Krankheiten in Altertum, Mittelalter und Neuzeit

Aus Kamigraphie
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Altertum (kodai, 300–1185)

Das Altertum repräsentiert die erste Epoche der japanischen Geschichte, für die gesicherte Aufzeichnungen über Krankheiten nachgewiesen sind. So gestaltet sich die Rikkokushi, die sechsbändige Reichschronik, als unersetzliche Grundlage zur Rekonstruktion der Bevölkerungsstruktur und damaliger Epidemien. Neben der etablierten Gliederung des Altertums in die durch politische Prozesse determinierten Abschnitte basiert die hier angewandte Strukturierung vornehmlich auf der von William Farris 1993 in seinem Artikel „Diseases of the premodern period in Japan“ präsentierten Einteilung in durch Charakteristika der Krankheiten definierte Phasen[1]. Farris’ Einteilung ermöglicht ein strukturiertes, aber gleichzeitig holistisches Vorgehen, da weder scharfe Trennlinien basierend auf politischen Zäsuren, die für Epidemien allenfalls geringe Relevanz hatten, gezogen werden, noch zwischen verschiedenen Krankheiten, was auch die Betrachtung deren Interaktion ermöglicht.

Kofun/Asuka-Zeit (300–710) = 1. Phase

Japans Insellage bildete eine natürliche Barriere gegen den Import von Krankheiten vom asiatischen Festland und gestattete so während der Bronze- und Eisenzeit (200 v. Chr. bis 300 n. Chr.) sowie der ersten Hälfte der Kofun-Zeit (bis etwa 500) ein Bevölkerungswachstum und insbesondere auch einen Anstieg der Bevölkerungsdichte, der den Nährboden für die Epidemien der Kofun-Zeit bot[2].

Die ältesten Aufzeichnungen über Epidemien finden sich im 6. Jhd., in dem mit zwei im Nihon shoki 日本書紀 beschriebenen Krankheitsausbrüchen von 552 (Epidemie nachdem Kinmei Tennō Soga no Iname angewiesen hatte, einem Bildnis Buddhas zu huldigen[3]) bzw. 585 (Epidemie nachdem Bidatsu Tennō Soga no Umako angewiesen hatte, ein Bildnis Buddhas zu verehren[4]) die auf die Einführung und Verehrung von buddhistischen Devotionalien bzw. der Religion an sich zurückgeführt werden. Als ursächlicher Zusammenhang wird nach modernem medizinischem Verständnis jedoch nicht eine strafende Gesinnung shintoistischer Gottheiten, vielmehr die Zunahme der Kontakte mit anderen Ländern betrachtet, als deren Folge neben der Einfuhr und Übernahme fremder Kulturpraktiken auch die Einschleppung von bis dato nicht aufgetretenen Krankheiten zu nennen ist. Mangels exakter Beschreibungen der Symptome ist jedoch eine eindeutige Identifikation der Art der Erkrankung nicht möglich; mitunter wird die Epidemie von 585 teilweise als erstes Auftreten der Pocken in Japan oder als Masern interpretiert[5].

Abgesehen von den zwei oben genannten und einer im Jahre 698 sind für diese Epoche keine weiteren Epidemie dokumentiert[6]. Ob dies den Tatsachen entspricht oder vielmehr einer unvollständigen Aufzeichnung geschuldet ist, kann nicht mit Gewissheit beantwortet werden, der intensive Austausch Japans mit China im 6. und 7. Jhd. und das einhergehende Ausbreitungspotential von Krankheiten lässt jedoch Letzteres vermuten.

Neben einer allfälligen Unvollständigkeit ist ein weiteres gravierendes Problem dieser frühen Zeit die mangelnde Präzision der Quellen, die keine akkuraten oder reliablen Aussagen über Epidemien zulässt. So wird weder auf das Ausmaß detailliert eingegangen – vielmehr finden sich Formulierungen wie „Provinz X betroffen“ oder „das ganze Land betroffen“ – noch konkrete Todeszahlen angegeben. Weiters fehlt es in vielen Fällen an einer Identifikation der Krankheiten oder an einer hinreichend genauen Beschreibung der Symptome, sodass in retrospektiver Betrachtung die Krankheit bestimmt werden könnte[7].

