Exzerpt:Miyata Na 2012

Aus Kamigraphie
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Exzerpiertes Werk:

Nana Miyata 2012
„Die Hintergründe der Legendenbildung über Abe no Seimei, dem namhaftesten Divinationsmeister der Heian-Zeit.“ In: Triplett Katja (Hg.), Religiöse Tradierung in Japan. Halle an der Saale: Universitätsverlag Halle-Wittenberg 2012, S. 119-146. (Exzerpt.)

In ihrem Artikel beschäftigt sich die Autorin Nana Miyata mit der Legendenbildung um Abe no Seimei, welche bereits zur Heian-Zeit einsetzte und auch währende der folgenden Jahrhunderte nicht abriss. Miyatas Anliegen ist es herauszufinden, welche Ursachen und Eigenheiten dazu geführt haben, dass derartig nachhaltige Legenden über Seimei entstehen konnten. Zu diesem Zweck zeichnet Miyata zunächst das belegbare Leben von Seimei, dann den Verlauf der Legendenbildung über ihn nach. Dabei untersucht sie auch die Hintergründe für sein Charisma, das Seimei zu einer solch prominenten Figur hatte werden lassen.

Die Autorin

Nana Miyata absolvierte 2003 den BA in Liberal Arts an der International Christian University in Tokyo. Anschließend schloss sie 2007 den MA im Fach Japanologie (HF), Sinologie und Vgl. Religionswissenschaft (NF) an der Universität Bonn ab. Miyata promovierte im Jahr 2012 an derselben Universität im Fach Japanologie. Des weiteren war die Autorin an der Konzeption und Durchführung der Ausstellung „150 Jahre deutsch-japanische Beziehungen“ beteiligt, die vom Auswärtigen Amt zum Jubiläum der diplomatischen Beziehungen im Jahr 2011 initiiert wurde. Sie war auch Forschungsstipendiatin der Fritz Thyssen Stiftung von 2011 bis 2012. Miyata verfolgte im Jahr 2015 ein weiteres Studium (MSc) im Bereich der Sozialwissenschaften an der Universität Edinburgh. Von 2012 bis 2018 war sie außerdem, mit Unterbrechungen, als Gastwissenschaftlerin im INZ der ÖAW in Wien tätig. Zu ihren Forschungsschwerpunkten gehören: Diplomatische und Kulturelle Beziehung zwischen Europa und Japan (mit Schwerpunkt auf Österreich und Deutschland), Geistesgeschichte und Japan bezogene Quellenforschung in deutscher Sprache.

Kurzexzerpt des Inhalts

Das Leben des Abe no Seimei lässt sich laut Miyata anhand der von Tōin Kinsada 洞院公定 (1340– 1399) in der Muromachi-Zeit herausgegebenen Stammtafelsammlung Sonpi bunmyaku 尊卑文脉 belegen, da die Stammtafeln Seimeis Lebensdaten 921 (Engi 21) bis 1005 (Kankō 2) getreulich abdecken. Auch anhand anderer historischer Quellen, hauptsächlich Tagebüchern von seinerzeit einflussreichen Personen [1] sind sichere Daten zum Leben und der Karriere von Seimei überliefert. Letztere hat im Alter von 40 Jahren erstaunlich spät begonnen, was Miyata auf Seimeis eher niedrige Familienabstammung zurückführt (Miyata 2012, S. 120-121).

Als seine Lehrer werden im Konjaku monogatari-shū 今昔物語集 Kamo no Tadayuki 賀茂忠行 und in der Schrift Zoku kojidan 続古事談 Tadayukis Sohn, Kamo no Yasunori 賀茂保憲 genannt. Seimei wurde von Yasunori die Amtspflicht für Astronomie als Familiengewerbe zugeteilt. Im Alter von 47 Jahren bis zu seinem Tod mit 85 Jahren nahm Seimei zahlreiche wichtige Positionen bei Hof ein. [2]

Zu seinen Aufgaben zählten, soweit man den historischen Quellen vertrauen kann, hauptsächlich das Wahrsagen über verschiedenste ungewöhnliche Erscheinungen wie Krankheiten, die Organisation und Abhaltung von Zeremonien und Festen sowie die Auswahl der Tage zur Durchführung dieser offiziellen Riten und Veranstaltungen. Besonders gerühmt wurde seine Methode, sich bei Prophezeiungen des Divinationsinstrumentes „rikujin-shikiban“ 六壬式盤 zu bedienen. Seimei war ebenfalls dafür bekannt, dass er häufig das Taizanfukun-Fest 泰山府君祭 leitete, das man üblicherweise zum Zweck der Verlängerung des Lebens sowie zur Heilung von Krankheiten durchführte (Miyata 2012, S.122-123).

