Hōjō-e: Unterschied zwischen den Versionen

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Laut dem ''Nihon shoki'', kam es 675, im vierten Jahr der Regierungsperiode des Tenmu Tennō, zu einem kaiserlichen Erlass, wonach es verboten war zu fischen und zu jagen. Des Weiteren durfte kein Fleisch von Rindern, Pferden, Hunden, Affen und Hühnern gegessen werden, zumindest nicht im Zeitraum vom vierten bis zum neunten Monat. Hielt man sich nicht an die Verordnung, musste man mit einer Bestrafung rechnen. Ein Jahr später, 676, gab es die erste verzeichnete Anordnung einer Freisetzung von Lebewesen in allen Provinzen. Zugleich wurden auch Boten ausgesandt, die in allen Provinzen die Sūtren ''Konkōmyō-kyō'' und ''Ninnō-kyō'' 仁王経 erläutern sollten. Diesen beiden Texten zufolge, ist der Buddhismus primär ein den Staat schützendes System von Riten und Zeremonien.  
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Laut dem ''Nihon shoki'' 日本書紀 (720), kam es 675, im vierten Jahr der Regierungsperiode des Tenmu Tennō, zu einem kaiserlichen Erlass, wonach es verboten war zu fischen und zu jagen. Des Weiteren durfte kein Fleisch von Rindern, Pferden, Hunden, Affen und Hühnern gegessen werden, zumindest nicht im Zeitraum vom vierten bis zum neunten Monat. Hielt man sich nicht an die Verordnung, musste man mit einer Bestrafung rechnen. Ein Jahr später, 676, gab es die erste verzeichnete Anordnung einer Freisetzung von Lebewesen in allen Provinzen. Zugleich wurden auch Boten ausgesandt, die in allen Provinzen die Sūtren ''Konkōmyō-kyō'' und ''Ninnō-kyō'' 仁王経 erläutern sollten. Diesen beiden Texten zufolge, ist der Buddhismus primär ein den Staat schützendes System von Riten und Zeremonien.  
  
 
Die wohl bedeutendsten ''hōjō-e''-Rituale der [[Heian-Zeit]] waren jene des [[Iwashimizu Hachiman-gū]] nahe Kyōto, die ab 863 turnusmäßig abgehalten wurden. Sie wurden ab dem Jahr 1070 zum Staatsritual erklärt, bei dem ''tennō'', der anwesend sein sollte.
 
Die wohl bedeutendsten ''hōjō-e''-Rituale der [[Heian-Zeit]] waren jene des [[Iwashimizu Hachiman-gū]] nahe Kyōto, die ab 863 turnusmäßig abgehalten wurden. Sie wurden ab dem Jahr 1070 zum Staatsritual erklärt, bei dem ''tennō'', der anwesend sein sollte.
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Das ''hōjō-e''-Ritual wurde nicht nur aus rein religiösen Erwägungen veranstaltet, sondern auch dann, wenn die gesellschaftliche Ordnung in irgendeiner Weise gefährdet war. Beispiele hierfür lassen sich zahlreich im ''[[Shoku nihongi]]'' 続日本紀 (797) finden:
  
 
*726 wegen einer Krankheit des [[Shōmu Tennō]].
 
*726 wegen einer Krankheit des [[Shōmu Tennō]].

Version vom 28. August 2013, 10:05 Uhr

Das hōjō-e 放生会 ist eine Zeremonie, bei der gefangene Tiere in feierlichem Rahmen freigelassen werden. Seinen Ursprung findet man im chinesischen Buddhismus. In China wurden kleine Vögel und Fische auf Feldern und in Flüssen freigelassen, um Mitgefühl und das Bewusstsein auszudrücken, dass alle Lebewesen auf den verschiedenen Stufen des 6-fachen Seelenwanderungswegs miteinander verbunden sind. In Japan wurde das hōjō-e u.a. zu einem wichtigen Bestandteil des Hachiman-Kults.

Wichtige Termini in Verbindung mit dem hōjō-e

  • Chinkon 鎮魂: Die Beruhigung der Seelen Verstorbener.
  • Sesshō kindan 殺生禁断: Das Verbot Lebewesen zu schädigen oder zu töten.
  • Hōjō 放生: Die Freilassung gefangener Tiere.

Der buddhistische Grundgedanke

Im Buddhismus ist das Tötungsverbot die wichtigste Forderung und somit unbedingt einzuhalten. Da man an den Kreislauf der Wiedergeburten und an mehrere Daseinsbereiche glaubt, müssen Tiere geschützt werden, sie könnten immerhin die eigenen Vorfahren sein. Nach japanischer Vorstellung können auch Gottheiten die Gestalt von Bär, Affe, Wildschwein, Hirsch oder Fuchs annehmen.