Der folgende Auszug aus dem Shoku Nihongi soll dies illustrieren:
『続日本紀』巻一文武二年(六九八)
三月丁夘〈七〉丁夘。
越後國言疫。給醫藥救之。

„7th day. Echigo reported epidemic disease, this was remedied by granting medicine.“[8]

Der Vermerk dokumentiert die Meldung einer Epidemie in der Provinz Echigo, der durch Bereitstellung von Medizin Abhilfe geschaffen wurde. Hierbei handelt es sich um den einzigen Eintrag zu dieser Epidemie; weitere Informationen stehen nicht zur Verfügung, wodurch eine Rekonstruktion der Ursachen, des Verlaufs sowie der Folgen nicht realisierbar ist.

Nara-Zeit (710–794), frühe und mittlere Heian-Zeit (794–1050) = 2. Phase

Diese Phase unterscheidet sich deutlich von der vorangegangenen Kofun-Zeit. Beginnend mit dem 8. Jhd. stieg die Frequenz an Epidemien erheblich an. Aufgrund intensiveren Kontakts mit den Nachbarländern und mangels Immunitäten in der Bevölkerung kommt es zu zahlreichen verheerenden Epidemien, der große Teile der Bevölkerung zum Opfer fielen, vor allem Erwachsene, und die weitere massive Einflüsse auf Gesellschaft, Landbesitz, Steuersystem, ökonomische Entwicklung, Arbeit, Religion, Literatur und diverse weitere Aspekte des Lebens ausübten.[9]

Wegen unzureichender Beschreibungen der Krankheiten konnten von Historikern jedoch nur fünf mit Gewissheit identifiziert werden: Pocken, Masern, Influenza, Mumps und Ruhr. Deren dokumentierte Epidemien werden im Folgenden angeführt[10]:

  • Pocken: 735–737, 790, 812–814, 853, 915, 947, 974, 993–995, 1020, 1036
  • Masern: 998, 1025. Eine sichere Differenzierung zwischen Masern und Pocken in dieser Zeit kann jedoch nicht als gegeben angenommen werden.
  • Influenza: 862–864, 872, 920, 923, 993, 1015. Anders als Pocken und Masern, die am aktivsten von Frühling bis Herbst waren, trat Influenza meist im Winter auf. Die Zahl der Todesopfer war im Vergleich geringer.
  • Mumps: 959, 1029. Betroffen war v. a. die Hauptstadt Heian.
  • Ruhr: 861, 915, 947. Ruhrepidemien traten im Spätsommer oder Herbst und zumeist in Verbindung mit anderen Epidemien wie den Pocken in Erscheinung.

Anhand der Schilderungen im Makura no sōshi 枕の草子 von Sei Shōnagon 清 少納言 kann zudem auf die Existenz von Tuberkulose, Beriberi (diverse aus einem Mangel an Thiamin resultierende Krankheitsbilder) und Malaria geschlossen werden[11].

Die Pockenepidemie von 735–737

Als verheerendstes Ereignis dieser Zeit gilt die Pockenepidemie von 735–737, die sich, von einem koreanischen Fischer eingeschleppt, ausgehend von ihrem Epizentrum in Dazaifu, Nordkyushu, bis in den Osten Japans ausbreitete und im Verlauf von drei Jahren zwischen 25 und 35 Prozent der japanischen Bevölkerung dahinraffte. Die in den vorangegangenen Jahren erlittenen Missernten begünstigten den Verlauf, was sich auf einen reduzierten Gesundheitszustand der allgemeinen Bevölkerung infolge des Nahrungsmittelmangels zurückführen lässt.[12][13]

Charakteristisch für diese Epidemie ist die hohe Mortalität unter Erwachsenen, was auf den ersten Ausbruch der Pocken schließen lässt und gegen die vorhin angeführten Theorien über das erstmalige Auftreten im 6. Jht. spricht[14]. Aufgrund der hohen Todeszahlen gilt sie als Pendant zu den Pestausbrüchen, die den europäischen Kontinent im 14. Jhd. heimsuchten.

