Kasuga Schrein
Der Kult von Kasuga 春日
Der Kasuga Schrein 春日大社
Der Kasuga Schrein liegt im Osten der heutigen Stadt Nara am Fuße des Berges Mikasa, am Westfuß der sich von Norden nach Süden erstreckenden Kasuga Bergkette und ist den Ahnengöttern des Fujiwara (藤原) Hauses gewidmet.[1] Seit dem Jahr 1998 zählt er mit anderen historischen Denkmälern des alten Nara zum Weltkulturerbe.[2] Das älteste Dokument ist eine auf das Jahr 756 datierte Karte, die den Komplex des Tōdaiji und die Kasuga Bergkette darstellt. Auf diesem findet sich am Platz des später erbauten Kasuga Schreins ein Rechteck mit der Beschriftung heiliger Grund (shinji 神地) [3]. Als allgemein anerkanntes Datum der Gründung des Kasuga Schreins wird das Jahr 768 genannt.[4] Dies wird von Grapard (1992: 26) kritisiert, da dieses Gründungsdatum erst 100 Jahre nach Begründung des Fujiwara Hauses und 50 Jahre nach Verlegung der Hauptstadt sei. In Anbetracht der Tatsache, dass die Erbauung von permanenten Schreinen in Japan erst spät erfolgte, könne zwar dieses Gründungsdatum doch anerkannt werden; jedoch muss man bedenken, dass die Gründung eines Schreines nicht mit der Gründung eines Kultes für einen Kami gleichzusetzen ist. Zum Zeitpunkt der Gründung bestand der Kasuga Taisha allerdings zunächst noch aus drei Schreinen, da Himegami erst in der ersten Hälfte des neunten Jahrhunderts einen eigenen Schrein erhielt, während sie davor noch einen Schrein mit Ame-no-Koyane-no-Mikoto geteilt hatte. Im Jahre 1135 schließlich wurde der Wakamiya Schrein südlich des Kasuga Taisha als fünfter Schrein fertiggestellt.[5] Die Arbeiten am buddhistischen Kōfukiji (興福寺) begannen zwischen 714 und 717, wobei im Jahre 720 ein Beamter für seine Erbauung eingesetzt wurde, wodurch der Tempel einen halb-öffentlichen, halb-privaten Charakter erhielt.[6] Der Kasuga Schrein und der Kōfukuji erfüllten gleichzeitig zwei komplementäre Rollen: „the Kasuga Shrine served to establish the foundation of the Fujiwara house through the worship of tutelary and ancestral kami. […] The Kasuga Shrine was not, however, established for the worship of the death of the Fujiwara house; that service was performed exclusively by the temple. [...] Moreover, the Kasuga shrine was dedicated to entities symbolizing a whole living house, whereas the Kōfukuji’s buddhas and bodhisattvas were dedicated to the deceased members of the house. […] The Kasuga Shrine and the Kōfukuji were two aspects of a single sociocosmic reality.“[7]
Im Laufe der Jahre wurde der Kasuga Schrein und der Kōfukuji somit zu einem Komplex, in welchem die Beziehungen zwischen den beiden durch Assozierungen der Kami des Schreines mit Buddhas oder Bodhisattvas des Tempels erfolgte. Die älteste Aufzeichnung von Assozierungen stammt aus dem Jahre 1175, allerdings müssen diese bereits früher entstanden sein und das Fehlen früherer Dokumente kann auf die Brände der Jahre 1046, 1060, 1096 und 1180 zurückzuführen sein, in denen vieles vernichtet wurde [8]. Hinsichtlich der Assozierungen muss schließlich festgestellt warden, dass diese nur zwischen Gottheiten, die bereits in dem Multiplex verehrt wurden, gezogen werden konnten, und somit die Wahl nicht frei war.[9]
Die Kami des Kasuga Schreins und ihre Assoziationen
Im folgenden Abschnitt soll nun zunächst auf die vier Kami und deren buddhistischen Assoziationen eingegangen werden. Diese bilden die ujigami (氏神) des Fujiwara Hauses, wobei Grapard (1992: 45f) diese in Ahnengottheiten und Schutzgottheiten der Fujiwara unterscheidet, da bei den ersteren eine Blutlinie für Legitimationszwecke in den Vordergrund rückt, während diese bei letzteren nicht besteht. Anschließend soll noch der fünfte, häufig dargestellte Kami Wakamiya und die sich im Mittelalter bildende Entität von Kasuga Daimyōjin angesprochen werden.
