Ise Schrein

Aus Kamigraphie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Ise2.png

Einführung

Der Großschrein von Ise 伊勢大神宮 (Ise daijingû) oder auch kurz 伊勢神宮 (Ise jingû) genannt, zählt nicht nur wegen seiner Größe zu einem der wichtigsten und bedeutendsten shintôistischen Kultstätten in Japan. Diese ausgedehnte Schreinanlage besteht insgesamt aus zwei Hauptschreinen sowie 123 Hilfs- und Nebenschreinen. Die Aufteilung der Hilfsschreine gestaltet sich dermaßen, dass 91 Hilfs- und Nebenschreine dem Inneren Schrein (Naikû 内宮auch bekannt als Kotai jingû 皇大神宮 ) und 32 dem Äußerem Schrein (Gekû (外宮 ebenfalls bekannt als Toyouke daijingû 豊受大神宮) unterstellt sind.

Eingebettet sind all diese Gebäude in einem 5500 Hektar großem, ‚göttlichen‘ Waldstück, welches abzüglich der für Gebäude genutzten Fläche 5320 Hektar groß ist. Unter anderem gehören auch Reisfelder, Äcker und Fischgründe zum Besitz der Schreinanlage (siehe Anlagen und Einrichtungen). Während sich der Naikû an einem Fluss nahe der Uji-Tachi-cho 宇治館町 befindet, ist der gekû in der Nähe der Stadt Yamada ebenfalls an einem Fluss gelegen. Laut eigenen Angaben des Administrationsbüro des Ise Jingû ergibt sich zwischen den beiden Hauptschreinen eine Distanz von sechs Kilometern [1].

Der Innere Schrein ist der Sonnengöttin Amaterasu (auch Amaterasu ômikami 天照大御神) geweiht – die Ahnherrin des Kaiserhauses wird in diesem Schrein durch einen Spiegel namens Yata no kagami 八咫の鏡 symbolisiert. Die Funktion des Äußeren Schreins, welcher Toyouke (auch Toyouke ômikami 豊受大御神) – der Göttin für Agrarkultur, Industrie, Kleidung, Wohnen und Reisanbau beziehungsweise Nahrung im allgemeinen gewidmet ist, besteht unter anderem darin, Amaterasu mit den gerade eben erwähnten Gütern zu versorgen [2].

Wenn man an die Bedeutung des Schreins denkt sind auch die Besucherzahlen von jährlich zirka 6 Millionen Menschen auch nicht verwunderlich. Diese Zahl soll sogar in Jahren in denen ein sengû 遷宮 statt fand um weitere 4 Millionen steigen (Asahi Shinbun, 30.9.1993:8)

Neben den Besuchen vieler bürgerlicher Gläubigen statten auch die Mitglieder des japanischen Kaiserhauses dem Schrein regelmäßige Besuche zu wichtigen Ereignissen im Leben der kaiserlichen Familie ab - zum Beispiel zu Inthronisierungsfeierlichkeiten oder auch nach einer Heirat. Ebenfalls begeben sich der Premierminister und sein Kabinett regelmäßig zu Neujahr und nach Einsetzung einer neuen Regierung zum Großschrein, was seine heutige Bedeutung zusätzlich unterstreichen dürfte[3].

Die Entwicklung des architektonischen Stils

Wie um fast alle bedeutenden Bauwerke der Menschheit, so ranken sich auch um den Großschrein von Ise und dessen Entstehung einige Legenden. Laut Ôbayashi Taryôs und Watanabe Yoshios Werk geht aus dem Nihon shoki 日本書紀 (720 n. Chr.) hervor, dass Sujin Tennô 崇神天皇 der Prinzessin Toyosukiiri 豊鍬入姫 (seine Tochter) den Auftrag erteilte, dass sie der Sonnengöttin einen neuen Schrein erbauen sollte. Dieser Entschluss beruhte darauf, dass im fünften Regierungsjahr des Tennôs das Land von Epidemien heimgesucht wurde und dieser es darauf zurückführte, dass sowohl Amaterasu als auch Yamato ôkunitama 大和大国魂im Kaiserpalast angebetet wurden. Somit wurde beschlossen, dass diese beiden unterschiedlichen Gottheiten eigene Orte bräuchten an denen sie zur Ruhe kommen und gebührend verehrt werden konnten. Die Prinzessin errichtete dann in der Provinz Yamato, am Fuß des Bergs Miwa in einem Dorf namens Kasanui ein himorogi 神籬 (Ôbayashi/Watanabe 1982:30, 133).

Hierzu lassen sich zwei genauere Beschreibungen aus dem Nihon shoki entnehmen. Der erste Eintrag aus dem 5. Jahr von Sujins Regentschaft (93 vor Chr.) lautet:

"[...]Im ganzen Land herrschten viele Seuchen, und mehr als die Hälfte des Volkes starb.[...]" (Florenz 1919:243)

Im darauf folgenden Jahr konnte der Kaiser weder die Seuche noch sein Volk unter Kontrolle bringen:

"[…]Am frühen Morgen sich erhebend und bis zum Abend voller Ehrfurcht flehte [der Kaiser] die Himmels- und Erdengötter um Bestrafung seiner Schuld an.[…]" (Florenz 1919:243)

Daraufhin erteilte Sujin Tennô seiner Tochter, wie bereits erwähnt den Auftrag für Amaterasu im Dorf Kasanui eine neue Verehrungsstätte zu errichten. Wie aus Horst Hammitzschs Werk Yamatohime no mikoto seiki: Bericht über den Erdenwandel ihrer Hoheit der Prinzessin Yamato hervorgeht, wurde in weiterer Folge der Prinzessin Toyosukiiri auferlegt der Sonnengöttin als Priesterin zu dienen. Ihr folgte auf diesen Posten als Priesterin laut der Überlieferung Yamatohime no mikoto 倭姫の命. Diese beiden Prinzessinnen, sind somit die Ersten, welche nach der Legende mit dem kultischen Dienst an der Sonnengöttin betraut wurden. Die 'Tradition' der Kultprinzessinnen setzte sich bis zu Godaigo Tennô 後醍醐天皇 fort. Die letzte Prinzessin die dieses Amt ausübte war laut Hammitzsch Prinzessin Sachiko (auch Hisa no miya Sachiko 久宮祐子 genannt). Nach Ihr wurde das Amt nicht mehr besetzt (Hammitzsch 1937:9ff.).

Der zu Beginn erwähnten Yamatohime wird laut den Legenden auch die Wahl des endgültigen Standpunkts des Schreins für Amaterasu zugeschrieben. So soll sie im 26. Regierungsjahr von Sujin Tennô am Oberlauf des Isuzu eine Erscheinung gehabt haben in der ihr von Amaterasu persönlich mitgeteilt worden war, dass sie an diesem Ort verehrt werden wollen würde.

In dieser Zeit geruhte die souveräne Große Gottheit den erlauchten Traum der Yamato-hime no mikoto zu erfüllen und sie geruhte sie zu unterweisen: 'Das Land und der Platz für den großen erlauchten Schrein, die ich so wie ich sie, als ich im hohen Himmelsgefilde saß und die erlauchte Tür aufstieß, vormals erblickte, gesehen und ge-sucht habe, sind diese hier. Ich geruhe (hier) zu bleiben und mich festzusetzen […]. (Hammitzsch 1937:32)

Um diesem ausdrücklichen Wunsch Folge zu leisten, lässt Yamatohime einen Schrein in der Nähe des Isuzu errichten um dort ausschließlich Amaterasu zu verehren und ihrer Position als Kultprinzessin gerecht zu werden.

Neben der Gründung des Schreins findet auch der Naikû im Nihon shoki Erwähnung. Allerdings hällt sich das Nihon shoki bezüglich der Schreingründung des Gekû bedeckt - beziehungsweise erwähnt die Gründung mit keinem einzigen Wort. Allerdings wird von Obayashi und Watanabe darauf hingewiesen, dass laut Toyoukegû-gishikichô 豊受宮儀式長 (804 n. Chr.; Chronik der Rituale des Schreins) Yûrayaku Tennô (雄略天皇) im 21. Regierungsjahr in einem Traum von der Sonnengöttin dazu aufgefordert wurde die Gottheit Toyouke aus der Provinz Tanba (heute die Präfekturen Kyôto und Hyôgo) herbeizurufen, da sie selbst nicht in Frieden Essen könnte (Obayashi/ Watanabe, S.34).

