Exzerpt:Naumann 1988

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„Die einheimische Religion Japans“, verfasst von der deutschen Japanologin Nelly Naumann, wurde 1988 beim niederländischen Verlag Brill in Leiden herausgegeben und behandelt die Religion Japans von der Frühzeit bis zum Ende der Heian-Zeit.

Das Buch ist in 6 größere Kapitel gegliedert, die zahlreiche Unterkapitel enthalten:


I Religiöse Vorstellung in vorgeschichtlicher Zeit /

II Von der Frühgeschichte zur Geschichte

Die ersten beiden Kapitel behandeln den Übergang der vorgeschichtlichen Zeit Japans, der Jōmon- 縄文時代 und Yayoi-Periode 弥生時代 zur Geschichte. Von Mythos und Sage bis hin zu den ersten beiden Quellen der Religionsgeschichte, dem Kojiki 古事記 (712) und dem Nihongi 日本紀 (720), den ältesten Literaturdenkmäler Japans. Überdies wird behandelt, wie sich chinesische Berichte der mythologischen Zeit von der Überlieferung Japans unterscheidet. So berichtet das Wei-chih von der Bildung kleiner, konkurrierender Herrschaftsgebiete in Japan. Japan musste ein Annalenwerk vorlegen, das sich mit den chinesischen Geschichtswerken messen konnte, um zu zeigen, dass es ein zivilisierter Staat war. So lassen die japanischen Geschichtswerke den Eindruck eines geeinten Reiches entstehen, das im Jahre 600 v. Chr. gegründet wurde und seither von den Nachfahren des „1. Menschenkaisers“ beherrscht wird. Es gab lange Zeit keine einheitliche mythische Überlieferung. Erst nach dem Thronfolgekrieg Kaiser Tenmus, aus dem er siegreich hervorging, wurde eine Einheit durch eine politische motivierte schriftliche Fixierung geschaffen.


III Die Mythen

A) Zum Charakter der japanischen Mythologie

Hier wird ein kurzer Überblick über die Mythenforschung in Japan geben, und diese mit Europa verglichen.


B) Theogonie, Kosmogonie, Kosmologie

In diesem Teil des Buches werden die Mythen Japans ausführlich beschrieben und deren Symbolik genau erläutert. Im Kojiki wie auch im Nihongi erschaffen die Geschwister Izanagi 伊弉諾尊 und Izanami 伊弉冉尊 die Welt und setzen den ewigen Zyklus von Geburt, Leben und Tod in Gang. Durch den Vollzug einer rituellen Waschung 禊 (misogi) Izanagis, entstehen Amaterasu 天照大神, die Sonnengottheit (bei der Waschung des linken Auges) und Susanoo 素戔嗚尊 (bei der Waschung der Nase).

Susanoo begeht einige Untaten und beleidigt damit Amaterasu zutiefst. Daraufhin wird er aus dem Himmel verbannt, steigt auf die Erde hinab und gründet dort eine neue Herrscherdynastie.


C) Kosmologischer Mythos, Abstammungsmythos, Staatsmythos – Von der Herrschaft über das Erdreich zur politischen Herrschaft Die Geschichte von Susanoos Nachfolger ist vor allem im Kojiki beschrieben. Einer seiner zahlreichen Söhne wird zum Gott Ōkuninushi 大国主 (Herr der Großen Lande), der fortan über die Erde herrscht. Als Amaterasu plant ihren Enkel Ninigi 瓊瓊杵尊 zur Erde zu schicken, überlässt Ōkuninushi ihm die Herrschaft auf der Erde. Der Gott soll die göttlichen Angelegenheiten leiten, Ninigi die weltliche Herrschaft übernehmen (Nihongi). Ninigi steigt in Kyūshū zur Erde, nimmt die Tochter des Drachenkönigs zur Frau und deren Nachfolger Jinmu 神武 wird der erste menschliche Tennō.


