Religiöse Umbrüche der frühen Neuzeit
Vor dem Hintergrund des Niedergangs des Ashikaga-Shogunats (1336-1573) Ende des 16. Jahrhundert und der nachfolgenden Reichseinigung durch die Gründung des Tokugawa-Shogunats (1600-1868) vollzogen sich im Japan der frühen Neuzeit neben diversen politischen, auch einige religiöse Umbrüche. Darunter sind unter anderem die Einführung des Christentums gegen Mitte des 16. Jahrhundert sowie die auf dessen Verbot folgende neue religiöse Gesetzgebung des Tokugawa-bakufu zu zählen. Während das Christentum in Japan seinen Fall erlebte, zeigten sich im Zen-Buddhismus der frühen Neuzeit hingegen Zeichen des Wandels und des Antriebs: Zum einen wurde in der frühen Tokugawa-Periode eine neue Zen-Schule aus China eingeführt und zum anderen erfuhr die schwächelnde Rinzai-Schule im 18. Jahrhundert eine Wiederbelebung und nachhaltige Reformierung.
Das Christentum
Das Christentum kam 1549 mit der Ankunft des Jesuiten, Franz Xaver nach Japan. Während seines dreijährigen Japanaufenthalts erhielt er von einigen Daimyo die Erlaubnis, innerhalb ihrer Ländereien seine Lehre zu verbreiten. (Frederic 2002: 124) Nach seiner Rückkehr nach Goa 1552 berichtete er, dass die Bedingungen zur Missionierung der Japaner bestens stünden. Er lobte ihren Charakter und legte die Entsendung weiterer Missionare nahe. (Sansom 1961: 291) Die nächsten Missionare erhielten die Ünterstützung einiger Feudalherren, besonders in Kyushu, und es wurde ihnen erlaubt zu predigen sowie Kirchen, Spitäler und Schulen zu errichten. (Frederic 2002: 124) 1560 erhielt Gaspard Viela von Shogun Ashikaga Yoshiteru die Erlaubnis, in ganz Japan die christliche Lehre zu verbreiten; dies war Xaver zehn Jahre zuvor nicht möglich gewesen. (Sansom 1961: 291) 1569 wurde Pater Luis Frois von Oda Nobunaga empfangen und erhielt dessen Unterstützung. Nobunga befürwortete die Verbreitung des Christentums, unter anderem, da er in der neuen Religion ein Gegengewicht zu den ihm verhassten buddhistischen Sekten sah. (Sansom 1961: 293-294) Es war nicht die Religion an sich, die ihm verhasst war, sondern die Einmischung des Klerus in politische Angelegenheiten und die militärische Bedrohung, die von ihm ausging. (Sansom 1961: 295) 1570 wurde der Hafen von Nagasaki portugiesischen Schiffen aus Macao zugänglich gemacht. (Frederic 2002: 124) Es scheint, als ob viele Daimyo zum Christentum konvertierten, da sie sich bessere Handelsbedingungen und größere Waffenlieferungen erhofften. (Sansom 1961: 297) Aus seiner Besichtigung 1580 schloss Alessandro Valignano, dass sich zu dieser Zeit 150000 Christen in Japan befanden, wovon die meisten im Westen des Landes lebten. Diese Zahl ist umso beachtlicher wenn man bedenkt, dass sich selbst 30 Jahre nach der Ankunft des ersten Missionars nur um die 20 Priester und eine handvoll Assistenten in ganz Japan aufhielten. Vom Handel mit den Portugiesen abgesehen gab es weitere Gründe, weshalb sich das Christentum in kurzer Zeit so schnell ausbreiten konnte. Einige Feudalherren zwangen ihre Untertanen dazu, den neuen Glauben anzunehmen. Jedoch hatten die Jesuiten im Allgemeinen keine großen Schwierigkeiten, unter der Bauern- und Handwerkerschicht neue Anhänger zu finden. Viele von ihnen fanden in einer Zeit des Krieges und großer Ungewissheit Trost in der christlichen Lehre. Desweiteren konnten sie von den Jesuiten Spenden, medizinische Versorgung und schulische Bildung erhalten. Der Glaube dieser einfachen Leute stellte sich in den folgenden Jahren der Verfolgung in vielen Fällen als stark heraus. Bloß unter den Händlern fand das Christentum nur wenig Anklang, da die christliche Moralvorstellung nicht mit ihrer frivolen Lebensweise kompatibel war. Desweiteren predigten die Jesuiten gegen Wucher und Betrug im Geschäftswesen, ein Gedanke, mit dem sich viele Händler nicht anfreunden konnten. (Sansom 1961: 298) 1582 entsandten die drei bedeutendsten christlichen Daimyo, Ōtomo Sōrin, Arima Harunobu und Ōmura Sumitada, eine vierköpfige Gesandschaft nach Europa. Die so genannte Tenshō-Mission dauerte acht Jahre lang. Die Botschafter wurden unter anderem am Hof des Königs von Spanien, Philip II., empfangen und erhielten eine Audienz bei Papst Georg XIII. in Rom. Als die Gesandschaft 1590 zurückkehrte, hatte sich die Situation für das Christentum in Japan allerdings zum Schlechteren gewendet. (Sansom 1961: 298-299) Zu jener Zeit fanden nähmlich unter Toyotomi Hideyoshi die ersten Christenverfolgungen statt. Hideyoshi war dem Christentum anfangs positiv gegenüber