Etappen und Ziele dieses Wiki-Projekts

Aus Kamigraphie
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Kamigraphie ist ein Wiki-Projekt zur Ikonographie und Ikonologie japanischer Gottheiten (kami) im weitesten Sinne. D.h. es geht auch um Gottheiten, die nicht in Japan entstanden sind, sondern aus anderen Kulturen importiert wurden und die japanischen Gottesvorstellungen beeinflussten. Im besonderen sind dies Wächtergottheiten des Buddhismus, die mit diesem zusammen aus Indien übernommen wurden. „Graphie“ impliziert, dass Bildquellen eine besondere Rolle in diesem Projekt spielen. Der Fokus liegt jedoch auch auf den Erzählungen, die sich aus den Bildern und den sie begleitenden Texten herauslesen lassen, also auf der Ikonologie. Je nach Gottheit und Quellenlage wird in manchen Fällen mehr auf visuelle, in anderen mehr auf textliche Quellen zurückzugreifen sein.

Das Projekt wird in Form sukzessiver Lehrveranstaltungen vor allem von Studierenden erstellt. Bisher wurden folgende Teilprojekte realisiert:

Wintersemester 2011

Der erste Projektabschnitt wurde von Studierenden der Japanologie an der Universität Wien im Wintersemester 2011/2012 gestaltet.

Kamigraphie, die visuelle Darstellung japanischer Gottheiten

Themenstellung:

In diesem Seminar soll ein Überblick über die ikonographischen Repräsentationen japanischer Gottheiten (Kami) erarbeitet werden. Da es im Shinto keine kanonischen Texte gibt, die Aussehen und Natur der Kami allgemein verbindlich beschreiben, soll die ikonographische Analyse Rückschüsse auf eben diese Fragen erlauben. Vor allem soll auf die diachronen (historischen) Veränderungen des Kami-Bildes eingegangen werden.

Eine Schwierigkeit besteht in der grundsätzlich an-ikonographischen Tradition der meisten Schreine. D.h. Kami werden grundsätzlich nicht dargestellt, sondern durch Objekte (shintai 神体) repräsentiert, die "eingeschreint" werden und daher nicht sichtbar sind. Diese "Ikonographie der Absenz" deckt sich im übrigen mit der Repräsentation (vormoderner) weltlicher Herrscher. In beiden Fällen scheint der Grundsatz zu bestehen: Je höher der Status, umso stärker wird die Gottheit/ die Autorität den Blicken gewöhnlicher Menschen entzogen.

Unter "Kamigraphie" sollen daher auch die Formen der Verhüllung von Kami berücksichtigt werden, also z.B. Schreinbauten und temporäre "Fortbewegungsmittel" (mikoshi 神輿, Göttersänften).

Tatsächlich ist jedoch auch das Prinzip ikonographischen Absenz starken historischen Veränderungen unterworfen. Vor allem die reiche und detailliert kodifizierte buddhistische Ikonographie hat auch vor der Kami-Darstellung nicht halt gemacht. Aus heutiger Sicht scheint es jedenfalls, als ob die Kami erst unter der Lupe der buddhistischen Ikonographie anthropomorphe Gestalt angenommen hätten. Dennoch bleibt in den meisten Fällen ein sichtbarer "semantischer" Unterschied zwischen Kami- und Buddha-Pantheon bestehen. In diesem Seminar wird es auch darum gehen, diesen Unterschied herauszuarbeiten, was bedeutet, dass die buddhistische Ikonographie bis zu einem gewissen Grad mitberücksichtigt werden muss.

Sommersemester 2012

Im Sommersemester 2012 wurde das Projekt im Rahmen von zwei Lehrgängen an der Religionswissenschaft der Universität Göttingen in neue Richtungen erweitert:

Mythologie

Themenstellung:

Die japanische Mythologie, insbesondere in den Fassungen der ältesten japanischen Schriften aus dem achten Jahrhundert, wird oft als Kern des Kami-Glaubens bzw. des Shinto und damit als einzigartiges japanisches Kulturerbe angesehen. Insofern sind die mythologischen Gestalten dieser Texte naturgemäß Teil des Kamigraphie-Projekts. Im Unterschied zum Selbstbild des Shinto sind die Gestalten und Geschichten der japanischen Mythologie aber nicht ohne Parallelen in anderen Kulturen. Außerdem ist in letzter Zeit ein geschärftes Bewusstsein für die politischen Funktionen von und politisch motivierte Eingriffe in die mythologische Erzählung entstanden. Beide Aspekte, die Parallelen in anderen Kulturen und die spezifischen herrschaftsstabilisierenden Besonderheiten, sollen in diesem Projektabschnitt thematisiert werden. Die generelle Funktion von Mythen und die Aspekte, unter denen sie untersucht werden (können), stellen die übergeordneten Fragen dar.

Buddhistische Randfiguren

Themenstellung:

Zahlreiche Kami wie etwa die Glücksgotter Bishamon-ten, Benzaiten und Daikoku-ten lassen sich eindeutig auf indische Deva-Gottheiten zurückführen, die vom Buddhismus übernommen und über diesen auch in Japan heimisch wurden. Ähnliche Entwicklungen lassen sich in allen buddhistisch geprägten Kulturen finden. Manche dieser ehemals indischen Figuren scheinen mit ihren furchteinflößenden Zügen im Widerspruch zum friedvollen Image der buddhistischen Religion zu stehen. Andere bringen das geläufige Klischee der buddhistischen Weltabgewandtheit durch betont dieseitsbezogene, auf materiellen Wohlstand ausgerichtete Funktionen ins Wanken. Anhand von Einzelstudien, deren Fokus auch außerhalb Japans liegen kann, sollen diese scheinbaren Widersprüche thematisiert werden. Dabei soll auch der Umgang des Buddhismus mit bzw. sein Verhältnis zu lokalen Religionen Konturen gewinnen.