Zusätzlich zur Schreinlegende und um die Entstehung des architektonischen Stils des Großschreins von Ise besser nachvollziehen zu können ist es auch unerlässlich sich mit der Entwicklung der Naturverehrung in Japan zu näher zu befassen.


Ursprünge der Naturverehrung

Jômon-Zeit:

Die Ursprünge der Naturverehrung sollen laut Kawazoe und Tange bereits in der mittleren Jômon-Zeit (8000 v. Chr. – 300 v. Chr.) gefunden werden können. In der mittleren Jômon-Zeit soll der Glaube vorgeherrscht haben, dass die gesamte Natur von übernatürlichen Kräften durchdrungen sei. Vor allem natürliche (wenn auch herausragende) Stein- und Felsformationen wurden als religiöse Symbole übernatürlicher Erscheinungen (kami 神) angesehen und verehrt.

In der späten Jômon-Zeit vollzog sich dann ein Wandel – die natürlichen Formationen wurden nicht länger als eigentliche Besitzer der übernatürlichen Kräfte betrachtet sondern das diese Formationen eher als 'Wohnorte' der übernatürlichen Erscheinungen dienten. (Kawazoe/ Tange 1965:23). Im Hinblick auf die Entwicklung der Naturverehrung mag die Erklärung von Kawazoe und Tange durchaus stimmen, allerdings sollte darauf hingewiesen werden, dass die Angabe der Jahreszahlen fraglich ist. In verschiedenen Werken, welche die Geschichte Japans behandeln findet man teilweise sehr unterschiedliche Angaben. So dauert die Jômon-Zeit laut Linhart von 10 000 vor Christus bis 300 vor Christus – auch beschränkt er die mittlere Jômon-Zeit auf einen Zeitraum von 3500 vor Christus bis 2500 vor Christus (Linhart, S. 255 und 257). Als Erklärung der Änderung in der Betrachtungsweise der 'heiligen' Naturerscheinungen kann man vermutlich auf die Veränderung des Klimas zurückführen. Linhart schreibt außerdem, dass es in der späten Jômon-Zeit zu einer Verschlechterung des Klimas kam – diese Entwicklung brachte die Menschen dazu die unwirtlich gewordenen Berge zu verlassen und sich dem Leben der östlichen Küstenbewohner anzupassen und auch deren Bräuche und Eigenheiten anzunehmen. So weisen zum Beispiel, die in Nordjapan vorkommenden rund 30 Steinkreise, welche vermutlich als Begräbnisstätten gedient haben auf die vermutlich erste Form des Totenkults hin. Aber Linhart weist auch darauf hin, dass neben der Bestattungsfunktion diese Steinkreise auch als Zerimonialstätten für eine gute Lachsfangsaison gedient haben könnten – da Lachs im Norden eines der wichtigsten Nahrungsmittel darstellte. Diese Schlussfolgerung wird durch eingravierte Lachsdarstellungen in mehreren Steinen nahe gelegt.

Eine andere Auslegung dieser Steinkreise wäre, dass es sich um Kultstätten für ein Sonnenverehrungsritual handelt. Interessant hierbei ist auch, dass es aus der späten und spätesten Jômon-Zeit viele Gegenstände bekannt sind, die in Zusammenhang mit diesem Kult gestanden haben dürften: Tonmasken, Tierdarstellungen und Tonfigürchen. Mittlerweile hat sich nun auch die Ansicht laut Linhart durchgesetzt, dass die einheimische japanische Religion wohl ihre Ursprünge im Kult der Jômon-Bevölkerung hat. (Linhart 1983: 258-259)


Yayoi-Zeit:

In der Yayoi-Zeit (300 v. Chr. bis 300 n. Chr.) kam es zu mehreren großen Erungenschaften. Sowohl aus gesellschaftlicher, handwerklicher als auch landwirtschaftlicher Sicht. Als größte Neuheit dieser 600 Jahre umfassenden Epoche kann die Einführung des Nassreisanbaus betrachtet werden. Diese Entwicklung forderte von den Menschen jedoch einige Änderungen in der Gesellschaftsstruktur. Linhart führt an, dass üblicherweise der Reisanbau mit einer höheren Bevölkerungsdichte in Verbindung gebracht werden kann. Er weist aber darauf hin, dass diese Entwicklung in Japan wohl etwas langsamer vorangegangen sein dürfte und anfangs nur dort Reis angebaut wurde, wo keine künstliche Bewässerung erforderlich war. Die gesicherte Nahrungsmittelproduktion, welche der Nassreisanbau bot und die sesshafte Lebensweise, welche für einen produktiven Nassreisanbau notwendig war führten zu einer raschen Zunahme der Bevölkerung (Linhart 1983: 260).

Mit dem Nassreisanbau kamen allerdings auch die für Südostasien typischen Speicherbauten (takakura; 高倉) nach Japan. Diese Speicher, mit ihren erhöhten Fußboden welcher Schutz gegen Feuchtigkeit und Ratten bot, waren Zentrum des Dorfes, sie dienten der Aufbewahrung der Ernte – welche auch in Gegenwart der Götter gefeiert wurde (Kawazoe/Tange, 1962). Unter diesem Standpunkt fällt auch die Vorstellung nicht schwer, dass die Menschen der Yayoi-Zeit anfingen auch in Form von Räumen oder Gebäuden die Anwesenheit von Göttern wahrzunehmen. Es kristalisierten sich also verschieden gestaltete Räume heraus, von denen man annahm, dass sich dort Götter aufhalten sollen. Laut Tange lässt sich damit auch am besten erklären, warum einem bedeutenden Schrein wie dem Großschrein von Ise als architektonische Basis die Speicherbauweise zu Grunde liegt (Tange, S. 75). Die älteste Form eines solchen heiligen Bezirks wird durch ein rechteckiges Areal repräsentiert, dessen Fläche mit Kieselsteinen bedeckt ist und shiki genannt wird. In der Mitte des Areals befindet sich entweder ein Stein (iwakura, 岩倉) , ein Pfahl oder Baum (himorogi, 神籬). Die Bedeutung dieser iwakura oder himorogi liegt darin, dass an dieser Stelle die Götter – ob nun einer oder mehrere zugleich – vom Himmel herabsteigen. Hinzu kommt, dass diese Bereiche meist eine erhöht sind und auch über eine Begrenzung durch Steine oder Felsen verfügten. Neben diesen heiligen Arealen gab es auch Bereiche die durch sogenannte shimenawa (geweihtes Strohseil, 注連縄) von der Umwelt abgegrenzt wurden und als Lebensräume der Götter betrachtet wurden.

An dieser Stelle sollte darauf hingewiesen werden das auch heute noch zahlreiche dem naikû und dem gekû untergeordnete Schreine den klassischen iwakura entsprechen und sich in ihrer Mitte nur ein Stein befindet – oder sie haben ein Gebäude und der darin aufbewahrte heilige Gegenstand ist ein Stein (Kawazoe/Tange 1965:95)

Wie bereits vorhin erwähnt, kam es ebenfalls auf handwerklicher Ebene zu neuen Erungenschaften. Eisen- und Bronzegeräte wurden laut Linhart zuerst aus Südkorea übernommen beziehungsweise importiert und vermutlich in Japan überarbeitet. Vor allem drei Arten von Gegenständen sind charakteristisch für die japanische Bronzekultur: Bronzespiegel, welche als Zeichen für Wohlhabenheit angesehen wurden, denen aber auch magische Kräfte zugeschrieben worden sein dürften – denn immerhin waren sie das Symbol der Sonne. Dazu kamen Bronzewaffen. Eine besondere Bedeutung wird aber auch den 'Glocken' (dôtaku, 銅鐸) beigemessen. Diese Glocken ohne Klöppel aus der Yayoi-Zeit dürften besonders wertvoll gewesen sein und fanden ebenfalls im Kult Verwendung. Was die Gesellschaft der Yayoi-Zeit betrifft weist Linhart darauf hin, dass es besonders interessant ist, dass immer wieder von "Höherstehenden" und "Niederstehenden" – also auf eine herrschende Schicht und eine untergebene Schicht hingewiesen wird. Auf welche Quellen er sich hierbei beruft geht allerdings nicht aus seinem Werk hervor. Von großem Interesse dürfte auch noch sein, dass in Gräbern der herrschenden Schicht aus dieser Zeit erstmals die späteren Throninsignien findet: Schwert, Spiegel und Krummjuwelen (magatama, 勾玉) – die am Beginn der japanischen Mythologie auftauchen. Linhart schließt daraus, dass sich schon damals Häuptlinge von kleinen politischen Gemeinschaften durch den Besitz dieser Gegenstände legitimiert haben dürften. Außerdem stellt er die Vermutung an, dass die Häuptlinge mit großer Wahrscheinlichkeit auch als oberste Priester fungierten, was die Verbindung dieser drei Symbole und dem Kult betonen dürfte (Linhart 1983: 266–267).

