Meiji Restauration

Aus Kamigraphie
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Historische Entwicklung

Meiji Tennō (offizielles Portrait von E. Chiossone, 1888)

1868 endete in Japan die Herrschaft der Shogune, der Tennō beendete sein abgeschiedenes Leben in Kyoto und übernahm wieder eine aktivere Rolle in der Politik. Bis dahin hatten die Shogune geherrscht und der Kaiser war für die meisten Japaner kaum noch von Bedeutung, wenn sie sich überhaupt seiner Existenz im klaren waren. Selbst zu Zeiten der größten Kontinuität, in der Edo-Periode (Tokugawa-Periode 1615–1867), hatten die Shogune es nicht gewagt, den Tennō abzusetzen, da sie ihn für die Legitimierung ihrer Herrschaft benötigten. Was in Europa die Legitimation durch Gottes Gnaden war, geschah in Japan durch den Tennō. Daher ließ sich jeder Shogun durch ihn im Amt bestätigen.

Seit Matthew C. Perry 1853 mit seiner Flotte die Öffnung des durch innere und äußere Krisen bereits geschwächten Landes erzwang, gewannen patriotische Strömungen unter dem Slogan sonnō jōi („ehrt den Kaiser, verjagt die Barbaren“) immer mehr Einfluss und trugen schließlich mit zum Zusammenbruch des Systems bei. In Folge des politischen Umbruchs wurde die Residenz des Meiji Tennō von Kyoto nach Edo, in die Stadt der Shogune, verlegt, die man daraufhin in Tokyo („kaiserliche Residenzstadt im Osten“) umbenannte. Dies war der Beginn der Meiji-Restauration, einer Phase der japanischen Geschichte, die von rasanten Entwicklung geprägt war und die Voraussetzungen dafür lieferte, dass sich der ehemalige Feudalstaat in die heutige Wirtschaftsnation entwickeln konnte.

Dem Wechsel der Hauptstadt folgte schnell eine Vielzahl weiterer Reformen. Unter anderem wurden Privilegien der Samurai abgeschafft und die Grundsteuern von Naturalabgaben in eine Geldsteuer umgewandelt, um den neuen Staat mit den nötigen finanziellen Mitteln zu versorgen. Des Weiteren gab es eine Bodenreform und die Einführung einer allgemeinen Wehrpflicht. Damit das Land nicht gänzlich im Chaos der Veränderung versank, war die Regierung zunächst bemüht, die Situation praktisch zu stabilisieren, ehe das neue System staatstheoretisch untermauert werden konnte. Eine vom Westen anerkannte Verfassung war aber ein wichtiger Schritt, um als gleichberechtigter Handelspartner angesehen zu werden. Eine solche Verfassung trat jedoch erst 1889 in Kraft, mehr als zwei Jahrzehnte nach Beginn der Reformen. Die Politiker sahen sich bei der Suche nach einem geeigneten Konzept, dass als Grundlage für die Verfassung dienen konnte, in den westlichen Ländern um. Letztendlich befand man dann die deutsche Verfassung für am besten geeignet. In anderen wichtigen Bereichen suchte sich die japanische Regierung ihre Experten in anderen europäischen Ländern, so orientierte man sich beim Aufbau einer Flotte an England und dem Aufbau der Armee an Frankreich.


Im Verlauf der Meiji-Restauration wurde die Figur des Kaiser in der stark hierarchischen Gesellschaft zu einem personifizierten Japan, damit wurde die Loyalität ihm gegenüber wichtiger Bestandteil des „Japanertums“. Derartige Vorstellungen führten mit dazu, dass sich im Zweiten Weltkrieg so viele Japaner bereitwillig für ihren Gott-Kaiser in den Tod stürzten.

Religiöse Veränderungen

Temizuya des Meiji Schreins

Die nationalistisch-patriotische Bewegung, die den Tennō wieder in den Blickpunkt der Politik gebracht hatte, war eng mit shintoistischen Strömungen verwoben, die eine Reinigung des Shinto von buddhistischen Einflüssen anstrebten. Sie wollten saisei itchi herbeiführen – die Vereinigung von Kult und Herrschaft. Da die Macht des Tennō zu großen Teilen in den Legenden des Shinto fußte, war es zwangsläufig notwendig, mit dem Tennō auch den Shinto wieder stärker in den Fokus zu rücken.

Seit seiner Ankunft in Japan hatte der Buddhismus zunehmend die religiöse Vorherrschaft übernommen und auch den Shinto stark beeinflusst. Diese Einflüsse wollte man nun so schnell wie möglich beseitigen, um wieder zu einem „Ur-Shinto“ zurückzukehren. In einigen Regionen kam es in diesem Zusammenhang zu regelrechten Tempelstürmungen, bei denen Kult- und Kunstgegenstände zerstört wurden. Von der Regierung wurde das jingikan, das Amt für Schreinwesen gegründet. Dessen Bedeutung, Kompetenzen und auch Name änderten sich im Laufe der Jahre mehrfach. Es lief jedoch immer darauf hinaus, dass der Shinto von einer staatlichen Stelle aus geleitet und organisiert wurde. Damit wurde er unter den anderen im Land verbreiteten Religionen herausgehoben.

