Geister- und Göttererscheinungen im Genji Monogatari

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Dieser Artikel behandelt die Geister- und Göttererscheinungen im Genji Monogatari in chronologischer Reihenfolge. Für den Hauptartikel siehe: Genji Monogatari.

Das Genji Monogatari beinhaltet eine Vielzahl an Erscheinungen von Göttern und Geistern. Die erste Erwähnung einer „Geisterwelt“ findet sich bereits im zweiten Kapitel. Die erste Geister Erscheinung findet sich im vierten Kapitel als Genjis 光源氏 Geliebte Yūgao von einen Geister, bei den sich später herausstellte das es sich hierbei um Aoi handelt, angegriffen wird. Dazu werden ab dem ersten Kapitel unterschiedliche Feste und Götter genannte, die aber in diese Auflistung nur aufgenommen werden, wenn sie für Götter- und Geistererscheinungen relevant sind.

Kapitel 2: der Hahaki-Baum 帚木

Hōrai (- Berg)

„Handelt es sich um Gebilde gesteigerter Phantasie, wie etwa den Hōrai - Berg, den Menschenaugen nie erblicken können, um eine in stürmischen Wogen tobenden Fisch, ein wildes chinesisches Tier oder ein Dämonengesicht, das wachen Auge noch nie erschienen ist, so finde dies, obgleich es mit der Wirklichkeit nichts zu tun hat […]“ [1]

Der Hōrai – Berg ist von Taoisten erträumter Bereich der von Unsterblichkeit, von Göttern und seeligen Geistern bewohnt wird. Er war bereits ein wichtiger Bestandteil im Taketori Monogatari 竹取物語 Die Geschichte vom Bambussammler.

Kamo no Rinji

„Eines Tages nun nach der Musikprobe zum Kamo no Rinji-Fest, als es schon spät geworden war, […]“[2]

Kamo no Matsuri, ist ein jährlich stattfindendes Fest, von den beiden Kamo Schreinen am Kamo 鴨川 Fluss. Der Kamo jinja 賀茂神社 in Kyōto besteht aus den beiden Shintō-Schreinen Kamigamo-jinja 上賀茂神社 (wörtlich: Oberer Kamo-Schrein) und Shimogamo jinja (下賀茂神社; wörtlich: Niederer Kamo-Schrein). Es findet Mitte April statt mit einem Umzug der von Musik und Schauspiel begleitet wird. Dieses Fest wird auch Aoi - Fest genannt, da man Kopfbedeckungen, Kutschen und so weiter, mit den Aio Blättern schmückt. Das Kamo no Rinji Matsuri finde im November statt und dabei werdem „Ost Tänze“ aufgeführt. [3]

Kapitel 4: Yūgao 夕顔

Tanabata

„[…] und im Nähen stand sie hinter der Geschicklichkeit der Tanabata nicht zurück.“ [4]

Tanabata-hime ist die Göttin des Herbstes, des von ihr prachtvoll buntgefärbten Herbstlaubs. Tanabata, die himmlische Weberin (Stern Wega im Sternbild der Leier), die einmal im Jahr mit dem himmlischen Hirtenknaben (Stern Altait) an der Milchstraße zusammentrifft. [5]

Anspielung auf einen Fuchs

Genji im Gespräch mit Yūgao.

„Ja, vielleicht ist gar einer von uns beiden ein Fuchs? Aber laßt Euch ruhig einmal von mir verzaubern.“ [6]

Kitsune 狐(dt. Fuchs) sind Wesen die sich in Menschen verwandeln können und dabei Unfug treiben.

Geistererscheinung & Yūgaos Besessenheit

Als die Nacht weiter vorrückte und sie beide in leichten Schlaf sanken, erschien plötzlich eine sehr hübsche Frau an seinem Kopfkissen und sprach:

„Ich bewundere Eure Schönheit über alles, aber Ihr achtet meiner nicht. Es betrübt und erzürnt mich, daß Ihr nun eine unbedeutende Frau hierher brachtet und sie liebt!“

Er sah sie eine Gebärde machen, als wollte sie die neben ihm Schlafende in die Höhe ziehen. Er zog sein großes Schwert, da ihm unheimlich zumute war, legte es neben sich und weckte hierauf die Dienerin Ukon. Auch sie erschrak tief. Als Genji ihr von der Erscheinung berichtete.[7]