Sie unterscheidet sich insofern von vorangegangenen Epidemien als für sie sehr umfangreiche, präzise und auch konsistente Aufzeichnungen, z. B. im Shoku Nihongi, existieren, worin sie eindeutig als Pocken identifiziert werden.

Neben aussichtslosen Versuchen, der Plage Herr zu werden, wie der Bereitstellung von Medizin – wobei „Medizin“ in dieser Epoche als Kräutersude zu verstehen ist – wurden aus epidemiologischer Sicht auch überaus sinnhafte Maßnahmen wie die Absage von Festen oder anderen Großveranstaltungen angeordnet[15].

Einflüsse auf die japanische Bevölkerung

Der Einfluss dieser Epidemien auf die damalige japanische Gesellschaft gestaltete sich als mannigfaltig, wobei u. a. folgende Aspekte angeführt werden können:[16]

  • stagnierende Bevölkerungsentwicklung
  • Aufgabe einer dörflichen Verwaltungsebene
  • gebremste landwirtschaftliche Produktion
  • Anstieg der Migration
  • Arbeitskräftemangel
  • steigende Ungleichverteilung der Einkommen
  • Wandel von Gouverneuren zu Steuerpächtern
  • Ausbreitung des Buddhismus
  • mono no aware 物の哀れ in der Literatur

Späte Heian-Zeit (1050–1185) = 3. Phase

In der späten Heian-Zeit reduzierten sich die Auswirkungen der Krankheiten auf die japanische Bevölkerung, einerseits durch weniger gravierende Epidemien, andererseits durch eine geringere Frequenz (Abnahme von durchschnittliche einer Epidemie alle 2,9 Jahre auf eine Epidemie alle 4,2 Jahre). Viele Krankheiten wurden endemisch, womit auch ein Wandel zu Kinderkrankheiten einherging. Influenza hingegen zeigte mangels einer Resistenzentwicklung und aufgrund des kälteren und feuchteren Klimas eine zu Pocken und Masern konträre Entwicklung; so waren die Epidemien verheerender als in den vergangenen Phase, was mitunter auf das kältere und feuchtere Wetter zurückzuführen ist. Mit Lepra, Tuberkulose, Hepatitis und Malaria gewannen weitere Krankheiten an Bedeutung. Epidemien sind für die folgenden Jahre dokumentiert:[17]

  • Pocken: 1072, 1085, 1093–1094, 1113, 1126, 1143, 1161, 1175, 1177
  • Masern: 1077, 1093–1094, 113, 1127, 1163
  • Influenza: 1150
  • Ruhr: 1077, 1144

Mittelalter (chūsei 中世 1185-1600)

Als japanisches Mittelalter wird gemeinhin die Zeit nach der Heian, mit der Verlegung der Hauptstadt nach Kamakura durch das Shōgunat, und vor der Edo-Zeit angesehen.

Für die weitere Abhandlung in Bezug auf Krankheiten, soll nicht die sonst übliche Einteilung, verwendet werden, sondern die von William Wayne Farris verwendet werden, da diese sich näher and den entscheidenden Tendenzen des Bevölkerungswachstums orientiert und diese besser widerspiegelt. Die betrachteten drei Abschnitte sind wie folgt: Frühe Mittelalter (1150-1280), „Muromachi Optimum“ (1280-1450) und die Zeit der streitenden Reiche (1450-1600).

Das Bevölkerungswachstums bleibt wie auch schon in den Zeitaltern davor, zu Beginn des Mittelalters in einer gewissen Stasis, gewinnt aber ab 1280 langsam Momentum, u.a. durch Rückgang der Virulenz von Infektionskrankheiten (vor allem Pocken), Verbesserungen der Agrarwirtschaft und Anbau, sowie zu Ende der Periode einer Stabilisierung der Staatsgewalt. [18] So wird die Bevölkerung um 1150 auf ca. 5,5-6,3 Millionen geschätzt und hat sich zu Beginn der Edo-Zeit um 1600 mehr als verdoppelt auf geschätzte 15-17 Millionen. [19]

Es wird im weiteren Zusammenhang immer von „Japan“ gesprochen, es gilt jedoch zu beachten, dass dies meist Hokkaidō und Ryūkyū ausschließt, da zu diesen Regionen, wenn überhaupt, kaum Daten vorliegen.

