Religiöse Biographien: Unterschied zwischen den Versionen

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Der Ausdruck „Hagiographie“ (Aufzeichnung von Heiligen) entstammt der christlichen Tradition, in der Heilige bekanntlich einen ganz besonderen Stellenwert einnehmen. Im frühen Christentum stellte die Hagiographie ein wichtiges literarisches Genre dar, das in zahlreiche Unterkategorien aufgeteilt wurde. Zu den  berühmtesten hagiographischen Sammlungen zählt die ''Legenda aurea'', die Goldene Legende, die im 13. Jh. von Genueser Bischof Jacobus de Voragine verfasst wurde. Die ''Legenda aurea'' popularisierte u.a. die bekannte Geschichte von Georg, dem Drachentöter. Im Unterschied zu sogenannten „kanonischen Texten“ wird in der hagiographischen Literatur freier mit Überlieferungen umgegangen, Wunder werden typischerweise reich ausgeschmückt, Details, die nicht zur Vorbildrolle des oder der Heiligen passen, hingegen weggelassen. Trotz aller Wundergeschichten muss eine Hagiographie ihre Protagonisten aber auch geschichtlich verankern, d.h. es ist wichtig, dass Ort und Zeit der Geburt, Familie, die persönliche Entwicklung und der Tod des Protagonisten erwähnt werden. Die angestrebte Historizität unterscheidet Hagiographien von Mythen und Märchen.  
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Der Ausdruck „Hagiographie“ (Aufzeichnung von Heiligen) entstammt der christlichen Tradition, in der Heilige bekanntlich einen ganz besonderen Stellenwert einnehmen. Im frühen Christentum stellte die Hagiographie ein wichtiges literarisches Genre dar, das in zahlreiche Unterkategorien aufgeteilt wurde. Zu den  berühmtesten hagiographischen Sammlungen zählt die ''Legenda aurea'', die Goldene Legende, die im 13. Jh. von Genueser Bischof Jacobus de Voragine verfasst wurde. Die ''Legenda aurea'' popularisierte u.a. die bekannte Geschichte von Georg, dem Drachentöter. Im Unterschied zu sogenannten „kanonischen Texten“ wird in der hagiographischen Literatur freier mit Überlieferungen umgegangen, Wunder werden typischerweise reich ausgeschmückt, Details, die nicht zur Vorbildrolle des oder der Heiligen passen, hingegen weggelassen. Trotz aller Wundergeschichten versuchte die christliche Hagiographie aber auch ihre Protagonisten geschichtlich zu verankern, d.h. es war wichtig, dass Ort und Zeit der Geburt, Familie, die persönliche Entwicklung und der Tod des Protagonisten erwähnt werden.  
  
In einem engen Sinn bezieht sich „Hagiographie“ auf christliche Literatur (in der japanischen Wikipedia, zum Beispiel, wird der Begriff mit dem Ausdruck ''seijinden'' 聖人伝 übersetzt und ausschließlich auf christliche Heiligenlegenden und -biographien bezogen). Doch gibt es sehr verwandte Phänomene auch in anderen religiösen Traditionen. Religionswissenschaftlich kann „Hagiographie“ daher auf alle religiösen Biographien bezogen werden, denen ein missionarisches oder didaktisches Interesse unterstellt werden kann. In diesem Sinne kann z.B. auch das Neue Testament (also die Biographie Jesu) als hagiographisch bezeichnet werden, obwohl dies nicht mit der traditionellen christlichen Verwendung des Begriffs übereinstimmt. Schließlich muss Hagiographie im weiteren Sinne nicht unbedingt die Form einer Biographie besitzen, sondern kann sich nur auf die „heiligen“ Aspekte der oder des Protagonisten beschränken. Auch Bilder können in diesem Sinne hagiographisch sein.
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In einem engen Sinn bezieht sich „Hagiographie“ also auf christliche Heiligenlegenden (in der japanischen Wikipedia, zum Beispiel, wird der Begriff mit dem Ausdruck ''seijinden'' 聖人伝 übersetzt und ausschließlich auf christliche Heiligenbiographien bezogen). Doch gibt es sehr verwandte Phänomene auch in anderen religiösen Traditionen. Religionswissenschaftlich kann „Hagiographie“ daher auf alle religiösen Biographien bezogen werden, denen ein missionarisches oder didaktisches Interesse unterstellt werden kann. In diesem Sinne kann z.B. auch das Neue Testament (also die Biographie Jesu) als hagiographisch bezeichnet werden, obwohl dies nicht mit der traditionellen christlichen Verwendung des Begriffs übereinstimmt. Schließlich muss Hagiographie im weiteren Sinne nicht unbedingt die Form einer Biographie besitzen, sondern kann sich nur auf die „heiligen“ Aspekte der oder des Protagonisten beschränken. Auch Bilder können in diesem Sinne hagiographisch sein.
  
