·nischen Buddhis·mus von einer Herr·schafts·ideo·logie zu einer Volks·religion einher·ging.<br />
<br />
==Phase 2: Tobatsu Bishamon==<br />
<br />
Zur Zeit der oben geschil·derten Ereig·nisse genoss {{skt:Vaishravana}} (Bishamon) entlang der Seiden·straße, also auf der Japan ent·gegen·ge·setzten Seite der chinesisch-buddhis·tischen Einfluss·sphäre, eine wo·möglich noch größere Ver·ehrung als die japani·schen Shi-Tennō. In Khotan, einer Oase an der süd·lichen Route der Seiden·straße, betrach·teten sich die Könige als seine direk·ten Nach·kommen. Sie begrün·deten dies damit, dass Vaishra·vana einst einem alten, kinder·losen König Khotans zu einem Sohn verhalf, indem er, Vaishra·vana, einen Knaben aus seinem eigenen Kopf gebar und ihn dem König über·ant·wortete. Das Kind wurde in der Folge von einer Erd·göttin gesäugt.<ref>Wladimir Zwalf 1985, [http://www.britishmuseum.org/research/search_the_collection_database/search_object_details.aspx?objectid=6818&partid=1 British Museum] (Zugriff: 2012/2/22)</ref> Die Motive dieser Legende fanden Eingang in die Vaishra·vana Ikono·graphie Khotans und ver·brei·te·ten sich von hier aus weiter.<br />
{{w502|rahmen_h1=355|rahmen_h2=355<br />
| Vaishravana_947.jpg<br />
| Khotan_king.jpg<br />
| caption = Vaishravana Kult entlang der Seidenstraße <br />
|ref=1<br />
}}<br />
In weiterer Folge entstand in China eine semi-historische Legende um Vaishra·vana, deren Eck·punkte fol·gender·maßen lauten: <br />
{{Zitat|text=<br />
Im Jahr 742 wird die Gar·nisons·stadt Anxi, der Knoten·punkt von nörd·licher und süd·licher Seiden·straße im Nord·westen Chinas, von „Barbaren“ ange·griffen und gerät in arge Be·dräng·nis. Die Kunde davon dringt bis in die chine·sische Haupt·stadt, wo der Kaiser den emi·nenten Mönch {{skt:Amoghavajra}} (705–774) anweist, etwas für die Sicher·heit des Landes zu tun. Amogha·vajra, der seiner·seits zentral·asia·tische Wurzeln hat, betet darauf·hin zu Vaishra·vana (Bishamon). Dieser erhört die Bitten und verur·sacht ein Erd·beben in Anxi. Auch sendet er gold·far·bene Mäuse aus, die die Bogen·sehnen der Feinde zernag·en (mehr zu diesen Mäusen s.u.). Schließ·lich erscheint Vaishra·vana höchst·per·sönlich auf dem riesi·gen Nordtor der Burg. Da ergrei·fen die Feinde die Flucht und Anxi ist ge·rettet.<ref>Die Legende ist vor allem aus der Bio·graphie Amogha·vajras (chin. Bukong 不空) in den Song-zeitlichen „Chroniken Großer Mönche“ (''Song gao seng zhuan'' 宋高僧伝, 988) bekannt.</ref> <br />
}}<br />
Die Le·gende machte der·artigen Eindruck, dass der Kaiser daraufhin in allen Garni·sonen Statuen dieser Gottheit, die als {{glossar:Tobatsubishamonten}} (Bishamon aus Turfan)<ref> Tobatsu bezeich·net das zentral·asia·tische Reich Turfan an der nörd·lichen Seiden·straße, oder aber Tibet. Im vor·liegen·den Kontext kann man aber davon aus·gehen, dass der Begriff stell·ver·tre·tend für Zentral·asien bzw. für die Reiche im Westen Chinas ge·braucht wird.</ref> bezeichnet wurden, aufstellen ließ. Rund um Anxi entfal·tete sich ein beson·derer Kult des Bishamon, der u.a. in den nahe gelegenen Tausend Buddha Höhlen von Dun·huang seinen Nieder·schlag fand.<ref><br />
Dun·huang in der heutigen chinesischen Provinz Gansu war sowohl ein Handels- als auch ein bud·dhis·tisches Pilger·zentrum an der Seiden·straße, dessen Blüte in die Tang-Zeit (7.–9.Jh.) fällt. Berühmt sind die Tausend Buddha Höhlen, die erst im 20. Jahr·hun·dert von Archäo·logen neu er·schlos·sen wurden und zahl·reiche bislang unbe·kannte buddhis·tische Texte und Kunst·gegen·stände zu Tage brachten.<br />
</ref><br />
<br />
In Japan, wo Bishamon-ten zu diesem Zeitpunkt ja bereits bekannt war, scheint man den Kult des Tobatsu Bishamon bereits fünfzig Jahre nach der wunder·samen Errettung von Anxi auf·ge·griffen zu haben. Getreu dem chine·sischen Vorbild, stellte man seine Statue im südlichen Haupt·tor der 795 gegrün·deten Haupt·stadt {{glossar:Heian|Heian-kyō}} auf. Während dieses Tor, das Rajōmon, nicht allzu lange über·dauerte, wurde die in China herge·stellte Statue stil·prägend für weitere Statuen des Tobatsu Bishamon-ten. Sie ist heute im Besitz des unweit des Rajōmon gelegenen {{glossar:Touji}}, eines der wich·tigs·ten {{glossar:Shingonshuu|Shingon}} Tempel.<ref> S. [http://www.aisf.or.jp/~jaanus/deta/b/bishamonten.htm Bishamonten] (JAANUS). Die beson·dere Verbin·dung von Tobatsu Bishamon und Shingon könnte auch daher rühren, dass sich Shingon auf die Tradition eben jenes Amogha·vajra, der den Tobatsu Kult initi·ierte, zurück·führt. {{glossar:Kuukai}}, der Gründer·vater des Shingon, war ein Enkel·schüler Amaghovajras.</ref> In den Bergen im Norden der Stadt errich·tete man außer·dem einen Tempel, den {{g|Kuramadera}}, der als nördlicher spiri·tueller Wächter fungierte. Er sollte zunächst {{glossar:Kannon}} geweiht werden, nahm aber schließlich Bisha·mon-ten als Haupt·heilig·tum an.<ref><br />
So jedenfalls ein Bericht aus dem ''Fusō ryakki'' (nach 1094), das die Gründung des frag·lichen Tempel, des Kurama-dera, im späten 8. Jh. ansetzt. Der Kurama-dera ent·wickelte sich später zu einem Zentrum der {{glossar:yamabushi}} und des {{glossar:tengu}}-Glaubens. Die Gleich·setzung von Kannon und Bishamon-ten findet sich auch im Lotos Sutra.<br />
</ref><br />
Bishamon-ten schützte somit die Haupt·stadt sowohl im Norden als auch im Süden. <br />
<br />
Die meisten frühen Statuen des Tobatsu Bishamon-ten finden sich jedoch im Nord·osten Japans, wo zu dieser Zeit noch heftige Kämpfe mit den Emishi, Japans „nörd·lichen Barbaren“ tobten.<ref>Yiengpruksawan 1998, S. 42</ref> Man kann also davon ausgehen, das sich die militä·rischen Aspekte der Vier Himmels·könige in Tobatsu noch ver·stärk·ten und er zu einer Art Kriegs·gott der Heian-Zeit wurde. <br />
{{w502|w1=245|rahmen_h1=470|rahmen_h2=470<br />
|Tobatsu_bishamonten.jpg<br />
|Tobatsu dazaifu.jpg<br />
|Japans ältester Tobatsu Bishamon<br />
|Tobatsu Bishamon, 10. Jh.<br />
|ref=1<br />
}}<br />
Auf den meisten japa·nischen Dar·stellungen unter·scheidet sich Tobatsu kaum von Bishamon, wie er schon zuvor im Ensemble der Vier Himmels·könige auftritt. Als Unter·schei·dungs·merkmal gelten allerdings die Figuren, auf denen er gewohn·heits·mäßig steht. Wäh·rend Bishamon-Statuen der Phase 1 zumeist auf einem einzelnen, zusam·men·gekauer·ten Dämon ({{glossar:jaki}}) posieren, steht Tobatsu ent·weder auf den ausge·brei·teten Händen einer weib·lichen Figur oder auf zwei Dämonen, in deren Mitte eine weib·liche Figur zu sehen ist. Diese weibliche Figur ist {{glossar:Jiten}} (skt. Prthivi), die Erd·göttin. Sie findet sich in der unter·stüt·zen·den Haltung bereits in den Vaishra·vana/Bishamon Dar·stel·lungen der Könige von Khotan. Während das Trampeln auf Dämonen als Geste des Triumphs gedeutet werden kann, besteht zwischen der Erd·göttin und Bishamon ganz offen·sicht·lich ein Ein·ver·neh·men, das man an der geord·neten, sym·me·trischen Haltung, mit der sie ihm stützt, ablesen kann. Die chi·nesi·sche Skulptur des Tobatsu trägt außer·dem eine charak·teris·tische, eng·tail·lierte Rüstung und eine Krone statt des üblichen Helms. Diese Details werden aber in Japan bald wieder fallen gelassen. <br />
<br />
===Bishamon-tens Gefolge===<br />
<br />
Zahlreiche weitere Aspekte, die sich mit Bishamon als Einzel·figur verbinden, lassen sich exem·pla·risch an einem Rollbild aus der {{g|Kamakura}}-Zeit (um 1200) identi·fzieren, das heute im Museum of Fine Arts in Boston hängt. Hier werden die ver·schie·denen Einzel·aspekte Bishamon-tens frei mit einander in Bezie·hung gebracht:<br />
<br />
{{w500|rahmen_h=650|top=-100<br />
|bishamon_kamakura.jpg<br />
|Bishamon-ten und Gefolge<br />
|ref=1<br />
}}<br />
Das Bild zeigt Bishamon-ten mit einem bunten Gefolge aus unter·wor·fenen Dämonen und edlen Gestal·ten. Bishamon selbst steht auf zwei Dämonen<ref>Niranba und Biranba. Sie treten bereits im ''Lotos Sutra'' neben Bishamon als Beschützer der Gläubigen auf.</ref>, die weib·liche Figur davor ist die Erd·göttin Jiten. Dies deutet nach dem, was wir bisher bespro·chen haben, auf Tobatsu Bishamon hin. Er trägt die typi·sche Rüstung, die mit den Fratzen mythi·scher Bestien verziert ist, vor allem eine Art Löwen·kopf als Gürtel·schnalle. In der rechten Hand hält er einen Stab, in der linken sein wich·tigs·tes Attribut, die Pagode. Aus seinen Schultern schlagen hohe rote Flam·men·säulen. <br />
{{sidebox|rahmen_h=200|w=140<br />
|Jinjataisho.jpg<br />
|Bishamon als „Wüstengeneral“<br />
|ref=1<br />
}}<br />
Rechts von Bishamon ist eine Gruppe von vier Dämonen zu erkennen, die als Waffen·träger fungieren: einer trägt Bishamons charak·teris·ti·schen Dreizack, einer Pfeil und Bogen, einer einen weiteren Stab und einer ein Schwert. Rechts vor den Waffen·trä·gern steht eine rote, dämo·nische Figur mit „Leder·hosen“ in Form von Ele·fanten·köpfen. Diese Figur heißt {{glossar:Jinjataishou}}, wtl. der Wüsten·general. Es handelt sich um eine Erschei·nungs·form des Bishamon. Der Legende nach soll Bishamon in dieser Gestalt dem berühm·ten Pilger·mönch {{glossar:Xuanzang}} in einer zentral·asia·ti·schen Wüste den Weg zur nächs·ten Oase gewiesen und ihn so vor dem Ver·dursten gerettet haben.<ref> Rosenfield 2010, S. 181–183; s.a. Mark Schumacher, „Bishamonten“. </ref> Die histo·rische Faktizi·tät dieser Legende mag zweifel·haft sein, doch ver·deut·licht sie ein weite·res Mal den zentral·asia·tischen Einfluss auf die Bishamon Ikono·graphie. Neben dem Wüsten·general ist auf dem obigen Bild eine jugend·liche Figur mit Elefan·ten·mütze zu sehen, die ich noch nicht identi·fizieren konnte. Auf der anderen Seite Bishamons ist im Hinter·grund eine weitere seltsame Erschei·nung zu sehen. Sie besitzt zahl·reiche Attribute eso·terisch-zorn·voller Gott·heiten ({{skt:krodha}}) nämlich zu Berge stehen·des Haar, Raub·tier·zähne, Kette aus Toten·schädel, vier Hände, in zwei davon mensch·liche Leichen, etc. Wäh·rend derartige Figuren in der spä·teren eso·teri·schen Ikono·graphie rang·mäßig über Wächtern wie Bishamon stehen, ist diese Figur im vor·lie·gen·den Kontext ganz offen·sicht·lich von unter·geord·neter Stel·lung. <br />
<br />
Links von Bishamon fallen drei vor·nehme Figuren ins Auge. Es handelt sich um die Gefährtin des Bishamon, {{glossar:Kichijouten}}, die vor allem im frühen japa·nischen Bud·dhis·mus als eine Art Glücks·gott·heit galt, später aber etwas in Ver·ges·sen·heit geriet. Sie hält ein Wunsch·er·fül·lungs-Juwel in Händen. Neben ihr zwei Knaben, wahr·schein·lich Söhne des Bishamon, einer mit einem Teller mit Blüten(?), einer mit einem Beutel. <br />
{{w502<br />
|top1=-70<br />
|rahmen_h1= 350|rahmen_h2= 350<br />
|w2=250|left2=-5<br />
|Bishamon familie.jpg<br />
|vaishravana_dunhuang.jpg<br />
|Bishamon mit Familie<br />
|Vaishravana und Gefolge (chin. Darstellung)<br />
|ref=1<br />
}}<br />
{{w500| rahmen_h= 250 | top = -25<br />
|Bishamon_hekija.jpg <br />
|Bishamon bekämpft Krankheiten<br />
|ref=1<br />
}}<br />
Viele Einzel·heiten des Kamakura-zeitlichen Roll·bilds finden sich auch in chine·sischen Darstel·lungen aus Dun·huang wieder, zum Bei·spiel auf der Abbil·dung oben rechts, die Vaishra·vana (Bishamon) bei einer Art Inspek·tions·tour durch sein Reich darstellt. Abge·sehen von den Flam·men·säulen an Bishamons Schultern be·geg·nen wir auch hier seinen Fami·lien·mit·glie·dern, allerdings mit ver·tausch·ten Attri·buten in den Händen. Ein interes·santes Detail des chine·sischen Bei·spiels ist die ''tengu''-artige Figur in der oberen rechten Ecke des Bilds, offen·sicht·lich ein böser Dämon. Ein Bogen·schütze im Gefolge des Bishamon spannt gerade seine Waffe, als ob er diesen Dämon abschießen wollte. <br />
Ein ver·wand·tes Motiv findet sich wiederum in einer berühm·ten, wenn auch etwas untypi·schen Bishamon-Darstel·lung aus Japan, einem „Bild der Bekämp·fung von Übeln“ (''hekija-e'') aus dem späten 12. Jh. Hier sieht man Bishamon selbst, wie er mit Pfeil und Bogen geflü·gelte Dämo·nen ab·schießt. Dem Kontext ist zu entneh·men, dass diese Krank·heiten per·soni·fizieren. Bishamon-ten wurde also in dieser Zeit auch ein Schutz·herr gegen Krank·heiten ange·sehen, die im japa·ni·schen Alter·tum generell ein großes Problem dar·stell·ten, für das nicht viel mehr als reli·giöse Mittel zur Hand waren. <br />
<br />
Obwohl die Figur des Tobatsu Bishamon-ten zunächst mindestens ebenso martia·lisch auftrat wie die Gruppe der Vier Him·mels·könige, scheint diese ikono·gra·phische Form der Aus·löser dafür zu sein, dass sich Bishamon in Ostasien aus seinen mili·täri·schen Forma·tionen löste und als ein·zelne Gestalt verehrt wurde. Dadurch scheint sich das Spek·trum seiner Funktio·nen ver·größert zu haben und war nicht mehr allein auf bloßen (mili·täri·schen) Schutz beschränkt. Die fried·lichen Figu·ren in Bishamons Gefolge deuten auf mate·riellen Reich·tum hin. Dieser Aspekt ist, wie wir noch sehen werden, bereits in Vaishra·vanas indi·schem Erbe angelegt, hat sich in Japan aber erst zu einem spä·teren Zeit·punkt Ausdruck ver·schafft.<br />
<br />
===Tohachi Bishamon===<br />
{{w502|top2=-10<br />
|rahmen_h1= 340|rahmen_h2= 340<br />
|Tohachi hokusai.jpg<br />
|Tohachi hanabusa.jpg<br />
|caption = Bishamon mit vier Köpfen und acht Schwertern<br />
|ref=1<br />
}}<br />
Im späten Mittel·alter kommt es zu einer neuen ikono·graphi·schen Form des Tobatsu Bishamon-ten, die auf einem Wortspiel beruht. Man las den Ausdruck ''tobatsu'' als ''tōhachi'' und unter·legte diese Aus·sprache mit neuen Schrift·zeichen in der Bedeutung „acht Schwerter“. In der Tat hält dieser Bishamon acht Schwerter in seinen zwölf Händen. Außerdem hat er vier Gesichter und reitet auf einem Löwen. Letz·terer dürfte von neuen Bishamon-Motiven auf dem Festland beein·flusst sein. Diese Darstel·lung hebt die martia·lischen Züge Bisha·mons ein wei·teres Mal deut·lich hervor und scheint sich unter den War·lords der {{glossar:sengokujidai|''sengoku''}}-Zeit einer gewis·sen Beliebt·heit erfreut haben.<ref>Der Daimyō Uesugi Kenshin trug etwa die Schrift·zeichen dieser Bishamon-Manifestation auf seinen Kriegs·bannern. Auch Takeda Shingen führte in der Schlacht einen Schrein mit einem zehn·armigen Tōhachi Bishamon-ten mit. ([http://www16.plala.or.jp/enkoin/bishamon.html Enkō-in] [2012/3/2])</ref> Aber noch in der späten Edo-Zeit sind Tōhachi Darstel·lungen zu finden. Die genauen Umstände der Ent·stehung und Verbrei·tung dieses speziellen Kultes sind mir allerdings nicht bekannt. <br />
<br />
{{h2+3|Phase 3: Bishamon-ten als Glücksgott}}<br />
<br />
===Exkurs: Vaishravana, Kubera und Jambhala ===<br />
<br />
Bishamon leitet sich wie erwähnt von {{skt:Vaishravana}} (wtl. „Sohn des Gerühmten“) ab, eines indi·schen Gottes, dessen eigent·licher Namen Kubera lautet. Die klassi·schen indi·schen Epen ''Maha·barata'' und ''Rama·yana'' berichten, dass Vaishra·vana oder Kubera von der über·geord·neten Gottheit Brahma explizit zum Herren der Reich·tümer und Schätze erho·ben wurde, und bezeich·nen ihn auch als Schatz·meister der Götter oder als Spender von Reich·tümern. Er hat eine goldene Haut und wohnt in gol·denen Städten. Zugleich gebietet er über ver·schie·dene dämo·nische Völker, allen voran die {{skt:Yaksha}}s bzw. {{skt:rakshasa}}s, beides eher kriege·rische, wilde Gestalten, die oft gemein·sam in einem Atem·zug genannt werden. Mög·licher·weise zählte auch das Horten und Hüten von Schätzen zu ihren ur·sprüng·lichen Kom·peten·zen, sodass sich Vaishra·vanas Reich·tums·aspekt auch aus seiner Ver·bin·dung zu diesen Dämonen ent·wickelt haben könnte. <br />
<br />
Oft wird Vaishravana in Verbin·dung mit drei wei·teren Gott·heiten genannt, die jeweils einen Bereich der Welt beherr·schen: {{skt:Yama}} die Unter·welt, {{skt:Indra}} den Himmel, Varuna das Meer und schließlich Vaishra·vana die be·wohnte Welt. Erst nach und nach werden diese vier Gott·heiten den Himmels·rich·tungen zuge·ordnet, wobei sich Vaishra·vana als Hüter des Nor·dens heraus·kristal·lisiert. Dies hängt mög·licher·weise mit der Asso·ziation „Reich·tum — Gold — Metall — Bergbau — Hima·laya“ zusam·men: das Gold kam in Indien aus dem Norden. <br />
