Heikegani

Aus Kamigraphie
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Heikegani.jpg
heikegani-Krabbe[Abb. 1]
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ThemengruppeGeister (inkl. Tiere und Monster)
Name heikegani 平家蟹 („Heikekrabbe“)
Herkunft Japan (Yamaguchi 山口)
Attribute, Begleiter Furchen in Form eines menschlichen Gesichts, besonders das eines Samurai
Funktion, Wirkkraft Reinkarnation der im Genpei-Krieg verstorbenen Taira
Diese Seite entstand im Kontext des Seminars Kamigraphie:Seefahrt.

Heikegani 平家蟹 (Heikeopsis japonica) sind Krabben mit charakteristischem Furchenmuster auf dem Rücken, welches an ein zorniges menschliches Gesicht (Gesichts-Pareidolie) erinnert. Dies inspirierte verschiedene Erklärungen innerhalb des japanischen Volksglaubens. Die heute populärste Erklärung erachtet die Krabben als Reinkarnationen der in der Schlacht von Dan-no-ura 壇ノ浦の戦い unterlegenen Heike 平家 Krieger (auch Taira), daher der Name heikegani.

Geschichte der heikegani

Frühe Erwähnungen

Die möglicherweise erste Erwähnung der heikegani (oder heikekani) findet sich im Chirizuka monogatari 塵塚物語, einer Geschichtensammlung, die laut Kolophon 1552 entstand. Darin ist von einem Besuch des Shōgunen Ashikaga Yoshimitsu 足利義満 (1358–1408) im Tempel Amida-ji 阿弥陀寺 in Nagato 長門 (das heutige Yamaguchi) die Rede. Der Tempel wurde zu Ehren des in der Schlacht von Dan-no-ura (1185) verstorbenen Kindkaisers Antoku errichtet. Der Abt dieses Tempels berichtet dem Shōgun, dass der Spuk der Schlacht von Dan-no-ura noch nicht zu Ende sei, man könne manchmal Kampfgeschrei hören, gerüstete Krieger mit dem Pferd aus dem Wasser springen oder rot-weiße Fahnen flattern sehen. Auch die Krabben dieser Gegend verkörperten dem Abt zufolge die Rachegeister der Heike. Diese heikegani seien bemitleidenswerte Kreaturen, die unter ihrem schlechten Karma zu leiden hätten. Schließlich erhält der Shōgun (der selbst aus der Familie der Gegner der Heike entstammt) ein Exemplar dieser Krabben.[1]

Die Legende findet sich beinahe identisch auch im Go-Taiheiki 後太平記, einem Geschichtswerk aus 1677. Sie erklärt den Begriff heikegani mit der Erinnerung an eine der folgenreichsten Schlachten der japanischen Geschichte, die zugleich den Untergang des Hauses Heike besiegelte. Zugleich wird die Erzählung einem Abt in den Mund gelegt, dessen Tempel unweit der historischen Stätte mit der Aufgabe betraut war, die Rachegeister der gefallenen Krieger zu befrieden.

Die Datierung der ersten Textversion mit 1552 wird von Takoshima in Übereinstimmung mit Suzuki Akira[2] jedoch angezweifelt, da die fragliche Krabbenart in anderen zeitnahen Texten nicht erwähnt wird.[3]

Der Reisebericht Kyūshū no michi no ki aus dem Jahr 1592, in welchem Reisen nach Akamagaseki 赤間関 (heutiges Shimonoseki 下関) und sogar ein Besuch im Amida-Tempel mit extensivem Material über die Schlacht von Dan-no-ura beschrieben wird, enthält z.B. keine Erwähnung der heikegani. Ähnliches gilt für einen Bericht aus dem Jahr 1587.

Aufschlussreich ist auch ein Fehlen der Erwähnung von heikegani im Fusō kishō 扶桑記勝, ein Bericht über die Spezialitäten verschiedener Regionen aus dem Jahr 1677. Hier wird zwar die Krabbenart shimamura-gani 島村蟹 als Spezialität der Provinz Settsu 摂津 (heute Ōsaka), in Nagato finden sich dagegen nur Tuschsteine (akamasuzuri 赤間硯). Erst in späteren Berichten werden heikegani und akamazuri zu einem stereotypen Paar, wenn es um die Provinz Nagato geht.[4]

Die früheste gesicherte Erwähnung der heikegani findet sich laut Takoshima in der Gedichtanthologie Kefukigusa 毛吹草 von Matsue Shigeyori (1603–1680) aus dem Jahr 1645. [5] Danach kommen die heikegani immer häufiger in Reiseberichten vor. Ab den 1750er Jahren ist auch vom Verkauf von heikegani die Rede.