 
== Buddhistische Hagiographien ==
 
== Buddhistische Hagiographien ==

Version vom 28. September 2016, 15:23 Uhr

Der Ausdruck „Hagiographie“ (Aufzeichnung von Heiligen) entstammt der christlichen Tradition, in der Heilige bekanntlich einen ganz besonderen Stellenwert einnehmen. Im frühen Christentum stellte die Hagiographie ein wichtiges literarisches Genre dar, das in zahlreiche Unterkategorien aufgeteilt wurde. Zu den berühmtesten hagiographischen Sammlungen zählt die Legenda aurea, die Goldene Legende, die im 13. Jh. von Genueser Bischof Jacobus de Voragine verfasst wurde. Die Legenda aurea popularisierte u.a. die bekannte Geschichte von Georg, dem Drachentöter. Im Unterschied zu sogenannten „kanonischen Texten“ wird in der hagiographischen Literatur freier mit Überlieferungen umgegangen, Wunder werden typischerweise reich ausgeschmückt, Details, die nicht zur Vorbildrolle des oder der Heiligen passen, hingegen weggelassen. Trotz aller Wundergeschichten versuchte die christliche Hagiographie aber auch ihre Protagonisten geschichtlich zu verankern, d.h. es war wichtig, dass Ort und Zeit der Geburt, Familie, die persönliche Entwicklung und der Tod des Protagonisten erwähnt werden.

In einem engen Sinn bezieht sich „Hagiographie“ also auf christliche Heiligenlegenden (in der japanischen Wikipedia, zum Beispiel, wird der Begriff mit dem Ausdruck seijinden 聖人伝 übersetzt und ausschließlich auf christliche Heiligenbiographien bezogen). Doch gibt es sehr verwandte Phänomene auch in anderen religiösen Traditionen. Religionswissenschaftlich kann „Hagiographie“ daher auf alle religiösen Biographien bezogen werden, denen ein missionarisches oder didaktisches Interesse unterstellt werden kann. In diesem Sinne kann z.B. auch das Neue Testament (also die Biographie Jesu) als hagiographisch bezeichnet werden, obwohl dies nicht mit der traditionellen christlichen Verwendung des Begriffs übereinstimmt. Schließlich muss Hagiographie im weiteren Sinne nicht unbedingt die Form einer Biographie besitzen, sondern kann sich nur auf die „heiligen“ Aspekte der oder des Protagonisten beschränken. Auch Bilder können in diesem Sinne hagiographisch sein.

Buddhistische Hagiographien

Entsprechend der weiteren Definition von Hagiographie wäre auch das Leben des Buddha, wie es im Buddhismus überliefert wird, eine hagiographische Erzählung.[1] Es gibt darüber hinaus aber auch eine ganze Reihe von buddhistischen „Heiligen“ deren Leben in hagiographischen Sammlungen überliefert wurden. Zu diesen zählen:

Indien und Tibet

  • Buddhacarita (Taten des Buddha), Aśvaghoṣa (2. Jh. u.Z.)
  • Die 84 siddhas (Robinson 1996)

China

In China etabliert sich schon früh ein buddhistisch-hagiographisches Genre (Kieschnick_1997), vertreten durch Werke wie

  • Huijiao 慧皎 (497–554): Biographies of Eminent Monks (Gaoseng zhuan 高僧伝),
  • Daoxuan 道宣 (596–667): Further Biographies of Eminent Monks (Xu gaoseng zhuan 続高僧伝)
  • Zanning 賛寧 (919–1001): Song Biographies of Eminent Monks (Song gaoseng zhuan 宋高僧伝)

Japan

Verweise

Anmerkungen

Literatur

  • John Kieschnick 1997
    The eminent monk: Buddhist ideals in medieval Chinese hagiography. Honolulu: University of Hawai'i Press 1997. (UB-link: http://ubdata.univie.ac.at/AC02921100.)
  • James Burnell Robinson 1996
    The Lives of Indian Buddhist Saints: Biography, Hagiography and Myth.“ In: Jose Ignacio Cabezon, Roger R. Jackson (Hg.), Tibetan Literature: Studies in Genre. (Studies in Indo-Tibetan Buddhism.) Ithaca, NY: Snow Lion 1996, S. 57–69..
  • Peter Schalk, Max Deeg, Oliver Freiberger, Christoph Kleine, Astrid van Nahl (Hg.) 2010
    Geschichten und Geschichte: Historiographie und Hagiographie in der asiatischen Religionsgeschichte. Uppsala: Acta Universitatis Upsaliensis 2010.