Die schöne Frau ist Lady Rokujō 六条御息所 Rokujō no Miyasundokoro. Sie ist Witte des Kronprinzen Zembo, daher auch in einen hohen Stand geboren und eine langjährige Geliebte von Genji. Wäre der Kronprinz nicht verstorben wäre die Kaiserin geworden. Da Genji ihr keine Aufmerksamkeit schenkte wird sie eifersüchtig und darauß resuliert das Mononoke. Dadurch verschuldet sie den Tot von Yūgao und später nach Ihren Tot verschuldet sie auch den Tot von Aoi no Ue, Murasaki und der dritten Prinzession.

Er hielt sie fest in seinen Armen und rief:

"Hört mich! Kehrt doch zum Lebenzurück! Tut mir das nicht an!" Aber da sie schon erkaltet war, verzerrten sich nur ihre Gesichtszüge unheimlich. Die bisher völlig verstörte Ukon kam jetzt wieder zu sich und weinte laut. Dann fiel Genji plötzlich die Geschichte von jenem Dämon im Südpalast ein, der einmal den Minister Soundso erschreckt hatte, und er redete sich neuen Mut zu. "Auch wenn sie nun nicht atmet, so wird sie doch noch nicht tot sein! Euer Weinen hallt furchtbar durch das ganze Haus! Beruhigt Euch!" So mahnte er Ukon. Da alles so war,fühlte auch er sich wie gelähmt,und er wußte in seiner Not nicht aus noch ein. Schließlich rief er den Sohn des Verwalters herbei.« "Es ist hier ganz rätselhaft jemand von einem bösen Dämon überfallen worden und fühlt sich wie erloschen! Schickt sofort einen Boten in Koremitsus Haus; man möge ihm bestellen, er möge ungesäumt hier erscheinen! Ist sein Bruder, der Azari, zugegen, so richte man ihm heimlich meine Bitte aus, er möge sich doch unverzüglich hierher bemühen. Man sage ihm das aber leise, denn wenn es seine Mutter, die Nonne, hört, würde sie ihm nicht erlauben, nachts das Haus zu verlassen!“

Soviel vermochte Genji mit seinem Mund zu sprechen, aber sein Herz befand sich unbeschreiblicher Verwirrung. Zu dem furcht baren Gedanken, daß er eines Menschen Tod verschuldet hatte, gesellte sich das Entsetzen über das unheimliche Bild vor seinen Augen.[8]

erste Erwähnung von Mononoke

Genji leidet unter Yūgaos Tot und wird in folge dessen auch Krank. Nach einer Trauerzeit erholte er sich davon.

Sein Gesicht sah zwar recht eingefallen aus, allein, das verlieh ihm den Reiz ganz besonderer Zartheit. Noch immer aber brütete er traurig vor sich hin oder brach in lautes Weinen aus, und dann glaubten manche, die dies sahen, er sei von einem Mononoke-Geist besessen.[9]

Kapitel 9 : Aoi (葵 Aoi)

Aois Tot

Bei Aoi trat die Besessenheit nun mit furchtbarer Gewalt auf, und sie litt unsagbar. Als die Dame Rokujō das Gerücht vernahm, ihr eigner oder der Geist ihres verstorbenen Vaters, des Ministers, sei in jene gefahren, war sie bestürzt: Ich wünsche doch wahrhaftig nicht auch das Unglück anderer. Aber vielleicht ist mein eigener Geist, da er all das Leid nicht länger mehr ertragen konnte, wirklich aus mir entwichen und quälte nun jene? [...] Während in Aois Hause sorglos niemand an eine Niederkunft dachte, weil man die Zeit hierfür noch nicht gekommen hielt, traten plötzlich die ersten Anzeichen auf. Der verstärkten Schmerzen halber vermehrte man die Fülle der Gebete, aber der Mononoke-Geist bliebt hartnäckig in ihren Körper wohnen. Selbst die hervorragenden Exorzisten waren darüber erstaunt und bestürzt.[10]
Da nahm Aoi plötzlich das Aussehen Rokujōs an, und er war aufs höchste verwirrt. […] gebar sie ein paar Augenblicke später ihr Kind. Die Freude aller war grenzenlos, doch da der Mononoke-Geist, der auf das Yorimashi übergegangen war, nun auf das Neugeborene Eifersucht fühlte und sich wie wild gebärdete, erschien Aois Zustand während der Nachwehen beängstigend. [11]
In Aois Haus waren nur wenige zurückgeblieben. Es herrschte friedliche Stille. Da plötzlich traten bei ihr die alten Brustbeklemmungen wieder auf, und sie litt furchtbar. Sofort gab man dem Palast Bescheid, doch kurz darauf hatte Aoi ihr Leben bereits ausgehaucht. […] Die Trauer und Verzweiflung der Angehörigen der Toten mit anzusehen, überstieg fast jedermanns Kraft. Man erinnerte sich aber dann, daß der Mononoke-Geist Aoi schon bisher öfters ihr Bewußtsein geraubt hatte, und so ließ man ihr Kopfkissen unberührt und wartete einige Tage. Doch dann veränderte sich langsam ihr Gesicht, und man brach in lautes Klagen aus. [12]