Frühe Mittelalter (1150-1280) = 1. Phase

Da es zu dieser Zeit noch keinen Zensus zur Bevölkerung gibt, kann nur indirekt auf die Bevölkerungsanzahl geschlossen werden, wird aber mit 5,7 bis 6,2 Millionen für das späte 13. Jahrhundert angesetzt. Die urbane Bevölkerung, die sich hauptsächlich auf Kyoto und Kamakura verteilte, dürfte um die 200.000 Personen betragen haben. [20]

Epidemien

Neben Epidemien waren Hungersnöte und Kriege entscheidende wachstumshemmende Faktoren in dieser Phase. Jedoch kommt es betreffend Infektionskrankheiten zu einer entscheidenden Änderung der Struktur, die sich von einer die gesamte Bevölkerung betreffenden Krankheit, langsam zu einer „Kinderkrankheit“ entwickelt. Epidemien werden also endemisch durch eine vermehrte Immunität (Ausnahme Influenza, für die keine Immunität erworben werden kann) und wirken daher weniger sozial, politisch und ökonomisch disruptiv. Die Ausbrüche sind daher seltener überregional und meist weniger tödlich.

Die unten angegebenen Jahre sind die Daten zu denen gesicherte Daten existieren. Epidemien in dieser Phase dürften relativ regelmäßig aufgetreten sein und größere Lücken lassen eher auf eine mangelnde Datenlage schließen.

  • Pocken: 1292, 1206-1207, 1225, 1235, 1243, 1262
  • Masern: 1206, 1224, 1227, 1256
  • Influenza: 1232
  • Ruhr: 1240, 1243, 1256, 1260

Hungersnöte und Kriege

Stärkere Einschnitte verursachten in dieser Periode Hungersnöte (Yōwa-, Kangi-, Shōga-Hungersnot), ausgelöst einerseits durch die wachsende politische Instabilität, Krieg oder ungünstige Wetterverhältnisse. Diese sind insofern entscheidend, da das letzten Stadium des Hungertodes starke Ähnlichkeiten mit Krankheiten aufweist und daher oft mit diesen in Zusammenhang gebracht wurde,[21] und überdies einen schwereren Verlauf von Infektionskrankheiten begünstigt.
Des Weiteren war eine Mangelernährung der unteren Bevölkerungsschichten weit verbreitet und staatliche oder Religiöse Institutionen lieferten kaum Unterstützung zur Linderung von Hungersnöten, deswegen waren hohe Opferzahlen zu beklagen. Die dadurch entstanden Arbeitskräftemängel hatten auch später nach Normalisierung der Situation weitreichende Auswirkungen. [22]

  • Yōwa-Hungersnot 1180–1182 (ausgelöst durch anhaltende Trockenheit und erschwert durch anhaltende, kriegerische Konflikte)
  • Kangi-Hungersnot 1229–1232 (ausgelöst durch kälteres Wetter und anhaltende Regenfälle; die sozialen, ökonomischen und politischen Auswirkungen waren über Jahrzehnte bemerkbar)
  • Shōga-Hungersnot 1257–1260 (auch ausgelöst durch kälteres und feuchteres Wetter)

Kriege hatten auf eine Reduktion der Bevölkerungszahlen eine geringere direkte Auswirkung, erwiesen sich jedoch oft als unterstürzender Faktor für Hungersnöte aufgrund der Plünderungen, zur Bedarfsdeckung der Soldaten. Zusätzlich kam es durch herumtreibende Banden zu einem zunehmenden Verlust der Rechtsdurchsetzung, und die Entwicklungen trugen so entscheidend zum Fall von Kamakura Shōgunat bei.[23]

Auswirkungen auf die Bevölkerung

Durch die instabile Lage ändert sich zunehmend die Siedlungsweise der bäuerlichen Bevölkerung und es kommt vermehrt zu einem Zusammenschluss in Dörfer (u.a. zur Sicherheit der Bewohner). Zuvor war diese Bevölkerung sehr mobil, weniger Ortsbezogen und es bildeten sich noch keine Stammfamilien ie heraus, sondern Strukturen waren in Abstammungslinien organisiert.

