Ennin

Aus Kamigraphie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Ennin.jpg
Seiten-Infobox
Themengruppe Personen (Einzelpersonen, Familien, Gruppen)
Name Ennin 円仁
Lebenszeit geb. 794 in Shimotsuke 下野 (Präfektur Tochigi 栃木市), gest. 864 in Kyōto 京都 (Heian-Zeit)
Sonstige Namen Jikaku Daishi Ennin 慈覚大師円仁
Funktion, Amt Mönch
Bemerkung buddhistischer Mönch der Tendai-Schule

Ennin 円仁 war ein buddhistischer Mönch der Tendai-Schule und lebte am Beginn der Heian-Zeit (794–1185). Er entstammte der Familie der Mibu 壬生, einer Adelsfamilie der Kantō-Region, die sich auf Toyoki Irihiko no Mikoto 豊城入彦命, den ersten Sohn des semi-mythologischen Herrschers Sujin-Tennō 崇神天皇 zurückführte.[1] Ennin stammte also aus den höchsten Kreisen des Provinzadels.

Ausbildung

Als Ennin neun Jahre alt war, ermutigte ihn seine Mutter im Tempel Daiji-ji 大慈寺 (in der heutigen Provinz Tochigi) unter dem Mönch Kōchi 広智 zu studieren.[2] Dieser wiederum pflegte enge Beziehungen zu Saichō 最澄 (767–822), dem Begründer der Tendai-Schule. Mit fünfzehn Jahren, im Jahr 808, begleitete Ennin seinen Lehrer auf einem Besuch im Tendai-Haupttempel Enryaku-ji 延暦寺 und wurde Saichō vorgestellt. Dieser machte ihn darauf kurzerhand zu seinem eigenen Schüler.[3]

814, mit 20, bestand Ennin die nötigen staatlichen Examen, trat im Jahr darauf die Mönchsschaft (shukke 出家) an und wurde schließlich 816 im Tōdaiji in Nara zum vollwertigen Mönch geweiht (zur damaligen Zeit konnte diese Weihe noch nicht von der Tendai-Schule selbst vorgenommen werden). Im Jahr darauf begleitete er Saichō auf einer Missionstour durch diverse Provinzen und suchte dabei auch seine Heimat wieder auf.

Chinareise

Reich der Táng Dynastie 848 n. Chr.
Reiseroute Ennins; zusätzlich eingezeichnet: Berg Wutai und Berg Tiantai

835 (Jōwa 2) wurde Ennin als sogenannter shōyakusō 請益僧 für die siebzehnte Japanische Gesandtschaft in das China der Tang-Dynastie (618–907) gewählt. Dies war die letzte japanische Gesandtschaft ins Tang-Reich und sollte bis ins neunzehnte Jahrhundert auch die letzte vom japanischen Hof entsandte Mission ins Ausland bleiben [4]. Einer der Gründe dafür lag im allgemeinen Niedergang der Tang-Dynastie, welcher ab 845 von anti-buddhistischen Ausschreitungen und Verfolgungen begleitet war. In Japan hingegen blieb das Verhältnis zwischen Buddhismus und Staatsmacht weitgehend ungetrübt.

Im Jahr 838 brach Ennin nach China auf, um dort insgesamt neuneinhalb Jahre zu verbleiben. Der primäre Zweck der Reise, der sich auch im Titel seines Reisetagebuchs niederschlug, war die „Suche nach dem Dharma“, konkret die Sammlung bislang unbekannter buddhistischer Texte, um das buddhistische Wissen in Japan zu vertiefen, sowie die Schulung bei Mönchen der chinesischen Tiantai (Tendai) Tradition. Das Ziel seiner Reise war daher auch das Zentrum der Schule, Berg Tiantai in der südchinesischen Provinz Zhejiang. Die Mission selbst wurde von einem weltlichen Gesandten geleitet, der politische Aufgaben hatte, den Mönchen in seinem Gefolge aber wohl gesonnen war.