<br />
Erst in zweiter Linie wird Vaishra·vana auch als mili·täri·sche Figur gezeich·net, wobei wiede·rum der kriege·rische Charak·ter der Yaksha-Dämonen eine Rolle gespielt haben könnte. Doch nur im Buddhis·mus bzw. in den ost·asiati·schen Aus·prägun·gen Vaishra·vanas scheint dieser Aspekt die Ober·hand zu gewinnen. <br />
{{w502<br />
|Jambhala.jpg<br />
|Vaishravana.jpg<br />
|Jambhala<br />
|Vaishravana<br />
|caption= Indische Götter des Reichtums mit Mungo<br />
|ref=1<br />
}}<br />
{{sidebox<br />
|mungo.jpg<br />
|Juwelen speiender Mungo (Tibet)<br />
|ref=1<br />
}}<br />
Eine mit Vaishravana eng ver·wandte oder wesens·gleiche Gottheit ist {{skt:Jambhala}}. Bei ihm fehlt aller·dings jeglicher mili·tärischer Aspekt, er ist allein für den Reich·tum zuständig. Ähnlich wie die japani·schen Glücks·götter ist er eher wohl·beleibt und zeigt seinen Bauch, Kenn·zeichen des Wohlstands, deutlich her. Es gibt dennoch zahl·reiche ikono·graphi·sche Gemein·sam·keiten zwischen Jambhala und Vaishra·vana/ Kubera, die sich z.B. auf tibe·tischen Thangkas gut erken·nen lassen. Das er·staun·lichste Attribut, das alle drei Figuren aus·zeichnet, ist ein ratten·ähn·liches Tier, das der jewei·lige Reich·tums·gott meist unter den Arm geklemmt mit sich führt. Bei genauer Betrach·tung erkennt man, dass dieses Tier bunte Kugeln ausspeit. Dies leitet sich auf eine indische volks·reli·giöse Vor·stel·lung zurück, nach der man einen Mungo dazu bringen kann, Edel·steine auszu·spucken, wenn man seinen Bauch drückt. Das Tier ist also ein Mungo und wird von Vaishra·vana wie ein Blase·balg ge·quetscht, damit er Edel·steine aus·spuckt. Diese Steine können auch als Wunsch·er·fül·lungs·juwe·len ({{glossar:nyoinotama}}) gedeu·tet werden. Der Mungo hat also nichts mit Krieg, sehr wohl aber etwas mit Reich·tum und Wohl·stand zu tun. <br />
<br />
In Ostasien ist der Mungo nicht heimisch, doch wurde er hier als Maus oder Ratte interpretiert.<ref> Iyanaga 2002, S. 370–73.</ref> Auch die tibe·tischen Dar·stel·lungen könnten für eine große Ratte gehalten werden. Dies erinnert an die oben erwähnte Legende von den gol·denen Mäusen, die Tobatsu Bishamon zu Kriegs·zwecken ein·setzt. Wenn hier ein Zu·sammen·hang mit dem freigie·bigen Mungo vor·liegt, so gab es also in Zentral·asien eine Erin·nerung an Bishamons Herkunft aus einer Reich·tums·gott·heit. <br />
<br />
Die Funktion Bishamon-tens als Glücks·gott war jedenfalls bereits in seinen indischen Er·schei·nungs·for·men ange·legt. Sie war sozu·sagen immer latent vor·han·den und scheint sich in Japan erneut Ausdruck verschafft zu haben, als die militä·ri·schen Qualitä·ten des Bishamon-ten nicht länger von zen·traler Bedeu·tung waren.<br />
<br />
===Bishamon-ten, Daikoku-ten und Benzai-ten===<br />
{{sidebox| w=140|rahmen_h=260<br />
|Sanmen_daikoku.jpg<br />
|Sanmen Daikoku<br />
|ref=1<br />
}}<br />
{{floatleft|rahmen_h=300<br />
|Daikoku_motoyama.jpg<br />
|Daikoku mit den Köpfen Benzaitens und Bishamon-tens<br />
|ref=1<br />
}} <br />
Bevor Bishamon-ten zum stän·di·gen Mit·glied der Glücks·göt·ter wird, lässt sich eine Zwi·schen·pha·se be·ob·ach·ten, in der drei bud·dhis·ti·sche Deva-Götter, die letzt·lich zu den {{glossar:shichifukujin}} ge·zählt wer·den, nämlich Daikoku-ten, Benzaiten und Bishamon-ten, eine Art Koa·lition mit ein·an·der ein·ge·hen. Sie sind in dieser Phase, die wohl im spä·te·ren Mit·tel·alter an·zu·sie·deln ist, alle drei mit Rüs·tun·gen und Waf·fen ver·sehen, wer·den aber zu·gleich mit den At·tri·bu·ten der Glücks·göt·ter aus·ge·stat·tet, etwa mit Reis·bal·len (Daikoku) oder mit den fünf·zehn Knaben (Benzai·ten), die für ver·schie·dene Be·rufe stehen. <br />
Die be·son·dere Ver·bin·dung dieser drei Gott·hei·ten lässt sich im Motiv des drei·köp·figen Daikoku (''sanmen daikoku'') er·ken·nen: Daikokus Zu·satz·köpfe tragen dabei stets die Züge von Benzai·ten und Bisha·mon. Es gibt auch Sta·tuen von Ben·zaiten, die von Daikoku und Bisha·mon flan·kiert sind. <br />
<br />
Zwischen Bishamon und Benzai·ten beste·hen bereits alte Ver·bin·dun·gen. {{skt:Sarasvati}} — die indi·sche Benzai·ten — tritt unter ande·rem im Gold·glanz Sutra auf, also in jenem Text, der die Be·deu·tung der Vier Him·mels·könige in Ost·asien mit·be·grün·det. Die Göttin schwört, jene, die das Gold·glanz Sutra ehren, spe·ziell zu be·schüt·zen. Ähn·liche Schwüre leis·tet auch Lakshmi (jap. Kichichō-ten), die tra·di·tionel·ler·weise als Gefähr·tin Vai·shra·vanas ange·sehen wird. Beide Göt·tin·nen zeich·nen sich be·reits im indi·schen Kon·text durch be·son·dere Fe·mini·tät und Schön·heit aus und schei·nen sich leicht sub·sti·tuie·ren zu können. Saras·vati be·sitzt durch ihre Ver·bin·dung zum Wasser und den Drachen aller·dings grö·ßere Macht. Im Reigen der Glücks·götter wurde also Kichichō-ten, die an·fäng·liche Be·glei·te·rin Bisha·mons, mehr und mehr durch die viel·seiti·gere und mäch·ti·gere Benzai·ten ersetzt. <br />
<br />
Die Assozi·ierung von Bishamon und Daikoku scheint hin·ge·gen eine spe·zi·fisch ja·pani·sche Ent·wick·lung, genauer eine Erfindung des {{glossar:Tendaishuu|Tendai}}-Bud·dhis·mus zu sein. <br />
Aus dem ''Keiran juyōshū'' (14. Jh.), einem mittel·alter·lichen Tendai-Text, geht hervor, dass man damals die Züge von Daikoku und Bisha·mon-ten ganz be·wusst mit einander ver·schmolz. Es gab sogar eine Figur namens Tamon-Daikoku (also eine Kombi·nation aus Bishamon/ Tamon und Daikoku). Das ''Keiran juyōshū'' schreibt dazu: „Der Daikoku der Berg-Linie [= Berg {{glossar:Hieizan|Hiei}}] ist Tamon Daikoku. Deshalb haben seine Merk·male die gleiche Form wie die des Bishamon.“<ref>Nach Iyanaga 2002, S. 376.</ref> <br />
<br />
Die Nahe·bezie·hung Daikoku-Bishamon ist in einer um·fang·rei·chen Studie zu Daikoku von Iyanaga Nobumi aus·führ·lich ana·lysiert worden. Daraus lässt sich grob fol·gende Ent·wick·lung nach·zeich·nen: Bishamon-ten ent·stammt einem indi·schen Kontext, in dem bereits Gott·heiten des Reich·tums und des mili·täri·schen Schutzes mit ein·ander ver·schmol·zen wurden. Im ost·asia·tischen Kontext traten hin·gegen die mili·tä·ri·schen Aspekte deut·licher hervor. Der Reich·tums·aspekt wurde aber nie ganz ver·gessen und in Japan schließ·lich auf Daikoku weiter·ver·erbt. Merk·male, die zu·nächst mit Vaishra·vana (Bishamon) asso·ziiert worden waren, tauchten nun an Daikoku wieder auf. Dazu zählt unter anderem die zwer·gen·hafte, wohl·be·leibte Gestalt des Jambhala.<ref> Wie auf der [[Ikonographie/Gluecksgoetter/Daikoku|Daikoku]] Seite be·schrie·ben, war auch die eso·te·rische Figur des {{skt:Mahakala}} prägend für Daikoku. Jambhala und Mahakala teilen aber ihrer·seits zahl·reiche ikono·gra·phi·sche Gemein·sam·keiten.</ref> Aber auch und vor allem die ominöse Maus, die eigentlich ein Mungo ist, wech·selte von Bishamon zu Daikoku.<br />
<br />
===Die Gruppendynamik unter den Glüksgöttern=== <br />
<br />
{{floatleft|top=-10<br />
| daikoku bishamon.jpg<br />
| Daikoku parodiert Bishamon<br />
|ref=1<br />
}}<br />
Die Deva-Gott·heiten Daikoku-ten, Ben·zai-ten und Bisha·mon-ten er·hiel·ten ihre glück·ver·hei·ßen·den Züge, wie oben skiz·ziert, zu·nächst im Rah·men des eso·te·ri·schen Bud·dhis·mus, also im Tendai und Shin·gon Bud·dhis·mus. Zu ihnen ge·sellte man schließ·lich {{glossar:Ebisu}}, der in einem ande·ren Kon·text eng mit Daikoku ver·bun·den ist. Schließ·lich kamen noch drei Götter dazu, die stär·kere Bezüge zum Daois·mus bzw. zu ande·ren eher chine·sisch kon·no·tierten Tradi·tionen haben: die beiden Alten — {{glossar:Fukurokuju}} und {{glossar:Juroujin}} — und der be·son·dere Held des Zen, {{glossar:Hotei}}, der aber cha·rak·ter·lich auch gut zu Daikoku passt.<br />
<br />
Bishamon gehört in diesem Ensemble zwei·fellos eher zu den Rand·figuren. Für sich allein gestellt wird er als Schutz- aber nicht als Glücks·gott verehrt. Er über·nimmt in den vielen liebe·voll-sati·ri·schen Dar·stel·lungen der Glücks·götter aus der Edo-Zeit auch nie die Füh·rungs·rolle, wenn es um ir·gend einen Scha·ber·nack geht, den die Gruppe ausheckt.<br />
{{w500|w= 550|left=-25|top=-25|rahmen_h=245<br />
|Fukujin1777.jpg<br />
|Bishamon-ten, Fukurokuju und Daikoku<br />
|ref=1<br />
}}<br />
Auch auf der Abbildung oben aus der späteren Edo-Zeit sieht man {{glossar:Fukurokuju}} und Daikoku mit einem „chine·sischen Knaben“ (''karako'', ein häufiger Begleiter der Glücks·götter) scherzen, während Bishamon eher gries·grämig abseits sitzt. <br />
<br />
Letztlich spielt Bishamon-ten unter den Glücks·göttern also nicht vielmehr als die Rolle eines Body·guards, der ohne die Personen, die er beschützen soll, nicht viel wert ist. Wahr·schein·lich hängt dies damit zu·sam·men, dass die Gruppe der Glücks·götter insgesamt doch stärker von Daikoku und Ebisu geprägt sind, die der städ·tischen Kauf·manns·kultur, in der die Glücks·götter erblühten, näher standen, als der mar·tialische Reichtums·gott Bishamon. Aber auch von einem all·gemei·neren Stand·punkt aus betrachtet sind wehr·hafte männ·liche Gestal·ten im japa·nischen Pan·theon grund·sätz·lich auf die Rolle von Leib·wäch·tern oder Sol·daten redu·ziert. Für eine Karriere als {{g|kami}} ist Viri·lität auf lange Zeit gesehen keine besonders för·der·liche Eigen·schaft.<br />
<br />
{{Verweise<br />
|links_ue=Literatur und Links<br />
|update= Februar 2012<br />
|links=<br />
{{Literatur:Iyanaga 2002}}<br />
{{Literatur:Yiengpruksawan 1998}}<br />
*[http://www.onmarkproductions.com/html/bishamonten.shtml Bishamonten], Mark Schumacher (''A-Z Photo Dictionary'')<br />
*[http://www.aisf.or.jp/~jaanus/deta/b/bishamonten.htm Bishamonten], JAANUS (Japanese Architecture and Art Net Users System) <br />
*[http://www.univie.ac.at/rel_jap/kami/Bishamon-ten Bishamon-ten], ''Kamigraphie'' (Universität Wien)<br />
}}<br />
{{thisWay}}</div>
Nicole Janker
https://religion-in-japan.univie.ac.at/r/index.php?title=Essays/Bishamon-ten&diff=59861
Essays/Bishamon-ten
2015-09-23T18:54:02Z
<p>Nicole Janker: /* Tohachi Bishamon */</p>
<hr />
<div>{{styles}}<br />
{{titel|Bishamon-ten, Wächter und Glücksgott}}<br />
{{w500|rahmen_h=330|w=600|left=-20|top=-15<br />
|Tamon todaiji detail.jpg <br />
|Bishamon-ten als Beschützer des Buddhismus<br />
|ref=1<br />
}}<br />
{{fl|B}}{{glossar:Bishamonten|ishamon-ten}} ist im heutigen Japan in erster Linie als eine Art Samurai unter den Sieben Glücksgötter ({{g|shichifukujin}}) präsent.<ref> <br />
Dieser Artikel beruht zum Teil auf den Recherchen von Sarah-Allegra Schönberger für die Material·sammlung [http://www.univie.ac.at/rel_jap/kami/Bishamon-ten Kamigraphie], 2012. Herzlichen Dank! <br />
</ref> <br />
Er ent·stammt jedoch dem Bud·dhis·mus, genauer der Kate·gorie der {{skt:Deva}}-Gott·heiten ({{glossar:tenbu}}), die eigent·lich auf indi·sche (meist vedische) Götter zurück·gehen und als Wächter·gott·heiten ins bud·dhis·tische Pan·theon inte·griert wurden. Unter diesen bud·dhis·tischen Devas ist Bisha·mon-ten einer der ersten, die Japan er·reichten, nämlich bereits im sechs·ten Jahr·hun·dert. Im Laufe seiner Ent·wick·lung über·nahm er unter·schied·liche Funk·tionen, vor allem die eines Kriegs- bzw. mili·täri·schen Schutz·gottes, aber auch die Funktion einer Gott·heit des Reich·tums. Umso er·staun·licher ist es, dass seine ikono·gra·phische Grund·form dabei weit·gehend unver·ändert blieb: Eine sehr mas·kuline Er·schei·nung in einer impo·nie·ren·den Rüs·tung, in einer Hand eine Waffe, in der anderen (fast immer) eine Pagode. Diese Pagode re·präsen·tiert die Lehre des Buddha, was auf seine ur·sprüng·liche Funktion ver·weist: den Bud·dhis·mus wehrhaft zu ver·teidi·gen.<br />
<br />
Im Gegen·satz zu anderen Glücks·göttern, etwa {{glossar:Daikoku}} oder {{glossar:Benzaiten}}, lassen sich bei Bishamon keine As·sozia·tionen mit lokalen japa·nischen Gott·heiten aus·machen. Was diese Figur aber interes·sant und viel·schich·tig macht, sind die unter·schied·lichen Legen·den, die Bishamon-ten sozu·sagen im Gepäck aus Asien mit·ge·bracht hat. Diese er·klären auch, warum Bishamon nicht nur als kriege·rischer Wächter, sondern auch als Gott des Reich·tums ver·ehrt wurde. Der Reich·tums·aspekt war es wohl auch, warum Bishamon-ten aus seiner kano·nischen bud·dhisti·schen Form heraus·gelöst und in das syn·kretis·tische Ensemble der Glücks·götter inte·griert wurde. <br />
<br />
==Phase 1: Bishamon als Hüter des Nordens==<br />
<br />
{{sidebox|w=160|left=-10 |rahmen_h= 377<br />
|tamonten horyuji.jpg<br />
|Bishamon-ten, 7. Jh.<br />
|ref=1<br />
}}<br />
Bishamon ist zunächst in mehreren Forma·tionen von Richtungs·gott·heiten vertreten, vor allem als einer der Vier Himmels·könige ({{glossar:shitennou}}) und einer der Zwölf Gött·lichen Generäle ({{glossar:juunishinshou}}). Beide Forma·tionen bestehen aus krie·ge·rischen Figuren und sind analog zu den vier Himmels·rich·tungen bzw. den Zwölf Himmels·stämmen ({{glossar:juunishi}}) organi·siert (siehe [[Ikonographie/Waechtergoetter|Wächter·götter]]). Bishamon-ten steht jeweils für den Norden und reprä·sen·tiert so etwas wie den Gruppen·führer, aller·dings nicht in einer klar von den ande·ren abge·setzten Position. Seine pri·vile·gierte Stel·lung resul·tiert ledig·lich daraus, dass der Norden gemäß tra·ditio·nellen chinesi·schen Vor·stel·lungen der Ort des Kaiser·palas·tes war. Auch [[Bauten/Tempel|bud·dhis·tische Tempel]] sind zu·meist so aus·ge·richtet, dass der Haupt·ein·gang im Süden liegt, während sich die Haupt·halle im nörd·lichen Teil der Anlage befindet. Der Norden ist also sowohl im welt·lichen als auch im geist·li·chen Bereich der Sitz der Auto·rität. Insofern ist der Wächter des Nordens von größerer Bedeu·tung und höhe·rem Rang als alle anderen Wächter.<ref>Die Zuge·hörigkeit Bishamon-tens zum Norden wird auch oft durch seine Haut·farbe, schwarz oder blau·schwarz, unter·strichen. Diese Symbolik ist nicht-bud·dhis·tischer Her·kunft und daher offen·bar in China ent·standen.</ref><br />
===Staatsschutz===<br />
Die Vier Himmels·könige spielten vor allem in der Frühzeit des japa·nischen Buddhis·mus eine wichtige Rolle. Damals versprach sich der japa·nische Staat kon·krete mili·tärische und poli·tische Vor·teile aus der Ver·ehrung des Bud·dhis·mus, wie dies in einigen bud·dhis·tischen Sutren, vor allem dem Gold·glanz Sutra (jap. {{glossar:Konkoumyoukyou}}) auch ganz explizit ver·sprochen wird.<ref><br />
Das Gold·glanz Sutra (skt. ''Suvarṇa·prabhāsa·sottama sūtra'') wurde bereits 414–421 ins Chine·si·sche über·setzt. In diesem Text treten die Him·mels·könige persön·lich auf und erklä·ren in einem Dialog mit dem Buddha, wie sie Könige, die eben dieses Sutra hoch·halten, beschüt·zen und andere, die dem Sutra im spe·ziellen und dem Bud·dhis·mus im allge·meinen abhold sind, bestra·fen werden. In Japan wurde das Gold·glanz Sutra zusammen mit dem Lotus Sutra ({{glossar:Hokekyou}}) und dem Sutra für Barm·herzige Könige (''Ninnō-kyō'') zu den soge·nann·ten Drei Staats·schutz-Sutren gezählt. <br />
</ref><br />
Die erste offizielle Chronik Japans, das {{glossar:Nihonshoki}}, berichtet dazu Folgendes: <br />
{{zitat|text=<br />
Nachdem der Buddhis·mus im 6. Jh. bei Hof bekannt geworden ist, formiert sich eine Partei für und eine gegen den Buddhis·mus. 587 kommt es zu einer Schlacht zwischen dem Lager der {{glossar:Mononobe}}, die den Bud·dhismus ablehnen, und dem Lager der {{glossar:Soganouji|Soga}}, die ihn fördern. Obwohl noch ein Knabe von drei·zehn Jahren, zieht auch der Kaiser·sohn {{glossar:Shoutokutaishi}} (574–622) in diese Schlacht, und zwar auf Seiten der Soga. Zuvor schnitzt er vier Miniatur·sta·tuen der Himmels·könige, steckt sie in sein Haar und schwört, dass er den Himmels·köni·gen einen Tempel und eine Pagode stiften werde, wenn die Feinde des Bud·dhis·mus in dieser Schlacht besiegt werden sollten. Dank der Unterstützung der Himmels·könige trägt die Partei der Soga den Sieg davon. Einige Jahre später lässt Shōtoku Taishi, mittler·weile zum kaiser·lichen Regenten avanciert, tat·säch·lich einen Tempel für die Vier Himmels·könige errichten.<ref>Dieser {{glossar:Shitennouji}} befindet sich im heu·tigen Osaka und gilt als ältes·ter staat·lich gegrün·deter Tempel Japans.</ref> <br />