Bauweise und architektonische Besonderheiten

Abbildung 1: Architektonische Details des itaazekura 板校倉

Wenn man sich näher mit den architektonischen Besonderheiten des Schreinkomplexes beschäftigen möchte, ist anzumerken, dass die 123 Neben- und Hilfsschreine im Stil der Speicher- beziehungsweise Schatzhäuser namens hokura 保倉 errichtet sind. Die eigentlichen Proportionen und Konstruktionsweisen dieser Gebäude bleiben hierbei immer konstant – allerdings unterscheiden sich die Größe und die Ausführung je nach Wichtigkeit und Bedeutung der ihr übergeordneten Schreinbauten. Hier werden als Baumaterialen ausschließlich Holz und Stroh verwendet – dieser Baustil trägt die japanische Bezeichnung shiraki-zukuri 素木造. Die beiden Hauptschreine unterscheiden sich in einigen Punkten von den anderen Schreinen. Beide sind im yuiitsushinmei-zukuri 唯一神明造 genannten Stil errichtet - welcher übersetzt so viel wie "Stil Göttlicher Klarheit" oder "Stil Göttlichen Glanzes" bedeutet – dieser Stil ist in seiner Weise einzigartig und findet nirgendwo anders in der Shintô Architektur Verwendung .

Laut den Erläuterungen von Obayashi und Watanabe versteht man unter dem yuiitsushinmei-Stil, dass zwischen den tragenden Pfeilern, in welche senkrechte Vertiefungen eingearbeitet sind, Holzbohlen eingelassen werden. Als architektonische Ausnahme wäre der mikeden 御饌殿 (auch mikedono genannt) des Äußeren Schreins zu nennen. Hier werden die Bohlen der Seitenwände durch Verzahnung miteinander verbunden – was dann als itaazekura 板校倉bezeichnet wird. Weiters gehen Obayashi und Watanabe in ihrem Werk auch davon aus, dass sowohl naikû als auch gekû in frühester Zeit ebenfalls in diesem Stil errichtet worden waren (Obayashi/Watanabe 1982:35).

Der eben erwähnte mikeden des gekû ist zwar nicht der einzige seiner Art, kann aber laut JAANUS als der bedeutendste seiner Art bezeichnet werden. Im Großschrein von Ise wird jeden Morgen und Abend von den Priestern eine Zeremonie abgehalten um den Göttern rituell Speisen darzubringen (JAANUS, 29.1.2012). Bezüglich des mikeden stellt Kawazoe auch die Vermutung an, dass der mikeden das einzige Gebäude des Schreinkomplexes ist, dass obgleich der verschiedenen Umstände die eine komplette Rekonstruierung der Hauptgebäude des Großschreins verhinderten der mikeden das einzige Gebäude darstellte welches trotzdem regelmäßig rekonstruiert wurde (Kawazoe 1962:290).

Die ebenfalls bereits erwähnte Konstruktionsart itaazekura 板校倉 kann als leicht weiterentwickelte Version der alten Speichergebäude mit erhöhtem Fußboden verstanden werden. In den Ausführungen zum mikeden auf JAANUS wird darauf hingewiesen, dass mache Forscher davon ausgehen, dass diese Konstruktionsweise ursprünglich für die östlichen und die westlichen Schatzhäuser also higashi-nishi hôden 東西宝殿, die Halle für Opfergaben, heiden 弊殿 , die vier Speichergebäude des mikura-in 御倉印 und alle Hauptheiligtümer der untergeordneten Schreine benutzt wurde. Die eigentliche Konstruktionsweise ist eigentlich sehr simpel und hat ein Verhältnis von 3 zu 2. Außerdem wird es wie die ursprünglichen Speichergebäude auf Pfosten errichtet, welche im Erdboden versenkt sind – sogenannte hottatebashira 掘立柱 die an jedem Ende die Firstbalken stützen. Der Eingang zum mikeden befindet sich auch immer zwischen den mittleren Pfosten. Grundlegend kann gesagt werden, dass die klassische Konstruktionsweise vorsieht, dass sie auf 12 dieser Pfosten errichtet wird. Das Dach wird bei dieser Konstruktionsform ebenfalls durch die Bretterwände, querverlaufende Bretter, welche mit Druckstreben versehen sind, ebenfalls durch Dachsparren gestützt. Es gibt auch gegabelte Enden namens chigi 千木 an jedem Ende des Gebäudes. Des weiteren weist JAANUS im Gegensatz zu der oberhalb erwähnten Ansicht von Kawazoe darauf hin, dass dieser Stil zwischen dem fünfzehnten- und dem sechzehnten Jahrhundert fast vollständig verloren ging – zu dieser Zeit wurde wegen des damals wütenden Bürgerkriegs nämlich auf die zyklische Schreinerneuerung verzichtet (JAANUS, 29.1.2012). Wenn man den architektonischen Aufbau von den Neben- und Hilfsschreinen mit den beiden Hauptschreinen vergleicht, fällt zusätzlich auf, dass ausschließlich die beiden Hauptgebäude über eine Galerie und ein Geländer verfügen, welches allerdings nicht benutzbar ist. Nach eigenen Angaben des Administrationsbüros des Ise Schreins sollen die beiden Hauptgebäude des Großschreins von Ise auch einige Elemente des Palastbaus aufweisen.

Auch auf die eigentliche Firststütze, munamochibashira 棟持柱 (auch osabashira 小狭柱 oder futabashira 二柱genannt) hat hierbei keine bedeutende Funktion mehr. Ursprünglich wurden Speicher nämlich von der Firstseite betreten und hatten zum Schutz des Innenraumes und der darin aufbewahrten Vorräte ein verlängertes Dach – welches allerdings bei den Schreinbauten so nicht mehr länger existiert. Im Allgemeinen bezeichnet munamochibashira 棟持柱 einen Pfeiler, welcher vom Erdboden ausgehend direkt bis zum Dachfirst reicht (siehe Abbildung 1). In Verbindung mit der Schreinarchitektur werden diese Pfeiler mit dem shinmei Stil, shinmei-zukuri 神明造 assoziiert und finden als freistehende Pfeiler, welche bis zum chigi reichen Verwendung (JAANUS, 1.2.2012).

Neben munamochibashira haben sowohl chigi als auch katsuogi 堅魚木(auch kurz 堅木genannt – wie in Abbildung 1) keinerlei funktionellen Wert mehr sondern haben vielmehr eine symbolische Bedeutung. Bei katsuogi handelt es sich um Firstscheite, deren Gewicht dazu dient das Strohdach gegen Wind zu schützen und zu stabilisieren. Kawazoe und Tange vermuten außerdem, dass sowohl chigi als auch katsuogi bereits zur Zeit Kaiser Yûryakus ebenfalls zu den Schmuckelementen des kaiserlichen Palastes geworden waren. Weshalb sie in der Architektur des Großschreins von Ise ebenfalls Merkmale des Palastbaus wiedererkennen wollen (Kawazoe/Tange 1965:46). Mitunter wird durch die Zuhilfenahme von zahlenmäßigen Unterschieden der katsuogi (naikû zehn und gekû neun) und den unterschiedlich gestalteten chigi der beiden Hauptschreine auch auf deren unterschiedliche Bedeutung hingewiesen (Fukuyama 1964:49).

Abbildung 2: Tori des Zeniarai Benten in Kamakura[4]

Traditionellerweise werden die Holzpfeiler der Schreingebäude direkt in den Boden eingelassen, weswegen diese laut Zwerger erbarmungslos der Feuchtigkeit und somit der Fäulnis ausgesetzt sind. Obwohl diese Problematik durchaus bekannt ist, werden dennoch die Pfosten der Schreingebäude in Ise nach einer Neuerrichtung wieder im Boden versenkt – weshalb Zwerger daraus schließt, dass hier wirklich das Hauptaugenmerk auf der Pflege der Traditionen liegen muss.