Büroktratische Hürden

Am dreizehnten Tag des sechsten Monats des Jahres 838 begann Ennin auf dem Schiff mit seinen umfangreichen Aufzeichnungen. Sein Reisetagebuch, das Nittō guhō junreikōki 入唐求法巡禮行記 (Bericht einer Pilgerreise ins Tangreich, auf der Suche nach dem Dharma), gilt als der erste Bericht eines nicht-chinesischen Autors über die chinesische Gesellschaft überhaupt und ist daher auch außerhalb der Religionsgeschichte von unschätzbarem Wert. U.a. beschrieb Ennin auch Details wie beispielsweise die Kaufpreise von diversen Nahrungsmitteln oder hielt Formulare und Briefe von chinesischen Beamten fest.[5]

Nach mehrwöchiger Schiffsreise erreichte die Mission in Yángzhōu (nördlich des Yangtse-Deltas) chinesisches Land. Dort versuchten Ennin und sein Mitbruder Ensai 円載 (–877) mithilfe des japanischen Großgesandten eine offizielle Erlaubnis zu erwirken, nach Berg Tiantai weiter zu reisen. Der zuständige Bezirkskommandeur verweigerte jedoch trotz wiederholter Gesuche seitens Ennins und des japanische Großgesandten die entsprechende Erlaubnis. Als das Ende des Aufenthaltes der Gesandtschaft näher kam, hieß es schließlich, dass die Zeit für eine Pilgerreise Ennins nicht mehr ausreiche, während Ensai, der den Status eines Mönchsstudenten hatte, für fünf Jahre in China bleiben durfte und daher die Pilgerfahrt antreten sollte. Für diese Zeit sollte er — in Übereinstimmung mit den damaligen diplomatischen Gepflogenheiten — von der japanischen Regierung mit finanziellen Mitteln unterstützt werden.[6] Ennin trennte sich daher von Ensai, gab ihm jedoch eine detaillierte Liste von Fragen an den Klosterberg Tiantai mit.

Pilgerreise auf eigene Faust

Jikaku Daishi Ennin

Ennin selbst entschied sich mit stillschweigender Duldung des jap. Gesandten, auf illegalem Wege seine Pilgerreise anzutreten, wurde allerdings von chinesischen Offizieren aufgegriffen und musste schließlich mit seiner Gesandtschaft den Rückweg antreten. Das Schiff geriet jedoch in Seenot und wurde abermals an die chinesische Halbinsel Shandong zurückgetrieben. Hier befanden sich zu dieser Zeit Niederlassungen von koreanischen Emigranten, die sogar ein eigenes Kloster auf Berg Chi 赤山 unterhielten. Ennin nützte die Gelegenheit, um sich dort mit drei Begleitern niederzulassen, während der rest der Gesandtschaft die Heimreise antrat. Das Oberhaupt es Klosters verbürgte sich für Ennin und seine Begleiter und erwirkte schließlich bei den örtlichen Behörden eine Aufenthaltsgenehmigung. Ennin wiederum erfuhr von örtlichen Mönchen, dass der Klosterberg Berg Wutai in Nordchina dem Berg Tiantai in vieler Hinsicht überlegen wäre und änderte daraufhin sein Reiseziel entsprechend.[7] Schließlich fand er im koreanischen Konsul Chang Yǒng einen Unterstützer seiner Pläne und konnte seine Pilgerfahrt endlich doch auf legalem Wege ausführen.[8] 840, mit 47 Jahren, erreichte er schließlich den Wutai, wo er ein halbes Jahr blieb. Es folgte ein Besuch der Hauptstadt Changan, wo er den größten Teil seiner Zeit in China verbrachte.

Auf seiner Reise fertigte Ennin Kopien von Tiāntāi-Texten an, die es in Japan noch nicht gab. Darüber hinaus ließ er sich von verschiedenen Meistern im esoterischen Buddhismus (mikkyō 密教) unterweisen und studierte das Ritualwesen und die Ikonographie von Taizōkai- und Kongōkai-Mandala. Schließlich lernte er Sanskrit, um die originalen Schriften des Māhāyana Buddhismus zu studieren, und stieß dabei sogar auf einen indischen Mönch, der ihm die korrekte Aussprache des Sanskrit beibrachte.[9]

In der zweiten Hälfte seines Aufenthalts wurde Ennin Zeuge der anti-buddhistischen Maßnahmen unter Kaiser Wuzong (814–846), der sich dem Daoismus verschrieben hatte. Ennins Tagebuch enthält dazu die detailliertesten Aufzeichnungen, die uns heute zur Verfügung stehen. Die ungünstigen Verhältnisse führten auch zum Wunsch nach baldiger Rückreise, die sich aber alles andere als einfach gestaltete. Zwischenzeitlich fand er wieder bei koreanischen Emigranten aus Silla Unterschlupf. Mit koreanischer Hilfe gelang es schließlich auch, ein Handelsschiff für Ennins Rückreise zu organisieren. Die letzte Notiz seiner Pilgerreise verfasste Ennin am vierzehnten Tag des zwölften Monats im Jahre 847, kurz nach seiner Ankunft in Kyūshū, von wo er sich schließlich zurück nach dem Berg Hiei begab. Hier wurde er sowohl von seinen Mitmönchen als auch von adeligen Unterstützern freudig empfangen.

