Onmyōdō
Onmyōdō 陰陽道 (dt. der Weg von Yin und Yang) ist eine Form der esoterischen Kosmologie und Wahrsagerei. Onmyōdō entstand ungefähr im 7. Jahrhundert aus der Kombination von aus China stammendem daoistischen Gedankengut und buddhistischem Glauben. Es nahm aber auch Elemente aus dem Shintō und anderen Glaubensrichtungen auf. Es basiert vor allem auf zwei der wichtigsten Theorien der klassischen chinesischen Mentalität: dem Zusammenspiel von Yin und Yang und der fünf Elemente-Theorie. Außerdem übernahm man den Glauben, dass eine Beziehung zwischen dem Himmel als eine Art Makrokosmos und dem Leben der Menschen als Mikrokosmos gab. Himmlische, beziehungsweise andere natürliche Phänomene, hatten so also Einfluss auf das Leben von Individuen, weshalb das Beobachten eben genannter Phänomene ebenfalls ein wichtiger Teil dieses Systems wurde.
Weitere für onmyōdō wichtige Elemente wurden aus anderen Glaubensrichtungen und Philosophien übernommen. Die Kunst Kalender für glücks- und unglücksverheißende Tage zu erstellen, die Wahrsagerei, die man für diesen und andere Zwecke nutzte und damit im Zusammenhang stehende Rituale wurden beispielsweise von sukuyōdō, einer Form der indischen Astrologie, übernommen. Onmyōdō fand vermutlich über mehrere Wege nach Japan. Der koreanische Mönch Kanroku 観勒, der in Japan im Asukadera 飛鳥寺tätig war und dort Schülern sein Wissen weitergab, ist eine der Personen, die namentlich mit der Einführung von onmyōdō in Zusammenhang gebracht werden. Zur selben Zeit gab es aber auch zahlreiche Immigranten, die vom Festland nach Japan kamen und somit auch ihr kulturelles und intellektuelles Wissen und somit auch die Yin-Yang Lehre und andere Konzepte mit sich brachten. Weiters unternahmen einige japanische Gelehrte Reisen nach China, um ihren Horizont zu erweitern und diese kehrten mit einem tiefen Verständnis chinesischer Philosophie, kalendarischen Wissens und Wahrsagung zurück.
Zumindest zu Beginn, vor allem in der Heian-Zeit, war onmyōdō noch keine Religion im eigentlichen Sinne. Es war eine Ansammlung lose zusammenhängender Konzepte, Zeremonien und Techniken, die von anderen – unter anderem religiösen Systemen – Elemente übernahmen. Im Laufe der Geschichte entwickelte sich onmyōdō aber in eine immer mehr einer Religion ähnelnden Richtung, sodass es in der Edo-Zeit schließlich eine sehr religiöse Form annahm.
Die offiziellen Aufgaben von onmyōji 陰陽師, das waren die Personen, onmyōdō praktizierten, wurden hauptsächlich über das onmyōryō 陰陽寮, ein offizielles Büro der Regierung für das Betreiben von onmyōdō, geregelt. Zu ihren Verpflichtungen zählten das Wahrsagen, vor allem von glücks- und unglücksverheißenden Tagen, Zeiten und Richtungen, das Erstellen eines jährlichen Kalenders, Astronomie, um eigenartige Phänomene im Himmel und der Natur zu dokumentieren und zu interpretieren, und das Zeitlesen anhand von Wasseruhren. Eine weitere Aufgabe bestand in der Bekämpfung von Epidemien, die vor allem in der Heian-Zeit besonders häufig waren. Offiziell wurde onmyōdō zwar nur von Personen betrieben, die im onmyōryō tätig waren, aber es gab immer schon sogenannte „Volks- onmyōji“, die nichts mit dem Büro zu tun hatten. Gegen Ende der Heian-Zeit wurden die Dienste einzelner onmyōji, immer öfter von Adeligen des Hofes für persönliche, individuelle Zwecke verlangt, wodurch auch das zu einem festen Bestandteil der Arbeit für onmyōji wurde.
Onmyōdō und Medizin
Onmyōdō stand vor allem früheren Zeitaltern und besonders in der Meiji-Zeit mit Krankheiten, Epidemien und deren Bekämpfung beziehungsweise Vorbeugung in Verbindung. Die Zeit von 700 bis 1050 gilt als ein „Zeitalter der Epidemien“, in dem es dem Namen entsprechend sehr häufig zum Ausbruch verschiedener Krankheiten in weitläufigen Gebieten, wogegen die Bevölkerung oft nicht gewappnet war.
Der Glaube der damaligen Zeit war, dass diese Epidemien von sogenannten ekijin 疫神 oder aber auch verärgerten kami oder goryō 御霊 hervorgerufen wurden. Somit hatten Krankheiten drei Hauptgründe: medizinische Probleme, Dämonen, Geister und Götter oder Karma. Aufgrund dessen, dass zwei dieser Entstehungsgründe in einer sehr spirituell angehauchten Mentalität ihren Ursprung haben, waren onmyōji für das Behandeln von Krankheiten und Epidemien sehr wichtig.
Da sowohl die Medizin der Ärzte der damaligen Zeit, als auch die Techniken und Theorien von onmyōdō beide auf daoistischen Konzepten basierten, hatten onmyōji ein sehr ähnliches Set an Methoden, um Krankheiten zu bekämpfen, allerdings ergänzt durch ihre eigenen Rituale und Zeremonien. Es gibt sogar Quellen, die naheliegen, dass onmyōji und buddhistische Priester, die sehr ähnliche Aufgaben hatten und sich gemeinsam mit den Ärzten die Epidemiebekämpfung teilten, häufiger zu Hilfe gerufen wurden als Ärzte, da die Leute glaubten ihre spirituelle Kraft helfe dabei und ihre Methoden würden somit effektiver wirken als die der Doktoren, die kein so hohes Level spirituellen Potentials besaßen.
Onmyōji gingen hauptsächlich mit ihren eigenen Ritualen, die größtenteils dazu gedacht waren die ekijin oder kami zu besänftigen, gegen Krankheiten vor, um Symptome zu lindern, beziehungsweise Erkrankungen vorzubeugen. Das konnte sowohl auf individueller Basis, als auch als Massenevent für ganze Dörfer oder Städte stattfinden. Onmyōji standen also an der Front des Kampfes gegen die ständigen Epidemien, auch weil die die Aufgaben übernahmen, die die buddhistischen Priester nicht machen konnten oder durften. So wurden sie zum Beispiel an Orte geschickt, die für die Priesterschaft von Krankheit und Tod zu verunreinigt waren, wie zum Beispiel die Sammelplätze für die Verstorbenen, an denen sich – aufgrund der Umstände – sehr viele Dämonen und Geister aufhielten.
Anmerkungen
Quellen
- Athanasios Drakakis 2011„Onmyōdō and esoteric Buddhism.“ In: Stephen F. Teiser, Martin Kern, Timothy Brook (Hg.), Esoteric Buddhism and the Tantras in East Asia. (Handbook of Oriental Studies 4.) Leiden: Brill 2011, S. 683–690.