Mandalas im tantrischen Buddhismus

Aus Kamigraphie
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Das tantrisch-buddhistische Weltbild

Der ursprüngliche Buddhismus erklärt die Existenz von zwei Ebenen, zwischen denen keinerlei Verbindung bestand, zwei völlig voneinander verschiedene Welten. Die eine war die unsrige (Samsara), in der das Karma wirkt und sich bewegt und wieder entsteht. Die andere war das Nirwana, auf die sich der Mensch durch einen veredelnden Sprung bewegen kann, wenn das Karma und seine Kraft zum Stillstand gebracht und unterdrückt wird.

Samsarischer Lauf der Dinge: Wiederholt erfüllen sich verschiedene Leben aneinandergereiht wie Glieder einer Kette, bis Wissen und inneres Erleben bestätigen, dass das Universum nur Werden und Dahinziehen ist. Wenn diese Tatsache bewusst wird, dann ist der samsarische Lauf der Dinge gebrochen und der Sprung ins Nirwana geschieht, was die Befreiung vom Karma (asamskrta) bedeutet. [1]

Das Kalachakra-Tantra

Kalachakra-Tradition (Kalachakra (dus kyi‘khor lo))

Kalachakra und Śambhala

Śambhala bezeichnet ein mythisches Königreich, das besonders im Kalachakra-Tantra erwähnt wird. Seine genaue geographische Lage ist unbekannt. Nach einer Volkstümlichen Ansicht liegt es irgendwo nördlich von Tibet. Jedoch gibt es Hinweise darauf, dass das Land, welches Ursprung für den Mythos war, im westlichen Orissa lag. Mit dem Aufstieg des Islam in Indien entstand die Vorstellung, dass das Land Śambhala unsichtbar wurde und dies auch solange bleiben werde, bis ein zukünftiger König mit seinen Armeen die Muslime besiegt und ein neues Zeitalter ins Leben ruft. [2]

Definition und Bedeutung

Das Sanskritwort Kala-chakra bedeutet 'Rad der Zeit' und wird im Tibetischen als Dus-kyi 'khor-lo ausgedrückt. Zeit ist hier als die Grundlage von allem verstanden. Die Zeit ist vom Raum untrennbar. So existiert alles nur in Zeit und Raum. Wir selber sind ein Teil davon.

Unsicher ist, ob eine verbindung mit dem altindischen Gott Kala besteht, der schon im Atharvaveda genannt wird. Kala 'Die Zeit' bedeutet nach offiziellen theologischen Erklärungen aus der Kalachakra-Lehre 'Die letzte Realität'. Chakra bedeutet hiernach 'Das Erkennende' oder auch global 'Raum'. Kalachakra ist demnach das sich in einem Zeitzyklus bewegende physikalische Universum. Es ist eine geheime Lehre, die einem die Herrschaft über die Zeit ermöglicht und dadurch eine Befreiung aus der Zeit anstrebt.[3]

Geschichte und Überlieferung

Das Ritual

Das Kalachakra- Mandala- Ritual gehört zur höchsten Tantra-Klasse, den weiblichen Anuttara-Yoga-Tantras. Das Kalachakra-Tantra wurde in Indien etwa im 10. Jh. verfasst. Es wird behauptet, dass es vom mythischen König Sucandra von Śambhala niedergeschrieben wurde. [4]

Der Yogi der Kalachakra-Tradition befasst sich nur mit dem Moment des Todes und der Wiedergeburt, nicht jedoch mit dem dazwischenliegenden Zustand (bar do). Die Kalachakra-Initiation wird jedes Jahr vom Dalai Lama durchgeführt und verspricht denjenigen, die sie empfangen, im mythischen Land Śambhala wiedergeboren zu werden.[5]

Die Analogie zwischen menschlichem Leben und Meditationsweg. Wie ein Embryo in der Gebärmutter entsteht und sich zum Fötus entwickelt und dieser nach der Geburt zum Kleinkind, Kind und Erwachsenen entwickelt, so durchläuft der Tantriker eine analoge Entwicklung. Der Unterschied ist nur, dass der Tantriker diese Entwicklung willentlich und bewusst durchlebt und sich dadurch die Voraussetzung für eine vollkommene Erleuchtung schafft. [6]

Grundsätzlich lassen sich zwei größere Phasen im Ritual des Kalachakra-Mandalas feststellen, da dieses zu Klasse der Anuttara-Yoga-Tantra gehört. Das Erschaffungs- und das Vollendungsstadium. Die erste Phase ist eine Reifephase, in der die Vollendung vorbereitet und eingeübt wird. Diese Einüben wird durch ein langsames Erkennen und Erleben der verschiedenen Analogien und eine Vorwegnahme, eine Imitation der einzelnen Phasen des Sterbeprozesses, aber auch des Werdens sowie der damit verbundenen komplexen Yoga-Übung des Vollendungsstadiums erzielt. Der gesamte Meditationsprozess weist Analogien zum Sterben und Wiedergeborenwerden auf und kommt somit selbst einer geistigen Wiedergeburt gleich. Der Todesprozess wird nachvollzogen und kultiviert bis ins Detail. Daraus resultiert die Überwindung der Angst vor dem Sterben und gleichzeitig wird es möglich das Klare Licht, das im Todesmoment aufleuchtet, bewusst zu erleben. [7]

