Dakini

Aus Kamigraphie
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Der Begriff "Dakini"

Es scheint fast unmöglich, eine systematische Beschreibung für die Dakini-Figur zu finden. Gelehrte des tibetischen Vajrayana-Buddhismus bezeichnen den Term Dakini als „semantisch doppeldeutig“, „mehrwertig“, „verrückt“ oder gar „unmöglich, um auf eine einheitliche Definition festzusetzen“. Bei genauer Untersuchung lässt sich aber doch eine gewisse Beständigkeit ihrer Figur feststellen. Abhängig von der jeweiligen Religion und Literatur kann der Begriff der Dakini folglich also für verschiedene Aspekte stehen und beinhaltet somit ein ganzes Spektrum von unterschiedlichen Konzepten. Unter anderem gibt es sie als weibliche Gottheit und menschliche Frau, aber auch für die Bezeichnung eines Geistwesens oder einer Art esoterischer Energie ist der Dakini-Begriff geläufig. Die Herkunft des Sanskrit-Begriffs Dakini ist unsicher, dies wird deutlich an unterschiedlichsten Interpretationen, welche für ihn stehen sollen. In der tantrischen Tradition des Buddhismus wird er von der Sanskritwurzel di-, stehend für „fliegen“ abgeleitet und somit wird die Dakini zur „Luft-“ „Raum-“ oder „Himmelsgeherin“ erklärt. Andere Quellen wiederum richten sich klar gegen die Annahme, dass seine Wurzeln mit den Bedeutungen wie „Himmel“ oder „Raum“ in Verbindung stehen. Was aus diesen verschiedenen Interpretationen deutlich wird, ist die Tatsache, dass die Dakini im Laufe ihres Daseins als zornige, aber auch als durchaus gnädige Figur in Erscheinung trat und sie ihr Wesen generell in unzähligen, teilweise widersprüchlichen Formen, preisgab. Wie im folgenden Punkt noch ausführlicher erläutert wird, ist das tibetische Wort für Dakini khandro und wird aufgrund seiner Übersetzung – „sie, die durch den Himmel geht“ – ähnlich wie die erstgenannte Interpretation des Wortes Dakini mit den Bedeutungen „Himmel“ und „Raum“ in Verbindung gesetzt. Nichtsdestotrotz, aufgrund der nur vagen und bei Weitem nicht stichfesten Quellen zu den Wurzeln des Wortes, bleibt es zu bezweifeln, ob beide Begriffe, khandro und Dakini, so wie es heute üblich ist, tatsächlich als völlig synonym anzusehen sind.

Die nun geläufige Konnotation der Dakini mit der einer „Himmelsgängerin“ und die Vorstellung des „Sich-durch-den-Himmel-Bewegens“ weisen zum einen auf die magischen und übernatürlichen Eigenschaften hin, welche diese besitzt. Zum anderen kennzeichnen sie aber auch ihre Zugehörigkeit zum – religiösen - Himmel. Außerdem wird deutlich, dass die Begriffe Zeit und Raum eine durchaus signifikante Rolle für sie spielen. So ist sie ständig in Bewegung, allerdings benötigt sie hierfür keinen triftigen Grund – sie bewegt sich einfach im „Raum“. Ikonographisch werden der Dakini folgende Hauptmerkmale zugeschrieben: ein Ausdruck von Gefahr und Bedrohung im Gesicht, eine ungezügelte Wildheit, vorzufinden vor allem in den frevelhaften Posen, sowie eine Stimmung von grenzenloser Energie, die sie scheinbar fast nicht zu kontrollieren vermag. Passend zu ihren unterschiedlichen Erscheinungsformen gibt es aber durchaus auch - gegensätzlich zu diesen eher grimmigen Beschreibungen – positivere Darstellungen. So faszinieren sie in anderen Kontexten mit ihrer grenzenlosen Schönheit und ihrem vollen Haar als schöne, lächelnde junge Frauen.

