Exzerpt:Law 1997
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Zur Autorin
Jane Marie Law ist Associate Professor an der Faculty of Religious Studies der University of Cornell (Ithaca, New York). Sie erhielt ihren Bachelor, Master- und Doktortitel in Religionswissenschaften. Ihr Forschungsschwerpunkt liegt hauptsächlich auf den Ablauf von japanischen religiösen Ritualen. Weiters verbrachte sie für ihre Forschung zu Awaji ningyō insgesamt fünf Jahre in Japan. Diese Feldforschung ist auch ihre Basis für das Schreiben dieses Buchs. [1]
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Einleitung
In ihrer Einleitung berichtet die Autorin kurz über ihre Feldforschung in Japan, genauer genommen auf der Insel Awaji, wo sie mehrere Jahre in den 1980er und 1990er Jahren verbracht hat. Sie beschreibt kurz, in welchen Jahren bzw. Jahresspannen sie was gelernt hat und erzählt von ihren Interaktionen mit den Einheimischen. In ihren eigenen Worten sagt sie zudem, dass dieses Buch das „Problem der Nostalgie“ und auch der Wiederbelebung der Folklore adressieren soll. Law gibt außerdem eine kurze Übersicht über die einzelnen Kapitel des Buches und welche Punkte diese behandeln.
Kapitel 1
In diesem Kapitel geht es zunächst um die Definition des Wortes ningyō (deutsch: Puppe) und wie das Wort je nach Land und Kultur unterschiedlich aufgefasst wird. So sagt sie beispielsweise, dass man im Englischen beim Wort puppet meistens an Puppenstücke für Kinder mit sehr einfach gehaltenen Puppen denkt, während ningyō im Japanischen auch Stücke für Erwachsene mit besonders prunkvollen und dekorierten Puppen beinhaltet.
Sie führt fort mit den möglichen Anreizen, die ZuseherInnen von Puppentheater dazu verleiten, sich diese Stücke anzusehen. Darunter nennt Law u. a. größere Freiheit und Varietät des emotionalen Ausdrucks, den spirituellen Aspekt oder die Überzeugungskraft von Puppen.
Ein weiterer Aspekt dieses Kapitels ist die geschichtliche Aufarbeitung der Verwendung und des Auftretens von Puppen in der japanischen Geschichte. Beispiele hierfür sind z. B. die amagatsu, auch o-san ningyō (Geburtenpuppe) genannt, der Heian-Zeit, welche Neugeborene und Babys beschützt haben sollen. Aber auch kokeshi, die man heute als beliebtes Souvenir kennt. Diese waren ein „Ersatz“ für Kinder, die man aufgrund der Geburtenkontrolle des Altertums unter gewissen Bedingungen töten musste. Puppen sollen auch für die Manifestierung von kami und anderen übernatürlichen Wesen genutzt worden sein, was eine zentrale Rolle in der Puppenfolklore spielen würde.
Kapitel 2
Das Kapitel beginnt mit einer kurzen Anekdote, die dann von Law fortgeführt wird, indem sie die Verbindung zwischen Puppenspieler, Puppe und dem Publikum beschreibt. Dabei spiele die Fremdartigkeit und Faszination, die das Publikum bei Puppenvorführungen von herumziehenden Puppenspielern empfand, eine große Rolle. Das Fremde und die Unheimlichkeit, die für die Zuseher völlig neu war, habe eine große Rolle bei der Entwicklung und Verbreitung von Puppen und Puppentheater gehabt. Ebenfalls enthalten ist eine kurze Erläuterung über die schintoistischen Begriffe hare (wortwörtl. „auflockern“, meint Dinge, die das Leben zur Geltung bringen) und kegare (wortwörtl. „Verschmutzung“, beschreibt alles, was man mit dem Tod in Verbindung bringt, u. a. Blut und das Sterben).
Danach schildert sie, wie Puppenspieler ursprünglich Teil der heutigen burakumin-Minderheit (Menschen, die außerhalb des Ständesystems der Edo-Zeit standen) waren. Diese sammelten sich oft an Orten wie Flussbeeten, um darstellende Künste zu praktizieren, darunter auch Puppenspiel. Für diese Art von umherziehenden Puppenspielern gab es drei Arten von Auftritten: hyōhaku no gei (bummelnde Künste), yugyō no gei (reisende Künste) und kadozuke (wortwörtl. „am Tor befestigt“). Das Tor stehe hierbei für die Tore von Tempelkomplexen, unter welchen die Puppenspieler, besonders in der Muromachi-Zeit, sich versammelten und sogar lebten, aber auch ihre Puppenspiele vorführten. Es entwickelte sich dazu, dass diese herumziehenden Puppenspieler für Heil- und Reinigungsrituale als notwendig erachtet wurden, jedoch wurden sie, wie weiter oben erwähnt, auch gefürchtet, weil man davon ausging, dass sie sich außerhalb der irdischen Ebene befanden.
Kapitel 3
Law schreibt über die Entwicklung der ersten Puppenspieler, die in Kyūshū der Nara-Zeit auftreten. Der Usa Hachiman Schrein soll der erste Schrein gewesen sein, an dem man rituelles Puppenspiel praktizierte. In der Heian-Zeit etablierte sich dann das hitogata. Diese waren Puppen, die als repräsentativer „Körper“ für ein Individuum bei ritueller Reinigung dienen sollten. Die Puppen, die man für diese Zwecke verwendete, nannte man kugutsu, welches in der späteren Heian-Periode ein Synonym für wandernden Puppenspieler wurde. Eine Gruppe von herumwandernden Puppenspielern nannte man kugutsu-ki oder kairaishi-ki (on‘yomi-Lesung). Ōe no Masafusa war der erste Gelehrte, der sich mit diesen kugutsu beschäftigte und über ihre Lebensweise bzw. Vorführungen berichtete. Diese wurden dann aber während der Kamakura-Zeit und für einen Großteil der Muromachi-Zeit nicht mehr erwähnt. Erst ab dem späten 16. Jh. kommt es wieder stellenweise zu Erwähnungen.