Das Mandala im tantrischen Buddhismus

Im 11. Jahrhundert kam die Mandala-Meditation von Indien nach Tibet. [8]

Im tantrischen Buddhismus ist das Mandala wichtigstes Sinnbild für den Zusammenhang von Mensch und Kosmos. Dem Tantriker dient das Mandala als Mittel zur Meditation, als kosmisches Ordnungsschema. Mit seiner Hilfe strebt er die Visualisierung spiritueller Prinzipien an, versucht er tiefer einzudringen in geheime Lehren, die es ihm ermöglichen sollen, den leidvollen Kreislauf der Wiedergeburt zu verlassen und Erleuchtung zu erlangen. Der tantrische Buddhismus setzt in einer Intensität wie keine andere Form des Buddhismus und wie kaum eine andere Religion bildliche Darstellungen zur Vermittlung tiefster religiöser Wahrheiten ein.


„Beim Mandala handelt es sich im Grunde genommen um etwas Geheimes. Wenn du dich damit beschäftigst, um dir Ansehen zu verschaffen, und Stolz empfindest, das von dir Erarbeitete anderen Menschen zu zeigen, hast du nicht die richtige Einstellung. Falls deine Arbeit jedoch aus dem Bemühen entspringt, anderen Menschen Hilfe zu bieten, ist die die richtige Geisteshaltung, die zu deiner und anderen Befreiung beiträgt." (Der Mönch Khenpo Thubten zum Autor Martin Brauen)[9]


In der Regel ist ein Mandala (dkyil’khor) ein streng symmetrisches, auf die Mitte konzentriertes, zumeist in vier gleich große Sektoren aufgeteiltes Diagramm. Dieses Diagramm wird aus konzentrischen Kreisen (khor) und Quatraten aufgebaut, deren Mitte im Mittelpunkt der Kreise zusammenfällt. [10]

Das Kalachakra-Mandala

Die Grundsätzliche Vorstellung von strukturellen Zusammenhängen und Entsprechungen aller Dinge und insbesondere von menschlichem Körper, Universum und Mandala.

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Das Kalachakra-Tantra spricht von drei eng miteinander verwobenen Ebenen, dem sogenannten Äußeren, dem Inneren und dem Alternativen oder Anderen Zeitrad.

Das Äußere Kalachakra-Mandala

Das Äußere Rad der Zeit besteht aus den äußeren Erscheinungen der gesamten Umwelt des Menschen, d.h. Dem Universum und seinen Elementscheiben, dem Berg Meru, den Winden und seinem Zeitrhythmus. Es beschreibt also den Makrokosmos, die 'Äußere Welt'. Astronomie, Geographie, Astrologie und mathematische Berechnungen nehmen darin eine zentrale Position ein, unter anderem das Land Shambhala. Auch technische Beschreibungen bestimmter Waffen finden hier Erwähnung, die in der letzten Schlacht gegen das Böse und die Feinde der buddhistischen Lehre eingesetzt werden sollen. [11]

Der Pyramidenkosmos

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Das Innere Kalachakra-Mandala

Das Innere Kalachakra bilden diejenigen, die in dieser Umwelt leben, also die Menschen. Sie entsprechen in Zusammensetzung, Aufbau und innerer Periodok exakt dem Äußeren Rad der Zeit.

Das Andere Kalachakra-Mandala

Das Alternative oder Andere Kalachakra ist die Lehre von diesen Analogien und Korrelationen sowie die sich daraus ergebende Yoga-Praxis, eine Art geistiges Judo.

Die Kalachakra-Gottheit

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Darstellung und Ikonographie Kalachakras

Literatur

Martin Brauen 1992
Das Mandala: Der heilige Kreis im tantrischen Buddhismus. Köln: DuMont 1992. (Zweite Auflage 1992, anlässlich der Ausstellung: "Mandala- der heilige Kreis im tantrischen Buddhismus", Völkerkundemuseum der Universität Zürich.)
Giuseppe Tucci 1972
Geheimnis des Mandala: Theorie und Praxis. Weilheim/Obb.: Otto Wilhelm Barth Verlag 1972.
Michael Henss 1998
Kalachakra: Ein tibetisches Einweihungsritual. Ulm: Fabri Verlag 1998.
Damien Keown 2003
Lexikon des Buddhismus. Düsseldorf: Patmos Verlag GmbH & Co. KG 2003.
Tom Lowenstein 2006
Buddhismus: Philosophie und Meditation, Der Weg zur Erleuchtung, Heilige Stätten. Köln: TASCHEN GmbH 2006.


Verweise

<references>

  1. Tucci, Giuseppe 1972, S.10 f
  2. Keown 2003, S.218
  3. Literatur: Henss 1998
  4. Keown 2003, S. 117
  5. Keown 2003, S. 117
  6. Brauen 1995, S. 58 f.
  7. Brauen 1995, S.75 f.
  8. Lowenstein 2006
  9. Brauen 1992, S. 1
  10. Keown 2003, S. 155
  11. Literatur: Henss 1998 S.14