„Muromachi Optimum“ (1280-1450) = 2. Phase

Das 14. Jahrhundert wird als ein Wendepunkt in der Entwicklung Japans angesehen. Es kommt zur Änderung der sozialen Organisation, die Kriegerkaste gewinnt an Bedeutung, feudale Beziehungssysteme und eine Bürgerschichte bildet sich heraus, während lokale Verwaltungsapparate autonomer agieren.
Trotz politischer Instabilität erfolgte eine voranschreitende Urbanisierung und ein Wachstum der Bevölkerung. Diese kann um 1450 auf Basis indirekter Daten auf ca. 9,6 bis 10,5 Millionen geschätzt werden und trotz dem Niedergang Kamakuras betrug die Urbanisierung wahrscheinlich um die 4% der Gesamtbevölkerung.[24]

Epidemien

Obwohl es nach wie vor zu regelmäßigen Epidemien kommt, wächst die Bevölkerung. Dies ist bedingt auch durch eine steigende Immunität und einer gesunkenen Anzahl an Ausbrüchen, wenn auch weiterhin präsent und oft mit Hungersnöten einhergehend. Die Pocken hatten auch weiterhin die größten demographischen Auswirkungen, gefolgt von Masern- und Influenza-Ausbrüchen. Aufgrund des Ausbruchsverlaufs [25] kann aber angenommen werden, dass Masern auch während des Mittelalters nicht endemisch wurden. Krankheiten wie Ruhr, Windpocken, Malaria, Tuberkulose sind nach wie vor verbreitet, hatten vermutlich weniger einschneidende Auswirkungen auf die Bevölkerung als in früheren Perioden.[26]

  • Pocken: 1302, 1314, 1342, 1361, 1365 (schwerwiegendste Epidemie der Periode), 1374, 1381
  • Masern: 1306-1307, 1320, 1362, 1380, 1405, 1441
  • Influenza: 1329, 1345, 1365, 1371, 1378, 1406-1407, 1428

Hungersnöte & Kriege

Die auftretenden Hungersnöte stehen ihrerseits in starkem Zusammenhang mit den kriegerischen Auseinandersetzungen, sind jedoch etwas in ihrer Heftigkeit zurückgegangen und im Vergleich zur vorhin beschriebenen Periode oft lokal begrenzt. Zusätzlich halfen der sich ausbildende Handelssektor und Nahrungsmittelhilfen durch stattliche oder religiöse Einrichtungen oft Nahrungsmittelknappheiten abzufedern.[27]

  • Hungersnöte: 1320-1322, 1339-1340, 1345, 1360-1362, 1379, 1390-1391, 1406-1407

Diese Zeit war jedoch auch durch eine große politische Instabilität geprägt u.a. durch Aufstände, die Auseinandersetzungen zwischen den Tenno-Dynastien um die Vorherrschaft. Kollateralschäden durch die Plünderungen der Heere erschwerten das Leben der bäuerlichen Bevölkerung.[28]

Auswirkungen für die Bevölkerung

Durch eine gesteigerte Produktivität kommt es zur Bildung von Städten und Märkten, der Handel nimmt zu. Bedingt durch verbesserte Transportmöglichkeiten kommt es zu regionalen Spezialisierungen. Im Weiteren bestimmen Dorfgemeinschaften zunehmend das Zusammenleben der Bauern, da sie die Gemeinschaft nach eigenen Regeln organisieren und als Einheit nach außen auftreten. Auch Bildung und Rituale werden von dieser Gemeinschaft organisiert (z.B. durch Schrein-Assoziationen). [29]