IV Die Vorbuddhistische Religion und ihre Konfrontation mit dem Buddhismus

A) Elemente der Vorbuddhistischen Religion

Zunächst werden die Götter und ihre Erscheinungsformen beschrieben. Durch die Offenbarung in Träumen oder durch das Besessensein erklärten die Gottheiten Flüche oder erteilten Anweisungen, wodurch durchaus neue Kulte entstanden. Politische Klugheit und Macht waren die Faktoren für die Unterdrückung/Unterstützung von religiösen Bewegungen. Es gab die Vorstellung von ara dem rauen Geist, niki sanfter Geist, sowie tama, das die Seele des Menschen bezeichnen soll. Des Weiteren werden in diesem Kapitel der Begriff kami samt Inhalt und die himmlischen und irdischen Gottheiten erklärt. Die Gründungsgeschichte des Ise-Schreins mit Erzählungen über die Kultprinzessin und die Bauart des Schreins werden ebenso detailliert abgehandelt. Andere Schreine, die hier vorkommen, sind er Izumo-Schrein und der Kumano-Schrein. Auch der Gott Miwa, die Opfergefäße und Segenswunschkrüge kommen werden beschrieben. Gebete bestanden nicht aus festen, ritualisierten Formeln sondern die Wirkung des absichtlich gesprochenen Wunschwortes war von Bedeutung. Es gab verschiedene Arten von Wünschen, auch Schadenszauber. Schreine wurden vor allem für Gottheiten gegründet und dann Priestern anvertraut. Bei den Kulthandlungen und Feste gibt es Niiname und Ōname. Kurz vor Schluss wird die Frage aufgeworfen, ob der Kaiser auch Priester sowie Schamane wäre. Das Kapitel endet mit einem kurzen Beitrag über den Schamanismus.


B) Die Konfrontation mit dem Buddhismus

In der Epoche des letzten Dharmas kam es zur ersten Begegnung mit der buddhistischen Lehre. In Japan fehlte zu dieser Zeit eine kohärente und einheitlich einheimische Religion und somit gab es ein mangelndes religiöses Selbstbewusstsein. Der Begriff Shintō wurde im Nihongi 日本紀 zum ersten Mal verwendet. Durch die Thronbesteigung Suikos wurde der Buddhismus offiziell propagiert. Das Vertrauen in die eigenen Götter war nur gering, was durch die Erkrankung von Temmu Tennō ersichtlich war. Nicht religiöse, sondern politische Erwägungen gaben den Ausschlag, ein staatliches Kulturwesen nach chinesischem Model zu schaffen.


V Der Staatskult der Nara- und der Frühen Heian-Zeit bis zu seiner Festlegung im Engi-shiki (928)

A) Das Götteramt und die Scheine

Unter Tenmu Tennō gab es das Götteramt jin-kan oder kami-tsukasa. Die Regelungen und der Stellenaufbau eben dieser Ämter wurden im Yōrō-Kodex, der sich kaum vom Taihō-Kodex unterscheidet, geregelt. Dieses Kapitel widmet sich auch den Nakatomi und den Imbe und ihren Ämtern im jin-kan und dem Zusammenhang mit dem Kogu-shūi, das als eine Ergänzung zum Kojiki 古事記 und Nihongi 日本紀 betrachtet wird. Unterbeamte des Götteramtes waren die besten Vertreter aus den Urabe-Familien. Zur Verwaltungsaufgabe des Götteramtes gehörte das Führen der Haushaltslisten der hafuri-be, deren Steueraufkommen kontrolliert wurde. Ansehen und Einkommen eines Schreins können auch mit der Rangverleihung und Rangerhöhung in Zusammenhang gebracht werden. Häufig werden besondere Verdienste einer Gottheit auf diese Weise belohnt.


B) Staatsopfer und Ritualgebete

Durch das Jingi-ryō werden die Götteropferfeste, die unter die Zuständigkeit des Götteramtes fallen, geregelt. Es gab drei Gruppen von Opferfesten: Bitt- und Dankopfer, Opfer zur Übelabwehr und zur Seelenberuhigung. Aus dem Engi-shiki ist zu ersehen, dass die Opfer beim Seelenberuhigen den acht Gottheiten des Götteramtes sowie dem Gott Ōnaobi galten. Bittopfer Es gibt drei Dankopferfeste, bei denen es allgemein um das Kosten geht: Das göttliche Kosten, das gemeinsame Kosten und das große Kosten. Das Engi-shiki regelt zusätzlich mehrere Opferfeste, die das Jingi-ryō des Yōrō-Kodex noch nicht kennt. Neue Aspekte bringt die vom Jingi-ryō festgelegte große Reinigung, welche durch Kaiser Tenmu eingeführt und im Kojiki 古事記 erwähnt wurde. Dieses Kapitel schließt mit der Erklärung der norito und yogoto.


C) Gottkaisertum und ujigami-Kult

In diesem Kapitel geht es um den Kaiser als „gegenwärtiger Gott“ (aki-tsu-mikami oder auch ara-mikami) für dessen Göttlichkeit es zwei Voraussetzungen gibt: die göttliche Abstammung und die „himmliche Sonnen-Erbfolge“, wobei das Amt die Göttlichkeit verleiht.