|quelle=Zusammengefasst nach ''Nihon shoki'', Kap. Sujun Tennō (Aston, Teil 2, S. 113–115)<br />
}}<br />
Der ent·schei·dende Durch·bruch des frühen japa·nischen Bud·dhis·mus erfolgte also laut ''Nihon shoki'' auf mili·täri·schem Wege und war nur dank des Eingreifens der Vier Him·mels·köni·ge möglich.<br />
<br />
{{w502|rahmen_h1=325|rahmen_h2=325<br />
|w2=300|left2=-25|top2=-10<br />
|Tamonten todaiji.jpg<br />
|Tamonten_nara.jpg<br />
|Tamon-ten im Tōdaiji (Edo-Zeit)<br />
|Tamon-ten im Tōdaiji (Nara-Zeit)<br />
|ref=1<br />
}}<br />
Noch in der {{glossar:Nara}}-Zeit stellten die Himmels·könige eine zentrale Instanz dar, als es darum ging, Bud·dhis·mus und staat·liche Verwal·tung Hand in Hand im ganzen Land zu insti·tutio·na·lisieren. Zu diesem Zweck schuf {{glossar:shoumutennou}} in der ersten Hälfte des achten Jahr·hun·derts das Netz·werk der soge·nann·ten Provinzial·tempel ({{glossar:kokubunji}}), die offi·ziell fol·gende Bezeich·nung trugen: „Tempel für den Schutz des Staates durch die Vier Himmels·könige des Gold·glanz [Sutra]s“.<ref>''Konkōmyō shitennō gokoku no tera'' 金光明四天王護国之寺. Provinzial·tempel für Nonnen hießen im übrigen ''hokke metsuzai no tera'' 法華滅罪之寺 (Tempel des Lotos [Sutras], das das Böse besiegt)</ref> Daher tauchen die Vier Himmels·wächter auch in der Halle des Großen Buddha im {{glossar:Toudaiji}} von Nara auf. Dieser Tempel war schließ·lich das Zentrum des Provin·zial·tempel·systems. Aller·dings sind heute dort nur noch zwei der ur·sprüng·lichen Himmels·könige zu sehen, nämlich {{glossar:Tamonten}} (= Bishamon-ten) und {{g|Koumokuten}}. Der Größe des {{glossar:Daibutsu}} ent·spre·chend sind aber auch sie von enormen Aus·maßen. Ähnlich wie im Tōdaiji sind die Himmels·könige in vielen anderen Tempeln als Wächter des Haupt·heilig·tums im Einsatz, aller·dings werden sie mehr und mehr auf diese unter·geord·nete Funktion reduziert. Als Gruppe erlebten die Vier Himmels·könige also einen Abstieg, der mit der all·mählichen Entwicklung des japa·nischen Buddhis·mus von einer Herr·schafts·ideo·logie zu einer Volks·religion einher·ging.<br />
<br />
==Phase 2: Tobatsu Bishamon==<br />
<br />
Zur Zeit der oben geschil·derten Ereig·nisse genoss {{skt:Vaishravana}} (Bishamon) entlang der Seiden·straße, also auf der Japan ent·gegen·ge·setzten Seite der chinesisch-buddhis·tischen Einfluss·sphäre, eine wo·möglich noch größere Ver·ehrung als die japani·schen Shi-Tennō. In Khotan, einer Oase an der süd·lichen Route der Seiden·straße, betrach·teten sich die Könige als seine direk·ten Nach·kommen. Sie begrün·deten dies damit, dass Vaishra·vana einst einem alten, kinder·losen König Khotans zu einem Sohn verhalf, indem er, Vaishra·vana, einen Knaben aus seinem eigenen Kopf gebar und ihn dem König über·ant·wortete. Das Kind wurde in der Folge von einer Erd·göttin gesäugt.<ref>Wladimir Zwalf 1985, [http://www.britishmuseum.org/research/search_the_collection_database/search_object_details.aspx?objectid=6818&partid=1 British Museum] (Zugriff: 2012/2/22)</ref> Die Motive dieser Legende fanden Eingang in die Vaishra·vana Ikono·graphie Khotans und ver·brei·te·ten sich von hier aus weiter.<br />
{{w502|rahmen_h1=355|rahmen_h2=355<br />
| Vaishravana_947.jpg<br />
| Khotan_king.jpg<br />
| caption = Vaishravana Kult entlang der Seidenstraße <br />
|ref=1<br />
}}<br />
In weiterer Folge entstand in China eine semi-historische Legende um Vaishra·vana, deren Eck·punkte fol·gender·maßen lauten: <br />
{{Zitat|text=<br />
Im Jahr 742 wird die Gar·nisons·stadt Anxi, der Knoten·punkt von nörd·licher und süd·licher Seiden·straße im Nord·westen Chinas, von „Barbaren“ ange·griffen und gerät in arge Be·dräng·nis. Die Kunde davon dringt bis in die chine·sische Haupt·stadt, wo der Kaiser den emi·nenten Mönch {{skt:Amoghavajra}} (705–774) anweist, etwas für die Sicher·heit des Landes zu tun. Amogha·vajra, der seiner·seits zentral·asia·tische Wurzeln hat, betet darauf·hin zu Vaishra·vana (Bishamon). Dieser erhört die Bitten und verur·sacht ein Erd·beben in Anxi. Auch sendet er gold·far·bene Mäuse aus, die die Bogen·sehnen der Feinde zernag·en (mehr zu diesen Mäusen s.u.). Schließ·lich erscheint Vaishra·vana höchst·per·sönlich auf dem riesi·gen Nordtor der Burg. Da ergrei·fen die Feinde die Flucht und Anxi ist ge·rettet.<ref>Die Legende ist vor allem aus der Bio·graphie Amogha·vajras (chin. Bukong 不空) in den Song-zeitlichen „Chroniken Großer Mönche“ (''Song gao seng zhuan'' 宋高僧伝, 988) bekannt.</ref> <br />
}}<br />
Die Le·gende machte der·artigen Eindruck, dass der Kaiser daraufhin in allen Garni·sonen Statuen dieser Gottheit, die als {{glossar:Tobatsubishamonten}} (Bishamon aus Turfan)<ref> Tobatsu bezeich·net das zentral·asia·tische Reich Turfan an der nörd·lichen Seiden·straße, oder aber Tibet. Im vor·liegen·den Kontext kann man aber davon aus·gehen, dass der Begriff stell·ver·tre·tend für Zentral·asien bzw. für die Reiche im Westen Chinas ge·braucht wird.</ref> bezeichnet wurden, aufstellen ließ. Rund um Anxi entfal·tete sich ein beson·derer Kult des Bishamon, der u.a. in den nahe gelegenen Tausend Buddha Höhlen von Dun·huang seinen Nieder·schlag fand.<ref><br />
Dun·huang in der heutigen chinesischen Provinz Gansu war sowohl ein Handels- als auch ein bud·dhis·tisches Pilger·zentrum an der Seiden·straße, dessen Blüte in die Tang-Zeit (7.–9.Jh.) fällt. Berühmt sind die Tausend Buddha Höhlen, die erst im 20. Jahr·hun·dert von Archäo·logen neu er·schlos·sen wurden und zahl·reiche bislang unbe·kannte buddhis·tische Texte und Kunst·gegen·stände zu Tage brachten.<br />
</ref><br />
<br />
In Japan, wo Bishamon-ten zu diesem Zeitpunkt ja bereits bekannt war, scheint man den Kult des Tobatsu Bishamon bereits fünfzig Jahre nach der wunder·samen Errettung von Anxi auf·ge·griffen zu haben. Getreu dem chine·sischen Vorbild, stellte man seine Statue im südlichen Haupt·tor der 795 gegrün·deten Haupt·stadt {{glossar:Heian|Heian-kyō}} auf. Während dieses Tor, das Rajōmon, nicht allzu lange über·dauerte, wurde die in China herge·stellte Statue stil·prägend für weitere Statuen des Tobatsu Bishamon-ten. Sie ist heute im Besitz des unweit des Rajōmon gelegenen {{glossar:Touji}}, eines der wich·tigs·ten {{glossar:Shingonshuu|Shingon}} Tempel.<ref> S. [http://www.aisf.or.jp/~jaanus/deta/b/bishamonten.htm Bishamonten] (JAANUS). Die beson·dere Verbin·dung von Tobatsu Bishamon und Shingon könnte auch daher rühren, dass sich Shingon auf die Tradition eben jenes Amogha·vajra, der den Tobatsu Kult initi·ierte, zurück·führt. {{glossar:Kuukai}}, der Gründer·vater des Shingon, war ein Enkel·schüler Amaghovajras.</ref> In den Bergen im Norden der Stadt errich·tete man außer·dem einen Tempel, den {{g|Kuramadera}}, der als nördlicher spiri·tueller Wächter fungierte. Er sollte zunächst {{glossar:Kannon}} geweiht werden, nahm aber schließlich Bisha·mon-ten als Haupt·heilig·tum an.<ref><br />
So jedenfalls ein Bericht aus dem ''Fusō ryakki'' (nach 1094), das die Gründung des frag·lichen Tempel, des Kurama-dera, im späten 8. Jh. ansetzt. Der Kurama-dera ent·wickelte sich später zu einem Zentrum der {{glossar:yamabushi}} und des {{glossar:tengu}}-Glaubens. Die Gleich·setzung von Kannon und Bishamon-ten findet sich auch im Lotos Sutra.<br />
</ref><br />
Bishamon-ten schützte somit die Haupt·stadt sowohl im Norden als auch im Süden. <br />
<br />
Die meisten frühen Statuen des Tobatsu Bishamon-ten finden sich jedoch im Nord·osten Japans, wo zu dieser Zeit noch heftige Kämpfe mit den Emishi, Japans „nörd·lichen Barbaren“ tobten.<ref>Yiengpruksawan 1998, S. 42</ref> Man kann also davon ausgehen, das sich die militä·rischen Aspekte der Vier Himmels·könige in Tobatsu noch ver·stärk·ten und er zu einer Art Kriegs·gott der Heian-Zeit wurde. <br />
{{w502|w1=245|rahmen_h1=470|rahmen_h2=470<br />
|Tobatsu_bishamonten.jpg<br />
|Tobatsu dazaifu.jpg<br />
|Japans ältester Tobatsu Bishamon<br />
|Tobatsu Bishamon, 10. Jh.<br />
|ref=1<br />
}}<br />
Auf den meisten japa·nischen Dar·stellungen unter·scheidet sich Tobatsu kaum von Bishamon, wie er schon zuvor im Ensemble der Vier Himmels·könige auftritt. Als Unter·schei·dungs·merkmal gelten allerdings die Figuren, auf denen er gewohn·heits·mäßig steht. Wäh·rend Bishamon-Statuen der Phase 1 zumeist auf einem einzelnen, zusam·men·gekauer·ten Dämon ({{glossar:jaki}}) posieren, steht Tobatsu ent·weder auf den ausge·brei·teten Händen einer weib·lichen Figur oder auf zwei Dämonen, in deren Mitte eine weib·liche Figur zu sehen ist. Diese weibliche Figur ist {{glossar:Jiten}} (skt. Prthivi), die Erd·göttin. Sie findet sich in der unter·stüt·zen·den Haltung bereits in den Vaishra·vana/Bishamon Dar·stel·lungen der Könige von Khotan. Während das Trampeln auf Dämonen als Geste des Triumphs gedeutet werden kann, besteht zwischen der Erd·göttin und Bishamon ganz offen·sicht·lich ein Ein·ver·neh·men, das man an der geord·neten, sym·me·trischen Haltung, mit der sie ihm stützt, ablesen kann. Die chi·nesi·sche Skulptur des Tobatsu trägt außer·dem eine charak·teris·tische, eng·tail·lierte Rüstung und eine Krone statt des üblichen Helms. Diese Details werden aber in Japan bald wieder fallen gelassen. <br />
<br />
===Bishamon-tens Gefolge===<br />
<br />
Zahlreiche weitere Aspekte, die sich mit Bishamon als Einzel·figur verbinden, lassen sich exem·pla·risch an einem Rollbild aus der {{g|Kamakura}}-Zeit (um 1200) identi·fzieren, das heute im Museum of Fine Arts in Boston hängt. Hier werden die ver·schie·denen Einzel·aspekte Bishamon-tens frei mit einander in Bezie·hung gebracht:<br />
<br />
{{w500|rahmen_h=650|top=-100<br />
|bishamon_kamakura.jpg<br />
|Bishamon-ten und Gefolge<br />
|ref=1<br />
}}<br />
Das Bild zeigt Bishamon-ten mit einem bunten Gefolge aus unter·wor·fenen Dämonen und edlen Gestal·ten. Bishamon selbst steht auf zwei Dämonen<ref>Niranba und Biranba. Sie treten bereits im ''Lotos Sutra'' neben Bishamon als Beschützer der Gläubigen auf.</ref>, die weib·liche Figur davor ist die Erd·göttin Jiten. Dies deutet nach dem, was wir bisher bespro·chen haben, auf Tobatsu Bishamon hin. Er trägt die typi·sche Rüstung, die mit den Fratzen mythi·scher Bestien verziert ist, vor allem eine Art Löwen·kopf als Gürtel·schnalle. In der rechten Hand hält er einen Stab, in der linken sein wich·tigs·tes Attribut, die Pagode. Aus seinen Schultern schlagen hohe rote Flam·men·säulen. <br />
{{sidebox|rahmen_h=200|w=140<br />
|Jinjataisho.jpg<br />
|Bishamon als „Wüstengeneral“<br />
|ref=1<br />
}}<br />
Rechts von Bishamon ist eine Gruppe von vier Dämonen zu erkennen, die als Waffen·träger fungieren: einer trägt Bishamons charak·teris·ti·schen Dreizack, einer Pfeil und Bogen, einer einen weiteren Stab und einer ein Schwert. Rechts vor den Waffen·trä·gern steht eine rote, dämo·nische Figur mit „Leder·hosen“ in Form von Ele·fanten·köpfen. Diese Figur heißt {{glossar:Jinjataishou}}, wtl. der Wüsten·general. Es handelt sich um eine Erschei·nungs·form des Bishamon. Der Legende nach soll Bishamon in dieser Gestalt dem berühm·ten Pilger·mönch {{glossar:Xuanzang}} in einer zentral·asia·ti·schen Wüste den Weg zur nächs·ten Oase gewiesen und ihn so vor dem Ver·dursten gerettet haben.<ref> Rosenfield 2010, S. 181–183; s.a. Mark Schumacher, „Bishamonten“. </ref> Die histo·rische Faktizi·tät dieser Legende mag zweifel·haft sein, doch ver·deut·licht sie ein weite·res Mal den zentral·asia·tischen Einfluss auf die Bishamon Ikono·graphie. Neben dem Wüsten·general ist auf dem obigen Bild eine jugend·liche Figur mit Elefan·ten·mütze zu sehen, die ich noch nicht identi·fizieren konnte. Auf der anderen Seite Bishamons ist im Hinter·grund eine weitere seltsame Erschei·nung zu sehen. Sie besitzt zahl·reiche Attribute eso·terisch-zorn·voller Gott·heiten ({{skt:krodha}}) nämlich zu Berge stehen·des Haar, Raub·tier·zähne, Kette aus Toten·schädel, vier Hände, in zwei davon mensch·liche Leichen, etc. Wäh·rend derartige Figuren in der spä·teren eso·teri·schen Ikono·graphie rang·mäßig über Wächtern wie Bishamon stehen, ist diese Figur im vor·lie·gen·den Kontext ganz offen·sicht·lich von unter·geord·neter Stel·lung. <br />
<br />
Links von Bishamon fallen drei vor·nehme Figuren ins Auge. Es handelt sich um die Gefährtin des Bishamon, {{glossar:Kichijouten}}, die vor allem im frühen japa·nischen Bud·dhis·mus als eine Art Glücks·gott·heit galt, später aber etwas in Ver·ges·sen·heit geriet. Sie hält ein Wunsch·er·fül·lungs-Juwel in Händen. Neben ihr zwei Knaben, wahr·schein·lich Söhne des Bishamon, einer mit einem Teller mit Blüten(?), einer mit einem Beutel. <br />
{{w502<br />
|top1=-70<br />
|rahmen_h1= 350|rahmen_h2= 350<br />
|w2=250|left2=-5<br />
|Bishamon familie.jpg<br />
|vaishravana_dunhuang.jpg<br />
|Bishamon mit Familie<br />
|Vaishravana und Gefolge (chin. Darstellung)<br />
|ref=1<br />
}}<br />
{{w500| rahmen_h= 250 | top = -25<br />
|Bishamon_hekija.jpg <br />
|Bishamon bekämpft Krankheiten<br />
|ref=1<br />
}}<br />
Viele Einzel·heiten des Kamakura-zeitlichen Roll·bilds finden sich auch in chine·sischen Darstel·lungen aus Dun·huang wieder, zum Bei·spiel auf der Abbil·dung oben rechts, die Vaishra·vana (Bishamon) bei einer Art Inspek·tions·tour durch sein Reich darstellt. Abge·sehen von den Flam·men·säulen an Bishamons Schultern be·geg·nen wir auch hier seinen Fami·lien·mit·glie·dern, allerdings mit ver·tausch·ten Attri·buten in den Händen. Ein interes·santes Detail des chine·sischen Bei·spiels ist die ''tengu''-artige Figur in der oberen rechten Ecke des Bilds, offen·sicht·lich ein böser Dämon. Ein Bogen·schütze im Gefolge des Bishamon spannt gerade seine Waffe, als ob er diesen Dämon abschießen wollte. <br />
Ein ver·wand·tes Motiv findet sich wiederum in einer berühm·ten, wenn auch etwas untypi·schen Bishamon-Darstel·lung aus Japan, einem „Bild der Bekämp·fung von Übeln“ (''hekija-e'') aus dem späten 12. Jh. Hier sieht man Bishamon selbst, wie er mit Pfeil und Bogen geflü·gelte Dämo·nen ab·schießt. Dem Kontext ist zu entneh·men, dass diese Krank·heiten per·soni·fizieren. Bishamon-ten wurde also in dieser Zeit auch ein Schutz·herr gegen Krank·heiten ange·sehen, die im japa·ni·schen Alter·tum generell ein großes Problem dar·stell·ten, für das nicht viel mehr als reli·giöse Mittel zur Hand waren. <br />
<br />
Obwohl die Figur des Tobatsu Bishamon-ten zunächst mindestens ebenso martia·lisch auftrat wie die Gruppe der Vier Him·mels·könige, scheint diese ikono·gra·phische Form der Aus·löser dafür zu sein, dass sich Bishamon in Ostasien aus seinen mili·täri·schen Forma·tionen löste und als ein·zelne Gestalt verehrt wurde. Dadurch scheint sich das Spek·trum seiner Funktio·nen ver·größert zu haben und war nicht mehr allein auf bloßen (mili·täri·schen) Schutz beschränkt. Die fried·lichen Figu·ren in Bishamons Gefolge deuten auf mate·riellen Reich·tum hin. Dieser Aspekt ist, wie wir noch sehen werden, bereits in Vaishra·vanas indi·schem Erbe angelegt, hat sich in Japan aber erst zu einem spä·teren Zeit·punkt Ausdruck ver·schafft.<br />
<br />
===Tohachi Bishamon===<br />
{{w502|top2=-10<br />
|rahmen_h1= 340|rahmen_h2= 340<br />
|Tohachi hokusai.jpg<br />
|Tohachi hanabusa.jpg<br />
|caption = Bishamon mit vier Köpfen und acht Schwertern<br />
|ref=1<br />
}}<br />
Im späten Mittel·alter kommt es zu einer neuen ikono·graphi·schen Form des Tobatsu Bishamon-ten, die auf einem Wortspiel beruht. Man las den Ausdruck ''tobatsu'' als ''tōhachi'' und unter·legte diese Aus·sprache mit neuen Schrift·zeichen in der Bedeutung „acht Schwerter“. In der Tat hält dieser Bishamon acht Schwerter in seinen zwölf Händen. Außerdem hat er vier Gesichter und reitet auf einem Löwen. Letz·terer dürfte von neuen Bishamon-Motiven auf dem Festland beein·flusst sein. Diese Darstel·lung hebt die martia·lischen Züge Bisha·mons ein wei·teres Mal deut·lich hervor und scheint sich unter den War·lords der {{glossar:sengokujidai|''sengoku''}}-Zeit einer gewis·sen Beliebt·heit erfreut haben.<ref>Der Daimyō Uesugi Kenshin trug etwa die Schrift·zeichen dieser Bishamon-Manifestation auf seinen Kriegs·bannern. Auch Takeda Shingen führte in der Schlacht einen Schrein mit einem zehn·armigen Tōhachi Bishamon-ten mit. ([http://www16.plala.or.jp/enkoin/bishamon.html Enkō-in] [2012/3/2])</ref> Aber noch in der späten Edo-Zeit sind Tōhachi Darstel·lungen zu finden. Die genauen Umstände der Ent·stehung und Verbrei·tung dieses speziellen Kultes sind mir allerdings nicht bekannt. <br />