Interessanterweise wird die Erde, welche beim Ausheben der Löcher für die Pfeiler weggeschaufelt werden musste mit Gips vermischt. Eigentlich wäre das doch sehr ungewöhnlich, denn Gips zieht bekanntlich Wasser noch zusätzlich an. Obwohl dies äußerst unkonventionell scheinen mag, könnte darin durchaus eine gewisse Logik laut Zwerger stecken – denn wenn das Erde-Gipsgemisch das Wasser bindet, kann es nicht an die Pfosten gelangen, beziehungsweise wird der Fäulnisprozess vermutlich durch diese Praxis hinausgezögert (Zwerger 2000:23).

In Zusammenhang mit den Holzpfeilern, lässt sich laut Kawazoe und Tange die Vermutung anstellen, dass die Verwendung der munamochibashira wohl ihren Ursprung bei den sakaki-Bäumen 榊 oder Holzpfeilern als himorogi haben. Das Basismaterial für die Kernsäule des naikû (shin no mihashira; 心の御柱) ist unbehandeltes japanisches Zypressenholz und wird hinoki 檜 genannt (Kawazoe/Tange 1965:43). Aus JAANUS geht hervor, dass shin no mihashira auch unter drei weiteren Bezeichnungen bekannt ist, nämlich shin no hashira 心の柱, imibashira 忌柱 was alternativ auch 斎柱 geschrieben werden kann und letztendlich auch shin no mihashira 心の御柱. Dabei handelt es sich um einen heiligen und symbolischen Pfosten und die eigentlichen heiligen Stätten, shôden 昇殿 werden oberhalb dieser Pfosten errichtet . Der Pfosten des Inneren Schreins ist direkt unter dem Schrein vergraben. Im Fall des Äußeren Schreins ist die Sachlage etwas interessanter, denn dort ist der Pfosten zwar im Boden eingelassen, aber berührt nicht den eigentlichen Boden des Gebäudes. Der Durchmesser beider Pfosten beträgt ungefähr 10 Zentimeter und beide haben eine Länge von circa 2 Metern. Diese Pfosten existieren ebenfalls auf dem angrenzenden Grundstück der jeweiligen Hauptgebäude und werden durch ein kleines Giebeldach namens oiya 御厭 geschützt. Diese Grundstücke, mit ihren shin no mihashira markieren dann den Ort an dem bei der nächsten zyklischen Schreinverlegung der neue Schrein errichtet wird (JAANUS, 1.2.2012).

Der shin no mihashira wird laut Obayashi und Watanabe als "Symbol für die Stabilität der kaiserlichen Herrschaft und Sicherheit des Landes" verstanden. Auch führen sie an, dass über dem oberen Ende des shin no mihashira ein Behälter aus Holz in der Form eines Bootes ist. In diesem Boot, mit seinen 2,20 Metern Länge befindet sich der Götterleib der Amaterasu, welcher durch den heiligen Spiegel yata no kagami八咫の鏡symbolisiert wird (Obayashi/Watanabe 1982:40,43).

Abbildung 3: munamochibashira 棟持柱 des Ise Jingû[5]

Auffällig ist auch, dass die Seitenlänge des shôden 昇殿 seit der Nara-Zeit laut Kawazoe und Tange unverändert sein sollen. Hierbei beträgt die Breite der Längsseite 36 shaku 尺 (ungefähr 10,8 Meter) und die der Giebelseite 18 shaku 尺, was ungefähr 5,4 Metern entspricht (Kawazoe/Tange 1965:56)

Abschließend zu diesem Bereich sollte vielleicht angemerkt werden, dass im Allgemeinen es einem aufmerksamen Betrachter von Holzbauten gestattet wird den Gedanken des Erbauers folgen zu können (der Schreiner errichtet das Gebäude von dessen Form wir auf seine Gedanken bei jedem Schritt zurückschließen können). Die eigentlichen Überlegungen bezüglich des Designs des Erschaffers werden heute im Allgemeinen als Reflektion dessen verstanden, was zur Zeit der Errichtung des Gebäudes als 'gut' und für die Bestimmung des Gebäudes als 'passend' empfunden wurde. Außerdem zeigt die Sorgfalt mit der die Ausführung der Arbeit begangen wurde, dass die Bereitschaft komplexe Gebäude zu errichten ebenso dem Wandel der Zeit unterliegt (Zwerger 2000:7)

Auch Ellwood schreibt in seinem Werk:

"Die Schlichtheit des Stils wird jedoch durch den majestätischen Rahmen kompen-siert. Der Ort, nicht weit entfernt vom Pazifik und am kalten, klaren Fluss Isuzu gele-gen, inmitten der Zypressenwäldern von wundersamer und numinoser Schönheit, legt nahe, dass nur wenig von Menschen hinzugefügt werden muss um einer der größten Göttinnen eine weltliche Bleibe zu bieten. ".
Ellwood 1968:167

Ferner bemerkt Zwerger über die Architekur von Holzbauten im allgemeinen Kontext an, dass es fast unmöglich ist die weitere Entwicklung eines Gebäudes auf nur einen einzigen Beweggrund festzulegen. In der Regel wird die Entwicklung immer durch mehrere unterschiedliche Faktoren beeinflusst, die in einer Wechselwirkung stehenden Bedingungen und die Interdependenzen welche so eng miteinander verflochten sind, sodass die Wahl des Einen oder des Anderen in manchen Fällen nur als arbiträr erachtet werden kann. Die regionalen klimatischen Komponenten können nicht von der Verfügbark der Materialien, genauso wenig wie die Verfügbarkeit von der der Entwicklung der benötigten Werkzeuge getrennt werden kann. Gleichzeitig müssen auch das Auftreten des benötigten Bauholzes und die erforderlichen Bauschritte immer in Beziehung zueinander betrachtet werden (Zwerger 2000:7).

Daraus folgt vielleicht auch ein weiterer Zweck des shikinen sengû 式年遷宮, die Be-wahrung von alten kulturellen-, spirituellen- und handwerklichen Traditionen die im nächsten Kapitel näher behandelt werden sollen.

Shikinen sengû (式年遷宮)

Einführung des sengû-Systems

Das System des sengû 遷宮wurde laut Tokoro gegen Ende des siebten Jahrhunderts etabliert. Die ursprünglichen Pläne dafür sollen unter Kaiser Tenmu 天武天皇 entwickelt worden sein. Allerdings wurde schlussendlich durch seine Witwe, Kaiserin Jitô 持統天皇 das sengû im Jahr 688 endgültig institutionalisiert (Tokoro 1973:104).

Am Anfang dieser Geschichte steht der Thronfolgestreit von Ôama (大海人皇子, Ōama no miko; der jüngere Bruder von Tenji Tennô 天智天皇) und dem Sohn von Tenji namens Ôtomo (大友皇子, Ōtomo no miko). Im Juni 672 kam es schlussendlich doch zum Krieg, nachdem sich die beiden Parteien nicht einigen konnten. Mit seinen Verbündeten aus den Provinzen Owari, Mino und vielleicht auch Shinano und Kai zog Ôama mit seinen Truppen von Yoshino ausgehend durch die Provinzen Ise und Mino in Richtung der Hauptstadt. Weiters schreibt Tokoro, dass laut seiner Quellen Ôama am Fluss Tohogawa die Göttin Amaterasu verehrt und für eine erfolgreiche Schlacht gebetet haben soll (Tokoro 1973:102-103). Der darauffolgende zwei Monate währende Krieg konnte zugunsten von Ôama entschieden werden, der schließlich als Kaiser Tenmu den Thron sein Eigen nennen konnte. Im Wesentlichen hatte Kaiser Tenmu den Sieg über seinen Neffen Ôtomo der Hilfe der Lokalherrscher zu verdanken. Aus Verbundenheit gegenüber seinen Unterstützern und nicht zuletzt auch um seine Macht zu festigen wurde es Tenmus Ziel den Großschrein von Ise mit gesetzlichen Grundlagen und zahlreichen Einrichtungen zu versehen (Obayashi/Watanabe 1982:11).