Zeit der streitenden Reiche (1450-1600) = 3. Phase

Trotz Epidemien, Hungersnöten und Kriegen kommt zu einem signifikanten Bevölkerungswachstums und für 1600 kann eine Bevölkerung von 15-17 Millionen angenommen werden. Zusätzlich stieg die Urbanisierung während der 150 Jahre von 1450-1600 stärker als je zuvor und wird auf ca. 750.000 Bewohner in den Städten geschätzt.[30]
Entscheidender Konflikt war, die wachsende Bevölkerung zu ernährend und die notwendigen Provisionen, nicht auf Kosten der Bevölkerung, für das Militär bereit zu stellen. Eine erhöhte Produktion des Agrarsektors eine bessere Versorgung der Heere, wurde gezielt von den regionalen Machthabern gefördert. In diesem Zusammenhang begünstigt nahmen Handel und Manufaktur besonders in urbanen Zentren zu.[31]

Epidemien

Epidemien sahen eine erneute Verschärfung aufgrund der fast ständig andauernden kriegerischen Auseinandersetzungen und das Auftauchen eines neuen Erregers (Syphilis) in Japan, welcher kurzfristig erheblichen Auswirkungen gehabt haben dürfte. Den Pocken vielen hauptsächlich Kinder zum Opfer, während die Masern nach wie vor die gesamte Bevölkerung betrafen. Es gab keine historischen Aufzeichnungen zu Ruhr oder Windpocken, während Malaria und Tuberkulose zwar erwähnt werden, aber die Daten keinen Schluss auf die Verbreitung erlauben. Allerdings gab es von 1540 bis 1600 einen Rückgang der unterschiedlichen Epidemien. [32]

  • Pocken: 1452-1453, 1477, 1481, 1523, 1531, 1537, 1550, 1557, 1578
  • Masern: 1471, 1484, 1489, 1506, 1513, 1520, 1523, 1529, 1535, 1578, 1587
  • Influenza: 1520, 1535, 1556
  • Syphilis: 1512 (erster Ausbruch)

Hungersnöte & Kriege

Hungersnöte waren weiterhin allgegenwärtig und traten in verschärfter Form alle 5,7 Jahre auf. Diese Frequenz dürfte sich aufgrund einer Verbesserung des Wetters zwischen 1540 und 1600 verringert haben. Buddhistische Organisationen unterstützen die hungernde Bevölkerung durch Nahrungsverteilung und kümmerten sich zusätzlich um die Toten.[33]

  • Kanshō-Hungersnot 1459-1461

Bedingt auch durch die schlechte Nahrungsversorgung konnten einige neue Samurai-Familien ihre Macht etablieren, während das Muromachi Shōgunat zusammenbrach und eine politische Fragmentierung zunahm. Sobald sich einzelne Herrschaftsbereiche stabilisierten und sich eine politische Einheit ausbildete, reduzierten sich die durch Hunger bedingten Todesfälle.

Auswirkungen auf die Bevölkerung

Die Entwicklung von lokalen Gemeinschaften, die sich schon zwischen 1280 und 1450 entwickelt haben, setzten sich weiter fort und dies beinhaltete u.a. die Differenzierung nach Altersgruppe, Wichtigkeit des Haushalts als Einheit, Handhabung der Besteuerung und Organisation durch „village officials“, Organisation von Schutzmaßnahmen und religiösen Festivals etc.[34]

Edo-Zeit (kinsei 近世 1600-1868)

Nach der erfolgreichen Reichseinigung durch die drei Feldherren Oda Nobunaga, Toyotomi Hideyoshi und Tokugawa Ieyasu, wird mit der Edo-Periode eine so noch nie dagewesene Friedensperiode in Japan eingeläutet, welche sich über mehr als 250 Jahre ziehen sollte. Zentrales Merkmal der Außenpolitik des Landes zu dieser Periode war die relativ strikte Isolations- und Abschottungspolitik des Landes, wodurch der Handel und Austausch mit dem Ausland erheblich eingeschränkt wurden. Diese besonderen Elemente, zusammen mit der ohnehin schon recht abgelegen geographischen Lage des Landes, waren ausschlagend dafür, dass Japan trotz einer der höchsten Bevölkerungszahlen weltweit zu der Zeit, eine vergleichsweise sehr niedrige Frequenz an Epidemien erlebte und diese auch keine stark verheerenden und katastrophalen Ausmaße annahmen.