<br />
{{h2+3|Phase 3: Bishamon-ten als Glücksgott}}<br />
<br />
===Exkurs: Vaishravana, Kubera und Jambhala ===<br />
<br />
Bishamon leitet sich wie erwähnt von {{skt:Vaishravana}} (wtl. „Sohn des Gerühmten“) ab, eines indi·schen Gottes, dessen eigent·licher Namen Kubera lautet. Die klassi·schen indi·schen Epen ''Maha·barata'' und ''Rama·yana'' berichten, dass Vaishra·vana oder Kubera von der über·geord·neten Gottheit Brahma explizit zum Herren der Reich·tümer und Schätze erho·ben wurde, und bezeich·nen ihn auch als Schatz·meister der Götter oder als Spender von Reich·tümern. Er hat eine goldene Haut und wohnt in gol·denen Städten. Zugleich gebietet er über ver·schie·dene dämo·nische Völker, allen voran die {{skt:Yaksha}}s bzw. {{skt:rakshasa}}s, beides eher kriege·rische, wilde Gestalten, die oft gemein·sam in einem Atem·zug genannt werden. Mög·licher·weise zählte auch das Horten und Hüten von Schätzen zu ihren ur·sprüng·lichen Kom·peten·zen, sodass sich Vaishra·vanas Reich·tums·aspekt auch aus seiner Ver·bin·dung zu diesen Dämonen ent·wickelt haben könnte. <br />
<br />
Oft wird Vaishravana in Verbin·dung mit drei wei·teren Gott·heiten genannt, die jeweils einen Bereich der Welt beherr·schen: {{skt:Yama}} die Unter·welt, {{skt:Indra}} den Himmel, Varuna das Meer und schließlich Vaishra·vana die be·wohnte Welt. Erst nach und nach werden diese vier Gott·heiten den Himmels·rich·tungen zuge·ordnet, wobei sich Vaishra·vana als Hüter des Nor·dens heraus·kristal·lisiert. Dies hängt mög·licher·weise mit der Asso·ziation „Reich·tum — Gold — Metall — Bergbau — Hima·laya“ zusam·men: das Gold kam in Indien aus dem Norden. <br />
<br />
Erst in zweiter Linie wird Vaishra·vana auch als mili·täri·sche Figur gezeich·net, wobei wiede·rum der kriege·rische Charak·ter der Yaksha-Dämonen eine Rolle gespielt haben könnte. Doch nur im Buddhis·mus bzw. in den ost·asiati·schen Aus·prägun·gen Vaishra·vanas scheint dieser Aspekt die Ober·hand zu gewinnen. <br />
{{w502<br />
|Jambhala.jpg<br />
|Vaishravana.jpg<br />
|Jambhala<br />
|Vaishravana<br />
|caption= Indische Götter des Reichtums mit Mungo<br />
|ref=1<br />
}}<br />
{{sidebox<br />
|mungo.jpg<br />
|Juwelen speiender Mungo (Tibet)<br />
|ref=1<br />
}}<br />
Eine mit Vaishravana eng ver·wandte oder wesens·gleiche Gottheit ist {{skt:Jambhala}}. Bei ihm fehlt aller·dings jeglicher mili·tärischer Aspekt, er ist allein für den Reich·tum zuständig. Ähnlich wie die japani·schen Glücks·götter ist er eher wohl·beleibt und zeigt seinen Bauch, Kenn·zeichen des Wohlstands, deutlich her. Es gibt dennoch zahl·reiche ikono·graphi·sche Gemein·sam·keiten zwischen Jambhala und Vaishra·vana/ Kubera, die sich z.B. auf tibe·tischen Thangkas gut erken·nen lassen. Das er·staun·lichste Attribut, das alle drei Figuren aus·zeichnet, ist ein ratten·ähn·liches Tier, das der jewei·lige Reich·tums·gott meist unter den Arm geklemmt mit sich führt. Bei genauer Betrach·tung erkennt man, dass dieses Tier bunte Kugeln ausspeit. Dies leitet sich auf eine indische volks·reli·giöse Vor·stel·lung zurück, nach der man einen Mungo dazu bringen kann, Edel·steine auszu·spucken, wenn man seinen Bauch drückt. Das Tier ist also ein Mungo und wird von Vaishra·vana wie ein Blase·balg ge·quetscht, damit er Edel·steine aus·spuckt. Diese Steine können auch als Wunsch·er·fül·lungs·juwe·len ({{glossar:nyoinotama}}) gedeu·tet werden. Der Mungo hat also nichts mit Krieg, sehr wohl aber etwas mit Reich·tum und Wohl·stand zu tun. <br />
<br />
In Ostasien ist der Mungo nicht heimisch, doch wurde er hier als Maus oder Ratte interpretiert.<ref> Iyanaga 2002, S. 370–73.</ref> Auch die tibe·tischen Dar·stel·lungen könnten für eine große Ratte gehalten werden. Dies erinnert an die oben erwähnte Legende von den gol·denen Mäusen, die Tobatsu Bishamon zu Kriegs·zwecken ein·setzt. Wenn hier ein Zu·sammen·hang mit dem freigie·bigen Mungo vor·liegt, so gab es also in Zentral·asien eine Erin·nerung an Bishamons Herkunft aus einer Reich·tums·gott·heit. <br />
<br />
Die Funktion Bishamon-tens als Glücks·gott war jedenfalls bereits in seinen indischen Er·schei·nungs·for·men ange·legt. Sie war sozu·sagen immer latent vor·han·den und scheint sich in Japan erneut Ausdruck verschafft zu haben, als die militä·ri·schen Qualitä·ten des Bishamon-ten nicht länger von zen·traler Bedeu·tung waren.<br />
<br />
===Bishamon-ten, Daikoku-ten und Benzai-ten===<br />
{{sidebox| w=140|rahmen_h=260<br />
|Sanmen_daikoku.jpg<br />
|Sanmen Daikoku<br />
|ref=1<br />
}}<br />
{{floatleft|rahmen_h=300<br />
|Daikoku_motoyama.jpg<br />
|Daikoku mit den Köpfen Benzaitens und Bishamon-tens<br />
|ref=1<br />
}} <br />
Bevor Bishamon-ten zum stän·di·gen Mit·glied der Glücks·göt·ter wird, lässt sich eine Zwi·schen·pha·se be·ob·ach·ten, in der drei bud·dhis·ti·sche Deva-Götter, die letzt·lich zu den {{glossar:shichifukujin}} ge·zählt wer·den, nämlich Daikoku-ten, Benzaiten und Bishamon-ten, eine Art Koa·lition mit ein·an·der ein·ge·hen. Sie sind in dieser Phase, die wohl im spä·te·ren Mit·tel·alter an·zu·sie·deln ist, alle drei mit Rüs·tun·gen und Waf·fen ver·sehen, wer·den aber zu·gleich mit den At·tri·bu·ten der Glücks·göt·ter aus·ge·stat·tet, etwa mit Reis·bal·len (Daikoku) oder mit den fünf·zehn Knaben (Benzai·ten), die für ver·schie·dene Be·rufe stehen. <br />
Die be·son·dere Ver·bin·dung dieser drei Gott·hei·ten lässt sich im Motiv des drei·köp·figen Daikoku (''sanmen daikoku'') er·ken·nen: Daikokus Zu·satz·köpfe tragen dabei stets die Züge von Benzai·ten und Bisha·mon. Es gibt auch Sta·tuen von Ben·zaiten, die von Daikoku und Bisha·mon flan·kiert sind. <br />
<br />
Zwischen Bishamon und Benzai·ten beste·hen bereits alte Ver·bin·dun·gen. {{skt:Sarasvati}} — die indi·sche Benzai·ten — tritt unter ande·rem im Gold·glanz Sutra auf, also in jenem Text, der die Be·deu·tung der Vier Him·mels·könige in Ost·asien mit·be·grün·det. Die Göttin schwört, jene, die das Gold·glanz Sutra ehren, spe·ziell zu be·schüt·zen. Ähn·liche Schwüre leis·tet auch Lakshmi (jap. Kichichō-ten), die tra·di·tionel·ler·weise als Gefähr·tin Vai·shra·vanas ange·sehen wird. Beide Göt·tin·nen zeich·nen sich be·reits im indi·schen Kon·text durch be·son·dere Fe·mini·tät und Schön·heit aus und schei·nen sich leicht sub·sti·tuie·ren zu können. Saras·vati be·sitzt durch ihre Ver·bin·dung zum Wasser und den Drachen aller·dings grö·ßere Macht. Im Reigen der Glücks·götter wurde also Kichichō-ten, die an·fäng·liche Be·glei·te·rin Bisha·mons, mehr und mehr durch die viel·seiti·gere und mäch·ti·gere Benzai·ten ersetzt. <br />
<br />
Die Assozi·ierung von Bishamon und Daikoku scheint hin·ge·gen eine spe·zi·fisch ja·pani·sche Ent·wick·lung, genauer eine Erfindung des {{glossar:Tendaishuu|Tendai}}-Bud·dhis·mus zu sein. <br />
Aus dem ''Keiran juyōshū'' (14. Jh.), einem mittel·alter·lichen Tendai-Text, geht hervor, dass man damals die Züge von Daikoku und Bisha·mon-ten ganz be·wusst mit einander ver·schmolz. Es gab sogar eine Figur namens Tamon-Daikoku (also eine Kombi·nation aus Bishamon/ Tamon und Daikoku). Das ''Keiran juyōshū'' schreibt dazu: „Der Daikoku der Berg-Linie [= Berg {{glossar:Hieizan|Hiei}}] ist Tamon Daikoku. Deshalb haben seine Merk·male die gleiche Form wie die des Bishamon.“<ref>Nach Iyanaga 2002, S. 376.</ref> <br />
<br />
Die Nahe·bezie·hung Daikoku-Bishamon ist in einer um·fang·rei·chen Studie zu Daikoku von Iyanaga Nobumi aus·führ·lich ana·lysiert worden. Daraus lässt sich grob fol·gende Ent·wick·lung nach·zeich·nen: Bishamon-ten ent·stammt einem indi·schen Kontext, in dem bereits Gott·heiten des Reich·tums und des mili·täri·schen Schutzes mit ein·ander ver·schmol·zen wurden. Im ost·asia·tischen Kontext traten hin·gegen die mili·tä·ri·schen Aspekte deut·licher hervor. Der Reich·tums·aspekt wurde aber nie ganz ver·gessen und in Japan schließ·lich auf Daikoku weiter·ver·erbt. Merk·male, die zu·nächst mit Vaishra·vana (Bishamon) asso·ziiert worden waren, tauchten nun an Daikoku wieder auf. Dazu zählt unter anderem die zwer·gen·hafte, wohl·be·leibte Gestalt des Jambhala.<ref> Wie auf der [[Ikonographie/Gluecksgoetter/Daikoku|Daikoku]] Seite be·schrie·ben, war auch die eso·te·rische Figur des {{skt:Mahakala}} prägend für Daikoku. Jambhala und Mahakala teilen aber ihrer·seits zahl·reiche ikono·gra·phi·sche Gemein·sam·keiten.</ref> Aber auch und vor allem die ominöse Maus, die eigentlich ein Mungo ist, wech·selte von Bishamon zu Daikoku.<br />
<br />
===Die Gruppendynamik unter den Glüksgöttern=== <br />
<br />
{{floatleft|top=-10<br />
| daikoku bishamon.jpg<br />
| Daikoku parodiert Bishamon<br />
|ref=1<br />
}}<br />
Die Deva-Gott·heiten Daikoku-ten, Ben·zai-ten und Bisha·mon-ten er·hiel·ten ihre glück·ver·hei·ßen·den Züge, wie oben skiz·ziert, zu·nächst im Rah·men des eso·te·ri·schen Bud·dhis·mus, also im Tendai und Shin·gon Bud·dhis·mus. Zu ihnen ge·sellte man schließ·lich {{glossar:Ebisu}}, der in einem ande·ren Kon·text eng mit Daikoku ver·bun·den ist. Schließ·lich kamen noch drei Götter dazu, die stär·kere Bezüge zum Daois·mus bzw. zu ande·ren eher chine·sisch kon·no·tierten Tradi·tionen haben: die beiden Alten — {{glossar:Fukurokuju}} und {{glossar:Juroujin}} — und der be·son·dere Held des Zen, {{glossar:Hotei}}, der aber cha·rak·ter·lich auch gut zu Daikoku passt.<br />
<br />
Bishamon gehört in diesem Ensemble zwei·fellos eher zu den Rand·figuren. Für sich allein gestellt wird er als Schutz- aber nicht als Glücks·gott verehrt. Er über·nimmt in den vielen liebe·voll-sati·ri·schen Dar·stel·lungen der Glücks·götter aus der Edo-Zeit auch nie die Füh·rungs·rolle, wenn es um ir·gend einen Scha·ber·nack geht, den die Gruppe ausheckt.<br />
{{w500|w= 550|left=-25|top=-25|rahmen_h=245<br />
|Fukujin1777.jpg<br />
|Bishamon-ten, Fukurokuju und Daikoku<br />
|ref=1<br />
}}<br />
Auch auf der Abbildung oben aus der späteren Edo Zeit sieht man {{glossar:Fukurokuju}} und Daikoku mit einem „chine·sischen Knaben“ (''karako'', ein häufiger Begleiter der Glücks·götter) scherzen, während Bishamon eher gries·grämig abseits sitzt. <br />
<br />
Letztlich spielt Bishamon-ten unter den Glücks·göttern also nicht vielmehr als die Rolle eines Body·guards, der ohne die Personen, die er beschützen soll, nicht viel wert ist. Wahr·schein·lich hängt dies damit zu·sam·men, dass die Gruppe der Glücks·götter insgesamt doch stärker von Daikoku und Ebisu geprägt sind, die der städ·tischen Kauf·manns·kultur, in der die Glücks·götter erblühten, näher standen, als der mar·tialische Reichtums·gott Bishamon. Aber auch von einem all·gemei·neren Stand·punkt aus betrachtet sind wehr·hafte männ·liche Gestal·ten im japa·nischen Pan·theon grund·sätz·lich auf die Rolle von Leib·wäch·tern oder Sol·daten redu·ziert. Für eine Karriere als {{g|kami}} ist Viri·lität auf lange Zeit gesehen keine besonders för·der·liche Eigen·schaft.<br />
<br />
{{Verweise<br />
|links_ue=Literatur und Links<br />
|update= Februar 2012<br />
|links=<br />
{{Literatur:Iyanaga 2002}}<br />
{{Literatur:Yiengpruksawan 1998}}<br />
*[http://www.onmarkproductions.com/html/bishamonten.shtml Bishamonten], Mark Schumacher (''A-Z Photo Dictionary'')<br />
*[http://www.aisf.or.jp/~jaanus/deta/b/bishamonten.htm Bishamonten], JAANUS (Japanese Architecture and Art Net Users System) <br />
*[http://www.univie.ac.at/rel_jap/kami/Bishamon-ten Bishamon-ten], ''Kamigraphie'' (Universität Wien)<br />
}}<br />
{{thisWay}}</div>
Nicole Janker
https://religion-in-japan.univie.ac.at/r/index.php?title=Essays/Bishamon-ten&diff=59860
Essays/Bishamon-ten
2015-09-23T18:53:01Z
<p>Nicole Janker: /* Bishamon-tens Gefolge */</p>
<hr />
<div>{{styles}}<br />
{{titel|Bishamon-ten, Wächter und Glücksgott}}<br />
{{w500|rahmen_h=330|w=600|left=-20|top=-15<br />
|Tamon todaiji detail.jpg <br />
|Bishamon-ten als Beschützer des Buddhismus<br />
|ref=1<br />
}}<br />
{{fl|B}}{{glossar:Bishamonten|ishamon-ten}} ist im heutigen Japan in erster Linie als eine Art Samurai unter den Sieben Glücksgötter ({{g|shichifukujin}}) präsent.<ref> <br />
Dieser Artikel beruht zum Teil auf den Recherchen von Sarah-Allegra Schönberger für die Material·sammlung [http://www.univie.ac.at/rel_jap/kami/Bishamon-ten Kamigraphie], 2012. Herzlichen Dank! <br />
</ref> <br />
Er ent·stammt jedoch dem Bud·dhis·mus, genauer der Kate·gorie der {{skt:Deva}}-Gott·heiten ({{glossar:tenbu}}), die eigent·lich auf indi·sche (meist vedische) Götter zurück·gehen und als Wächter·gott·heiten ins bud·dhis·tische Pan·theon inte·griert wurden. Unter diesen bud·dhis·tischen Devas ist Bisha·mon-ten einer der ersten, die Japan er·reichten, nämlich bereits im sechs·ten Jahr·hun·dert. Im Laufe seiner Ent·wick·lung über·nahm er unter·schied·liche Funk·tionen, vor allem die eines Kriegs- bzw. mili·täri·schen Schutz·gottes, aber auch die Funktion einer Gott·heit des Reich·tums. Umso er·staun·licher ist es, dass seine ikono·gra·phische Grund·form dabei weit·gehend unver·ändert blieb: Eine sehr mas·kuline Er·schei·nung in einer impo·nie·ren·den Rüs·tung, in einer Hand eine Waffe, in der anderen (fast immer) eine Pagode. Diese Pagode re·präsen·tiert die Lehre des Buddha, was auf seine ur·sprüng·liche Funktion ver·weist: den Bud·dhis·mus wehrhaft zu ver·teidi·gen.<br />
<br />
Im Gegen·satz zu anderen Glücks·göttern, etwa {{glossar:Daikoku}} oder {{glossar:Benzaiten}}, lassen sich bei Bishamon keine As·sozia·tionen mit lokalen japa·nischen Gott·heiten aus·machen. Was diese Figur aber interes·sant und viel·schich·tig macht, sind die unter·schied·lichen Legen·den, die Bishamon-ten sozu·sagen im Gepäck aus Asien mit·ge·bracht hat. Diese er·klären auch, warum Bishamon nicht nur als kriege·rischer Wächter, sondern auch als Gott des Reich·tums ver·ehrt wurde. Der Reich·tums·aspekt war es wohl auch, warum Bishamon-ten aus seiner kano·nischen bud·dhisti·schen Form heraus·gelöst und in das syn·kretis·tische Ensemble der Glücks·götter inte·griert wurde. <br />
<br />
==Phase 1: Bishamon als Hüter des Nordens==<br />
<br />
{{sidebox|w=160|left=-10 |rahmen_h= 377<br />
|tamonten horyuji.jpg<br />
|Bishamon-ten, 7. Jh.<br />
|ref=1<br />
}}<br />
Bishamon ist zunächst in mehreren Forma·tionen von Richtungs·gott·heiten vertreten, vor allem als einer der Vier Himmels·könige ({{glossar:shitennou}}) und einer der Zwölf Gött·lichen Generäle ({{glossar:juunishinshou}}). Beide Forma·tionen bestehen aus krie·ge·rischen Figuren und sind analog zu den vier Himmels·rich·tungen bzw. den Zwölf Himmels·stämmen ({{glossar:juunishi}}) organi·siert (siehe [[Ikonographie/Waechtergoetter|Wächter·götter]]). Bishamon-ten steht jeweils für den Norden und reprä·sen·tiert so etwas wie den Gruppen·führer, aller·dings nicht in einer klar von den ande·ren abge·setzten Position. Seine pri·vile·gierte Stel·lung resul·tiert ledig·lich daraus, dass der Norden gemäß tra·ditio·nellen chinesi·schen Vor·stel·lungen der Ort des Kaiser·palas·tes war. Auch [[Bauten/Tempel|bud·dhis·tische Tempel]] sind zu·meist so aus·ge·richtet, dass der Haupt·ein·gang im Süden liegt, während sich die Haupt·halle im nörd·lichen Teil der Anlage befindet. Der Norden ist also sowohl im welt·lichen als auch im geist·li·chen Bereich der Sitz der Auto·rität. Insofern ist der Wächter des Nordens von größerer Bedeu·tung und höhe·rem Rang als alle anderen Wächter.<ref>Die Zuge·hörigkeit Bishamon-tens zum Norden wird auch oft durch seine Haut·farbe, schwarz oder blau·schwarz, unter·strichen. Diese Symbolik ist nicht-bud·dhis·tischer Her·kunft und daher offen·bar in China ent·standen.</ref><br />
===Staatsschutz===<br />