Kapitel 35: Murasaki (若菜下 Wakana: Ge)

Kashiwagis Fehldiagnose

Kashiwagis Krankheit bestand nun weniger darin, daß er irgendwo körperliche Schmerzen hatte, er fühlte sich nur ganz allgemein sehr leidend, und gelegentlich weinte er mit lauter Stimme. Als die Yin-Yang-Meister nach der Ursache seiner Qualen forschten, gelangten sie nur dem allgemeinen Ergebnis, es müsse sich hierbei um den bösen Geist einer Frau handeln, und davon war auch Kashiwagis Vater überzeugt, doch, als sich schließlich kein Mononoke-Geist offenbaren wollte, begann er doch daran zu zweifeln und ließ nach anderen Exorzisten in den Bergen suchen.[13]

Kaji-Beschwörungen

Bei den Kanji-Beschwörungen der folgenden nacht offenbarte sich der Mononoke-Geist endlich und gab zu wissen:

"Meine Hartnäckigkeit erklärt sich so: Es schmerzte mich, daß Ihr glaubtet, Murasaki wiederbekommen zu haben, und so bemächtige ich mich der Prinzessin. Nun aber, da sie Nonne wurde, gehe ich!"

Der Mononoke-Geist brach in Gelächter aus. Es war wahrlich ein befremdendes Geschehen.[14]

Kapitel 39: das heilige Gesetz

Murasaki stirbt

Murasaki litt nach ihrer Erkrankung im letzten Jahr noch immer, und sie fühlte sich, obgleich es sich keineswegs um etwas schlimmes handelte, unbeschreiblich elend.[15]

Da es keine Besserung in Aussticht stand, wollte sie Nonne werden, aber Genji erlaubte es nicht.

Sie sah besorgniserregender als als sonst, und so war die Kaiserin Akashi aufs äußerste bestürzt. Sie griff nach Murasakis Hand und hatte, als sie die Kranke betrachtete, wahrhaftig das Gefühl, sie sei vergänglicher Tau. [...] Da Genji es schon öfter erlebt hatte, daß sich Murasaki nach solchen Anfällen wieder erholte, meinte er, es sei auch diesmal nur ein vorübergehender Überfall eines Mononoke Geistes. Er betete die ganze Nacht hindurch, aber Murasaki ging es immer schlechter, und als schließlich der Morgen anbrach, tat sie den letzten Atemzug."[16]

Kapitel 53: Schreibübungen (手習 Tenarai)

Sōzu und der weinende Frauengeiste unter dem Baum

Der Azari, der als Begleiter mitgekommen war, sowie ein Mönch von gleichen Rand ließen einen Priester, der hier herumführen konnte, eine Fackel anzünden und begaben sich mit ihm hinter das Hauptgebäude. Dort entdeckten sie eine Gruppe dicht belaubter Bäume, die fast wie ein Wald aussahen, und sie fühlten sich alle sehr beklommen. Als sie noch weiter schritten, sahen sie etwas Weißliches am Boden liegen. Sie wunderten sich sehr, was dies wohl sein könnte, und es erschien ihnen, als sei es im Licht der Fackel besehen wie ein Mensch.