Besonderer Bedeutung bei der Feststellung der Sterblichkeit infolge von Epidemien, kommt den von Tempeln geführten Todesregistern namens kakochō zu. Das terauke-System, welches eigentlich zunächst der Tokugawa Regierung zur Ausmerzung des Christentums in Japan hätte dienen sollen, entwickelte sich im Laufe der Edo-Zeit in ein Registrierungs-System, das so gut wie die ganze Bevölkerung einspannte. Und durch diese umfassenden Registrierungen bei Tempeln, bieten dessen Todesregister, die teilweise alles von Alter bis Todesursache enthalten, wichtige Informationen darüber, wo und wann Epidemien in Japan aufgetreten sind.

Epidemien

Insgesamt wurden während der Edo-Zeit 87 Epidemien für die folgenden Jahre dokumentiert[35]:

  • Masern: 1607, 1616, 1649, 1690-1691, 1708, 1730, 1753, 1776, 1803, 1824, 1836, 1862
  • Pocken: 1619, 1654, 1679, 1682, 1702, 1708-1709, 1711-1712, 1720, 1723, 1746, 1748, 1773, 1825, 1838
  • Röteln: 1684, 1779, 1835
  • Windpocken: 1671
  • Dysenterie: 1708, 1746, 1799, 1817, 1819, 1829, 1841
  • Cholera: 1822, 1858-1859, 1862-1863
  • Grippe: 1614, 1707, 1733, 1744, 1747, 1769, 1776, 1781, 1784, 1795, 1801-1802, 1807, 1811, 1819, 1821, 1824, 1827, 1831-1832, 1850, 1854, 1857, 1860, 1867
  • Unidentifiziert: 1601, 1631, 1640, 1642, 1674, 1680, 1693, 1699, 1714, 1716, 1730, 1732, 1734, 1735, 1763, 1770, 1772, 1788, 1816, 1830, 1837, 1851, 1852, 1861

Masern

Während die Masern in Ländern wie England inzwischen eine jährliche Erscheinung waren, oder in Deutschland immerhin im fünf Jahrestakt aufgetreten sind, haben die Masern in Japan nie richtig Fuß fassen können. Bei Epidemien, die auf die Masern zurückzuführen sind, lässt sich während der Edo-Zeit ein 20-30 Intervall erkennen, zwischen 1649 und 1690 waren es sogar über 40 Jahre, womit diese nie endemisch geworden sind. Grund dafür ist in erster Linie die relativ strikte Isolationspolitik gewesen, denn die wenigen Masern-Epidemien die während der Edo-Periode aufgetreten sind, hatten allesamt ihren Ursprung in der Hafenstadt Nagasaki, welche die defacto einzige Anlegestelle für ausländische Schiffe war. Durch die niedrige Frequenz der Masern und die dadurch kaum vorhandene Immunität erwachsenen Bevölkerung, haben sich diese immer recht rasch verbreitet. Da die Masern allerdings eher im Kindesalter gefährlich sind, kam es zu keiner verheerenden Sterblichkeit während der Edo-Zeit.

Pocken

Pocken gelten schon seit dem Altertum als endemisch in Japan und waren auch während der Edo-Zeit so gut wie allgegenwärtig, was sich ebenfalls an der höheren Frequenz an Epidemien ablesen lässt. Aus den detaillierten Aufzeichnungen der buddhistischen Tempelregister lässt sich herauslesen, dass Pocken selbst in den abgelegensten Regionen des Landes häufig auftraten und so gut wie jeder sich während der Kindheit einmal damit ansteckte. Aufgrund des hohen Verbreitungsgrades der Pocken werden diesen Epidemien auch die mit Abstand meisten Todesopfer zugerechnet. Es ist davon auszugehen, dass die Pocken einen zumindest spürbaren Einfluss auf das Bevölkerungswachstum der Edo-Zeit hatten, zumal mit den Impfungen gegen diese erst in der frühen Meiji-Zeit begonnen wurde.