Hōjō-e basiert auf den Geboten des Bonmō-kyō (Brahamjāla Sūtra, "Brahma-Netz Sutra"), einem Werk des Vinaya (Gebote und Mönchregeln) des Mahāyāna. Das Ritual beruht auf dem Gedanken, dass alle Lebewesen der "Sechs Wege der Wiedergeburt" (rokudō 六道) unsere Eltern in wiedergeborener Gestalt sein könnten. Wenn wir daher Lebewesen töten, so töten wir unsere Eltern und somit auch unsere früheren Körper. Daher muss man immer Lebewesen befreien, da das Karma-Gesetz besagt, dass man Leben produzieren und erhalten soll. Wenn nun eine Person sieht, wie jemand Tiere töten will, so sollte diese Person die Tiere retten, beschützen und sie von Gefahr und Elend befreien.

Buddhas Geschichte als Vorbild

Im Konkōmyō-kyō 金光明経 (skt. „Suvarnaprabhāsa Sūtra“, wtl. „Goldglanz Sutra“) findet man eine Geschichte über den Buddha, die als Modell für die Durchführung einer Freilassungszeremonie gilt:

Der Buddha kam einst in der Inkarnation des reichen Kaufmannes Jalavāhana in ein Dorf, das an einem Teich lag. Der Teich war ausgetrocknet und die 10.000 Fische waren zum Sterben verdammt. Da überdeckte Jalavāhana sie mit Zweigen und ließ 20 Elefanten Wasser zu dem Teich tragen, damit sie überleben konnten. Er fütterte sie und erzählte ihnen dabei vom Dharma. Dieser Kaufmann wurde zum Vorbild für zahllose Freilassungszeremonien in China und Japan, bei denen man, seinem Beispiel nacheifernd, vor allem Fische in Teichen aussetzte. Mit der Durchsetzung und offiziellen Anerkennung des Buddhismus wurden sie auch von den Herrschern selbst angeordnet.

Freilassungszeremonie in China

Im chinesischen Buddhismus wurden Freilassungszeremonien vom Begründer des T’ein-T’ai (jap. Tendai), Chih-I (538-97), propagiert. Er soll die Fischer der Hunan Provinz bekehrt und dazu gebracht haben das Fischen aufzugeben. Er kaufte ein großes Gebiet von der T’ein-T’ai Bucht bis zum Land von Hu-liang und widmete es in einen Zufluchtsort um. Dort sollten dann Freilassungszeremonien durchgeführt werden.

Das fünfte Oberhaupt der Kegon-Schule, Tsung-Mih (774-841), schrieb, dass man Freilassungszeremonien zu drei festgelegten Zeiten abhalten soll: am Ende des Jahres, am Ende des Sommers und wann auch immer man in Trauer ist.

Viele Buddhisten feiern auch den Geburtstag des Buddha, indem sie Tiere freilassen.

Hōjō-e in Japan

Shōtoku Taishi und hōjō-e

Laut dem Shōtoku Taishi denreki 聖徳太子伝暦 wollte Prinz Shōtoku Taishi im Jahre 611 ein Tötungsverbot verhängen lassen, weil dies nicht nur die gewichtigste Forderung des Buddha sei, sondern weil es auch dem konfuzianischen Gebot „der Mitmenschlichkeit und Güte“ entspreche und somit von einem umsichtigen Herrscher zu erwarten sei. Man findet diese Aussage allerdings nicht im frühesten erhaltenen Geschichtswerk, dem Nihon shoki. Jedoch werden in mittelalterlichen Quellen die frühesten Anordnungen von Tötungsverbot und Freilassungszeremonie mit dem Namen des Shōtoku Taishi verbunden.

Sesshō kindan und die erste Anordnung eines hōjō-e

Laut dem Nihon shoki 日本書紀 (720), kam es 675, im vierten Jahr der Regierungsperiode des Tenmu Tennō, zu einem kaiserlichen Erlass, wonach es verboten war zu fischen und zu jagen. Des Weiteren durfte kein Fleisch von Rindern, Pferden, Hunden, Affen und Hühnern gegessen werden, zumindest nicht im Zeitraum vom vierten bis zum neunten Monat. Hielt man sich nicht an die Verordnung, musste man mit einer Bestrafung rechnen. Ein Jahr später, 676, gab es die erste verzeichnete Anordnung einer Freisetzung von Lebewesen in allen Provinzen. Zugleich wurden auch Boten ausgesandt, die in allen Provinzen die Sūtren Konkōmyō-kyō und Ninnō-kyō 仁王経 erläutern sollten. Diesen beiden Texten zufolge, ist der Buddhismus primär ein den Staat schützendes System von Riten und Zeremonien.