„Vielleicht ist es von einem Fuchs verhext! Ein widerwärtiges Ding! Wir wollen genau untersuchen, was es ist!“ Einer der Priester trat ganz nahe heran und rief dabei: „Das ist eine dumme Geschichte! Sicher sind das die was es Machenschaften eines Dämons.“ Er knüpfte verschiedene Mudra, um die bösen Einflüsse zu bannen, aber alle fühlten sich gleichwohl sehr bedrückt und starrten wie gebannt darauf hin. Obgleich der Priester sich so sehr fürchtete, daß sich seine Haare gesträubt hätten, wenn ihm auf seinem Kopf noch solche wüchsen, näherte er sich, mit der Fackel in der Hand, ohne Zagen und Zögern immer weiter, und als er die dort kauernde Gestalt betrachtete, sah er vornehm lange glänzende Frauenhaare und die Frau selbst an den Wurzeln eines hohen Baumes auf der rauhen Erde liegen und bitterlich weinen. „Seltsam! Man sollte es dem Sōzu zeigen!» meinten die Priester, und einer von ihnen begab sich zu jenem und berichtete, was sie da Befremdendes entdeckt hatten. „Seit eh und je hörte ich, daß die Füchse die Menschen verhexen, aber noch nie habe ich es mit eigenen Augen gesehen!“ Er brach sofort dorthin auf, um sich selbst davon zu überzeugen. Die niederen Dienerinnen mußten alle für die nun bald eintreffende alte Nonne und ihre Begleiter tausend Vorbereitungen in der Küche treffen, und daher waren also nicht mehr viele in des Sōzus Nähe. So ging er, von nur etwa vier, fünf Leuten begleitet, dorthin, um sich Gewißheit zu verschaffen. Sie wurden aber aus all dem, was sie dort sahen, nicht klug und starrten das Wesen nur an. Würde es doch schnell Tag, dachte der Sōzu, ich sähe so gern, ob es nun ein Mensch oder ein Dämon ist! Er sprach in seinem Herzen Shingon-Dharani, die in solchen Fällen meist gute Wirkungen zeitigten, er knüpfte auch Mudra, und da konnte er die Gestalt mit einem Male deutlicher erkennen, und er rief aus: „Das ist ein Mensch! Es ist kein Zauberwesen, das es auf Erden sonst nicht gibt. Am besten trete man ganz dicht heran und frage die Frau, wer sie denn sei. Denn offensichtlich lebt sie noch. Vielleicht hat man sie als Tote hierher geworfen, und sie ist dann wider Erwarten zum Leben erwacht!“

„Wie könnte man aber ein schon einmal gestorbenes Wesen in das Haus bringen? Mag es auch menschliche Gestalt besitzen, ist es in Wahrheit vielleicht ein Fuchs oder ein Baumgeist, der sich vorgenommen hat, die Menschen in die Irre zu führen! Und es wäre dies hier wirklich unangebracht! Die Stätte würde verunreinigt.“[17]

das Kind und der Fuchsgeist

Er rief den alten Wächter, der vorhin mitgekommen war. Seine Stimme schallte laut zurück, und es war allen recht unheimlich zumute. Der Alte sah wunderlich aus. Er hatte seinen Eboshi-Hut zurückgeschoben und strich sich mit der Hand über die Stirn. Als ihn der Priester fragte:

„Lebt hier eine junge Frau? Es sind hier seltsame Dinge geschehen!“ und ihn auf das verdächtige Bündel unter den Bäumen hinwies, antwortete der alte Wächter: „Das ist der Schabernack eines Fuchses. An diesem Baume haust nämlich ein Fuchs, der uns manchmal die schlimmsten Streiche spielt! Im Herbst des vorletzten Jahres stahl er ein zweijähriges Kind einer hier ansässigen Frau und zog dann, als ich hier erschien, eine gleichmütige Fratze!“ „Ist dieses Kind dann gestorben?“ fragte der Priester, und der Wächter erwiderte:

„Nein, es blieb am Leben. Dem Fuchs machte es Vergnügen, die Menschen zu erschrecken; er tut ihnen nichts Böses an!" [18]

Fuchsgeist, Dämon, Gott,...?