Cholera

Cholera ist ein weiteres anschauliches Beispiel für die minimierende Wirkung der japanischen Isolationspolitik auf Epidemien. So wurde Japan nach dessen erstem Auftreten im Jahr 1822, über 50 Jahre lang davon verschont (dabei handelt es sich um eine Zeitspanne in der Cholera mehrfach die Runde auf dem ganzen Globus gemacht hatte), bevor es überhaupt zur nächsten Cholera Epidemie in 1858 kam. Wieder hatten alle Epidemien ihren Ursprung in der Hafenstadt Nagasaki.

Verweise

Siehe auch

Anmerkungen

  1. Farris 1993, S. 377
  2. Farris 1993, S. 377
  3. Aston 2011, Vol. II, S. 66–67
  4. Aston 2011, Vol. II, 102–104
  5. Farris 1993, S. 377
  6. Farris 1993, S. 377
  7. Farris 1985, S. 53
  8. Japanese Historical Text Initiative - University of California at Berkeley „Interactive Showing of Japanese Classical Texts (Shoku Nihongi; Übersetzung nach J. B. Snellen)“ https://jhti.berkeley.edu/cgi-bin/jhti/shokuni/brows.cgi (04.01.2020)
  9. Farris 1993, S. 377
  10. Farris 1993, S. 377–378
  11. Farris 1993, S. 379
  12. Farris 1985, S. 54–55
  13. Farris 1993, S. 378
  14. Farris 1993, S. 378
  15. Farris 1985, S. 60–63
  16. Farris 1993, S. 380–381
  17. Farris 1993, S. 381–382
  18. Farris 2006, S. 1-2
  19. Farris 2006, S. 262
  20. Farris 2006, S. 25-26
  21. Farris 2006, S. 36
  22. Farris 2006, S. 28-29
  23. Farris 2006, S. 51
  24. Farris 2006, S. 97-98
  25. immer von Hafenstädten z.B. Nagasaki ausgehend nach Norden verlaufend
  26. Farris 2006, S. 100
  27. Farris 2006, S. 108
  28. Farris 2006, S. 109
  29. Farris 2006, S. 137
  30. Farris 2006, S. 170-171
  31. Farris 2006, S. 235-236
  32. Farris 2006, S. 171-172
  33. Farris 2006, S. 174
  34. Farris 2006, S. 247-248
  35. Jannetta 1987, S. 48-49

Literatur

  • William Aston (Ü.) 2011
    Nihongi: chronicles of Japan from the earliest of times to A.D. 697. North Clarendon, Vermont: Tuttle Publishing 2011.
  • William Wayne Farris 1985
    Population, disease and land in early Japan, 645-900. Cambridge, Mass.: Harvard Univ. Pr. 1985.
  • William Wayne Farris 2006
    Japan's medieval population: Famine, fertility, and warfare in a transformative age. Honolulu: University of Hawai'i Press 2006. (Exzerpt.)
  • William Wayne Farris 2009
    Daily life and demographics in ancient Japan. Ann Arbor: University of Michigan 2009.
  • Nam-lin Hur 2021
    „Anti-Christian temple certification (terauke) in early modern Japan.“ In: Stefan Köck, Brigitte Pickl-Kolaczia, Bernhard Scheid (Hg.), Religion, Power, and the Rise of Shinto in Early Modern Japan. London: Bloomsbury 2021, S. 19–30. (Druckfahnen Nov. 2020.)
  • Ann Bowmann Jannetta 1987
    Epidemics and mortality in early modern Japan. Princeton, New Jersey: Princeton University Press 1987. (Exzerpt.)
  • George C. Kohn 1995
    Encyclopedia of plague and pestilence: From ancient times to the present. New York: Facts On File 1995.

Links

Weiterführende Informationen