Takemikazuchi-no-mikoto 武甕槌命[10]
Hinischtlich des ersten Kami des Hauptschreins stellt sich zunächst die Frage, wieso dieser von den Fujiwara in Kasuga verehrt wurde, war sein Kultort doch Kashima (鹿島) in der damaligen Peripherie. Hierzu finden sich zwei Theorien: Eine alte Tradition besagt Fujiwara no Kamatari (藤原鎌足) käme aus dem Hauptzweig der Nakamtomi (中臣) und habe somit zunächst die beiden Ahnengottheiten der Nakatomi verehrt, während eine neuere Tradition davon ausgeht, er wäre aus einer Zweigfamilie der Nakatomi, welche im Bereich von Kashima ansässig gewesen sind und habe somit den Kami des Schreins von Kashima Takemikazuchi und den Kami des Schreins von Katori (香取) Futsunushi verehrt. Auf jeden Fall scheinen das Faktum des Besitzes von Gütern in der Gegend von Kashima und die Notwendigkeit einer Abgrenzung der Fujiwara Familie von den Nakatomi dazu geführt haben, dass Takemikazuchi und Futsunushi zu den ersten beiden ujigami der Fujiwara wurden, während die Ahnengottheiten der Nakatomi, von denen sie sich ableiteten, diesen nachgeordnet wurden. Auch der militärische Charakter dieser beiden Kami passte besser zur politisch ambitionierten Familie der Fujiwara.[11] Die Bedeutung von Takemikazuchi kann auch daran erkannt werden, dass der Mythos der Schreingründung darauf beruht, er sei auf einem Hirsch von Kashima zum Berg Mikasa geritten, der ihm gefiel und worauf er die drei anderen Kami einlud zu kommen. Diese Ankunft soll im Jahre 768 stattgefunden haben, in der auch der Schrein gegründet worden sein soll.[12].
Takemikazuchi ist sowohl im Kojiki als auch im Nihongi bezeugt. Nachdem Izanami den Feuergott gebiert und durch die Geburt stirbt, schlug Izanagi lt. dem Kojiki mit dem zehn Handbreiten langen Schwert den Kopf des Feuergottes ab, aus dessen Blut neue Kami entstanden. Takemikazuchi ist hierbei der letzte von drei Kami, die aus dem Blut entstanden, das auf dem oberen Teil des Schwertes haftete und viele Felsenstücke bespritzte.[13] Takemikazuchi spielt weiters eine bedeutende Rolle für die Abdankung von Ōkuninushi (大国主), da er lt. Kojiki mit Ame no Toribune (天鳥船), lt. Nihongi mit Futsunushi nach Izumo zieht und durch seine Schwertkunst diesen davon überzeugt, das Land den Nachkommen der Sonnengottheit zu übergeben.[14] Bei Kaiser Jinmus Ostfeldzug schließlich schickte Takemikazuchi sein Schwert Futsunomitama und half somit bei der Befriedung des Landes.[15]
Takemikazuchi wurde sowohl mit Fukūkensaku Kannon (不空羂索観音, Sanskrit: Amoghapāśa अमोघपाश) als auch mit Shaka Nyorai (釈迦如来, Sanskrit: Śākyamuni शाक्यमुनि) assoziert. Fukūkensaku Kannon ist die wichtigste Gottheit der Südlichen Rundhalle (nan’endō 南円堂) des Kōfukuji. Diese Assoziation kann symbolisch und ikonographisch dadurch begründet werden, dass Takemikazuchi auf einem weißen Hirsch von Kashima nach Kasuga ritt, wodurch der Hirsch zum heiligen Tier des Kultes wurde, und Fukūkensaku Kannon häufig mit einem Umhang (kesa 袈裟) aus Hirschfell auf den Schultern dargestellt wurde.