Exzerpt:Naumann 1996
Besprochenes Werk:
Autorin
Nelly Naumann war eine deutsche Japanologin. Sie wurde am 20. Dezember 1922 in Lörrach unter dem bürgerlichen Namen Thusnelda Jost geboren und verstarb am 29. September 2000.
Nach dem Abitur 1941 studierte Naumann an der Universität Wien Japanologie, Sinologie, Völkerkunde und Philosophie. Ihr Zugang zu Japan erfolgte somit unter dem starken Einfluß der Wiener völkerkundlichen Schule, der auch das Dissertationsthema Das Pferd in Sage und Brauchtum Japans mitbestimmte. Auf die Promotion folgte ein mehrjähriger Aufenthalt in Shanghai. Im Jahr 1949 erschien ihre deutsche Übersetzung von Takeda Hisayoshis Jahresbrauchtum im japanischen Dorf.
Nach ihrer Rückkehr nach Deutschland 1954 arbeitete sie an der Bayerischen Staatsbibliothek in München, wo sie ihre Forschungen wieder aufnahm, die sich von nun an hauptsächlich auf Phänomene religiösen Brauchtums konzentrierten. Eine ausführliche Arbeit über die japanische Berggottheit erschien 1963 und entfachte in Japan eine intensive Grundsatzdiskussion über die japanische kami-Vorstellung.
In ihrer Habitilation über das Umwandeln des Himmelspfeilers 1970, der sich mehrere Detailstudien anschlossen, setzte sie sich intensiv mit den japanischen Mythen auseinander. Nelly Naumann wollte an zahlreichen Einzelbeispielen den für sie hinter den japanischen Mythen steckenden Sinngehalt als existentielle Aussagen über z.B Leben und Tod aufzeigen.
Inhalt
Nelly Naumanns Buch Die Mythen des alten Japan, erschienen 1996 im C.H. Beck Verlag, folgt einer Einteilung in vier Abschnitten. Der erste stellt eine allgemeine Einführung in die Mythenforschung dar und beschäftigt sich mit dem Versuch einer Definition für einen Mythos. Abschnitt zwei trägt den Titel Theogonie,Kosmogonie,Kosmologie und hält inhaltlich Mythen zur Weltschöpfung parat. Die mythische Weltordnung sowie der politische Mythos bilden die beiden Schlussteile.
Einführung
Naumann beginnt die Einführung mit dem Versuch den Mythosbegriff zu erläutern. Dabei zitiert sie u. a. Mircea Eliade sowie den Philosophen Franz Vonessen. Eliade wird in ihren Ausführungen damit angeführt, dass er die Ereignisse, von denen echte Mythen berichten, in die Ur-Zeit verlegt. Somit bestimmen all diese Ereignisse zukünftige Handlungen von Wesen in dieser Welt, den Menschen eingeschlossen. Franz Vonessen vertritt die Meinung, der Mythos sei „die Übersetzung der Sprache des Seins“ und man müsse, um einen Mythos zu begreifen „die Sache selbst zum Sprechen kommen lassen“. Letztere Herangehensweise an den Mythosbegriff wird von Naumann übernommen und liegt ihrem Buch zugrunde.
Des Weiteren verwendet sie als Quellen der vorgestellen japanischen Mythen das Nihongi/Nihon Shoki (Annalen Japans) sowie das Kojiki (Aufzeichnung alter Geschehnisse). Beide Werke stellen eine Überlieferung von Mythen, Volks- und Familienüberlieferungen und Kaiserlisten dar. Im Laufe der Einführung unterlegt Naumann beide Werke mit Hinweisen zu ihrer Entstehung und Bedeutung. Den zu besprechenen Mythen geht jeweils die zugehörige Textstelle in deutscher Übersetzung aus dem Nihongi bzw. dem Kojiki voraus.
Neben eigenen Forschungen führt sie die vorangegangene Mythenforschung an und unterscheidet dabei vormorderne und moderne Forschung. Der bekannteste Vertreter der vormordernen Forschung war der Gelehrte Motoori Noringa (1730-1801). Er beschäftigte sich eingehend mit dem Kojiki, das für ihn den Idealzustand im „Zeitalter der Götter“ reflektierte. Die geschilderten Mythen entsprachen seiner Auffasung nach der göttlichen Wahrheit und gaben Aufschluss über die Taten der Götter. Falls diese jedoch nicht für den Menschen nachvollziehbar seien, liege das nur an der Begrenztheit des menschlichen Verstandes. Motoori war ein Vertreter der Nationalen Schule, die Naumann ebenfalls erwähnt. Jene Schule hat sich zur Aufgabe gemacht, den politisch geschwächten Kaiser zu stärken.
Konträr zu Motoori steht Tsuda Sōkichi (1873–1961) als Repräsentant der modernen Forschung. Nachdem er in seinen Arbeiten das Nihongi und das Kojiki als Kunstprodukte beschrieb, musste er für drei Monate in Haft. Der Grund liegt darin, dass bis 1945 keine objektive Mythenforschung in Japan möglich war; Kojiki und Nihongi wurden offiziell als historische Wahrheit interpretiert. Zweifel an dieser Interpretation konnten wie im Fall Tsudas staatliche Repressionen nach sich ziehen.
Weiterhin erwähnt Naumann bekannte und wichtige Werke der westlichen Mythenforschung. Zum einen sind die englichen Übersetzungen des Kojiki und des Nihongi zu erwähnen, die von Basil Hall Chamberlain einerseits und von William George Aston andererseits angfertigt wurden. Astons Übersetzung dient Naumann u.a. als Vergleich zu ihrer japanischen Hauptquelle, der Edition des Nihon shoki in der Reihe Nihon koten bungaku taikei („Abriss der klassischen japanischen Literatur“).
Teil 2
Teil 3
Überlegungen
Anmerkungen
Literatur und Links
Blümmel, Maria-Verena: In memoriam Nelly Naumann. In: NOAG. 167–170 (2000/01), S. 7-8. (PDF-Datei).