Danach geht es um den Nishinomiya Schrein (Präfektur Hyōgo) und die Verehrung des kami Ebisu. Viel wichtiger für die Puppenspieler war aber die Schutzgottheit der Puppenspieler, nämlich Hyakudayū. Die Puppenspieler nannte man ebisu-kaki. Im Weiteren geht es um die Entwicklung der Verehrung des Hyakudayū und wie die ebisu-kaki anfingen, durchs Land zu ziehen, um den Ebisu-Kult weiterzuverbreiten. Die Legende des Ebisu wird auch kurz geschildert.
Kapitel 4
In diesem Kapitel wird die Entstehung des Awaji ningyō behandelt, welches sich aus den davor erwähnten Ebisu-kaki ableitete. Ein zentrales Dokument, Dōkunbō (Mythischer Priester des Nishinomiya Schreins) Denki, beschreibt die in Awaji angelangten Puppenspieler, die für sich eine besondere und legitime Identität als „Freelance-Puppenritualspieler“ schaffen wollten, was zu einem Konflikt mit den Anhängern des Nishinomiya-Schreins führte, welche als Inspiration zur Kreierung ihrer eigenen Puppenfolklore diente. Sie nannten sich infolgedessen Dōkunbō-mawashi. Der Hauptschrein für die Ausbreitung ihres Puppenspiels war und ist noch immer der Sanjo Ōmidō Hachiman Daibosatsu Schrein, oder kurz Ōmidō Schrein im Bezirk Sanjo (Präfektur Hyōgo).
Kapitel 5
Die Autorin schildert in diesem Kapitel die tatsächlichen Aufführungen der Awaji Puppenspieler, aber auch, wie diese von ihrem Publikum wahrgenommen wurden. Sie waren wie ihre Vorgänger, die Ebisu-kaki, herumziehende Darsteller, die von Ort zu Ort und Haus zu Haus zogen und rituelle Stücke vorführten.
Bei diesen Puppenspielen gab es zwei verschiedene Arten von Ritualen: Sanbasō- mai und Ebisu-mai. Ein Dōkunbō-mawashi war meistens nicht auf beide, sondern auf eine der beiden Arten spezialisiert. Puppenspieler, die sich auf das Sanbasō spezialisierten, hießen Sanbasō-mawashi. Das Sanbasō kann nochmal in zwei Kategorien unterteilt werden, nämlich das Kotobuki Sanbasō und das Hōnō Sanbasō. Kotobuki Sanbasō war kürzer und bestand aus Dichtkunst, Musik und Tanz. Eingesetzt wurde es bei Ereignissen wie z. B. Hochzeiten oder zu Neujahr. Hōnō Sanbasō hingegen zielten nicht auf ein breites Publikum ab, sondern auf das oben erwähnte „göttliche Publikum“. Es wurde also in der Nähe von Wasserquellen, Bergen oder vor Schreinen aufgeführt. Während des Stücks werden, anders als beim Kotobuki Sanbasō, wo Flöte und Trommeln von Gesang und dem Aufsagen von Gedichten unterbrochen wurden, die Instrumente durchgehend gespielt, um die kami auf das Stück aufmerksam zu machen und um diese zu beruhigen. Zwar waren Menschen ab und zu als Publikum anwesend, aber sie waren nicht erheblich für das Ritual.
Die Puppenspieler, die sich dem Ebisu-mai hingaben, wurden Ebisu-mawashi genannt. Sie waren zu Fuß umherwandernde Puppenspieler, die beispielsweise die neue Fischfangsaison einleiteten oder Geschäfte segneten. Nach dem Ritual ließen sie dem gesegneten Haushalt meist ein o-fuda mit einer Zeichnung von Ebisu zurück.
Kapitel 6
Im abschließenden Kapitel des Buches geht Law auf die gegenwärtige Situation der Awaji ningyō, welche zu einem großen Teil von Nostalgie getrieben werden, da die Tradition ab der Meiji-Zeit langsam anfing zu verschwinden. Deshalb sucht man seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs nach Revitalisierungsmaßnahme, um die Tradition weiterhin aufrechtzuhalten. Auch durch Gesetze versuchte man viele der minzoku geijutsu (Folkloreaufführungen) zu erhalten und sie wiederzubeleben. 1949 wurde die Organisation Awaji Ningyō Geijutsu Fukkō Kyōkai (Organisation zur Wiederbelebung der Awaji Puppenaufführungeg), welche ursprünglich 1935 gegründet wurde, zur Awaji Ningyō Hozonkai (Organisation zur Erhaltung der Awaji Puppenaufführungen) unter Fudō Saiichi umgewandelt. Heute ist die Awaji Ningyō Jōuri Kan die leitende Gruppe für die Verbreitung der lokalen Kunst. Im restlichen Kapitel beschreibt sie die einzelnen (nostalgischen) Maßnahmen für ein Wiederaufblühen des Awaji ningyō und was für Beobachtungen sie während ihrer Feldforschung anstellen konnte, u. a. das Revitalisieren von kadozuke.