Um Struktur in das neue System zu bringen, wurden alle Schreine in eine Hierarchie eingeordnet, an deren Spitze der Ise-Schrein stand. Außerdem wurde festgelegt, dass jeder Bürger Mitglied in einer Schreingemeinde werden musste. Da diese Regelung kaum einen praktischen Nutzen hatte, wurde sie allerdings bald wieder aufgehoben. Um saisei itchi umzusetzen, wurde der Shinto zur Staatsreligion erhoben.


„[D]er Shinto in seiner Form als Staatsreligion [stellte] eine ideale Verständnis-Matrix für die Modernisierung Japans bereit. Dank der ihm eigenen Kombination von inhaltlicher Leere mit einer Betonung des äußeren Rahmens bekräftigte und erneuerte er die Anschauungen, mittels derer fremde Konzepte und Systeme in Japan rezipiert werden konnten, ohne die eigene Identität zu beeinträchtigen.“ -- Lokowandt 2001, S. 48–51.


Shinto als Staatsreligion funktionierte jedoch nur bedingt, unter anderem aufgrund der erwähnten „inhaltlichen Leere“. Außerdem steht der Gedanke einer Staatsreligion im Widerspruch zu der Verfassung von 1889, die Religionsfreiheit festschrieb, wenn auch hauptsächlich als Zugeständnis an den Westen. Dort wollte man sicher gehen, dass es keine Verfolgung der japanischen Christen gab. Um also der Verfassung gerecht zu werden, erklärte die Regierung, der Shinto sei keine Religion. Diese Erklärung schloss jedoch nicht die dreizehn offiziell anerkannten „Shinto-Sekten“ mit ein. Sie konnten weiterhin als Religion praktiziert werden, solange sie verfassungskonform waren. Der Shinto dieser Zeit wird wegen seiner Instrumentalisierung durch die Politik meist auch als „Staats-Shinto“ bezeichnet.


Veränderung der Wissenschaft

Auch in der Wissenschaft richtet sich Japan in dieser Zeit stark am Westen aus, Experten aus den westlichen Ländern sollten Japan helfen, seinen Entwicklungsrückstand so schnell wie möglich aufzuholen. Diese Experten nannte man in Japan oyatoi gaikokujin お雇い外国人 („angestellte Ausländer“). An der Universität von Tokyo waren Ende des 19. Jahrhunderts etwa 100 oyatoi gaikokujin beschäftigt.

Japanische Götter und moderne Medizin kämpfen gemeinsam gegen Krankheiten. S.a. Seuchengötter.

Besonders in der Medizin wurde dabei großes Vertrauen in deutsche Wissenschaftler gesetzt. 1870 bat die japanische Regierung den preußischen Ministerresidenten Max von Brandt, bei seiner Regierung um die Entsendung zweier Ärzte nach Japan zu ersuchen. Diese sollten innerhalb von drei Jahren die Medizinschule in Tokyo nach deutschem Vorbild aufbauen. Von Brandt riet seiner Regierung damals „zwei Obermilitärärzte zu entsenden, weil dieselben als der Kriegerkaste angehörig, Aussichten hätten, gleich von vorneherein höheres Ansehen zu genießen“. Diesem Ratschlag folgend entsandte die mittlerweile deutsche Regierung 1871 Oberstabsarzt Leopold Müller und Marinestabsarzt Theodor Hoffmann nach Japan.

Die Verträge der oyatoi gaikokujin wurden meistens über zwei bis drei Jahre abgeschlossen und in der Regel danach nicht mehr verlängert. In vielen Fällen bestand auch von Seiten der Europäer wenig Interesse, diese Verträge zu verlängern, da sie sich in der japanischen Gesellschaft unwohl fühlten. Einige oyatoi gaikokujin wie der deutsche Arzt Erwin Baelz oder der italienische Druckgraphiker Eduardo Chiossone (verantwortlich für das Design der ersten japanischen Banknoten oder das offizielle Portrait des Tenno) blieben jedoch bis ins hohe Alter bzw. bis an ihr Lebensende in Japan.

Literatur

  • Susanne Germann: Ein Leben in Ostasien: Die unveröffentlichten Reisetagebücher des Arztes, Anthropologen und Ethnologen Erwin Baelz (1849–1913), Schriftenreihe des Archivs der Stadt Bietigheim-Bissingen Band 6, Bietigheim-Bissingen, Bonn 2006
  • Wilhelm Gundert: Japanische Religionsgeschichte. Die Religionen der Japaner und Koreaner in geschichtlichem Abriß dargestellt, Stuttgart 1943
  • Thomas P. Kasulis: Shinto: The way home, Honolulu 2004
  • Ernst Lokowandt: Shinto. Eine Einführung, Tokyo, München 2001
  • Manfred Pohl: Geschichte Japans, 4., aktualisierte Auflage, München 2008
  • Heinz Vianden: Deutsche Ärzte im Japan der Meiji-Zeit, in: Deutschland – Japan. Historische Kontakte, hrsg. Kreiner, Josef, Bonn 1984