Die wohl bedeutendsten hōjō-e-Rituale der Heian-Zeit waren jene des Iwashimizu Hachiman-gū nahe Kyōto, die ab 863 turnusmäßig abgehalten wurden. Sie wurden ab dem Jahr 1070 zum Staatsritual erklärt, bei dem tennō, der anwesend sein sollte.

Gründe für die Anordnung einer Freilassungszeremonie

Das hōjō-e-Ritual wurde nicht nur aus rein religiösen Erwägungen veranstaltet, sondern auch dann, wenn die gesellschaftliche Ordnung in irgendeiner Weise gefährdet war. Beispiele hierfür lassen sich zahlreich im Shoku nihongi 続日本紀 (797) finden:

  • 726 wegen einer Krankheit des Shōmu Tennō.
  • 730 wegen Unruhen in der Provinzbevölkerung.
  • 732 wegen einer langen Dürre.
  • 745 wiederum wegen einer Erkrankung des Shōmu Tennō (es wurde eine Freilassung von Kormoranen angeordnet).

Im Altertum fungierte der Buddhismus primär als spiritueller Schutz des Staates. Laut Klaus Vollmer symbolisieren Freilassungszeremonien offenbar auch einen umfassenden territorialen Herrschaftsanspruch, dessen Integrität idealerweise durch keine andere Institution oder Fraktion eingeschränkt werden sollte. Ein Beispiel hierfür wäre Minamoto no Yoritomo, der nach Vernichtung der Taira im Jahre 1187 am 15. August das erste hōjō-e am Tsurugaoka Hachiman-gū in Kamakura veranstalten ließ und zugleich für die ersten zwei Wochen des Monats eine zu befolgende Freisetzungsorder proklamierte. Dies spricht dafür, dass dieses Ritual mit der Idee des legitimen Herrschaftsanspruches verbunden war. Die Einrichtung der hōjō-e an den Schreinen Usa hachiman-gū in Kyūshū sowie Iwashimizu Hachiman-gū und Tsurugaoka Hachiman-gū in Kamakura (seit 1187) haben auch zur Popularisierung des Rituals beigetragen.

Das hōjō-e der Gegenwart

Heutzutage werden Freilassungszeremonien von Fischern veranstaltet, um für Sicherheit auf See zu bitten und um die Geister der Fische zu besänftigen, die jedes Jahr gefangen werden.

Eine beliebte Tradition bei japanischen Festen ist das Fangen eines Goldfisches mit dünnen Papiernetzen. Man lässt diese dann wieder frei oder – weitaus üblicher – nimmt sie mit nach Hause, um sie dort zu halten. Man sagt, dass auch dies eine Variante des Rituals sei.

Hōjō-e im Zusammenhang mit dem Hachiman-Kult

Schon im Jahr 584 wurde ein buddhistischer Mönch aus Toyo (Buzen Provinz, Kyūshū) gerufen, als Yōmei Tennō krank wurde und den Wunsch äußerte dem Dharma zu folgen. Mönche aus der Buzen-Provinz waren bekannt für ihre heilerischen Fähigkeiten. Auch in der frühen Geschichte des Hachiman Kultes und bei der Hayato-Rebellion spielten buddhistische Priester eine wichtige Rolle.

Das Usa Hachiman-gū hōjō-e

Zum ersten Mal gab es eine Freilassungszeremonie im Usa Hachiman-gū in Kyūshū im Jahr 745. Von dort aus verbreitete es sich zum Iwashimizu Hachiman-gū und später in ganz Japan. Die Usa Hachiman Version des Rituals der Freilassung ist unüblich, denn hier verschmelzen buddhistische Elemente (der ursprüngliche Gedanke der Freilassungszeremonie) und shintoistische Elementen (chinkonsai-Ritual). Diese Vermischung eines buddhistischen Rituals mit dem japanischen Brauch einer Besänftigungszeremonie zeigt nur eine Möglichkeit, wie sich buddhistische mit japanischen Shinto-Vorstellungen vermischen können.