Eine dieser 'Einrichtungen' ist die bereits erwähnte itsuki no miko (Kultprinzessin), sowie die Einsetzung eines Zerimonialmeisters. Eine weitere Änderung die ebenfalls vorgenommen wurde betraf die Familie Watarai, diese hatte bis zu diesem Zeitpunkt die Hohepriester (ôkannushi 大神主) sowohl für naikû als auch gekû gestellt und sollte nun nur noch das Amt des Oberpriesters (negi 禰宜 oder auch 祢宜 geschrieben) im gekû stellen. Das Amt des Oberpriesters für den naikû wurde der Familie Arakida zugesprochen (Tokoro 1973:104). Nach dem Tod Kaiser Tenmus nahm seine Ehefrau und Cousine Jitô 持統 seinen Platz ein und setzte seine Pläne für den Großschrein von Ise in die Tat um. Dazu erließ sei ein Kaiserliches Edikt im zweiten Jahr ihrer Regentschaft (688 n. Chr.), dem zufolge alle 20 Jahre eine Schreinüberführung für naikû und gekû stattfinden sollte. Tokoro verweist für diese Informationen auf das daijingû shozajiki. In diesem Schriftstück liest man ebenfalls, dass der naikû in Jitô 4 und der gekû in Jitô 6 erstmal verlegt wurden (Tokoro 1973:104ff.).

Wenn man aus diesen Angaben nun seine Schlüsse ziehen darf, dann hätte die erste Schreinverlegung des naikû 690 n. Chr. stattgefunden und die des gekû 692 n. Chr. – jedoch verweist das kôtai jingû gishikichô nach den Angaben von Obayashi und Watanabe auf das Jahr 785 als erstmalige Durchführung der Schreinüberführung (Obayashi/Watanabe 1982:39).

Vor allem die große kulturelle Bedeutung des sengûs im Großschrein von Ise in Bezug auf die vielschichtigen religiösen, kulturellen und politischen Zusammenhänge ist in Ise besonders bemerkenswert (Adams 1998:49).

Bei shikinen sengû 式年遷宮, eine Tradition die in einem Intervall von 20 Jahren stattfindet, werden alle Gebäude in identischer Art und Weise neu aufgebaut. Diese fast 1300 jährige Tradition wurde bis auf wenige Ausnahmen kontinuierlich durchgeführt. Die längste Unterbrechung des zwanzigjährigen Zyklus, war bedingt durch die Bürgerkriegszeit der Sengoku-Periode (1467-1956) und somit fand bei dem naikû für 123 Jahre und bei dem gekû für 129 Jahre keine Schreinverlegung statt. Die Wiederaufnahme des zwanzigjährigen Zyklus erfolgte laut Obayashi und Watanabe im Jahr 1585 (Obayashi/Watanabe 1982:40).

Der 20jährige Zyklus

Was sind nun genau die Gründe für den zwanzigjährigen Zyklus?

Als möglichen Grund für den Zyklus von zwanzig Jahren könnte man zum einen die Beispiele wie Abbildung 2 anführen (siehe 2.2 Architektonische Besonderheiten). Die Verwendung von unbehandelten Baumaterialien, welche schonungslos Wind und Wetter ausgesetzt sind führen zu einem beschleunigten Verfall. Auch ist das Schilfstrohdach nicht gerade mit einer langen Lebensdauer gesegnet (Schimmel durch Feuchtigkeit und Verwitterung). Allerdings sind vor allem beim verwendeten Bauholz vorwiegend nur die Pfeiler betroffen, die direkt im Kontakt mit der Erde stehen.

Im Werk von Obayashi und Watanabe wird der fühere Oberpriester Kastunoshin Sakurai 桜井勝之進 zitiert, der vielmehr einen spirituellen Hintergrund hinter dem shikinen sengû sieht. So führt er an, dass die Zahl 20 als ideale Bezugsgröße verstanden werden könnte um Ganzheiten oder Zeitabschnitte zu messen. Als Erklärung dafür weist der ehemalige Oberpriester darauf hin, dass unter anderem das manyôshû 萬葉集 beziehungsweise 万葉集 was übersetzt so viel heißt wie Sammlung der zehntausend Blätter (entstanden 8. Jahrhundert) und das kokinwakashû古今和歌集 oder auch kokin-shū 古今集 gelesen - also die Sammlung alter und moderner Gedichte (entstanden im 10. Jahrhundert) je 20 Bände haben (Obayashi/Watanabe 1982:40ff.).

Tokoro ist kein Anhänger der 'Verfallstheorie' und geht von einem komplett anderen Standpunkt aus, indem er vermutet, dass vielmehr eine Verbindung zu einem alten Kalendergesetz besteht. Demnach der Mondkalender das Jahr in 12 Monate beziehungsweise in 353 Tage teilt. Nach dieser Berechnung war jedoch das Jahr kürzer als das natürliche Jahr, weshalb knapp alle dreißig Monate ein Schaltmonat hinzukam. Durch diese Schaltmonate kam man dann innerhalb eines Zeitraums von neunzehn Jahren nach dem alten Kalendergesetz und somit 228 Monaten auf zusätzliche sieben Schaltmonate – also 235 Monate die dann vollständigen neunzehn Jahren entsprechen. Hinzu kommt, dass durch diese Rechenweise alle zwanzig Jahre der 1.11 und die Wintersonnenwende auf einen Tag zusammenfallen. In diesem Zusammenhang erwähnt Tokoro, dass der Kaiserhof dieses Datum in Kombination mit der Wintersonnenwender als gutes Omen wahrnahmen mit dem unter anderem der Gedanke an eine Rückkehr zum Anfang einhergehen soll (Tokoro 1973:140).

Eine weitere Erklärung für den zwanzigjährigen Zyklus, die durchaus ihre Berechtigung hat liefert Bock in ihrem Werk. Sie nimmt an das ein wichtiger Beweggrund für diesen Zeitraum die Überschneidung der Generationen war. Die Dauer einer Generation war damals durchschnittlich zwanzig Jahre, weshalb in diesem Zeitraum die Kenntnisse über die Bauweise des Großschreins aber auch das Wissen um die Herstellung der heiligen Schätze an die nächste Generation von Handwerkern weitergegeben werden musste (Bock 1974:55).

Damals wie heute das Handwerk in Japan sehr geschätzt. Zwerger schreibt hierzu, dass Anachronismus wohl solange leben wird, solange eine Nachfrage nach hoher Qualität wertgeschätzt wird. Heutzutage gibt es laut Zwerger noch 5 Schreiner im Raum Tôkyô die immer noch beschäftigt sind und eine große Zahl von Kunden haben, welche den Qualitätsunterschied wirklich schätzen. In diesem Kontext stellt er die Vermutung an, dass es hierbei zwar vermutlich in erster Linie um Prestige geht. Allerdings sind immer noch die Fähigkeiten dieser Handwerker legendär in Japan. Die Kunstfertigkeit dieser Schreiner soll sogar so weit gehen, dass sie mit bloßer Handarbeit Planken in einer Stärke von unglaublichen 3,5 Millimeter schneiden können. Holz gilt heute mehr denn je in Japan als so wertvolle Ressource, dass die besten Schreiner stolz von sich behaupten können zwölf Planken von gleicher Stärke aus einem Baum schneiden zu können. Als Vergleich dazu führt Zwerger an, dass ein weniger begabter Schreiner bloß 10 Planken schafft. Dies hört sich jetzt nicht nach einem allzu großem Unterschied an aber wenn man bedenkt, dass 12 Planken für einen 8 Tatami-Raum reichen während 10 nur für einen 6 Tatami-Raum ausreichen, müsste der Kunde einen zweiten Baumstamm zuzüglich der Arbeitszeit bezahlen. (Zwerger 2000:54)

Umfang des Shikinen sengû

Wichtig ist natürlich auch der Verweis darauf, dass die sengû-Tradition nicht nur eine exklusive Praxis des Ise-Schreins ist.

Der Artikel von Adams verweist darauf, dass bis ins Mittelalter hinein eine große Anzahl an Schreinen eine Rekonstrukitonspraxis vollzogen und ungefähr 30 Schreine diese Sitte bis ins zwanzigste Jahrhundert hinein weiterhin praktizierten (Adams 1998:49). In seinem Werk Shintô: Japan’s Spiritual Roots erwähnt Picken, dass unter anderem der Nukisaki-Schrein (Präfektur Gunma) alle 13 Jahre, der Kasuga-Schrein (Nara) alle 30 Jahre und der Kamo-Schrein (Kyôto) alle 50 Jahre erneuert werden (Picken 1980:39). In diesem Kontext weist Adams darauf hin, dass die Wiedererrichtung der Schreinbauten in Ise zu den größten und bedeutendsten sengûs zählt – auch Ota Hakutaro [6] und Tani Shigeo [7] teilen diese Ansicht (Adams 1998:49). Auch aus der Sicht von Obayashi und Watanabe „[…]ist die Sitte in Ise ihres Alters und Umfangs wegen besonders interessant.“ (Obayashi/Watanabe 1982:40).