Arahitogami („Der als Mensch sichtbare Gott“) gilt als Begriff für Kaiser aber auch Gottheiten, die eine menschliche Gestalt haben (in Manyōshū für Gottheiten von Suminoe) und steht in Verbindung mit ikigami („lebende Gottheit“), was einer Verehrung von Religionsgründer oder aber Menschen mit spirituellen Kräften entspricht. Beim Gottkaisertum zählt nur das Charisma des Amtes.

In der Beziehung des Kaiserhauses zur Sonnengöttin von Ise der Prototyp des ujigami-Kultes („Sippengottheit“). Außerdem wird die „Kanzlei der Kultprinzessin“ saigū-ryō als Einrichtung aus dem 8. Jahrhundert des Ise-Schreins vorgestellt. Bei der Vorstellung der Entstehung von Sippenschreinen wird die Vorreiterrolle des ujigami-Schreins der Fujiwara betont.

Die Wichtigkeit des Manyōshū als Quelle tritt an verschiedenen Stellen hervor.


VI Religiöse Entwicklungen der Nara- und Heian-Zeit

A) Alte und neue Kulte

Es gibt in die Götterliste des Engi-shiki aufgenommene Schreine (shiki-nai-sha). Die ichi no miya haben durch ihre regionale Bedeutung den Rang des „Ersten Schreines“.

Neben den Kamo-Schreinen und dem Kamo-Fest werden auch andere Schreine wie der Inari-Schrein und Götter wie Yahata/ Hachiman vorgestellt. Weiters wird auf goryō, rächende Totengeister und ihr Kult eingegangen. Ein weiterer Themenbereich, mit dem sich Naumann auseinandersetzte, war Temman-tenjin, die Vergöttlichung des Sugawara no Michizane.


B) Urstand und herablassende Spur – das Zusammenwirken von Buddhismus und einheimischen Vorstellungen

Erstes sichtbares Zeichen des Nebeneinanders der einheimischen Vorstellungen und der fremden Religion sind die jingū-ji, „Schreintempel“. Shintō steht dem Buddhaweg gegenüber als höhste der Sechs Seinsmöglichkeiten (roku-dō = Existenz in der Hölle, als Hungerteufel, als Tier, als böser Dämon, als Mensch, als Gott), die es zu überwinden gilt, um die Erlösung zu erlangen. Weiters setzt sich Naumann in diesem Kapitel mit Schutzgöttern, den Zweiundzwanzig Schreinen und der Rolle von Mönchen auseinander.

Folgende Tendenz war festzuhalten: die Formulierung und schrittweise Verwirklichung der sog. Honji-suijaku-Theorie. Suijaku („herabgelassene Spur“) bedeutet nichts anderes als Erscheinungen von Buddhas und Bodhisattvas bei ihrer Arbeit Leben zu retten. Honji steht für den „Urstand“ als Basis-Figur eines Buddhas oder Bodhisattvas. In Buddha oder Bodhisattva als „Urstand“, dem einheimischen Gott als dessen „herabgelassene Spur“ stehen sich das „Wirkliche“ und „das in der Zeit Erscheinende“ gegenüber. Diese Entwicklung fand durch Impulse von unten statt. Am Ende der Heian-Zeit waren für alle diese Schreine die honji festgelegt, die Buddhisierung der Schreine war im vollen Gange. Prominentes Beispiel sind die Kumano-Schreine, welche aus früher drei unabhängigen Schreinen aus der Provinz Kii, meist als Kumano sanzan („die drei Kumano-Berge“) genannt, bestehen: Hauptschrein hongū, Neuer Schrein shingū und Nachi-Schrein.

Die Kumano-Berge wurden eines der Zentren der Bergasketen, die man auch yamabushi nennt. Ihr Hauptritus ist das mine-iri („Einstieg in den Berg“), wobei ein bestimmter heiliger Berg in jeder Jahreszeit zu besteigen ist. Vom Ende des 9. Jahrhunderts an werden die Kumano-Schreine als Wallfahrtsziel genannt, was jedoch erst im 11. Jahrhundert zur Mode wurde.


C) Schicksalsbewältigung und private Frömmigkeit

In diesem Kapitel hat das Manyōshū eine zentrale Bedeutung, da sich in ihm Aufzeichnungen zu privaten religiösem Verhalten zu folgenden Themen finden: Seelenvorstellungen, Kosten des Neuen als privaten Ernteritus, persönliche Beziehungen zu Gottheiten und Schreinen, Befangenheit im magischen Denken, Haushalt, besonders Gattin.