gestanden, jedoch änderte sich seine Haltung, als er begann, die Portugiesen und Spanier als mögliche Bedrohung wahrzunehmen und er erließ Befehle, die Missionare des Landes zu verweisen und das Christentum zu verbieten. Auch Tokugawa Ieyasu, der nach Hideyoshis Tod an die Macht kam, war anfangs gut auf das Christentum zu sprechen. Jedoch setzte er 1613 das Verbot des Christentums durch und verwies die Missionare des Landes, nachdem er von holländischen Protestanten vor Kolonialisierungsambitionen katholischer Länder gewarnt worden war. Nach der Shimabara Rebellion, an der auch verfolgte Christen beteiligt waren, entschloss sich die Tokugawa Regierung dazu, das Land von allen ausländischen Einflüssen abzuriegeln. Japanische Christen wurden mit dem Tod bestraft, wenn sie ihrem Glauben nicht abschworen, und Maßnahmen zur Christenverfolgung, wie zum Beispiel der Brauch des fumi-e (das Treten von Heiligenbildern), wuden eingeführt. Erst 1868 mit der Meiji Restauration wurde das Christenverbot aufgehoben. (Frederic 2002: 125)
Der Zen-Buddhismus
Die neue religiöse Gesetzgebung des Tokugawa-Shogunats zog eine Reihe von Veränderungen für den japanischen Zen-Buddhismus mit sich. Für den Rinzai bedeuteten die staatlichen religiösen Maßnahmen eine Zunahme an politischer sowie finanzieller Unterstützung, sie gingen jedoch auch mit einer Zunahme an Materialismus und einer Abnahme der Disziplin in den Rinzai-Tempeln einher. Die herbeigeführten Änderungen erreichten schließlich ein derartiges Ausmaß, dass ein Großteil der Rinzai-Gemeinschaft selbst eine Reformierung für notwendig erachtete (Hershock 2014:97-98). In der Sōtō-Schule wiederum wurden strikte Regulierungen eingeführt wie etwa die Voraussetzung, dass Dharma-Lehrende sich zuvor mindestens 30 Jahre lang der Übung gewidmet haben mussten (Mohr 1994:353). Neben den Maßnahmen des bakufu wirkte ein weiterer externer Faktor einen bedeutenden Einfluss auf die nachfolgende Entwicklung der beiden japanischen Zen-Schulen aus. Der chinesische Mönch Yin-yüan Lung-ch’i (1592-1673), auch bekannt als Ingen Ryūki, führt infolge seiner Reise nach Japan ein neuartiges, mit Elementen des Reine-Land-Buddhismus der Ming-Dynastie vermengtes Rinzai-Zen ein, das sich zur Ōbaku-Schule entwickelte. (Yampolsky 1971:10). Das Shogunat gewährte dieser neuen Zen-Schule sogar Schutz sowie die Errichtung eines eigenen Tempels nahe des kaiserlichen Palastes in Kyoto, vermutlich um ein Gegengewicht zu den dortigen, dem kaiserlichen Hofe nahe stehenden Zen-Tempeln zu erzeugen (Mohr 1994:346,349). Für die damaligen einheimischen Zen-Schulen der Sōtō und Rinzai bedeutete diese Entwicklung, dass sie eine Haltung gegenüber dem Ōbaku-Zen, das sich auf diese Weise in Japan zu verfestigen schien, einnehmen mussten. Das Ōbaku-Zen, das sich als wahres Rinzai-Zen präsentierte, schien insbesondere der japanischen Ausprägung, die Yamposlky (1971:10) als „beinahe schlafend“ bezeichnete, neues Leben einzuhauchen, da sich nun polarisierende Fraktionen innerhalb der Schule bildeten (Mohr 1994:343). Diese neue, nach interner Veränderung strebende Bewegung, die sich innerhalb der Rinzai-Schule auftat, fand schließlich in Hakuin Ekaku ihren Höhepunkt (Mohr 1994:352). Ihm gelang es dem an Bedeutung und Stärke verlorenen Rinzai-Zen neues Leben einzuhauchen und es nachhaltig zu reformieren (Yoshizawa/Waddell 2009:1). Hakuin war ebenso wie Ishin Sūden ein Rinzai-Mönch, im Gegensatz zu diesem spielte er jedoch eine lediglich marginale politische Rolle. Sein Hauptanliegen stellten vielmehr die Lehre und Übung des Zen dar (Yampolsky 1971:11). Es sei an dieser Stelle noch angemerkt, dass die Einführung des Ōbaku-Zen auch innerhalb der Sōtō-Schule eine kritische Auseinandersetzung mit den eigenen Traditionen und Lehren bewirkte, wenn auch in wohl geringerem Ausmaß (Hershock 2014:121).
Literatur
- WEITERLEITUNG Literatur:Frédéric 1995
- Ekaku Hakuin, Philip B. Yampolsky (Ü.) 1971The Zen master Hakuin: Selected writings. New York: Columbia University Press 1971.
- Peter D. Hershock 2014Public Zen, personal Zen: A Buddhist Introduction. Lanham u.a.: Rowman & Littlefield 2014.
- Michel Mohr 1994„Zen Buddhism during the Tokugawa period: The challenge to go beyond sectarian consciousness.“ Japanese Journal of Religious Studies 21/4 (1994), S. 341-372.
- George Bailey Sansom 1961A History of Japan, 1334-1615. Redwood City: Stanford University Press 1961.
- Katsuhiro Yoshizawa, Norman Waddell (Ü.) 2009The religious art of Zen Master Hakuin. Berkeley: Counterpoint 2009.