Lebensabend in Japan

Ein Jahr nach seiner Rückkehr nach Japan ließ Ennin eine neuartige Halle auf dem Berg Hiei errichten. Diese Halle diente einer neunzigtägigen Meditation zur Verehrung Amidas, in der man seine Gedanken auf Amida konzentrierte, den Namen Amidas anrief und dessen Statue rituell umschritt. Ennin stärkte damit den Glauben an die Wiedergeburt in Amidas Reinem Land, der sich unter Hōnen aus dem Tendai-Buddhismus abspalten sollte. Zugleich etablierte er den esoterischen Zweig der Tendai-Schule (taimitsu), indem er für die entsprechenden Schriften einen eigenen Tempel, den Sōjiin, errichten ließ. Für diesen Bau konnte er Kaiser Montoku als Sponsor gewinnen.[10] Weiters wurde er zum Abt des Enryaku-Tempels und schließlich im Jahr 854 zum dritten Tendai zasu, dem obersten Abt des Tendai Buddhismus, ernannt.[11]

Im Jahre 864 erkrankte Ennin an Gelbfieber und erlag dieser Krankheit. Seiwa-Tennō 清和天皇 (850–880) war sehr bestürzt über Ennins Tod und bekundete seine Trauer in einer schriftlichen Meldung. Posthum bekam Ennin vom Kaiserhof den Ehrentitel Jikaku Daishi 慈覚大師 verliehen. [12] Vor seinem Tod verfasste Ennin ein Testament mit dreizehn Bitten. Eine dieser Bitten beinhaltete den Wunsch, keine prunkvolle Begräbnisstätte zu bekommen. Er wollte nur eine einfache Beisetzung und als einziges sichtbares Merkmal soll auf seinem Grab ein Baum gepflanzt werden. Er schrieb weiters, dass es in höchsten Maße beschämend für ihn wäre, würde ihm ein Ahnentempel errichtet werden. Ennins Wunsch nach einer einfache Beisetzung kamen seine Mönche natürlich nach.

Dennoch war es ein persönlicher Schüler Ennins, An'e 安慧 (795–868), der sein Nachfolger als Tendai zasu wurde. Nach dessen baldigem Tod übernahm jedoch Enchin 円珍 (814–891), ein Mönch der sich ebenfalls durch einen langen Chinaaufenthalt großes Prestige erworben hatte, die Führung des Klosterbergs. Enchin gehörte nicht zum engen Schülerkreis Ennins und etablierte ein neues Tendai-Zentrum im Tempel Onjō-ji 園城寺 (auch Miidera 三井寺), der unweit von Berg Hiei an den Ufern des Biwa-Sees liegt. Enchin legte damit den Grundstein einer immer heftiger ausgetragenen Rivalität die sich schließlich im Schisma der sogenannten „Bergfraktion“ (Sanmon 山門), also der Mönche in der Nachfolge Ennins auf Berg Hiei, und der Tempelfraktion (Jimon 寺門) in der Nachfolge Enchins im Tempel Onjō-ji Ausdruck verleihen sollte.

Abgesehen von seinem starken Einfluss auf die theologische und fraktionelle Ausrichtung der Tendai-Schule blieb Ennin auch als Erbauer zahlreicher Tempel im kollektiven Gedächtnis. Besonders viele Tempel in Ennins Heimat, der Kantō-Region, sowie in Nordjapan führen sich auf Ennin als Gründer zurück.

Verweise

Anmerkungen

  1. Vgl. Saeki 1989, S. 5.
  2. Saeki 1989, S. 16f.
  3. Saeki 1989, S. 33.
  4. Saeki 1989, S. 55; Reischauer 1963, S. 48.
  5. Reischauer 1963, S. 48, 153.
  6. Reischauer 1963, S. 76–82; Saeki 1989, S. 82ff., 101.
  7. Saeki 1989, S. 103, 105, 116, 133, 153; Reischauer 1963, S. 86–95, 103–106.
  8. Reischauer 1963, S. 107f.
  9. Reischauer 1963, S. 176–178.
  10. McMullin 1984, S. 86.
  11. Wachtmann 2006, S. 105f.; Saeki 1989, S. 219ff.
  12. Saeki 1989, S. 254, 256f., 263.