Es fehlte den Japanern aber ein Sündenbewusstsein (auch im Hinblick auf Bestrafung oder Belohnung nach dem Tod). Die Frage nach einem Leben nach dem Tod war jedoch vorhanden. Die Hinterbliebenen verknüpfen Art und Ort des Begräbnis mit der Vorstellung vom Toten und seinem neuen Aufenthaltsort. Es gibt noch keine Belege für den Glauben an eine „Totenseele“ - es gab keine Trennung von Körper und Seele.

Das Nihon-ryōi-ki (voller Name: Nihon-koku gempō zenaku ryōi-ki) ist ein „Bericht über Wunderbares und Seltsames bei der sichtbargegenwärtigen Vergeltung von Gut und Böse im Lande Japan“ und sollte dazu beitragen den grundlegenden Gedanken des inga („Ursache und Wirkung“ im buddhistischen Verständnis) an die Bevölkerung zu bringen. Es diente als Basis für ein allgemeines Sündenbewusstsein und für eine neue an der Vergeltung von Gut und Böse orientierten Jenseitsvorstellung.

Auch wenn schamanistische Züge enthalten sind, so sind sie doch kein Beleg für eine Existenz der schamanistischen, visionären Jenseitsreise im Japan des 8./9. Jahrhundert. Im allgemein verbreiteten Denken, dass ein Leben im Paradies oder in der Hölle nach der Überführung den Sterbenden erwartet, dominierte eindeutig die Bevorzugung der Hinübergeburt ins Reine Land. Die Totenspeisung in der letzten Nacht des Jahres ist ein volkstümliches Brauchtum und eine religiöse Vorstellungen, die nicht unbedingt dem Buddhismus entspringen.Das Opferbringen für die „geistige Wirkkraft“ (ryō oder tama) von Verstorbenen in der letzten Nacht des Jahres ist die einzige Gelegenheit, bei der diese Toten empfangene Wohltat vergelten können, indem sie ihrem Wohltäter zu den Opferspeisen führen und ihn bewirten. Während dennoch das Wissen um den Tod verdrängt wird, wird der Glaube an Wiedergeburt in der Heian-Zeit immer stärker.

Die Autorin beschäftigte sich auch mit kami asobi und kagura, was eine allgemeine Bezeichnung für kultische Tanzspiele mit Lieder- und Instrumentalbegleitung zu sein scheint. Die kami asobi-Lieder assozieren gesungene Lieder vor sich zu haben während die Kagura-Lieder des Shūishū bereits „ein zweites Stadium in der Entwicklung des Kagura-Programms repräsentieren.

Die „Götter-Lieder“ erweisen sich als Spiegel persönlichen religiösen Erlebens und auch als Spiegel der allgemeinen religiösen Entwicklung. Waka sind durch ihre poetische Qualitäten in die Sammlungen aufgenommen worden. Gefühle wie Ergriffensein werden durch die Natur ausgedrückt.

Die Hofdamenliteratur vermittelt ein vielfältiges Bild einer Schreine und Klöster besuchenden, kultische Reinigungen vornehmenden, wallfahrenden, fromme Bußgedanken hegenden Damenwelt. Allerdings herrschte ein Besessenheitswahn, der diese Gesellschaft beherrschte und Krankheit auszumerzen versuchte.

Es gibt an Budhhas oder Götter gerichtete „Gelübdeschriften“ gammon und „Opfergebete“ saibun. Es war damals üblich sie chinesisch zu verfassen. Erst später ging man dazu über auch japanische zu schaffen.

Kommentar

Nelly Naumann leistet einen guten Beitrag für die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der japanischen Mythologie, wobei sie wissenschaftliche und mythologische Aspekte im Großen und Ganzen leicht verständlich vereint. Das Buch behandelt eine breite Thematik und es gelingt ihr, die Verknüpfungen einzelner Fachtermini erkennbar zu machen. Allerdings fehlen bei den Hauptbegriffen genauere Definitionen. Der Aufbau der Arbeit ist überdies etwas unstrukturiert. Manchmal bearbeitet sie Nebensächlichkeiten zu sehr im Detail, wobei sie in solchen Fällen das eigentliche Hauptthema weitgehend außer Acht lässt. Wer sich detailliert mit diesem Thema auseinandersetzen möchte, ist mit diesem Buch gut bedient. Wenn man sich jedoch nur einen groben Überblick verschaffen will, ist die Arbeit aufgrund der Ausführlichkeit nicht geeignet.

Dieser Artikel wurde ursprünglich für das Schwesterprojekt Hachiman-no-pedia verfasst.