[16] Auf Grund dieser besonderen Kleidung wurde er auch teilweise Hirsch Kannon (Roku Kannon 鹿観音) gennannt und er wurde von einem Jäger getötet, der ihn für einen Hirschen hielt.[17] Sein Name bedeutet unfehlbare (amogha bzw. fukū) Fangschlinge (pāśa bzw. kensaku), wodurch seine Fähigkeit ausgedrückt werden soll, jedes Wesen zu erretten ohne auch nur eines zu übersehen.[18] Seine häufigsten ikonographischen Symbole sind die Fangschlinge und der Lotus.[19] Die Assoziation von Takemikazuchi mit Shaka Nyorai, dem historischen Buddha, der wichtigsten Gottheit der Zentralen Goldenen Halle (chūkondō 中金堂) und der Westlichen Goldenen Halle (saikondō 西金堂) des Kōfukuji wird auf die Legende zurückgeführt, dass sich in der ersten buddhistischen Kapelle von Fujiwara no Kamatari in Yamashina (山階) eine Statue von Shakai Nyorai befand.[20] Shaka Nyorai wird meist mit erhobener rechter Hand und herabhängender linker Hand, bei welcher die Handfläche nach außen zeigt, dargestellt.[21]
Futsunushi-no-mikoto 経津主命
Futsunushi (経津主) hat seinen Hauptschrein in Katori. Er ist in der Mythologie häufig gemeinsam mit Takemikazuchi erwähnt:[22] So ist erstens seine Entstehung auch im Zusammenhang mit der Enthauptung des Feuergottes durch Izanagi zu finden, denn das Nihongi besagt: „Hiernach wurde das von der Scheide des Schwertes herabträufelnde Blut zu fünfhundert Felssteine, welche im Bett des himmlischen Ruhigen Flusses liegen. Dies war der Ahn von Futsu-nushi no Kami.“ [23] Auch ist er es, der lt. Nihongi gemeinsam mit Takemikazuchi das Mittelland des Schilfgefildes (Ashihara no Nakatsukuni 葦原中国) unterwirft.[24] Futsunushi ist ein Schwert Kami, da sich futsu vom koreanischen Wort pur, Glanz, ableitet, welches mit dem Strahlen alter Schwerter in Zusammenhang gebracht wurde.[25] Da Futsunushi mit der militärischen Eroberung von Kyūshū, Izumo und Hitachi in Zusammenhang gebracht wird, kann dessen Aneignung als Schutz Kami durch die Fujiwara Familie als geopolitischer Akt gedeutet werden. [26] Takemikazuchi und Futsunushi hatten für die Fujiwara somit eine doppelte Funktion: Einerseits, zollten sie dem Bedeutungsgewinn der Peripherie in der damaligen Zeit Anerkennung, indem sie zwei Kami aus dieser zu ihren ersten beiden ujigami machten, andererseits ermöglichten ihnen diese innerhalb des Prozesses der Bildung einer neuen Familie eine eigene, von den Nakatomi klar abgegrenzte Identität zu konstruieren.[27])