Verbindung mit dem chinkonsai

In Japan gibt es eine so genannten Besänftigungszeremonie namens chinkonsai. Anders als bei dem ursprünglichen Gedanken der Freilassungszeremonie, ist das chinkonsai als direkte Wiedergutmachung und als Besänftigung jener bösen Geister gedacht, die zurückkommen und Probleme verursachen könnten (angefangen von schweren Krankheiten in der Familie bis zu Plagen, Naturkatastrophen und Problemen in der Regierung). Beim chinkonsai ruft man die unglücklichen Geister zurück, stellt das Ereignis dar, welches dazu führte, dass die Personen unglücklich wurden und erlaubt den Geistern, die Geschichte auf ihre Art und Weise zu erzählen. Es ist üblich, dass eine Puppe (Yorishiro; shintai) verwendet wird, von der ein Geist dann Besitz ergreift. Dieser Ablauf spielt eine wichtige Rolle im japanischen Shintō, sowie für das hōjō-e des Usa hachiman-gū.

Ebenso wie die Freilassungszeremonie drückt auch die Besänftigungszeremonie große Bedenken gegenüber dem Töten aus: Das hōjō-e repräsentiert das buddhistische Verbot des Tötens und das chinkonsai drückt das quälende Gefühl aus, dass von den Gesetzeswidrigen gefühlt wird.

Die Hayato-Rebellion als Auslöser

Bezüglich der Etablierung des hōjō-e in Usa ist im Hachiman Usa-gū hōjō-e engi folgende Geschichte überliefert:

In der Regierungszeit der Kaiserin Genshō (Genshō Tennō 元正天皇, r. 715–724) planten die Hayato einen Angriff gegen die Zentralmacht. Ein kaiserlicher Bote bat am Usa Schrein um Hilfe, worauf ein Orakel verkündet wurde. Es besagte nicht nur, dass die Hayato bezwungen werden würden, die Gottheit versprach auch die Hayato zu "beruhigen". Im Jahr 720 umschlossen die Regierungsmächte und die „Krieger-Priester“ (shinpei, shingun) des Hachiman Schreins sieben Schlösser der Hayato. Für diese blutige Schlacht wurde Hachiman gerufen um die Nation zu beschützen, den Feind zu besiegen, sowie die Macht in dieser Region wieder zu festigen. Im Kampf fielen fünf der sieben Schlösser, aber bei zwei war es unmöglich sie einzunehmen. In einem Orakel hieß es, dass man zwei Puppen, eine in der Form einer schönen Frau und eine in der Form ihres Kindes, am Schauplatz des Kampfes platzieren soll. Mit diesen wurde dann ein Auftritt aufgeführt. Das Resultat war, dass die Hayato von dieser Aufführung so fasziniert waren, so dass sie leicht zu erobern waren.
In der Regentschaft des Shōmu Tennō, gab es 724 ein weiteres Orakel. Laut diesem sprach die Gottheit, „I, the god, as the retribution for killing many of the Hayato, decree that on separate years we will do a hōjō-e.” Im Jahr 735 wurde dann zum ersten Mal eine Freilassungszeremonie aufgeführt.

Eine Legende des Kohyō-Schreins besagt zudem, dass die Hayato von diesen zwei Schlössern ins Meer flohen, jedoch ertrank jeder einzelne von ihnen. Zur selben Zeit bemerkte man entlang der Küste einen Anstieg der Schlangen. Man glaubte also, dass die getöteten Hayato zu unheilvollen Schlangen geworden waren, die den Fischfang beeinträchtigten. Kurz darauf brach eine Plage aus, die in der Bevölkerung großes Leiden verursachte und man sagte, dass dies dem Fluch der Hayato zuzuschreiben sei. Daher wurde das hōjō-e praktiziert, um die Hayato, die in diesem Kampf getötet wurden, zu befriedigen.

Tatsächlich rezitieren buddhistische Priester während des hōjō-e Sūtren und lassen Schlangen und Fische im Wasser frei, während Tänze, vor allem Puppentänze des Koyō und Kohyō-Schreins, gezeigt werden. Lange führte man dieses hōjō-e jährlich auf, seit der Meiji-Zeit wird es jedoch nur noch alle vier Jahre veranstaltet.

Das Usa Hachiman hōjō-e hat sich während der Zeit laufend verändert. Anfangs war es ein Besänftigungsritual, das auf Grund einer Plage eingeführt wurde. Später wurde das Ritual als „Erinnerungsservice“ verwendet um andere gewaltsame Geschehen in der japanischen Militärgeschichte feierlich aufzuführen und damit zu legitimieren.

