Exzerpt:Komatsu H 2007

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Der Autor

Komatsu Hideo 小松秀雄 ist ein Sozialtheoretiker, der sich mit menschlichen Beziehungen in der heutigen Gesellschaft auseinandersetzt. Neben dieser Thematik forscht er auch in den Bereichen städtische matsuri 祭りund Stadtplanung. Das Gion Matsuri 祇園祭 gehört zu den von ihm beobachteten städtischen Festen. Als Basis für seine Forschungen dienen häufig die Werke von Michel Foucault, Pierre Bourdieu und Max Weber.

Der Artikel

Der Artikel „Gion Matsuri. Yamabokochō no hitobito no kokoroiki. Kikitori chōsa to shiryō chōsa o chūshin ni 祇園祭・山鉾町の人びとの心意気.聞き取り調査と資料調査を中心に“ (Gion Matsuri. Der Charakter der Menschen der yamaboko-Viertel. Mit Fokus auf qualitative Interviews und die Untersuchung von Dokumenten.) beinhaltet eine ethnographische Untersuchung der yamabokochō 山鉾町 in Gion 祇園, dem Stadtteil Kyotos, in dem die zentrale Parade des Gion Matsuri 祇園祭, die yamabokojunkō 山鉾巡 veranstaltet wird.

Die Basis von Komatsus Forschung ist hier das Konzept des kokoriki 心意気 (in etwa Gemütslage, Charakter, Temperament) Personen, die stark in die Administration und Organisation des Gion Matsuri involviert sind. Komatsu setzt kokoroiki hier mit den Begriffen Ethos und Habitus wie sie in den Werken von Max Weber und Pierre Bordieu Verwendung finden in Verbindung. Er verwendet die beiden Begriffe in Zusammenhang mit persönlicher Entwicklung durch Verschmelzung von Elementen religiöser Literatur und Fähigkeiten des Alltagslebens (seikatsu ginō 生活技能). Von kokoroiki ausgehend werden meist mentale Eigenschaften und Fähigkeiten wie Eifer (iyoku 意欲), Idee (omoi 想い), Leidenschaft (jōnetsu 情熱), Gefühl der Berufung (shimeikan 使命感) oder Ethikempfinden (rinriishiki 倫理意識) ableiten, im vorliegenden Artikel werden diese aber eher mit körperlichen und geistigen Fähigkeiten wie Kunstfertigkeit (geinō 芸能) und Handwerkskunst (monozukuri no ginō ものづくりの技能) sowie dem nötigen Know-how für die Organisation des Matsuri (soshiki no uneihōhō 組織の運営方法/nōhau ノウハウ) und Kommunikationsfähigkeiten in Verbindung gesetzt (Komatsu 2007:65).

Die Grundlage des Artikels sind Interviews und schriftliches Material, die Aussagen von fünf Personen beinhalten, die in einer leitenden Position in die Organisation und Administration des Gion Matsuri involviert sind. Es handelt sich dabei um Leiter diverser Selbstverwaltungsvereinigungen und Vereine zu Bewahrung der traditionellen Kultur von Gion aus den Vierteln Kankohokochō 函谷鉾町, Kikusuihokochō 菊水鉾町, verantwortlich für die gleichnamigen yamaboko, Mukadeyachō 百足屋町, verantwortlich für die Minami Kannon Yama 南観音山 und Tenjinyamachō 天神山町, welches die Arare Tenjin Yama 霰天神山 betreut. Der Text ist so aufgebaut, dass nach einer Einleitung, die die jüngere Geschichte der yamabokochō umreißt, Interviewpassagen bzw. Aussagen einzelner Personen enthaltende Dokumente zitiert werden und danach jeweils eine Zusammenfassung und Interpretation der jeweiligen Passagen durch Komatsu folgt.

Ein zentraler Punkt des gesamten Artikels scheint mir die Veränderungen in der Bevölkerung dieses Stadtteils zu sein. Die alten machiya 町屋 (Stadthäuser mit einem Stockwerk), in denen jeweils eine Familie lebt(e), die oft auch ein traditionelles Gewerbe im Viertel ausübt(e), sind zu einem großen Teil großen manshon マンション (Mehrfamilienhäusern) gewichen. Dadurch ist zwar in den letzten Jahren die Bevölkerungszahl stark gestiegen, aber das nötige Wissen und die Kunstfertigkeit, die von Nöten sind um das Gion Matsuri zu veranstalten liegt fast ausschließlich bei der alteingesessenen Bevölkerung. Interessierte Neuzugänge werden von den Veteranen zwar willkommen geheißen, Entscheidungsrecht und leitende Positionen in den entsprechenden Gremien sind aber oft Personen vorbehalten, die schon eine mehrjährige Erfahrung mit der Organisation des Gion Matsuri haben (Komatsu 2007: 80). Auch die Lebensläufe und -umstände der manshon-Bewohner unterscheiden sich stark von der alteingesessenen Bevölkerung, sie haben einen anderen „Lifestyle“, und es ist schwierig sie für die Mitarbeit am Gion Matsuri zu motivieren (Komatsu 2006: 78). Im seiner Schlussbemerkung erwähnt Komatsu einige Initiativen die „neue Bevölkerung“ stärker einzubinden, ohne aber näher auf diese einzugehen.

Auf der anderen Seite leidet die yamabokojunkō an Personalmangel. Es gibt kaum junge Mitarbeiter. Von den fünf Personen, die im Artikel zu Wort kommen, sind zwei bereits verstorben, die anderen haben schon ein hohes Alter erreicht. Gerade für die körperlich anstrengende Arbeit des Ziehens und Tragens der yamaboko ist es schwierig Freiwillige zu finden, trotz einer open door policy. Teilweise gibt es sogar die Befürchtung, dass das Gion Matsuri eines Tages aufgrund des chronischen Personalmangels verschwinden wird (Komatsu 2007: 78).

Eine weitere Thematik ist die Stadtplanung, die auf die Erhaltung des historischen Stadtbildes ausgerichtet ist. In Mukadeyachō gibt es diverse dementsprechende Initiativen, unter anderem ein Abkommen, das die Neuerrichtung von Gebäuden regelt (Komatsu 2007: 73-74).

Kritik

Der Artikel bietet einen guten Einblick in die Probleme, mit denen sich die Veranstalter der yamabokojunkō konfrontiert sehen und wie sie versuchen diese zu lösen. Er ist sehr interessant zu lesen und wirkt durch die Einbindung der Interviewpassagen sehr lebendig. Es ist schwer eine negative Kritik anzubringen, offen bleibt aber, wie die Bewohner der manshon das Gion Matsuri sehen. Dies war jedoch nicht Thema dieses Artikels und kann dem Autor daher nicht angelastet werden.

Literatur

Komatsu Hideo 小松秀雄 2007
Gion Matsuri. Yamabokochō no hitobito no kokoroiki: Kikitori chōsa to shiryō chōsa o chūshin ni. 2007. (Exzerpt.)