Die Bedeutung der Dakini im tibetischen Buddhismus

Das tibetische Wort für die Dakini, khandro, bedeutet wörtlich übersetzt etwa so viel wie „sie, die durch den Himmel geht“. Die Ursprünge des Wortes liegen zunächst in kha, was „Raum“ oder „Himmel“ bedeutet und sich auf die grenzenlose Weite der Leere bezieht. Der zweite Teil des Namens, dro, kann übersetzt werden mit „die Gehende“ oder „die Reisende“. Er bezieht sich somit auf Bewegung und genau diese Qualität ist äußerst bezeichnend für die Dakini, findet man sie in ikonographischen Darstellungen meist in fliegender, tanzender oder andersartiger Form der Bewegung vor. In Tibet besitzt das Wort khandro kein bestimmtes Geschlecht, Grund hierfür ist der Aufbau der tibetischen Sprache, in welcher das Geschlecht nicht eindeutig durch Syntax gekennzeichnet wird. Aufgrund der Tatsache, dass es sich aber meist um die feminine Form des Wortes handelt, wird üblicherweise noch die weibliche Endung –ma an khandro heran gehängt. Jene feminine Endung weist also noch einmal explizit darauf hin, dass es sich um eine „sie“ handelt, welche sich in der Grenzenlosigkeit des Himmels bewegt. Allerdings ist es für die Tibeter bereits im Wort khandro kulturell wie auch kontextuell impliziert, dass dieses ein weibliches Geschlecht besitzt- es sei denn, es wird explizit auf seine Männlichkeit hingewiesen.

Desweiteren ist khandroma lediglich eine gekürzte Form des tibetischen Ausdrucks khekham su khyappar droma, welcher in etwa mit den Worten „sie, die überall im Reich des Raumes fliegt“ zu übersetzen ist. Auch hier wird also wieder ihr Charakteristikum einer „Himmelstänzerin“ deutlich; überhaupt wurde ihren Kräften des Fliegens ab dem Zeitpunkt ihrer ersten Erscheinungen in indischen Pantheons fortan eine große Bedeutung zugeschrieben. Neben dem Sanskrit-Begriff Dakini gibt es noch weitere Ausdrücke, die als äquivalent zu diesem gelten. Auch sehr geläufig sind beispielsweise die Sanskrit Bezeichnungen khecari oder vyomacari, in tibetischer Sprache übersetzt mit khachöma, was so viel bedeutet wie „sie, die den Himmel genießt oder beherrscht“ und sich somit also sehr der populäreren Bedeutung von khandroma ähnelt.

Der männliche Gegenpart zur Dakini ist in Sanskrit bekannt als Daka und erschien im hinduistischen Pantheon zunächst ebenfalls als Figur mit schaurigen Gelüsten, als fleischfressender Hexer, der – wie auch die Dakini – an der Seite Kalis oder Sivas stand. Mit der Entwicklung der Dakini im tantrischen Indien wurde allerdings auch ihm eine tiefer gehende Rolle zugeschrieben. Beschrieben werden die dakas als männliche Himmelstänzer, die als Gatten der Dakinis und spirituelle Mentoren für yogins, yoginis und menschliche Dakinis dienen. Während der Übertragung des Buddhismus nach Tibet wurde dem Daki oftmals die Bezeichnung des pawo, eines Helden oder furchtlosem Kämpfer, zugeschrieben. In Verbindung mit der dakini wurde diese dann zur pamos, also zum weiblichen Gegenpart. Nichtsdestotrotz ist zu betonen, dass die dakas eher als sekundär und zweitrangig anzusehen sind und die dakini in Tibet als eine Figur auftrat, welche ihre eigenen Rechte besaß und grundsätzlich auf sich allein gestellt war. Aus diesem Grund trat sie also auch meist alleine, das heißt ohne den daka, in Erscheinung.

Abbildungen


Anmerkungen


Quellen

Blezer, Henk (2002): Religion and Secular Culture in Tibet. Leiden, Boston, Köln: Brill.

Campbell, June (1997): Göttinnen, Dakinis und ganz normale Frauen. Weibliche Identität im tibetischen Tantra. Berlin: Theseus Verlag.

Herrmann-Pfandt, Adelheid (1992): Dakinis: Zur Stellung und Symbolik des Weiblichen im Tantrischen Buddhismus. Bonn: Indica et Tibetica Verlag.

Simmer-Brown, Judith (2001): Dakini's warm breath. Boston & London: Shambala Publications.

Verwandte Themen