Legitimierung von Macht und Gewalt

Der steigende buddhistische Einfluss innerhalb des Hachiman-Kultes schuf die Notwendigkeit, den Widerspruch zwischen Hachiman als Beschützer der weltlichen Macht (einschließlich ihrer Kriege) und Hachiman als Bodhisattva, der sich aller Lebewesen erbarmt, auf rituellem Level zu bewältigen. Hachiman als Bodhisattva und Hachiman als Gott des Krieges repräsentieren zwei nur schwer vereinbare Versionen der Gottheit. Durch die Verwendung des hōjō-e versuchte man im Laufe der Zeit den Konflikt innerhalb der Hachiman-Tradition zu lösen.

Die Rechtfertigungen und Interpretationen des Rituals innerhalb des Hachiman Kultes weiteten sich immer weiter aus. Es begann mit den besiegten und getöteten Hayato, später wurde es auf andere Gruppen ausgedehnt, zum Beispiel auf den Feldzug der Kaiserin Jingū, oder auf die Mongoleninvasion im 13. Jahrhundert. Das Ritual thematisiert somit verschiedene Momente der von Gewalt und Blutvergießen durchzogenen Geschichte und schafft eine mythische Geschichte, die es ermöglicht, auf spektakuläre Weise und für die breite Öffentlichkeit Gewalt zu legitimieren. Je pompöser das eigentliche Ritual ist, desto leichter vergisst man die Gräueltaten, die auch im Namen des Hachiman als Kriegsgott begangen wurden. Das ist nach Meinung von Jane Mary Law (Law 1994) die wichtigste ideologische Funktion des Rituals. Indem man die Macht des Prunkes zur Schau stellt, wird die Machtbefugnis des Hachiman als legitim angesehen. Daher wird auch jede Machtausübung von Hachiman mehr oder weniger legitimiert.

Auch das Hachiman Usa-gū hōjō-e engi thematisiert diese Konfliktrolle des Hachiman. Laut dieser Schreinchronik soll Hachiman gesagt haben, dass er als Wiedergutmachung für die getöteten Hayato ein hōjō-e durchführe. Der Text benutzt diese Aussage, um die Gewalt zu legitimieren. Das hōjō-e als Besänftigungsritual, muss somit die religiöse und politische Macht der Gottheit und des gesamten Kultes überzeugend feiern.

Indem man Hachiman mit dem Bau des Daibutsu von Nara in Verbindung brachte, erweiterte sich seine religiöse und politische Macht. Dies war ein deutlicher Versuch, einen peripheren Kult religionspolitisch zu instrumentalisieren. Als die Regierung 720 die Hayato unterdrückte, war der Hachiman Kult auch ein Instrument zur Verfestigung der Regierung in Kyūshū und brachte so die Region unter die zentrale Macht. Dass die Usa Sekte bei dieser Militäraktion eine Rolle spielte, kann man im Usa Hachiman Mirokuji Konryū engi nachlesen.


Quellen

  • Hachiman Usa-gū hōjō-e engi: Anmerkung: Das Hachiman Usa-gū hōjō-e engi ist wohl eine die wichtigste Primärquelle bezüglich des hōjō-e-Rituals. Jedoch konnte ich für diesen Artikel nur die Übersetzungen von Jane Marie Law verwenden, die man in Law 1994 findet. Law selber hat nur gewisse Stellen des Hachiman Usa-gū hōjō-e engi ins Englische übersetzt. Eine vollständige englische Übersetzung ist mir bisweilen noch nicht bekannt.
  • Usa Hachiman Mirokuji Konryū engi
  • Jane Marie Law 1994
    „Violence, ritual reenactment, and ideology: The ,Hōjō-e‘ of the Usa Hachiman Shrine in Japan.“ History of Religions 33/4 (1994), S. 325-357. (Exzerpt.)
  • Klaus Vollmer 1997
    „Tötungsverbot (sesshō kindan 殺生禁断) und Unterhaltungszeremonien (hōjōe 放生会): Geschichte und Interpretation buddhistischer Ritual in Japan.“ In: Klaus Antoni (Hg.), Rituale und ihre Urheber: Invented traditions in der japanischen Religionsgeschichte. Rituale und ihre Urheber: Invented Traditions in der japanischen Religionsgeschichte. (Ostasien - Pazifik 5. Trierer Studien zu Politik, Wirtschaft, Gesellschaft, Kultur.) Hamburg: LIT Verlag 1997, S. 77-104.

Dieser Artikel wurde ursprünglich für das Schwesterprojekt Hachiman-no-pedia verfasst.