Die Vier Himmels·könige spielten vor allem in der Frühzeit des japa·nischen Buddhis·mus eine wichtige Rolle. Damals versprach sich der japa·nische Staat kon·krete mili·tärische und poli·tische Vor·teile aus der Ver·ehrung des Bud·dhis·mus, wie dies in einigen bud·dhis·tischen Sutren, vor allem dem Gold·glanz Sutra (jap. {{glossar:Konkoumyoukyou}}) auch ganz explizit ver·sprochen wird.<ref><br />
Das Gold·glanz Sutra (skt. ''Suvarṇa·prabhāsa·sottama sūtra'') wurde bereits 414–421 ins Chine·si·sche über·setzt. In diesem Text treten die Him·mels·könige persön·lich auf und erklä·ren in einem Dialog mit dem Buddha, wie sie Könige, die eben dieses Sutra hoch·halten, beschüt·zen und andere, die dem Sutra im spe·ziellen und dem Bud·dhis·mus im allge·meinen abhold sind, bestra·fen werden. In Japan wurde das Gold·glanz Sutra zusammen mit dem Lotus Sutra ({{glossar:Hokekyou}}) und dem Sutra für Barm·herzige Könige (''Ninnō-kyō'') zu den soge·nann·ten Drei Staats·schutz-Sutren gezählt. <br />
</ref><br />
Die erste offizielle Chronik Japans, das {{glossar:Nihonshoki}}, berichtet dazu Folgendes: <br />
{{zitat|text=<br />
Nachdem der Buddhis·mus im 6. Jh. bei Hof bekannt geworden ist, formiert sich eine Partei für und eine gegen den Buddhis·mus. 587 kommt es zu einer Schlacht zwischen dem Lager der {{glossar:Mononobe}}, die den Bud·dhismus ablehnen, und dem Lager der {{glossar:Soganouji|Soga}}, die ihn fördern. Obwohl noch ein Knabe von drei·zehn Jahren, zieht auch der Kaiser·sohn {{glossar:Shoutokutaishi}} (574–622) in diese Schlacht, und zwar auf Seiten der Soga. Zuvor schnitzt er vier Miniatur·sta·tuen der Himmels·könige, steckt sie in sein Haar und schwört, dass er den Himmels·köni·gen einen Tempel und eine Pagode stiften werde, wenn die Feinde des Bud·dhis·mus in dieser Schlacht besiegt werden sollten. Dank der Unterstützung der Himmels·könige trägt die Partei der Soga den Sieg davon. Einige Jahre später lässt Shōtoku Taishi, mittler·weile zum kaiser·lichen Regenten avanciert, tat·säch·lich einen Tempel für die Vier Himmels·könige errichten.<ref>Dieser {{glossar:Shitennouji}} befindet sich im heu·tigen Osaka und gilt als ältes·ter staat·lich gegrün·deter Tempel Japans.</ref> <br />
|quelle=Zusammengefasst nach ''Nihon shoki'', Kap. Sujun Tennō (Aston, Teil 2, S. 113–115)<br />
}}<br />
Der ent·schei·dende Durch·bruch des frühen japa·nischen Bud·dhis·mus erfolgte also laut ''Nihon shoki'' auf mili·täri·schem Wege und war nur dank des Eingreifens der Vier Him·mels·köni·ge möglich.<br />
<br />
{{w502|rahmen_h1=325|rahmen_h2=325<br />
|w2=300|left2=-25|top2=-10<br />
|Tamonten todaiji.jpg<br />
|Tamonten_nara.jpg<br />
|Tamon-ten im Tōdaiji (Edo-Zeit)<br />
|Tamon-ten im Tōdaiji (Nara-Zeit)<br />
|ref=1<br />
}}<br />
Noch in der {{glossar:Nara}}-Zeit stellten die Himmels·könige eine zentrale Instanz dar, als es darum ging, Bud·dhis·mus und staat·liche Verwal·tung Hand in Hand im ganzen Land zu insti·tutio·na·lisieren. Zu diesem Zweck schuf {{glossar:shoumutennou}} in der ersten Hälfte des achten Jahr·hun·derts das Netz·werk der soge·nann·ten Provinzial·tempel ({{glossar:kokubunji}}), die offi·ziell fol·gende Bezeich·nung trugen: „Tempel für den Schutz des Staates durch die Vier Himmels·könige des Gold·glanz [Sutra]s“.<ref>''Konkōmyō shitennō gokoku no tera'' 金光明四天王護国之寺. Provinzial·tempel für Nonnen hießen im übrigen ''hokke metsuzai no tera'' 法華滅罪之寺 (Tempel des Lotos [Sutras], das das Böse besiegt)</ref> Daher tauchen die Vier Himmels·wächter auch in der Halle des Großen Buddha im {{glossar:Toudaiji}} von Nara auf. Dieser Tempel war schließ·lich das Zentrum des Provin·zial·tempel·systems. Aller·dings sind heute dort nur noch zwei der ur·sprüng·lichen Himmels·könige zu sehen, nämlich {{glossar:Tamonten}} (= Bishamon-ten) und {{g|Koumokuten}}. Der Größe des {{glossar:Daibutsu}} ent·spre·chend sind aber auch sie von enormen Aus·maßen. Ähnlich wie im Tōdaiji sind die Himmels·könige in vielen anderen Tempeln als Wächter des Haupt·heilig·tums im Einsatz, aller·dings werden sie mehr und mehr auf diese unter·geord·nete Funktion reduziert. Als Gruppe erlebten die Vier Himmels·könige also einen Abstieg, der mit der all·mählichen Entwicklung des japa·nischen Buddhis·mus von einer Herr·schafts·ideo·logie zu einer Volks·religion einher·ging.<br />
<br />
==Phase 2: Tobatsu Bishamon==<br />
<br />
Zur Zeit der oben geschil·derten Ereig·nisse genoss {{skt:Vaishravana}} (Bishamon) entlang der Seiden·straße, also auf der Japan ent·gegen·ge·setzten Seite der chinesisch-buddhis·tischen Einfluss·sphäre, eine wo·möglich noch größere Ver·ehrung als die japani·schen Shi-Tennō. In Khotan, einer Oase an der süd·lichen Route der Seiden·straße, betrach·teten sich die Könige als seine direk·ten Nach·kommen. Sie begrün·deten dies damit, dass Vaishra·vana einst einem alten, kinder·losen König Khotans zu einem Sohn verhalf, indem er, Vaishra·vana, einen Knaben aus seinem eigenen Kopf gebar und ihn dem König über·ant·wortete. Das Kind wurde in der Folge von einer Erd·göttin gesäugt.<ref>Wladimir Zwalf 1985, [http://www.britishmuseum.org/research/search_the_collection_database/search_object_details.aspx?objectid=6818&partid=1 British Museum] (Zugriff: 2012/2/22)</ref> Die Motive dieser Legende fanden Eingang in die Vaishra·vana Ikono·graphie Khotans und ver·brei·te·ten sich von hier aus weiter.<br />
{{w502|rahmen_h1=355|rahmen_h2=355<br />
| Vaishravana_947.jpg<br />
| Khotan_king.jpg<br />
| caption = Vaishravana Kult entlang der Seidenstraße <br />
|ref=1<br />
}}<br />
In weiterer Folge entstand in China eine semi-historische Legende um Vaishra·vana, deren Eck·punkte fol·gender·maßen lauten: <br />
{{Zitat|text=<br />
Im Jahr 742 wird die Gar·nisons·stadt Anxi, der Knoten·punkt von nörd·licher und süd·licher Seiden·straße im Nord·westen Chinas, von „Barbaren“ ange·griffen und gerät in arge Be·dräng·nis. Die Kunde davon dringt bis in die chine·sische Haupt·stadt, wo der Kaiser den emi·nenten Mönch {{skt:Amoghavajra}} (705–774) anweist, etwas für die Sicher·heit des Landes zu tun. Amogha·vajra, der seiner·seits zentral·asia·tische Wurzeln hat, betet darauf·hin zu Vaishra·vana (Bishamon). Dieser erhört die Bitten und verur·sacht ein Erd·beben in Anxi. Auch sendet er gold·far·bene Mäuse aus, die die Bogen·sehnen der Feinde zernag·en (mehr zu diesen Mäusen s.u.). Schließ·lich erscheint Vaishra·vana höchst·per·sönlich auf dem riesi·gen Nordtor der Burg. Da ergrei·fen die Feinde die Flucht und Anxi ist ge·rettet.<ref>Die Legende ist vor allem aus der Bio·graphie Amogha·vajras (chin. Bukong 不空) in den Song-zeitlichen „Chroniken Großer Mönche“ (''Song gao seng zhuan'' 宋高僧伝, 988) bekannt.</ref> <br />
}}<br />
Die Le·gende machte der·artigen Eindruck, dass der Kaiser daraufhin in allen Garni·sonen Statuen dieser Gottheit, die als {{glossar:Tobatsubishamonten}} (Bishamon aus Turfan)<ref> Tobatsu bezeich·net das zentral·asia·tische Reich Turfan an der nörd·lichen Seiden·straße, oder aber Tibet. Im vor·liegen·den Kontext kann man aber davon aus·gehen, dass der Begriff stell·ver·tre·tend für Zentral·asien bzw. für die Reiche im Westen Chinas ge·braucht wird.</ref> bezeichnet wurden, aufstellen ließ. Rund um Anxi entfal·tete sich ein beson·derer Kult des Bishamon, der u.a. in den nahe gelegenen Tausend Buddha Höhlen von Dun·huang seinen Nieder·schlag fand.<ref><br />
Dun·huang in der heutigen chinesischen Provinz Gansu war sowohl ein Handels- als auch ein bud·dhis·tisches Pilger·zentrum an der Seiden·straße, dessen Blüte in die Tang-Zeit (7.–9.Jh.) fällt. Berühmt sind die Tausend Buddha Höhlen, die erst im 20. Jahr·hun·dert von Archäo·logen neu er·schlos·sen wurden und zahl·reiche bislang unbe·kannte buddhis·tische Texte und Kunst·gegen·stände zu Tage brachten.<br />
</ref><br />
<br />
In Japan, wo Bishamon-ten zu diesem Zeitpunkt ja bereits bekannt war, scheint man den Kult des Tobatsu Bishamon bereits fünfzig Jahre nach der wunder·samen Errettung von Anxi auf·ge·griffen zu haben. Getreu dem chine·sischen Vorbild, stellte man seine Statue im südlichen Haupt·tor der 795 gegrün·deten Haupt·stadt {{glossar:Heian|Heian-kyō}} auf. Während dieses Tor, das Rajōmon, nicht allzu lange über·dauerte, wurde die in China herge·stellte Statue stil·prägend für weitere Statuen des Tobatsu Bishamon-ten. Sie ist heute im Besitz des unweit des Rajōmon gelegenen {{glossar:Touji}}, eines der wich·tigs·ten {{glossar:Shingonshuu|Shingon}} Tempel.<ref> S. [http://www.aisf.or.jp/~jaanus/deta/b/bishamonten.htm Bishamonten] (JAANUS). Die beson·dere Verbin·dung von Tobatsu Bishamon und Shingon könnte auch daher rühren, dass sich Shingon auf die Tradition eben jenes Amogha·vajra, der den Tobatsu Kult initi·ierte, zurück·führt. {{glossar:Kuukai}}, der Gründer·vater des Shingon, war ein Enkel·schüler Amaghovajras.</ref> In den Bergen im Norden der Stadt errich·tete man außer·dem einen Tempel, den {{g|Kuramadera}}, der als nördlicher spiri·tueller Wächter fungierte. Er sollte zunächst {{glossar:Kannon}} geweiht werden, nahm aber schließlich Bisha·mon-ten als Haupt·heilig·tum an.<ref><br />
So jedenfalls ein Bericht aus dem ''Fusō ryakki'' (nach 1094), das die Gründung des frag·lichen Tempel, des Kurama-dera, im späten 8. Jh. ansetzt. Der Kurama-dera ent·wickelte sich später zu einem Zentrum der {{glossar:yamabushi}} und des {{glossar:tengu}}-Glaubens. Die Gleich·setzung von Kannon und Bishamon-ten findet sich auch im Lotos Sutra.<br />
</ref><br />
Bishamon-ten schützte somit die Haupt·stadt sowohl im Norden als auch im Süden. <br />
<br />
Die meisten frühen Statuen des Tobatsu Bishamon-ten finden sich jedoch im Nord·osten Japans, wo zu dieser Zeit noch heftige Kämpfe mit den Emishi, Japans „nörd·lichen Barbaren“ tobten.<ref>Yiengpruksawan 1998, S. 42</ref> Man kann also davon ausgehen, das sich die militä·rischen Aspekte der Vier Himmels·könige in Tobatsu noch ver·stärk·ten und er zu einer Art Kriegs·gott der Heian-Zeit wurde. <br />
{{w502|w1=245|rahmen_h1=470|rahmen_h2=470<br />
|Tobatsu_bishamonten.jpg<br />
|Tobatsu dazaifu.jpg<br />
|Japans ältester Tobatsu Bishamon<br />
|Tobatsu Bishamon, 10. Jh.<br />
|ref=1<br />
}}<br />
Auf den meisten japa·nischen Dar·stellungen unter·scheidet sich Tobatsu kaum von Bishamon, wie er schon zuvor im Ensemble der Vier Himmels·könige auftritt. Als Unter·schei·dungs·merkmal gelten allerdings die Figuren, auf denen er gewohn·heits·mäßig steht. Wäh·rend Bishamon-Statuen der Phase 1 zumeist auf einem einzelnen, zusam·men·gekauer·ten Dämon ({{glossar:jaki}}) posieren, steht Tobatsu ent·weder auf den ausge·brei·teten Händen einer weib·lichen Figur oder auf zwei Dämonen, in deren Mitte eine weib·liche Figur zu sehen ist. Diese weibliche Figur ist {{glossar:Jiten}} (skt. Prthivi), die Erd·göttin. Sie findet sich in der unter·stüt·zen·den Haltung bereits in den Vaishra·vana/Bishamon Dar·stel·lungen der Könige von Khotan. Während das Trampeln auf Dämonen als Geste des Triumphs gedeutet werden kann, besteht zwischen der Erd·göttin und Bishamon ganz offen·sicht·lich ein Ein·ver·neh·men, das man an der geord·neten, sym·me·trischen Haltung, mit der sie ihm stützt, ablesen kann. Die chi·nesi·sche Skulptur des Tobatsu trägt außer·dem eine charak·teris·tische, eng·tail·lierte Rüstung und eine Krone statt des üblichen Helms. Diese Details werden aber in Japan bald wieder fallen gelassen. <br />
<br />
===Bishamon-tens Gefolge===<br />
<br />
Zahlreiche weitere Aspekte, die sich mit Bishamon als Einzel·figur verbinden, lassen sich exem·pla·risch an einem Rollbild aus der {{g|Kamakura}}-Zeit (um 1200) identi·fzieren, das heute im Museum of Fine Arts in Boston hängt. Hier werden die ver·schie·denen Einzel·aspekte Bishamon-tens frei mit einander in Bezie·hung gebracht:<br />
<br />
{{w500|rahmen_h=650|top=-100<br />
|bishamon_kamakura.jpg<br />
|Bishamon-ten und Gefolge<br />
|ref=1<br />
}}<br />
Das Bild zeigt Bishamon-ten mit einem bunten Gefolge aus unter·wor·fenen Dämonen und edlen Gestal·ten. Bishamon selbst steht auf zwei Dämonen<ref>Niranba und Biranba. Sie treten bereits im ''Lotos Sutra'' neben Bishamon als Beschützer der Gläubigen auf.</ref>, die weib·liche Figur davor ist die Erd·göttin Jiten. Dies deutet nach dem, was wir bisher bespro·chen haben, auf Tobatsu Bishamon hin. Er trägt die typi·sche Rüstung, die mit den Fratzen mythi·scher Bestien verziert ist, vor allem eine Art Löwen·kopf als Gürtel·schnalle. In der rechten Hand hält er einen Stab, in der linken sein wich·tigs·tes Attribut, die Pagode. Aus seinen Schultern schlagen hohe rote Flam·men·säulen. <br />
{{sidebox|rahmen_h=200|w=140<br />
|Jinjataisho.jpg<br />
|Bishamon als „Wüstengeneral“<br />
|ref=1<br />
}}<br />
Rechts von Bishamon ist eine Gruppe von vier Dämonen zu erkennen, die als Waffen·träger fungieren: einer trägt Bishamons charak·teris·ti·schen Dreizack, einer Pfeil und Bogen, einer einen weiteren Stab und einer ein Schwert. Rechts vor den Waffen·trä·gern steht eine rote, dämo·nische Figur mit „Leder·hosen“ in Form von Ele·fanten·köpfen. Diese Figur heißt {{glossar:Jinjataishou}}, wtl. der Wüsten·general. Es handelt sich um eine Erschei·nungs·form des Bishamon. Der Legende nach soll Bishamon in dieser Gestalt dem berühm·ten Pilger·mönch {{glossar:Xuanzang}} in einer zentral·asia·ti·schen Wüste den Weg zur nächs·ten Oase gewiesen und ihn so vor dem Ver·dursten gerettet haben.<ref> Rosenfield 2010, S. 181–183; s.a. Mark Schumacher, „Bishamonten“. </ref> Die histo·rische Faktizi·tät dieser Legende mag zweifel·haft sein, doch ver·deut·licht sie ein weite·res Mal den zentral·asia·tischen Einfluss auf die Bishamon Ikono·graphie. Neben dem Wüsten·general ist auf dem obigen Bild eine jugend·liche Figur mit Elefan·ten·mütze zu sehen, die ich noch nicht identi·fizieren konnte. Auf der anderen Seite Bishamons ist im Hinter·grund eine weitere seltsame Erschei·nung zu sehen. Sie besitzt zahl·reiche Attribute eso·terisch-zorn·voller Gott·heiten ({{skt:krodha}}) nämlich zu Berge stehen·des Haar, Raub·tier·zähne, Kette aus Toten·schädel, vier Hände, in zwei davon mensch·liche Leichen, etc. Wäh·rend derartige Figuren in der spä·teren eso·teri·schen Ikono·graphie rang·mäßig über Wächtern wie Bishamon stehen, ist diese Figur im vor·lie·gen·den Kontext ganz offen·sicht·lich von unter·geord·neter Stel·lung. <br />
<br />
Links von Bishamon fallen drei vor·nehme Figuren ins Auge. Es handelt sich um die Gefährtin des Bishamon, {{glossar:Kichijouten}}, die vor allem im frühen japa·nischen Bud·dhis·mus als eine Art Glücks·gott·heit galt, später aber etwas in Ver·ges·sen·heit geriet. Sie hält ein Wunsch·er·fül·lungs-Juwel in Händen. Neben ihr zwei Knaben, wahr·schein·lich Söhne des Bishamon, einer mit einem Teller mit Blüten(?), einer mit einem Beutel. <br />
{{w502<br />
|top1=-70<br />
|rahmen_h1= 350|rahmen_h2= 350<br />
|w2=250|left2=-5<br />
|Bishamon familie.jpg<br />
|vaishravana_dunhuang.jpg<br />
|Bishamon mit Familie<br />
|Vaishravana und Gefolge (chin. Darstellung)<br />
|ref=1<br />
}}<br />
{{w500| rahmen_h= 250 | top = -25<br />
|Bishamon_hekija.jpg <br />
|Bishamon bekämpft Krankheiten<br />
|ref=1<br />
}}<br />
Viele Einzel·heiten des Kamakura-zeitlichen Roll·bilds finden sich auch in chine·sischen Darstel·lungen aus Dun·huang wieder, zum Bei·spiel auf der Abbil·dung oben rechts, die Vaishra·vana (Bishamon) bei einer Art Inspek·tions·tour durch sein Reich darstellt. Abge·sehen von den Flam·men·säulen an Bishamons Schultern be·geg·nen wir auch hier seinen Fami·lien·mit·glie·dern, allerdings mit ver·tausch·ten Attri·buten in den Händen. Ein interes·santes Detail des chine·sischen Bei·spiels ist die ''tengu''-artige Figur in der oberen rechten Ecke des Bilds, offen·sicht·lich ein böser Dämon. Ein Bogen·schütze im Gefolge des Bishamon spannt gerade seine Waffe, als ob er diesen Dämon abschießen wollte. <br />
Ein ver·wand·tes Motiv findet sich wiederum in einer berühm·ten, wenn auch etwas untypi·schen Bishamon-Darstel·lung aus Japan, einem „Bild der Bekämp·fung von Übeln“ (''hekija-e'') aus dem späten 12. Jh. Hier sieht man Bishamon selbst, wie er mit Pfeil und Bogen geflü·gelte Dämo·nen ab·schießt. Dem Kontext ist zu entneh·men, dass diese Krank·heiten per·soni·fizieren. Bishamon-ten wurde also in dieser Zeit auch ein Schutz·herr gegen Krank·heiten ange·sehen, die im japa·ni·schen Alter·tum generell ein großes Problem dar·stell·ten, für das nicht viel mehr als reli·giöse Mittel zur Hand waren. <br />
