Tsukubusuma Jinja

Aus Kamigraphie
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ThemengruppeArchitektur (religiöse Gebäude, Anlagen, Details)
Name Tsukubusuma Jinja 都久夫須麻神社
Funktion Schrein (Shinto)
Ort Chikubushima 竹生島, Präfektur Kyōto
Gottheiten Benzai-ten 弁才天
Haupthalle des Tsukubusuma-Schreins

Der Tsukubusuma Jinja 都久夫須麻神社 ist ein Shintō-Schrein auf Chikubushima 竹生島, einer kleinen Insel im Biwa-See 琵琶湖 nord-östlich von Kyōto. Chikubushima ist seit dem 12. Jahrhundert ein wichtiges Heiligtum Benzai-tens 弁才天, einer weiblichen buddhistischen Schutzgöttin. Ursprünglich handelte es sich auch beim Tsukubusuma-Schrein um einen Tempel zu Ehren Benzai-tens. Die Bezeichnung "Schrein" stammt aus der Meiji-Zeit 明治時代 (1868-1912) und resultiert aus der damaligen Politik der strikten Trennung von Shintōismus und Buddhismus. In der Momoyama-Zeit 桃山時代 (1568-1615) genoss das Heiligtum der mächtigen Schutzgöttin Benzai-ten vor allem bei der Kriegerelite großes Ansehen. Schon zu Zeiten als Gefolgsmann von Oda Nobunaga war Toyotomi Hideyoshi als Daimyō der dortigen Provinz Ōmi für die Insel und das Heiligtum zuständig und förderte dieses. Auch nach seiner Machtübernahme und Übersiedelung nach Ōsaka blieb Hideyoshi Chikubushima verbunden; die Insel genoss weiterhin seine besondere Gunst und Unterstützung; Die Bedeutung, die Chikubushima vonseiten der Toyotomi beigemessen wurde, zeigt sich nicht zuletzt daran, dass eines der bedeutendsten und besterhaltensten architektonischen Zeugnisse der Momoyama-Zeit im Jahre 1602 auf die Insel verlegt und in die Benzai-ten Haupthalle integriert wurde.

Die Haupthalle des Tsukubusuma-Schreins wurde nicht in ihrer jetzigen Form erbaut, sondern besteht aus zwei vormals eigenständigen Gebäuden. Bei Restaurierungsarbeiten in den Jahren 1936-1937 entdeckte man, dass die strukturellen Verbindungselemente zwischen dem moya 母屋 (zentraler Teil eines Tempels) und dem diesen umgebenden hisashi 廂 (gangartiger Bereich um den moya) an mehreren Stellen nicht genau zueinander passen und dass beide Gebäudeteile verändert wurden, um kombiniert werden zu können. Weiters zeigt der schwarze Lack, der die Säulen und Sturzbalken des moya bedeckt, Schäden, die nur durch längeren Witterungseinfluss erklärt werden können. Eine Markierung auf einem Sparren des moya gibt Auskunft über die Lackarbeiten, die demnach im Zuge der Arbeiten an der Großen Buddha Halle durchgeführt wurden. Dies legt nahe, dass der moya ursprünglich ein eigenstädniges Gebäude war, das in Kyōto gebaut worden war und dort einige Zeit bis zu seiner Verlegung nach Chikubushima stand. Andrew M. Watsky identifiziert dieses Gebäude vor allem anhand der aufwendigen Dekorationen als die Gedenkhalle, die zu Ehren von Hideyoshis 1591 jung verstorbenen Sohn Sutemaru 棄丸 errichtet wurde.

Sutemarus Gedenkhalle

Tür des moya

Die Gedenkhalle Sutemarus zeichnet sich durch eine Fülle an aufwendigen Verzierungen auf, die aufgrund der Integration als moya in die Haupthalle des Schreins gut erhalten sind. Der Innenraum ist dekoriert mit vielfarbigen Malereien an den mit Blattgold überzogenen Wänden und der Decke. Die Säulen und Sturzbalken sind mit schwarzem Lack überzogen und mit goldenen maki-e[1] 蒔絵 Motiven verziert. An den Berührungspunkten der Säulen mit den Sturzbalken finden sich feine goldene Beschläge in Form floraler Muster, teilweise mit shishi 師子 (Löwenhunden) in der Mitte. Darüber befindet sich ein Zierstreifen mit Darstellungen von Glyzinien und Kirschbäumen, der sich um den gesamten Umfang des moya erstreckt. Bei der Tür handelt es sich um eine schwarz lackierte Kassettentür, deren senkrechte und waagrechte Balken mit goldenen Beschlägen, die von einer stilisierten Chrysantheme geziert werden, dekoriert sind. Die einzelnen Felder beinhalten bemalte Schnitzereien. Die dargestellten Motive sind fast ausschließlich floraler Natur. Auffallend sind vor allem Chrysanthemen und Paulownien, die in mehreren Darstellungen zu sehen sind, sowohl in gemalter Form auf Wänden und Decke als auch in den maki-e Motiven, den goldenen Beschlägen und den Türschnitzereien.