Er gab in seiner Art zu verstehen, daß ihn das Geschehen recht wenig berührte. Er war mit seinen Gedanken wohl ganz bei der Vorbereitung für die Bewirtung seiner Gäste:

„Dann ist es also die Tat eines Fuchses? Geht doch noch etwas näher hin und schaut es Euch selber an!“ meinte der Sōzu, ließ den unerschrockenen Priester ganz dicht herantreten und dieser rief dann: „Ihr da! Mögt Ihr ein Dämon, ein Gott, ein Fuchs oder ein Baumgeist sein! Ihr könnt, da ein so wunderkräftiger Mann wie der Sōzu hier steht, Euer wahres Wesen nicht mehr länger verbergen. Offenbart Euch!“ Als er das seltsame Menschending an seinem Gewand heftig zog, hielt jenes den Ärmel vors Gesicht und weinte immer heftiger. „Oh!“ rief da der Priester, „was seid Ihr doch für ein böswilliger Baumgeist! Ich werde Euch schon zwingen, Eure wahre Gestalt zu offenbaren!»

Er versuchte mit Gewalt, dem Frauenwesen ins Gesicht zu sehen, und er überlegte schaudernd, daß es vielleicht der weibliche Dämon war, der hier einst, auge- und nasenlos , gehaust hatte. Doch dann besann er sich wollte sich vor den anderen tapfer zeigen, versuchte mit allen seinen Kräften dem unheimlichen Wesen die Kleider vom Leib zu ziehen, doch da weinte die Frau, vornübergebeugt, laut auf. [19]

Ukifune

„Wahrhaftig“, seufzte der Priester, „etwas so Wunderliches gibt es auf Erden nicht noch einmal!“Er hätte die wahre Gestalt jenes weiblichen Wesens gern gesehen; doch nun begann es heftig zu regnen, und so meinte er schließlich:

„Wenn wir sie hier liegenlassen, wird sie sicher sterben. Wir wollen sie wenigstens bis zur Hecke schaffen!“ „Sie hat“, bemerkte der Sōzu, „ohne Zweifel menschliche Gestalt, und so wäre es grausam, sie aufzugeben, obgleich wir alle erkannt haben, daß noch Leben in ihr ist. Es ist doch sogar unbarmherzig, zuzusehen, wie ein Fisch im Teich oder ein sich in den Bergen tummelnder Hirsch von Menschen gefangen und getötet werden soll, und wir diesen Tieren nicht zu Hilfe eilen. Das menschliche Leben währt zwar nur kurze Zeit, aber wir müssen gleichwohl für wert halten und es, mag dies auch nur für wenige Tage gelingen, zu bewahren suchen. Ob dieses Frauenwesen, das von einem Dämon oder einem Gott verzaubert worden ist, durch böse Menschen, dem aus dem Haus gejagt oder von einem Verführer hinausgelockt worden ist, es ist in jedem Falle ein Mensch, dem ein gewaltsamer Tod zu sterben droht. Es ist ein Mensch, dem Buddha helfen wird. Wir wollen ihm jedenfalls ein Heilgetränk reichen und warten, ob es hilft. Schlägt es nicht an, so können wir nichts weiter tun.“ Er befahl den Mönchen, das Wesen ins Innere des Hauses zu bringen. Unter seinen Schülern 2tadelten ihn einiges: „Das ist unüberlegt! Sicher zeitigt es Unglück, ein so verdächtiges Wesen da hineinzubringen, kranke liegt!“ Doch ein anderer warf ein: „Mögen hier noch so sehr Dämonen im Spiele sein, es wäre doch allzu mitleidlos, wenn wir einen Menschen, der vor unseren Augen noch atmet, hilflos im Regen liegen und sterben ließen!“ […]Als sie sich sofort dorthin begab, lag jene allein, kein einziger Mensch war bei ihr. Es war eine ungewöhnlich hübsche, anmutige junge Frau; sie trug ein Gewand aus weißem Damast und einen roten Hakama. Der Räucherduft an ihren Gewändern war erlesen fein. „Mir ist wahrhaftig“, rief des Sōzus Schwester, „als sei meine Tochter, an die ich immer wieder schmerzlich denken muß, ins Leben zurückgekehrt!“ Sie rief weinend ihre Dienerinnen herbei und ließ die Frau ins Innere des Hauses bringen. Die Dienerinnen, welche sie vorher gar nicht im Garten liegen gesehen hatten, fürchteten sich überhaupt nicht vor ihr. Sie nahmen sie auf und trugen sie hinein. Ganz offensichtlich die junge Frau nicht recht bei Bewußtsein; aber sie hatte immerhin ihre Augen ein wenig geöffnet, und so versuchte die Schwester des Sōzu sie zu fragen: „Sagt doch ein Wort! Wie heißt Ihr? Wie kommt es, daß Ihr hier seid?» Aber sie schien nichts zu begreifen. Des Sözus Schwester flößte ihr heißen Reiswein ein, doch sie war so schwach, daß man glauben konnte, ihr Leben sei nun gleich zu Ende. Es wäre doch, dachte die Schwester des Sōzu, wirklich gar zu traurig, wenn sie trotz unserer Hilfe sterben müßte, und so bat sie den wunderkräftigen Azari: „Sie ist todkrank. Ich bitte Euch, betet für sie!“ „Es ist, wie ich es befürchtet habe. Hier kommt jede Hilfe zu spät!“ Er rezitierte der Götter wegen aus einem Sutra und betete für sie. Auch der Sōzu erschien und fragte mit teilnehmender Miene: „Wie geht es ihr? Man sollte in jedem Fall die Mononoke austreiben und herausfinden, wer sie sind!“ Darauf meinten seine Schüler, da die junge Frau wirklich sehr schwach und gleichsam zu erlöschen schien: „Da dürfte alles nichts mehr helfen. Es ist grauenvoll, wenn die Verunreinigung durch den Tod von Unbekannten erfolgt. Die junge Frau ist wohl von hohem Stande. Man kann sie also, falls sie sterben sollte, nicht einfach beiseite schaffen. Das ist sehr peinlich!“ „Seid ruhig!“ mahnte die Schwester des Sōzu, „So dürft ihr nicht zu anderen reden, es gibt sonst nur Unannehmlichkeiten.“ Auf diese Weise brachte sie alle zum Schweigen und war mehr um das Leben der Aufgefundenen als um war mehr ihrer kranken Mutter besorgt. Der Gedanke, daß jene vielleicht sterben würde, bekümmerte sie tief, und sie blieb, mochte man sie dabei auch sehen, ständig in ihrer Nähe. Man wußte zwar nicht, wer sie war und woher sie kam; aber weil sie von so unvergleichlicher Schönheit war, dachten die Dienerinnen, welche sie sahen, daß man sie auf keinen Fall sterben lassen dürfe, und sie halfen alle eifrig mit. Als die Schwester des Sōzu bemerkte, wie jene dann und wann die Augen aufschlug und weinte, sagte sie zu ihr: „Was ist Euch doch Trauriges widerfahren! Wenn ich bedenke, daß Euch Buddha statt meiner so früh verstorbenen, unvergeßlichen Tochter hierherführte und Ihr sterben könntet, weiß ich mich vor Schmerz kaum mehr zu fassen. Sicher stehe ich Euch deswegen bei, weil aus dem früheren Dasein her Bande bestehen. Ach, sprecht doch wenigstens ein einziges Wort!“ Da öffnete jene wirklich den Mund:

“Es ist zu sinnlos, dass ich wieder zum Leben erwachte! Ich bitte Euch, werft mich unbemerkt wieder in den Fluß!“[20]

Verweise

Verwandte Seiten

Fußnoten

  1. Literatur: Benl 1966:43
  2. Literatur: Benl 1966:46
  3. Literatur:Tyler 2002
  4. Literatur: Benl 1966:48
  5. Literatur: Benl 1966:48
  6. Literatur: Benl 1966:103
  7. Literatur: Benl 1966:109
  8. Literatur: Benl 1966:114-115
  9. Literatur: Benl 1966:126
  10. Literatur: Benl 1966:278-279
  11. Literatur: Benl 1966: 281
  12. Literatur: Benl 1966: 284-285
  13. Literatur: Benl 1966:195
  14. Literatur: Benl 1966:206-207
  15. Literatur: Benl 1966:331
  16. Literatur: Benl 1966:340
  17. Literatur: Benl 1966:889-891
  18. Literatur: Benl 1966:891
  19. Literatur: Benl 1966:892
  20. Literatur: Benl 1966:892-895

Literatur

  • Doris Bargen (Hg.) 1997
    A woman's weapon: Spirit possession in the Tale of Genji. Honolulu: University of Hawai'i Press 1997.

Internetquellen