<br />
Obwohl die Figur des Tobatsu Bishamon-ten zunächst mindestens ebenso martia·lisch auftrat wie die Gruppe der Vier Him·mels·könige, scheint diese ikono·gra·phische Form der Aus·löser dafür zu sein, dass sich Bishamon in Ostasien aus seinen mili·täri·schen Forma·tionen löste und als ein·zelne Gestalt verehrt wurde. Dadurch scheint sich das Spek·trum seiner Funktio·nen ver·größert zu haben und war nicht mehr allein auf bloßen (mili·täri·schen) Schutz beschränkt. Die fried·lichen Figu·ren in Bishamons Gefolge deuten auf mate·riellen Reich·tum hin. Dieser Aspekt ist, wie wir noch sehen werden, bereits in Vaishra·vanas indi·schem Erbe angelegt, hat sich in Japan aber erst zu einem spä·teren Zeit·punkt Ausdruck ver·schafft.<br />
<br />
===Tohachi Bishamon===<br />
{{w502|top2=-10<br />
|rahmen_h1= 340|rahmen_h2= 340<br />
|Tohachi hokusai.jpg<br />
|Tohachi hanabusa.jpg<br />
|caption = Bishamon mit vier Köpfen und acht Schwertern<br />
|ref=1<br />
}}<br />
Im späten Mittel·altern kommt es zu einer neuen ikono·graphi·schen Form des Tobatsu Bishamon-ten, die auf einem Wortspiel beruht. Man las den Ausdruck ''tobatsu'' als ''tōhachi'' und unter·legte diese Aus·sprache mit neuen Schrift·zeichen in der Bedeutung „acht Schwerter“. In der Tat hält dieser Bishamon acht Schwerter in seinen zwölf Händen. Außerdem hat er vier Gesichter und reitet auf einem Löwen. Letz·terer dürfte von neuen Bishamon-Motiven auf dem Festland beein·flusst sein. Diese Darstel·lung hebt die martia·lischen Züge Bisha·mons ein wei·teres Mal deut·lich hervor und scheint sich unter den War·lords der {{glossar:sengokujidai|''sengoku''}}-Zeit einer gewis·sen Beliebt·heit erfreut haben.<ref>Der Daimyō Uesugi Kenshin trug etwa die Schrift·zeichen dieser Bishamon-Manifestation auf seinen Kriegs·bannern. Auch Takeda Shingen führte in der Schlacht einen Schrein mit einem zehn·armigen Tōhachi Bishamon-ten mit. ([http://www16.plala.or.jp/enkoin/bishamon.html Enkō-in] [2012/3/2])</ref> Aber noch in der späten Edo-Zeit sind Tōhachi Darstel·lungen zu finden. Die genauen Umstände der Ent·stehung und Verbrei·tung dieses speziellen Kultes sind mir allerdings nicht bekannt. <br />
<br />
{{h2+3|Phase 3: Bishamon-ten als Glücksgott}}<br />
<br />
===Exkurs: Vaishravana, Kubera und Jambhala ===<br />
<br />
Bishamon leitet sich wie erwähnt von {{skt:Vaishravana}} (wtl. „Sohn des Gerühmten“) ab, eines indi·schen Gottes, dessen eigent·licher Namen Kubera lautet. Die klassi·schen indi·schen Epen ''Maha·barata'' und ''Rama·yana'' berichten, dass Vaishra·vana oder Kubera von der über·geord·neten Gottheit Brahma explizit zum Herren der Reich·tümer und Schätze erho·ben wurde, und bezeich·nen ihn auch als Schatz·meister der Götter oder als Spender von Reich·tümern. Er hat eine goldene Haut und wohnt in gol·denen Städten. Zugleich gebietet er über ver·schie·dene dämo·nische Völker, allen voran die {{skt:Yaksha}}s bzw. {{skt:rakshasa}}s, beides eher kriege·rische, wilde Gestalten, die oft gemein·sam in einem Atem·zug genannt werden. Mög·licher·weise zählte auch das Horten und Hüten von Schätzen zu ihren ur·sprüng·lichen Kom·peten·zen, sodass sich Vaishra·vanas Reich·tums·aspekt auch aus seiner Ver·bin·dung zu diesen Dämonen ent·wickelt haben könnte. <br />
<br />
Oft wird Vaishravana in Verbin·dung mit drei wei·teren Gott·heiten genannt, die jeweils einen Bereich der Welt beherr·schen: {{skt:Yama}} die Unter·welt, {{skt:Indra}} den Himmel, Varuna das Meer und schließlich Vaishra·vana die be·wohnte Welt. Erst nach und nach werden diese vier Gott·heiten den Himmels·rich·tungen zuge·ordnet, wobei sich Vaishra·vana als Hüter des Nor·dens heraus·kristal·lisiert. Dies hängt mög·licher·weise mit der Asso·ziation „Reich·tum — Gold — Metall — Bergbau — Hima·laya“ zusam·men: das Gold kam in Indien aus dem Norden. <br />
<br />
Erst in zweiter Linie wird Vaishra·vana auch als mili·täri·sche Figur gezeich·net, wobei wiede·rum der kriege·rische Charak·ter der Yaksha-Dämonen eine Rolle gespielt haben könnte. Doch nur im Buddhis·mus bzw. in den ost·asiati·schen Aus·prägun·gen Vaishra·vanas scheint dieser Aspekt die Ober·hand zu gewinnen. <br />
{{w502<br />
|Jambhala.jpg<br />
|Vaishravana.jpg<br />
|Jambhala<br />
|Vaishravana<br />
|caption= Indische Götter des Reichtums mit Mungo<br />
|ref=1<br />
}}<br />
{{sidebox<br />
|mungo.jpg<br />
|Juwelen speiender Mungo (Tibet)<br />
|ref=1<br />
}}<br />
Eine mit Vaishravana eng ver·wandte oder wesens·gleiche Gottheit ist {{skt:Jambhala}}. Bei ihm fehlt aller·dings jeglicher mili·tärischer Aspekt, er ist allein für den Reich·tum zuständig. Ähnlich wie die japani·schen Glücks·götter ist er eher wohl·beleibt und zeigt seinen Bauch, Kenn·zeichen des Wohlstands, deutlich her. Es gibt dennoch zahl·reiche ikono·graphi·sche Gemein·sam·keiten zwischen Jambhala und Vaishra·vana/ Kubera, die sich z.B. auf tibe·tischen Thangkas gut erken·nen lassen. Das er·staun·lichste Attribut, das alle drei Figuren aus·zeichnet, ist ein ratten·ähn·liches Tier, das der jewei·lige Reich·tums·gott meist unter den Arm geklemmt mit sich führt. Bei genauer Betrach·tung erkennt man, dass dieses Tier bunte Kugeln ausspeit. Dies leitet sich auf eine indische volks·reli·giöse Vor·stel·lung zurück, nach der man einen Mungo dazu bringen kann, Edel·steine auszu·spucken, wenn man seinen Bauch drückt. Das Tier ist also ein Mungo und wird von Vaishra·vana wie ein Blase·balg ge·quetscht, damit er Edel·steine aus·spuckt. Diese Steine können auch als Wunsch·er·fül·lungs·juwe·len ({{glossar:nyoinotama}}) gedeu·tet werden. Der Mungo hat also nichts mit Krieg, sehr wohl aber etwas mit Reich·tum und Wohl·stand zu tun. <br />
<br />
In Ostasien ist der Mungo nicht heimisch, doch wurde er hier als Maus oder Ratte interpretiert.<ref> Iyanaga 2002, S. 370–73.</ref> Auch die tibe·tischen Dar·stel·lungen könnten für eine große Ratte gehalten werden. Dies erinnert an die oben erwähnte Legende von den gol·denen Mäusen, die Tobatsu Bishamon zu Kriegs·zwecken ein·setzt. Wenn hier ein Zu·sammen·hang mit dem freigie·bigen Mungo vor·liegt, so gab es also in Zentral·asien eine Erin·nerung an Bishamons Herkunft aus einer Reich·tums·gott·heit. <br />
<br />
Die Funktion Bishamon-tens als Glücks·gott war jedenfalls bereits in seinen indischen Er·schei·nungs·for·men ange·legt. Sie war sozu·sagen immer latent vor·han·den und scheint sich in Japan erneut Ausdruck verschafft zu haben, als die militä·ri·schen Qualitä·ten des Bishamon-ten nicht länger von zen·traler Bedeu·tung waren.<br />
<br />
===Bishamon-ten, Daikoku-ten und Benzai-ten===<br />
{{sidebox| w=140|rahmen_h=260<br />
|Sanmen_daikoku.jpg<br />
|Sanmen Daikoku<br />
|ref=1<br />
}}<br />
{{floatleft|rahmen_h=300<br />
|Daikoku_motoyama.jpg<br />
|Daikoku mit den Köpfen Benzaitens und Bishamon-tens<br />
|ref=1<br />
}} <br />
Bevor Bishamon-ten zum stän·di·gen Mit·glied der Glücks·göt·ter wird, lässt sich eine Zwi·schen·pha·se be·ob·ach·ten, in der drei bud·dhis·ti·sche Deva-Götter, die letzt·lich zu den {{glossar:shichifukujin}} ge·zählt wer·den, nämlich Daikoku-ten, Benzaiten und Bishamon-ten, eine Art Koa·lition mit ein·an·der ein·ge·hen. Sie sind in dieser Phase, die wohl im spä·te·ren Mit·tel·alter an·zu·sie·deln ist, alle drei mit Rüs·tun·gen und Waf·fen ver·sehen, wer·den aber zu·gleich mit den At·tri·bu·ten der Glücks·göt·ter aus·ge·stat·tet, etwa mit Reis·bal·len (Daikoku) oder mit den fünf·zehn Knaben (Benzai·ten), die für ver·schie·dene Be·rufe stehen. <br />
Die be·son·dere Ver·bin·dung dieser drei Gott·hei·ten lässt sich im Motiv des drei·köp·figen Daikoku (''sanmen daikoku'') er·ken·nen: Daikokus Zu·satz·köpfe tragen dabei stets die Züge von Benzai·ten und Bisha·mon. Es gibt auch Sta·tuen von Ben·zaiten, die von Daikoku und Bisha·mon flan·kiert sind. <br />
<br />
Zwischen Bishamon und Benzai·ten beste·hen bereits alte Ver·bin·dun·gen. {{skt:Sarasvati}} — die indi·sche Benzai·ten — tritt unter ande·rem im Gold·glanz Sutra auf, also in jenem Text, der die Be·deu·tung der Vier Him·mels·könige in Ost·asien mit·be·grün·det. Die Göttin schwört, jene, die das Gold·glanz Sutra ehren, spe·ziell zu be·schüt·zen. Ähn·liche Schwüre leis·tet auch Lakshmi (jap. Kichichō-ten), die tra·di·tionel·ler·weise als Gefähr·tin Vai·shra·vanas ange·sehen wird. Beide Göt·tin·nen zeich·nen sich be·reits im indi·schen Kon·text durch be·son·dere Fe·mini·tät und Schön·heit aus und schei·nen sich leicht sub·sti·tuie·ren zu können. Saras·vati be·sitzt durch ihre Ver·bin·dung zum Wasser und den Drachen aller·dings grö·ßere Macht. Im Reigen der Glücks·götter wurde also Kichichō-ten, die an·fäng·liche Be·glei·te·rin Bisha·mons, mehr und mehr durch die viel·seiti·gere und mäch·ti·gere Benzai·ten ersetzt. <br />
<br />
Die Assozi·ierung von Bishamon und Daikoku scheint hin·ge·gen eine spe·zi·fisch ja·pani·sche Ent·wick·lung, genauer eine Erfindung des {{glossar:Tendaishuu|Tendai}}-Bud·dhis·mus zu sein. <br />
Aus dem ''Keiran juyōshū'' (14. Jh.), einem mittel·alter·lichen Tendai-Text, geht hervor, dass man damals die Züge von Daikoku und Bisha·mon-ten ganz be·wusst mit einander ver·schmolz. Es gab sogar eine Figur namens Tamon-Daikoku (also eine Kombi·nation aus Bishamon/ Tamon und Daikoku). Das ''Keiran juyōshū'' schreibt dazu: „Der Daikoku der Berg-Linie [= Berg {{glossar:Hieizan|Hiei}}] ist Tamon Daikoku. Deshalb haben seine Merk·male die gleiche Form wie die des Bishamon.“<ref>Nach Iyanaga 2002, S. 376.</ref> <br />
<br />
Die Nahe·bezie·hung Daikoku-Bishamon ist in einer um·fang·rei·chen Studie zu Daikoku von Iyanaga Nobumi aus·führ·lich ana·lysiert worden. Daraus lässt sich grob fol·gende Ent·wick·lung nach·zeich·nen: Bishamon-ten ent·stammt einem indi·schen Kontext, in dem bereits Gott·heiten des Reich·tums und des mili·täri·schen Schutzes mit ein·ander ver·schmol·zen wurden. Im ost·asia·tischen Kontext traten hin·gegen die mili·tä·ri·schen Aspekte deut·licher hervor. Der Reich·tums·aspekt wurde aber nie ganz ver·gessen und in Japan schließ·lich auf Daikoku weiter·ver·erbt. Merk·male, die zu·nächst mit Vaishra·vana (Bishamon) asso·ziiert worden waren, tauchten nun an Daikoku wieder auf. Dazu zählt unter anderem die zwer·gen·hafte, wohl·be·leibte Gestalt des Jambhala.<ref> Wie auf der [[Ikonographie/Gluecksgoetter/Daikoku|Daikoku]] Seite be·schrie·ben, war auch die eso·te·rische Figur des {{skt:Mahakala}} prägend für Daikoku. Jambhala und Mahakala teilen aber ihrer·seits zahl·reiche ikono·gra·phi·sche Gemein·sam·keiten.</ref> Aber auch und vor allem die ominöse Maus, die eigentlich ein Mungo ist, wech·selte von Bishamon zu Daikoku.<br />
<br />
===Die Gruppendynamik unter den Glüksgöttern=== <br />
<br />
{{floatleft|top=-10<br />
| daikoku bishamon.jpg<br />
| Daikoku parodiert Bishamon<br />
|ref=1<br />
}}<br />
Die Deva-Gott·heiten Daikoku-ten, Ben·zai-ten und Bisha·mon-ten er·hiel·ten ihre glück·ver·hei·ßen·den Züge, wie oben skiz·ziert, zu·nächst im Rah·men des eso·te·ri·schen Bud·dhis·mus, also im Tendai und Shin·gon Bud·dhis·mus. Zu ihnen ge·sellte man schließ·lich {{glossar:Ebisu}}, der in einem ande·ren Kon·text eng mit Daikoku ver·bun·den ist. Schließ·lich kamen noch drei Götter dazu, die stär·kere Bezüge zum Daois·mus bzw. zu ande·ren eher chine·sisch kon·no·tierten Tradi·tionen haben: die beiden Alten — {{glossar:Fukurokuju}} und {{glossar:Juroujin}} — und der be·son·dere Held des Zen, {{glossar:Hotei}}, der aber cha·rak·ter·lich auch gut zu Daikoku passt.<br />
<br />
Bishamon gehört in diesem Ensemble zwei·fellos eher zu den Rand·figuren. Für sich allein gestellt wird er als Schutz- aber nicht als Glücks·gott verehrt. Er über·nimmt in den vielen liebe·voll-sati·ri·schen Dar·stel·lungen der Glücks·götter aus der Edo-Zeit auch nie die Füh·rungs·rolle, wenn es um ir·gend einen Scha·ber·nack geht, den die Gruppe ausheckt.<br />
{{w500|w= 550|left=-25|top=-25|rahmen_h=245<br />
|Fukujin1777.jpg<br />
|Bishamon-ten, Fukurokuju und Daikoku<br />
|ref=1<br />
}}<br />
Auch auf der Abbildung oben aus der späteren Edo Zeit sieht man {{glossar:Fukurokuju}} und Daikoku mit einem „chine·sischen Knaben“ (''karako'', ein häufiger Begleiter der Glücks·götter) scherzen, während Bishamon eher gries·grämig abseits sitzt. <br />
<br />
Letztlich spielt Bishamon-ten unter den Glücks·göttern also nicht vielmehr als die Rolle eines Body·guards, der ohne die Personen, die er beschützen soll, nicht viel wert ist. Wahr·schein·lich hängt dies damit zu·sam·men, dass die Gruppe der Glücks·götter insgesamt doch stärker von Daikoku und Ebisu geprägt sind, die der städ·tischen Kauf·manns·kultur, in der die Glücks·götter erblühten, näher standen, als der mar·tialische Reichtums·gott Bishamon. Aber auch von einem all·gemei·neren Stand·punkt aus betrachtet sind wehr·hafte männ·liche Gestal·ten im japa·nischen Pan·theon grund·sätz·lich auf die Rolle von Leib·wäch·tern oder Sol·daten redu·ziert. Für eine Karriere als {{g|kami}} ist Viri·lität auf lange Zeit gesehen keine besonders för·der·liche Eigen·schaft.<br />
<br />
{{Verweise<br />
|links_ue=Literatur und Links<br />
|update= Februar 2012<br />
|links=<br />
{{Literatur:Iyanaga 2002}}<br />
{{Literatur:Yiengpruksawan 1998}}<br />
*[http://www.onmarkproductions.com/html/bishamonten.shtml Bishamonten], Mark Schumacher (''A-Z Photo Dictionary'')<br />
*[http://www.aisf.or.jp/~jaanus/deta/b/bishamonten.htm Bishamonten], JAANUS (Japanese Architecture and Art Net Users System) <br />
*[http://www.univie.ac.at/rel_jap/kami/Bishamon-ten Bishamon-ten], ''Kamigraphie'' (Universität Wien)<br />
}}<br />
{{thisWay}}</div>
Nicole Janker
https://religion-in-japan.univie.ac.at/r/index.php?title=Essays/Bishamon-ten&diff=59859
Essays/Bishamon-ten
2015-09-23T18:48:42Z
<p>Nicole Janker: /* Bishamon-tens Gefolge */</p>
<hr />
<div>{{styles}}<br />
{{titel|Bishamon-ten, Wächter und Glücksgott}}<br />
{{w500|rahmen_h=330|w=600|left=-20|top=-15<br />
|Tamon todaiji detail.jpg <br />
|Bishamon-ten als Beschützer des Buddhismus<br />
|ref=1<br />
}}<br />
{{fl|B}}{{glossar:Bishamonten|ishamon-ten}} ist im heutigen Japan in erster Linie als eine Art Samurai unter den Sieben Glücksgötter ({{g|shichifukujin}}) präsent.<ref> <br />
Dieser Artikel beruht zum Teil auf den Recherchen von Sarah-Allegra Schönberger für die Material·sammlung [http://www.univie.ac.at/rel_jap/kami/Bishamon-ten Kamigraphie], 2012. Herzlichen Dank! <br />
</ref> <br />
Er ent·stammt jedoch dem Bud·dhis·mus, genauer der Kate·gorie der {{skt:Deva}}-Gott·heiten ({{glossar:tenbu}}), die eigent·lich auf indi·sche (meist vedische) Götter zurück·gehen und als Wächter·gott·heiten ins bud·dhis·tische Pan·theon inte·griert wurden. Unter diesen bud·dhis·tischen Devas ist Bisha·mon-ten einer der ersten, die Japan er·reichten, nämlich bereits im sechs·ten Jahr·hun·dert. Im Laufe seiner Ent·wick·lung über·nahm er unter·schied·liche Funk·tionen, vor allem die eines Kriegs- bzw. mili·täri·schen Schutz·gottes, aber auch die Funktion einer Gott·heit des Reich·tums. Umso er·staun·licher ist es, dass seine ikono·gra·phische Grund·form dabei weit·gehend unver·ändert blieb: Eine sehr mas·kuline Er·schei·nung in einer impo·nie·ren·den Rüs·tung, in einer Hand eine Waffe, in der anderen (fast immer) eine Pagode. Diese Pagode re·präsen·tiert die Lehre des Buddha, was auf seine ur·sprüng·liche Funktion ver·weist: den Bud·dhis·mus wehrhaft zu ver·teidi·gen.<br />
<br />
Im Gegen·satz zu anderen Glücks·göttern, etwa {{glossar:Daikoku}} oder {{glossar:Benzaiten}}, lassen sich bei Bishamon keine As·sozia·tionen mit lokalen japa·nischen Gott·heiten aus·machen. Was diese Figur aber interes·sant und viel·schich·tig macht, sind die unter·schied·lichen Legen·den, die Bishamon-ten sozu·sagen im Gepäck aus Asien mit·ge·bracht hat. Diese er·klären auch, warum Bishamon nicht nur als kriege·rischer Wächter, sondern auch als Gott des Reich·tums ver·ehrt wurde. Der Reich·tums·aspekt war es wohl auch, warum Bishamon-ten aus seiner kano·nischen bud·dhisti·schen Form heraus·gelöst und in das syn·kretis·tische Ensemble der Glücks·götter inte·griert wurde. <br />