In ihren Ausführungen zum Umfang der sengû-Tradition schreibt Adams, dass der zeitliche Abstand des sengû zwischen zwei und 60 Jahren variiert. Genauso wird auch auf den unterschiedlichen Umfang der durchgeführten Arbeiten von Adams hingewiesen – ob streichen, Dachreparaturen oder die Rekonstruktion von ganzen Gebäuden (Adams 1998:49)

Um die Ausmaße der sengû-Tradition im Großschrein von Ise besser nachvollziehen zu können muss auch bedacht werden, dass zusätzlich zur Neuerrichtung der beiden Hauptgebäude und der vierzehn Hilfsschreine, welche zum Teil auch mehrgebäudig sind, sowie den dazugehörigen Toren und Zäunen (alles zusammen 90 Bauten) ebenfalls die heilige Schätze und Gewänder nach den traditionellen Entwürfen neu hergestellt werden.

Heilige Schätze und Gegenstände

Hinter dem Sammelbegriff onshôzokushinpô (御装束神宝) verbirgt sich die fast schon unglaubliche Anzahl von 1085 geweihten Gewändern 御装束 (onshôzoku), welche in 525 unterschiedliche Kategorien eingeteilt werden und 491 heilige Schätze 御神宝 (goshinpô) die auch in 189 Kategorien unterteilt werden.

tamamaki no ontachi 玉纏御太刀[8]

Bei den heiligen Gewändern handelt es sich zum einen um Kleidung für die Gottheit, Stoffe zum einwickeln oder verkleiden von Gegenständen und zum anderen auch Dinge für den privaten Gebrauch der Göttin – darunter auch Gegenstände für die Schönheitspflege. Zusätzlich zu den Ritualgegenständen, die der Göttin eigens für die Schreinüberführung zur Verfügung gestellt werden, zählen auch Geräte und Werkzeuge wie zum Beispiel: Pferdegeschirr, Schreibutensilien und Musikinstrumente zu den heiligen Schatzgegenständen, deren Benutzung ausschließlich der Göttin vorbehalten ist. Als heilige Schätze zählen ebenfalls: 60 Zeremonialschwerter, deren Wert und Kunstfertigkeitsgrad leichte Unterschiede aufweist jedoch keines das tamamaki no ontachi 玉纏御太刀, dessen Scheide mit mehr als 450 verschiedenen Edelsteinen verziert ist; Zeremonialbögen, die dazugehörigen Pfeile, die verschiedensten Arten von Köchern, Speere, Schilde und Banner gehören genauso zu den heiligen Schätzen wie 31 kunstvoll verzierte Spiegel, Kämme, Instrumente sowie ein betriebsbereiter Miniaturwebstuhl[9] (Coulmas 1994:41-43).

In ihrer Ausführung zum Umfang des shikinen sengû schreibt Bock, dass bei der Produktion der eben erwähnten Gegenstände mehr als 900 Meter handgewebte Seide von feinster Qualität für Verkleidungen, Vorhänge, Bettzeug und Kleidung verwendet werden. Weiters werden 3,75 Kilo reines Gold und 262 Kilo Lack bei der Herstellung verwendet. Außerdem braucht man neben den verschiedensten hochwertigen Metallen für die Fertigung von Nägeln, Klemmen, Schlösser, Schlüssel und Türverzierungen. Für die Verzierung des Schmucks, der Kämme, Spiegel und Zeremonialschwerter werden zusätzlich noch unzählige Perlen und Edelsteine wie Bernstein, Achat und andere Kristalle verwendet (Bock 1974:60).

In Anbetracht all dieser nach alten, traditionellen Mustern hergestellten Gegenständen sowie der Beibehaltung der typischen Schreinbauweise hat die zyklische Schreinerneuerung dazu beigetragen, dass architektonische und handwerkliche Traditionen und Kunstfertigkeiten auf fast allen Gebieten über die Jahrhunderte hinweg erhalten werden konnten und somit auch heute noch erfolgreich reproduziert werden können und das wertvolle Wissen weiterhin für die Nachwelt erhalten werden konnte.

Abschließend zu diesem Bereich sollte noch beantwortet werden was mit den alten Gegenständen und Gewändern passiert nachdem die neu hergestellten Gegenstände ihren Platz eingenommen haben. Hierzu äußert sich Bock, dass traditionell die alten Gegenstände nach der Überführung vergraben wurden. Manche davon wurden entgegen dieser Tradition jedoch ausgegraben und haben heute einen ihren Platz in dem eigenen Museum des Großscheins. Durch diese Schritt entgegen der Tradition ist es nun auch so, dass man im Chôkokann-Museum die prächtigen Gewänder aus der späten Meiji-Zeit bis zur frühen Shôwa-Zeit bewundern kann. Einige der heiligen Schätze gehen mit Ausnahme der Zeremonialschwerter, nachdem sie ihren Dienst erfüllt haben in den Besitz der Priester von Ise oder an andere Schreine über. Die wertvollen Zeremonialschwerter werden entweder im kaiserlichen Palast aufbewahrt oder an andere Schreine übergeben (Bock 1974:68).

Riten

Außerhalb des shikinen sengû kann man die Feste des liturgischen Zyklus in Ise laut Ellwood in 3 Gruppen einteilen. Als erste Gruppe wären jene Feierlichkeiten zu erwähnen die direkt vom narazeitlichen- beziehungsweise vom anschließend folgenden heianzeitlichen Hof stammen. Dieser Umstand basiert darauf, dass zu diesen Anlässen oft Gesandte des kaiserlichen Hofs zu diesen Gelegenheiten gesendet wurden. Als zweite Gruppe wären die Feierlichkeiten anzuführen, die nicht von der höfischen Kultur beeinflusst wurden und wie das kanname-sai神嘗祭 als unabhängige Tradition des Schreins betrachtet werden können. Die letzte Gruppe stellen all die Festivals dar, die eine vorbereitende Funktion für das kanname-sai haben (Ellwood 1968:182).

Die wichtigsten und bedeutendsten Feste der ersten beiden Kategorien werden nachfolgend aufgelistet:


Feste die durch die höfische Kultur beeinflusst wurden[10]
Fest Kanji Datum bzw. Zeitraum Geschehen
1 saitan-sai 採炭祭 1.Monat 1.Tag Dabei handelt es sich um das Neujahrsfest. Dieses Festival resultiert aus dem importierten chinesischen Brauch des Erntedankfests im Frühling und im Herbst.
Wie bei dem Erntedankfest im Herbst werden Speisen dargebracht.
2 mike 御饌 1.Monat 11.Tag An diesem Tag werden alle Opfergaben aller Schreine im Yojoden des naikû statt im im mikeden des gekû dargebracht. Ebenfalls wird an diesem Tag für das
Wohlwollen der Götter in Bezug auf Wind und Sonne gebetet.
3 toshigoi 祈年 2.Monat 17.Tag Der Kaiser sendet Frühlingsopfergaben mittels Gesandter an die Hauptschreine um für eine gute Ernte zu bitten.
4 kami miso no matsuri 神味噌の祭 5. Monat 14.Tag und 10.Monat 14.Tag Oder auch das Fest der geweihten Kleidung. Enge Verbindung zum Erntedank- und zum mike-Fest und wird ausschließlich im naikû abgehalten. Zu beiden Terminen wird
Amaterasu Kleidung dargebracht.
5 tsukinami 月並 6.Monat 15.Tag/16.Tag und 12.Monat 15.Tag/16.Tag Stammt vermutlich von tsuki no minori sai 月の稔祭 ab. Die Feierlichkeit ähnelt sehr stark dem Erntedankfest.
6 ôharae oder auch ôharai 大祓 6.Monat 15.Tag/16.Tag und 12.Monat 15.Tag/16.Tag Auch als große Reinigung bekannt. Wird am letzten Tag des Monats abgehalten, wenn darauf ein bedeutendes Fest des Großschreins folgt – oder auch am Ende des sechsten
und zwölften Monats. Dieses Fest wird am Ufer des Isuzu Flusses zelebriert.