Moya innen

In Form eines Wappens stehen diese Blumen für die Toyotomi Familie. Dieses Wappen findet sich auf mehreren Gebäuden der Toyotomi, seine Nutzung war streng reglementiert und zu dieser Zeit nur der Familie vorbehalten. Die floralen Motive zusammen mit reichlich Gold und schwarzem Lack seien laut Watsky typisch für seinerzeitliche Gedenkhallen. Ein wichtiges Motiv hierbei sind Planzen der vier Jahreszeiten, die sich auch im Inneren des moya wiederfinden. Chrysanthemen, Oleander und Klee, die für den Herbst stehen, sind auf dem östlichen mairado[2] 舞良戸 abgebildet. Auf dem westlichen mairado findet sich ein blühender Pfirsichbaum, der den Frühling symbolisiert. Für den Winter steht ein schneebedeckter Bambus, der sich an der westlichen Wand innerhalb des zushi[3] 厨子 befindet. Die sommerlichen Pflanzen vermutet Watsky auf den nicht mehr erhaltenen Teilen der Wandbemalung. Auch die maki-e Motive zeigen neben einzelnen Phönixen und langschwänzigen Vögeln in erster Linie verschiedene florale Darstellungen. Bei der Decke des moya handelt es sich um eine Kassettendecke bestehend aus 60 Feldern, die ausschließlich verschiedene Blumen und Bäume zeigen.


Moya außen

Die Außenseite des moya ist verziert mit großflächigen Schnitzereien in den Wandfeldern zwischen den Säulen. Ursprünglich waren diese in mehreren Farben bemalt, die Farbe ist heute aber nur mehr stellenweise erkennbar. Die Säulen und die Sturzbalken sind wie im Inneren mit schwarzem Lack überzogen und mit goldenen floralen maki-e Motiven verziert. Ebenso finden sich an den Übergängen von Säulen zu Sturzbalken goldene Metallbeschläge. Darüber erstreckt sich ein Zierstreifen mit geschnitzten Blumen. Die Kassettentür ist gleich gestaltet wie im Inneren. Zwei Motive sind an der Außenseite des moya vorherrschend: Chrysanthemen und Hibiskus. Die Chrysantheme findet sich auch im Inneren, wo sie zusammen mit dem Klee und Oleander für den Herbst steht. Außen ist sie allerdings weitaus größer und dominanter dargestellt. In der Momoyama-Zeit gab es neben dem Standardbegriff kiku (Chrysantheme) eine weitere Bezeichnung für die Blume, katamigusa ("Gedenkpflanze"). Der Begriff katami bezeichnete den Gegenstand des Gedenkens, beispielsweise eine verstorbene Person. Die Chrysantheme als katamigusa kommt sowohl in Gedichten dieser Zeit als auch auf Gemälden, die an Verstorbene erinnern, vor. Der Hibiskus andererseits ist als dekoratives Motiv eher unüblich. Allerdings sind mehrere Trauerreden auf Sutemaru erhalten, in denen dieser explizit mit dem Hibiskus verglichen wird; die kurze Blütezeit der Blume als Symbol für das kurze Leben des Knaben. Ein drittes Motiv, das nur an einer der vier Seiten des moya zu finden ist, sind Kranich und Kiefer. Diese Begriffe, tsuru (Kranich) und matsu (Kiefer) bilden zusammen Sutemarus Spitznamen Tsurumatsu, der aus Briefen seines Vaters Hideyoshi überliefert ist. Außerdem finden sich Kranich und Kiefer auch auf einer Kinderrüstung jener Zeit, die Sutemaru zugeschrieben wird.

Der moya des Tsukubusuma-Schreins stellt ein wertvolles Zeugnis der sakralen Architektur der Momoyama-Zeit dar. Bemerkenswert ist vor allem der großflächige Gebrauch von schwarzem Lack und die Fülle an goldenem maki-e, was bis dahin auf der Außenseite von Gebäuden nicht üblich war. Dies unterstreicht die Bedeutung, die dem Gebäude ursprünglich beigemessen wurde.

Literatur

Andrew M. Watsky 2004
Chikubushima: Deploying the sacred arts in Momoyama Japan. Seattle/London: University of Washington Press 2004.

Fußnoten

  1. maki-e bezeichnet eine spezielle Technik der Lackmalerei, bei der auf den noch feuchten Lack Goldstaub aufgetragen wird.
  2. Hölzerne Schiebetür.
  3. Miniaturschrein, der eine Darstellung eines Verstorbenen oder einer Gottheit enthält.