<br />
==Phase 1: Bishamon als Hüter des Nordens==<br />
<br />
{{sidebox|w=160|left=-10 |rahmen_h= 377<br />
|tamonten horyuji.jpg<br />
|Bishamon-ten, 7. Jh.<br />
|ref=1<br />
}}<br />
Bishamon ist zunächst in mehreren Forma·tionen von Richtungs·gott·heiten vertreten, vor allem als einer der Vier Himmels·könige ({{glossar:shitennou}}) und einer der Zwölf Gött·lichen Generäle ({{glossar:juunishinshou}}). Beide Forma·tionen bestehen aus krie·ge·rischen Figuren und sind analog zu den vier Himmels·rich·tungen bzw. den Zwölf Himmels·stämmen ({{glossar:juunishi}}) organi·siert (siehe [[Ikonographie/Waechtergoetter|Wächter·götter]]). Bishamon-ten steht jeweils für den Norden und reprä·sen·tiert so etwas wie den Gruppen·führer, aller·dings nicht in einer klar von den ande·ren abge·setzten Position. Seine pri·vile·gierte Stel·lung resul·tiert ledig·lich daraus, dass der Norden gemäß tra·ditio·nellen chinesi·schen Vor·stel·lungen der Ort des Kaiser·palas·tes war. Auch [[Bauten/Tempel|bud·dhis·tische Tempel]] sind zu·meist so aus·ge·richtet, dass der Haupt·ein·gang im Süden liegt, während sich die Haupt·halle im nörd·lichen Teil der Anlage befindet. Der Norden ist also sowohl im welt·lichen als auch im geist·li·chen Bereich der Sitz der Auto·rität. Insofern ist der Wächter des Nordens von größerer Bedeu·tung und höhe·rem Rang als alle anderen Wächter.<ref>Die Zuge·hörigkeit Bishamon-tens zum Norden wird auch oft durch seine Haut·farbe, schwarz oder blau·schwarz, unter·strichen. Diese Symbolik ist nicht-bud·dhis·tischer Her·kunft und daher offen·bar in China ent·standen.</ref><br />
===Staatsschutz===<br />
Die Vier Himmels·könige spielten vor allem in der Frühzeit des japa·nischen Buddhis·mus eine wichtige Rolle. Damals versprach sich der japa·nische Staat kon·krete mili·tärische und poli·tische Vor·teile aus der Ver·ehrung des Bud·dhis·mus, wie dies in einigen bud·dhis·tischen Sutren, vor allem dem Gold·glanz Sutra (jap. {{glossar:Konkoumyoukyou}}) auch ganz explizit ver·sprochen wird.<ref><br />
Das Gold·glanz Sutra (skt. ''Suvarṇa·prabhāsa·sottama sūtra'') wurde bereits 414–421 ins Chine·si·sche über·setzt. In diesem Text treten die Him·mels·könige persön·lich auf und erklä·ren in einem Dialog mit dem Buddha, wie sie Könige, die eben dieses Sutra hoch·halten, beschüt·zen und andere, die dem Sutra im spe·ziellen und dem Bud·dhis·mus im allge·meinen abhold sind, bestra·fen werden. In Japan wurde das Gold·glanz Sutra zusammen mit dem Lotus Sutra ({{glossar:Hokekyou}}) und dem Sutra für Barm·herzige Könige (''Ninnō-kyō'') zu den soge·nann·ten Drei Staats·schutz-Sutren gezählt. <br />
</ref><br />
Die erste offizielle Chronik Japans, das {{glossar:Nihonshoki}}, berichtet dazu Folgendes: <br />
{{zitat|text=<br />
Nachdem der Buddhis·mus im 6. Jh. bei Hof bekannt geworden ist, formiert sich eine Partei für und eine gegen den Buddhis·mus. 587 kommt es zu einer Schlacht zwischen dem Lager der {{glossar:Mononobe}}, die den Bud·dhismus ablehnen, und dem Lager der {{glossar:Soganouji|Soga}}, die ihn fördern. Obwohl noch ein Knabe von drei·zehn Jahren, zieht auch der Kaiser·sohn {{glossar:Shoutokutaishi}} (574–622) in diese Schlacht, und zwar auf Seiten der Soga. Zuvor schnitzt er vier Miniatur·sta·tuen der Himmels·könige, steckt sie in sein Haar und schwört, dass er den Himmels·köni·gen einen Tempel und eine Pagode stiften werde, wenn die Feinde des Bud·dhis·mus in dieser Schlacht besiegt werden sollten. Dank der Unterstützung der Himmels·könige trägt die Partei der Soga den Sieg davon. Einige Jahre später lässt Shōtoku Taishi, mittler·weile zum kaiser·lichen Regenten avanciert, tat·säch·lich einen Tempel für die Vier Himmels·könige errichten.<ref>Dieser {{glossar:Shitennouji}} befindet sich im heu·tigen Osaka und gilt als ältes·ter staat·lich gegrün·deter Tempel Japans.</ref> <br />
|quelle=Zusammengefasst nach ''Nihon shoki'', Kap. Sujun Tennō (Aston, Teil 2, S. 113–115)<br />
}}<br />
Der ent·schei·dende Durch·bruch des frühen japa·nischen Bud·dhis·mus erfolgte also laut ''Nihon shoki'' auf mili·täri·schem Wege und war nur dank des Eingreifens der Vier Him·mels·köni·ge möglich.<br />
<br />
{{w502|rahmen_h1=325|rahmen_h2=325<br />
|w2=300|left2=-25|top2=-10<br />
|Tamonten todaiji.jpg<br />
|Tamonten_nara.jpg<br />
|Tamon-ten im Tōdaiji (Edo-Zeit)<br />
|Tamon-ten im Tōdaiji (Nara-Zeit)<br />
|ref=1<br />
}}<br />
Noch in der {{glossar:Nara}}-Zeit stellten die Himmels·könige eine zentrale Instanz dar, als es darum ging, Bud·dhis·mus und staat·liche Verwal·tung Hand in Hand im ganzen Land zu insti·tutio·na·lisieren. Zu diesem Zweck schuf {{glossar:shoumutennou}} in der ersten Hälfte des achten Jahr·hun·derts das Netz·werk der soge·nann·ten Provinzial·tempel ({{glossar:kokubunji}}), die offi·ziell fol·gende Bezeich·nung trugen: „Tempel für den Schutz des Staates durch die Vier Himmels·könige des Gold·glanz [Sutra]s“.<ref>''Konkōmyō shitennō gokoku no tera'' 金光明四天王護国之寺. Provinzial·tempel für Nonnen hießen im übrigen ''hokke metsuzai no tera'' 法華滅罪之寺 (Tempel des Lotos [Sutras], das das Böse besiegt)</ref> Daher tauchen die Vier Himmels·wächter auch in der Halle des Großen Buddha im {{glossar:Toudaiji}} von Nara auf. Dieser Tempel war schließ·lich das Zentrum des Provin·zial·tempel·systems. Aller·dings sind heute dort nur noch zwei der ur·sprüng·lichen Himmels·könige zu sehen, nämlich {{glossar:Tamonten}} (= Bishamon-ten) und {{g|Koumokuten}}. Der Größe des {{glossar:Daibutsu}} ent·spre·chend sind aber auch sie von enormen Aus·maßen. Ähnlich wie im Tōdaiji sind die Himmels·könige in vielen anderen Tempeln als Wächter des Haupt·heilig·tums im Einsatz, aller·dings werden sie mehr und mehr auf diese unter·geord·nete Funktion reduziert. Als Gruppe erlebten die Vier Himmels·könige also einen Abstieg, der mit der all·mählichen Entwicklung des japa·nischen Buddhis·mus von einer Herr·schafts·ideo·logie zu einer Volks·religion einher·ging.<br />
<br />
==Phase 2: Tobatsu Bishamon==<br />
<br />
Zur Zeit der oben geschil·derten Ereig·nisse genoss {{skt:Vaishravana}} (Bishamon) entlang der Seiden·straße, also auf der Japan ent·gegen·ge·setzten Seite der chinesisch-buddhis·tischen Einfluss·sphäre, eine wo·möglich noch größere Ver·ehrung als die japani·schen Shi-Tennō. In Khotan, einer Oase an der süd·lichen Route der Seiden·straße, betrach·teten sich die Könige als seine direk·ten Nach·kommen. Sie begrün·deten dies damit, dass Vaishra·vana einst einem alten, kinder·losen König Khotans zu einem Sohn verhalf, indem er, Vaishra·vana, einen Knaben aus seinem eigenen Kopf gebar und ihn dem König über·ant·wortete. Das Kind wurde in der Folge von einer Erd·göttin gesäugt.<ref>Wladimir Zwalf 1985, [http://www.britishmuseum.org/research/search_the_collection_database/search_object_details.aspx?objectid=6818&partid=1 British Museum] (Zugriff: 2012/2/22)</ref> Die Motive dieser Legende fanden Eingang in die Vaishra·vana Ikono·graphie Khotans und ver·brei·te·ten sich von hier aus weiter.<br />
{{w502|rahmen_h1=355|rahmen_h2=355<br />
| Vaishravana_947.jpg<br />
| Khotan_king.jpg<br />
| caption = Vaishravana Kult entlang der Seidenstraße <br />
|ref=1<br />
}}<br />
In weiterer Folge entstand in China eine semi-historische Legende um Vaishra·vana, deren Eck·punkte fol·gender·maßen lauten: <br />
{{Zitat|text=<br />
Im Jahr 742 wird die Gar·nisons·stadt Anxi, der Knoten·punkt von nörd·licher und süd·licher Seiden·straße im Nord·westen Chinas, von „Barbaren“ ange·griffen und gerät in arge Be·dräng·nis. Die Kunde davon dringt bis in die chine·sische Haupt·stadt, wo der Kaiser den emi·nenten Mönch {{skt:Amoghavajra}} (705–774) anweist, etwas für die Sicher·heit des Landes zu tun. Amogha·vajra, der seiner·seits zentral·asia·tische Wurzeln hat, betet darauf·hin zu Vaishra·vana (Bishamon). Dieser erhört die Bitten und verur·sacht ein Erd·beben in Anxi. Auch sendet er gold·far·bene Mäuse aus, die die Bogen·sehnen der Feinde zernag·en (mehr zu diesen Mäusen s.u.). Schließ·lich erscheint Vaishra·vana höchst·per·sönlich auf dem riesi·gen Nordtor der Burg. Da ergrei·fen die Feinde die Flucht und Anxi ist ge·rettet.<ref>Die Legende ist vor allem aus der Bio·graphie Amogha·vajras (chin. Bukong 不空) in den Song-zeitlichen „Chroniken Großer Mönche“ (''Song gao seng zhuan'' 宋高僧伝, 988) bekannt.</ref> <br />
}}<br />
Die Le·gende machte der·artigen Eindruck, dass der Kaiser daraufhin in allen Garni·sonen Statuen dieser Gottheit, die als {{glossar:Tobatsubishamonten}} (Bishamon aus Turfan)<ref> Tobatsu bezeich·net das zentral·asia·tische Reich Turfan an der nörd·lichen Seiden·straße, oder aber Tibet. Im vor·liegen·den Kontext kann man aber davon aus·gehen, dass der Begriff stell·ver·tre·tend für Zentral·asien bzw. für die Reiche im Westen Chinas ge·braucht wird.</ref> bezeichnet wurden, aufstellen ließ. Rund um Anxi entfal·tete sich ein beson·derer Kult des Bishamon, der u.a. in den nahe gelegenen Tausend Buddha Höhlen von Dun·huang seinen Nieder·schlag fand.<ref><br />
Dun·huang in der heutigen chinesischen Provinz Gansu war sowohl ein Handels- als auch ein bud·dhis·tisches Pilger·zentrum an der Seiden·straße, dessen Blüte in die Tang-Zeit (7.–9.Jh.) fällt. Berühmt sind die Tausend Buddha Höhlen, die erst im 20. Jahr·hun·dert von Archäo·logen neu er·schlos·sen wurden und zahl·reiche bislang unbe·kannte buddhis·tische Texte und Kunst·gegen·stände zu Tage brachten.<br />
</ref><br />
<br />
In Japan, wo Bishamon-ten zu diesem Zeitpunkt ja bereits bekannt war, scheint man den Kult des Tobatsu Bishamon bereits fünfzig Jahre nach der wunder·samen Errettung von Anxi auf·ge·griffen zu haben. Getreu dem chine·sischen Vorbild, stellte man seine Statue im südlichen Haupt·tor der 795 gegrün·deten Haupt·stadt {{glossar:Heian|Heian-kyō}} auf. Während dieses Tor, das Rajōmon, nicht allzu lange über·dauerte, wurde die in China herge·stellte Statue stil·prägend für weitere Statuen des Tobatsu Bishamon-ten. Sie ist heute im Besitz des unweit des Rajōmon gelegenen {{glossar:Touji}}, eines der wich·tigs·ten {{glossar:Shingonshuu|Shingon}} Tempel.<ref> S. [http://www.aisf.or.jp/~jaanus/deta/b/bishamonten.htm Bishamonten] (JAANUS). Die beson·dere Verbin·dung von Tobatsu Bishamon und Shingon könnte auch daher rühren, dass sich Shingon auf die Tradition eben jenes Amogha·vajra, der den Tobatsu Kult initi·ierte, zurück·führt. {{glossar:Kuukai}}, der Gründer·vater des Shingon, war ein Enkel·schüler Amaghovajras.</ref> In den Bergen im Norden der Stadt errich·tete man außer·dem einen Tempel, den {{g|Kuramadera}}, der als nördlicher spiri·tueller Wächter fungierte. Er sollte zunächst {{glossar:Kannon}} geweiht werden, nahm aber schließlich Bisha·mon-ten als Haupt·heilig·tum an.<ref><br />
So jedenfalls ein Bericht aus dem ''Fusō ryakki'' (nach 1094), das die Gründung des frag·lichen Tempel, des Kurama-dera, im späten 8. Jh. ansetzt. Der Kurama-dera ent·wickelte sich später zu einem Zentrum der {{glossar:yamabushi}} und des {{glossar:tengu}}-Glaubens. Die Gleich·setzung von Kannon und Bishamon-ten findet sich auch im Lotos Sutra.<br />
</ref><br />
Bishamon-ten schützte somit die Haupt·stadt sowohl im Norden als auch im Süden. <br />
<br />
Die meisten frühen Statuen des Tobatsu Bishamon-ten finden sich jedoch im Nord·osten Japans, wo zu dieser Zeit noch heftige Kämpfe mit den Emishi, Japans „nörd·lichen Barbaren“ tobten.<ref>Yiengpruksawan 1998, S. 42</ref> Man kann also davon ausgehen, das sich die militä·rischen Aspekte der Vier Himmels·könige in Tobatsu noch ver·stärk·ten und er zu einer Art Kriegs·gott der Heian-Zeit wurde. <br />
{{w502|w1=245|rahmen_h1=470|rahmen_h2=470<br />
|Tobatsu_bishamonten.jpg<br />
|Tobatsu dazaifu.jpg<br />
|Japans ältester Tobatsu Bishamon<br />
|Tobatsu Bishamon, 10. Jh.<br />
|ref=1<br />
}}<br />
Auf den meisten japa·nischen Dar·stellungen unter·scheidet sich Tobatsu kaum von Bishamon, wie er schon zuvor im Ensemble der Vier Himmels·könige auftritt. Als Unter·schei·dungs·merkmal gelten allerdings die Figuren, auf denen er gewohn·heits·mäßig steht. Wäh·rend Bishamon-Statuen der Phase 1 zumeist auf einem einzelnen, zusam·men·gekauer·ten Dämon ({{glossar:jaki}}) posieren, steht Tobatsu ent·weder auf den ausge·brei·teten Händen einer weib·lichen Figur oder auf zwei Dämonen, in deren Mitte eine weib·liche Figur zu sehen ist. Diese weibliche Figur ist {{glossar:Jiten}} (skt. Prthivi), die Erd·göttin. Sie findet sich in der unter·stüt·zen·den Haltung bereits in den Vaishra·vana/Bishamon Dar·stel·lungen der Könige von Khotan. Während das Trampeln auf Dämonen als Geste des Triumphs gedeutet werden kann, besteht zwischen der Erd·göttin und Bishamon ganz offen·sicht·lich ein Ein·ver·neh·men, das man an der geord·neten, sym·me·trischen Haltung, mit der sie ihm stützt, ablesen kann. Die chi·nesi·sche Skulptur des Tobatsu trägt außer·dem eine charak·teris·tische, eng·tail·lierte Rüstung und eine Krone statt des üblichen Helms. Diese Details werden aber in Japan bald wieder fallen gelassen. <br />
<br />
===Bishamon-tens Gefolge===<br />
<br />
Zahlreiche weitere Aspekte, die sich mit Bishamon als Einzel·figur verbinden, lassen sich exem·pla·risch an einem Rollbild aus der {{g|Kamakura}}-Zeit (um 1200) identi·fzieren, das heute im Museum of Fine Arts in Boston hängt. Hier werden die ver·schie·denen Einzel·aspekte Bishamon-tens frei mit einander in Bezie·hung gebracht:<br />
<br />
{{w500|rahmen_h=650|top=-100<br />
|bishamon_kamakura.jpg<br />
|Bishamon-ten und Gefolge<br />
|ref=1<br />
}}<br />
Das Bild zeigt Bishamon-ten mit einem bunten Gefolge aus unter·wor·fenen Dämonen und edlen Gestal·ten. Bishamon selbst steht auf zwei Dämonen<ref>Niranba und Biranba. Sie treten bereits im ''Lotos Sutra'' neben Bishamon als Beschützer der Gläubigen auf.</ref>, die weib·liche Figur davor ist die Erd·göttin Jiten. Dies deutet nach dem, was wir bisher bespro·chen haben, auf Tobatsu Bishamon hin. Er trägt die typi·sche Rüstung, die mit den Fratzen mythi·scher Bestien verziert ist, vor allem eine Art Löwen·kopf als Gürtel·schnalle. In der rechten Hand hält er einen Stab, in der linken sein wich·tigs·tes Attribut, die Pagode. Aus seinen Schultern schlagen hohe rote Flam·men·säulen. <br />
{{sidebox|rahmen_h=200|w=140<br />
|Jinjataisho.jpg<br />
|Bishamon als „Wüstengeneral“<br />
|ref=1<br />
}}<br />
Rechts von Bishamon ist eine Gruppe von vier Dämonen zu erkennen, die als Waffen·träger fungieren: einer trägt Bishamons charak·teris·ti·schen Dreizack, einer Pfeil und Bogen, einer einen weiteren Stab und einer ein Schwert. Rechts vor den Waffen·trä·gern steht eine rote, dämo·nische Figur mit „Leder·hosen“ in Form von Ele·fanten·köpfen. Diese Figur heißt {{glossar:Jinjataishou}}, wtl. der Wüsten·general. Es handelt sich um eine Erschei·nungs·form des Bishamon. Der Legende nach soll Bishamon in dieser Gestalt dem berühm·ten Pilger·mönch {{glossar:Xuanzang}} in einer zentral·asia·ti·schen Wüste den Weg zur nächs·ten Oase gewiesen und ihn so vor dem Ver·dursten gerettet haben.<ref> Rosenfield 2010, S. 181–183; s.a. Mark Schumacher, „Bishamonten“. </ref> Die histo·rische Faktizi·tät dieser Legende mag zweifel·haft sein, doch ver·deut·licht sie ein weite·res Mal den zentral·asia·tischen Einfluss auf die Bishamon Ikono·graphie. Neben dem Wüsten·general ist auf dem obigen Bild eine jugend·liche Figur mit Elefan·ten·mütze zu sehen, die ich noch nicht identi·fizieren konnte. Auf der anderen Seite Bishamons ist im Hinter·grund eine weitere seltsame Erschei·nung zu sehen. Sie besitzt zahl·reiche Attribute eso·terisch-zorn·voller Gott·heiten ({{skt:krodha}}) nämlich zu Berge stehen·des Haar, Raub·tier·zähne, Kette aus Toten·schädel, vier Hände, in zwei davon mensch·liche Leichen, etc. Wäh·rend derartige Figuren in der spä·teren eso·teri·schen Ikono·graphie rang·mäßig über Wächtern wie Bishamon stehen, ist diese Figur im vor·lie·gen·den Kontext ganz offen·sicht·lich von unter·geord·neter Stel·lung. <br />