Nun soll der Fokus auf dem kanname-sai beziehungsweise dem Erntedankfest als einem der wichtigsten Feierlichkeiten im liturgischen Zyklus des Großschreins von Ise liegen. Ellwoods Erklärung hierfür ist, dass es sich bei dem Erntedankfest im Shinto-Kalender ähnlich wie im christlichen Kalender zu Ostern um den Neubeginn des liturgischen Zyklus handelt. Hierbei werden die ersten Früchte der Ernte als Opfergaben in den beiden Hauptschreinen dargeboten (Ellwood 1968:172).

Im Vorfeld dieser großen Feierlichkeit finden einige religiöse Feste statt:

Feste die nicht durch die höfische Kultur beeinflusst wurden[11]
Fest Kanji Datum bzw. Zeitraum Geschehen
1 misono 御園 1.Tag des Frühlingsbeginns Die Einleitung des Erntedankfests und wird in den Gärten abgehalten die vom Großschrein betrieben werden.
2 shinden geshu matsuri 新田下手祭 k.A. Das Fest, welches bei der Bepflanzung der heiligen Felder abgehalten wird. Dabei handelt es sich um das interessanteste agrarkulturelle Fest des Schreins.
3 nukiho 抜穂 ein Monat vor dem Erntedankfest Das Gegenstück zum shinden geshu matsuri. Der Oberpriester betritt die Felder nach der rituellen Reinigung, Opfergaben und Gebeten und erntet den ersten Weizen,
welcher anschließend zur Opfergabe wird.
4 misakadono no matsuri 御酒殿祭 letzter Tag im Monat vor dem Erntedankfest Feierlichkeit zu Beginn des Sake brauens.
5 mishiodono no matsuri 御塩殿祭 10 Tage vor dem Erntedankfest Opfergaben und rituelle Reinigung werden mit sakaki-Zweigen im Salz-Haus für die Vorbereitungsarbeiten praktiziert.
yamaguchi・sai 山口祭[12]
chinchi・sai 鎮地祭[13]

Die Rituale finden bei wichtigen Schritten der Bauphase statt. Als Beispiele wäre das Fällen des Bauholzes (misomahajimesai 御杣始祭), das Austauschen der heiligen Schätze und Gewänder (okazari御飾), beim erstmaligen überqueren der neu errichteten Uji-Bücke (ujibashi watarihajimeshiki宇治橋渡始式)und schließlich bei der eigentlichen Überführung der Gottheiten zu ihren neuen Wohnsitzen (sengyo遷御). Somit kommt es während eine Bauzeit von 8 Jahren zu der stattlichen Summe von 30 Zeremonien, welche jeweils im naikû, gekû und den wichtigsten Hilfsschreinen abgehalten werden. Die zeitlich ‚beschränkte‘ Vorbereitungszeit von acht Jahren wurde 1869 (46. sengû) eingeführt und seither beibehalten. Ferner merken Obayashi und Watanabe an, dass fast alle Festdaten genauso wie das Datum für die eigentliche Schreinüberführung der Gottheiten durch ein kaiserliches Dekret festgelegt wird (Obayahsi/Watanabe 1982:42).

Feste und Riten im Rahmen des shikinen sengû[14]
Fest Kanji Geschehen
1 yamaguchisai 山口祭 Ein Fest, dass vor Beginn der Holzfällerarbeiten in der Bergregion durchgeführt wird wo das Holz für den Neubau der Schreine geschlagen wird.
Es wird um Sicherheit während des Fällens der Bäume und des Transports gebeten.
2 konomotosai 木本祭 Diese Zeremonie findet am Abend des yamaguchisai für die Gottheit des Baumes statt, dessen Stamm als neue Kernsäule (shin no mihashira) fungiert.
3 misomahajimesai 御杣始祭 Feierlichkeit zum Beginn der Holzfällarbeiten in den Kiso-Bergen.
4 mihishirogi houeishiki 御樋代木奉曳式 Die Zeremonie begleitet den Baum, der später als Behälter (mihishirogi) für den Götterleib im neuen Schrein wird.
5 mifunashirosai 御船代祭 Diese Zeremonie für das Holz des neuen mifunashiro wird in den Schreinbezirken des naiku und gekû durchgeführt.
6 kozukurihajimesai 木造始祭 Diese Zeremonie wird zum Beginn der Schreinarbeiten durchgeführt. Ebenfalls mit einem Gebet um Sicherheit bei der Verrichtung der Arbeit.
7 okihikigyôji (1.) 御木曳行事 Mit Hilfe der Gläubigen (Ise und aus anderen Teilen Japans) werden die Holzpfähle zu den neuen Schreinstandorten gezogen.
8 karimihishirogi bassaishiki 仮御樋代木伐採式 Diese Zeremonie ist den Göttern der Bäume gewidmet, deren Holz für den Bau des vorübergehenden mihishiro dient. Dieser mihishiro wird für den eigentlichen Transfer des Götterleibs benötigt.
9 okihikigyôji (2.) 御木曳行事 Das Holz für den naikû wird auf dem Isuzu - und das Holz für den gekû auf speziellen Karren feierlich transportiert.
10 chinchisai 鎮地祭 Bei diesem Ritual werden die Gottheiten der neuen Schreinstandorte um Schutz für die neuen Schreingebäude gebeten.
11 ujibashi watarihajimeshiki 宇治橋渡始式 Die Zeremonie findet anlässlich der ersten Überquerung der neu errichteten Uji Brücke statt.
12 ritchûsai 立柱祭 Feier zur Errichtung der Gebäudepfeiler.
13 gogyôsai 御形祭 Am gleichen Tag des ritchûsai 立柱祭 werden an den östlich- und westlich gelegenen Enden die Pfeiler der Schreingebäude befestigt.
14 jôtôsai 上棟祭 Eine feierliche Zeremonie zur Errichtung der Firstbalken.
15 nokitsukesai 檐付祭 Mit dieser Zeremonie wird der Beginn der Dachdeckerarbeiten gefeiert.
16 irakasai 甍祭 Bei dem irakasai findet eine Feier zum Abschluss der Dachdeckerarbeiten statt. Der Höhepunkt dieses Festes stellt die Anbringung der Metallverzierungen dar.
17 oshiraishimochigyôji 御白石持行事 Bei dieser Zeremonie wird die Fertigstellung des shôden 正殿 gefeiert. Gläubige reinigen die alten Kieselsteine oder bringen neue dar um den Boden damit zu bedecken.
18 mitosai 御戸祭 Diese Zeremonie findet statt wenn im hinteren Bereich des Hauptschreins die Türen eingesetzt werden.
19 mifunashirohônôshiki 御船代奉納式 Im Rahmen dieser Festlichkeit wird der mifunashiro dem Schrein dargebracht.
20 araikyome 洗清 Hierbei werden die Schreingebäude in einer Zeremonie rituell gereinigt und für die Überführung der Gottheiten vorbereitet.
21 shin no mihashira hôken 心御柱奉建 Bei diesem Ritual wird von den Priestern die Kernsäule des Schreinhauptgebäudes spät in der Nacht verehrt.
22 kotsukisai 杵築祭 Das kotsukisai dient dazu die Pfeiler der Neubauten rituell zu verstärken um eine lange Haltbarkeit zu erbitten.
23 gochinsai 後鎮祭 Bei diesem Ritual werden die Götter um Schutz für die Zukunft gebeten.
24 onshôzoku shinpô tokugô 御装束神宝読合 In einer feierlichen Zeremonie werden die neuen heiligen Schätze und Gewänder an die Zeremoniemeister übergeben und gleichzeitig inventarisiert.
25 kawara ôharai 川原大祓 Sowohl Hohepriester jingûsaishu 神宮祭主 als auch niedrigere Geistliche, die am sengyo 遷御 beteiligt sind unterziehen sich einer rituellen Waschung im Fluss.
26 okazari 御飾 An diesem Tag werden die Innenräume der neuen Gebäude in Vorbereitung auf das sengyo 遷御 verkleidet
27 sengyo 遷御 Hierbei handelt es sich um den bedeutendsten Punkt des shikinen sengû. Die Götter wechseln in einer feierlichen Prozession von den alten in die neuen Gebäude.
28 ômike 大御饌 Am Tag nach dem sengyo werden den Göttern das erste mal in den neuen Schreinen Speisen geopfert.
29 hôhei 奉幣 Bei dieser Zeremonie werden die Opfergaben des Tennô den Göttern dargebracht.
30 komotsuwatashi 古物渡 Bei dieser Zeremonie werden die alten heiligen Schätze in das westliche Schatzhaus verlegt.
31 mikaguramike 御神楽御饌 Im Anschluss an mikagura 御神楽 (shintôistischer Tanz im Tempel) werden den Göttern Speisen geopfert.
32 mikagura 御神楽 Nach dem sengyo findet für den Tennô eine eigene Aufführung des mikagura 御神楽 im Palast statt.