Futsunushi wird üblicherweise mit dem Buddha der Medizin, Yakushi Nyorai (薬師如来, Sanskrit: Bhaiṣajyaguru भैषज्यगुरु), assoziert. Andere Namen für ihn sind auch Medizinmeister von Lapis Lazuli Glanz, Yakushirurikou (薬師瑠璃光), oder (Großer) König der Heiler, (Dai)iō. [28] Dieser wurde im Altertum von der Aristokratie und der kaiserlichen Familie für die Linderung von Pein und für Heilung angebetet und war die Hauptgottheit der Östlichen Goldenen Halle (tōkondō 東金堂) des Kōfukuji, wo er von seinen beiden Begleitern dem Bodhisattva des Sonnenlichts, Nikkō bosatsu (日光菩薩, Sanskrit: Suryaprabha सुर्यप्रभ) und dem Bodhisattva des Mondlichts, Gakkō Bosatsu (月光菩薩, Sanskrit: Candraprabha चन्द्रप्रभ), flankiert die Triade des Buddhas der Medizin (Yakushi Sanzon 薬師三尊) bildet.[29] Als ein Bodhisattva dreht sich sein Kult um die Erlangung von Gesundheit und einem langen Leben. Die zwölf Himmlischen Generäle (Jūni Shinshō十二神将) schützen seine Schüler und jeder von ihnen herrscht über ein zwölftel des Tages, der Monate und die zwölf Himmelsrichtungen.[30] Der Grund für die Assozierung mit Futsunushi ist lt. Grapard (1992: 84) nicht eindeutig feststellbar: Erstens könnte die Bedeutung des Kultes um die Zwölf Himmlischen Generäle des Yakushi Nyorai und deren martialischer, kriegerischer Charakter eine Assoziation von Yakushi Nyorai mit Futsunushi als Schwert Kami erklären. Zweitens hätten sowohl Futsunushi als auch Yakushi Nyorai dasselbe ultimative Ziel, nämlich den Schutz des Körpers bzw. der Gesundheit des Kaisers und somit des Staates. Als letzte Erklärung könnte der zweitbedeutendste Kami des Kasugaschreins mit der zweitbedeutendsten buddhistischen Gottheit assoziiert worden sein. Seine Hände sind entweder in abhaya und varada mudrā oder aber mit einem kleinen Medizinkrug in varada mudrā in seiner linken Hand.[31]
Fußnoten
- ↑ Nagashima 1993: 204
- ↑ UNESCO
- ↑ Tyler 1992: 56
- ↑ Nagashima 1993:204; Grapard 1992: 25
- ↑ Tyler 1992: 19
- ↑ Grapard 1992: 49
- ↑ Grapard 1992: 50f
- ↑ Grapard 1992: 78f
- ↑ Grapard 1992: 81
- ↑ Sowohl hinsichtlich der Schreibung, als auch der Aussprache finden sich unterschiedliche Meinungen: So wird in der Literatur sowohl die Aussprache TakemikaTSUchi (u.a. Grapard 1992) als auch TakemikaZUchi (Tyler 1992) angetroffen. Die Kanji-Schreibung wird auf der offiziellen Seite des Kasuga Taisha mit 武甕槌命und der Lesung Takemikazuchi angegeben (Kasuga Taisha o.J.), die Encyclopedia of Shinto nennt die Schreibung建御雷(之男)神 aus dem Kojiki und武甕槌神 bzw. 武甕雷神 aus dem Nihongi ebenso mit einer Lesung von Takemikazuchi (Inoue o.J.), weshalb auch hier die Transkription Takemikazuchi verwendet werden soll.
- ↑ Grapard 1992: 24f
- ↑ Tyler 1992: 55
- ↑ Florenz 1919: 20; In einer Version des Nihongi wird nicht Takemikazuchi sondern dessen Ahn gezeugt (Florenz 1919: 136).
- ↑ Florenz 1919: 65ff; 180ff
- ↑ Kadoya 2005b
- ↑ Grapard 1992:82f
- ↑ Chandra 1999: 292
- ↑ Chandra 1999:291
- ↑ Schumacher 2011; Chandra 1999:292
- ↑ Grapard 1992: 83
- ↑ Scheid o.J.b
- ↑ Kadoya 2005a
- ↑ Florenz 1919: 156
- ↑ Florenz 1919: 180ff
- ↑ Grapard 1992: 39
- ↑ Grapard 1992: 42
- ↑ Grapard 1992: 46
- ↑ JAANUS o.J.d
- ↑ Grapard 1992: 84
- ↑ Chandra 2000: 523
- ↑ Chandra 2000: 523; Schumacher o.J.b