Primärliteratur

  • Ennin 円仁 (1984) 10: Nittō guhō junrei gyōki. 1. 入唐求法巡礼行記. Übers. Kiroku Adachi 足立喜六; Mitarb. Ryōdō Shioiri 塩入良道. Tōkyō: Heibonsha.
  • Ennin 円仁 (1985): Nittō guhō junrei gyōki. 2. 入唐求法巡礼行記. Übers. Kiroku Adachi 足立喜六; Mitarb. Ryōdō Shioiri 塩入良道. Tōkyō: Heibonsha.

Weiterführende Literatur

  • Beck, Hanno. (1971): Große Reisende. Entdecker und Erforscher unserer Welt. München.
  • Chen, Jinhua (1999): Making and remaking history: a study of Tiantai sectarian historiography. Tōkyō: Internat. Inst. for Buddhist Studies.
  • Groner, Paul (2000): Saichō: the establishment of the Japanese Tendai School. Honolulu: Univ. of Hawaii Press.
  • Huang, Zhihai (2015): Sukhavati kennenlernen: das Amitabha-Buddha Sutra. Amitābha-sūtra. Übers. Liya Fette, Liya. Oldenburg i.O.: Desina.
  • Kanno, Hiroshi (2010) 10: Hokekyō nyūmon. 法華経入門. Tōkyō : Iwanami Shoten.
  • Kiuchi, Gyoo (1980): „Ennin’s Ideas on Buddhist Disciplinary Practices”. In: Journal of Indian and Buddhist Studies (Indogaku Bukkyogaku Kenkyu), Vol 28 (2). 745–750.
  • Kiyota, Minoru (Hrsg.) (1978): Mahāyāna Buddhist meditation : theory and practice. Honolulu: Univ. Press of Hawaii.
  • Kumārajīva (2009): Lotos-Sutra: das große Erleuchtungsbuch des Buddhismus. Saddharmapundarīka-sūtra. Übers. Margareta von Borsig. Freiburg, Wien u. a.: Herder.
  • Michimoto, Tesshin 道元徹心 (Hrsg.) (2012): Tendai: Hiei ni hibiku Hotoke no koe. 天台: 比叡に響く仏の声. Kyōto: Jishōsha Shuppan
  • Palmer, Jesse D. (2009): Searching for the law: Ennin’s Journal as a key to the Heian appropriation of Tang culture. Ann Arbor, MI.: ProQuest.
  • Petzold, Bruno; Hammitzsch, Horst (Hrsg.) (1982): Die Quintessenz der T'ien-t'ai-(Tendai-)Lehre: eine komparative Untersuchung. Wiesbaden : Harrassowitz.
  • Payne, Richard K. (2004): Approaching the land of bliss: religious praxis in the cult of Amitābha. Honolulu: Univ. of Hawai'i
  • Reischauer, Edwin. O. (1955): Ennin’s travels in T’ang China. New York: Ronald Press.
  • Reischauer, Edwin. O. (1955): Ennin’s diary: the record of a pilgrimage to China in search of the law. Ru tang qiu fa xun li xing ji. New York: Ronald Press.
  • Reischauer, Edwin. O. (1963): Die Reisen des Mönchs Ennin: neun Jahre im China des neunten Jahrhunderts. Übers. Annelotte Piper. Stuttgart: Kohlhammer.
  • Saeki, Arikiyo 佐伯有清 (1989): Ennin 円仁. Tōkyō: Nihon Rekishi Gakkai.
  • Saso, Michael (1990): Tantric art and meditation: the Tendai tradition. Honolulu: Tendai Educational Foundation.
  • Suzuki, Beatrice L. (1990): Mahayana Buddhism. London u.a.: Allen & Unwin.
  • Swanson, Paul L. (1989): Foundations of T'ien-T'ai philosophy: the flowering of the two truths theory in Chinese Buddhism. Berkeley, CA: Asian Humanities Press.
  • Wachtmann, Hans G. (2006): Skulptur im alten Japan. Von den Anfängen bis zum 13. Jahrhundert. München.
  • Ziporyn, Brook A. (2000): Evil and/or/as the good: omnicentrism, intersubjectivity and value paradox in Tiantai Buddhist thought. Cambridge, MA u. a.: Harvard Univ. Press.

Externe Links