Kritik am sengû-System

Die anfallenden Kosten für die 61. Schreinüberführung beliefen sich laut des Artikels der Asahi Shinbun (30.9.1993) auf 32,7 Milliarden Yen - was anhand der großen Mengen an benötigtem Material und der immensen Arbeitszeit nicht schwer zu glauben ist. Im Vergleich dazu die Kosten von 1973 mit 4,5 Milliarden Yen welche somit siebenmal niedriger ausfielen (Bock 1974:58).

Aus rechtlicher Sicht hat sich der Status der Shintô-Schreine seit dem 23.1.1946 stark verändert und wurden in eine religiöse Körperschaft umgewandelt. Nach Ende des zweiten Weltkriegs setzte die amerikanische Besatzungsmacht mit der Shintô-Direktive (15.12.1945) der staatlichen Kontrolle und der weiteren Verbreitung des Staats-Shintô ein Ende (Creemers 1968:55, 219). Des weiteren merkt Creemers an, dass seit 1947 auch in der japanischen Verfassung die Trennung von Staat und Religion durch Artikel 89 fest verankert ist (ibid.:S 229). Aus dieser Veränderung resultiert ein großes finanzielles Problem für die Schreine, denn bis zu diesem Zeitpunkt genossen fast 200 Schreine in ganz Japan die finanzielle Unterstützung des Staates – mit dem Ende dieser Zuwendung wurden viele Schreine, darunter auch der Großschrein von Ise in eine finanzielle Krise gestürzt. Daraus resultierte auch die Verschiebung der 59. zyklischen Schreinverlegung (ursprünglich 1949) um 4 Jahre durch eine Anweisung des Kaiserhauses verschoben wurde (ibid.:55, 74, 218).

Wenn man die Mengen an benötigten Materialien näher betrachtet (siehe 3.2. Umfang des shikinen sengû), so ist es nicht weiter verwunderlich, dass in diesem Zusammenhang in Japan Kritik laut wurde. So stand ebenfalls in dem Artikel, dass Stimmen laut geworden wären, dass die Verschwendung von wertvollen Ressourcen nicht mehr länger ökologisch vertretbar wäre. Diesen Stimmen gegenüber verteidigt sich der der Großschrein mit Aufforstungsprogrammen und einem 5400 Hektar großen schreineigenen Waldstück, welches sich hinter dem Inneren Schrein erstreckt. Neben diesen bereits bestehenden Eigenressourcen besteht zusätzlich der Plan ein 1000 Hektar großes Waldstück zwischen den Präfekturen Kumamoto und Miyazaki zu kaufen um in Zukunft den Bedarf an Bauholz aus eigenen Mitteln heraus decken zu können. Außerdem wird argumentiert der Großschrein, dass das noch verwendbare Holz der alten Gebäude in den Schreinen von ganz Japan Wiederverwendung findet (Asahi Shinbun 30.9.1993:8).

Mit dem Event sengû sind zum einen hohe Investitionen und zum anderen auch hohe Gewinne verwunden. Im Jahr besuchen durchschnittlich sechs Millionen Menschen den Großschrein von Ise und hinzu kommt, dass im Jahr nach der Schreinverlegung diese Zahl noch bei weitem überschritten werden wird. So rechnet der Großschrein von Ise mit einem zusätzlichen Besucheransturm von 4 Millionen (Asahi Shinbun, 30.9.1993:8). Dementsprechend sind die Erwartungen von Wirtschaft und Hotellerie an die zyklische Schreinverlegung immer wieder hoch.

Literatur

Cassandra Adams 1998
„Japan's Ise shrine and its thirteen-hundred-year-old reconstruction tradition.“ Journal of Architectural Education 52/1 (1998), S. 49-60.
Felicia G. Bock 1970-72
Engi-shiki: Procedures of the Engi Era. Tokyo: Sophia University 1970-72. (Bd. 1 (1970): Engishiki 1-5; Bd. 2 (1972): Engishiki 6-10.)
Felicia G. Bock 1974
„The rites of renewal at Ise.“ Monumenta Nipponica 29 (1974), S. 55–68.
Florian Coulmas 1994
„Eternal change at the grand shrine of Ise.“ Japan Quaterly 1 (1994), S. 36-43.
Wilhelmus Creemers 1968
Shrine Shintō after World War II. Leiden: E. J. Brill 1968.
Robert S. Ellwood 1968
„Harvest and renewal at the Grand Shrine of Ise.“ Numen 15/3 (1968), S. 165-190.
Karl Florenz 1919
Die historischen Quellen der Shinto-Religion. Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht 1919. (Übersetzungen von Kojiki und Nihon shoki [in Auszügen] sowie Kogo shūi [ganz].)
Fukuyama Toshio 福山敏男 1964
Nihon no yashiro. Tōkyō: Bijutsu Shuppansha 1964.
Horst Hammitzsch 1937
Yamato-hime no mikoto seiki: Bericht über den Erdenwandel ihrer Hoheit der Prinzessin Yamato. Leipzig: A. Richter 1937.
Kawazoe Noboru 川添登 1962
„The Ise shrine.“ Japan Quarterly IX/3 (1962), S. 285-292.
Sepp Linhart 1983
„Japan.“ In: Otto Ladstätter und Sepp Linhart (Hg.), China und Japan - Die Kulturen Ostasiens. Wien: Ueberreuter 1983, S. 245-400.

„Nijûnen ni ichido no ‚sengû‘ no aki mukaeta Ise sengû” 「二十年に一度の遷宮の開き向かえた伊勢遷宮」, in Asahi Shinbun , 30.9.1993, S.8

Elke Mähner 1994
„Ise Jingū: Der ewige Schrein.“ Japan Magazin 2/94 (1994), S. 36-39.
  1. WEITERLEITUNG Literatur:Obayashi 1982
Stuart Picken 1980
Shintō: Japan's spiritual roots. Tōkyō: Kodansha 1980.
Tange Kenzō 丹下 健三 1965
Ise: Prototype of Japanese architecture. Cambridge: The M.I.T. Press 1965.
Tokoro Isao 所功 1973
Ise no jingū. Tōkyō: Shinjinbutsu Ōraisha 1973.
Yamauchi Yasushi Akira 山内泰明 1972
Jinja kenchiku. Tōkyō: Jinja shinpō 1972. (3. Auflage.)
Klaus Zwerger 2000
Wood and wood joints: building traditions of Europe and Japan. Basel: Brickhäuser 2000.

Notizen

  1. http://www.isejingu.or.jp/
  2. http://www.isejingu.or.jp/
  3. http://www.isejingu.or.jp/
  4. Klaus Zwerger 2000 Wood and wood joints: building traditions of Europe and Japan. Basel: Brickhäuser.
  5. Klaus Zwerger 2000 Wood and wood joints: building traditions of Europe and Japan. Basel: Brickhäuser.
  6. „Shikinen zodaisei no seiritsu“. 1993, S. 259 – 290
  7. „Kyukankoku heisha ni okeru shikinen zodai sei no chosa“. 1975, S. 26 – 38
  8. http://grandebanzai.blogspot.com/2009/04/il-trasloco-del-santuario-di-ise.html
  9. Verweis auf die Bedeutung von Amaterasu als Göttin der Webkunst. Siehe: Nelly Naumann (1983) „Die Webende Göttin“ Nachricht der Gesellschaft der Natur- und Völkerkunde Ostasiens, S.5-76.
  10. Robert S. Ellwood, "Harvest and Renewal at the Grand Shrine of Ise". 1968, Seite: 169ff.
  11. Robert S. Ellwood, "Harvest and Renewal at the Grand Shrine of Ise". 1968, Seite: 172ff.
  12. http://www.isejingu.or.jp/shikinensengu/, 27.2.2012
  13. http://blog.goo.ne.jp/sekiseikai_2007/e/d492fa55c5a957dcc20668aef3e58fbc
  14. http://www.isejingu.or.jp/shikinensengu/62kai-index.html