Schließlich heißt es in einem parodistischen Werk aus dem Jahr 1798 (Bakemono Yamato honsō 化物和本草), dass sich die männlichen Krieger der Taira in heikegani, die Frauen hingegen in heikigani verwandelt hätten – ein Wortspiel mit den Begriffen Heike 平家, „Taira-Klan“, und heiki 平気, „gleichgültig“. Damit ist der Begriff heikegani für die Zeit um 1800 als weitgehend bekannt einzustufen.[6]

Das Aufkommen des Namens heikegani und des damit verbundenen Glaubens wäre somit mit großer Wahrscheinlichkeit in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts anzusiedeln[7] und hat sich im Laufe der Edo-Zeit landesweit durchgesetzt.

Alternative Bezeichnungen

In einem Farbholzschnitt dargestellte heikegani [Abb. 2]

Ebenfalls im späteren 17. Jahrhundert finden sich auch alternative Bezeichnungen wie takebun-gani 武文蟹 oder shimamura-gani. Takebun-gani sind auf der Insel Awaji 淡路 (Hyōgo) belegt.[8] Der Name leitet sich von Hata no Takebun 秦武文, ein Krieger der im Genkō-Krieg (1331–1333) fiel und sich in eine Krabbe verwandelt haben soll. Shimamura-gani nehmen auf Shimamura Takanori 島村 貴則 Bezug, einen Krieger der 1531 fiel. Weitere Bezeichnungen sind Osada-kani 長田蟹 (nach einer Begebenheit aus dem Genpei-Krieg, 1181–1185) oder Kiyotsune-kani (nach Taira no Kiyotsune, der sich selbst ertränkte).[9] Die Namensgebungen gehorchen alle einem ähnlichen Muster, wonach tragische Helden, die zu Rachegeistern wurden, in Krabbengestalt fortleben. Die entsprechenden Legenden scheinen sich jedoch lange nach den jeweiligen Vorfällen herausgebildet zu haben. Ihre schriftliche Niederlegung im 17. Jh. steht möglicherweise mit der zu dieser Zeit aufkommenden prototouristischen Reklame für regionale Besonderheiten in Zusammenhang.

Im Bereich der Seto-Inlandssee 瀬戸内海 scheint es weitere Legenden zu geben, in denen Schiffbrüchige Reinkarnation als Krabben finden. Daher ist als Grundlage für die Entstehung des heikegani-Glaubens vielleicht generell ein früherer Glaube zu sehen, dass Schiffbrüchige allgemein als Krabben wiedergeboren werden.[10]

Schließlich werden heikegani auch mit alternativen Schriftzeichen geschrieben. Im Werk Tōji rokuchō 謄氏六帖 aus 1706, in dem Tiernamen in Kanji sowie Furigana aufgeführt wurden, werden die heikegani mit den Zeichen 鬼面蟹 (kimen-gani „Dämonengesichtskrabbe“) geschrieben, aber als heikegani glossiert. Dazu findet sich die Anmerkung, dass die Schreibung kimen-gani einem chinesischen Werk aus 1511, dem 野記 von Zhu Yunming 祝允明, 1461–1527, entnommen sei.[11] Gelehrte der Edo-Zeit waren sich somit der Tatsache bewusst, dass es Verwandte der Heike-Krabben auch in China geben müsse.

Verweise

Literatur

  • Takoshima Sunao 蛸島直 2012
    „Kani ni ka shita ningen-tachi: Heikegani no kiroku o chūshin ni.“ Ningen Bunka 28 (2012), S. 85-107. („In Krabben verwandelte Menschen: Berichte über die Heikegani“.)

Fußnoten

  1. Takoshima 2012, S. 87–88.
  2. 鈴木彰 2008「平家蟹と壇ノ浦旅人たちの見聞をめぐって」説話と説話文学の会編『説話論集』第17集清文堂出版, pp.465-505.
  3. Takoshima 2012, S. 86, 88–89.
  4. Beispielsweise in einem Bericht von einer Reise nach Akamagaseki aus 1727 (Takoshima 2012, S. 91).
  5. Takoshima 2012, S. 89.
  6. Takoshima 2012, S. 100
  7. Takoshima 2012, S. 89–90
  8. Takoshima 2012, S. 92–93
  9. Takoshima 2012, S. 85.
  10. Takoshima 2012, S. 106
  11. Takoshima 2012, S. 91.

Bilder

Quellen und Erläuterungen zu den Bildern auf dieser Seite:

  1. Heikegani.jpg
    Heikegani Photographie
    Bild © Heikegani. (Letzter Zugriff: 2016/8/14)
  2. Heikegani 2.jpg
    Heikegani Blockdruck von Utagawa Kuniyoshi (1798-1861). Edo-Zeit
    Bild © Wikimedia Commons. (Letzter Zugriff: 2021/8/19)
    Heikegani mit menschenähnlichem Gesicht; Ausschnitt eines Farbholzschnitts