<br />
Links von Bishamon fallen drei vor·nehme Figuren ins Auge. Es handelt sich um die Gefährtin des Bishamon, {{glossar:Kichijouten}}, die vor allem im frühen japa·nischen Bud·dhis·mus als eine Art Glücks·gott·heit galt, später aber etwas in Ver·ges·sen·heit geriet. Sie hält ein Wunsch·er·fül·lungs-Juwel in Händen. Neben ihr zwei Knaben, wahr·schein·lich Söhne des Bishamon, einer mit einem Teller mit Blüten(?), einer mit einem Beutel. <br />
{{w502<br />
|top1=-70<br />
|rahmen_h1= 350|rahmen_h2= 350<br />
|w2=250|left2=-5<br />
|Bishamon familie.jpg<br />
|vaishravana_dunhuang.jpg<br />
|Bishamon mit Familie<br />
|Vaishravana und Gefolge (chin. Darstellung)<br />
|ref=1<br />
}}<br />
{{w500| rahmen_h= 250 | top = -25<br />
|Bishamon_hekija.jpg <br />
|Bishamon bekämpft Krankheiten<br />
|ref=1<br />
}}<br />
Viele Einzel·heiten des Kamakura-zeitlichen Roll·bilds finden sich auch in chine·sischen Darstel·lungen aus Dun·huang wieder, zum Bei·spiel auf der Abbil·dung oben rechts, die Vaishra·vana (Bishamon) bei einer Art Inspek·tions·tour durch sein Reich darstellt. Abge·sehen von den Flam·men·säulen an Bishamons Schultern be·geg·nen wir auch hier seinen Fami·lien·mit·glie·dern, allerdings mit ver·tausch·ten Attri·buten in den Händen. Ein interes·santes Detail des chine·sischen Bei·spiels ist die Tengu-artige Figur in der oberen rechten Ecke des Bilds, offen·sicht·lich ein böser Dämon. Ein Bogen·schütze im Gefolge des Bishamon spannt gerade seine Waffe, als ob er diesen Dämon abschießen wollte. <br />
Ein ver·wand·tes Motiv findet sich wiederum in einer berühm·ten, wenn auch etwas untypi·schen Bishamon-Darstel·lung aus Japan, einem „Bild der Bekämp·fung von Übeln“ (''hekija-e'') aus dem späten 12. Jh. Hier sieht man Bishamon selbst, wie er mit Pfeil und Bogen geflü·gelte Dämo·nen ab·schießt. Dem Kontext ist zu entneh·men, dass diese Krank·heiten per·soni·fizieren. Bishamon-ten wurde also in dieser Zeit auch ein Schutz·herr gegen Krank·heiten ange·sehen, die im japa·ni·schen Alter·tum generell ein großes Problem dar·stell·ten, für das nicht viel mehr als reli·giöse Mittel zur Hand waren. <br />
<br />
Obwohl die Figur des Tobatsu Bishamon-ten zunächst mindestens ebenso martia·lisch auftrat wie die Gruppe der Vier Him·mels·könige, scheint diese ikono·gra·phische Form der Aus·löser dafür zu sein, dass sich Bishamon in Ostasien aus seinen mili·täri·schen Forma·tionen löste und als ein·zelne Gestalt verehrt wurde. Dadurch scheint sich das Spek·trum seiner Funktio·nen ver·größert zu haben und war nicht mehr allein auf bloßen (mili·täri·schen) Schutz beschränkt. Die fried·lichen Figu·ren in Bishamons Gefolge deuten auf mate·riellen Reich·tum hin. Dieser Aspekt ist, wie wir noch sehen werden, bereits in Vaishra·vanas indi·schem Erbe angelegt, hat sich in Japan aber erst zu einem spä·teren Zeit·punkt Ausdruck ver·schafft.<br />
<br />
===Tohachi Bishamon===<br />
{{w502|top2=-10<br />
|rahmen_h1= 340|rahmen_h2= 340<br />
|Tohachi hokusai.jpg<br />
|Tohachi hanabusa.jpg<br />
|caption = Bishamon mit vier Köpfen und acht Schwertern<br />
|ref=1<br />
}}<br />
Im späten Mittel·altern kommt es zu einer neuen ikono·graphi·schen Form des Tobatsu Bishamon-ten, die auf einem Wortspiel beruht. Man las den Ausdruck ''tobatsu'' als ''tōhachi'' und unter·legte diese Aus·sprache mit neuen Schrift·zeichen in der Bedeutung „acht Schwerter“. In der Tat hält dieser Bishamon acht Schwerter in seinen zwölf Händen. Außerdem hat er vier Gesichter und reitet auf einem Löwen. Letz·terer dürfte von neuen Bishamon-Motiven auf dem Festland beein·flusst sein. Diese Darstel·lung hebt die martia·lischen Züge Bisha·mons ein wei·teres Mal deut·lich hervor und scheint sich unter den War·lords der {{glossar:sengokujidai|''sengoku''}}-Zeit einer gewis·sen Beliebt·heit erfreut haben.<ref>Der Daimyō Uesugi Kenshin trug etwa die Schrift·zeichen dieser Bishamon-Manifestation auf seinen Kriegs·bannern. Auch Takeda Shingen führte in der Schlacht einen Schrein mit einem zehn·armigen Tōhachi Bishamon-ten mit. ([http://www16.plala.or.jp/enkoin/bishamon.html Enkō-in] [2012/3/2])</ref> Aber noch in der späten Edo-Zeit sind Tōhachi Darstel·lungen zu finden. Die genauen Umstände der Ent·stehung und Verbrei·tung dieses speziellen Kultes sind mir allerdings nicht bekannt. <br />
<br />
{{h2+3|Phase 3: Bishamon-ten als Glücksgott}}<br />
<br />
===Exkurs: Vaishravana, Kubera und Jambhala ===<br />
<br />
Bishamon leitet sich wie erwähnt von {{skt:Vaishravana}} (wtl. „Sohn des Gerühmten“) ab, eines indi·schen Gottes, dessen eigent·licher Namen Kubera lautet. Die klassi·schen indi·schen Epen ''Maha·barata'' und ''Rama·yana'' berichten, dass Vaishra·vana oder Kubera von der über·geord·neten Gottheit Brahma explizit zum Herren der Reich·tümer und Schätze erho·ben wurde, und bezeich·nen ihn auch als Schatz·meister der Götter oder als Spender von Reich·tümern. Er hat eine goldene Haut und wohnt in gol·denen Städten. Zugleich gebietet er über ver·schie·dene dämo·nische Völker, allen voran die {{skt:Yaksha}}s bzw. {{skt:rakshasa}}s, beides eher kriege·rische, wilde Gestalten, die oft gemein·sam in einem Atem·zug genannt werden. Mög·licher·weise zählte auch das Horten und Hüten von Schätzen zu ihren ur·sprüng·lichen Kom·peten·zen, sodass sich Vaishra·vanas Reich·tums·aspekt auch aus seiner Ver·bin·dung zu diesen Dämonen ent·wickelt haben könnte. <br />
<br />
Oft wird Vaishravana in Verbin·dung mit drei wei·teren Gott·heiten genannt, die jeweils einen Bereich der Welt beherr·schen: {{skt:Yama}} die Unter·welt, {{skt:Indra}} den Himmel, Varuna das Meer und schließlich Vaishra·vana die be·wohnte Welt. Erst nach und nach werden diese vier Gott·heiten den Himmels·rich·tungen zuge·ordnet, wobei sich Vaishra·vana als Hüter des Nor·dens heraus·kristal·lisiert. Dies hängt mög·licher·weise mit der Asso·ziation „Reich·tum — Gold — Metall — Bergbau — Hima·laya“ zusam·men: das Gold kam in Indien aus dem Norden. <br />
<br />
Erst in zweiter Linie wird Vaishra·vana auch als mili·täri·sche Figur gezeich·net, wobei wiede·rum der kriege·rische Charak·ter der Yaksha-Dämonen eine Rolle gespielt haben könnte. Doch nur im Buddhis·mus bzw. in den ost·asiati·schen Aus·prägun·gen Vaishra·vanas scheint dieser Aspekt die Ober·hand zu gewinnen. <br />
{{w502<br />
|Jambhala.jpg<br />
|Vaishravana.jpg<br />
|Jambhala<br />
|Vaishravana<br />
|caption= Indische Götter des Reichtums mit Mungo<br />
|ref=1<br />
}}<br />
{{sidebox<br />
|mungo.jpg<br />
|Juwelen speiender Mungo (Tibet)<br />
|ref=1<br />
}}<br />
Eine mit Vaishravana eng ver·wandte oder wesens·gleiche Gottheit ist {{skt:Jambhala}}. Bei ihm fehlt aller·dings jeglicher mili·tärischer Aspekt, er ist allein für den Reich·tum zuständig. Ähnlich wie die japani·schen Glücks·götter ist er eher wohl·beleibt und zeigt seinen Bauch, Kenn·zeichen des Wohlstands, deutlich her. Es gibt dennoch zahl·reiche ikono·graphi·sche Gemein·sam·keiten zwischen Jambhala und Vaishra·vana/ Kubera, die sich z.B. auf tibe·tischen Thangkas gut erken·nen lassen. Das er·staun·lichste Attribut, das alle drei Figuren aus·zeichnet, ist ein ratten·ähn·liches Tier, das der jewei·lige Reich·tums·gott meist unter den Arm geklemmt mit sich führt. Bei genauer Betrach·tung erkennt man, dass dieses Tier bunte Kugeln ausspeit. Dies leitet sich auf eine indische volks·reli·giöse Vor·stel·lung zurück, nach der man einen Mungo dazu bringen kann, Edel·steine auszu·spucken, wenn man seinen Bauch drückt. Das Tier ist also ein Mungo und wird von Vaishra·vana wie ein Blase·balg ge·quetscht, damit er Edel·steine aus·spuckt. Diese Steine können auch als Wunsch·er·fül·lungs·juwe·len ({{glossar:nyoinotama}}) gedeu·tet werden. Der Mungo hat also nichts mit Krieg, sehr wohl aber etwas mit Reich·tum und Wohl·stand zu tun. <br />
<br />
In Ostasien ist der Mungo nicht heimisch, doch wurde er hier als Maus oder Ratte interpretiert.<ref> Iyanaga 2002, S. 370–73.</ref> Auch die tibe·tischen Dar·stel·lungen könnten für eine große Ratte gehalten werden. Dies erinnert an die oben erwähnte Legende von den gol·denen Mäusen, die Tobatsu Bishamon zu Kriegs·zwecken ein·setzt. Wenn hier ein Zu·sammen·hang mit dem freigie·bigen Mungo vor·liegt, so gab es also in Zentral·asien eine Erin·nerung an Bishamons Herkunft aus einer Reich·tums·gott·heit. <br />
<br />
Die Funktion Bishamon-tens als Glücks·gott war jedenfalls bereits in seinen indischen Er·schei·nungs·for·men ange·legt. Sie war sozu·sagen immer latent vor·han·den und scheint sich in Japan erneut Ausdruck verschafft zu haben, als die militä·ri·schen Qualitä·ten des Bishamon-ten nicht länger von zen·traler Bedeu·tung waren.<br />
<br />
===Bishamon-ten, Daikoku-ten und Benzai-ten===<br />
{{sidebox| w=140|rahmen_h=260<br />
|Sanmen_daikoku.jpg<br />
|Sanmen Daikoku<br />
|ref=1<br />
}}<br />
{{floatleft|rahmen_h=300<br />
|Daikoku_motoyama.jpg<br />
|Daikoku mit den Köpfen Benzaitens und Bishamon-tens<br />
|ref=1<br />
}} <br />
Bevor Bishamon-ten zum stän·di·gen Mit·glied der Glücks·göt·ter wird, lässt sich eine Zwi·schen·pha·se be·ob·ach·ten, in der drei bud·dhis·ti·sche Deva-Götter, die letzt·lich zu den {{glossar:shichifukujin}} ge·zählt wer·den, nämlich Daikoku-ten, Benzaiten und Bishamon-ten, eine Art Koa·lition mit ein·an·der ein·ge·hen. Sie sind in dieser Phase, die wohl im spä·te·ren Mit·tel·alter an·zu·sie·deln ist, alle drei mit Rüs·tun·gen und Waf·fen ver·sehen, wer·den aber zu·gleich mit den At·tri·bu·ten der Glücks·göt·ter aus·ge·stat·tet, etwa mit Reis·bal·len (Daikoku) oder mit den fünf·zehn Knaben (Benzai·ten), die für ver·schie·dene Be·rufe stehen. <br />
Die be·son·dere Ver·bin·dung dieser drei Gott·hei·ten lässt sich im Motiv des drei·köp·figen Daikoku (''sanmen daikoku'') er·ken·nen: Daikokus Zu·satz·köpfe tragen dabei stets die Züge von Benzai·ten und Bisha·mon. Es gibt auch Sta·tuen von Ben·zaiten, die von Daikoku und Bisha·mon flan·kiert sind. <br />
<br />
Zwischen Bishamon und Benzai·ten beste·hen bereits alte Ver·bin·dun·gen. {{skt:Sarasvati}} — die indi·sche Benzai·ten — tritt unter ande·rem im Gold·glanz Sutra auf, also in jenem Text, der die Be·deu·tung der Vier Him·mels·könige in Ost·asien mit·be·grün·det. Die Göttin schwört, jene, die das Gold·glanz Sutra ehren, spe·ziell zu be·schüt·zen. Ähn·liche Schwüre leis·tet auch Lakshmi (jap. Kichichō-ten), die tra·di·tionel·ler·weise als Gefähr·tin Vai·shra·vanas ange·sehen wird. Beide Göt·tin·nen zeich·nen sich be·reits im indi·schen Kon·text durch be·son·dere Fe·mini·tät und Schön·heit aus und schei·nen sich leicht sub·sti·tuie·ren zu können. Saras·vati be·sitzt durch ihre Ver·bin·dung zum Wasser und den Drachen aller·dings grö·ßere Macht. Im Reigen der Glücks·götter wurde also Kichichō-ten, die an·fäng·liche Be·glei·te·rin Bisha·mons, mehr und mehr durch die viel·seiti·gere und mäch·ti·gere Benzai·ten ersetzt. <br />
<br />
Die Assozi·ierung von Bishamon und Daikoku scheint hin·ge·gen eine spe·zi·fisch ja·pani·sche Ent·wick·lung, genauer eine Erfindung des {{glossar:Tendaishuu|Tendai}}-Bud·dhis·mus zu sein. <br />
Aus dem ''Keiran juyōshū'' (14. Jh.), einem mittel·alter·lichen Tendai-Text, geht hervor, dass man damals die Züge von Daikoku und Bisha·mon-ten ganz be·wusst mit einander ver·schmolz. Es gab sogar eine Figur namens Tamon-Daikoku (also eine Kombi·nation aus Bishamon/ Tamon und Daikoku). Das ''Keiran juyōshū'' schreibt dazu: „Der Daikoku der Berg-Linie [= Berg {{glossar:Hieizan|Hiei}}] ist Tamon Daikoku. Deshalb haben seine Merk·male die gleiche Form wie die des Bishamon.“<ref>Nach Iyanaga 2002, S. 376.</ref> <br />
<br />
Die Nahe·bezie·hung Daikoku-Bishamon ist in einer um·fang·rei·chen Studie zu Daikoku von Iyanaga Nobumi aus·führ·lich ana·lysiert worden. Daraus lässt sich grob fol·gende Ent·wick·lung nach·zeich·nen: Bishamon-ten ent·stammt einem indi·schen Kontext, in dem bereits Gott·heiten des Reich·tums und des mili·täri·schen Schutzes mit ein·ander ver·schmol·zen wurden. Im ost·asia·tischen Kontext traten hin·gegen die mili·tä·ri·schen Aspekte deut·licher hervor. Der Reich·tums·aspekt wurde aber nie ganz ver·gessen und in Japan schließ·lich auf Daikoku weiter·ver·erbt. Merk·male, die zu·nächst mit Vaishra·vana (Bishamon) asso·ziiert worden waren, tauchten nun an Daikoku wieder auf. Dazu zählt unter anderem die zwer·gen·hafte, wohl·be·leibte Gestalt des Jambhala.<ref> Wie auf der [[Ikonographie/Gluecksgoetter/Daikoku|Daikoku]] Seite be·schrie·ben, war auch die eso·te·rische Figur des {{skt:Mahakala}} prägend für Daikoku. Jambhala und Mahakala teilen aber ihrer·seits zahl·reiche ikono·gra·phi·sche Gemein·sam·keiten.</ref> Aber auch und vor allem die ominöse Maus, die eigentlich ein Mungo ist, wech·selte von Bishamon zu Daikoku.<br />
<br />
===Die Gruppendynamik unter den Glüksgöttern=== <br />
<br />
{{floatleft|top=-10<br />
| daikoku bishamon.jpg<br />
| Daikoku parodiert Bishamon<br />
|ref=1<br />
}}<br />
Die Deva-Gott·heiten Daikoku-ten, Ben·zai-ten und Bisha·mon-ten er·hiel·ten ihre glück·ver·hei·ßen·den Züge, wie oben skiz·ziert, zu·nächst im Rah·men des eso·te·ri·schen Bud·dhis·mus, also im Tendai und Shin·gon Bud·dhis·mus. Zu ihnen ge·sellte man schließ·lich {{glossar:Ebisu}}, der in einem ande·ren Kon·text eng mit Daikoku ver·bun·den ist. Schließ·lich kamen noch drei Götter dazu, die stär·kere Bezüge zum Daois·mus bzw. zu ande·ren eher chine·sisch kon·no·tierten Tradi·tionen haben: die beiden Alten — {{glossar:Fukurokuju}} und {{glossar:Juroujin}} — und der be·son·dere Held des Zen, {{glossar:Hotei}}, der aber cha·rak·ter·lich auch gut zu Daikoku passt.<br />
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Bishamon gehört in diesem Ensemble zwei·fellos eher zu den Rand·figuren. Für sich allein gestellt wird er als Schutz- aber nicht als Glücks·gott verehrt. Er über·nimmt in den vielen liebe·voll-sati·ri·schen Dar·stel·lungen der Glücks·götter aus der Edo-Zeit auch nie die Füh·rungs·rolle, wenn es um ir·gend einen Scha·ber·nack geht, den die Gruppe ausheckt.<br />
{{w500|w= 550|left=-25|top=-25|rahmen_h=245<br />
|Fukujin1777.jpg<br />
|Bishamon-ten, Fukurokuju und Daikoku<br />
|ref=1<br />
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Auch auf der Abbildung oben aus der späteren Edo Zeit sieht man {{glossar:Fukurokuju}} und Daikoku mit einem „chine·sischen Knaben“ (''karako'', ein häufiger Begleiter der Glücks·götter) scherzen, während Bishamon eher gries·grämig abseits sitzt. <br />
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Letztlich spielt Bishamon-ten unter den Glücks·göttern also nicht vielmehr als die Rolle eines Body·guards, der ohne die Personen, die er beschützen soll, nicht viel wert ist. Wahr·schein·lich hängt dies damit zu·sam·men, dass die Gruppe der Glücks·götter insgesamt doch stärker von Daikoku und Ebisu geprägt sind, die der städ·tischen Kauf·manns·kultur, in der die Glücks·götter erblühten, näher standen, als der mar·tialische Reichtums·gott Bishamon. Aber auch von einem all·gemei·neren Stand·punkt aus betrachtet sind wehr·hafte männ·liche Gestal·ten im japa·nischen Pan·theon grund·sätz·lich auf die Rolle von Leib·wäch·tern oder Sol·daten redu·ziert. Für eine Karriere als {{g|kami}} ist Viri·lität auf lange Zeit gesehen keine besonders för·der·liche Eigen·schaft.<br />
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{{Verweise<br />
|links_ue=Literatur und Links<br />
|update= Februar 2012<br />
|links=<br />
{{Literatur:Iyanaga 2002}}<br />
{{Literatur:Yiengpruksawan 1998}}<br />
*[http://www.onmarkproductions.com/html/bishamonten.shtml Bishamonten], Mark Schumacher (''A-Z Photo Dictionary'')<br />
*[http://www.aisf.or.jp/~jaanus/deta/b/bishamonten.htm Bishamonten], JAANUS (Japanese Architecture and Art Net Users System) <br />
*[http://www.univie.ac.at/rel_jap/kami/Bishamon-ten Bishamon-ten], ''Kamigraphie'' (Universität Wien)<br />
}}<br />
{{thisWay}}</div>
Nicole Janker