Als Wertschätzung seiner Leistungen wurden Seimei mehrmals Beförderungen zuteil. Dadurch galt er als der führende Onmyōdō-Meister, der die ganze Zuversicht der zu jener Zeit mächtigsten Personen besaß, nämlich des Ichijō Tennō 一条天皇 (980-1011; reg. 986–1011), des die Politik jener Jahre prägenden Fujiwara no Michinaga 藤原道長 (966– 1027) sowie anderer Mitglieder der Fujiwara-Familie (Miyata 2012, S.125).

Im anschließenden Abschnitt die Legendenbildung über Abe no Seimei betreffend, die bereits rund hundert Jahre nach seinem Ableben einsetzte, erwähnt Miyata einige Werke, deren Geschichten vermutlich zum einen die Legitimation seiner Familie stärken sollten und zum anderen dazu beitrugen, dass die legendäre Gestalt von Seimei post mortem weiter an Popularität gewinnen konnte (Miyata 2012, S.127).

Laut Miyata bestehen drei Möglichkeiten Seimeis Charisma zu begreifen. Erstens ist auf den geschichtlichen Hintergrund und das Feld der Aktivität von Onmyōdō-Meistern wie Seimei zu verweisen. Seit dem 8. Jahrhundert verbreitete sich immer mehr der ängstliche Glaube an Rachegeister. Damit steigerte sich die Nachfrage nach Maßnahmen gegen solche bösen Geister, nicht nur am Hof im engeren Sinne, sondern auch von einzelnen Adeligen. Abe no Seimei tauchte genau zu einer Zeit auf als Michinaga den Höhepunkt der Herrschaft der Fujiwara-Regenten über die kaiserliche Regierung verkörperte, als aber auch nacheinander Naturkatastrophen, Hungersnöte und Epidemien die Menschen heimsuchten. Seimei lebte also in einem gehobenen gesellschaftlichen Kreis und besaß die direkte Gunst mächtiger Personen (Miyata 2012, S.130-132).

Zweitens ist der spezifische Charakter von Abe no Seimei zu berücksichtigen sowie die aktive Traditionspflege seiner Nachkommen hinsichtlich ihrer gesellschaftlichen Stellung und Legitimation. Drittens spielt auch Seimeis Lebensschicksal eine nicht unwesentliche Rolle. Wahrscheinlich war es Seimeis erst spätere erfolgreiche Karriere, dass seine erste Lebenshälfte bis ins vierte Lebensjahrzehnt im Ungewissen blieb. Dieser Aspekt bot damit nachfolgenden Generationen viel Freiraum, ihre Fantasie zu beflügeln, was die Autorin am Beispiel der Legendenbildung über Seimeis Herkunft näher erörtert (Miyata 2012, S.136-137).

Zu guter Letzt fasst Miyata ihre Ergebnisse in drei Aspekte zusammen, die sie als Charakteristika der Legendenbildung über Abe no Seimei herausgearbeitet hat:

1) Autorität in der Kunst der Magie, ein gewisser Ehrgeiz zur Verbreitung des eigenen Namens und zur Erlangung der Gunst von mächtigen Personen.

2) Eine aktive Pflege der Nachgeborenen in Bezug auf die Besonderheiten ihres Vorfahren.

3) Zuerst die Ungewissheit, dann der Erfolg in seinem langen Leben.

All das fördert, laut Miyata, die kreative Entdeckung einer historischen Gestalt. Obwohl das in der einen oder anderen Form immer zutreffen mag – denn davon lebt Heroenbildung - trifft es an dieser Stelle allerdings für eine Persönlichkeit aus dem religiösen Umfeld zu (Miyata 2012, S.137).

Anmerkungen

  1. Tagebücher (kokiroku 古記録 ): z.B. Midō kanpaku ki 御堂関白記 von Fujiwara no Michinaga 藤 原道長 (966–1027), Chikanobu-kyō ki 親信卿記 von Taira no Chikanobu 平親信 (946–1017), Gonki 権記 von Fujiwara no Yukinari 藤原行成 (972–1027), Shōyūki 小右記 von Fujiwara no Sanesuke 藤原実資 (957–1046) u. a.
  2. dazu zählen u.a. die Aufgabe eines Tenmon hakase 天文博士 (972), Kazue no gon’nosuke 主計権助 (995), Bitchū no suke 備中介 (997), Daizen no daibu 大膳大夫 (1002) und Sakyōgon no daibu 左京権大夫 (1002)